Erklärung zum Antikrisenbündnis Hamburg (AKB-HH)

Gruppe ArbeiterInnenmacht Hamburg, Infomail 1168, 30. Oktober 2021

Die Initiative für ein Antikrisenbündnis in Hamburg entstand vor ca. einem Jahr im Oktober 2020. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die krisenhafte Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland und der EU zugespitzt und war durch die Corona-Pandemie eskaliert. Gleichzeitig waren die Linke und die ArbeiterInnenbewegung in Deutschland kaum sicht- und wahrnehmbar und schienen wie in eine Art Schockstarre gefallen zu sein. Die Straßenproteste wurden von den rechten oder zumindest stark nach rechts offenen und von Irrationalität sowie einem Hang zu Verschwörungstheorien geprägten Querdenken-Demos dominiert, die teilweise erhebliche Mobilisierungserfolge aufweisen konnten.

In dieser Situation war es vor allem angesichts der Tatenlosigkeit der großen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung in Deutschland, insbesondere der Gewerkschaften, aber auch der Linkspartei und natürlich auch der in der Großen Koalition regierenden SPD notwendig und richtig, die Initiative für ein Antikrisenbündnis zu starten. Für uns war das Bündnis von Anfang an ein Versuch, linke und progressive Kräfte zu sammeln, um mit Aktionen eine Mobilisierungsstärke zu entwickeln und dadurch vor allem auch Druck auf die größeren Organisationen auszuüben, ebenfalls aktiv zu werden. Wir gaben und geben uns nicht der Illusion hin oder verfolgten bzw. verfolgen die Absicht, linksradikale Bündnisse als Selbstzweck aufzubauen. Für uns steht die Bündnisarbeit in der Tradition der Einheitsfronttaktik, die darauf abzielt, angesichts der politischen Dominanz der ArbeiterInnenklasse durch reformistische Massenorganisationen gemeinsame Aktionen durchzuführen und größere Teile der Klasse in Bewegung zu bringen.

Davon waren und sind wir sicherlich weit entfernt. In dem Bündnis haben sich früh sehr unterschiedliche Vorstellungen über die notwendigen Inhalte, die Vorgehensweise und die Ausrichtung gezeigt. Einen ersten Bruch gab es bereits im Januar 2021, als nach der ersten gemeinsamen Kundgebung die GenossInnen des Jour Fixe – Gewerkschaftslinke Hamburg und des Blauen Montag ihren Austritt erklärt haben. Wir finden es dennoch richtig, dass wir damals den Weg in erste gemeinsame Aktionen in Form von Kundgebungen gegangen sind. Wenn wir nicht zur gemeinsamen Aktivität gekommen wären, hätte sich das Bündnis in den unbefriedigenden Grundsatzdiskussionen sehr viel schneller zerlegt. Dass die genannten Organisationen – und in der Folge auch weitere Individuen – damals bereits ausgetreten sind, war ein Fehler und hat das Bündnis geschwächt. Sie haben bis heute keinerlei alternative Handlungsoption entwickelt. Sie haben sich daher zu einer rein passiven Kritik an der bestehenden Initiative des Bündnisses entschieden, anstatt gemeinsam an einer Perspektive zu arbeiten, zumal die damals vorgebrachten Argumente einen Bruch nicht – oder zumindest noch nicht – notwendig gemacht hätten.

Die erste Kundgebung war sicherlich weit davon entfernt, unseren Ansprüchen zu genügen. Aber sie war immerhin ein erster Schritt und die Lage sah danach nicht grundlegend schlecht aus. Neue, vor allem jüngere Organisationen haben sich dem Bündnis angeschlossenen und einige Kontakte zu anderen Bündnissen konnten etabliert und ausgebaut werden.

Die folgenden Kundgebungen im März und April haben jedoch gezeigt, dass die Aktionen keine weitere Anziehungskraft entwickeln konnten. Sie stagnierten vielmehr in ihrer Größe. Auch die folgende Initiative zu einem weiteren Vernetzungstreffen war eher enttäuschend.

Vor diesem Hintergrund haben wir im Juni diskutiert, dass wir uns zunächst auf kleinere Aktionen (Infostände, Solidarität mit Arbeitskampfmaßnahmen) vor allem in Stadtteilen konzentrieren möchten, um darüber mittelfristig das Bündnis auch außerhalb der „Szene“ bekannter zu machen und eine Basis aufzubauen.

Das wurde leider nicht in die Tat umgesetzt. Stattdessen kam es im August zu einer unserer Meinung nach völlig unnötigen und politisch fatalen Wende hin zu noch mehr Aktionismus. Es wurde beschlossen, eine „After-Wahl-Demonstration“ direkt nach den Bundestagswahlen zu organisieren. Die politische Lage nach den Bundestagswahlen wurde dabei völlig falsch eingeschätzt. Ohne jegliche fundierte Grundlage wurde ein Protestpotential prognostiziert, das nach den Wahlen die Menschen aus Wut auf die Straße treiben würde. Die Entscheidung stand zudem in direktem Gegensatz zu unseren Erfahrungen mit den Kundgebungen und dem Beschluss, uns auf Stadtteil- und Streiksoliarbeit zu konzentrieren. Zwar wurden Hinweise zu Streikaktionen, wie jetzt zum ErzieherInnenstreik, hin und wieder versendet, sie erzielen aber nur dann eine Wirkung, wenn sie länger vorbereitet werden und uns eine Bindung an die jeweiligen Kämpfe ermöglichen. Kurz Flagge zeigen allein ändert an dem Außenseiterstatus des AKB nichts. Nicht nur die politische Lage, sondern auch die eigene Mobilisierungsfähigkeit wird entgegen eigenen Erfahrungen falsch eingeschätzt.

Diese Differenz in der Ausrichtung hatte sich auch bereits zuvor bei der Diskussion um einen allgemeinen Vorstellungsflyer des Bündnisses angedeutet. Während wir in früheren Texten noch bewusst Wert darauf gelegt haben, an bestehende Auseinandersetzungen anzuknüpfen und auch Menschen außerhalb der linken Szene anzusprechen, wurde mit der Wortwahl nunmehr völlig darauf abgezielt (ob bewusst oder unbewusst), bereits radikalisierte Menschen zu mobilisieren. Das zeugt von einem anderen Verständnis der Bündnisausrichtung. Die Texte haben auch inhaltlich unserer Auffassung nach stark an Qualität verloren.

Nicht nur der inhaltliche und taktische endgültige Schwenk zum Aktionismus war problematisch. Auch die Art und Weise der Entscheidungsfindung und der  Diskussion waren unserer Auffassung nach für ein Bündnis unangemessen. Die Entscheidung wurde auf einem Bündnistreffen in unserer Abwesenheit gefällt. Als wir anschließend Kritik daran geäußert und eine Diskussion darüber auf einem weiteren Treffen angeregt haben, wurde diese abgelehnt. Es wurde argumentiert, dass es einen „Konsens“ gegeben habe und die Entscheidung getroffen sei. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass neben uns noch zwei weitere Organisationen im Bündnis – attac und die MLPD – die Entscheidung für die Demo als falsch erachteten. Das war zu dem damaligen Zeitpunkt ein wesentlicher Teil des Bündnisses, das bereits auf schwachen Füßen stand. Wer in so einer Situation über den Widerspruch wesentlich beteiligter Organisationen derart hinweggeht, riskiert folgerichtig den Zusammenhalt des Bündnisses.

In der Folge litten auch die innere Kommunikation und Transparenz enorm. Die  Kommunikation lief fast nur noch über Telegram. Die Mitglieder des Bündnisses auf dem E-Mailverteiler wurden praktisch ausgeschlossen (und verfielen daraufhin logischerweise vermehrt in Passivität). Zu Treffen wurde nicht mehr rechtzeitig eingeladen, Protokolle wurden nur noch unregelmäßig geschrieben. So kann für uns keine Bündnisarbeit gelingen.

Wir halten die Initiative für eine Antikrisenbewegung nach wie vor für richtig und aktuell, auch wenn sich die politische Situation mittlerweile weiterentwickelt hat. Die Frage der Verteilung der Krisenkosten wird auch für eine neue Post-Merkel-Bundesregierung virulent werden und wir können mit Angriffen und Auseinandersetzungen rechnen. Auch vor dem Hintergrund der massiven Stimmenverluste der Linkspartei wird sich die Linke in Deutschland insgesamt neu sortieren und vorbereiten müssen. Die Vernetzung von kämpferischen Bündnissen und Orientierung auf bundesweite Aktionskonferenzen zu den Schwerpunkten des Klassenkampfes wird eine der wichtigsten Aufgaben sein. Dafür werden wir uns weiterhin engagieren. Aktuell sehen wir jedoch in dem verbliebenen AKB-HH keine Grundlage mehr dafür.

Zum Schluss möchten wir betonen, dass wir trotz der unterschiedlichen Auffassungen und der Entwicklungen in den letzten Monaten das Bündnis ohne Groll verlassen. Wir haben kein Interesse daran, persönliche Auseinandersetzungen zu führen. Wir hoffen vielmehr, dass wir auf der gemeinsamen Arbeit aufbauen und auch zukünftig zusammen in Hamburg aktiv werden können.