Das „Neue Pakistan“ des IWF

Shahzad Arshad, Revolutionary Socialist Movement Pakistan, Infomail 1055, 23. Mai 2019

Am 12. Mai
unterzeichnete die Regierung von Imran Khan mit dem Internationalen
Währungsfonds (IWF) einen Vertrag über Kredite in Höhe von 6 Milliarden
US-Dollar in den nächsten 39 Monaten. Darüber hinaus hofft Pakistan, von der
Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank zwischen 2 und 3 Milliarden
Dollar an zinsgünstigen Darlehen zu erhalten. Der Pakt kommt nach dem Rücktritt
des ehemaligen Finanzministers Asad Umar, der durch den vom IWF unterstützten
Abdul Hafeez Shaikh ersetzt wurde. Reza Baqir, der eine wichtige Rolle für den
IWF in Ägypten spielte und die enorme wirtschaftliche Verwerfung überwachte,
wurde zum Gouverneur der Staatsbank ernannt, so dass nun dieser „Sohn des
Bodens“ die Umsetzung der Politik des IWF zu Hause überwachen wird.

Das
Exekutivkomitee des IWF hat die Vereinbarung noch nicht besiegelt, und erst
dann werden die Bedingungen der Vereinbarung klar werden, aber sicher ist, dass
Pakistan an die Bedingungen des IWF gebunden sein wird, und das weist auf viele
potenzielle Gefahren hin, die der Vereinbarung zugrunde liegen. Das ist also
die Realität von Khans „Naya Pakistan“ – dem „Neuen Pakistan“.

Neokolonialismus

Das Abkommen ist
nach langen Verhandlungen in den letzten Monaten zustande gekommen, in denen
auch die regierende Pakistan Tehreek-e-Insaf-Partei (PTI, Pakistanische
Bewegung für Gerechtigkeit) ihr Aushängeschild Asad Umar opfern musste, indem ihm
das Finanzministerium weggenommen wurde. Dann wurden hochrangige BeamtInnen des
Finanzministeriums nicht in die Endphase der Verhandlungen einbezogen, was
darauf hindeutet, dass alle Bedingungen des IWF in Wirklichkeit einfach in
einem Ausverkaufspaket akzeptiert wurden. Auf jeden Fall ist die Art und Weise,
wie dieses Abkommen hinter verschlossenen Türen unterzeichnet wurde, beschämend
und steht im Widerspruch zur demokratischen Methode. Schließlich
veranschaulicht die Art, wie das Land den globalen Wirtschaftsinstitutionen
unterstellt ist, den halbkolonialen Charakter Pakistans.

Wirtschaft

Nach neuen
IWF-Statistiken hat Pakistan eine Auslandsverschuldung in Höhe von 27
Milliarden Dollar, die es innerhalb der nächsten zwei Jahre zurückzahlen muss.
Dies wäre die größte Rückzahlung in der Region in dieser Zeit. Neben der
Schuldentilgung wird es jedoch auch in den nächsten zwei Jahren ein
Leistungsbilanzdefizit geben, für das weitere geschätzte 20 Milliarden Dollar
erforderlich wären. Das bedeutet, dass Pakistan in den nächsten zwei Jahren
eine Summe zwischen 46 und 50 Milliarden Dollar aufbringen müsste. Die
angehäufte Verschuldung beträgt 77 Prozent des nationalen
Bruttoinlandsprodukts. All dies verweist auf eine erschreckende Wirtschaftslage
des Landes.

Opfer

Wenn die herrschende
Klasse von Sparsamkeit spricht, bedeutet das einen großen Angriff auf die
ArbeiterInnenklasse und die arme Bevölkerung in ländlichen und städtischen
Gebieten, und so fordert Premierminister Imran Khan jetzt, dass sich das Volk
den schwierigen Zeiten stellt und sich auf Opfer vorbereitet. Der IWF-Pakt
stellt einen großen Angriff auf ArbeiterInnen und Mittelschichten dar. Während
dieser Pakt in den kommenden Jahren den Lebensstil der Menschen bestimmen wird,
war die Notwendigkeit, ihre Meinung zum Abkommen aufzugreifen, in dieser
sogenannten Demokratie nicht spürbar.

Bedingungen

Eine der
Bedingungen des IWF-Pakts ist, dass die Zinsen, die bereits bei 10,75 Prozent
liegen, erhöht werden, möglicherweise bis auf 14 Prozent. Zum anderen werden
die Regulierungsbehörden für Elektrizität, Öl und Gas, NEPRA und OGRA,
staatsunabhängig gemacht, so dass die Regierung nicht für einen Preisanstieg
verantwortlich gemacht wird, der in den nächsten drei Jahren zusätzliche 340
Milliarden Rupien einbringen wird. Ebenso wird die Besteuerung von Benzin, die
bereits bei 40 Rupien pro Liter liegt, angehoben.

Der IWF hat auch
eine Abwertung der Rupie gegenüber dem Dollar um 20 Prozent gefordert, was den
Wechselkurs der Rupie auf 170:1 zum Dollar senkt. Ein führender Wirtschaftswissenschaftler,
Dr. Kaiser Bengali, sagt vorher, dass in der aktuellen Situation bis zum
Jahresende ein Fall auf 200:1 möglich ist. Ein so drastischer Anstieg des
Dollarkurses wird dazu führen, dass die Inflation, die bereits bei 10 Prozent
liegt, zwangsläufig weiter steigen wird, so dass die Zukunft düster aussieht.
Dennoch wird die Staatsbank nicht eingreifen, um die Rupie zu stützen.

Auch die
Privatisierung in großem Maßstab, einschließlich Krankenhäusern, steht auf dem
Programm, und die Regierung hat sich ferner darauf geeinigt, das
Haushaltsdefizit auf nur 0,6 Prozent des BIP zu senken. Das kann nur bedeuten,
dass der Etat für Entwicklungsprojekte, Gesundheit und Bildung sowie
Subventionen weiter gekürzt wird.

Im kommenden
Haushalt werden neue Steuern in Höhe von 750 Milliarden Rupien eingeführt. Der
ehemalige Finanzminister Miftah Ismail hat gesagt, dass die Regierung Steuern
in Höhe von 800 Milliarden Rupien erheben muss, um das Ziel zu erreichen, und
angesichts der wachsenden Inflationsrate könnte diese Zahl auf 1 Billion Rupien
steigen.

Soziale Krise

Laut einem
Regierungsbericht zeigen alle Sozialindikatoren, dass das nationale
Wirtschaftswachstum den Tiefpunkt der letzten acht Jahre erreichen könnte. Ein
Bericht des Nationalen Rechnungshofes vom 16. Juli besagt, dass das
Wirtschaftswachstum Pakistans, das voraussichtlich 6,2 Prozent erreichen
sollte, jetzt bei 3,3 Prozent liegen würde. Nach Auferlegung der Klauseln des
IWF kann die Wachstumsrate weiter auf 2,5 Prozent sinken. Laut Dr. Hafeez Ahmed
Pasha sind bisher rund 800.000 bis 1 Million Menschen aufgrund des langsamen
Wirtschaftswachstums arbeitslos geworden, die Zahl der Menschen, die unterhalb
der Armutsgrenze leben müssen, hat sich um weitere 4 Millionen erhöht. Es wird
erwartet, dass in den nächsten zwei Jahren weitere 8 Millionen Menschen in
Armut fallen werden.

Neoliberalismus

Alle bisherigen
Rettungspakete des IWF und ihre neoliberalen Lösungen haben zu keiner
langfristigen oder nachhaltigen Verbesserung der Konjunktur geführt. Das
aktuelle Rettungspaket wird mit weiteren großen Privatisierungen, steigender
Arbeitslosigkeit, zunehmender Armut und Inflation nicht anders ausfallen. Der
IWF besteht darauf, dass seine Politik zwar unmittelbar dämpfende Auswirkungen
auf das Wirtschaftswachstum hat, aber auch zu einer Verbesserung führt, wenn
das Vertrauen der KapitalistInnen in die Wirtschaft wiederhergestellt wird.

Laut Dr. Akmal
Hussain, Dekan der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften an der
Universität für Informationstechnologie, deuten empirische Erkenntnisse jedoch
auf etwas anderes hin, und Untersuchungsberichte haben deutlich gemacht, dass
die Annahme des IWF falsch ist. Nach einem Bericht, der sich mit 130 Ländern
befasste, die die Programme des IWF umgesetzt haben, wurde das
Wirtschaftswachstum in allen Ländern negativ beeinflusst. Die Situation in
Pakistan ist nicht anders. Wieder einmal werden die Menschen aufgefordert, im
Namen der Volkswirtschaft Opfer zu bringen. Nichts davon wird jedoch etwas für
die Menschen verbessern.

Was ist zu tun?

Im Moment kämpft
die gesamte bürgerliche Opposition für die Wahrung ihrer eigenen Interessen,
wobei jeder Sektor versucht, die Regierung zu zwingen, einen Kompromiss zu
seinem Vorteil einzugehen. Nur die ArbeiterInnenklasse, die arme
Landbevölkerung und die städtischen Armen, die Bauern/Bäuerinnen und die
unterdrückten Teile der Gesellschaft können sich die Hände reichen, um gegen
den Tyrannenstaat und seine gesamte Politik zu kämpfen.

Im aktuellen
Szenario ist es umso wichtiger, den Kampf für demokratische Rechte mit dem
gegen die ökonomischen Angriffe der Bourgeoisie zu verbinden. Die jungen
ÄrztInnen, SanitäterInnen und KrankenpflegerInnen haben einen mutigen Kampf
gegen die Privatisierung von Gesundheitseinrichtungen geführt. Ein ähnlicher
Kampf wurde kürzlich von den ArbeiterInnen der staatlichen Kette Utility Stores
Corporation (USC: Läden für den Konsumgrundbedarf, die oft unter Preisen auf
dem freien Markt verkaufen) gegen die Angriffe der herrschenden Klasse geführt.
Nur der Klassenkampf kann den Staat zum Rückzug zwingen. In der heutigen Zeit
ist es die Einheit der ArbeiterInnenklasse, die das Programm des IWF besiegen
und die Regierung von Imran Khan hinwegfegen kann. Schließlich muss dieser
Kampf in einen gegen das kapitalistische System selbst umgewandelt werden.

Forderungen

  • Der Mindestlohn sollte ausreichen, um den ArbeiterInnen ein qualitativ hochwertiges Leben zu ermöglichen. Ihre Löhne sollten an die Inflation gekoppelt werden. Mit jedem 1-prozentigen Anstieg der Inflationsrate sollten die Löhne um 1 Prozent angehoben werden.
  • Anstelle von Privatisierungen sollten staatliche Institutionen der demokratischen Kontrolle der ArbeiterInnenklasse überantwortet werden. Alle Einrichtungen, die nach der Privatisierung geschlossen wurden, sollten unter Kontrolle der Arbeit„nehmer“Innen wieder verstaatlicht werden. Die Institutionen, deren Management an den Privatsektor übergeben wurde, sollten der demokratischen Kontrolle der ArbeiterInnenklasse unterstellt werden, wodurch alle Arten von Privatisierung rückgängig gemacht werden.
  • Anstatt Arbeitsplätze abzubauen, sollte die Arbeitszeit verkürzt werden, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
  • Die Haushalte für Bildung und Gesundheit sollten erhöht werden, indem eine Vermögenssteuer auf KapitalistInnen, GroßgrundbesitzerInnen, multinationale Unternehmen und andere reiche Teile der Gesellschaft erhoben wird. Danach sollten neue Gesundheitszentren und Bildungseinrichtungen aufgebaut werden.
  • Ein Ende aller Steuerbefreiungen für die KapitalistInnenklasse!
  • In der Landwirtschaft sollten Subventionen in großem Umfang eingeführt werden. Darüber hinaus sollte das Land von GroßgrundbesitzerInnen enteignet und an die Bauern/BäuerInnen und LandarbeiterInnen übergeben werden.
  • Der Haushalt für Entwicklungsprojekte muss in großem Umfang aufgestockt werden, damit soziale Einrichtungen und freie Wohnungen für die ArbeiterInnenklasse sowie die ländlichen und städtischen Armen gebaut werden können.
  • Unternehmen, die Strom produzieren, müssen vom Staat übernommen und der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse unterstellt werden.
  • Die Ablehnung des IWF-Programms, einschließlich der Weigerung, die Schulden der globalen Wirtschaftsinstitutionen zurückzuzahlen, ist eine Voraussetzung für die geplante und ausgewogene Entwicklung der Wirtschaft. Aber dies kann niemals von einer dem Kapitalismus verpflichteten Regierung durchgeführt werden. Wir brauchen eine Regierung, die auf den eigenen Organisationen der ArbeiterInnen basiert, um mit der bestehenden katastrophalen Situation umzugehen und die Interessen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung zu verteidigen.