Lufthansa – Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle!

Stefan Katzer, Neue Internationale 248, Juli/August 2020

Dass die Rettung „ihres“ Konzerns tausenden Beschäftigten den Job kosten könnte, ist eine Erfahrung, die derzeit die KollegInnen der Lufthansa machen müssen. Ob irgendwer der 26.000 von Entlassung bedrohten Beschäftigten über diese bittere Ironie wird lachen können, ist stark zu bezweifeln. Stattdessen ist zu hoffen, dass sich die berechtigte Wut der Beschäftigten über diese Pläne in organisierten Widerstand wandelt.

„Die Beschäftigten können aufatmen“, heißt es hingegen bei der FAZ (25.06.), nachdem die AktionärInnen der Lufthansa Ende Juni für die Annahme des sogenannten Rettungspakets, d. h. der Beteiligung des Bundes am Konzern im Umfang von 9 Milliarden Euro, gestimmt haben. Dies soll den Konzern vor einer ansonsten drohenden Insolvenz bewahren. Doch wer profitiert wirklich von dieser Rettung – und welche Alternative gibt es dazu?

Ganz im Sinne der AktionärInnen

Der bereits vor der Corona-Pandemie durch die Konkurrenz von sog. Billigfliegern unter Druck geratene Konzern wurde durch den fast vollständigen Einbruch der Geschäfts- und Urlaubsreisen im Zuge der Krise hart getroffen. Die Aktienkurse brachen stark ein. Lufthansa ist seit Mitte Juni nicht mehr im DAX vertreten.

Die Leitung des Konzerns kündigte als Reaktion bereits an, nach der Krise nur mit verringerten Kapazitäten weitermachen zu wollen, und droht nun insgesamt 26.000 KollegInnen nicht nur in Deutschland mit Entlassung. Diese „signifikante Senkung der Personalkosten“ sei notwendig, um „die Chance eines besseren Re-Starts“ nicht zu verpassen, so Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG, im reinsten KapitalistInnen-Deutsch. Kurzum: die Kosten der Krise sollen auch hier die Beschäftigten zahlen, denen der Verlust ihres Arbeitsplatzes droht – denn Ziel ist es, auch in Zukunft die Dividenden der AktionärInnen zu sichern.

Rund 9 Milliarden Euro pumpt der Staat in den Konzern. Er erhält dafür 20 % der Aktien plus 2 Wandelanleihen in Höhe von jeweils 5 %, kauft diese also um ein Vielfaches des aktuellen Marktwertes auf Kosten der SteuerzahlerInnen und der Beschäftigten. Dies wurde möglich, weil die Bundesregierung, trotz der zur Verfügung gestellten Steuergelder und entsprechender Forderungen aus den Gewerkschaften, die Staatshilfe an keinerlei Auflagen geknüpft hat, was die Sicherung von Arbeitsplätzen anbelangt. Ihr musste klar sein, was das für die Beschäftigten bedeutet.

Dem Bund geht es in diesem Zusammenhang auch gar nicht um die Sicherung von Arbeitsplätzen, sondern vor allem um die Rettung eines „Global Player“ in der Luftfahrtbranche, an dessen Fortexistenz ein längerfristiges strategisches Interesse des Staates als Sachwalter der Interessen des Gesamtkapitals besteht. Vorrangiges Ziel ist dabei der Erhalt eines Konzerns, dessen Zweck auch weiterhin darin liegt, Profit für seine EigentümerInnen/AktionärInnen abzuwerfen.

Auf Kosten der Beschäftigten

Das geht natürlich nicht ohne diejenigen, die diesen Profit erwirtschaften, die sogenannten Beschäftigten. Diese werden durch den nun vorgelegten Plan letztlich in zwei Lager gespalten, von denen die einen (unmittelbar) von Entlassungen bedroht sind, während die anderen hoffen können – vermutlich unter schlechteren Bedingungen – weiter für „ihren“ Konzern Profite erwirtschaften zu dürfen.

Die Profit bringende Ausbeutung desjenigen Teils der Belegschaft, der auch in Zukunft für den Konzern verwertbar bleibt, wird nun durch die Hilfen der Bundesregierung gesichert. Sie sollen dafür, dass sie weiter „mit“arbeiten dürfen, auf substanzielle Teile ihres Einkommens verzichten und schlechtere Arbeitsbedingungen hinnehmen. So sollen z. B. PilotInnen, natürlich nur „vorübergehend“, auf bis zu 45 % ihres Gehalts verzichten. Alle anderen sollen mit KurzarbeiterInnengeld und Entlassungen abgespeist werden. Die Einzigen, die sich über eine solche „Rettung“ somit wirklich freuen können, sind die Aktionärinnen und Aktionäre. In ihrem Interesse erfolgt diese Rettung.

Diese hatten bereits vor der außerordentlichen Hauptversammlung Druck aufgebaut, um ihre Interessen gegen die der Beschäftigten durchzusetzen. So hatte etwa der Großaktionär Thiele seine Anteile am Konzern zunächst auf 15 % erhöht, um anschließend in Verhandlungen sicherzustellen, dass der Bund der Umstrukturierung des Konzerns nicht im Wege stehen würde. Er befürchtete, dass der Bund trotz des Versprechens, sich nicht in die Politik des Unternehmens einzumischen, am Ende doch seine Stimme gegen Massenentlassungen erheben würde. Letztlich stimmte Thiele dem Paket zu. Man scheint sich geeinigt zu haben.

Die Alternative – im Sinne der Beschäftigten

Die Alternative zu dieser Rettung besteht nun aber nicht darin, die Lufthansa einfach pleitegehen zu lassen und damit die Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Was es stattdessen braucht, ist eine Strategie, die die unmittelbaren Interessen der Beschäftigten mit der Perspektive einer planvollen Umstrukturierung des gesamten Verkehrssektors verbindet.

Die Beschäftigten und mit ihnen solidarische ArbeiterInnen sollten deshalb für die entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung des Konzerns unter Kontrolle der Belegschaft kämpfen. Dies würde nicht nur die Sicherung der Arbeitsplätze und damit der Einkommen ermöglichen, sondern auch eine Umstrukturierung des Konzerns und des Verkehrssektors insgesamt hin zu nachhaltigen Formen der Mobilität im Interesse der Beschäftigten. Dabei muss es letztlich um den durch die ArbeiterInnen selbst kontrollierten Umbau dieses Sektors gehen. Neben der Ersetzung von Kurzstreckenflügen geht es dabei auch um den Ausstieg aus dem Individualverkehr im Zusammenhang mit dem Ausbau eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs.

Diese Umwandlung kann nur erreicht werden, wenn die in diesen Sektoren Beschäftigten dafür gewonnen werden und eine tragende Rolle bei diesem Umbau spielen. Dies muss im Zusammenhang mit einem Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten unter Kontrolle der ArbeiterInnen gegen den Widerstand der Herrschenden erkämpft werden. Denn denen geht es weder um die Rettung von Arbeitsplätzen noch um die der Umwelt, sondern einzig um die ihrer Profite.

Es ist klar, dass dies nicht durch die Beschäftigten der Lufthansa allein geleistet werden kann, sondern dass hierfür breite gewerkschaftliche Mobilisierungen, Streiks und eine politische Strategie notwendig sind. Dabei zeichnet sich bereits jetzt ab, dass Massenentlassungen auch bei anderen Konzernen anstehen, etwa bei Boeing und Airbus.

Es braucht daher dringend ein Programm, das die nun anstehenden Kämpfe verbindet, vereinheitlicht und über den Rahmen des bestehenden kapitalistischen Systems hinausweist. Denn es ist umgekehrt auch klar – und die Erfahrung im Zusammenhang mit der „Rettung“ der Lufthansa zeigt es erneut -, dass alle „Anti-Krisenmaßnahmen“ im bestehenden kapitalistischen System vor allem und vorrangig den KapitalistInnen, AktionärInnen usw. nutzen und auf Kosten der ArbeiterInnen gehen.

Perspektivisch und für die gesamte ArbeiterInnenklasse geht es jetzt also darum, nicht nur solidarisch an der Seite der KollegInnen gegen die angedrohten Entlassungen zu kämpfen, sondern auch für den dringend notwendigen ökologischen Umbau des Verkehrssektors unter ihrer Kontrolle im Rahmen eines Programms gesellschaftlich nützlicher Arbeiten. Um diese Alternative zu erkämpfen, genügen aber keine Bitten an die Regierung, sondern (gesamtgewerkschaftliche) Solidarität, Kampf- und Streikbereitschaft sowie ein konsequentes politisches Programm im Interesse der gesamten, internationalen ArbeiterInnenklasse.

Dies bedeutet aber auch, in den Gewerkschaften wie ver.di, Cockpit, UFO für eine Politik des Klassenkampfes einzutreten – und endlich damit aufzuhören, die jetzt beschlossenen Pläne als „alternativlos“ zu bezeichnen. Das „Krisen- und Absicherungspaket“, auf das sich UFO und Konzern am 25. Juni geeinigt haben, verspricht 22.000 FlugbegleiterInnen zwar Kündigungsschutz – allerdings im Gegenzug zu einem Einkommensverzicht von einer halben Milliarde Euro im Lauf der kommenden vier Jahre. Die Erfahrungen der letzten Zeit zeigen, dass dieser oft nur das Vorspiel für weitere Einschnitte und Entsolidarisierung ist.

Es kann nicht darum gehen, Kürzungen oder Entlassungen „sozialverträglich“ durch Verhandlungen eines sog. Sozialplans zu begleiten. Statt „Opfer“ für die Rettung eines Konzerns zu bringen, der ihnen nicht gehört, müssen die Gewerkschaften jede Kürzung, jede Entlassung bekämpfen. Verhandlungen über Sozialpläne, abgefederte Massenentlassungen und Kürzungen müssen gestoppt werden – es darf keine Verhandlungen hinter dem Rücken und ohne volle Transparenz gegenüber den Belegschaften geben.

Versammlungen und Aktion

Im gesamten Lufthansa-Konzern und all seinen Tochtergesellschaften wäre es dringend notwendig, Belegschaftsversammlungen einzuberufen – nicht nur um die Belegschaft zu informieren, sondern um Kampfmaßnahmen zu diskutieren und einen Vollstreik der Beschäftigten aller Berufsgruppen und Gewerkschaften in Deutschland und weltweit vorzubereiten. Auf den Versammlungen sollten daher der Belegschaft verantwortliche Kampf- und Aktionskomitees gebildet werden. Nur so können die Sanierungspläne auf Kosten der Beschäftigten und der Gesellschaft gestoppt und die notwendige Solidarität im Kampf geschaffen werden, um die entschädigungslose Verstaatlichung des Konzerns unter ArbeiterInnenkontrolle durchzusetzen und einen Schritt zum ökologischen Umbau des Verkehrssystems zu machen.

Der Lage bei der Lufthansa spitzt sich zu. Massenentlassungen wie diese drohen in großen Bereichen. Um diese zu stoppen, müssen wir nicht nur einen gewerkschaftlichen und betrieblichen Abwehrkampf führen, wir müssen diesen mit dem Aufbau einer gesellschaftlichen Bewegung, einer Anti-Krisenbewegung verbinden. Der Kampf gegen Massenentlassungen und für die Verstaatlichung von Unternehmen, die damit drohen, wirklich oder vorgeblich vor der Pleite stehen, wird eine Schlüsselrolle spielen, wenn wir die Abwälzung der Krisenkosten auf die Lohnabhängigen stoppen wollen.