SPD-Vorstandswahlen: Richtungsentscheid für die Große Koalition (GroKo)?

Tobi Hansen, Infomail 1073, 23. Oktober 2019

Nach dem krachenden Rücktritt von Andrea Nahles hat der
geschäftsführende Vorstand der SPD zunächst auch der Bundesregierung Zeit
verschafft – zumindest bis zum regulären SPD-Parteitag im Dezember. Allzu laut
waren die Rufe nach einem direkten GroKo-Abschied nach den katastrophalen
EU-Wahlergebnissen. Schon davor wollten z. B. die Jusos, aber auch die
Landesverbände NRW und Bayern den Parteitag inklusive „Halbzeitbilanz“ und
Entscheidung über die Fortführung der GroKo vorziehen.

Der kommissarische Vorstand aus Schwesig, Dreyer und
Schäfer-Gümbel nahm Dampf aus dem Kessel und setzte eine Mitgliederbefragung um
den Posten der Parteivorsitzenden an, an der sich etwas mehr als 10 %
beteiligten. Jetzt laufen die „Vorwahlen“ für den neuen Vorsitz. Eine
Doppelspitze aus Mann und Frau soll es werden. Dementsprechend zogen 8 Duos und
der dann doch genehmigte Einzelkandidat des Seeheimer Kreises, Karl-Heinz Brunner,
durch die Lande. Bei der Mitgliederbefragung stehen jedoch nur noch sechs zur
Wahl. Anfang September hatten Simone Lange/Alexander Ahrens ihre Kandidatur
zurückgezogen. Mitte September folgte ihnen Karl-Heinz Brunner, am 12. Oktober
meldeten sich ebenfalls Hildegard Mattheis/Dierk Hirschel aus dem Rennen ab. Unter
den beiden SiegerInnen sollen dann ebenfalls per Urabstimmung die neuen
Vorsitzenden bestimmt werden.

Auf sog. „Regionalkonferenzen“ stellten sich die
KandidatInnen vor.

Professor Lauterbach, welcher mit Genossin Scheer eines der
ersten Duos bildete, berechnete, dass jedes Duo insgesamt je 9 Minuten und 20
Sekunden Redezeit hätte, also ein „Speed Dating“ mit kleiner Fragerunde der
Mitgliedschaft stattfinde. Manche vergleichen das Format auch mit dem
ARD-Klassiker „Herzblatt“.

Alle KandidatInnen eint, dass sie engagiert die SPD als
„linke Volkspartei“ wieder entdecken, für Soziales, Investitionen, Klima,
Digitales und den Weltfrieden begeistern wollen. Das aktuelle Wahlprogramm wie
auch sehr viele Versprechen werden ausgebreitet, nur kaum ein Wort darüber,
warum dies alles nicht in der recht langen Regierungsverantwortung angegangen,
geschweige denn umgesetzt wurde, oder warum die Regierungspolitik Millionen in
die Armut geschickt hat.

Stattdessen versuchen die KandidatInnen, sich als zupackende
Führung zu inszenieren, eine, die mal Wahlen gewinnen könnte, die das Volk
mitnehmen will, quasi den Gegenentwurf zur Amtsvorgängerin.

Die KandidatInnen

Entscheidender ist die Frage, wie sich die Duos zur Frage
der GroKo verhalten. Das „vorletzte“ nominierte Duo Scholz/Geywitz steht am
klarsten für die Weiterführung der Regierung. Schließlich berichtet der
Bundesfinanzminister und Vizekanzler, dass die aktuelle Regierungspolitik schon
die Umsetzung der meisten Versprechen beinhalte.

Für alle KandidatInnen gilt zur GroKo die allgemeine
Aussage, dass sie sich natürlich an die Entscheidung des Parteitages halten
würden wie auch, dass sie alle „ergebnisoffen“ diskutieren wollten.

Deutliche Absagen an die GroKo finden wir eigentlich nur bei
3 Duos. Da wäre das zuletzt nominierte aus Walter-Borjans/Esken
(Ex-Finanzminister NRW aus Köln/MdB aus Calw/Landesliste Baden-Württemberg),
das quasi als „Antwort“ auf Scholz/Geywitz einen Tag vor Ablauf der Frist
seinen Antritt erklärte. Die Nominierung des Landesverbandes NRW deutet auf das
Abstimmungsverhalten der dortigen Delegierten hin, die ein Drittel der
Mitgliedschaft repräsentieren. Allein deshalb hat dieses Duo sehr gute Aussichten,
die Endrunde zu erreichen.

Ebenfalls deutlich haben sich Scheer/Lauterbach für die Beendigung
der GroKo ausgesprochen. Diese werben ebenso wie ehemals Mattheis/Hirschel (MdB
aus Ulm/Landesliste Baden-Württemberg und Vorsitzende des Forums Demokratische
Linke 21; DL 21/ver.di Bundesvorstand) offen für ein rot-rot-grünes Bündnisse
auf Bundesebene. Diese drei Duos stehen bzw. standen deutlicher für ein Ende
der „Agendapolitik“, eine eher keynesianische Umverteilungspolitik, für einen
wahrscheinlich direkten Bruch mit der Regierungsbeteiligung, anders als ihre KontrahentInnen.

„Lieblingsthema“ dieser eher „linken“ KandidatInnen bilden
die Schuldenbremse, die „Schwarze Null“, die letztlich zu einem massiven
Investitionsstau des öffentlichen Sektors geführt hat und verantwortlich ist
für einen Teil der Misere, die der künftige SPD-Vorstand beenden möchte.
Ebenfalls ist die Steuerpolitik für diese Duos zentral. Höhere Steuern für die
Reichen und Unternehmen wird gefordert. Wenn Lauterbach noch die
Bürgerversicherung ins Spiel bringt, wirkt es wie ein anstehender Bundestagswahlkampf
– alle fordern das Gegenteil der bisherigen Regierungspolitik.

Eher pragmatisch bzw. in der „Mitte“ der Partei geben sich
Schwan/Stegner. Bevor Scholz seinen Antritt erklärte, waren dies sicherlich die
bekanntesten „Gesichter“, eine zweimalige Bundespräsidentschaftskandidatin und
der aktuelle Vizevorsitzende. Sie geben sich als wählbar für alle – vom
„Seeheimer Kreis“ bis zur ziemlich zertrümmerten „Parteilinken“ – und als
„Versöhnungsduo“. Damit mögen sie Chancen bei älteren Parteimitgliedern haben,
aber auch nicht viel mehr.

Dem Duo Pistorius/Köpping (beide LandesministerIn in
Niedersachsen bzw. Sachsen) werden durch die Nominierung zweier Landesverbände
ebenfalls gute Chancen ausgerechnet. Sie appellieren besonders an die kommunale
und Landesebene der Partei. Dies bringt ihnen sicherlich mehr Stimmen als die
Unterstützung durch Ex-Chef Gabriel. Hinsichtlich der GroKo sind sie
pragmatisch gesinnt. Beide setzen eher „Akzente“ bei der Migrationspolitik und
zwar durchaus vorwiegend rechte. Während der niedersächsische Innenminister
Pistorius mit „Law and Order“ die Sicherheitsbedürfnisse der WählerInnen im
Blick hat und „konsequente“ Abschiebungen fordert, kommt Köpping als
Integrationsministerin eher mit den „Sorgen der BürgerInnen“ daher, die man
natürlich ernst nehmen müsste. Ob das die Sorgen des rassistischen Mobs in
Chemnitz waren, lassen wir mal unbeantwortet, aber dieses Duo blinkt deutlich
Richtung Ressentiments gegenüber MigrantInnen.

Ebenfalls sehr pragmatisch, aber sehr hip treten Kampmann/Roth
als „jüngeres“ Duo auf – sie ehemalige NRW-Familienministerin und dortige
Landtagsabgeordnete, er aktueller Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt.
Im Gegensatz zu Köpping/Pistorius, Schwan/Stegner und vor allem Scholz/Geywitz
geben sie sich rhetorisch teilweise sehr „links“, wollen ein Ende von Hartz IV
(das wollte ja auch Nahles) und auch eine gewisse Abrechnung mit der sog.
„Agendapolitik“. Was das Marketing angeht, sind die beiden ganz vorn dabei. Vielleicht
erreichen sie „ihre“ Generation der um die 40-Jährigen damit, auch wenn
Staatsminister Roth mal übertreibt und die SPD als Bollwerk gegen Nationalismus
und Kommunismus verteidigt und erneuern will.

Gefährlich kann die Kandidatur für Bundesfinanzminister und
Vizekanzler Scholz werden. Als sich niemand aus dem Geschäftsführenden Vorstand
oder der aktuellen Regierungsmannschaft aufstellte, warf der „Top-Sozi“ der
Bundesregierung seinen Hut in den Ring. Immerhin fand er später in der ehemaligen
brandenburgischen Generalsekretärin Geywitz zumindest eine Partnerin. Bislang
wurde seine Rolle bei den Regionalkonferenzen mit jeweils einigen hundert
Mitgliedern eher kritisch hinterfragt, wie auch manche Themen wie „Schwarze
Null“, Schuldenbremse und „Steuergerechtigkeit“ eher geeignet sind, den
Bundesfinanzminister in die Bredouille zu bringen.

Innerhalb der Debatte scheint klar zu werden, dass diesem
Duo nicht zugetraut wird, die GroKo zu beenden bzw. die programmatische
Erneuerung nur irgendwie einzuläuten. Andererseits dürfte Scholz durch Ämterhäufung
auch gewisse Vorteile in der Mitgliedschaft genießen, wenn auch bei denen, die
nicht unbedingt zu den Regionalkonferenzen gehen. Sollte Scholz in der ersten
Wahlrunde scheitern, wäre automatisch seine Zukunft in der GroKo bedenklich bzw.
die Frage aufgeworfen, ob denn ein „schwacher“ Vizekanzler noch gebraucht  wird. Auch die Fortsetzung der GroKo im
kommenden Jahr würde damit unwahrscheinlicher.

Im Oktober Richtungsentscheidung?

Im Verlauf der Regionalkonferenzen sind derzeit auch noch
weitere Rückzüge zu erwarten. Als erstes Duo verließen die OberbürgermeisterInnen
Simone Lange (Flensburg) und Ahrens (Bautzen) die Ausscheidung. Sie riefen zur
Wahl von Walter-Borjans/Esken auf, da diese eine „linke“ Politik vertreten
würden. Am Abschluss der Vorstellung trat mit Mattheis/Hirschel ein weiteres
„linkes“ Duo zurück. Zwar repräsentiert Mattheis als Bundestagsabgeordnete DL
21, nur ist sie inzwischen als einzige Vertreterin dieser „Strömung“ in der
Bundestagsfraktion verblieben. Einstige KollegInnen wie z. B. Andrea
Nahles sind schon länger weg. Der ver.di-Chefökonom Hirschel war der einzige
„Gewerkschafter“, der sich zur Wahl stellte. Bei den Konferenzen trat er
besonders stark gegen Scholz auf, meinte, der Finanzminister „müsse nur das
Geld aufheben“, das quasi auf der Straße liege, um investiert zu werden. Andere
wie Pistorius/Köpping hatten schon den Wert der SPD als „Krisenverwalterin“
erwähnt, wohl wissend, dass die nächste Weltwirtschaftskrise naht. In welche
„Hände“ dann Geld verteilt wird, scheint mit der SPD gesichert.

Der Rückzug von Mattheis/Hirschel und der Aufruf der Juso-Spitzen
haben sicherlich die Chancen für das „NRW-Duo“ erhöht. Gerade die Jusos mit
70.000 Mitgliedern könnten mitentscheidend für die Wahl werden, aber wie auch
bei den Nominierungen von ganzen Landesverbänden ist derzeit schwer absehbar,
ob sich dies im Abstimmungsergebnis niederschlägt.

Dass auch Einzelkandidat Brunner vom Seeheimer Kreis
zurückgezogen hat und eine Wahlempfehlung entweder für Scholz/Geywitz oder
Pistorius/Köpping aussprach, wird aber wahrscheinlich kaum ins Gewicht fallen.

Erstaunlich zurückhaltend geben sich die Gewerkschaften und
auch die ehemalige Führungsriege (abgesehen von Gabriel) mit Empfehlungen. Das
kann ein Hinweis darauf sein, dass die Entscheidung „sehr“ offen ist wie auch,
dass die ehemalige Spitze möglicherweise denkt, dass ihr Unterstützungsaufruf
wenig hilfreich wäre.

Die beiden stärksten Duos werden um den Vorstand
kandidieren. Sollten Scholz/Geywitz gegen Esken/Walter-Borjans antreten, hätte
dies Aspekte einer Richtungsentscheidung. Als Finanzminister in NRW war
Walter-Borjans zwar auch gehorsamer Vollstrecker von Schuldenbremse und
Zwangsverwaltung der Kommunen, machte sich aber durch den Kauf der
Steuergeheimnis-CDs aus der Schweiz einen Namen, tritt sehr entschieden für
Steuergerechtigkeit auf wie auch MdB Esken, die deutlich von „links“ die GroKo
beenden will.

Schlussfolgerungen

Nach den katastrophalen Wahlergebnissen seit 2017, dem Ende
von Nahles, die an dem Kunststück scheiterte, gleichzeitig „programmatische
Erneuerung“ und Vollstreckung der GroKo-/Unions-Politik als Partei und
Fraktionsvorsitzende zu schaffen, könnten nun tatsächlich die Weichen für ein
Ende der Bundesregierung gestellt werden. Dies „trifft“ sich mit möglichen globalen
ökonomischen Krisentendenzen, für die der amtierende SPD-Finanzminister Scholz
bereits mehrere Milliarden in der Hinterhand bereithält.

Würden Scholz/Geywitz gewinnen, würden sowohl der Grundsatz
„Erst das Land, dann die Partei“ wie auch die „Sozialpartnerschaft“ in der
Bundesregierung als mögliche Mottos dienen. Dieses Szenario würde am ehesten
Fliehkräfte Richtung Neuwahlen unterbinden, sowohl bei SPD wie auch der Union.
Die GroKo könnte es sogar bis 2021 turnusgemäß über die Runden schaffen.

Schließlich gilt es, die EU-Kommission unter deutscher
Führung abzusichern und die nächste mögliche Wirtschaftskrise zu verwalten, zum
Wohle des deutschen Kapitals. An den Grünen wird auch 2021 wahrscheinlich keine
Bundesregierung vorbeikommen und ob die SPD jetzt Juniorpartnerin der Grünen
werden will, darf auch bezweifelt werden. Das gilt erst recht für die Union.

Während also die mitgliederstärkste politische Kraft in der
deutschen ArbeiterInnenbewegung in einer tiefen inneren Krise steckt, die
Fragen Regierungsverbleib, Schuldenbremse etc. massive Auswirkungen auf die
aktuelle Bundesregierung wie auch die ArbeiterInnenbewegung haben, so findet
dies ohne tiefere Resonanz in der Klasse, der „Bewegung“, der „Linken“ statt.

In gleichzeitig stattfindenden Auseinandersetzungen von
sozialen Bewegungen, Fragen des aktuellen Klassenkampfs, der
MieterInnen-Bewegung oder der Klimastreiks finden wir die SPD bspw. auf allen
Seiten wieder, zumeist aber auf jener der Herrschenden.

Die Tatsache, dass 2018 ein Drittel der Mitgliedschaft gegen
die GroKo gestimmt hat und die Entscheidung pro Koalitionsverhandlungen auf dem
Bundesparteitag 2018 knapp war (56 – 44 %), zeigt, dass dort eine
Auseinandersetzung stattfindet. Es wäre die Pflicht der Gewerkschaften, diese
Auseinandersetzung um die Fortführung der GroKo offen zu führen. Die teilweise
recht ausgeschmückten keynesianischen Versprechungen der möglichen neuen
Vorsitzenden sollten von den sozialen Bewegungen und Gewerkschaften
aufgegriffen und eingefordert werden – sei es bei den Wohnungen, bei der
Klimapolitik, bei Mindestlohn und Mindestrente, bei Stellen für die Pflege und
deren Bezahlung, bei Abrüstung und Ende aller Bundeswehreinsätze im Ausland.

Die Diskussion über die Zukunft der SPD findet zwar sehr
sicher in der Gewerkschaftsbürokratie statt, ziemlich wahrscheinlich mit
stärkerem Pro-GroKo-Flügel bis 2021. Sicherlich werden Teile der Bürokratie aus
den Gewerkschaften den Bundesfinanzminister und Vizekanzler stützen, nur ist
hier auch nicht klar, was das an konkreten Prozenten bringt.

Eine offene Diskussion will die Gewerkschaftsführung aber
keinesfalls. Diese könnte und müsste von in Gewerkschaften und Betrieben
oppositionell gesinnten KollegInnen eingefordert und organisiert werden. Dort
wäre auch zu diskutieren, was man mit einem „Klimastreik“ als
ArbeiterInnenklasse so anfangen könnte und müsste, z. B. in der
Automobilindustrie. Hier könnte die Spaltung vorhandener Bewegungen überwunden
und gemeinsam gekämpft werden – z. B. durch den Kampf für die Zukunft der
Verkehrsbranche wie auch ökologische Nachhaltigkeit mit gleichzeitiger
Beschäftigungssicherung.

Statt sich diesen Möglichkeiten zu stellen, erlebt die
ArbeiterInnenbewegung mit, wie Fridays for Future – eine Massenbewegung zur
Klimapolitik, die de facto von den Grünen geführt wird –,aktuell die
Bundesregierung vor sich hertreiben kann. Als sichtbare, organisierte Klasse
finden die Ausgebeuteten aber nicht statt in diesen Protesten. Vielmehr ist es
nicht gelungen, die Spaltung zwischen den Beschäftigten des Energiesektors und
der Klimabewegung zu überwinden. Teilweise treten Gewerkschaften wie IG BCE
(Hambacher Forst) deutlich feindlich der Klimabewegung gegenüber. Als Bedrohung
der Arbeitsplätze durch letztere dargestellt, übernehmen hier die
„Konzerngewerkschaften“ oftmals die Position der Geschäftsführung.

Eine „finale“ Krise?

Die zerfaserte SPD-Linke könnte theoretisch in diesen
Vorstandswahlen und den begleitenden Diskussionen über die GroKo gewinnen. Es
ist aber weder klar, ob sie die politischen Entscheidungen herbeiführen kann,
noch wohin sie eigentlich will. Inwieweit die Jusos, die man nicht insgesamt
auf „Kühnert-Kurs“ sehen sollte, die DL 21 um Mattheis/Hirschel oder gar
Landesverbände wie Bayern und NRW tatsächlich die GroKo platzen lassen und sich
z. B. Rot-Grün-Rot (oder Grün-Rot-Rot) auf Bundesebene öffnen, ist derzeit
sehr ungewiss. Es gibt wenig organisierte Führung der „Linken“.

Gerade deswegen wäre eine breite Diskussion in den
Gewerkschaften, Betrieben, Ortsverbänden, Stadtteilen, Quartieren eine gute
Möglichkeit, tatsächlich große Teile der Mitgliedschaft zu mobilisieren für ein
GroKo-Ende und für einen Bruch mit der neoliberalen und
sozialpartnerschaftlichen Spitze in Partei und letztlich auch den
Gewerkschaften zu kämpfen. Dazu ist die SPD-Linke derzeit jedoch nicht in der
Lage.

Die krisengeschüttelte SPD erodiert in ihrer aktuellen Krise
so sehr, dass sie ihren letztmöglichen „Sinn“ für den deutschen Imperialismus
verlieren könnte. Dieser besteht ja gerade darin, ihre soziale Basis unter den
Lohnabhängigen „einbinden“ zu können und zugleich als tüchtige Vollstreckerin
der Gesamtinteressen des Kapitals zu fungieren. Bundesweite Umfragewerte von 13 %
lassen Zweifel an dieser Fähigkeit aufkommen. Wird der aktuelle Kurs
fortgesetzt, so könnte für die Partei tatsächlich die „finale“ Phase ihrer
Krise anbrechen.

Ob es mittelfristig gar zu einer Fusion mit der Linkspartei
kommt, wird teilweise schon mal andiskutiert. Sicher scheint, dass es neben
Niedergang auch Umbrüche und mögliche Umgruppierungen im reformistischen Lager
in Deutschland geben könnte. In anderen europäischen Staaten traf den
Reformismus die Krise seiner Politik zum Teil mit noch größerer Härte als die
SPD – z. B. die französische PS. Auch für Syriza oder die PSOE stehen die
Zeichen schlecht, von der SPÖ oder den osteuropäischen SozialdemokratInnen gar
nicht zu reden.

Für sozialistische, kommunistische, revolutionäre Linke
beinhalten diese Krisen, Umbrüche und Wendepunkte jedoch Chancen, wenn sie in
die Konflikte der reformistischen Organisationen eingreifen, von deren linken
Flügel einen innerparteilichen Kampf wie auch Mobilisierungen auf der Straße
fordern – und zugleich immer wieder die Notwendigkeit einer revolutionären
Alternative, einer neuen und kommunistischen ArbeiterInnenpartei betonen.