Politisch-ökonomische Perspektiven: Lage in Österreich

Arbeiter*innenstandpunkt, Österreichische Sektion der Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 1135, 18. Januar 2021

Österreich befindet sich in der tiefsten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik. Der Wirtschaftsabschwung begann Ende 2019 und wurde Anfang 2020 durch einen zeitweisen Zusammenbruch der weltweiten Energiemärkte, der sich schnell auf die Finanzmärkte ausweitete, vertieft. Die weltweite Corona-Pandemie führte schließlich zu einem kurzzeitigen Zusammenbruch der Produktion mit tiefen Einschnitten bei Profiten und Beschäftigungsniveau. Dazu kommt die weiter eskalierende Umweltkrise und in Österreich ein weiteres Zurückdrängen der ArbeiterInnenbewegung.

Es ist die Aufgabe von MarxistInnen, in dieser Situation als StrategInnen der Klasse aufzutreten, auch wenn sie diese Strategie nicht selbst umsetzen können. Die Grundlage dazu ist die politisch-ökonomische Analyse der Situation. Die Kräfteverhältnisse sind ungünstig: Die traditionelle ArbeiterInnenpartei SPÖ verliert weiter an Boden, die Gewerkschaftsbewegung entscheidet sich zwischen erniedrigenden Verhandlungsergebnissen und einer weiteren Verdrängung aus den politischen Institutionen, oppositionelle und revolutionäre Kräfte in der ArbeiterInnenbewegung sind weiter sehr schwach.

Die österreichische Regierung ist ein schwarz-grüner BürgerInnenblock, der aus einer der tieferen politischen Krisen seit 1945, der Absage an eine sozialpartnerInnenschaftliche Koalition und dem Rücktritt der schwarz-blauen Regierung nach der Ibiza-Affäre hervorgegangen ist. Österreich befindet sich also in einer kombinierten Wirtschafts-, Gesundheits- und Umweltkrise, die den Beginn einer politischen und sozialen bedeuten kann. Um die Auswirkungen auf die ArbeiterInnenklasse und ihre Aufgaben zu verstehen, ist es notwendig, die einzelnen Krisen und ihre Wechselwirkung zu analysieren.

In der öffentlichen Debatte um die Reaktion auf die Corona-Krise scheinen sich hauptsächlich drei Kapitalfraktionen gegenüberzustehen. Tourismus und Industrie mussten Rekordverluste hinnehmen; im Handel konnten zwar manche Bereiche ihre Position sogar ausbauen, die Mehrheit jedoch nicht. Die Industrie hat zwar unter der Zerrüttung des Welthandels gelitten und viele Unternehmen nutzen die Krise, um ihre Produktion zu verlagern, sie konnte sich aber weitgehend den behördlichen Unternehmensschließungen entziehen. Ihre unterschiedlichen Interessen prägen das Spannungsfeld, in dem die Regierung ihre Reaktion auf die Pandemie gestaltet, und führen zu widersprüchlichen Maßnahmen und einer Gefährdung der Bevölkerung.

Sowohl die beschlossenen Einschränkungen (Quarantäne und Ausgangssperre) als auch, wo sie vermieden wurden (Betriebe, Konsum), gehen in erster Linie zulasten der ArbeiterInnenklasse. Gleichzeitig bereitet sich die Regierung darauf vor, die hohen Kosten der Krisenbewältigung im Sozialsystem und bei den Löhnen einzusparen.

Die Weltwirtschaft befindet sich seit Ende 2019 in einer Rezession. Der Abschwung begann bereits 2016 mit einem Verfall der Profitraten in der Industrie. Gleichzeitig verschoben sich die globalen Kräfteverhältnisse weiter: Erstens macht China den USA immer klarer Konkurrenz um den Platz als führende imperialistische Macht; zweitens hat der Aufstieg der USA zur Energie-Nettoexporteurin die widersprüchlichen Interessen auf den Energiemärkten (die für Wirtschafts- und Kriegspolitik der letzten 30 Jahre sehr wichtig waren) weiter verschärft. Die Handelskriege, die die USA unter Trump gegen China und die EU begannen, fielen zeitlich mit dem Abschwung in der Industrie zusammen. Die generell gestiegene Konkurrenz zwischen den imperialistischen Blöcken war aber weiteres Öl in diesem Feuer. Wie alle Kriege sind auch Handelskriege kostspielig für alle Beteiligten und schnitten in die Profitmargen der Konzerne. Die Tiefe der Krise liegt auch am ungewöhnlich langen Aufschwung nach 2010 und daran, dass nach der letzten Krise kaum Kapital vernichtet, sondern hauptsächlich mit Staatshilfen und Geldpolitik saniert wurde.

Die fallenden Profitraten führten zu einem Geldfluss in die Finanz- und Hochtechnologieindustrie. Die Finanzindustrie ist ein klassisches Ziel für abwandernde Investitionen, weil die Erlöse hier nicht nur von der Profitabilität der Gesamtwirtschaft, sondern auch dem erwarteten Firmenverkaufspreis abhängen. Der Ertrag einer Aktie zum Beispiel setzt sich aus den Dividenden, aber auch aus der Kursentwicklung zwischen Kauf und Verkauf zusammen. Solange also neues Geld in die Finanzmärkte fließt (zum Beispiel weil die Unternehmensprofite weiter sinken), solange scheinen Wertpapier-Investitionen abgesichert.

Die globalen Finanzmärkte sind zuerst im Februar und dann Anfang März nach einer Krise auf den Ölmärkten zusammengebrochen, scheinen sich aber soweit erholt zu haben. Auch in Österreich sind die meisten Banken stabil. Der Skandal um die Commerzialbank Mattersburg (die ihre Bilanzen zu einem großen Teil gefälscht hatte) und der Zusammenbruch von Wirecard (die ebenfalls im großen Stil betrogen hat) hatten keine Kettenreaktion zur Folge. Das liegt auch an den verschärften internationalen Einlagebestimmungen (seit 2008 müssen Banken einen höheren Prozentsatz ihrer Kredite als Einlagen halten), vor allem aber daran, dass eine große Pleitewelle und damit Kreditausfälle durch kurzfristige staatliche Garantien bisher vermieden werden konnten. Am Ende des Tages sind finanzielle Erträge aber nur eine Umverteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Mehrwerts. Bei einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage werden auch Börsen und Banken wieder krachen.

Die kapitalistische Akkumulation ist ein Kreislauf, in dem (1) Geld in Waren investiert, (2) diese Waren in einem Produktionsprozess verarbeitet und (3) die produzierten Waren wieder mit Gewinn verkauft werden. Fehlt es am Geld für Schritt 1, spricht man von einer Kreditklemme, wenn Schritt 2 nicht zustande kommt, von einer Produktionskrise und, wenn die Waren in Schritt 3 unverkauft bleiben, von einer Realisierungs- oder Nachfragekrise.

Die komplexen Verflechtungen der globalen Gesundheits- und Wirtschaftskrise lassen alle drei Glieder des Kreislaufs wackeln. Bisher am sichersten scheint die Verfügbarkeit von Investitionen. Die Produktion musste im Frühjahr schon einmal heruntergefahren werden, bei weiter steigenden Infektionszahlen wird eine erneute Produktionskrise unausweichlich sein. Dazu kommen die ungleichzeitigen Entwicklungen in verschiedenen Ländern: Wenn die globalen Lieferketten zusammenbrechen, kann selbst die rücksichtsloseste Öffnung die Produktion nicht garantieren. Diese globalen Lieferkettenrisse, aber auch der Einkommensverlust breiter Teile der ArbeiterInnenklasse produzieren zudem eine riesige Nachfragelücke; selbst wo die Produktion ungehindert stattfindet, können Warenwerte nicht immer realisiert werden.

In den nächsten Monaten wird es zu einer regelrechten Insolvenzwelle kommen, was die Arbeitslosigkeit sprunghaft erhöhen, die Nachfrage zusammenbrechen lassen und Lieferketten stören wird. Diese Insolvenzen werden auch die Banken unter Druck setzen, deren Kredite nicht zurückgezahlt werden; eine Geldklemme ist abzusehen. Die Krise wird sich also zunächst einmal verschärfen und eine Auflösung ist nicht möglich, bevor die Pandemie nicht überwunden ist.

Gleichzeitig bedeutet die Insolvenz auch eine massive Zerstörung von Kapital. Für die überlebenden KapitalistInnen wird das der Ausgangspunkt für wieder profitable Produktion sein. Dieser Prozess hat nach der globalen Krise 2008 nicht stattgefunden, sondern wurde durch Geldpolitik beziehungsweise mit dem Aufstieg Chinas überspielt. Auch das ist ein Grund für die Tiefe der Krise 2020.

Die quasi schon akzeptierten Zerstörungen in dieser Krise tragen die Möglichkeit einer tatsächlichen Erholung in sich. Sie werden aber gleichzeitig zu einer großen Verschlechterung der Lebenssituation in der ArbeiterInnenklasse führen. Die internationalen Widersprüche werden sich in der Krise zuspitzen. Die KapitalistInnen in den imperialistischen Ländern werden von ihren Regierungen verlangen, sich auf Kosten der internationalen Konkurrenz sanieren zu können. Einen Vorgeschmack darauf, wie staatliche Außenpolitik und nationale Kapitalinteressen zusammenspielen könnten, hat die Handelspolitik unter Trump geliefert. Aber auch dort, wo die Sanierung auf Kosten der gesteigerten Überausbeutung halbkolonialer Länder gehen soll, werden die imperialistischen Mächte sich bald gegenseitig auf die Zehen steigen. Die halbkoloniale Welt ist weitgehend aufgeteilt, und um die offiziell souveränen Nationen an sich zu binden, müssen die Imperialist*innen teilweise kostspielige Zugeständnisse machen (zum Beispiel in der Öffnung von Märkten oder Infrastrukturprojekten), die wiederum die Basis der eigenen Profite untergraben.

Für das österreichische Kapital wird das bedeuten, dass die eigenen internationalen Investitionen mehr unter Druck geraten, wenn die größeren ImperialistInnen mehr auf sich schauen als auf Partnerschaften mit kleineren Ländern. Das bedeutet auch, dass die ohnehin schon wackligen Investitionen österreichischer Banken in Osteuropa weiter unter Druck geraten können. Manche Branchen werden erfolgreich darin sein, die gegenwärtige Krise zur Verlagerung von Produktion und Umstrukturierung bei den Lohnkosten zu nutzen – eine Sanierung direkt auf Kosten der ArbeiterInnen.

Die globalen Zuspitzungen, die wir erwarten, werden also mit Angriffen auf die Beschäftigten einhergehen, die an sich gegebene Möglichkeit der kapitalistischen Krisenlösung wird andere Widersprüche befeuern und zu einer Zeit der Angriffe führen. Auf Österreich kommen zuerst Arbeitsplatzverluste und direkt im Anschluss Sparpakete zu.

Die Industrie hat im Frühjahr ungefähr doppelt so hohe Verluste wie in der globalen Krise 2008 hinnehmen müssen (-7,6 % Bruttowertschöpfung), weil gleichzeitig die Produktion zurückgefahren wurde und Aufträge eingebrochen sind. Die Tourismusbranche war mit einem weitgehenden Wegfallen der internationalen KundInnen und einbrechender Nachfrage im Inland konfrontiert (-70 % im Frühjahr, -20 % im Sommer). Der Handel schließlich konnte den Betrieb weitgehend aufrechterhalten, in einzelnen Bereichen seine Ergebnisse verbessern (Online-Handel, Sportgeräte, Lebensmittel), während andere massive Verluste (Baumärkte, Möbel, Bekleidung) einfuhren. Die Industrie ist für 17 % der unselbstständig Beschäftigten, aber 25 % der Lohnsumme und 28 % der Erlöse und Erträge verantwortlich. Auf den Tourismus entfallen 11 % der Beschäftigten, 6 % der Personalkosten und nur 3,5 % der Erlöse; auf den Handel 22 % der Beschäftigten, 19 % der Lohnsumme und 33 % der Erlöse.

Neben den erwähnten wichtigen Industrien sind noch die Informationstechnologie (3,5 % der nichtfinanziellen Erlöse und Erträge) und die Finanz- und Versicherungsbranche (6,5 %) erwähnenswert. Eine weitere wichtige Großindustrie ist die Energieversorgung, die 2019 6,5 % der Erlöse erzielte und vor allem wegen der engen Verflechtung zwischen staatseigenen, privaten und gemischten Körperschaften, aber auch der Konzentration auf wenige Konzerne großen politischen Einfluss nehmen kann.

2019 waren in Österreich (im Jahresdurchschnitt) 2.960.514 Menschen in 341.102 Unternehmen unselbstständig beschäftigt. Dazu kommen 355.216 im öffentlichen Dienst, davon 39.977 BundeslehrerInnen, 67.560 LandeslehrerInnen, 91.879 in den Landeskrankenanstalten (wovon wiederum die Hälfte ausgegliedert ist).

Die österreichischen Kapitalfraktionen sind durch ihre Verbände und die Regierungsorganisationen stark vertreten. Seit den 1990er Jahren wurden sozialpartnerInnenschaftliche Strukturen, also solche, die zu gleichen Teilen von ArbeiterInnen- und Unternehmensvertretungen beschickt und in die politischen Institutionen mit einbezogen wurden, schrittweise zurückgedrängt. Der Grund dafür liegt darin, dass die wirtschaftliche Grundlage der SozialpartnerInnenschaft, die vergleichsweise Schwäche des österreichischen Kapitals nach dem Zweiten Weltkrieg, über 40 Jahre später vollkommen überwunden war. Die soziale Basis der SozialpartnerInnenschaft war die enge Bindung der ArbeiterInnenbewegung an das „neutrale“ Österreich und den westlichen Kapitalismus. Sie wurde für das Kapital nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Planwirtschaften deutlich weniger wichtig. Seit 2000 gab es ebenso lange Regierungen ohne (2000–2006, 2017–2020) wie mit Beteiligung der traditionellen ArbeiterInnenpartei SPÖ – zwischen 1945 und 2000 lediglich 4 Jahre ohne. Das österreichische Kapital konnte seine Macht im Vergleich zur Arbeiter*innenbewegung in den letzten 20 Jahren schrittweise ausbauen, die schwarz-blaue Koalition Kurz 1 und ihre schwarz-grüne Nachfolgerin Kurz 2 beruhen auf diesem „neuen Konsens“.

Das Verhältnis der Kapitalfraktionen zueinander hat sich deutlich turbulenter entwickelt. Die österreichische Finanzindustrie hat die entscheidende Rolle in der Entwicklung zu einem eigenständigeren Imperialismus gespielt, vor allem durch die schnelle Expansion nach Osteuropa und auf den Balkan seit den 1990er Jahren. Ein völliges Abschütteln der Abhängigkeit vom deutschen Imperialismus ist in weiten Teilen nicht gelungen. Bis auf einzelne Ausnahmen (z. B. Bosnien) ist für Österreich weiterhin die Ausübung einer imperialistischen Rolle nur durch Rückendeckung der EU und des deutschen Kapitals möglich. Wie in den meisten Ländern hat die Finanzindustrie aber seit der globalen Krise ab 2007 relativ an Bedeutung verloren. 2005 war sie noch für 10,5 % der österreichischen Umsatzerlöse verantwortlich, 2013 nur noch für 8,1 %, und 2018 waren es 6,5 %.

Der Aufstieg zum eigenständigeren imperialistischen Land hat den verschiedenen großen Kapitalfraktionen auf unterschiedliche Art Vorteile gebracht. Die Industrie profitiert von der Einbindung in internationale Produktionsketten und davon, zunehmend am Ende dieser Ketten zu stehen und so einen größeren Teil des Profits realisieren zu können. Der Handel profitiert von den fallenden Zöllen, auch durch die Konsolidierung der EU und eine steigende Binnennachfrage. Dem Tourismus bringen Reiseerleichterungen mehr internationale und teilweise zahlungskräftigere Gäste. Das imperialistische Projekt hat dadurch die Interessenunterschiede zwischen den nationalen Kapitalfraktionen verkleinert und ihre Position gegenüber der globalen und österreichischen ArbeiterInnenklasse verbessert.

In Bezug auf die Pandemiesituation werden aber auch Interessenunterschiede sichtbar. Im Handel, zum Beispiel besonders in den Baumärkten, haben die Betriebsbeschränkungen im Frühjahr zu großen Verlusten geführt. Auch die Nachfrage ist wegen der zusammenbrechenden Auftragslage im Kleingewerbe und den Einkommensverlusten in breiten Teilen der Bevölkerung deutlich zurückgegangen. Einzelne Sparten konnten ihre Ergebnisse verbessern (Onlinehandel, Lebensmittel, Sportgeräte), das gleicht die Verluste aber nicht aus. Der Handel ist an möglichst geringen Einschränkungen interessiert, die Regierung hat lange versucht, dem entgegenzukommen. Dem Zusammenbruch der Inlandsnachfrage hat sie weniger entgegenzusetzen.

Die Industrie musste ebenfalls weitgehende Verluste hinnehmen. Die reihen sich aber ein in einen allgemeinen Konjunkturrückgang seit 2019 und einen zu großen Kapitalstock. Insofern nutzen vor allem große Industrieunternehmen die gegenwärtige Situation für Umstrukturierungen auf Kosten der ArbeiterInnen, verschieben Produktion ins Ausland und nehmen die großzügigen Staatshilfen in Anspruch. Das ändert aber nichts an der rückläufigen internationalen Auftragslage und der Überakkumulation. Diese kann nur durch die umfassende Zerstörung von Kapital, also Firmenpleiten, gelöst werden. Der Industrie kommt zugute, dass die Corona-Einschränkungen im Herbst nicht auf Betriebsstätten zutreffen. Die Regierung hat das Aufrechterhalten der Produktion auch zum Ziel erklärt, was das Infektionsgeschehen weiter verschlimmern wird.

Tourismus und Gastgewerbe, klassische Niedriglohnsektoren, mussten mit den größten Verlusten kämpfen. In Wien und Niederösterreich brach die Nachfrage im Frühjahr um 90 % ein. Der Anstieg der Inlandsreisen im Sommer dämpfte die Verluste, konnte aber das Wegfallen der internationalen Reisen nicht einmal ansatzweise ausgleichen. Während die Gastronomie sich gegen jegliche Einschränkungen ausgesprochen hat, hoffen die Unternehmen im Wintertourismus, dass sie nach einem kurzen Lockdown umfangreich aufsperren können. Die Regierung kommt beiden Bereichen durch die Lockdown-Umsatzerstattung (geschlossenen Betrieben werden 80 % des 2019er Umsatzes direkt ausgezahlt, andere Staatshilfen wie Kurzarbeit werden nicht abgezogen) entgegen.

Die Symptombekämpfung in der Pandemie ist nicht nur sehr unternehmensfreundlich, sondern auch recht weitgehend. Das sorgt für relative Einigkeit zwischen den Kapitalfraktionen, obwohl sie in Detailfragen ganz unterschiedliche Interessen haben. Die zugrundeliegenden Probleme können die Regierungszahlungen aber nicht lösen, was auch die innerkapitalistischen Konflikte weiter anheizen wird, wenn die Krise anhält. Nach einer längeren Öffnung muss sich die österreichische ArbeiterInnenklasse auf massive Angriffe und Massenkündigungen vorbereiten.

Österreich wird schon vom zweiten BürgerInnenblock seit der Wahl 2017 regiert, als die ÖVP sich unter Kurz neu aufstellte, scharf nach rechts orientierte und mit der FPÖ statt traditionell der Sozialdemokratie koalierte. Auch nach dem Zusammenbruch der Regierung im Laufe der Ibiza-Affäre ging die Volkspartei aus den Neuwahlen gestärkt durch enttäuschte FPÖ-WählerInnen hervor und holte sich die Grünen als willige KoalitionspartnerInnen ins Regierungsboot.

Das ist nach den schwarz-blauen Koalitionen 2000–2006 der zweite Versuch der Konservativen, die SozialpartnerInnenschaft in Österreich entscheidend zurückzudrängen. Nur die politische Krise nach der FPÖ-Parteispaltung, Koalitionschaos 2006 und die Wirtschaftskrise 2008 brachten die ÖVP wieder an den „grünen Tisch“. Ihr strategisches Ziel ist eine politische Ablösung des österreichischen Kapitals von den Institutionen der ArbeiterInnenbewegung. Wirtschaftlich ist diese mit der schrittweisen privatisierten Verstaatlichung weitgehend abgeschlossen; die Gewerkschaftsbewegung spielt keine relevante Rolle mehr in der Kapitalakkumulation. Die verbürgerlichte SPÖ setzt dem kaum etwas entgegen, auch wenn sie ihre Existenzberechtigung (zu Recht) in Gefahr sieht.

Die Regierung fordert jetzt den nationalen Schulterschluss ein und ist bereit, ihre unternehmensfreundliche Krisenpolitik mit sozialpolitischen zivileren Minimaßnahmen zu flankieren. Außerdem verstehen auch die grauslichsten Neoliberalen, dass ein Komplettverfall der Einkommen in der Krise auch den KapitalistInnen schadet. Sie planen aber bereits massiven Sozialabbau (z. B. degressives Arbeitslosengeld), wie bei der Abschaffung der „Hacklerreglung“ sichtbar wurde, und weitere Angriffe, was auch die Grünen verstehen. Sie können sich im Zweifelsfall aussuchen, ob sie die Austerität mittragen oder durch FPÖ, NEOS oder eine besonders rückgratlose Spielart der SPÖ ersetzt werden.

Die SPÖ hatte trotz des Zusammenbruchs der schwarz-blauen Regierung von 2017 auf 2019 5,7 Prozentpunkte verloren. Bis auf eine beeindruckende, aber einmalige Massendemonstration gegen den 12-Stunden-Tag hatte die traditionell sozialdemokratisch geführte Gewerkschaftsbewegung auch keine echte Oppositionspolitik vorzuweisen. Die gesamte „rote Hälfte“ der Republik befindet sich auf dem Rückzug, aufgerieben zwischen dem eigenen Anspruch, den Kapitalismus mitzuverwaltenn und dem Unwillen des Kapitals, sie das weiter tun zu lassen.