USA: Trump spielt mit einem Polizeistaat

Dave Stockton, Infomail 1112, 23. Juli 2020

In den letzten zehn Tagen hat Donald Trump einen Staatsstreich des Präsidenten erprobt, der in Portland, US- Bundesstaat Oregon, begann und nun auf Chicago ausgeweitet wird. In seinem üblichen Stil behauptete er, dass die anarchistische Gewalt in Chicago „schlimmer als in Afghanistan“ sei. Dies ist nicht nur eine Reaktion auf die „Black Lives Matter“-Bewegung gegen die Killerpolizei der USA, sondern auch auf seinen sich beschleunigenden Einbruch in Meinungsumfragen. Auf der Grundlage eines Exekutiverlasses „zum Schutz des Bundesvermögens“ konnte er das beträchtliche Spektrum der Bundespolizeikräfte einsetzen, die in den letzten zwei Jahrzehnten unter dem Vorwand des Krieges gegen den Terror militarisiert worden waren. In Portland, 40 Meilen von der kanadischen Grenze entfernt, setzt er Zoll- und Grenzschutzkräfte ein, die von der mexikanischen Grenze aus entsandt wurden!

Politik des „starken Manns“

In Portland haben bewaffnete taktische Einheiten der Grenzpatrouille, BORTAC, mit nicht gekennzeichneten Fahrzeugen DemonstrantInnen in Gewahrsam genommen und für Verhöre an unbekannten Orten festgehalten. Die AgentInnen tragen Tarnkleidung ohne Namen oder Nummern. Die Protestierenden wurden mit Tränengas eingenebelt und dem Beschuss mit Aufprallmunition ausgesetzt. Infolgedessen wurde einem 26-jährigen Demonstranten, Donavan LaBella, durch eine Kugel der Schädel gebrochen. Ein 53-jähriger Marineveteran wurde auf Video gefilmt, wie er von OffizierInnen, die einen Knüppel schwingen, bewusstlos geschlagen wurde. Gegen eine Mauer aus Dutzenden von unterstützenden „Müttern“, die versuchten, sich als Schutz zwischen die BORTAC-Schlägertrupps und die DemonstrantInnen zu stellen, wurde mit Tränengas vorgegangen.

Vor über einer Woche schickte Trump seinen kommissarischen Minister für Innere Sicherheit, Chad Wolf, nach Portland, um die Repressionen zu überwachen. Nach seiner Rückkehr lobte Trump Wolfs Ergebnisse mit den Worten: „Portland war völlig außer Kontrolle, und sie gingen rein, und ich schätze, wir haben jetzt viele Menschen im Gefängnis, und wir haben es sehr stark gebändigt, und wenn es wieder anfängt, werden wir es sehr leicht wieder bändigen. Das ist nicht schwer, wenn man weiß, was man tut“.

Trump hat betont, dass er nicht nur die „Antifas“ oder die „Black Lives Matter“-Bewegung im Visier hat, sondern auch seine GegnerInnen bei den bevorstehenden Wahlen.

Gegenüber der Washington Post äußerte er sich; „Wir blicken auch auf Chicago. Wir blicken auf New York. Alle werden von sehr liberalen DemokratInnen geführt. Wirklich alle werden von der radikalen Linken regiert. Das ist schlimmer als alles, was man bisher gesehen hat“, fuhr er fort. „Und wissen Sie was? Wenn Biden einsteigen würde, würde das auf das Land zutreffen. Das ganze Land würde zur Hölle fahren.“

Der Präsident, der seine Feigheit offenbarte, als er sich im Keller des Weißen Hauses vor einer friedlichen BLM-Demonstration versteckte, gibt sich jetzt als der starke Mann in der Hoffnung aus, seine AnhängerInnenschaft bei den weißen RassistInnen zu konsolidieren und seine Wahlbasis zu stärken. Nun hat Trump, wie er gedroht hat, die Repression auf Chicago ausgeweitet und Philadelphia, Detroit, Baltimore und Oakland für die gleiche Behandlung vorgemerkt.

In New York räumten am 22. Juli um 3.45 Uhr morgens mehr als einhundert Polizisten des NYPD in Kampfausrüstung das Protestcamp Occupy City Hall Encampment (CHE) brutal, das seit Juni im Rahmen der BLM-Proteste errichtet worden war. Der demokratische Bürgermeister Bill de Blasio, der für den Überfall verantwortlich ist, versucht eindeutig zu zeigen, dass er ebenso hart gegen Recht und Ordnung vorgeht wie der Präsident. Aber das CHE war bereits von Tausenden auf Hundert zurückgegangen, was zeigt, dass die Besetzungstaktik, wenn sie nicht rasch zu einer Massenaktion wird, schließlich den Kräften von Recht und Ordnung erliegen wird.

Wenn Trump nicht Einhalt geboten wird, verspricht dies, der schwerste Angriff auf die demokratischen Rechte der US-BürgerInnen seit den Palmer-Razzien nach dem Ersten Weltkrieg (antikommunistische Verfolgungswelle, benannt nach dem damaligen Justizminister) zu werden. Trump schwächelt in den Meinungsumfragen, da ihn weithin eine Mehrheit als verantwortlich für die kriminelle Politik betrachtet, die den USA zum weltweit schlimmsten Ausbruch von Sars-CoV-2 und einer historischen Einbruch der Wirtschaft führte. Wenn er nicht eine Art Schock und Ehrfurcht einflößende Taktik aus der Tasche zieht, könnte ihm im November eine erdrutschartige Niederlage drohen.

Drohende Gefahr und Gegenwehr

Es stimmt zwar, dass demokratische BürgermeisterInnen und GouverneurInnen verschiedene juristische Anfechtungen vorgebracht haben, aber solange es keine massive Reaktion der Bevölkerung auf den Straßen und keine direkten Aktionen in den Betrieben gibt, wird Trump weiterhin den Diktator spielen. Er wird seinen Wahlkampf weiterhin mit der fiebrigen Atmosphäre eines BürgerInnenkrieges umgeben. Sein neuer Wahlkampforganisator, Bill Stepien, hat Joe Biden bereits als „das unglückselige Werkzeug der extremen Linken“ bezeichnet.

Die amerikanische Präsidentschaft verfügt über weitreichende Befugnisse, die Trump in einer Weise genutzt hat, wie es nur wenige seiner Vorgänger außerhalb von Kriegszeiten getan haben. Mit Hilfe von Bundestruppen, unterstützt von lokalen Polizeidienststellen, die sich über die Bloßstellung ihrer mörderischen Attacken auf Farbige empörten, hat er bereits das entfesselt, was in Italien in den 1970er Jahren als „Strategie der Spannung“ bezeichnet wurde, ein Vorwand, um die verfassungsmäßigen Rechte des Bevölkerung zu ignorieren und der Exekutive um den Präsidenten herum quasi diktatorische Befugnisse zu geben, was MarxistInnen als Bonapartismus bezeichnen.

Und selbst wenn Trump im November verliert, deutet vieles auf eine Krise nach der Wahl hin, wenn er behauptet, die Ergebnisse seien gefälscht. Trump hat eine amorphe Massengefolgschaft geschaffen, die nicht auf die traditionellen konservativen RepublikanerInnen beschränkt ist, sondern auch wild gewordene KleinbürgerInnen und ältere desorientierte weiße ArbeiterInnen anlockt. Unter den Bedingungen einer großen Weltwirtschaftskrise könnten sich diese recht schnell zu einer echten faschistischen Bewegung herauskristallisieren.

Die Antwort auf Trump, auf eine bösartig rassistische Polizei und auf Massenarbeitslosigkeit, wie wir sie seit den 1930er Jahren nicht mehr erlebt haben, ist nicht Joe Biden oder selbst Bernie Sanders, der ihn jetzt unterstützt. Weder die Programme  der Demokratischen Partei nach Clinton-Art noch der Sozialdemokratie nach skandinavischem Vorbild können den Sumpf von Rassismus und Halsabschneider-Kapitalismus, aus dem Trump und seine „Bewegung“ entstanden sind, trockenlegen. Nur eine Massenkraft, die in der Lage ist, sich der polizeilichen Repression zu stellen und die freie Organisierung von RassistInnen und FaschistInnen zu zerschlagen, d. h. eine Partei, die sich auf die ArbeiterInnenklasse und alle rassistisch und geschlechtsspezifisch Unterdrückten stützt, kann den Kampf anführen, der sich mit Black Lives Matter und den Arbeitskämpfen der letzten Jahre eröffnet hat.

Ein erster Schritt, landesweit, aber vor allem in den Städten, die von Trumps Besatzungstruppen bedroht sind, muss in Massenmobilisierungen bestehen, um sie zu durch die große Zahl zu stoppen, zu isolieren und den Truppenrückzug zu erzwingen und den Möchtegern-Diktator im Weißen Haus zu demütigen.

Am Montag, dem 20. Juli, ergriffen in 200 Städten 60 verschiedene Gewerkschaften und Organisationen, darunter die SEIU, die amerikanische Lehrervereinigung, verschiedene Formen von Aktionen – einschließlich Arbeitsniederlegungen – zur Unterstützung der BLM-Bewegung. Solche symbolischen Aktionen sind ein Anfang, aber die AktivistInnen von BLM und in den Gewerkschaften müssen darauf hinarbeiten, die großen Verbände zur Teilnahme an allen Streiks zu zwingen, um Trumps Pläne zu stoppen. 

Die unmittelbaren Losungen der Bewegung müssen sein:

  • Sofortige Freilassung aller verhafteten DemonstrantInnen!
  • Auflösung der Grenztruppen und Spezialeinheiten der Polizei!
  • Kommunale und ArbeiterInnenselbstverteidigungseinheiten unter demokratischer Kontrolle!
  • Bildung von Aktionsräten zur Koordinierung zwischen BLM und der organisierten ArbeiterInnenklasse, um die von Trumps Sturmtruppen besetzten Städten, um die Produktion und das öffentlich Leben zum Stillstand zu bringen!