Antikriegsbewegung aufbauen: Klassenkrieg dem Krieg!
Martin Suchanek, Neue Internationale 263, April 2022
Die Invasion des russischen Imperialismus in die Ukraine hat eine neue Phase der Weltpolitik eingeläutet. Der Krieg offenbart nicht nur den reaktionären Charakter von Putins Regime, dessen barbarischer Kriegsführung Tausende zum Opfer gefallen sind – und täglich zum Opfer fallen werden.
Millionen Menschen fragen sich: Wie kann das Morden gestoppt werden? Millionen tragen ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine Woche für Woche auf die Straße.
Die Unterstützung der Opfer der russischen Invasion ist ein Gebot der Stunde. Doch zugleich droht der sich seit Jahren verschärfende Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen den „alten“ imperialistischen Mächten, den USA und jenen in Westeuropa, einerseits sowie den „neuen“ wie China und Russland andererseits, zu einem heißen Krieg zu eskalieren.
Eine internationale Antikriegsbewegung muss daher sowohl ihre Solidarität mit den Opfern von Putins barbarischem Krieg zum Ausdruck bringen wie auch der akuten globalen Kriegsgefahr Rechnung tragen.
In den westlichen Ländern – so auch in Deutschland – kommt es darauf an zu verhindern, dass die NATO von der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Unterstützerin der ukrainischen Regierung zu einer direkten Kriegspartei wird, der globale Konflikt zum offenen, Dritten Weltkrieg ausartet.
Die Gefahr ist real. Die Politik der USA, der NATO-Mächte und der Bundesregierung, die extremen ökonomischen Sanktionen gegen Russland und die massive Aufrüstung sind kein Akt der „Verteidigung der Demokratie“ und Menschenrechte, wie es die Regierung und Opposition im Bundestag predigen. Vielmehr werden so nur die imperialistischen Interessen im Kampf um die Ukraine verkleidet.
Für eine Antikriegsbewegung ergeben sich daher mehrere wichtige Schlussfolgerungen.
1. Aufdecken der Interessen des „eigenen“ Kapitalismus – Ablehnung jeder Form des nationalen Schulterschlusses
Deutschland und der Westen verteidigen nicht das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine, sondern verfolgen vielmehr das Ziel, Russland als imperialistischen Konkurrenten auszuschalten und die Ukraine dauerhaft zu ihrer Halbkolonie zu machen. Die Behauptung, dass es den herrschenden Klassen Deutschlands oder seiner NATO-Verbündeten um einen Kampf zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Willkür und Menschenrechten ginge, ist eine Lüge. Sie soll nur die Bevölkerung auf Aufrüstung, NATO-Expansion nach Osten, Unterstützung der Sanktionen und ggf. ein direktes militärisches Eingreifen ideologisch vorbereiten und einstimmen.
- Nein zu jeder NATO-Intervention! Gegen alle Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen und Waffenlieferungen! Gegen NATO-Ausweitung, sofortiger Austritt aus der NATO!
2. Keinen Cent für die imperialistische Politik
Auf den neuen Kurs, auf die „Zeitenwende“ eines Olaf Scholz sollen die Lohnabhängigen nicht nur ideologisch eingeschworen werden. Sie sollen auch dafür zahlen – sei es durch höhere Preise infolge der Sanktionen, sei es durch zukünftigen Sozialabbau, Kürzungen und Steuererhöhungen, um die Aufrüstung der Bundeswehr zu finanzieren.
- Keinen Cent für die imperialistische Politik, für die Bundeswehr! Nein zum 100-Milliarden-Programm der Ampel-Koalition!
- Die Kosten der Preissteigerung müssen die Herrschenden zahlen! Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber:innen unter Arbeiter:innenkontrolle! Übernahme gestiegener Lebenshaltungskosten der Arbeiter:innenklasse, der Rentner:innen, von Erwerbslosen durch Besteuerung des Kapitals! Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Konversion unter Arbeiter:innenkontrolle!
3. Nein zu Putins Angriffskrieg! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und Antikriegsbewegung in Russland!
Eine Antikriegsbewegung, die diesen Namen verdient, muss die Invasion in der Ukraine verurteilen, den sofortigen Abzug der Truppen und die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Ukraine fordern (genauso wie von der Ukraine jenes der Krim und des Donbass zu verlangen ist). Eine Bewegung, die glaubwürdig gegen die Politik der NATO-Mächte kämpfen will, darf zum russischen Imperialismus nicht schweigen.
- Sofortiger Abzug der russischen Armee! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, Anerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung gegen die Invasion!
- Solidarität mit der Antikriegsbewegung und der Arbeiter:innenklasse in Russland; Verbreitung der Aktionen gegen den Krieg; Freilassung aller Festgenommen!
- Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger:innenrechte für alle – finanziert durch den Staat; Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!
4. Politischer Massenstreik und Massendemonstrationen gegen jede direkte NATO-Intervention!
Sollten die NATO-Länder zu einer direkten militärischen Intervention z. B. durch die Errichtung von Flugverbotszonen schreiten, muss die Arbeiter:innenklasse unmittelbar gegen diese Eskalation hin zum direkten Krieg imperialistischer Mächte mobilisiert werden, um mit einem politischen Streik bis hin zum Generalstreik die gefährliche Katastrophe zu verhindern, um die Kriegstreiberei durch den Klassenkrieg zu stoppen!
Die Ablehnung jeder Klassenzusammenarbeit, jeder Unterstützung der Regierung und ihrer militärischen und wirtschaftlichen Interessen ist nicht nur unerlässlich im Kampf gegen den „eigenen“ Imperialismus, den Hauptfeind im eigenen Land. Sie schafft zugleich auch die besten Voraussetzungen für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung – insbesondere auch in Russland und in der Ukraine. Wenn sich die Lohnabhängigen in Deutschland und anderen westlichen Ländern gegen ihre eigene Regierung stellen, so untergräbt das auch den reaktionären völkisch-nationalistischen großrussischen Nationalismus.
Antikriegsbündnis aufbauen!
Die Gruppe Arbeiter:innenmacht und REVOLUTION beteiligen sich gemeinsam mit anderen internationalistischen, sozialistischen, klassenkämpferischen und gewerkschaftsoppositionellen Strömungen aktiv am Aufbau einer Antikriegsbewegung unter den Losungen „Gegen die Aufrüstung! Nein zum Krieg! Weder Putin noch NATO!“
Gemeinsam intervenierten wir auf den großen Ukraine-Solidaritätsdemonstrationen wie z. B. am 13. März in Berlin. Zugleich organisieren wir eigene Antikriegsdemonstrationen und Kundgebungen wie z. B. am 9. April in Berlin, 14.00 Uhr vor der russischen Botschaft (Unter den Linden/Ecke Friedrichstraße). Wir versuchen, dafür Lohnabhängige und Gewerkschafter:innen, Schüler:innen, Studierende dort zu organisieren, wo sie arbeiten oder lernen. Wir halten dies für strategisch notwendig, wenn wir eine Antikriegsbewegung aufbauen wollen, die sich auf die Arbeiter:innenklasse stützt, Kriegstreiber:innen, Kapital und Kabinett durch ihre Aktionen wirklich stoppen kann, um die Kräfte für einen Kurswechsel in den Gewerkschaften, aber auch in den reformistischen Parteien zu sammeln.
Um eine Antikriegsbewegung aufzubauen, brauchen wir Aktion und Diskussion. Daher schlagen wir eine Aktionskonferenz Anfang Mai vor, um gemeinsam darüber zu diskutieren, wie wir die Bewegung voranbringen können. Eine solche muss zugleich auch grundlegende Fragen des Kampfes gegen Imperialismus und Krieg diskutieren, um die politische Klärung innerhalb der Bewegung und der Linken voranzubringen. Es gilt, jene Kräfte zu formieren, die nicht nur eine Bewegung, ein Bündnis aufbauen, sondern auch eine revolutionäre Organisation und Internationale bilden wollen – mit dem Ziel, den drohenden imperialistischen Krieg zum Klassenkrieg gegen den Kapitalismus zu transformieren.