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Britannien: Labour Party suspendiert Jeremy Corbyn von der Mitgliedschaft

Stellungnahme von Red Flag, 31.10.2020, Infomail 1124, 2. November 2020

Der ehemalige Parteivorsitzende Jeremy Corbyn wurde von der Labour Party suspendiert, weil er darauf hingewiesen hatte, dass die Parteibürokratie Versuche, mit echten Fällen von Antisemitismus umzugehen, behindert habe und seine politischen GegnerInnen das Ausmaß des Antisemitismus aus fraktionellen Gründen dramatisch übertrieben hätten.

Der jetzige Parteichef Keir Starmer – der sich hinter der Figur des blairistischen Generalsekretärs David Evans versteckt –, hat die Entscheidung befürwortet. Diese Suspendierung kommt einem politischen Mord gleich, ohne einen Funken juristischer oder demokratischer Rechtfertigung.

Kriegserklärung

Es stellt eine Kriegserklärung gegen die Linke durch den Mann dar, der sich mit dem Versprechen der Vereinigung der Partei zur Wahl stellte. Die vereinigte Partei, die Starmer und seine UnterstützerInnen in der Parlamentsfraktion der Labour Party, den Medien und auf den Tory-Bänken wollen, ist eine von den Hunderttausenden gesäuberte, die sich in dem Glauben anschlossen, dass die Partei New Labour und ihrer Unterstützung für imperialistische Kriege und Sparpolitik der Konservativen Partei den Rücken gekehrt hat.

Die gesamte politische Karriere von Jeremy Corbyn ist ein Zeugnis seiner aktiven Opposition gegen Antisemitismus und alle anderen Formen von Rassismus. Der Vorwurf des Antisemitismus wurde zu einer Waffe in den Händen aller Strömungen innerhalb der Labour Party, die Corbyns gesamtes Programm ablehnten.

Er war auch Teil des Versuchs, Labour daran zu hindern, seine auf den Konferenzen 2018 und 2019 gemachten Zusagen zur Unterstützung des Rechts der PalästinenserInnen auf Rückkehr und einen souveränen Staat zu erfüllen. Antizionismus ist weder Antisemitismus noch ist er antijüdisch. Nur echte AntisemitInnen sehen den Widerstand gegen Israels aggressive Ausweitung der Siedlungen als Widerstand gegen das jüdische Volk als solches oder letztere als das Ergebnis einer imaginären internationalen Verschwörung an. Wir verurteilen ohne Zögern all diesen giftigen Unsinn. Aber diejenigen, die falsche Anschuldigungen wegen Antisemitismus erheben, alarmieren und schaden jüdischen Menschen weltweit.

Die Veröffentlichung des Berichts der britischen Kommission für Gleichheit und Menschenrechte (EHRC) bot Starmer lediglich die Gelegenheit, den lange geplanten Schritt zu setzen. In wenigen Monaten hat Starmer bereits deutlich gemacht, dass er die Labour Party wieder zu einer zuverlässigen Dienerin des britischen Kapitals machen will. Die Suspendierung von Corbyn ist ein weiteres Signal an Großbritanniens Bosse, dass die Partei unter seiner Führung weiß, was sie will und daran arbeiten wird, es zu erreichen.

Starmer behauptete in seiner Kampagne für das Amt des Vorsitzenden, dass er sich nicht „übersteuern“ würde, um von Corbyns Politik abzuweichen, und dass er die Partei vereinen wollte. In einer Zeit, in der die Tory-Regierung wegen der Pandemie zunehmend in Aufruhr ist, entscheidet er sich, statt den Kampf gegen erstere zu führen, eine Kampagne gegen die Parteimitgliedschaft zu orchestrieren.

Er hat die Suspendierung von Corbyn als sein bestimmendes Moment benutzt, wie Kinnocks Angriff auf „Militant“ oder Blairs Abrücken von Klausel 4, die die Bindung an das Gemeineigentum an Produktionsmitteln festschrieb. Labour, so sagt er dem Establishment, sei wieder in sicheren Händen und der Partei könne die Regierung seines Staates anvertraut werden.

Was tun?

Einige Mitglieder, die bereits durch die interne Sabotage der Partei durch Corbyns FeindInnen entmutigt sind, könnten die Suspendierung als den letzten Strohhalm, die letzte Beleidigung betrachten, die sie hinnehmen müssen, und zu dem Schluss kommen, dass sie die Partei keinen Moment länger unterstützen können. Eine solche Wut ist verständlich, aber fehlgeleitet. Starmer und Co. wünschen sich nichts sehnlicher als den kampflosen und unorganisierten Verlust von Zehn- oder gar Hunderttausenden von SozialistInnen aus der Partei.

Für die Mitglieder der Partei, die nun von ihrem eigenen Vorsitzenden und seiner Stellvertreterin als AntisemitInnen verleumdet wurden, ist die Zeit gekommen, Stellung zu beziehen. Trotz der Tatsache, dass ihnen die Verabschiedung von Resolutionen zu Disziplinarangelegenheiten untersagt wurde, sollten alle Ortsgruppen und die Labour-Wahlbezirke das nationale Exekutivkomitee mit Resolutionen überschwemmen, in denen die sofortige und bedingungslose Wiedereinsetzung Corbyns in seine Mitgliedschaftsrechte gefordert und die Aktionen von Keir Starmer und Angela Rayner (stellvertretende Vorsitzende) verurteilt werden. Sie sind schlichtweg ungeeignet, in irgendeiner Funktion die Führung der „Partei der britischen ArbeiterInnenklasse“ zu übernehmen.

Selbst wenn Corbyn, wie man munkelt, entweder durch das nationale Exekutivkomitee oder die Aufsichts- und Rechtsabteilung wieder eingesetzt würde, ohne dass eine Entschuldigung abgegeben und das Recht auf Kritik an solchen Entscheidungen festgelegt würde, bleibt die Möglichkeit, dass es zu solchen Aktionen kommen kann, ein Damoklesschwert, das über den Mitgliedern hängt und die Demokratie in der Partei erstickt.

Diejenigen auf dem linken Flügel, die zum Schweigen raten, um die Einheit mit der Rechten zu bewahren, liegen völlig falsch. Die einzige Möglichkeit, uns zu verteidigen, ist die Missachtung ungerechter Entscheidungen und Regeln, nicht das Zusammenspiel mit ihnen. Es ist der einzige Weg, um sicherzustellen, dass die Partei eine nützliche Rolle im Widerstand der ArbeiterInnenklasse gegen die Pandemie, den Anstieg der Massenarbeitslosigkeit und das Chaos, das Brexit auslösen wird, spielt und dass sich die klassenkämpferischen und internationalistischen Kräfte sammeln.

In den angegliederten Gewerkschaften sollten die Mitglieder darauf bestehen, dass die Partei bis zur Wiedereinsetzung von Corbyn keine finanzielle Unterstützung erhält. Wir fordern die Socialist Campaign Group und Momentum, die weithin als die wichtigsten Organisationen der Labour-Linken angesehen werden, auf, sich an vorderster Front gegen die Suspendierung und alle Versuche zu wenden, Parteimitgliedern das Recht zu verweigern, mit den Aktionen der Führung nicht einverstanden zu sein. Die Gruppen der Labour-Linken und Momentum sollten landesweit Treffen organisieren, um den Gegenschlag zu koordinieren, die Hunderttausende wütender Mitglieder zusammenzubringen und für eine Partei zu werben, in der Starmer und Rayner und ihre Verbündeten keinen Platz haben.