USA: Shutdown für rassistische Grenzmauer

Tobi Hansen, Infomail 1039, 25. Januar 2019

Seit dem 22.
Dezember haben 800.000 MitarbeiterInnen der US-Regierung ihre Gehaltsschecks
nicht erhalten. Etwas mehr als die Hälfte musste weiterhin ohne Lohn arbeiten
und Zwangsarbeit leisten. Die anderen sind im erzwungenen Urlaub. Diese
Haushaltssperre findet bereits in der sechsten Woche statt – ein historischer
Rekord. Infolgedessen erfahren Millionen von AmerikanerInnen, die vom sozialen
Sicherheitsnetz des Bundes abhängig sind, auch zunehmendes Elend.

Die Abschaltung
ist das Ergebnis einer Pattsituation zwischen dem Repräsentantenhaus und der
US-Regierung. Es spielt Trump einerseits gegen Nancy Pelosi, die demokratische
Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, und „Chuck“ Schumer, den
demokratischen Minderheitenführer im Senat, andererseits aus.

Eine
Haushaltssperre der Regierung ist an sich nicht ungewöhnlich. Ein sechzehn Tage
dauernder Shutdown ereignete sich im Oktober 2013 unter Barack Obama. Die
Trump-Administration hat bereits im Januar letzten Jahres eine kürzere gesehen.
Solche Konflikte sind Teil der politischen Gymnastik, die die US-Verfassung
dank ihrer „Gewaltenteilung“ zulässt. Das passiert in der Regel, wenn das
Repräsentantenhaus, das den Jahreshaushalt der Verwaltung genehmigen muss, in
den Händen einer Partei und das Präsidium in den Händen ihrer GegnerInnen
liegt.

Seitdem die
DemokratInnen im November die Kontrolle über das Haus wiedererlangt haben,
versuchen sie, Trumps „Prestigeprojekt“, die 5 Milliarden Dollar teure Grenzmauer,
zu verhindern und haben sich daran gemacht, ihre eigenen Ausgabenprioritäten dagegenzusetzen.
Normalerweise wird nach vielen Manövern auf allen Seiten ein Kompromiss
erzielt, der eine neue Staatsverschuldung zulässt – wie bei „Obamacare“, dessen
Abschaffung eine weitere Trump-Wahlflaggschiffpolitik war.

Die Schwere und
Dauer dieser Krise zeigt die tiefe Polarisierung der US-Gesellschaft. Auf der
einen Seite muss Trump der Feindseligkeit seiner sozialen Basis gegenüber
MigrantInnen Vorschub leisten, die er für die sozialen Missstände und den
wirtschaftlichen Niedergang der „alten“ Industriegebiete verantwortlich macht.
Auf der anderen Seite müssen die DemokratInnen radikal sprechen, um den Zorn
der verschiedenen Gemeinschaften und Teile der ArbeiterInnenklasse  widerzuspiegeln, die unter den Hammer
von Trump und RepublikanerInnen auf Bundesebene kommen.

Effekte

Die 800.000
MitarbeiterInnen sind ein Viertel aller Bundesangestellten. Dazu gehören auch
diejenigen, die den bereits verwüsteten Sozialdienstleistungssektor leiten.
Selbst Wachen in Bundesgefängnissen arbeiten unentgeltlich.
GrenzschutzbeamtInnen und FBI-AgentInnen sind jedoch ausdrücklich vom Shutdown
ausgeschlossen.

Neben den
Bundesbeschäftigten sind Tausende von SubunternehmerInnen, die für den
öffentlichen Sektor arbeiten, sowie viele Selbstständige im öffentlichen Dienst
betroffen, so dass insgesamt Millionen von Lohnabhängigen ihre Löhne gekürzt
wurden. Kleine Unternehmen, die den Bundesbehörden dienen, sind ebenfalls stark
betroffen. Obwohl Trump ein Notfallgesetz verabschiedet hat, das die
Rückzahlung von Gehältern für direkte Bundesbedienstete verspricht, werden
viele der anderen ArbeiterInnen, die unter „Kollateralschäden“ leiden, nach
Ablauf der „Stilllegung“ nicht mehr alle Ausfälle zurückerhalten. In der Tat
werden sie für 2019 eine erhebliche Lohnkürzung erleiden.

Unterdessen
haben die Auswirkungen auf ihr Leben begonnen, die Medien zu interessieren: mit
Berichten über ihre Schwierigkeiten bei der Erfüllung von
Versorgungsrechnungen, der Zahlung von Hypotheken und Mieten, wobei einige
sogar gezwungen sind, ihre Autos zu verkaufen oder alles andere, woraus sie
Geld machen können.

Einige höher
qualifizierte Berufe wie z. B. FluglotsInnen haben eine Klage eingereicht, mit
der sie die Rückerstattung ihrer Löhne verlangen. Aber abgesehen von diesen
Berufsgruppen gibt es bisher kaum direkten Widerstand der MitarbeiterInnen
gegen die Schließung. Die American Federation of Federal Employees hat keine
landesweiten Abwehrmaßnahmen über Streikposten und kleine Proteste hinaus
durchgeführt. Stattdessen ging sie zum Pelosi-Trump-Pokerspiel, auf Kosten der
MitarbeiterInnen, über. Aber die anhaltende Streikwelle von LehrerInnen in
Kalifornien, die denen im Mittleren Westen, Wisconsin, Arkansas und Oklahoma
folgt, zeigt, was getan werden kann, wenn die Klasse den Kampf aufnimmt und die
Solidarität anderer Sektoren organisiert und gewinnt.

Trumps rassistische
Jagd gegen Immigranten

Die Schließung
hängt von Trumps Versprechen ab, die Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen.
Sie ist der symbolische Appell an seine soziale Basis, die Mittelschicht und
Teile der ArbeiterInnenklasse, die er getäuscht hat, weil er vorbrachte, ihre
sehr realen wirtschaftlichen und sozialen Probleme seien das Ergebnis
lateinamerikanischer und muslimischer EinwanderInnen und US-amerikanischer HandelsrivalInnen
wie China oder Deutschland. Die Mauer, so behauptet er, sei notwendig, um eine
„Invasion“ von DrogendealerInnen, KinderhändlerInnen, TerroristInnen und
KrankheitsüberträgerInnen zu verhindern: die EinwanderInnen seien also dafür
verantwortlich!

Die
DemokratInnen haben das Recht, sich dem rassistischen Prestigeprojekt von Trump
und ebenso jedem „Kompromiss“ zu widersetzen, der einen billigeren Stahlzaun
anstelle einer Mauer vorsieht. Aber das bedeutet nicht, dass diese eine
rassistische Einwanderungspolitik per se ablehnen. In beiden Häusern stimmten
sie für die Finanzierung der so genannten „ICE“-Deportationslager (Immigration
and Customs Enforcement; deutsch: Durchsetzung von Zwangsmaßnahmen zwecks Zoll- und Einwanderungspolitik), in denen
Kinder inhaftiert sind, ebenso wie die Rekorddeportationen (über 3 Millionen)
nach Mittelamerika während der Amtszeit Obamas. Sogar die selbsternannte
Sozialistin Alexandria Ocasio-Cortez hat dafür gestimmt, obwohl im Protokoll
steht, dass sie die ICE abschaffen will.

Als „Bestechung“
für die 5-Milliarden-Dollar-Mauer hat Trump angeboten, den vorübergehenden
Stopp der Abschiebung der „Dreamer“ (deutsch: TräumerInnen, hier: Söhne und
Töchter illegaler ImmigrantInnen gemäß dem Kürzel einer Gesetzesinitiative für
sie, dem Development, Relief, and Education for Alien Minors
Act) zu regulieren. Dies war das
Obama-Projekt, bei dem mehreren hunderttausend jüngeren MigrantInnen die
StaatsbürgerInnenschaft garantiert wurde, geknüpft an ihren „Erfolg“ in der
Schule. Es handelte sich um ein typisch halbherziges Mittel der
US-DemokratInnen. Wurden die geforderten Bildungsziele nicht erreicht, entzog
man das Aufenthaltsrecht und führte die Abschiebung durch. Offensichtlich sind
die DemokratInnen weder wirkliche VerteidigerInnen der Rechte von MigrantInnen
noch der von Schwarzen, IndianerInnen und anderen Minderheitenangehörigen
dieses Landes.

Ihnen geht es
eigentlich nur um ein Kräftemessen mit Trumps Weißem Haus. Sie sehen eine
einmalige Gelegenheit, seine Gesetzgebung zu blockieren und sogar Bedingungen
für ein Amtsenthebungsverfahren zu schaffen. Das Kabinett ist aktuell schwach
durch erzwungene und unvorhergesehene Rücktritte von MinisterInnen. Nur die
wichtigsten AkteurInnen im Interesse des Finanzkapitals, Finanzminister
Mnuchin, Handelsminister Ross und Bildungsministerin DeVos, haben ihre Posten
behalten. Unterdessen haben die Untersuchungen über die Aktivitäten Russlands
und die Geschäfte Trumps viele Aktenschränke gefüllt.

Was ist zu tun?

Die
Einwanderungsfrage steht bei den Haushaltsverhandlungen im Mittelpunkt, nicht
nur, weil Trump es so verkauft hat, sondern auch wegen einer globalen Krise,
die durch Kapitalismus und Imperialismus verursacht wurde. Tausende von MigrantInnen
sind zur mexikanisch-texanischen Grenze marschiert. Sie werden von der
Grenzpolizei festgehalten, Tränengas ausgesetzt und von Internierung bedroht.
Zehntausende, darunter viele Kinder, sind bereits in US-Deportationslagern.

Die
Kongressmanöver der DemokratInnen gehen dieses Problem nicht an. Auch die
US-Gewerkschaften haben nichts Ernstes getan, um die ArbeiterInnenbewegung zu
mobilisieren, sich für ihre Klassenbrüder und -schwestern einzusetzen. Wenn sie
dies täten, wäre dies ein großer Schritt vorwärts im Kampf gegen den Rassismus
von Trump und seinen AnhängerInnen.

Daran kann man jetzt
sehen, wie Trumps Rassismus sowohl die Bundesangestellten als auch die
Millionen trifft, die von den Bundesdiensten abhängig sind, deren Finanzierung
der Präsident kürzen möchte. Dies zeigt, dass Solidarität zwischen allen Bereichen
dringend erforderlich ist.

Eine
Führungsrolle sollte die US-Linke übernehmen wie die heute 54.000 Mitglieder
starken Demokratischen SozialistInnen (DSA) sowie ganz linke Gruppen wie die Socialist
Alternative (Mitglied der KAI; deutsche Schwesterorganisation: SAV) und die
International Socialist Organization (mit permanentem Beobachterstatus in der
Vierten Internationale; deutsche Schwesterorganisation: ISO). Das gilt auch für
diejenigen wie Bernie Sanders, die auf dem Ticket der DemokratInnen gewählt
wurden, sich aber SozialistInnen nennen.

Trump hat
gedroht, einen Ausnahmezustand zu verhängen, um seine Mittel ohne Zustimmung
des Kongresses zu erhalten. Dies würde eine schwere Verfassungskrise in den USA
auslösen, was wahrscheinlich sein charakteristisches Getöse erklärt, gefolgt
von Zögern. Es gibt bereits Zeichen, dass RepublikanerInnen über die Länge des
Shutdowns geteilter Meinung sind. Wenn jedoch die FeindInnen der ArbeiterInnenklasse
entzweit sind, ist es ein guter Zeitpunkt, sie hart zu treffen. Alle Themen und
Fronten des Kampfes würden davon profitieren.

Mit den LehrerInnen
im bundesweiten Kampf, mit den Millionen von öffentlichen Angestellten in
Staaten und Kommunen, die von sinkenden Löhnen und gekürzten Staatshaushalten
betroffen sind, mit kürzlich wiederbelebten schwarzen und Frauenbewegungen
sollte die US-ArbeiterInnenschaft ihre Stärke zeigen und ein Ende der Ämterschließung
und Aufhebung des Mauerprojekts fordern. Die Linke sollte auch den Ruf nach
offenen Grenzen und gleichzeitig massiver Entwicklungshilfe ohne Bedingungen
für die von Armut betroffenen und ausgebeuteten Länder Mittelamerikas erheben.
Der erste Schritt dazu wäre eine Annullierung ihrer Schulden an imperialistische
Staaten und Konzerne. All das wären Schritt, die letztlich im Kampf um die Abschaffung
des kapitalistischen Systems und die Errichtung einer internationalen
Planwirtschaft mit Schwerpunkt auf Verbesserung der Lebensqualität für die
Milliarden Werktätigen in der „3. Welt“ münden müssten – den letzt einigen auf
Dauer wirksamen Mittel zur Abschaffung von Armut und Hunger.

Aber für eine
solche Politik müssen US-ArbeiterInnen und junge AktivistInnen ihre Illusionen
in die DemokratInnen ablegen – auch in die jüngere „linke“ oder „sozialistische“
Variante. Anstelle der alternativen Partei der Wall Street müssen sie sich
dafür engagieren, eine neue ArbeiterInnen- und sozialistische Partei
aufzubauen, um für unsere Klasse und all jene zu kämpfen, die unterdrückt und
ausgebeutet werden.