Widerstand im Knast – Aufruhr in der JVA-Waldheim

Korrespondent aus Sachsen, Infomail 1035, 20. Dezember 2018

Seit Monaten werden die Aufschlusszeiten und
Freizeitangebote in der JVA-Waldheim systematisch immer weiter verkürzt.
Begründet werden diese Maßnahmen durch den gravierenden Personalmangel auf den
Stationen im Haus 1: „Sicherheit und Ordnung“ seien nicht weiter
aufrechtzuerhalten. Um die Gefangenen untereinander zu spalten, finden diese
Kürzungen fast ausschließlich in Haus 1 statt, die anderen beiden Häuser sind
bisher weitestgehend unberührt geblieben.

Aber anhaltender Einschluss führt zu Vereinsamung und
Frustration, und so entschlossen sich am Montag, den 10.12., einige Gefangene,
diese Zustände nicht länger hinzunehmen. Um 19 Uhr sollte die zweite Station
eingeschlossen werden, doch 15 Gefangene verweigerten dies. Trotz gerufener Verstärkung
waren die Beamten bei weitem nicht zahlreich genug, um ihre Maßnahme
durchzusetzen. Die Gefängnisleitung sprach bei dem friedlichen Protest von
einem „Aufstand“. Eine Stunde lang hielt die Pattsituation an. Nun
unterbreitete die Anstalt den Aufständischen den Vorschlag, dass sie keine
Konsequenzen zu befürchten hätten, falls sie sich friedlich in ihre Hafträume
schließen ließen.

Die Gefangenen glaubten diesem Angebot und so wurde die
Station friedlich bereinigt. Schon am nächsten Morgen offenbarte sich dies als
hinterhältige Lüge, mit der die Beamten sich aus der Situation gerettet hatten.
Alle Beteiligten hatten Einschluss, während der „Rädelsführer“ von vier Cops in
ein Hochsicherheitsgefängnis abtransportiert wurde. Drei weitere wurden am Tag
darauf aus der Anstalt abgeschoben. Die restlichen Beteiligten erhielten vier
Wochen kompletten Einschluss. Viele von ihnen sollen in den nächsten Wochen auf
andere Stationen oder in andere Anstalten verlegt werden.

Ab dem 17.12. sollen nun in Haus 1 die Aufschlusszeiten noch
weiter reduziert werden. Die Anstalt hatte derartige Kürzungsmaßnahmen ohnedies
geplant. Nun versucht sie die Gefangenen zu spalten und eine Solidarisierung zu
verhindern, indem den Aufständischen die Verantwortung für diesen Einschnitt in
die Bewegungsfreiheit der Gefangenen zugesprochen wird.

Unsere erste und unmittelbare Aufgabe ist es, unsere volle
Solidarität mit den Betroffenen der drakonischen Strafmaßnahmen zu zeigen. Sie
müssen wissen, dass sie nicht alleine sind. Denn nur gemeinsam wird es möglich
sein, auf allen Ebenen gegen eine immer schlimmer werdende Verschärfung unserer
Lebensumstände aktiv zu werden.

Dies ist besonders wichtig, da zu erwarten ist, dass die
Verhältnisse sich weiter verschlechtern, die mit zunehmendem „Personalmangel“
begründet und durch die Kürzungen der CDU-Regierung in Sachsen weiter zugespitzt
werden. Zwar spart die Regierung nicht an Waffen für direkte körperliche
Repression. So sind 1,8 Millionen für Teleskopschlagstöcke und Reizgas im
Budget verbucht. Die zweihundert geplanten Neueinstellungen von BeamtInnen
hingegen werden voraussichtlich unter der Zahl derer liegen, die im kommenden
Jahr in den Ruhestand gehen.

Organisierung und Klassenkampf

In jedem Fall war das Aufbegehren vollkommen gerechtfertigt.
Doch die Aktion selbst war spontan, wenig vorbereitet und nicht mit den
Gefangenen anderer Häuser und Stationen abgesprochen. So war sie isoliert und
zeitlich begrenzt. Der Protest konnte im Keim erstickt und die mutigsten
Gefangenen bestraft werden. Deutlich mehr hätte mit einer breiteren Beteiligung
und langfristigem Druck erreicht werden können. Doch dafür müssen sich
wesentlich mehr als 15 von 400 Gefangenen beteiligen.

Doch dafür braucht es eine eiserne Solidarität unter ihnen.
Nur wenn ein großer Teil zusammensteht, haben sie eine Chance zu bestehen.
Rassismus, Nationalismus und religiöser Hass haben im Kampf um die Freiheit
keinen Platz. Sprache, Herkunft, Religion und Kultur dürfen keine Grenzen sein.
Die einzige Trennlinie verläuft zwischen den Klassen, zwischen AusbeuterInnen
und Ausgebeuteten. Es kann kein Platz für jene geben, die für eigene Vorteile
ihre Brüder oder Schwestern verraten.

Was es also braucht, sind Organisationen, ist der Aufbau
einer Gewerkschaft, welche für die berechtigten Forderungen der Gefangenen
eintritt. Und auch wenn der Staat und die Gefängnisleitungen jedwede
Solidarisierung bekämpfen, ist selbst nach dem Grundgesetz Artikel 9 die
Gründung von Gewerkschaften auch im Gefängnis legal. Der Aufbau solcher
Strukturen ist jetzt umso wichtiger. Die Gefahr ist groß, dass bei zunehmender
Isolierung und Repression in den Gefängnissen die Entsolidarisierung zunimmt
und durch Bandenkriminalität wie in den USA begleitet wird. Die größten
ProfiteurInnen sind dann gut verdienende „Mafia-KapitalistInnen“ und die BeamtInnen,
die mit ihnen zusammenarbeiten. Das kann natürlich nicht im Interesse der
überwiegenden Mehrheit der Gefangenen sein.

Doch um dies zu erreichen, glauben wir, dass ein offener „Aufstand“
aktuell zwar kurzfristig für Furore sorgt, aber die Organisierung der
Gefangenen zu gering ist, irgendeinen bleibenden Effekt zu erzielen.
Stattdessen sind organisierte Streiks in den profitbringenden Arbeitsbetrieben
wie in der Tischlerei, dem Metallbetrieb, der Druckerei und bei der Firma
Seifert in der JVA-Waldheim dazu in der Lage, unmittelbaren wirtschaftlichen
Druck auszuüben, da die Anstalt auf die produzierten Produkte, die
erwirtschafteten Gelder und auf die durch diese Betriebe durchgeführten
Reparaturleistungen angewiesen ist. Die Organisierung der Gefangenen könnte
also unter günstigeren Rahmenbedingungen ausgeweitet werden.

Wenn wir unsere Situation tatsächlich verbessern wollen,
braucht es eine geduldige Zusammenarbeit mit Gefangenenorganisationen wie der
Gefangenen-Info, dem Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und der
Gefangenen-Gewerkschaft (GG/BO). Es ist nicht ausgeschlossen, unsere
Bedingungen in der Presse, und selbst wenn es nur die revolutionäre und
sozialistische ArbeiterInnenpresse ist, bekannt zu machen. Gefangene aller
Stationen, Häuser und Anstalten sollten als ersten Schritt gemeinsame
Diskussionsrunden gründen, in denen sie Artikel und Literatur besprechen, sich
über ihre eigene Situation austauschen und ihre Bedürfnisse und Forderungen
formulieren. Das ist vollkommen legal und eine gute Möglichkeit, um miteinander
zu kommunizieren.

Wir fordern wiederum linke Organisationen, Parteien und auch
die Gewerkschaften des DGB – mit Ausnahme der Gewerkschaft der Polizei – dazu
auf, sich mit den Gefangenen zu solidarisieren. Allein die Tatsache, dass die
Weigerung, sich nach Monaten von immer kürzeren Aufschlusszeiten „pünktlich“
einschließen zu lassen, als „Aufstand“ und „Meuterei“ gewertet wird, zeigt,
unter welch drakonischen und entrechteten Verhältnissen die Gefangenen leben –
und dies in Waldheim, der „Vorzeigeanstalt“ deutscher Gefängnisse.

  • Solidarität mit den Aufständischen von Waldheim! Für die sofortige Rücknahme aller Maßnahmen gegen die Demonstranten vom 10.12., Einstellung aller Anklagen und Ermittlungsverfahren, die Rückführung der Gefangenen, die ins Hochsicherheitsgefängnis und andere Anstalten verlegt wurden, sofortiges Ende des Einschlusses!
  • Sofortige Beendigung der verkürzten Aufschlusszeiten!
  • Für das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und politischen Protest im Gefängnis!