Nieder mit Lindner – Keine Kürzung bei den Arbeitslosen!

Jonathan Frühling, Infomail 1192, 11. Juli 2022

Es kam, wie es kommen musste: Nachdem in der Coronapandemie Milliarden an die Wirtschaft ausgeschüttet und Schulden über 100 Mrd. für Kriegsmaterial aufgenommen wurden, zeichnen sich jetzt erste Vorstellungen über Kürzungen des Staatshaushalts ab. Das soll dafür sorgen, dass die Schuldenbremse 2023 zum ersten Mal seit 2019 wieder greifen kann.

Vorerst hat Finanzminister Christian Lindner die Brotkrumen der Arbeitslosen im Visier. Es sollen ab 2023 nur noch 4,2 Millionen statt wie bisher 4,8 Mrd. für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen ausgegeben werden – ein sattes Minus von 609 Millionen. Das Geld wird momentan für staatlich finanzierte Jobs in der freien Wirtschaft für Langzeitarbeitslose ausgegeben. 42.000 Beschäftigte würden so ihren Lebensunterhalt verlieren.

Selbst aus der SPD kommen Stimmen, die die Wirtschaftlichkeit dieses Vorhabens kritisch sehen. Die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen kann nämlich helfen, den Fachkräftemangel in Deutschland abzudämpfen. Das Ergebnis des „sozialen Arbeitsmarktes“ gilt zudem als erfolgreich. Auch sind Wiedereingegliederte nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen, weshalb selbst die CDU den Vorschlag des Krawall-Neoliberalen Lindner ablehnt.

Doch bei nüchterner Betrachtung stellt sich auch die Frage, wieso der Staat das Kapital überhaupt von unseren Steuergeldern dafür bezahlt, Langzeitarbeitslose einzustellen. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um eine Lohnsubvention des Staates an die Wirtschaft. Besser wäre hier der Zwang zur Einstellung bei vollen tariflichen Entgelten statt Geldgeschenken. Außerdem ist das Geld, was dadurch jährlich eingespart wird, eher marginal. Die Ankündigung Lindners erfolgt also vor allem aus dem Grund, weiter den Druck auf die Arbeiter:innenklasse zu erhöhen, wodurch Langzeitarbeitslosigkeit in Zukunft wahrscheinlich den lebenslangen wirtschaftlichen Ruin bedeuten wird. Außerdem verknüpft er den Vorschlag demagogisch mit der Ablehnung von Steuererhöhungen, um so auf Kosten der Ärmsten der Armen Sympathien für seine Partei zu holen. Es wird also in neoliberaler Manier schön nach unten getreten.

Dabei sind Steuererhöhungen genau das, was wir brauchen – und zwar bei den Reichen! Statt das menschenunwürdige Hartz-IV-System weiter zu beschneiden, sollte die Regierung das Geld bei denen holen, die es im Überfluss haben. Die Besitzer:innen und Manager:innen von VW, Bayer und Co. müssen sich nämlich keine Angst über einen kalten Winter oder steigende Lebensmittelpreise machen. Außerdem gibt es noch immer umweltschädliche Subventionen für Diesel oder Kerosin. Hier muss der Rotstift dringend angesetzt werden.

Bei den Kapitalist:innen dagegen mangelt es vielleicht hier und da an Materialien und Vorprodukten, aber sicher nicht an Zuwendungen durch die Regierung und vielerorts auch nicht Profiten. Dem „Rest“ der Bevölkerung steht hingegen ein kalter Winter bevor. Während das Gasangebot sinkt, steigen die Preise enorm. Viele werden sich eine warme Wohnung nicht mehr leisten können. Nebenbei frisst die Inflation Löhne und Sozialleistungen auf. Auch hierzulande verringert sich der Lebensstandard. Um Lindner sein eigenes Argument vorzuhalten: Wir können uns weitere Kürzungen nicht leisten!

Die angekündigten Maßnahmen werden nur die ersten einer ganzen Reihe von Angriffen auf die Arbeiter:innenklasse darstellen, die in Zukunft folgen werden. Sie verdeutlichen einmal mehr, wie die sog. Fortschrittsdiskussion tickt. Es ist wichtig, für diese gegenwärtige und drohende Gefahr das Bewusstsein der Massen zu schärfen.

Regierung und Kapital stimmen Deutschland bereits darauf ein, dass die „fetten Jahre“ vorbei sind. Für Hartz-IV-Empfänger:innen und die über 20 %, die prekär beschäftigt sind, klingen diese Formulierungen sowieso wie Hohn. Lasst uns also dafür sorgen, dass vor allem für das Kapital die fetten Jahre der Bereicherung vorbei sind!

Wer die Krise bezahlen wird, ist noch nicht entschieden. Das werden wir noch auf den Straßen und in den Fabriken mit Streiks und Demonstrationen ausfechten müssen. In diesem Kampf stehen besonders die Gewerkschaften in der Pflicht. Sie müssen endlich mit der Politik der Partnerschaft mit Kapital und Regierung brechen und stattdessen für wirtschaftliche, soziale und politisch Forderungen mobilisieren, die unsere Lebensbedürfnisse sichern.