Frankreich: Macrons Krieg gegen den „Separatismus“

Kady Tait/Dave Stockton, Infomail 1136, 25. Januar 2021

Am 9. Dezember hielt Frankreichs Premierminister Jean Castex eine Pressekonferenz ab, um die Veröffentlichung eines „Gesetzentwurfs zur Stärkung der republikanischen Werte“ anzukündigen, der angeblich darauf abzielt, den Laizismus (Trennung von Religion und Staat) und die Meinungsfreiheit zu verteidigen, die angeblich von der „ruchlosen Ideologie des radikalen Islamismus“ angegriffen werden.

In der Vorwoche hatte Innenminister Gérald Darmanin ein hartes Durchgreifen gegen 76 Moscheen angekündigt, die beschuldigt werden, „islamistischen Separatismus“ zu fördern. Die Moscheen werden von der Polizei untersucht und diejenigen, die als „Brutstätten des Terrorismus“ gelten, werden unter dem neuen Gesetz, das ursprünglich den Titel „gegen Separatismus“ trug, geschlossen. Darmanin hat sogar gefordert, Halal (nach islamischer Lehre erlaubte)-Lebensmittel aus den Supermärkten zu entfernen, weil sie angeblich antifranzösisch seien.

Frankreich, das mit 5,7 Millionen, das sind 8,8 Prozent der Bevölkerung, die größte muslimische Gemeinschaft Europas beherbergt, war auch Schauplatz einer Reihe blutiger Terroranschläge, die entweder von Einzelpersonen oder kleinen Gruppen verübt wurden, die von dschihadistischen Terrorgruppen wie ISIS oder al-Qaida und ihren AblegerInnen inspiriert wurden oder mit ihnen in Verbindung standen.

Die Serie begann mit den Morden an 16 Menschen bei der Satirezeitschrift Charlie Hebdo am 7. Januar 2015. Es folgten die Massenmorde an 130 Menschen und 350 Verletzten in der Konzerthalle Bataclan, im Stade de France und in Bars und Restaurants im Zentrum von Paris am 13. November 2015. Dann kam das Massengemetzel an unschuldigen Menschen, die den Bastille-Tag in Nizza am 14. Juli 2016 feierten, mit 86 Toten.

Das neue Gesetz wurde bereits im Sommer vorbereitet, aber die schreckliche Enthauptung eines Lehrers, Samuel Paty, am 16. Oktober, dicht gefolgt von der Ermordung von drei Menschen in der Kirche Notre Dame in Nizza am 29. Oktober, entfachte nicht nur in der Bevölkerung Gefühle des berechtigten Entsetzens und der Empörung gegen die TäterInnen, sondern heizte auch die Kampagne der Regierung gegen den „Separatismus“ an. Dies wiederum hat die Debatte darüber neu entfacht, was der erste Artikel der französischen Verfassung bedeutet, wenn er die Republik als „unteilbar, laizistisch, demokratisch und sozial“ deklariert.

Schiefe Begründung

Natürlich haben sich die revolutionären SozialistInnen immer gegen jede Form der Ein-Personen-Herrschaft gewandt, sei es eines/r MonarchIn oder eines/r PräsidentIn, und sie haben in ihrem Programm die Forderung nach der Trennung zwischen Staat und Kirche oder jeder anderen religiösen Körperschaft erhoben. Wenn Macron jedoch versucht, sein neues Gesetz mit dem Verweis auf das von 1905 zu rechtfertigen, das die Laïcité, den Laizismus, in der Dritten Republik verankerte, vergleicht er nicht Gleiches mit Gleichem.

Dieses Gesetz hat die zentrale Bastion der Reaktion, die katholische Kirche, ihres Einflusses in Schulen, öffentlichen Ämtern und in der Armee beraubt. Da MuslimInnen in Frankreich über wenig oder gar keine institutionelle Macht verfügen, anders als die katholische Kirche, die immer noch 15 % der Grundschulen und 20 % der weiterführenden Schulen betreibt, stellen sie keine Bedrohung für Demokratie und Freiheit dar. Die Bedrohung für sie geht von einer Regierung und politischen Parteien aus, die Gemeinschaften angreifen, die sich nicht in eine nationale, bürgerliche politische Kultur integrieren wollen oder denen diese Integration faktisch verweigert wird.

Unsere Verteidigung der Rede- und Pressefreiheit bedeutet keine Duldung von Aufstachelung zu Hass oder Gewalt gegen Minderheiten und Einzelpersonen. Es sind keine neuen Gesetze erforderlich, um solches Verhalten zu unterbinden. Was „radikale“ PredigerInnen oder politisch-islamistische Gruppen betrifft, so ist die sicherste Grundlage für die Kontrolle solcher Elemente die Einbeziehung einer Gemeinschaft, deren Mitglieder das volle Recht genießen, ihre Religion auszuüben, und deren Gefühle in einer Gesellschaft respektiert werden, die ihnen und ihren Kindern die gleichen Möglichkeiten wie allen anderen BürgerInnen bietet.

In Wirklichkeit haben das neue Gesetz und sein Inspirator, Präsident Emmanuel Macron, ganz andere Ziele im Sinn: einen „Aufklärungsislam“ mit französischen, säkularen, republikanischen Werten zu schaffen. Dahinter verbirgt sich jedoch ein noch niederer Wunsch: rassistische Stimmen von Marine Le Pen und dem Rassemblement National (ehemals FN) abzuziehen. Schlimmer noch, die von den Medien verbreiteten Reden von Macron und seinen MinisterInnen in den letzten Wochen und Monaten haben zweifellos zu den Angriffen auf Frauen, die den Hidschab (Kopftuch, -schleier) oder Nikab (Gesichtsschleier) tragen, in Paris beigetragen, sowie zu den Schändungen von Moscheen in Montélimar, Bordeaux, Béziers und anderen Städten.

Die Regierung hat auch das Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich (CCIF) aufgelöst, indem sie Verbindungen zu „radikalen“ Netzwerken behauptete und es als „Feind der Republik“ bezeichnete. Tatsächlich wurde das CCIF gegründet, um MuslimInnen zu verteidigen, die Angriffen ausgesetzt sind, und wird von linken Kampagnen wie S.O.S Racisme unterstützt. Das Verbot ist lediglich ein Versuch, Kritik am islamophoben Rassismus zu verhindern.

Ein „französischer“ Islam?

Macron verspricht eine „Rückkehr der Republik“ in Gebiete in Frankreichs Städten, aus denen sie, wie er behauptet, ausgeschlossen wurde. Er verspricht Mittel für das Bildungs- und Justizministerium, um „eine republikanische Präsenz in jeder Straße, in jedem Gebäude“ zu gewährleisten.

Das neue Gesetz stellt Moscheen nicht nur unter verstärkte Überwachung und Aufsicht, sondern verlangt auch, dass ihre Imame in Frankreich ausgebildet und zertifiziert werden. Indem es den Fluss ausländischer (hauptsächlich türkischer und saudischer) Finanzierung und Ausbildung drastisch behindert, hat das neue Gesetz sein Ziel erklärt, einen staatlich sanktionierten Islam zu schaffen. Islamische Organisationen, die Gelder vom französischen Staat erhalten, müssen eine „säkulare Charta“ unterzeichnen. Die Gesetzgebung umfasst mehr Mittel für die Hochschulbildung und die Lehre der islamischen Kultur, Zivilisation und Geschichte … aus französischer Sicht.

In einer Rede, die dem neuen Gesetz folgte, nahm Macron am 2. Oktober wiederholt Bezug auf das, was er „Separatismus“ nannte, ein Konzept, das er definierte als, „ein … politisch-religiöses Projekt, das sich durch wiederholte Diskrepanzen mit den Werten der Republik materialisiert, was oft dazu führt, dass … sportliche, kulturelle und kommunale Praktiken entwickelt werden, die als Vorwand für die Lehre von Prinzipien dienen, die nicht mit den Gesetzen der Republik übereinstimmen“.

In letzter Zeit hat dieser Begriff den „Kommunitarismus“ abgelöst, den der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy verwendet hat. Er machte sich berüchtigt, als er als Innenminister zur Zeit der Unruhen 2005 in den Wohnsiedlungen der Außenbezirke sagte, er würde die Polizei als Hochdruckreiniger einsetzen (kärcherisieren), um den „Abschaum“ aus den Banlieues zu entfernen. Sarkozy, der sich auf eine Kandidatur für die Präsidentschaft vorbereitete, spielte die antiimmigrantische Karte aus, um der Herausforderung durch Jean-Marie Le Pens FN den Wind aus den Segeln zu nehmen. Macron, der sich im April 2022 zur Wiederwahl stellt und dessen Umfragewerte ihn bei 26 % gegen Marine Le Pens 25 % sehen, hofft, diesen demagogischen Trick wieder anwenden zu können.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat eine ganze Reihe islamfeindlicher Gesetze und kommunaler Verordnungen, die sich als Verteidigung des Säkularismus tarnen, die Politik vergiftet. Einem Gesetz von 2004, das den Hidschab an staatlichen Schulen verbot, folgte 2010 eines, das das Tragen der vollen Gesichtsverhüllung auf der Straße bannte. Der Senat verbot sogar verschleierten Müttern, mit ihren Kindern auf Klassenfahrten zu gehen.

Ein Maß für die antimuslimische Hysterie, die das Land erfasst hat, zeigte sich, als einige lokale Behörden versuchten, Alternativen ohne Schweinefleisch in Schulkantinen zu verbieten. Im Jahr 2013 richtete der Präsident der Sozialistischen Partei, François Hollande, eine Laizität-Beobachtungsstelle ein, um das Gesetz von 1905 anzuwenden und weiterzuentwickeln. 2016 versuchte die Polizei, Frauen in sogenannten Burkinis an einem Strand in Südfrankreich zu zwingen, diese auszuziehen. Nichts könnte besser kalkuliert sein, um dafür zu sorgen, dass französische MuslimInnen auf radikale PredigerInnen hören, wenn sie behaupten, die französische Gesellschaft sei von Natur aus antimuslimisch.

In einer Gesellschaft, die mit dieser Art von reaktionären Vorurteilen gesättigt ist, überrascht es nicht, dass Macron eine Reihe von pseudoakademischen Rechtfertigungen aufgreift, um den muslimischen Gemeinschaften diese demütigenden Einschränkungen aufzuerlegen, weil sie sich nicht an die Werte der säkularen Republik anpassen.

Macrons Rede entlehnte ihr Hauptthema aus den Werken einer Reihe von Intellektuellen. Ein Paradebeispiel dafür bildet der Historiker und Philosoph Georges Bensoussan. Er schrieb 2002 das Buch „Die verlorenen Territorien der Republik“ und 2017 „Ein unterwürfiges Frankreich: die Stimmen der Ablehnung“ (Une France soumise: Les voix du refus).

In einem Vorwort zu Bensoussans Buch schrieb die prominente Philosophin und Feministin Élisabeth Badinter, dass „eine zweite Gesellschaft versucht, sich heimtückisch innerhalb unserer Republik durchzusetzen, ihr den Rücken zu kehren, und explizit auf Separatismus und sogar Sezession abzielt“.

Es ist nicht das erste Mal, dass Feministinnen, ob liberal oder „sozialistisch“, ein gefährliches Spiel mit dem Säkularismus und den muslimischen Gemeinschaften treiben. Viele französische Feministinnen unterstützten das staatliche Verbot des Hidschab, weil sie daraus den Schluss zogen, dies sei Teil des Kampfes gegen patriarchale und sexistische islamische Praktiken. Noch einmal Badinter: „Wenn wir Frauen das Tragen von Kopftüchern in staatlichen Schulen erlauben, dann haben die Republik und die französische Demokratie ihre religiöse Toleranz deutlich gemacht, aber sie haben jede Gleichberechtigung der Geschlechter in unserem Land aufgegeben.“

Natürlich muss die Linke die Frauen in den muslimischen Gemeinschaften im Westen unterstützen, die gegen die Unterdrückung der Geschlechter in ihren Gemeinschaften und ihren Familien kämpfen. Ebenso müssen wir die heldenhaften Kämpfe von Feministinnen und Sozialistinnen, die in muslimischen Ländern wie Afghanistan, Iran, Ägypten, der Türkei, Pakistan oder Saudi-Arabien für die Rechte der Frauen kämpfen, bekannt machen und unterstützen. Wir müssen die Behauptungen von „AntiimperialistInnen“, DrittweltlerInnen und PostmodernistInnen zurückweisen, dass wir damit westliche, rassistische Werte aufzwingen würden. Die Unterstützung der militärischen Interventionen eines imperialistischen Staates und seiner rassistischen Maßnahmen im eigenen Land ist jedoch ein verlogener und reaktionärer Feminismus.

Ganz im Gegenteil zur Befreiung verleiht sie reaktionären PredigerInnen ein falsches MärtyrerInnentum und schürt rassistische Islamophobie in der Mehrheitsbevölkerung. Sie ignoriert auch die Tatsache, dass es muslimische Frauen sind, die oft in vorderster Front Opfer islamfeindlicher Angriffe werden. In jedem Fall können sie nicht gegen ihren Willen von patriarchalen Strukturen „befreit“ werden.

Hier sollten wir uns an die Worte des irischen Marxisten James Connolly aus dem Jahr 1915 über den Kampf der Frauen erinnern: „Niemand ist so geeignet, die Ketten zu sprengen, wie die, die sie tragen, niemand ist so gut ausgestattet, um zu entscheiden, was eine Fessel ist.“

Imperialismus

Frankreich ist nicht nur das Vorbild und der Archetyp der bürgerlichen Revolution. Neben Großbritannien war es von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die erfolgreichste kolonisierende und imperialistische Macht. Es war auch diejenige, die den längsten und wildesten Widerstand gegen den Verlust dieses Imperiums leistete, nicht zuletzt, weil sie ihre ehemaligen SiedlerInnenkolonien, vor allem Algerien, als französisch betrachtete.

Indochina und Algerien hinterließen tiefe Narben im französischen Nationalbewusstsein und, in Form von De Gaulles Fünfter Republik, auch in den staatlichen Institutionen. Diese Geschichte zog, wie die des britischen Empires, ein demographisches Erbe nach sich: Millionen von Menschen, deren familiäres Erbe in diesen Kolonien liegt. Was das Erbe von „afrikanischem Frankreich“ und „französischem Algerien“ anbelangt, so erstreckt sich dieses Erbe auf die dominierende Religion und die Sprachen dieser Gemeinschaften.

Ein weiteres Erbe ist die unverschämte Forderung französischer PolitikerInnen, sowohl der sogenannten Linken als auch der Rechten, dass diese Menschen ihre Kultur nicht ausüben oder bewahren oder ihre Religion öffentlich zum Ausdruck bringen sollen. Wenn sie es doch tun, werden sie des Kommunitarismus oder Separatismus bezichtigt. Aus diesem Grund haben sich französische AkademikerInnen und Präsidenten oft in Anklagen über den „angelsächsischen Multikulturalismus“ ergangen. Kurz gesagt, der französische bürgerliche Säkularismus ist untrennbar mit dem französischen Imperialismus verbunden, der auch keine tote Geschichte verkörpert, sondern eine lebendige, brutale Realität in einem großen Teil Afrikas.

Nicht nur Le Pen spielt auf dieses Thema an, sondern auch die Präsidenten Sarkozy und Macron. Selbst der „sozialistische“ Präsident François Hollande, der zwar bestreitet, dass der Republikanismus eine rivalisierende Religion ist, konnte 2016 sagen: „Was wir brauchen, um gemeinsam erfolgreich zu sein, ist die Schaffung eines Islams von Frankreich“. Ob es nun brutal oder höflich ausgedrückt wird, dies ist eine Forderung nach Zwangsassimilation. Sie wird den gegenteiligen Effekt haben, wie immer, die „natürliche“ Vermischung der Kulturen der Bevölkerungen zur Bereicherung aller zu verlangsamen oder umzukehren.

So beschritt Macron einen ausgetretenen Pfad, als er das Thema eines „Rückzugs der Republik“ in den 1.500 öffentlichen Wohnsiedlungen der inneren Vororte von Paris und anderen französischen Städten mit ihrer Jugend nordafrikanischer und subsaharischer muslimischer Herkunft aufgriff. Er behauptete: „Wir haben unseren eigenen Separatismus in einigen unserer Viertel geschaffen, wo die Versprechen der Republik nicht mehr eingehalten werden. Wir haben Bevölkerungsgruppen mit derselben Herkunft und derselben Religion konzentriert.“

Er beschrieb die dort vorherrschende Kultur als „eine systematische Art und Weise, die Dinge zu organisieren, um gegen die Gesetze der Republik zu verstoßen und eine parallele Ordnung zu schaffen, andere Werte zu etablieren, eine andere Art und Weise zu entwickeln, die Gesellschaft zu organisieren, die zunächst separatistisch ist, aber deren ultimatives Ziel es ist, sie vollständig zu übernehmen.“

Angesichts der französischen Bilanz von Massenmorden und Folter während des algerischen Unabhängigkeitskrieges (1954–62) ist es kaum verwunderlich, dass selbst die Jugendlichen, deren Familien sich vor 50 Jahren in Frankreich niederließen, die Trikolore nicht als Flagge der „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ sehen, sondern als eine der Armut, des Kolonialismus und der Grausamkeit. Auch war die Brutalität nicht auf Algerien beschränkt. Als AlgerierInnen am 17. Oktober 1961 trotz einer Ausgangssperre in Paris friedlich gegen die französische Unterdrückung demonstrierten, eröffnete die Polizei das Feuer, tötete 300 Menschen und warf ihre Leichen in die Seine. Der berüchtigte Präfekt der Pariser Polizei, der Nazi-Kollaborateur Maurice Papon, wurde nie vor Gericht gestellt, und eine lange Karriere, die auch die Hinrichtung von WiderstandskämpferInnen unter dem Vichy-Regime umfasste, endete 1981 im „ehrenvollen“ Ruhestand.

Auch die Frage des französischen Imperialismus in Afrika gehört nicht der Vergangenheit an. Indem er den islamistischen Radikalismus stigmatisierte, brachte Macron diesen direkt mit den Interessensphären des französischen Staates im Nahen Osten und in Afrika in Verbindung:

„Also überall gibt es eine Krise des Islam, der von diesen radikalen Erscheinungsformen, diesen radikalen Impulsen und dem Wunsch nach einem neu erfundenen Dschihad, der die Zerstörung des Anderen bedeutet, infiziert wird: Das Projekt für ein territoriales Kalifat, das wir in der Levante bekämpft haben, das wir in der Sahelzone bekämpfen, und überall die radikalsten, mehr oder weniger heimtückischen Formen davon.“

Offensichtlich geht es ihm um die Sphären der militärischen Aktivitäten Frankreichs in den ehemaligen französischen Kolonien in Afrika südlich der Sahara. Etwa 4.500 Militärangehörige koordinieren den Einsatz gegen dschihadistische Gruppen in Mali, Mauretanien, Niger, Burkina Faso und Tschad. Diese ehemaligen französischen Kolonien haben in der Tat nie aufgehört, unter französischer Vormundschaft zu stehen.

Die Linke und der Laizismus

Die französische Linke neigt dazu, sich in den Kulturkampf um Republikanismus und Laizismus zu verstricken, obwohl sie Macrons drakonische Angriffe auf die Bürgerrechte und seinen offensichtlichen Rassismus verurteilt.

Es gibt keine glaubwürdige Bedrohung des Laizismus durch Frankreichs muslimische Bevölkerung, weder durch Hidschab oder Nikab tragende Frauen in Schulen, auf den Straßen oder an den Stränden, noch durch Halal-Essensangebote in Restaurants. Die reale Bedrohung liegt vielmehr im repressiven und intoleranten Vorgehen des Staates und seiner Verbreitung einer staatlichen Zwangsideologie als in einer angstinduzierten Selbstzensur.

Was von Macrons Gesetz und seinem Wettbewerb mit Marine Le Pen um die rassistischen Stimmen angegriffen wird, sind demokratische Rechte, und dazu gehören die religiöser Minderheiten, nicht mutwillig von Antiklerikalen provoziert zu werden.

Die genuin marxistische Position ist, dass Religion eine private Angelegenheit sein sollte, soweit es den Staat betrifft. Dazu gehört sicherlich die Verteidigung der Freiheit der Kritik und der Widerstand gegen staatliche oder kommerzielle Medienzensur, aber sie vermeidet Aktionen gegen oder für eine bestimmte Religion. In diesem Zusammenhang ist es falsch, LehrerInnen zu FrontkämpferInnen in einem Kulturkrieg gegen eine Religion zu machen, selbst unter edlen Losungen wie der Redefreiheit.

Auf jeden Fall ist eine solche Freiheit nie als „absolutes Recht“ verstanden worden (in einem Kino „Feuer!“ zu rufen, rassistische Beleidigungen zu schreien, um eine Menschenmenge gegen MigrantInnen aufzuhetzen). Absolute Redefreiheit würde bedeuten, die Rechte anderer Menschen zu verletzen. Die Aufstachelung zu rassistischen Konflikten ist keineswegs dasselbe wie die Freiheit, eine Religion zu kritisieren (oder den Atheismus oder den Säkularismus, was das betrifft).

Die französische Linke muss eine unabhängige Rolle spielen. Die Aufgabe besteht darin, die muslimischen Jugendlichen und ArbeiterInnen in die französische ArbeiterInnenbewegung einzubinden, und das geht nicht, indem wir uns in die Fahne und Ideologie der Bourgeoisie hüllen. Wenn wir das täten, würden wir uns gegenüber dem Kulturkrieg, der gegen die französischen MuslimInnen geführt wird, auf die falsche Seite der Barrikaden stellen. Echte Toleranz muss auf Verständnis und gemeinsamem Kampf beruhen, anstatt eine Religion zu verspotten und zu verhöhnen, als ob dies sie verbannen würde.

Macrons Strategie besteht darin, einen Teil der muslimischen Bevölkerung zu „republikanisieren“, indem er sie entlang von Klassenlinien spaltet. Wenn der Angriff auf den religiösen Obskurantismus und die Argumente für den Säkularismus nicht von links kommen, auf einer Klassenbasis, werden sie den gegenteiligen Effekt zeitigen.

Die französische Linke muss lernen, dass sie einen aussichtslosen Kampf führen wird, wenn sie sich nicht gegen die Attacken des französischen Staates auf Minderheiten stellt. Diese Angriffe treiben die Menschen der Mehrheitsgesellschaft in die Arme der kleinbürgerlichen und nationalistischen Organisationen, ob diese nun die rassistischen PopulistInnen der RN/FN oder die ausgesprochenen FaschistInnen sind. Unter der muslimischen Minderheit werden sie den „Radikalismus“ und sogar den Dschihad-Terrorismus fördern.

Das Echo auf die Parolen und Forderungen des bürgerlichen Säkularismus ignoriert die reaktionären Zwecke, für die sie benutzt werden. Redefreiheit, Versammlungsfreiheit und Säkularismus werden leere Abstraktionen bleiben, wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, wenn sie nicht durch Werte der ArbeiterInnenklasse wie Solidarität und kollektives Handeln zur Verteidigung der Unterdrückten untermauert werden. Der eine Weg führt zu Islamophobie, der andere zu einem militanten Klassenkampf gegen das System, das auf rassischer, nationaler und sexuell-geschlechtlicher Unterordnung und der darauf basierenden Förderung aller Arten von Ungleichheit beruht.