Britannien: Eisenbahnarbeiter:innen – Kampfdruck erhöhen bis zum Sieg!

KD Tait, Workers Power, Infomail 1191, 27. Juni 2022

Das britische Eisenbahnnetz wurde am 21. und 23. Juni zweimal zum Stillstand gebracht, als 40.000 Eisenbahner:innen im ersten landesweiten Streik seit 30 Jahren die Arbeit niederlegten. Die Gewerkschaft RMT (Eisenbahn, See und Transport) wehrt sich gegen ein Lohnangebot von 3 % und gegen die Bedrohung von Arbeitsplätzen, Renten, Arbeitsbedingungen und der Sicherheit bei der Bahn. In London schlossen sich ihnen 10.000 U-Bahn-Beschäftigte an, die gegen geplante Arbeitsplatz- und Rentenkürzungen streikten.

Der Streik, an dem Network Rail und 13 der 15 englischen Eisenbahnunternehmen beteiligt waren, war massiv. An beiden Tagen fielen 80 Prozent der Züge aus, und die Bahnstrecken wurden ab 18.30 Uhr praktisch geschlossen. Ein dritter Streiktag ist für Samstag, den 25. Juni, geplant.

Bislang versteckt sich die Regierung hinter Network Rail und den privaten Betreibergesellschaften. Verkehrsminister Grant Shapps hat jede Verantwortung abgelehnt, obwohl sein Ministerium das jährliche Budget für die Eisenbahnunternehmen festlegt. Der Chef von Network Rail, Andrew Haines (Jahresgehalt: 589.999 Pfund), hat sich gegen „staatliche Eingriffe“ ausgesprochen und behauptet, diese würden die Gewerkschaften dazu ermutigen, „Streitigkeiten zu politisieren“.

Es handelt sich jedoch um eine politische Auseinandersetzung, die Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft zeitigt. Der Streik ist die erste ernsthafte Bewährungsprobe für die Politik der Lohnzurückhaltung der Regierung im öffentlichen Sektor. Hochrangige Regierungsquellen haben gewarnt, dass ein Nachgeben der Regierung gegenüber den Bahngewerkschaften einen Präzedenzfall für den gesamten öffentlichen Sektor schaffen würde. Lohnerhöhungen im öffentlichen Sektor werden ähnliche Forderungen im privaten nach sich ziehen.

Der Präzedenzfall, den die Konservative Partei – und hinter ihnen die „Arbeitgeber:innen“ – schaffen wollen, besteht darin, dass mit Streiks keine echten Lohnerhöhungen erreicht werden können. Da die Gewerkschaften der Post, des Bildungswesens und des öffentlichen Dienstes über Löhne und Gehälter abstimmen, hoffen die Tories, dass eine Niederlage der RMT die Gewerkschaftsbewegung demoralisieren und eine Obergrenze für Lohnforderungen festlegen wird.

Das Boulevardblatt Sun hat zu Recht „Klassenkampf“ auf ihre Titelseite geschrieben. Die „Arbeitgeber:innen“ wollen die Löhne niedrig halten, um ihre Gewinne zu sichern. Der Plan der Regierung, die Beschäftigten des öffentlichen Sektors auf schmale Rationen zu setzen, ist ein zentraler Bestandteil dieser Strategie. Deshalb ist dieser Konflikt von entscheidender Bedeutung für die gesamte Arbeiter:innenklasse.

Wofür kämpft die Gewerkschaft RMT?

Die RMT-Forderung nach einer Erhöhung um 7-8 % basiert auf der Inflationsrate bei der Eröffnung der jährlichen Lohnverhandlungen im Dezember. Die neuesten Zahlen, die am Mittwoch veröffentlicht wurden, zeigen jedoch eine Inflation nach dem Einzelhandelspreisindex von 11,7 % – den höchsten Stand seit 40 Jahren. Zusammen mit dem dreijährigen Einfrieren der Löhne und Gehälter haben die Eisenbahner:innen damit bis zu 20 % ihres Reallohns verloren. Eine Forderung von 7 % entspricht einer Lohnkürzung von 4 %. Da die Inflation bis zum Herbst voraussichtlich 14 % erreichen wird, wird sich dies noch verstärken. Die Arbeiter:innen müssen ihre Rechnungen bezahlen und Lebensmittel zu den heutigen Preisen kaufen – nicht zu denen vom Dezember.

Aber es gibt noch einen zweiten Grund, für einen inflationsgeschützten Abschluss zu kämpfen. Die Regierung nutzt diesen Konflikt, um den Maßstab für Lohnforderungen für die gesamte Arbeiter:innenklasse zu setzen. Die Eisenbahner:innen sind eine der am besten organisierten Gruppen unserer Bewegung. Wenn sie zu Lohnkürzungen gezwungen werden können, werden die „Arbeitgeber:innen“ dies als Freibrief nutzen, um allen anderen das Gleiche – oder Schlimmeres – aufzuerlegen.

Deshalb müssen die Eisenbahner:innen gewinnen. Aber eine Erhöhung unterhalb der Inflation auszuhandeln, bedeutet keinen Sieg. Die Gewerkschaft sollte für einen inflationsgeschützten Lohnabschluss kämpfen: aktuelle Inflation plus 1 % für jeden 1 %-igen Anstieg der Inflation. Wenn die Inflation sinkt, werden die Beschäftigten beginnen, die durch das Einfrieren der Löhne verursachten Verluste wieder auszugleichen.

Das Gleiche gilt für die Arbeitsplätze. RMT-Generalsekretär Mick Lynch hat erklärt, seine Priorität sei eine Einigung ohne betriebsbedingte Kündigungen. Aber der Verlust von fast 2.000 Arbeitsplätzen bedeutet mehr Arbeit und mehr Überstunden für diejenigen, die bleiben. Das bedeutet gefährlichere Eisenbahnen für Arbeit:innen und Fahrgäste. Es bedeutet weniger qualifizierte Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze für junge Menschen.

Die Eisenbahner:innen sollten den Verlust von qualifizierten und erfahrenen Berufen nicht hinnehmen. Jedem/r Beschäftigten, dessen/deren Stelle gestrichen wird, sollte eine Umgruppierung und Umschulung in der gleichen oder einer besseren Besoldungsgruppe angeboten werden. Entfallende Stellen sollten eins zu eins durch neue Posten ersetzt werden. Falls erforderlich, sollte die Arbeit ohne Lohneinbußen aufgeteilt werden.

Das Argument, die Pandemie habe die Nutzung der Pendler:innenzüge drastisch reduziert, ist übertrieben. Aber die Bekämpfung des Klimawandels, die Verringerung der Umweltverschmutzung und die Verbesserung der Infrastruktur für Arbeit und Freizeit erfordern in jedem Fall eine drastische Ausweitung des Schienen- und öffentlichen Verkehrs, nicht eine Verringerung.

Die Regierungspartei will den Gewerkschaften die Schuld an den Problemen der Bahn in die Schuhe schieben. Aber die Regierung und die Bosse sind nicht an einer Modernisierung interessiert, wenn diese ihren Profiten schadet. Die Tories haben mehr Eisenbahnen gestrichen, als sie gebaut haben. Die Eisenbahn wird nicht als öffentlicher Dienst betrieben – sie operiert im Interesse des privaten Profits. Der Kampf um Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen muss Hand in Hand gehen mit dem Kampf, die Profiteur:innen zu vertreiben und die Bahn wieder in öffentliches Eigentum zu überführen, das unter der Kontrolle der Arbeiter:innen und Fahrgäste steht und durch die Besteuerung der Reichen finanziert wird.

Weitet die Aktion aus!

Lynch hat erklärt, die RMT sei auf einen „Zermürbungskrieg“ vorbereitet. Die Streikposten vom Dienstag bildeten eine eindrucksvolle Demonstration der Entschlossenheit der Eisenbahner:innen. Aber eine Reihe von 24-stündigen Arbeitsniederlegungen, die sich über viele Wochen oder sogar Monate hinziehen, birgt das Risiko von Ermüdung und finanzieller Härte.

Der schnellste Weg, den Konflikt zu einem raschen – und erfolgreichen – Abschluss zu bringen, ist die Ausweitung und Eskalation der Aktionen. Die Fahrer:innengewerkschaft ASLEF und die Gewerkschaft der Angestellten TSSA führen derzeit eine Urabstimmung durch. Die RMT-Streiks werden deren Mitglieder ermutigen, sich dem Konflikt anzuschließen und ihn zu verstärken. Aktivist:innen aus allen drei Gewerkschaften sollten eine Kampagne mit koordinierten, eskalierenden Aktionen organisieren, bei denen keine Einzelforderung zurückgestellt wird, bevor nicht alle beglichen sind.

Der Erfolg des Streiks hängt von der Organisierung der Gewerkschaftsmitglieder ab, um die Beteiligung und demokratische Kontrolle zu maximieren. Betriebsversammlungen und Streikpostenversammlungen können für den Streik mobilisieren und gemeinsame Streikausschüsse wählen, um Streikposten und Delegationen zu anderen Betrieben zu organisieren, die Durchführung des Streiks und der Verhandlungen zu erörtern – und jedes Abkommen abzulehnen, das nicht zu einer inflationsgeschützten Lohnerhöhung führt.

Solidarität

Die RMT-Beschäftigten haben den Weg nach vorn gewiesen. Für einen Sieg muss jedoch eine starke Solidaritätskampagne mobilisiert werden. In jeder Stadt und jedem Bezirk sollten lokale Solidaritätsausschüsse von Delegierten aus Gewerkschaftsortsgruppen und Betrieben gebildet werden. Diese können damit beginnen, bei ihren Mitgliedern und Kolleg:innen für die Ziele des Streiks zu werben, Geld für den Streikfonds zu sammeln und Delegationen zu den Streikposten zu organisieren.

Diese Ausschüsse können nicht nur den Streik unterstützen, sondern auch die Grundlage für die Organisierung von einfachen Gewerkschaftsmitgliedern in der gesamten Bewegung bilden, um Rekrutierung, Wahlbeteiligung und Stimmen für Aktionen in ihren eigenen Abstimmungen zu maximieren.

Wir sitzen alle im selben Boot. Jede:r erkennt die Notwendigkeit eines geeinten, koordinierten Widerstands an. Der Gewerkschaftsdachverband TUC sollte die Einzelgewerkschaften zusammenbringen und Abstimmungen sowie Kampagnen koordinieren. Aber wir können nicht auf ihn warten. Wir müssen bereit sein, mit den Gewerkschaftsführer:innen zu handeln, wenn sie kämpfen – aber ohne sie, wenn sie es unterlassen. Das bedeutet, dass wir uns innerhalb der Einzelgewerkschaften und gewerkschaftsübergreifend organisieren müssen.

Wir alle wissen, was auf dem Spiel steht. Deshalb ist die Weigerung der Führung der Labour-Partei, den Streik unmissverständlich zu unterstützen, so beschämend. Mit einer Handvoll ehrenwerter Ausnahmen haben die Labour-Abgeordneten Streikposten gemieden wie die Pest. Sie dürfen nicht aus der Verantwortung gelassen werden. Wir müssen jeden Auftritt in den Medien nutzen, um Keir Starmer und das Schattenkabinett aufzufordern, die Streiks zu unterstützen.

Mit Solidarität, Organisierung der Basis und kämpferischen Aktionen können wir die Lohnzurückhaltung der Tories brechen, eine echte Lohnerhöhung für Millionen von Menschen erreichen – und die Bosse für ihre eigene Krise bezahlen lassen. Sieg für die RMT!