Polizeimorde in den USA, diesmal in Chicago

Tom Burns, Infomail 1146, 19. April 2021

Ende letzten Monats wurde ein 13-jähriger Junge namens Adam Toledo von der Polizei in Chicago erschossen. Adam war ein Latino. Unmittelbar nach dem Vorfall erklärte die Chicagoer Polizei, dass es eine „bewaffnete Konfrontation“ gewesen war. Sie behauptete, dass Adam Toledo eine Schusswaffe zur Seite warf, als er von den BeamtInnen gestellt wurde, was die Anwendung von Gewalt laut Gesetz rechtfertigen würde. Auf Grund von Filmaufnahmen des Geschehens musste die Polizei allerdings einen Rückzieher machen. Die Aufnahme eine Kamera, die ein Polizist am Körper trugt, zeigt jedoch, wie Toledo befohlen wird, seine Hände zu heben. Er tat dies, beide Hände waren eindeutig leer. Ein Polizeibeamter erschoss ihn trotzdem.

Die BeamtInnen hatten ursprünglich behauptet, Adam Toledo sei bewaffnet gewesen. Chicagos Polizeisprecher Tom Ahern twitterte: „BeamtInnen beobachteten zwei Personen in einer nahe gelegenen Gasse. Eine floh zu Fuß, was zu einer bewaffneten Konfrontation geführt hat. Eine Person wurde angeschossen und getötet. Die zweite wurde in Gewahrsam genommen. Eine Waffe wurde am Tatort sichergestellt“. Die offizielle Erklärung der Polizei lautete: „Ein bewaffneter Täter floh vor den BeamtInnen. Es folgte eine Verfolgung zu Fuß, die in einer Konfrontation endete.“

Die AnwältInnen von Cook County (dem Bezirk, in dem Chicago liegt) behaupteten ebenfalls, dass Toledo „eine Waffe hatte“. Die Bürgermeisterin Lori Lightfoot wiederholte ähnliche Aussagen am 5. April. Sie erklärte: „Toledo hatte eine Waffe“ und fuhr fort, die Schuld für seinen Tod auf die Bandengewalt in Chicago zu schieben, anstatt auf die berüchtigtste bewaffnete Bande des Landes, die Polizei. Der Familie wurde damals der Zugang zu den Aufnahmen der Körperkamera verweigert. Es würde 10 Tage dauern, bis sie zur Verfügung gestellt werden könnten.

Jetzt haben die BeamtInnen ihre Lesart geändert. Ihre Täuschung kann die Fakten nicht verbergen. Adam Toledo wird jetzt als „ein Kind in Kontakt mit einem Erwachsenen mit einer Waffe“ charakterisiert. Jetzt gibt es keine Aussagen, die an „Bandengewalt“ appellieren. Jetzt ist er nicht mehr sichtbar im Besitz einer Waffe. Die Polizei behauptet immer noch, dass Adam eine Waffe zur Seite geworfen hat, bevor er vor der Polizei seine Hände in die Luft streckte. Doch es bleiben Zweifel. Die BeamtInnen in Chicago haben einmal gelogen. Können wir wirklich wissen, ob sie jetzt die Wahrheit sagen? Immerhin hat Bidens Kandidat für den Posten des Direktors der Behörde für Alkohol, Tabak, Feuerwaffen und Sprengstoffe, David Chipman, während der Anhörungen über die Tragödie von Waco (Überfall auf das Quartier einer Sekte) 1993 unter Eid gelogen.

Der Schütze in diesem Fall ist der Polizeioffizier Eric Stillman. Nach Angaben des Invisible Institute, das Spuren und Aufzeichnungen von polizeilichen Aktionen dokumentiert, liegen gegen ihn drei Beschwerden und vier Berichte wegen Gewaltanwendung vor. Die Vorwürfe umfassen unsachgemäße Durchsuchungen und Beschlagnahmungen und Verletzungen durch Gewaltanwendung.

Die ChicagoerInnen sind auf die Straße gegangen. Überall im Land sind Proteste ausgebrochen. Solche Bewegungen wurden durch den Tod von Daunte Wright und den Prozess gegen den Mörder von George Floyd angestachelt. Wir wissen, dass die Polizei gewaltsam reagieren wird und darauf abzielt, uns zu terrorisieren. Sie hat dies bereits in New York und in Brooklyn Center, Minnesota, getan. Berichten zufolge wurde der Kopf eines Fotografen durch einen Schlag der Polizei auf den Boden gerammt. Die Polizei in Brooklyn Center verstieß gegen die Vorschriften, als sie mit Tränengas auf DemonstrantInnen schoss. Das Muster der Polizeigewalt gegen den George-Floyd-Aufstand wird sich leider wiederholen.

Genau wie bei der Ermordung von Daunte Wright ist jetzt die Zeit zum Handeln gekommen. Revolutionäre SozialistInnen müssen in Solidarität mit den DemonstrantInnen stehen. Wir müssen sehen, dass alle Organe der ArbeiterInnenbewegung und diejenigen, die Anspruch auf eine solche Vertretung erheben würden, solidarisch sind. Schon jetzt gibt es ermutigende Anzeichen. TransportarbeiterInnen in Minnesota weigerten sich, verhaftete DemonstrantInnen zu transportieren. Der Ortsverband der Demokratischen SozialistInnen Amerikas (DSA) in den Nachbarstädten Minneapolis und Saint Paul hat begonnen, Spenden für die SanitäterInnen und die Familie von Daunte Wright zu sammeln. Allerdings müssen DSA-Sektionen und Gewerkschaften im ganzen Land ihre Unterstützung verstärken. Sie müssen dazu aufrufen, dass alle auf die Straße gehen und ihre Arbeitsplätze verlassen. Wir müssen die Abschaffung der Polizei und ihre Ersetzung durch die Selbstverteidigungskräfte der ArbeiterInnen und der schwarzen und lateinamerikanischen Gemeinden fordern.