Amtsenthebungsverfahren gegen Trump: Korruption bekämpfen, bürgerliche Strategie ablehnen

Mo Sedlak, Neue Internationale 243, Dezember 2019/Januar 2020

Die derzeitig starke Fokussierung der Demokratischen Partei auf das
Amtsenthebungsverfahren gegen Trump zeigt auf, dass sie eine Strategie des
„Widerstands“ durch die Institutionen und dies zunehmend über den Weg durch die
Gerichte befürwortet, anstatt eine Mehrheit bei den Wahlen anzustreben und zu
gewinnen. Dies kann als klares Signal an die linken KandidatInnen in den
Vorwahlen verstanden werden. Insbesondere an Bernie Sanders, der wohl die
besten Chancen hat, Trump in einer direkten Konfrontation zu schlagen (wenn der
demokratische Parteiapparat ihn dabei unterstützen würde). Das Signal lautet:
Wir wollen dich nicht, und wir brauchen dich auch nicht. Dies sollte eigentlich
einen Weckruf für diejenigen SozialistInnen darstellen, die sich um die
kapitalistische Demokratische Partei bewegen – ein Signal dafür, das Projekt
aufzugeben, eine tatsächliche Bewegung gegen die Politik der RepublikanerInnen
und DemokratInnen aufzubauen.

Generell kann eine juristische Strategie die Politik von Trump nicht
stoppen. Das bedeutet zwar nicht, dass das Amtsenthebungsverfahren dem
Präsidenten keinen politischen Schaden zufügen wird. Durch seinen Hang zum
Populismus ging Trump bekanntlich gegen bestehende staatliche Institutionen vor
und machte sich Feinde innerhalb des Sicherheits-, Rechts- und
Verwaltungsapparats. Die Auseinandersetzungen drehen sich allerdings rund um
verschiedene Schattierungen kapitalistischer und imperialistischer
Unterdrückung, nicht um die rassistische, frauenfeindliche,
arbeiterInnenfeindliche und anti-ökologische Essenz des Programms des
Präsidenten.

In einem solchen juristischen Konflikt fühlt sich die demokratische Führung
jedoch viel wohler. Unwohler fühlt sie sich offenkundig darin, die
Unterstützung der Bevölkerung in Debatten über die allgemeine
Gesundheitsversorgung, Mindestlöhne und Vermögenssteuern für sich zu gewinnen.
Eine Fokussierung auf die demokratische Strategie ist für die Linke allerdings
nutzlos – nicht nur wegen der gesetzlichen Hürden im Senat, sondern auch wegen
der Rolle, die sie spielt. Sie gibt vor, Widerstand innerhalb des Systems und
seiner Institutionen zu konsolidieren, und leugnet die Notwendigkeit, den
Widerstand gegen das System zu organisieren.

Der gesetzliche Scheinvorwand

Die zugrunde liegende Geschichte ist exemplarisch für die alltägliche
Korruption, die die Innen- und Außenpolitik der Vereinigten Staaten
durchdringt. Die Geschehnisse sind nicht einzigartig und nicht einmal allzu
überraschend. Im Mai 2014 trat Hunter Biden, ein Sohn von Joe Biden, der heute
demokratischer Hoffnungsträger ist, in den Vorstand eines ukrainischen
Energieunternehmens (Burisma) mit Hauptsitz auf Zypern ein. Sein Wert für das
Unternehmen könnte wohl etwas mit seinem Namen und der damit einhergehenden
Verbindung zum damaligen Vizepräsidenten in Form seines Vaters zu tun gehabt
haben. Gleichzeitig lief damals eine Korruptionsuntersuchung gegen einen
Großaktionär von Burisma. Etwa ein Jahr nach der Einstellung von Bidens Sohn
forderte Joe Biden das ukrainische Parlament auf, den Generalstaatsanwalt
Wiktor Schokin loszuwerden, der gegen AktionärInnen von Burisma ermittelte. Er
gab auch später zu, dass er damit gedroht hatte, der ukrainischen Regierung
Mittel vorzuenthalten, wenn seine Forderungen nicht erfüllt würden.

Kurz nach der Amtseinführung des neuen ukrainischen Präsidenten Selenskyj
Anfang 2019 sollen Trumps AssistentInnen Druck auf die ukrainischen
AmtskollegInnen im Zuge der Vorbereitungen eines Treffens von Selenskyj und
Trump aufgebaut haben, um entsprechende Untersuchungen zwecks Belastung Hunter
Bidens einzuleiten. Einigen US-Delegierten bei diesem Vorbereitungstreffen ging
diese Forderung nicht weit genug. Nur wenige Tage später kündigte die
Trump-Administration an, dass sie etwa 400 Millionen Dollar an Auslandshilfen
für die Ukraine einbehalten würde, während ihre angeblichen MitarbeiterInnen
den Helferinnen und Helfern von Selenskyj die dringende Notwendigkeit der
Einleitung von Ermittlungen mitteilten. In einem entsprechenden Telefonat
bekräftigte Trump direkt seinen Wunsch nach Ermittlungen gegen Joe Biden in der
Ukraine, an denen Selenskyj zu arbeiten versprach. Diese Druckmittel sind nach
US-Recht pro forma illegal, und offensichtlich erpresst ein amtierender
Präsident die Führung eines anderen Landes und hält große Hilfssummen zurück,
um einem Gegner im innenpolitischen Wettbewerb zu schaden.

Business as usual

Gleichzeitig ist dies Business as usual. Die Verwendung militärischer und
ziviler ausländischer Hilfe, um Regierungen unter Druck zu setzen (oder in
einigen Fällen einen Aufstand gegen sie zu führen), ist eine altehrwürdige
imperialistische Tradition. Das Gleiche gilt für die Interaktion zwischen
gewählten hohen BeamtInnen, die in den meisten Fällen US-MillionärInnen sind,
und ihren Familienunternehmen. Die überraschende Großzügigkeit von Ländern wie
der Türkei bei der Erteilung von Genehmigungen und Grundstücken für Trumps
Hotels zeigt dies ebenso gut wie Hunter Bidens Karriere als Vorstandsmitglied
für Burisma.

Natürlich ist dieses Verhalten für RevolutionärInnen, SozialistInnen und
ArbeiterInnen abstoßend. Es ist eine Geschichte der imperialistischen
Außenpolitik der USA, die Regime mit Hunderten von Millionen an militärischer
Hilfe unterstützt, die schließlich in BürgerInnenkriege fließt bzw. dazu
verwendet wird, um Volksproteste zu unterdrücken. Darüber hinaus fühlen sich
die MilliardärInnen an der Spitze der US-amerikanischen Staatsinstitutionen
dazu berechtigt, dieses Geld für ihre persönlichen Gewinne zu verwenden, als ob
die Kriegsbeute ihre Investitionsmittel nicht bereits mit Dividenden der
WaffenherstellerInnen überflutet hätte. Zusätzlich nutzen Trump und seine
Gefolgsleute schließlich diese fragwürdigen Vereinbarungen, um eine ohnehin
schon undemokratische Wahl noch weiter weg von der Entscheidung der Bevölkerung
und hin zu Hinterzimmerabkommen zu verschieben.

Die Reaktion der RevolutionärInnen muss darin liegen, eine öffentliche und
transparente Untersuchung der angeblichen Drohungen von Biden, aber auch der
angeblichen Erpressung von Trump und der Unterstützung sowohl der Obama- als
auch der Trump-Administration für undemokratische Regime auf der ganzen Welt zu
fordern. Die Korruption, die wir in diesem Fall sehen, ist symptomatisch für
den kapitalistischen Missbrauch der verbliebenen demokratischen Institutionen,
und die ArbeiterInnen müssen dafür kämpfen, die gesamte Bande zu vertreiben.
Gleichzeitig ist sie symbolisch für die starke Waffengewalt des US-Imperialismus,
und es ist darüber hinaus wichtig, den Abzug aller US-Truppen aus der sowie die
Einstellung aller militärischen Unterstützung an die Ukraine zu fordern.

Warum jetzt?

Das Ukraine-Debakel ist nicht das erste Mal, dass ein
Amtsenthebungsverfahren gegen Trump diskutiert wurde. Liberale KommentatorInnen
und Social-Media-InfluencerInnen um den Hashtag #Resistance schlugen eine
Anklage aus allen möglichen Gründen vor. Noch wichtiger ist, dass Abgeordnete
am linken Rand der Demokratischen Partei wie Alexandria Ocasio-Cortez
unerbittlich die Verfahren forderten und die anfänglichen Ablehnungen ihrer
eigenen Führung als skandalös bezeichneten.

Es gibt zwei Gründe, warum Nancy Pelosi und die demokratische Führung
diesen Forderungen von links scheinbar nachgegeben haben. Am offensichtlichsten
ist, dass keine Partei, die etwas von sich selber hält, akzeptieren kann, dass
ihr vermeintlicher Spitzenkandidat einer solch offensichtlich illegalen
Schmutzkampagne ausgesetzt ist. Der zweite Grund ist jedoch entscheidend: Der Hauptdreh-
und -angelpunkt des Amtsenthebungsverfahrens sowie der damit einhergehende
Medienzirkus können gegen die linken Mitglieder der Partei verwendet werden.

Biden: Mehr vom Gleichen

Die demokratischen Vorwahlen haben Joe Biden bisher als stabilen Spitzenreiter
gesehen. Er ist ein natürlicher Favorit der Parteiführung: ein Symbol für den
Wahlerfolg unter Obama, äußerst kompromissbereit zu RepublikanerInnen,
freundlich gegenüber der traditionellen demokratischen Geberbasis in Super-PACs
und Big Business. Außerdem stört er sich nicht an Kleinigkeiten wie
Ungleichheit, Arbeitslosigkeit oder den Opfern des Krieges. Obwohl er
schlechter als sein ehemaliger Chef in Bezug zur Frauenfrage aufgestellt ist
und eine schändliche Geschichte der Zusammenarbeit mit RassistInnen hat, kann
man Biden zumindest vertrauen, dass er Obamas Erbe fortsetzt: Banken retten,
Millionen abschieben und trotzende Neokolonien bombardieren.

Sanders und Warren

Die beiden aussichtsreichen GegenkandidatInnen zu Biden, Bernie Sanders und
Elizabeth Warren, schlagen einen anderen Ansatz vor, um Trump zu besiegen.
Beide betonen die Unterstützung der Bevölkerung, die Umverteilung und die
Sicherung einiger Grundrechte auf Gesundheitsversorgung, Wohnen und Beteiligung
am Arbeitsmarkt. Während es wichtige Unterschiede zwischen ihren Strategien und
Perspektiven gibt und beide den demokratischen Apparat mehr stärken als sie ihn
in Frage stellen, verkörpern sie im Vergleich zu Biden einen alternativen Weg
für die demokratische Partei.

Die linken KonkurrentInnen bevorzugen bis zu einem gewissen Grad die
populäre (und teilweise populistische) Unterstützung gegenüber Übereinkünften,
Proteste gegenüber Kompromissen und Basisbewegungen gegenüber
Hinterzimmerabkommen in Washington. All das würde bedeuten, die Macht des
zentralen Parteiapparats zu schwächen. Während sie eine Chance bieten, Trump
bei den Wahlen zu schlagen, sind die Folgen für die herrschende Clique
innerhalb der Partei schwer vorherzusagen.

Auf der anderen Seite sind die komplizierten Repräsentantenhaus- und
Senatsverfahren rund um Anhörungen, Unterausschüsse und Beweise die Spielwiese,
auf der sich die Parteibürokratie am wohlsten fühlt. Sie hofft, in der Lage zu
sein, Trumps Wahlergebnisse durch geschickte Kreuzverhöre, Deals mit
republikanischen AbweichlerInnen und eine PR-Strategie zu beschädigen, anstatt
einer/m populären KandidatIn beizustehen, der/die sich ihnen nicht verpflichtet
fühlt.

Die Demokratische Partei zu der unseren machen?

Was Sanders, Warren und die neu entstehende Linke in der Partei vertreten,
ist eine Wahlstrategie, die darauf abzielt, rund um wichtige wirtschaftliche
und soziale Fragen zu mobilisieren. Auf allen wichtigen Politikfeldern –
stagnierende Mindestlöhne, die Zusammenarbeit mit Großunternehmen, das
Beschneiden der Sozialversicherung, das Opfern von Sozialwohnungen für
ImmobilieninvestorInnen – ist die Bilanz der Demokratischen Partei fast so
ekelhaft wie die der RepublikanerInnen. Und ihre Führung ist mitschuldig.

Der Grund dafür sind nicht Korruption und persönliche Abscheulichkeit des
Parteiapparates. Obwohl das gleichzeitig unbestreitbar ist, ist die
Demokratische Partei als eine der beiden kapitalistischen Parteien in den USA
institutionell an die herrschende Klasse gebunden und agiert gegen die
arbeitenden und unterdrückten Massen im Land. Die besondere Stellung der USA
als dominante imperialistische Macht bindet die Partei auch an eine Agenda von
Krieg, neokolonialer Unterdrückung und Ausbeutung.

Im Gegensatz zu Parteien der ArbeiterInnenklasse oder Gewerkschaften kann
sie von den ArbeiterInnen nicht wieder eingefordert werden, da sie nie ihre
war. Die einzige Rolle, die sie spielen konnte, war die der Unterstützerin
einer arbeiterInnenfreundlicheren, fortschrittlicheren bürgerlichen Politik,
als der linke Flügel der US-KapitalistInnen nicht stark genug war, um es allein
zu schaffen. Dies spielte vor allem am Hochpunkt des Einflusses der
US-Gewerkschaften eine Rolle und führt heute zu den tiefen Verstrickungen der
Korruption in der Führung der Demokratischen Partei und der Gewerkschaften. Es
führte aber nicht zu einer sinnvollen Prägung der demokratischen Politik durch
die Interessen der ArbeitnehmerInnen.

Wie die RepublikanerInnen stützen sich die DemokratInnen auf zwei Faktoren:
die Unterstützung wichtiger Fraktionen der herrschenden Klassen und der
notwendigen Gewinnung der Bevölkerung, um Wahlen zu gewinnen. Letztere mag sie
manchmal zu beschränkten Reformprojekten treiben, aber erstere werden sie immer
an die Verteidigung und Verwaltung der Herrschaft des US-Kapitalismus im In-
und Ausland binden.

Die Zeichen der Zeit verstehen

Während das Amtsenthebungsverfahren Trumps Wahlkampagne 2020 schaden wird,
gibt es kein Zeichen, dass der Senat dem Verfahren zustimmen und den
amtierenden Präsidenten aus seinem Amt entfernen wird. Dies bedeutet nicht,
dass es unmöglich wäre, dass republikanische ÜberläuferInnen ihre Meinung
ändern könnten und ein jähes Ende mit Schrecken bevorzugen, um eine/n
vielversprechendere/n PräsidentschaftsanwärterIn zu erhalten. Aber es ist sehr unwahrscheinlich.

Gleichzeitig ist jede mögliche Strategie, den Präsidenten durch eine/n
andere/n RepublikanerIn zu ersetzen, nicht gegen seine Politik gerichtet. Mit
anderen Worten, sie tut nichts im Interesse der ArbeiterInnenklasse, sondern
nur im Interesse der Demokratischen Partei. Zusätzlich zu der Tatsache, dass
die Strategie wahrscheinlich nicht aufgeht und gleichzeitig im Erfolgsfall auch
gegen den eigenen linken Flügel der Partei gerichtet ist, wird sie für die
Opfer von Trumps politischen Verbrechen bedeutungslos sein – eingesperrte
MigrantInnen, Frauen, deren reproduktive Rechte angegriffen werden,
LGBTIAQ-Menschen, die der Diskriminierung am Arbeitsplatz ausgesetzt sind, und
ArbeiterInnen, denen das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung entzogen
wurde.

Es ist ermutigend, dass KandidatInnen, die Wörter wie Sozialismus oder
ArbeiterInnenklasse verwenden, Unterstützung in der Bevölkerung finden. Aber
diese Massen wieder an die Demokratische Partei zu binden, die grundsätzlich
gegen ihre Klasseninteressen ist, wäre ein politisches Verbrechen. Stattdessen
müssen RevolutionärInnen die Forderung nach einer Partei der
ArbeiterInnenklasse in den Vereinigten Staaten aufstellen. Mit dieser Forderung
müssen RevolutionärInnen an die Menschen herangehen, die die politischen
Versprechen von Sanders und Ocasio-Cortez befürworten, aber gleichzeitig auch
erkennen, dass sie dies nicht in die Tat umsetzen werden können, solange sie
mit der Demokratischen Partei im Bett liegen.