Landtagswahlen und Bundespolitik: GroKo-Dämmerung?

Tobi Hansen, Neue Internationale 239, Juli/August 2019

Die Große Koalition (GroKo) in Sachsen und
SPD/Linkspartei in Brandenburg werden für ihre Politik abgestraft. Damit sind
auch bundespolitische Konsequenzen zu erwarten. Wieder verliert die Bundesregierung
Stimmen im Bundesrat, diskutiert die Linkspartei, wo ihre WählerInnen hin sind.

Gewinnerinnen

Neben der AfD werden auch die Grünen von
der massiven Krise der Bundesregierung und ihrer Parteien profitieren. Waren
die ostdeutschen Bundesländer zu Zeiten von „Bündnis 90“ für die Grünen nicht
sonderlich vielversprechend, legen sie dort nun aber zu. In den Umfragen liegen
sie in Sachsen bei 14 %, in Brandenburg bei 17 % und kämpfen mit vier anderen
Parteien um die Spitzenposition.

Sicher ist, dass dies nicht ausschließlich
an vegan lebenden Großstadtmenschen liegen kann, die sich dem Kosmopolitismus
verschrieben haben. Die gleichzeitige Schwäche der FDP (jeweils bei 5 % in den
Umfragen) zeigt auf, dass sich kleinbürgerliche und proletarische Schichten von
ihren traditionellen VertreterInnen (CDU, SPD, Linkspartei) abwenden und Teile
davon bei AfD und Grünen eine „Alternative“ suchen.

Und so werden die Grünen speziell unter der
jüngeren Generation massiv gewinnen, enttäuschte WählerInnen von SPD und Linkspartei
auffangen – davon gibt es eine Menge.

Bruch der Bundesregierung?

Eher unwahrscheinlich scheint derzeit der
offene Aufstand innerhalb der CDU, um möglicherweise nach den Landtagswahlen
eben doch direkt zu Koalitionen mit der AfD zu kommen. Dies wäre das direkte
Ende von Kramp-Karrenbauer. Allerdings sind Äußerungen der stellvertretenden
CDU-Fraktionsvorsitzenden in Sachsen-Anhalt, Ulrich Thomas und Lars-Jörn
Zimmer, über mögliche Koalitionen ab 2021 ein Fingerzeig für die tiefe Krise
der Union und künftige strategische Auseinandersetzungen in der (noch)
führenden bürgerlichen Partei Deutschlands. Thomas hofft, dass sich die
„liberalen“ Kräfte in der AfD durchsetzen und die Union neben einem
entschiedenen Kampf gegen Migration und die „Linken“ wieder „das Soziale mit
dem Nationalen“ versöhnt.

Nach verlustreichen Landtagswahlen,
speziell wenn Sachsen an die AfD verloren würde, könnte die „Werteunion“ als
national-bündische UnternehmerInnenclique mit z. B. Friedrich Merz die
öffentliche Debatte um ein GroKo-Ende, um mögliche Neuwahlen wie auch
Kanzlerkandidaturen neu entfachen.

Die SPD hat aktuell den „Vorteil“, dass sie
den Kollaps schon weitgehend hinter sich hat. Mit einem kommissarischen
Vorstand verschafft sie sich Zeit bis zur Sondierung der neuen Doppelspitze,
setzt brav die Regierungspolitik um.

Wenig hören wir von der Grundrente oder,
wie Hartz IV verändert werden soll – anscheinend bei den Landtagswahlen in
Ostdeutschland kein SPD-Thema. Die SPD stellt in Brandenburg mit Woidke noch
einen Ministerpräsidenten, in Sachsen und Thüringen fungiert sie als
„Juniorpartnerin“.

Diese Gemengelage der beiden regierenden
Parteien lässt keine „Stabilität“ nach möglichen desaströsen Landtagswahlen
erwarten. Daher bleibt die Möglichkeit einer Implosion der Großen Koalition
noch in diesem Kalenderjahr durchaus realistisch.

Eine SPD könnte mit einer neuen
Doppelspitze die Neuwahlen angehen, die CDU mit einem möglichen
Kanzlerkandidaten Merz FDP und AfD etwas zu schröpfen versuchen – so könnten
sie sich „verabredete“ Neuwahlen für Anfang 2020 schönreden. In Brandenburg und
Sachsen werden wohl Koalitionen gebildet werden, die ähnlich wie in
Sachsen-Anhalt äußerst labil und eigentlich von keinem gewollt sind. Die Krise
bürgerlicher Politik wird fortgesetzt.