Corona-Demos in Österreich: Neue alte Rechte in der Pandemie

Alex Zora, Arbeiter*innenstandpunkt, Infomail 1178, 15. Februar 2022

Seit einigen Wochen gibt es wieder regelmäßige Massendemonstrationen auf den Straßen Wiens. Demonstriert wird gegen allerlei Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Die Impf- wird ebenso abgelehnt wie die Maskenpflicht, vorgeschriebene Testungen im Zuge der 3G-Regel am Arbeitsplatz oder aber auch unterschiedliche Ausformungen des Lockdowns. Die Stimmung der Teilnehmer:innen schwankt zwischen einem Leugnen der Pandemie und der Sorge über die Einschränkung der persönlichen Freiheit. Auf dem Höhepunkt erreichten die Mobilisierungen eine Stärke von an die 50.000 Menschen.

Im Wesentlichen werden die Demonstrationen von einigen „prominenten“ Persönlichkeiten der „corona-kritischen“ Szene organisiert. Die Hauptstützen haben sich seit den Demonstrationen im letzten Winter – als eine gesetzliche Impfpflicht noch bei weitem nicht ins Haus stand – nicht wesentlich geändert. Zu nennen sind beispielsweise der weit rechts stehende Martin Rutter oder auch Hannes Brejcha. Der entscheidende Unterschied zu letztem Winter ist aber, dass sich die FPÖ – jetzt geführt von Herbert Kickl – aktiv in die Mobilisierungen einbringt und organisatorisch führend auftritt. Sorgte damals seine Unterstützung für die Demonstrationen noch für Unmut in der FPÖ, steht die Partei nun zumindest nach außen nahezu geschlossen hinter der neuen Linie. Organisatorisch steht hinter den corona-skeptischen Demonstrationen also ein rechtes Spektrum, das von der FPÖ über einzelne weit rechts stehende Einzelpersonen und die faschistischen Identitären bis hin zu Neonazis (Gottfried Küssel und Co.) und Nazi-Hooligans aus der Fußballszene reicht. Daneben gibt es auch eine sehr große Anzahl an nicht-ideologischen Menschen auf der Straße, aber diese sind entweder politisch nach rechts offen oder legen bewusste Ignoranz der Tatsachen an den Tag.

Was die soziale Zusammensetzung der Demonstrationen betrifft, ist vor allem eines sehr auffällig. In Wien kommt die große Mehrheit der Menschen immer aus den Bundesländern (teilweise auch aus dem Ausland) angereist. Es liegen dazu zwar keine wissenschaftlich erfassten Zahlen vor, aber diese Tatsache ist aus den vielen Bundesländerfahnen auf den Demos ersichtlich, den Reaktionen der Demonstrationsteilnehmer:innen auf Redner:innen („Wo sind die Wiener?“) sowie insbesondere aus den Erfahrungen regionaler Mobilisierungen. So riefen etwa am 1.12.2021 diverse Vertreter:innen der Bewegung zum „Warnstreik“ gegen die Maßnahmen auf. Dabei gab es Mobilisierungen in den diversen Landeshauptstädten. Die größten davon waren in Linz (1.500 – 2.000), Graz (bis zu 1.500) und Innsbruck (1.500). In Wien waren es hingegen nur „einige Hundert“ (orf.at).

Die politische Richtung, in die sich die Demonstrationen seit mehr als einem Jahr entwickeln, ist ganz eindeutig nach rechts. Die Impfpflicht wird abgelehnt, aber nicht weil die Umsetzung der Bundesregierung sozial ungerecht ist, sondern aus einer individualistischen, chauvinistischen und wissenschaftsfeindlichen Haltung heraus. Die mehr als zehntausend Todesopfer der Pandemie alleine in Österreich werden entweder relativiert bzw. geleugnet oder damit gerechtfertigt, dass es „eh nur“ alte bzw. schon vorher kranke Leute betroffen hätte. International reiht sich die Bewegung in Österreich ganz klar in Mobilisierungen der Rechten in Deutschland oder den USA mit den dazugehörigen Verschwörungsmythen ein.

Als Linke muss man dieser Bewegung zweierlei entgegensetzen. Einerseits braucht es klare Gegenmobilisierungen auf der Straße, damit Faschist:innen nicht ungehindert dort die Oberhoheit  übernehmen und zur physischen Bedrohung werden. Andererseits ist der Regierungspolitik eine brauchbare linke Alternative entgegenzustellen und sichtbar zu machen. Anstatt rechtzeitig wirkungsvolle Maßnahmen gegen die Pandemie zu treffen und die Menschen dabei sozial und gesundheitlich abzusichern, wird nämlich leider lieber der Profit für den Wintertourismus gesichert und die Durchseuchung der Gesellschaft forciert.