Berliner Erster Mai – Eine Stellungnahme des Enteignungsblocks

Enteignungsblock, 2. Mai 2021, Infomail 1148, 3. Mai 2021

Im Kampf gegen den Kapitalismus muss es auch darum gehen, demokratische Rechte unserer Bewegungen zu verteidigen. Es ist ganz deutlich, dass die Polizeigewalt am Abend der Ersten-Mai-Demonstration politisch motiviert war.

Sie war die größte Demonstration des Tages. Sie war aber auch am 1. Mai die inhaltliche Zusammenkunft diverser Proteste unserer Bewegung. Mehr als 20.000 TeilnehmerInnen hatten sich versammelt. Sie war durch ihren politischen Ausdruck geprägt. Die Forderung nach Enteignung der großen Banken, GrundbesitzerInnen und Konzerne sowie der Kampf gegen Rassismus und Imperialismus prägten die Reden. Daher war der Angriff der Polizei nicht nur ein Übergriff gegen eine einzelne Demonstration, sondern die linke Bewegung als Ganzes.

Die Demonstration bot mehr als nur eine Bühne für berechtigte Wut und Empörung über unser tägliches Leid. Sie bot auch Perspektiven, wie wir dieses Leid von rassistischen Polizeikontrollen, Wohnungsverlust, Armut und kapitalistischem Elend gemeinsam bekämpfen können.

Die Stellungnahmen von einzelnen Mitgliedern und Pressemitteilungen der gesamten Polizei im Vorhinein der Demonstration stellten bereits fest, dass sie diese Perspektive mehr als alles andere fürchteten. Eine der größten Gefahren der Demonstration ginge laut Polizei davon aus, dass sie den Kampf gegen Rassismus und Wohnungsnot verbinde.

Sie machte damit deutlich, dass sie sich als das Instrument eines rassistischen und kapitalistischen Systems sieht. Sie begeht täglich rassistische Gewalt. Sie schmeißt tagtäglich Arme aus überteuerten Wohnungen. Dann ist es nur konsequent, wenn sie auf einer antirassistischen und antikapitalistischen Demonstration das Blaue vom Himmel prügelt.

Dies wurde mit einer lachhaften Konstruktion gerechtfertigt. Die Demonstration, die von Beginn an von ihr eingeengt wurde, womit sie konsequent verhinderte, dass Abstände eingehalten werden konnten, wurde dann von ihr unter dem Vorwand der Nichteinhaltung von Abständen aufgelöst.

Die gleiche Polizei trug zu einem Großteil weder FFP2- noch überhaupt Masken – ganz im Gegensatz zu den DemonstrantInnen. Jene, die von ihr in die Gefangenensammelstellen verschleppt wurden, berichteten davon, dass BeamtInnen ihre Masken in geschlossenen Räumen und auf engstem Abstand absetzten. Zum Teil taten sie dies umso energischer auf Bitten hin, die Masken sachgemäß zu tragen.

Wenn Menschen für einen besseren und effektiveren Kampf gegen die Pandemie auf die Straße gehen, weil sie es nicht mehr ertragen können, dass nach wie vor auf engstem Raum in den Werk- und Lagerhallen unter katastrophalen Bedingungen geschuftet wird, wird geprügelt. Gleichzeitig werden aber BesitzerInnen ebenjener Hallen wie Amazon hofiert.

Die Polizei ging gar so weit, die Lüge in die Welt zu setzen, die Demonstration wäre vom Anmelder aufgelöst worden, weil dieser von DemonstrantInnen angegriffen wurde. Dies ist eine Falschmeldung. Wer angriff, war die Polizei. Die Verbindung zum Anmelder kappte diese komplett, bevor sie zuschlug. Von wegen ausgestreckte Hand – durchgezogene Faust war das Motto der Polizei an diesem Abend.

Die größte Gewalt des Tages verkörperte aber die Hofberichterstattung etlicher Medien und ihrer ChefredakteurInnen, die unkritisch solche dreisten Lügen der Polizei übernahmen – ohne jegliche Gegenprüfung.

Dies alles zeigt den politisch motivierten Charakter, mit dem die Revolutionäre-Erste-Mai-Demonstration und das Demonstrationsrecht überhaupt angegriffen wurden.

Proteste, die nur Proteste bleiben, sind duldbar. Aber Massenproteste, die Perspektiven für Veränderung aufwerfen und unterschiedliche Kämpfe zusammenführen, stellen eine zu große Gefahr dar. Die Polizei schlug zu.

Ebenso teilten etliche Pressehäuser aus, die der Meinung waren, dass eine brennende Holzpalette auf der Sonnenallee relevanter sei als die Inhalte einer Demonstration mit mehr als 20.000 TeilnehmerInnen. Zumindest die Tatsache, dass eine friedliche Massendemonstration gewaltsam auseinandergejagt wurde, hätte wohl einem/r ehrlichen DemokratIn eine Erwähnung wert sein müssen.

Doch die „Gewalt“ einer brennenden Palette ist für diese rückgratlosen Schreiberlinge berichtenswerter als die Inhalte eines Protestes, der sich beispielsweise gegen die reale Gewalt stellt, der sich aktuell 1,5 Millionen MieterInnen Berlins nach dem Kassieren des Mietendeckels ausgesetzt sehen und die selbst laut Schätzungen des Senats 40.000 Menschen mit Obdachlosigkeit oder Bankrott bedroht. Es ist letztlich egal, ob dieses Gegeifer aus bewusstem Wunsch zur  Verunglimpfung oder Effekthascherei heraus geschah.

Dass Innensenator Geisel, der ein bekannter Freund der Immobilienlobby ist, nach der Gewalttat der Polizei dieser dankte, zeigt auf wessen Seite er letztlich steht. Auf der anderen! Auf der Seite der Reichen und Mächtigen, deren Stiefel uns noch viel gewaltsamer im Nacken stehen als die der Polizei am Ersten Mai.

In der Verteidigung selbst simpler bürgerlich demokratischer Rechte kann man sich scheinbar nicht auf diese „DemokratInnen“ des Zwielichts verlassen. Wir müssen sie selbst in die Hand nehmen. Der erste Schritt hierbei muss eine breite Aufklärung über die Lügen der Polizei und ihrer scheinbar untergeordneten „Vierten Gewalt“ sein. Der nächste Schritt muss darin bestehen, die Solidarität und die Strukturen, die durch die Mobilisierung der diesjährigen Demonstration geschaffen wurden, auszubauen, um unser Ziel zu erreichen: die EnteignerInnen zu enteignen und die RassistInnen zu entmachten!