Krankenhausbewegung – Streik-Auftakt in Berlin

Mattis Molde, Infomail 1159, 24. August 2021

Montag 23. August 2021: Ver.di ruft die Krankenhausbeschäftigten von Vivantes und Charité zu einem dreitägigen Warnstreik auf – nachdem weder die Klinikleitungen in ernsthafte Verhandlungen über mehr Personal und gleiche Arbeitsbedingungen in den ausgegliederten Unternehmen von Vivantes eingetreten sind noch die politisch Verantwortlichen in Stadt und Land entsprechenden Druck auf diese ausgeübt hatten.

Was die Klinikleitungen von den berechtigten Forderungen halten, hat Vivantes klargemacht: Anstatt über bessere Bedingungen für alle Beschäftigte zu verhandeln, lassen sie den Warnstreik bei den Tochterfirmen über eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht Berlin verbieten.

Dies ist ein klarer Affront gegen die Interessen der Beschäftigten und ihrem Willen, für deren Durchsetzung in den Kampf zu gehen. Nicht nur die privat organisierten Konzerne wie Helios, Asklepios u.a. setzen auf Konfrontation, sondern nun auch die noch öffentlich geführten Häuser. Kein Wunder geht es doch in dieser Auseinandersetzung letzten Endes um die politische Ausrichtung der Gesundheitsversorgung – öffentlich mit einer entsprechenden finanziellen Ausstattung, die auch die wirklich aufkommenden Kosten der Behandlungen und der notwendigen Ausstattung refinanziert oder weiter mit Privatisierung und Fallpauschalen, die letztlich zu Personalabbau und Konkurrenz unter den Krankenhäusern führt und letztlich zu Schließungen von Häusern, die der Konkurrenz nicht standhalten können.

Großartiger Start

Von daher haben die KollegInnen recht, wenn sie trotzdem in den Warnstreik gehen und eine öffentliche Kundgebung gegen diese Entscheidung abhalten. Deutlich über 1000 Streikende und UnterstützerInnen versammeln sich um halb elf vor der Vivantes-Zentrale. Die Stimmung ist prima.

Es sprechen die SpitzenkandiatInnen der SPD, der Linken und Grünen. Frau Giffey erntet auch einige Pfiffe, aber für ihre Aussagen hinter dem Kampf und seinen Zielen zu stehen, bekommen alle drei Applaus. Die Streikleitung hat einen guten Vorschlag: Eine Delegation soll die Rücknahme der einstweiligen Verfügung gegen den Streik der Tochterfirmen von der Geschäftsführung verlangen. Die WahlkämpferInnen sollen mit – eigentlich sind sie als Senatsspitze die AuftraggeberInnen dieser Geschäftsleitung.

Die Streikleitung ruft: “Wir gehen hier nicht weg, bevor die Erklärung zurückgenommen worden ist.“ Die Streikenden rufen: „Wir bleiben hier!“ Die Logistik vom Streikzelt wird in die Aroser Allee gebracht – mit Kaffee streikt sich’s besser.

Dann gegen halb eins der Schock: Es gibt eine zweite einstweilige Verfügung, angestrengt ebenfalls von den Vivantes-Bossen: Sie wollen geklärt haben, ob die Frage der Personalbemessung überhaupt tariffähig sei. Es gelte ja der laufende Tarifvertrag vom vergangenen Herbst, abgeschlossen zwischen ver.di und den kommunalen Arbeitgeberverbänden.

Kurz darauf kommt die Delegation von dem Spitzengespräch zurück: Die Geschäftsführung nimmt nichts zurück. Das hatte auch jetzt niemand mehr erwartet.

Ein Sprecher der Geschäftsführung erläutert nochmal deren Position, bietet aber an, doch über die Aufstockung von Personal reden zu können: „Wir haben viele offene Stellen, kommen Sie zu uns.“ und: „Wir haben doch die gleiche Meinung wie ver.di, dass da mehr getan werden muss – aber kein Tarifvertrag.“ Und dann: „Es wird keine arbeitsrechlichen Konsequenzen für diesen Streiktag geben.“ Was man auch als Drohung für den nächsten Streiktag auffassen kann.

Die Mitglieder der Tarifkommissionen und der Streikleitung ziehen sich zurück zur Beratung. Nach zwei Stunden wird der Streik vorläufig beendet. Viele sind unzufrieden. Solidaritätsadressen der IG Metall und der GDL machen etwas Mut.

Es geht hin und her: Sollen wir weiter hier die Zentrale von Vivantes blockieren, oder machen wir einen Sitzstreik vor dem SPD-Sommerfest? Am Ende verlagert sich alles dorthin, eine lange Nacht steht bevor.

Wie geht es weiter?

Wenn der Streik am Dienstag nicht fortgesetzt wird, wird die großartige Mobilisierung nicht so einfach wieder aufzunehmen sein. Eigentlich muss ver.di jetzt da durch und den Streik auch trotz der Verfügungen fortsetzen.

Der alte Plan sah vor, dass in den Krankenhäusern nur eine Minimalbesatzung im Einsatz ist. Dies ist völlig richtig angesichts der Weigerung der Klinikführungen, auch über einen Streiknotfahrplan zu verhandeln. Bei Vivantes haben zwölf, bei der Charité sieben Teams angekündigt, ab der Dienstagsfrühschicht nicht mehr auf den Stationen zu erscheinen.

Natürlich sollte ver.di in die Offensive gehen und den Kampf um einen Entlastungstarifvertrag in den beiden Berliner Häusern als Ausgangspunkt nehmen, um eine bundesweite Entlastungskampagne zu initiieren.

Natürlich würde auch die im September beginnende Tarifrunde der Länder im öffentlichen Dienst eine weitere Chance, um in dieser Richtung weiterzukommen, darstellen. Diese müsste dazu genutzt werden, die Beschäftigten aller Unikliniken in einen gemeinsamen Kampf um mehr Personal zu führen, anstatt die Entlastungskampagne auf die Zeit nach der Tarifrunde zu verschieben.

Aber beides braucht Anlaufzeit. Darauf hat die Gewerkschaft sich und die Belegschaften nicht vorbereitet. Auch, wenn sie damit jetzt beginnt, der begonnene Streik darf solange nicht ausgesetzt werden!