Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg: Wählt DIE LINKE, aber organisiert den Kampf!

Peter Böttcher/Tobi Hansen, Neue Internationale 239, Juli/August 2019

Bolsonaro, Trump, Duterte, Modi, Salvini, Orbán – sie alle
stehen für einen weltweiten tiefgreifenden Rechtsruck und den Vormarsch
reaktionärer, rechts-populistischer Kräfte. Die Ergebnisse der Landtagswahlen
am 1. September in Sachsen und Brandenburg und am 27. Oktober in Thüringen
drohen – trotz einer Zunahme von fortschrittlichen Bewegungen wie Fridays for
Future oder der Popularität der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ -,
auch hierzulande einen weiteren Erfolg für die Rechten zu bringen.

Rechtsruck droht

Gerade im Osten profitiert nach wie vor und vor allem die
AfD von der Dauerkrise der Bundesregierung und schiebt diese eben weiter nach
rechts. Das brachten just die Kommunalwahlen in Sachsen, Brandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern sowie die EU-Wahlen in den östlichen Bundesländern zum
Ausdruck.

Sollte die AfD es schaffen, bis zu den Landtagswahlen weiter
an Zuspruch zu gewinnen, dann wäre selbst eine derzeitig noch unwahrscheinliche
Koalition zwischen ihr und der CDU nicht gänzlich auszuschließen.

Eines dürfte bereits vor den Landtagswahlen in Brandenburg
und Sachsen feststehen: Die bestehenden Koalitionen bekommen keine Mehrheit und
werden abgewählt. In beiden Bundesländern kann die AfD bei über 20 % landen,
könnte sie zur stärksten Kraft werden. Bei Union und SPD wird es ausschließlich
um die Höhe der Verluste gehen und in welchen Konstellationen sie noch
regierungsfähig sind. Auch der Linkspartei drohen Stimmenverluste, wenn auch
nicht so dramatische wie der SPD in Brandenburg oder der CDU in Sachsen.

Die Wahlen werden auch in einer weiteren Hinsicht den
Bundestrend der letzten Jahre bestätigen: Die Grünen legen deutlich zu und werden
wahrscheinlich in beiden Bundesländern zweistellige Ergebnisse erzielen.
Erfreulich könnte nur sein, dass es die FDP eventuell nicht über die
5-Prozent-Hürde schafft.

Unabhängig davon, welche Parteien nach den Wahlen gemeinsam
die Regierung bilden werden, steht schon jetzt fest: Die AfD wird gestärkt und
wird die CDU wie die anderen Parteien weiter „treiben“. Schon jetzt haben die
etablierten Parteien auf den Rechtsruck mit einer Anpassung ihrer Rhetorik und
Politik an die AfD reagiert. In vielen Bundesländern wurden autoritäre
Polizeigesetze verabschiedet, die Asylgesetze verschärft, Abschiebungen massiv
ausgeweitet. Forderungen nach einer Obergrenze für Geflüchtete wurden sogar aus
der Linkspartei laut.

Erosion des Parteiensystems

Die Verluste für die Regierungsparteien kommen dabei sicher
nicht unverdient. CDU, SPD und Linkspartei haben in den Landesregierungen den
miserablen Status quo verteidigt und sind beim Verfall ganzer Regionen untätig
geblieben. Regieren tun sie als „Verwalterinnen“ des weitgehend
deindustrialisierten Ostens, dessen Bevölkerung weiter abwandert. Bis heute
gibt es hier längere Arbeitszeiten bei geringeren Gehältern und Renten als im
Westen. Gerade die ländlichen Regionen leiden nicht nur unter Abwanderung,
sondern sind auch in der Entwicklung der Infrastruktur abgehängt. Die
selektiven Ansiedlungen von industrieller Produktion und Logistik stellen eher
kommerzielle Inseln in einer benachteiligen Region dar als in „blühenden
Landschaften“.

Gerade in den ostdeutschen Parlamenten wird die „Spaltung“
des aktuellen Parteiensystems besonders deutlich. Speziell der Niedergang der
Union als konservative „Volkspartei“ legt hier die Grundlage für den Aufstieg
der AfD. Auch wenn die CDU/CSU bundesweit noch immer die wichtigste politische Kraft
des deutschen BürgerInnentums darstellt, so ist ihre Fähigkeit, verschiedene
Einzelinteressen des Kapitals mit jenen des KleinbürgerInnentums und
lohnabhängiger Mittelschichten bis hinein in christlich-geprägte
ArbeiterInnenmilieus zu vermitteln, mehr und mehr unterhöhlt. Es ist kein
Zufall, dass dieser Prozess gerade im Osten stärker ausgeprägt ist, weil es
dort eine schwächere KapitalistInnenklasse gibt und die kleinbürgerlichen und
Mittelschichten ein weniger stabiles Milieu darstellen, das weniger Vertrauen
in „ihren“ Staat und „ihre“ Parteien entwickeln konnte als im Westen. Daher
verfängt der Rechtspopulismus der AfD umso mehr. Er nährt sich zusätzlich aus
der Enttäuschung und Frustration von politisch rückständigeren
ArbeiterInnenschichten über die Politik von SPD und Linkspartei, für die die
Grünen weniger als Alternative erscheinen als im Westen.

Und die ArbeiterInnenbewegung?

Schon bei den letzten Wahlen hatte die SPD in Sachsen ein
„historisches“ Problem, über 20 % der Stimmen zu erhalten. Dies wird
mittlerweile auch für die Linkspartei fast unmöglich. Alle ihre
Regierungsbeteiligungen haben eben nicht die Lebensbedingungen der Menschen
verbessert. Weder Hartz IV noch Armutsrenten noch 1-Euro-Jobs wurden durch
diese abgeschafft, allenfalls etwas milder ausgestaltet. De facto hat sie
versucht, etwas sozialere Politik zu betreiben wie aktuell in Thüringen mit
mehr Stellen im öffentlichen Dienst. Nur bleibt dies weiterhin meilenweit
dahinter zurück, was sich die ostdeutsche ArbeiterInnenklasse versprochen hat.
Sie wird so zum Opfer ihrer eigenen Illusionen in die „Spielräume“
parlamentarischer Politik. Noch so „geschickte“ koalitionäre Winkelzüge können
keine grundsätzlichen Veränderungen herbeiführen. Vielmehr führt ihre
„Realpolitik“ von einem faulen Kompromiss mit dem Kapital, von einem
Zugeständnis an InvestoreInnen oder die Kohlelobby in der Lausitz zum nächsten.
Der lahme Parlamentarismus der Linkspartei, von der SPD ganz zu schweigen,
stellt nur die Folge ihres Stillhaltens im Klassenkampf dar.

Der Rechtsruck, dem sie jetzt zum Opfer zu fallen drohen,
wurde von ihrer Politik maßgeblich mit verursacht. So ist der Vormarsch der AfD
nicht zu stoppen – und erst recht nicht durch eine Anbiederung an die CDU oder
ein „Bündnis aller DemokratInnen“ gegen sie. Mittel- und langfristig wird das
nur den Nimbus des Rechtpopulismus, einzige Partei zu sein, die gegen eine
abgehobene Elite das „einfache Volk“ vertritt, stärken. Abmachungen mit der CDU
bei Wahlen oder gar die „Duldung“ einer CDU-geführten Regierung (von einer
Koalition ganz zu schweigen) werden letztlich die AfD nur stärken – und mit ihr
noch rechtere Kräfte.

Neben ihr existieren schon heute die Spaltprodukte Blaue
Partei von Petry und der ADP (Aufbruch deutscher Patrioten) von Poggenburg.
Gerade in Thüringen und Sachsen ist die NPD noch regional stark verankert und
auch Der III. Weg und die Identitäre Bewegung (IB) sind in der und um die AfD
aktiv. Hier baut sich die nationalistische Szene massiv auf.

Für die ArbeiterInnenbewegung und „Linke“ stellt sich daher
im Osten die Aufgabe, sich dem entgegenzustellen, sich eben nicht auf den Staat
zu verlassen, sondern selbstständig tätig zu werden. Das bedeutet auch, dass an
SPD und Linkspartei (wie auch an die Gewerkschaften) die Forderung gestellt
werden muss, unabhängig von allen bürgerlichen Parteien politisch zu
mobilisieren und zu agieren und keine weiteren Koalitionen mit der CDU
einzugehen wie auch nicht mit den Grünen, die sich anschicken, eine neue
Führungskraft des „aufgeklärten“ BürgerInnentums zu werden.

Wählt Linkspartei, aber organisiert den Kampf!

Niemand sollte angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre
Illusionen in die Politik und Strategie von SPD und Linkspartei hegen. Beide
stützen sich zwar sozial über organische Bindungen (seien es die
Gewerkschaften, Vorfeldorganisationen wie die Volkssolidarität) und historische
Traditionen auf die organisierte ArbeiterInnenklasse. Gerade bei der SPD
erodierten diese, nicht nur im Osten, jedoch gewaltig.

Proletarisch ist an der bürgerlichen ArbeiterInnenpartei DIE
LINKE also letztlich wie bei der SPD nur ihre soziale Basis, ihre Politik trägt
einen offen bürgerlichen Klassencharakter. Aber trotz ihrer Schwächung
repräsentiert sie nach wie vor in Sachsen, Thüringen und Brandenburg einen
bedeutenden Teil der ArbeiterInnenklasse und der Jugend. Diese Mitglieder,
GewerkschafterInnen und WählerInnen sind unerlässlich, wenn es gegen den
Rechtsruck, gegen Angriffe von Bundes- und Landesregierung Widerstand und um
erfolgreichen Kampf gehen soll.

Mit der Wahl der Linkspartei werden sie – besonders die
politisch auch gegen die Große Koalition und die SPD-Politik auf Bundesebene
eingestellten – ein Zeichen gegen AfD und CDU, aber auch die Scheinalternative
der Grünen setzen wollen. Auch wenn wir die reformistischen Illusionen dieser
WählerInnen nicht teilen, so sehr wohl ihr Ziel, ein Zeichen nicht nur gegen
rechts, sondern gegen alle bürgerlichen Parteien inklusive der SPD zu setzen.
In der Wahl der Linkspartei drückt sich, wenn auch verzerrt, das Bedürfnis aus,
eine Stimme für die ArbeiterInnenklasse, für „links“ abzugeben.

Da es sich bei den Wahlen auch um eine politische
Konfrontation zwischen dieser bürgerlichen ArbeiterInnenpartei und den offen
bürgerlichen Parteien handelt, kann für uns als KommunistInnen, die für eine
Eigenkandidatur zu schwach sind, eine Wahlempfehlung nicht egal sein. Daher
rufen wir zur kritischen Unterstützung der Partei DIE LINKE auf. Sie ist die
einzige relevante ArbeiterInnenpartei, die auf die neoliberale Politik der
GroKo und auf den Rassismus der AfD mit sozialen Forderungen antwortet und
soziale Bewegungen auf der Straße unterstützt.

Sicher hat sie durch Regierungsbeteiligungen auf Landesebene
schon oft bewiesen, dass sie auch keine Politik im Interesse der ArbeiterInnen
macht. Solange sie jedoch in der Opposition bleibt, kann sie unbequeme Fragen
stellen, den Finger in die Wunde legen und die bürgerliche Politik der
Regierenden als arbeiterInnenfeindlich entlarven. Sie kann aber auch Illusionen
in ihre Politik regenerieren. Daher kombinieren wir die kritische Unterstützung
der Linkspartei mit Forderungen, auf der Straße, in den Betrieben und
Gewerkschaften und in den sozialen Bewegungen gemeinsam zu kämpfen!

Einheitsfront gegen rechts

Tatsächliche, grundlegende Veränderungen des herrschenden
Systems können durch Wahlen ohnehin nicht erreicht werden. Um den Rechtsruck zu
stoppen und die neoliberale Politik der Abwälzung der Krisenlasten auf die
Lohnabhängigen zu bekämpfen, braucht es eine breit aufgestellte, soziale und
antirassistische Bewegung. Eine gemeinsame Aktionseinheit, bestehend aus den
Organisationen der ArbeiterInnenklasse, also den linken Parteien, Gruppen und
den Gewerkschaften, wäre imstande, dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen.

Um eine solche Bewegung aufzubauen, müssen wir bereits im
Hier und Jetzt für die Schaffung einer antirassistischen, proletarischen
Einheitsfront eintreten, entsprechende Bündnisstrukturen und Aktionskomitees
aufbauen und umgehend Aktionskonferenzen organisieren. Letztlich müssen wir den
antirassistischen Kampf mit einer antikapitalistischen, sozialistischen
Perspektive verknüpfen. Denn das kapitalistische System bietet Rassismus und
Faschismus erst den Nährboden, auf dem diese gedeihen können. Die
Demonstrationen von „#unteilbar“ in Sachsen – insbesondere die
Großdemonstration am 24. August in Dresden – bieten eine Möglichkeit, diese
Politik offensiv auf die Straße zu tragen.