Wir zahlen nicht für Virus und Krise! Anti-Krisenbewegung aufbauen!

Martin Suchanek, Neue International 246, Mai 2020

Über vier Millionen KurzarbeiterInnen, eine tiefe Rezession, drohende Massenentlassungen bei gleichzeitiger Überarbeitung im Gesundheitswesen oder im Einzelhandel verdeutlichen: Die aktuelle Krise des Kapitalismus stellt eine des Gesamtsystems, der gesamten Produktion und Reproduktion dar. Schon heute sind die Schwächsten und Unterdrücktesten (Geflüchtete, Alte, Kranke, Frauen aus der ArbeiterInnenklasse, …) am härtesten betroffen. Die Ausgangssperren bewirken z. B. gleichzeitig einen massiven Anstieg häuslicher Gewalt, die insbesondere gegen Frauen und Kinder ausgeübt wird.

Die Krise wird die gesamte Klasse der Lohnabhängigen mit extremer Härte treffen – FacharbeiterInnen in der Großindustrie, prekär Beschäftigte, Geflüchtete oder noch einigermaßen „gesicherte“ Teile im öffentlichen Dienst. Die Kosten dieser Krise – und damit die, die das Kapital und sein Staat uns aufhalsen wollen – werden viel größer sein als 2008/2009. Dies wird aktuelle Probleme zusätzlich verstärken: ob Rechtsruck, Umweltzerstörung, Kriegsgefahr oder Angriffe auf das Arbeitsrecht.

Widersprüchliche Lage

All jene, die dagegen Widerstand leisten wollen, befinden sich in einer widersprüchlichen Lage. Wir stehen nicht nur vor dem Problem der Einschränkung unserer Bewegungsfreiheit und der Aushebelung demokratischer Rechte. Wir stehen auch vor dem Problem, dass zur Zeit die Regierung die öffentliche Meinung bestimmt. Merkel ist es – nicht zuletzt mithilfe von SPD und DGB-Gewerkschaften – gelungen, eine Art nationalen Schulterschlusses zu inszenieren. Praktisch alle Medien, alle Landesregierungen sowie die Führungen von UnternehmerInnenverbänden und Gewerkschaften unterstützen ihn. Im Grunde macht auch die parlamentarische Opposition mit – einschließlich großer Teile der Linkspartei.

Das wird sicher nicht so bleiben. Schon heute stellen Teile der AfD und der extremen Rechten das auf reaktionäre Weise in Frage. UnternehmerInnenverbände fordern nicht nur Milliarden für das Kapital, sondern auch die Abschaffung von Rechten der ArbeiterInnenklasse, „Streichung“ des Urlaubs. Viele planen Massenentlassungen usw.

Gleichzeitig herrschen in der ArbeiterInnenklasse und selbst in größeren Teilen der Linken das Hoffen auf Staat und SozialpartnerInnenschaft oder Lähmung und Schweigen vor. Und das, obwohl die drohende soziale, gesellschaftliche Katastrophe durchaus klar sichtbar wird.

Wie Widerstand entfalten?

Angesichts dieser Situation müssen wir die Frage ins Zentrum rücken, wie wir den notwendigen Klassenwiderstand entfalten. Wenn wir nicht anfangen Widerstand aufzubauen, werden seitens des Kapitals Fakten geschaffen. Dabei ist es jetzt unsere Aufgabe, Antworten auf die aktuellsten Fragen zu geben: Wer verhindert die Zwangsräumung, wenn man aufgrund von Kurzarbeit die Miete nach August nicht zahlen kann? Wie retten wir die 40.000 Geflüchteten, die aktuell an der EU-Außengrenze auf den griechischen Inseln zum Tode verurteilt werden? Wie wehren wir uns gegen Entlassungen und Sparmaßnahmen?

Wir müssen jetzt anfangen, Antworten auf diese Fragen zu geben – auch als kämpferische Minderheit. So können wir für größere Teile der Lohnabhängigen und Aktive sozialer Bewegungen sichtbar werden, Orientierung vermitteln und zu einem Sammelpunkt des gemeinsamen Handelns geraten. Hierbei kommt den linken und klassenkämpferischen Demonstrationen am Ersten Mai eine wichtige, mobilisierende Funktion zu. Sie setzen ein sichtbares Zeichen gegen den „nationalen Schulterschluss“ und stellen eine sichtbare Alternative zu rechten, verschwörungstheoretisch inspirierten Aktionen dar.

Diese Aktionen sollen zu einem Ausgangspunkt für die Bildung von Antikrisenbündnissen auf lokaler und bundesweiter Ebene werden. Entscheidend werden dabei Forderungen sein, um die herum wir zum Ersten Mai und darüber hinaus mobilisieren, um eine gemeinsame Bewegung aufzubauen. Die drängendsten Fragen für Millionen Lohnabhängige müssen dabei im Zentrum stehen. Wir – ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION – schlagen folgende Punkte für die Neuformierung einer Antikrisenbewegung vor:

Gesundheit vor Profite!

  • Kostenlose Gesundheitsversorgung für alle – von Tests bis zur Unterbringung in Krankenhäusern und Intensivmedizin! 500 Euro/Monat mehr für alle Beschäftigten in den Pflegeberufen!
  • Keine Wiederöffnung der Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und Schulen ohne Schutz- und Hygieneplan unter Kontrolle der Beschäftigten!

#stayathome – wir zahlen nicht!

  • Gegen alle Entlassungen! 100 % Lohnfortzahlung für alle, die in Kurzarbeit stehen! Keine Aushebelung von Arbeitszeitbeschränkungen und Arbeitsrecht!
  • Keine Milliarden-Geschenke für die Konzerne – massive Besteuerung von Vermögen und Gewinnen! Entschädigungslose Enteignung der Banken und des Großkapitals unter Kontrolle der Beschäftigten!

Keine Rendite mit der Miete!

  • Für die Aussetzung aller Miet- und Kreditzahlungen für die arbeitende Bevölkerung! Enteignung der großen Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen, Vonovia und Co.! Nutzung von Leerstand, um Bedürftigen wie Geflüchteten und Obdachlosen Räume zur Verfügung zu stellen!

#leavenonebehind

  • Abschaffung von Lagersystemen und rassistischen Asylgesetzen: Offene Grenzen und StaatsbürgerInnenrechte für alle!

Dafür müssen wir aktiv werden – über den Ersten Mai hinaus. So können wir unsere Forderungen und die Verteidigung demokratischer Rechte, einschließlich des Streikrechts, miteinander verbinden. Unmittelbar geht es darum, all jene zu vereinen, die beim nationalen Schulterschluss von Kapital und Kabinett nicht weiter mitmachen wollen, all jene, die im Betrieb, an Schule, Uni und im Stadtteil eine neue Antikrisenbewegung aufbauen wollen.