Kriegstreiberin NATO

Frederik Haber, Neue Internationale 261, Dezember 2021/Januar 2022

Ziemlich plötzlich wichen die Bilder und Berichte von der polnisch-belarussischen Grenze solchen von russischem Kriegsgerät: Es drohen nicht nur Flüchtlinge, sondern auch russische Panzer.

Beides wurde dann auch als Grund dafür angegeben, warum sich die AußenministerInnen der NATO in Lettland treffen und beraten müssen. Anfang Dezember also trafen sie sich in Riga, zum ersten Mal so nahe an der russischen Grenze, und die NATO hielt auch gleich eines von fünf dort geplanten Manövern ab.

Die Fakten also belegen eine geplante Machtdemonstration des atlantischen Bündnisses, das natürlich seine Rechtfertigung braucht: „Es soll Truppenkonzentrationen an der russischen Grenze geben“, lautete der Tenor der Medien und PolitikerInnen. Belegt wurde nichts, die Bilder der russischen Militärausrüstung stammten aus Archiven.

Motive

Die Aggressorin ist eindeutig die NATO unter Führung des US-Imperialismus. Es gibt für diesen verschiedene Motive. Das Entscheidende ist die Zuspitzung der Widersprüche zwischen den führenden imperialistischen Mächten: China fordert die Hegemonie der USA heraus, ist wirtschaftlich teilweise auf Augenhöhe und rüstet schnell auf, wenn auch das Land militärisch noch meilenweit von der Stärke der USA entfernt ist. Russland kann wirtschaftlich überhaupt nicht mithalten, verfügt aber nach wie vor über eine militärische Stärke, die die neue russische Bourgeoisie aus der Sowjetunion geerbt hat. Diese erlaubt Russland, den USA nicht nur in seinem engeren Umfeld wie Ukraine und Armenien in die Parade zu fahren, sondern auch in Zentralasien oder Syrien.

Die USA unter Biden setzen wieder stärker darauf, die direkten KonkurrentInnen zu schwächen, und verfolgen so mit anderen Hebeln das gleiche Ziel, „America great again“ zu machen. Im Gegensatz zu Trump nutzt Biden dazu mehr die NATO und andere internationale Strukturen. Das bringt dem US-Imperialismus zwei Vorteile: Die Kosten können umgelegt und die „Verbündeten“ in Konflikte mit Russland und China getrieben werden, die sie möglicherweise gar nicht wollen.

Insbesondere der deutsche Imperialismus steht dabei im Fokus der USA. Seine Stärke liegt im Export. Er braucht wirtschaftliche Beziehungen mit Russland zur Energieversorgung und zum Export von Autos, Maschinen und Anlagen sowie China für Handel mit allem und jedem. Andere Teile der EU gehen in eine ähnliche Richtung. Für die USA verfolgen die Konflikte mit Russland und China immer auch den Zweck, den deutschen und EU-Imperialismus zu schwächen, wirtschaftlich wie politisch.

Kriegspropaganda entlarven

Als SozialistInnen ist es unsere Aufgabe, der Kriegspropaganda der eigenen herrschenden Klasse entgegenzutreten und ihre Lügen zu entlarven. Wenn es sich dabei um eine imperialistische Macht handel wie die BRD, erst recht. Wir wissen auch, dass gerade, wenn es um die innere und äußere Sicherheit, um die Absicherung der Diktatur der Bourgeoisie und ihrer Position in der globalen Konkurrenz geht, die Bereitschaft zur Lüge sehr hoch ist. Gerade weil die Kriegstreiberei der NATO die Kriegsgefahr erhöht, ist Wachsamkeit vonnöten: Die harmlosen Gesichter eines Maas oder bald einer Baerbock dürfen uns nicht täuschen.

Aber die Lügen unserer ImperialistInnen machen die der anderen nicht besser. Auch die Außenpolitik des russischen Imperialismus geht über Leichen. Hunderttausende fanden den Tod in Syrien und ihre Hoffnungen wurden begraben, als sich die russische Hilfe als der entscheidende Faktor erwies, den Schlächter Assad an der Macht zu halten.

In Osteuropa, genauer in der Ukraine, hat der russische Imperialismus quasi „die richtige Seite“ unterstützt. Gegen den Putsch der rechten NationalistInnen und FaschistInnen, der 2014 von den USA mit über 5 Milliarden US-Dollar finanziert worden war, unterstützte Russland diejenigen, die sich dagegen zur Wehr setzten und eine Volksbewegung im Ostteil des Landes bildeten. Es nutzte dies, um sich die Krim einzuverleiben, nachdem die dortige Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit einen Anschluss gefordert hatte. Putin versorgt die Republiken im Osten so weit, dass sie überleben können. Ein Ende dieser Unterstützung würde Pogrome zur Folge haben, weit schlimmer noch als das Massaker an den VerteidigerInnen des Odessaer Gewerkschaftshauses. Zugleich hat der russische Einfluss alle linken und emanzipatorischen Projekte im Donbass beendet. Es muss heute davon ausgegangen werden, dass der Tod von mindestens 3 linkspopulistischen Führern auf russisches Betreiben geschah.

RevolutionärInnen dürfen nicht den Fehler vieler Linker (meist stalinistischer Herkunft) begehen, zwischen guten und schlechten ImperialistInnen zu unterscheiden oder gar zu leugnen, dass Russland (oder China) imperialistische Länder sind. Es gilt, die Konflikte zu nutzen, um sie jeweils vor ihrer eigenen Bevölkerung entlarven.

Gerade weil wir die Verlogenheit der „demokratischen“ ImperialistInnen bekämpfen, können wir am besten die GewerkschafterInnen und DemokratInnen in Belarus oder der Russischen Föderation in ihrem Kampf gegen Putin oder Lukaschenko unterstützen und sie vor den Illusionen in die „westliche“ Propaganda bewahren.

Antikriegsbewegung!

Das Treffen der NATO in Riga verkörpert einen Schuss gegen Russland und eine weitere Eskalation in einem neuen Kalten Krieg. Die USA und ihre engeren Verbündeten in der NATO drängen auf massive Aufrüstung, verstärkte Grenztruppen. US-Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III. erklärt sich öffentlich für einen NATO-Beitritt der Ukraine und Georgiens. Auch wenn das noch dauern mag, so wird die Ukraine schon jetzt aufgerüstet – mit fleißiger Unterstützung der alten wie der neuen Bundesregierung. Ebenso drohen USA und NATO mit weiteren, härteren Wirtschaftssanktionen gegenüber Moskau.

Dieser Kriegstreiberei der NATO und der Aufrüstung in der BRD müssen wir entschlossen entgegentreten. Nein zu allen Sanktionen, die selbst nur ein „ziviles“ Mittel im Kampf um die Neuaufteilung der Welt darstellen! Nein zu allen Auslandseinsätzen! Sofortiger Abzug aller Truppen im Ausland! Nein zur NATO-Mitgliedschaft, nein zur Aufrüstung der Bundeswehr! Keinen Cent, keine Person für diese Armee!