Solidarität mit dem Kampf der französischen Kolleg*innen gegen die Rentenreform

Solidaritätserklärung der Strategiekonferenz für kämpferische Gewerkschaften, 26. Januar 2020, Infomail 1086, 31. Januar 2020

Die französische
Regierung unter ihrem „Sonnenkönig“-Modernisierer Macron will eine erzreaktionäre
Rentenreform durchsetzen. Sie beruht auf zwei Säulen: Zum einen soll ‒ nach deutschem
Vorbild ‒ ein Punktesystem eingeführt werden, zum anderen soll das
Renteneintrittsalter angehoben werden. Bei früherem Renteneintritt drohen dann
(ebenfalls nach deutschem Vorbild) empfindliche Abschläge.

In den Medien ‒
gerade auch in Deutschland ‒ wird die Reform als notwendige Vereinheitlichung
und als Abbau von Privilegien verkauft. In Wirklichkeit geht es aber darum,
dass die Renten für alle sinken werden, ganz besonders für diejenigen, die
aufgrund starker beruflicher Belastung (etwa wegen des Schichtdiensts in den
Verkehrsbetrieben) ein paar Jahre früher in Rente gehen können.

Nun hat die
Regierung unter dem Eindruck der wochenlangen Kundgebungen und Streiks ein
kleines Zugeständnis gemacht und will damit die Bewegung und die Gewerkschaften
spalten. In Wirklichkeit ist aber das Verschieben der Anhebung des
Renteneintrittsalters nur eine Nebensache, denn der Kern der Reform liegt in
der Einführung des Punktesystems. Allein damit werden die Renten im Schnitt um
25 Prozent sinken.1
Und der spätere Renteneintritt bleibt ja weiter das Ziel der Herrschenden und
kann schneller kommen als manche denken.

Der Systemwechsel
reiht sich ein in eine lange Reihe von Abbaumaßnahmen sozialer
Errungenschaften. Geht dieser Kampf verloren, wird dies sowohl in Frankreich
als auch in anderen Ländern die Herrschenden zu neuen Angriffen ermuntern. So
werden auch bei uns die Bestrebungen für eine Verlängerung der
Lebensarbeitszeit neuen Auftrieb bekommen. Letztlich geht es um nichts weniger
als um die weitere Aushöhlung der sozialen Sicherungssysteme und im selben
Aufwasch um die Zerschlagung gewerkschaftlicher Gegenmacht.

Trotz gewaltiger
Medienkampagnen gegen die Streikenden und trotz der Unannehmlichkeiten, die sie
mit den Streiks auch vielen Menschen der einfachen Bevölkerung bereiten, haben
die Kolleg*innen in Frankreich in dieser wichtigen Angelegenheit eine
beeindruckende Kampfkraft an den Tag gelegt. Sie streiken seit Wochen unter großen
Opfern und ohne Streikgeld! Die Organisierung der Solidarität ist an vielen
Stellen mustergültig.

Nicht nur weil
das Anliegen der Kolleg*innen in Frankreich auch für uns von großer politischer
Bedeutung ist, erklären wir unsere uneingeschränkte Verbundenheit mit ihrem
Kampf. Wir wenden uns gegen die Kriminalisierung der Streikenden und gegen die
brutale Gewalt der französischen Polizei. Wir betrachten es als die
vordringlichste Pflicht internationaler Solidarität, den französischen
Kolleg*innen unsere volle Sympathie und unsere besten Wünsche zu übermitteln.
Unsere Möglichkeiten, der materiellen Unterstützung sind zu bescheiden, als
dass wir sie euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, als nennenswert wirksame Maßnahme
anbieten können. Dort, wo wir an verschiedenen Spendensammlungen teilnehmen können,
werden wir das tun.

Gleichzeitig aber wenden wir uns hiermit an die Vorstände unserer Gewerkschaften und des DGB und fordern vor allem eine politische, aber auch materielle Solidarität ein. Für den extrem wichtigen den Kampf der Kolleg*innen in Frankreich ist es von enormer Bedeutung, wie sich die deutschen Gewerkschaften, die ja im Kern mit den gleichen Fragen konfrontiert sind, in diesem Konflikt verhalten. Wir richten dieses Schreiben also sowohl an die französischen Kolleg*innen als auch an den DGB-Bundesvorstand und die Vorstände seiner Einzelgewerkschaften.

Der Aufruf Solidarität mit dem Kampf der französischen Kolleg*innen gegen die Rentenreform findet sich auf der Webseite der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften.

Dort findet ihr auch eine Übersetzung ins Französische: Solidarité avec la lutte des collègues français(es) contre la réforme des retraites