Bilanz der GDL-Streiks: Claus & Klaus und die Deutsche Bahn

Leo Drais, Infomail 1163, 21. September 2021

Nach einer Monate dauernden Tarifrunde und drei Streiks haben sich die Deutsche Bahn AG (DB) und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL, Mitglied im Beamtenbund dbb) auf einen Tarifabschluss geeinigt. Die roten und weißen Züge fahren wieder artig unpünktlich durch das Land, alles wieder wie gewohnt auf den Gleisen.

Hinter den Kulissen ist derweil noch keine Ruhe eingekehrt. Die DGB-Konkurrenz der GDL – die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) – hat angekündigt, den Abschluss der GDL zu prüfen. Sie will alle jene Vorzüge gegenüber dem eigenen Tarifvertrag in selbigen übertragen haben.

Ebenfalls noch nicht ausgemacht ist, wo der GDL-Abschluss gilt. Die DB will das Tarifeinheitsgesetz (TEG) anwenden, sprich je Betrieb gilt nur der Tarifvertrag der mitgliederstärksten  Gewerkschaft. Eben das gilt es unter Umständen noch herauszufinden: In welchen der über 300 DB-Unternehmen verfügt die GDL über die Mehrheit und in welchen die EVG; im Zweifel entscheiden NotarIn und Gericht. Offen ist dabei auch, nach welchen Kriterien entschieden werden soll, wer die stärkste Gewerkschaft im einzelnen Betrieb darstellt, ob dazu die Zahl der Mitglieder oder jene der Betriebsräte hergezogen werden soll.

Ein Sieg – oder nicht?

Verschiedene bürgerliche Medien bescheinigten der GDL einen Sieg auf ganzer Linie: Mitgliederzuwachs, ein Tarifabschluss nach Wünschen der Gewerkschaft, Ausbau der Position gegenüber der EVG. Schauen wir auf die harten Fakten. 38.000 Mitglieder hat die GDL nun insgesamt, ein Plus von 4.000 gegenüber dem Januar, das sich sehen lassen kann. Etwa die Hälfte ihrer Mitglieder ist bei der DB beschäftigt.

Das sind zwar immer noch weit weniger Mitglieder, als die EVG hat, die in vielen Unternehmen wie im Infrastrukturbereich DB Netze sicher nach wie vor dominiert. Aber angesichts des hohen Durchschnittsalters ihrer Mitgliedschaft (in der Mitgliederzeitung werden als Termine überwiegend SeniorInnentreffen beworben) und des hohen Organisationsgrads der GDL insbesondere unter dem Zugpersonal (TriebfahrzeugführerInnen, Zugbegleitdienst) relativiert sich das Ganze. Aber vor allem ist die GDL die Gewerkschaft, die man kennt, die als Organisation wahrgenommen wird, die das mit dem Streiken und dem Arbeitskampf noch ernst nimmt – und deren Streiks naturgemäß auffallen und wehtun und in diesem Sinne konnte sie sicher ihren Einfluss ausweiten. Sie hat nicht nur diesen Ruf zweifellos ausgebaut, sondern mit dem Streik auch das Selbstvertrauen der Beschäftigten massiv gesteigert.

Dazu trug sicher auch bei, dass sie sich selbst durch einstweilige Verfügungen seitens des Staatskonzerns nicht zurückdrängen ließ. Zwei arbeitsgerichtliche Instanzen bewerteten den dritten Streik als rechtens im Sinne des Grundgesetzes. Nicht angewandt, aber seitens der DB auch nicht juristisch ausgetestet, wurde die Verwendung des TEG gegen den Arbeitskampf. Zumindest in den GDL-Minderheitsbetrieben (die ja wie gesagt nicht sicher festgestellt sind) wäre es vorstellbar gewesen, dass die DB diesen Zug versucht. Dass das TEG in diesem Sinne nicht angewandt wurde, stellt einen gewissen politischen Teilsieg der GDL dar, auch wenn diese den gar nicht beabsichtigte – sie erkennt genauso wie die EVG das TEG als geltendes Recht an und wurde nicht müde, das zu betonen.

Bemerkenswert ist im Vergleich zu früheren Streikmaßnahmen der GDL auch, dass das Medienecho weniger stark gegen sie gerichtet war. Natürlich hetzte die BILD auch diesmal, von ihr ist anderes nicht zu erwarten. Auffallend war aber beispielsweise ein Tagesschauartikel, der das wiederholte Anprangern der Bonuszahlungen für das DB-Management durch die GDL untersuchte – und mehr oder minder feststellte, dass die GDL hier wohl zu Recht Kritik am Vorsitzenden Richard Lutz und den übrigen Vorstandsmitgliedern übt.

Dafür ist der eigentliche Tarifabschluss wiederum ein doch eher bittersüßes Bonbon. Hier das Ergebnis im Einzelnen: Es wurden zwei Coronaprämien (Dezember 2021 600 Euro / 400 Euro je nach Einkommensgruppe, März 2022 400 Euro) sowie eine zweistufige Gehaltserhöhung vereinbart. Ab Dezember 2021 sollten die Einkommen um 1,5 % steigen, womit lediglich formal für 2021 eine Nullrunde abgewandt wurde. Im März 2023 soll eine weitere Erhöhung um 1,8 % folgen. Die Laufzeit des Vertrages beträgt insgesamt 32 Monate, die Betriebsrente ist gesichert – für die EisenbahnerInnen der Gegenwart, die sie dann auch mit in den Ruhestand nehmen werden. Der Nachwuchs wird freundlich auf den Rentenfonds der DEVK-Versicherung verwiesen, für ihn wurde die Altersvorsorge faktisch aufgeweicht.

Im Vergleich mit den Ursprungsforderungen dieser Tarifrunde ist von den + 4,8 %, rückwirkendem Inkrafttreten und den 1300 Euro Coronaprämie 2021 also einiges gefallen. Das erste Mal wurde bereits vor jedem Streik zurückgesteckt, ab Frühsommer wurde nunmehr der Abschluss des öffentlichen Dienstes gefordert. Nach dem dritten Streik und einigen Tagen Geheimdiplomatie kam dann das oben Beschriebene heraus, mit einer Laufzeit bis 31. Oktober 2023.

Insgesamt handelt es sich also um ein widersprüchliches Resultat. Das Ergebnis übertrifft jenes der EVG, was vor allem auf die Coronaprämie zurückzuführen ist. Einen Inflationsausgleich – das eigentlich absolute Minimalmaß aus reiner Entgeltsicht – bewirkt dieser Abschluss nicht, es bleibt ein Reallohnverlust trotz dreier Streiks.

Dennoch stellt es für die GDL und ihre Mitglieder einen Teilerfolg dar, weil letztere erstens ihre Gewerkschaft im Kampf um die Existenz behaupten und stärken und konnten und zweitens zeigten, dass ein Arbeitskampf in Kernsektoren der deutschen Wirtschaft durchgehalten werden kann, ja durchaus auf Sympathie anderer Lohnabhängiger stößt.

EVG-Reaktion

So weit dazu. Und die EVG? Sie meldete sich in den vergangenen Tagen und protzte: „Diesen Tarifkonflikt beenden wir!“ Mit letzterem Kommentar bezog sie sich auf eine Klausel in ihrem Tarifvertrag, der es ihr erlaubt nachzuverhandeln, wenn eine andere Gewerkschaft mehr rausholt. DB-Personalvorstand Seiler versprach angesichts dessen ein schnelles „Nachsteuern“ – sprich: wo die EVG weniger rausgeholt hat, wird wohl zur GDL angeglichen.

2020 hatte sich die EVG kampflos der DB gebeugt und eine Nullrunde unterschrieben – zugunsten eines fragwürdigen Kündigungsschutzes, denn der Fahrplan wurde fast nicht ausgedünnt weiter befolgt und mitten in der Pandemie wurde weiter eingestellt, was angesichts der Überalterung der EisenbahnerInnen immer noch in unzureichendem Maß passiert. Nun behauptet die EVG, dass mit dem von ihr ausgehandelten Kündigungsschutz überhaupt erst die Grundlage für den Kampf der GDL geschaffen worden wäre, was natürlich an jeder Realität vorbeigeht.

Die EVG präsentierte nun einen Chart, wo sie darstellt, dass sie die besseren Tarifverträge mache. Sie verwies darauf, dass innerhalb der Laufzeit des EVG-Vertrages (bis Februar 2023) dieselbe Entgelterhöhung von 1,5 % anstehe und die zweite Stufe der GDL (+ 1,8 %) mit einer längeren Laufzeit verknüpft sei. Frohen Mutes wird verkündet: Während die GDL noch Friedenspflicht hat, werde die EVG neue Themen vorbringen und mehr herausholen – ergo: Die EVG verspricht, mehr rauszuholen, die GDL hat bereits sicher 1,8 % mehr. Dass die EVG 2023 mehr ereichen will, hören wir gern. Allein, uns fehlt der Glaube, darauf noch zu vertrauen. Zur Zeit sind diese Versprechen, für die es natürlich keine Sicherheit gibt, nur schöne Worte, eine stoische Selbstbeschönigung, die den katastrophalen Abschluss von 2020 überdecken soll. In dem Chart ist auch eine Coronaprämie vermerkt, von der EVGlerInnen bisher nichts wussten. Es liegt nahe, dass die EVG bereits damit rechnet, ebenfalls die Prämie der GDL zu bekommen, immerhin sind die Termine identisch mit denen der GDL-Coronaprämie.

Wir halten fest, dass die EVG 2020 ohne Kampf, ja ohne überhaupt ihre Mitglieder einzubeziehen, einen Abschluss getätigt hat, der eine Nullrunde 2020/21 ohne weiteres hinnahm und auch keine Coronaprämie enthielt. Jetzt, da die GDL nachgelegt hat, ruft die EVG „Auch haben wollen!“ Ja, warum hast du es dann nicht gleich gefordert oder den Kampf der GDL unterstützt, anstatt Stimmung gegen sie zu machen, werter EVG-Vorstand?

Wer kämpft hier eigentlich gegen wen?

Zwei Figuren des Kampfes haben wir bisher noch nicht namentlich erwähnt, wir widmen ihnen den folgenden Abschnitt. Sie heißen Klaus-Dieter Hommel (EVG) und Claus Weselsky (GDL) und sind nicht mit dem trauten Schlagerpaar Klaus und Klaus vom plattdeutschen Strand zu verwechseln.

Auf den ersten Blick scheint es, als könnten die beiden Gewerkschaftsvorsitzenden in ihrer Rollenausübung kaum verschiedener sein.

Der eine, der Weselsky-Claus, haut auf den Putz, ist rhetorisch gewandt, bezeichnet das DB-Management als „Nieten in Nadelstreifen“ und hat eine Gewerkschaftsbasis, die hinter ihm steht, die bei seinen Reden lautstark applaudiert. Er ist ein Eisenbahner und einer von ihnen geblieben, einer, der sicher ist im Umgang mit dem Werkzeugkasten des Populismus für „den kleinen Mann“, den er immer wieder hervorhebt, dem der DB-Vorstand in die Tasche greift (was ja auch stimmt). Man kann sicher davon ausgehen, dass er seit spätestens 2014 einer der bekanntesten Gewerkschaftsführer Deutschlands ist, was angesichts der DGB-Schnarchnasen-Konkurrenz auch keine wirkliche Herausforderung darstellt.

Zu letzterer gehört der Hommel-Klaus. Er lebt seine intime Sozialpartnerschaft mit dem DB-Konzern offen aus, sein Interview beim Journalisten und Podcaster Tilo Jung, Gründer und Moderator des Interview-Formats Jung & Naiv, hörte sich fast wie eine Bewerbung um den Vorstand an. Seiner Meinung nach trage die Gewerkschaft dafür Verantwortung, dass es dem Unternehmen gut geht, daher die Nullrunde 2021. Auch er beherrscht sein Handwerk, ist biegsam. Er hatte kein Problem damit, gegen den Streik der GDL zu polemisieren und hinterher die Errungenschaften für sich einzufordern und so zu tun, als hätte die EVG sie erkämpft. Da kann man natürlich verstehen, warum Claus auf Klaus sauer ist und kommentiert, dass die GDL Millionen für den Streik ausgebe und dann die EVG das Ergebnis nachgetragen bekomme.

Das passierte bereits in der Vergangenheit so und nicht von ungefähr. Der Deutschen Bahn ist die sanft kriecherische EVG-Führung natürlich lieber als „Gegnerin“ als die lautstark streikende GDL. Also bekommt die EVG die Abschlussvorteile der GDL, um letztere möglichst kleiner zu halten als die EVG. Das TEG grüßt auch hier aus dem Hintergrund, aber auch schon vor jenem gewerkschaftsfeindlichen Gesetz galt diese Logik.

Und doch haben Claus und Klaus mehr gemeinsam, als ihnen wahrscheinlich lieb ist, und das entspringt eben ihrer gemeinsamen Stellung als Vorsitzende ihrer Gewerkschaft. Beide begreifen Gewerkschaften grundsätzlich als Sozialpartnerinnen des Kapitals, trotz aller Unterschiede im konkreten Umgang. Die GDL kritisiert zwar das Tarifeinheitsgesetz, aber letztlich beugt auch sie sich diesem und sämtlichen Gesetzen, die Arbeitskämpfe reglementieren und sanktionieren.

Und, am wichtigsten, beide sind in ihrer sozialen Stellung Teil der ArbeiterInnenbürokratie. In ihrer Position kontrollieren sie die EisenbahnarbeiterInnen. Sie können zu mehr oder weniger dampfablassenden Streiks aufrufen und sie von oben herab auch wieder beenden. Sie führen vermittelt über Tarifkommissionen Geheimverhandlungen mit dem Konzern und präsentieren hinterher freimütig das Ergebnis. Sie sind in ihrer Position, in ihrer sozialen Stellung abhängig von der Stärke ihrer Gewerkschaft. Die Spaltung der EisenbahnerInnen in zwei Organisationen ist nicht nur Grundlage ihrer Konkurrenz, sondern auch ihres jeweiligen eigenen Apparates. Daher hegen beide kein Interesse an der Überwindung der für die EisenbahnerInnen insgesamt schädlichen Spaltung, sondern sie erneuern diese täglich.

Auch wenn sich der Ton unterscheidet: Inhaltlich ist die Kritik am jeweils anderen sehr nah beieinander. Beispiel – wer hat‘s gesagt: „Man muss sehen, in welchem Zustand sich der Bahn-Konzern aktuell befindet. […] In einer solchen Phase zu streiken, halte ich für schwierig.“ So der Kommentar von Claus Weselsky zum dreistündigen Witz-EVG-Streik 2018. Hätte auch umgekehrt sein können.

Politisch stehen sowohl Claus Weselsky (CDU) als auch Klaus-Dieter Hommel (SPD) für einen Kurs, der nicht dazu führen wird, in Deutschland ein funktionierendes Eisenbahnsystem zu entwickeln, das den Erfordernissen einer wirklichen Verkehrswende gerecht werden kann. Während Weselsky für mehr Konkurrenz und die Trennung von Infrastruktur und Zugleistungen wirbt (wovon die GDL mit Schwerpunkt auf Eisenbahnverkehrsunternehmen bei Anwendung des TEG profitieren würde), spricht sich Hommel richtigerweise dagegen aus, aber er deckt damit zugleich den Staatskonzern, der Tausende Kilometer Gleise hat abbauen lassen.

Auf ewig gespalten?

Für die breite Mehrheit der EisenbahnerInnen stellt sich die Sache mit den beiden Claus/Klaus-Gewerkschaften so dar, dass die Wahl besteht zwischen einer GDL mit vergleichsweise kleinem Apparat und kämpferischen Streiks und einem anziehenden Führer, die aber mitunter keine Mehrheit in meinem Betrieb hat, oder einer EVG, die ein träge aufgeblähter Riesenapparat und enger mit dem DB-Vorstand verbandelt ist, aber in vielen Betrieben und insbesondere in der Infrastruktur deutlich größer ist. Daneben gibt es die große Anzahl derer, die unorganisiert sind.

Die Existenz zweier Gewerkschaften und die damit verbundene Spaltung werden von wenigen KollegInnen wirklich kritisiert, geschweige denn zu überwinden versucht. Claus und Klaus wollen das aufgrund besagter privilegierter Stellung wie gesagt sowieso nicht.

Dabei wäre das Ziel nicht nur einer Eisenbahn-, sondern einer Transportgewerkschaft nicht nur ein wünschenswertes oder ein schöner Traum, sondern auch nötig und sinnvoll für kommende Kämpfe.

Das betrifft allein schon die Tarifrunden. Auch wenn der GDL-Abschluss besser als jener der EVG ist, so bleiben beide unter der Inflationsrate. Warum hätte sich bei einem gemeinsamen Vorgehen nicht mehr rausholen lassen? Dass die Verbesserungen der GDL nun auf die EVG übertragen werden sollen und wohl auch recht problemlos werden, resultiert natürlich aus deren Vorstandsnähe. Man kann auch verstehen, dass der Weselsky-Claus und auch viele GDL-Streikende drüber wütend sind, dass sie wochenlang kämpfen mussten, während die EVGlerInnen nun die von ihnen rausgeholten Verbesserungen einfach mitnehmen.

Dennoch ist es eine falsche, ja objektiv die Spaltung vertiefende Reaktion, sich darüber zu mokieren, dass alle Beschäftigten diese Verbesserungen erhalten.

Erst recht abstrus sind die großsprecherischen Worte von Hommel-Klaus, dass die EVG 2023 – also in eineinhalb Jahren (!) – endlich ernst machen würde mit einem harten Tarifkampf und diesen, gewissermaßen aus der Poleposition anzetteln würde, während die GDL noch in der Friedenspflicht verharrt.

Beide Beispiele zeigen, dass Claus und Klaus überhaupt keine Überlegung in Richtung auf gemeinsame, koordinierte Tarifkämpfe und Aktionen gegen den Bahnvorstand und die drohenden Umstrukturierungen verschwenden. Die Mitglieder beider Gewerkschaften sollten dieses Spiel nicht mitmachen, das für Tarifkämpfe wenig bis nichts taugt, bei verkehrspolitischen Auseinandersetzungen aber fatal zu werden droht. Vordergründig scheint es für Tarifkämpfe besser zu sein, wenigstens eine Gewerkschaft zu haben, die kämpfen will. Aber durch die Spaltung kann nie die volle Kampfkraft entfaltet werden. Bei verkehrspolitischen Auseinandersetzungen droht diese aber fatal zu werden.

Daher sollten klassenkämpferische GewerkschafterInnen für gemeinsame Tarifrunden, eine gemeinsame Festlegung der Forderungen, gemeinsame, von der Basis gewählte Tarifkommissionen und Streikleitungen eintreten, um so die EisenbahnerInnen praktisch, von unten zusammenzuführen.

Politische Angriffe und klassenkämpferische Einheit

Eine solche klassenkämpferische Einheit wird nicht nur für weitere Tarifrunden nötig. Allein schon wegen der Umstrukturierungen im Verkehrswesen, die auf die eine oder andere Weise  kommen werden: In Berlin steht die Zerschlagung der S-Bahn an, die nächste Regierung zerlegt möglicherweise die DB, das heutige Flugzeug-, PkW- und LkW-Aufkommen ist angesichts der Klimakrise für die Menschheit nicht zukunftsfähig. Dies wird zuvorderst auf dem Rücken der Beschäftigten passieren und mit dem Ausspielen der Beschäftigten unterschiedlicher Verkehrsunternehmen gegeneinander einhergehen. Es bräuchte also eigentlich eine Gewerkschaft, die den gesamten Bereich abdeckt und über ein politisches Programm zum Umbau des Sektors im Interesse der Beschäftigten und der gesamten Gesellschaft verfügt.

Aber auch aus der einfachen Sicht tariflicher Kämpfe stellt sich nach dem GDL-Streik doch mindestens die Frage: Hätten alle EisenbahnerInnen zusammen nicht mehr erreichen, nicht wenigstens die Inflation ausgleichen können? Und warum bestimmt stets die Gewerkschaftsführung, wann und wie viel gestreikt wird? Warum führt sie danach Geheimverhandlungen mit der DB so ganz ohne direkte Kontrolle derer, die den Streik verwirklichen? Und allgemein gesprochen: Warum werden Kämpfe nicht verbunden? Dass in Berlin GDL-KollegInnen beim Krankenhausstreik vorbeischauten, ging ja von der Basis aus, nicht von der Führung.

Gewerkschaften sind heute so, weil sie den Eigeninteressen und Positionen ihrer Führung mehr oder weniger direkt untergeordnet sind. Das zu ändern, das zumindest anzufangen zu diskutieren, sollten alle kämpferischen KollegInnen tun.

Es sollte die Frage von alternativen Betriebsgruppen bis hin zu gewerkschaftlicher Opposition diskutiert werden. Sie sollten in Kämpfen die Forderung nach direkter, demokratischer Kontrolle der Streikmaßnahmen (viele GDLerInnen wollten einen unbefristeten Streik), Verhandlungen und Abschlüsse aufwerfen. Eine solche Basisopposition sollte von Beginn an gewerkschaftsübergreifend organisiert sein, aus  GDLlerInnen und EVGlerInnen bestehen. Letztlich sollte eine demokratische, klassenkämpferische Reorganisation der Gewerkschaften entlang der Wertschöpfungskette angestrebt werden, wozu auch die KollegInnen von Flughäfen, U-Bahnen, Taxi-, Busunternehmen und LkW-Speditionen einbezogen werden.

Wer kontrolliert?

Abschließend: Es gibt weit mehr Themen als die Klassiker Lohn und Arbeitszeit, auch wenn sie immer mitschwingen, die die Arbeitsqualität beeinflussen und Unzufriedenheit erzeugen, die aber von Gewerkschaften wie Betriebsräten kaum und höchstens allgemein verklausuliert angesprochen werden. Vor allem die Qualität der Arbeit ist ein tägliches Ärgernis. EisenbahnerInnen wollen sicher und pünktlich fahren, ganz deckungsgleich mit dem Interesse der Fahrgäste, aber die Art und Weise, wie Bund, DB und andere private Schienenkonzerne die Eisenbahn – letztlich unter Einbeziehung von GDL und EVG – missgestalten, sabotiert unser tägliches Bemühen. Es sorgt für längere Fahrzeiten auf der Lok oder stressige Schichten auf Stellwerken, auf den Gleisen und in den Werkstätten.

Umgekehrt heißt das: Die Art und Weise, wie Verkehr, wie Bahnbetrieb stattfinden muss, sollte weder Politik, noch Konzernen und Gewerkschaftsbürokratien überlassen werden. Es sollte von den KollegInnen, die Verkehr machen, die das ganze Zugfahren ermöglichen, nicht nur diskutiert, sondern auch demokratisch geplant und kontrolliert werden. Immerhin machen wir Eisenbahn, und nicht die Teppichetagen, wie der Weselsky-Claus sagen würde. Tja, Eisenbahn machst du, werter Claus, aber auch schon lange nicht mehr und der häufige Verkehr mit der Teppichetage hat unverkennbar auch dich geprägt. Dahingehend seid ihr am Ende des Tages Brüder im Geiste, Claus und Klaus – ebenso wie das Schlagerduo von der Nordseeküste.