Warnstreiks in psychiatrischen Kliniken Brandenburgs

Ernst Ellert, Infomail 1163, 23. September 2021

Nicht nur in Berlin wird gekämpft. Zusätzlich zu den Streiks bei Charité und Vivantes sowie dem Arbeitskampf bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) laufen nun auch Warnstreiks in den 3 Brandenburger Psychiatrie-Fachkliniken an, die seit 2005 zum Asklepios-Konzern gehören. Ver.di rief in der Stadt Brandenburg/Havel, Teupitz und Lübben (beide Landkreis Dahme-Spreewald) ab Dienstag, den 21. September 2021, zu einem viertägigen Warnstreik für 1450 Beschäftigte auf. Ziel ist eine Angleichung der dortigen Haustarife an den TVöD.

Forderungen

Lt. Verhandlungsführer Ralf Franke würde das eine Erhöhung der Entgelte um 10 bis 13 Prozent in der Pflege, bei den TherapeutInnen um 20 bis 22 Prozent bedeuten. In 5 Verhandlungsrunden haben die Brandenburger Kliniken bisher kein akzeptables Verhandlungsangebot vorlegen können, obwohl der Konzern in  Hamburg bereits nach TVöD bezahle. Während der Warnstreiks von  Dienstag bis Freitag, den 24. Septenber, soll es erstmals nur für die 30 Akutstationen einen Notdienst geben, aber nicht für 22 sonstige Stationen und Tageskliniken. Einbezogen werden soll auch der Maßregelvollzug für psychisch kranke Straffällige in der Stadt Brandenburg.

Dieses Beispiel zeigt zweierlei: Erstens ist die Forderung nach entschädigungsloser Enteignung privater Klinikketten und ihre Rückführung in Staatshand (ob Land oder Kommune) unter Kontrolle durch Beschäftigte, PatientInnen und ArbeiterInnenorganisationen nicht nur eine unabdingbare Voraussetzung für die Umstrukturierung des Gesundheitswesens, sondern auch den einheitlicheren gewerkschaftlichen Kampf, der sich nicht voneinander isoliert in einzelnen Häusern abspielen muss. Zeitgleich befinden sich nämlich die KollegInnen von Charité und Vivantes in Berlin seit fast 14 Tagen im Vollstreik für mehr Personal und Angleichung an den TvöD und die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder bundesweit tritt in ihre heiße Phase.

Zweitens belegt es, wie wichtig es ist, die von Berliner AWO und Brandenburgs Psychiatrie gelieferten beispielhaften kämpferischen Vorlagen als Sprungbrett zunächst und unmittelbar für die anstehende Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder zu nutzen und die Forderungen nach Entlastung in der Pflege und Angleichung an den TVöD-L bei den ausgegliederten Betriebsteilen – nicht nur der Krankenhäuser, sondern in allen Landeseinrichtungen – in die anstehenden Auseinandersetzungen aufzunehmen. Dass die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst bei Gemeinden und im Bund dies nicht im Frühjahr 2021 getan hatte, wiegt wie ein Mühlstein um den Hals der Gewerkschaftsbewegung und programmierte den Häuserkampf. Wir wollen keinen Staffellauf von Betrieb zu Betrieb, sondern möglichst geschlossenes und konzentriertes Vorgehen jetzt!

Der 9. Warnstreiktag: Protest in Potsdam

Am 22. September begann die 3. viertägigen Warnstreikwelle an den o. a. Asklepios-Kliniken, die seit März des Jahres – immer wieder unterbrochen – andauert. Vier Busse aus Brandenburg/Havel, Lübben und Teupitz brachten 150 Warnstreikende zum Protestzug in die Landeshauptstadt Potsdam. Für einige hatte am Morgen um 6:15 Uhr gerade ihre Nachtschicht geendet. Unter ohrenbetäubendem Lärm zogen sie zum Landtag, wo sie von allen anwesenden Abgeordneten der LINKEN und einem der Grünen empfangen wurden. Vorher machten sie Zwischenstation am städtischen Ernst-von-Bergmann-Klinikum. Vor einiger Zeit hatte nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren das Potsdamer Stadtparlament beschlossen, dort wieder nach TVöD zu bezahlen.

Franke erzählte, dass lt. letztem Angebot des Konzerns TherapeutInnen noch immer 20 % weniger Lohn als ihre KollegInnen in Hamburg, wo nach TVöD bezahlt wird, erhalten würden. Bei Krankenpflegekräften seien es je nach Berufsjahren zwischen 8 und 13 %. Asklepios meint, seine Offerte bewege sich im Rahmen von Haustarifverträgen, die ver.di für andere Brandenburger Krankenanstalten abgeschlossen habe. Den TVöD könne man als privates und insolvenzfähiges Unternehmen nicht zahlen.

Profite zulasten der KollegInnen

Doch, „man“ kann – in Hamburg! Nach 31 Jahren deutscher Wiedervereinigung wird es im Osten wohl langsam Zeit mit tariflicher und sonstiger Gleichstellung mit der Alt-BRD! Zudem lieferte Asklepios eine unfreiwillige Vorlage für die notwendige Rückübernahme der 3 Häuser in Landesbesitz.

2019 hat die Klinikkette einen Gewinn von 172 Mio. Euro getätigt. Im Coronajahr wies die Bilanz allerdings 65 Mio. Miese auf, doch kaufte sie in diesem Zeitraum für 512 Mio. Euro Aktien der Rhön-Kliniken AG, um auf der Skala von Europas größten Gesundheitskonzernen noch weiter nach oben zu klettern.

Urabstimmung jetzt!

Unmittelbar müssen sich die Warnstreikenden auf die Einleitung einer Urabstimmung zum Vollstreik einrichten, sollte kein Abschluss zustande kommen. Diesen gilt es, unter Kontrolle der Basis zu führen – kämpferische Entschlossenheit ist schließlich zuhauf vorhanden. Davon zeugte die Aktion augen- und ohrenscheinlich!