25. November: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

Jaqueline Katherina Singh, Infomail 1170, 25. November 2021

Der 25. November ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, der seit 1981 jährlich zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen abgehalten wird. Ob Femizide, Zwangsheirat, Vergewaltigungen, Zwangsprostitution, häusliche Gewalt oder sexuelle Belästigung – die Liste, wie diese Gewalt aussehen kann, ist unendlich lang. Daraus lässt sich erahnen: Wir haben es mit dem bitteren Alltag unserer Gesellschaft zu tun. Diese Manifestationen von Unterdrückung sind an allen Orten anzutreffen, auch wenn Frauen aus den ärmeren Schichten noch einmal verstärkt betroffen sind. Laut der Hilfsorganisation WHO stellt diese Gewalt gegen Frauen eines der größten Gesundheitsrisiken weltweit und laut UNICEF die häufigste Menschenrechtsverletzung dar.

Auswirkungen der Pandemie

Ob beruflich oder privat, durch die Corona-Pandemie hat sich die Lage von Frauen nochmals massiv verschlechtert. Allgemein gilt: Frauen sind die großen Verliererinnen. Ein Satz, der nicht nur für Deutschland oder Europa, sondern weltweit gilt. Im Zuge der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus wurden teilweise ganze Branchen wie die Gastronomie oder andere Dienstleistungsbereiche stark heruntergefahren oder sogar zeitweise ganz geschlossen. Doch diese für den Gesundheitsschutz notwendigen Maßnahmen gingen nicht mit voller sozialer Absicherung der Beschäftigten einher, in vielen Ländern gab es überhaupt keine.

Dies betraf vor allem Frauen, da deren Anteil in diesen Berufen doch überdurchschnittlich hoch ist. In Deutschland beispielsweise beträgt dieser rund 64 %. Laut dem WEF (World Economic Forum; Weltwirtschaftsforum) verdienen Frauen weltweit durchschnittlich nur 68 % dessen, was Männer für dieselbe Arbeit erhalten würden. In den Ländern mit der geringsten Kaufkraftparität sind es sogar nur 40 %. Auch hier hat die Pandemie die Situation für Frauen deutlich verschlechtert. Erste Untersuchungen deuten bereits darauf hin, dass das Lohn- und Gehaltsgefälle sich im Zuge der Pandemie um 5 % vergrößert hat.

Doch insbesondere der Anstieg der Gewalt gegen Frauen innerhalb der Pandemie ist erschreckend.

So nahmen während des ersten Lockdowns mit Ausgangssperren in Frankreich die Fälle häuslicher Gewalt um 30 Prozent zu. In Spanien stiegen sie in den ersten beiden Aprilwochen 2020 bei der  spanischen Hotline für häusliche Gewalt um 47 %. Und in Deutschland?

Hierzulande listet die Statistik des BKA für das vergangene Jahr 2020 148 031 Opfer von Partnerschaftsgewalt auf. Das ist eine Steigerung um 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt waren  80,5 Prozent der Betroffenen weiblich und 139 Frauen sind im Zuge der erlebten Partnerschaftsgewalt gestorben. Beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ hat die Pandemie deutlichere Spuren hinterlassen als in der Statistik des BKA. Petra Söchting, die Leiterin des Hilfetelefons, spricht von insgesamt 51 400 Beratungen im vergangenen Jahr, 15 Prozent mehr als 2019. Die Zahl der Beratungen speziell zu Gewalt in Partnerschaften sei sogar um 20 Prozent gestiegen. Im ersten Lockdown habe es einen deutlichen Anstieg gegeben, seither lägen die Anfragen auf durchgehend hohem Niveau.

Gleichzeitig muss bewusst sein, dass die Dunkelziffer der erlebten Gewalt höher auszufallen hat. Denn die Lockdowns im Rahmen der Pandemie haben es auch schwerer gemacht, sich an Hilfestellen zu wenden, da die Überwachung und Kontrolle durch die Gewalt ausübenden Partner stärker geworden ist. Insgesamt werfen die Zahlen aber folgende Fragen auf: Woher kommt die Gewalt gegen die Frauen, die so allgegenwärtig ist? Und warum hat sich die Situation mit der Pandemie so drastisch verschlechtert?

Wurzel der Gewalt

Wichtig zu verstehen ist, dass Gewalt gegen Frauen keine Frage der Bildung ist. Wenn dem so wäre, dann würde sie nur in einem gewissen Teil der Gesellschaft zu finden sein und könnte allein durch Aufklärungsarbeit verschwinden. Ebenso wenig weit bringt uns die Erklärung, dass Gewalt gegen Frauen in der „Natur“ von Männern liegt. Wäre dass der Fall, müsste man entweder Männer isolieren – oder die Gewalt hinnehmen. Problematisch an beiden Erklärungsversuchen ist ebenso, dass Gewalt gegen Frauen oftmals als individuelles Problem erscheint. Doch dem ist nicht so.  Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und hat eine reale Basis.

Aus marxistischer Sicht ist eine der Hauptursachen von Frauenunterdrückung die dem Kapitalismus innewohnende Trennung von gesellschaftlicher Produktion und privater Reproduktionsarbeit. Diese schafft neben schlechterer Position für Frauen auf dem Arbeitsmarkt (s. o.) Abhängigkeiten – beispielsweise vom Lebenspartner oder Ehemann. Wesentlich zur Aufrechterhaltung der Unterdrückungsverhältnisse tragen subtil wirkende gesellschaftliche Mechanismen bei wie z. B. geschlechtsspezifische Sozialisierung und damit die Reproduktion stereotyper Verhaltensweisen. Es sind eben keine natürlichen Vorprägungen, die automatisch für geschlechtliche Unterdrückung verantwortlich sind. Physische Gewalt ist dabei „nur“ ein Extrem, die sichtbare Spitze des Eisberges von (Frauen-)Unterdrückung.

Die Gewalt gegen Frauen im Zuge der Pandemie ist dabei aufgrund verschiedener Faktoren gestiegen: Zum einen haben der Jobverlust sowie die sinkenden Einkommen Frauen ökonomisch an die Familie gebunden. Das verstärkt die Abhängig vom Ort, an dem man Gewalt erfährt. Das bindet sie ökonomisch stärker an die Familie, macht sie schutzloser gegenüber häuslicher Gewalt. Zusätzlich steigt die reproduktive Arbeit, die im Haushalt getätigt werden muss, was die Doppelbelastung der Frauen erhöht. Sie werden also unter Bedingungen einer kapitalistischen Krise, die durch die Pandemie verstärkt wird, mehr in die klassische, reaktionäre Geschlechterrolle gedrängt.

Der Kampf gegen Gewalt

Der Kampf gegen Gewalt muss sich daher auch gegen die Ursachen der Unterdrückung wenden. Das heißt, dass wir für die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen sowie die Beendigung der geschlechtlichen Arbeitsteilung kämpfen müssen. Praktisch bedeutet das zum einen, für gleichen Lohn für gleiche Arbeit einzustehen sowie für ein Mindesteinkommen, das an die Inflation angepasst wird. Das beugt der oben beschriebenen ökonomischen Abhängigkeit vor und ermöglicht, dass Frauen sich besser von Gewalttätern trennen zu können sowie weniger von Altersarmut betroffen sind. Gleichzeitig werden damit Hindernisse für die gleiche Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben reduziert.

Zum anderen ist eine zentrale Forderung die Vergesellschaftung der Hausarbeit. Diese dient dazu, Frauen aus der Doppelbelastung durch Lohn- und unbezahlte Hausarbeit zu befreien, aber auch die geschlechtliche Arbeitsteilung zu beenden, so dass Hausarbeit nicht mehr unbezahlt im Privaten stattfindet, sondern gesamtgesellschaftlich organisiert wird. Praktische Schritte in diese Richtung wären beispielsweise die Einrichtung von kostenlosen Kantinen und Waschküchen, der flächendeckende Ausbau von Kindergärten mit massiver Aufstockung von Personal. Eine vollständige Vergesellschaftung der Hausarbeit wird im Kapitalismus jedoch nie möglich sein. Dieses Ziel muss daher mit dem Kampf gegen den Kapitalismus selbst verbunden werden.

Daher gilt es, den Kampf gegen Gewalt an Frauen mit sozialen, klassenspezifischen Forderungen und dem für die Vergesellschaftung der Hausarbeit zu verbinden:

  • Organisierte Selbstverteidigung von Frauen gegen sexistische und sexualisierte Übergriffe auch gemeinsam mit anderen unterdrückten Gruppen und der ArbeiterInnenbewegung! Keine Frau darf der Gefahr von Vergewaltigung und Missbrauch ausgeliefert werden!
  • Massiver Ausbau von Schutzräumen und Beratungszentren für Betroffene häuslicher und sexistischer Gewalt und familiärer Unterdrückung, auch für geflüchtete Frauen! Finanzierung dieser Maßnahmen durch den Staat! Selbstverwaltung und Kontrolle über die Schutzräume und Frauenhäuser durch die Betroffenen!
  • Gegen alle kulturellen oder religiösen Praktiken, die das körperliche Selbstbestimmungsrecht von Frauen angreifen!

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Massive Erhöhung der Einkommen und Löhne der Beschäftigten in Care-Berufen, im Einzelhandel und in Niedriglohnsektoren!

  • Ausbau von Kinderbetreuungs-, Jugend- und Bildungseinrichtungen!
  • Kämpfen wir gemeinsam für die Vergesellschaftung der Hausarbeit!