Gegen jede Unterstützung der rechtsextremen Bolsonaro-Regierung durch deutsche Unternehmen! Solidarität mit den brasilianischen KollegInnen!

Aufruf linker GewerkschafterInnen, Neue Internationale 234, Dezember 2018/Januar 2019

Am 28. Oktober wurde der rechtsextreme Kandidat und Ex-Militär Jair Bolsonaro in der Stichwahl in das Amt des Präsidenten von Brasilien gewählt, das er Anfang Januar 2019 antreten wird. Die Wahl selbst wurde überschattet durch den Ausschluss des bis dahin in den Umfragen führenden Kandidaten Lula da Silva, des ehemaligen Präsidenten und historischen Führers des CUT-Gewerkschaftsverbandes, dessen Mitglieder maßgeblich zum Ende der Militärdiktatur beigetragen hatten.

Die scharfe Hetze gegen „linke Politik“ und die sozialdemokratische ArbeiterInnenpartei (PT) in den dominierenden Medien und die Gewaltakte gegenüber „Linken“ oder anderen „Verdächtigen“, die in über 50 Morden an Linken, Indigenen und Homosexuellen gipfelten, lassen Schlimmes befürchten.

Jair Bolsonaro vertritt auf allen Gebieten – Wirtschaft, soziale Rechte, Gleichberechtigung von Frauen, Homosexualität, Schutz des Regenwaldes – die reaktionärsten Positionen. Darüber hinaus verteidigte er offen die Militärdiktatur in Brasilien, die von 1964 bis 1985 das Land mit Terror und über 1.000 Morden überzogen hatte. Er bedauerte, dass die Militärs damals leider 30.000 Menschen zu wenig „gesäubert“ hätten.

Konkret sind folgende Maßnahmen zu erwarten:

  • Im Rahmen von „Antiterror“-Gesetzen sollen bestimmte soziale Bewegungen, vor allem diejenigen der landlosen ArbeiterInnen oder von Favela-BewohnerInnen, verboten werden (MST, MTST). Diese Verbote werden sicher auch auf linke Organisationen und Gewerkschaften ausgeweitet werden.
  • Sonderrechte für bestimmte Polizeieinheiten, die Folter und willkürliche Erschießungen erlauben.
  • Ausweitung neo-liberaler „Reformen“ bei Rente und Arbeitsrecht sowie Privatisierung des staatlichen Erdölkonzerns Petrobras.
  • Beseitigung wesentlicher Umweltauflagen durch die Auflösung des Umweltministeriums und Überführung von dessen Aufgaben in das vom Agro-Businesskontrollierte Landwirtschaftsministerium.
  • Umgestaltung von Lehr- und Studienplänen durch eine „Bildungsrevolution“ unter Kontrolle evangelikaler Kirchen. Unter anderem soll Genderforschung abgeschafft werden.
  • Angriffe auf die Rechte von Frauen und LGBT-Menschen, Stärkung reaktionärer Geschlechterrollen – einschließlich einer Verharmlosung sexistischer Übergriffe und von Gewalt, der schon jetzt jährlich tausende Frauen und sexuell Unterdrückte zum Opfer fallen.
  • Kritische Presseorgane wie die bekannteste liberale Zeitung des Landes, die„Folha de Sao Paulo“, werden mit Anzeigenboykotts und Ausschluss von Pressekonferenzen bedroht, weil sie es gewagt hatten, illegale Spendenpraktiken des Bolsonaro-Wahlkampfes aufzudecken.

Angesichts dieser massiven Bedrohungen von Demokratie, Menschen- und Gewerkschaftsrechten ist es besonders empörend, dass führende VertreterInnen deutscher Unternehmenin Brasilien ihre volle Unterstützung für diese rechtsextremistische Politik erklärt haben. Einerseits spielen deutsche Investitionen eine bedeutende Rolle in Brasilien. Die über 12.000 deutschen Unternehmen verantworten bis zu 10 % des BIP. Andererseits sind gerade erst die Verwicklungen deutscher Unternehmen in schreckliche Aktionen der alten Militärdiktatur aufgearbeitet worden. Der VW-Konzern musste auf Veranlassung der brasilianischen „Wahrheitskommission“ eine wissenschaftliche Studie finanzieren, in der nachgewiesen wurde, dass VW-ManagerInnen an der Denunzierung und Auslieferung von missliebigen GewerkschafterInnen beteiligt waren, die in Folge verschwanden oder ihr Lebenverloren.(http://www.volkswagenag.com/presence/konzern/documents/Historische_Studie_Christopher_Kopper_VW_B_DoBrasil_14_12_2017_DEUTSCH.pdf).

Umso empörender ist es, dass ein Vorstandsmitglied des VW-Konzerns, der Nutzfahrzeugspartenchef Andreas Renschler, sich positiv zur Perspektive der Machtübernahme von Bolsonaro geäußert hat (Der Spiegel, 2.11.2018: „Stramm nach rechts“). Auch der Vorsitzende der deutsch-brasilianischen Außenhandelskammer, Dr. Wolfram Anders, hatte Bolsonaro schon im Wahlkampf unterstützt, um „venezolanische Verhältnisse“ zu verhindern (ebd.). Als Bolsonaro vor der einflussreichen Wirtschaftsvereinigung von Sao Paulo seine Hasstiraden auf seine politischen GegnerInnen losließ, erhielt er dort stehende Ovationen – ein beträchtlicher Teil der dortigen VertreterInnen wird von deutschen Unternehmen entsandt. Roberto Cortes, Chef von VW Trucks and Busses in Brasilien, und Philipp Schiemer, Präsident von Mercedes-Benz in Brasilien, stellten sich öffentlich lobend hinter Bolsonaro (Neue Züricher Zeitung, 14.11.2018: „Keine Angst bei Unternehmen“). Nicht nur aus der Industrie kam Unterstützung für den rechtsextremen Kurs von Bolsonaro. Auch die „Deutsche Bank“ und in ihrem Gefolge die „Commerzbank“ hatten in ihren Tweets zur Wahl betont, dass Bolsonaro der „Wunschkandidat der Märkte“ sei (Frankfurter Rundschau, 25.11.2018, http://www.fr.de/kultur/netz-tv-kritik-medien/netz/jair-bolsonaro-deutsche-bank-nennt-bolsonaro-wunschkandidat-der-maerkte-a-1610928).

All dies zeigt: Deutsche Unternehmen sind eine wesentliche Stütze für einen rechtsextremen Politiker, von dem Maßnahmen zu erwarten sind, die stark an eine faschistische Diktatur erinnern. Statt aus den von ihnen selbst herausgegebenen Studien zu ihrer Verwicklung in die alte Diktatur gelernt zu haben, werden sie wieder zum Steigbügelhalter einer entstehenden Diktatur, die wiederum mit allen Mitteln GewerkschafterInnen in ihren Unternehmen bekämpfen wird.

Alle, die wir Kontakte mit brasilianischen Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen hatten oder sich mit der dortigen Situation beschäftigt haben, müssen befürchten, dass erneut diese Kolleginnen und Kollegen Opfer von staatlicher Willkür oder gar ermordet werden. Brasilien war über fast dreißig Jahre Schauplatz und Beispiel für eine wachsende Gewerkschaftsbewegung, ohne die alle demokratischen Veränderungen und Fortschritte undenkbar gewesen wären. Diese Solidarität muss gerade jetzt verstärkt werden!

Wir fordern von der IG Metall, ver.di und dem DGB sofortige, entschiedene Positionierung gegen die Unterstützung von VW, Daimler, der Deutschen Bank und anderen deutschen Unternehmen oder deren SprecherInnen in Brasilien für den rechtsextremen Jair Bolsonaro!

Wir fordern von der IG Metall, ver.di und dem DGB wirksame und spürbare Unterstützung für die brasilianischen Gewerkschaften, insbesondere in ihrem Kampf gegen die Rentenreform und die Privatisierung von Petrobras! Protestaktionen und Streiks der brasilianischen KollegInnen müssen durch entsprechende Solidaritätsaktionen unterstützt werden!

Wir fordern von der IG Metall, ver.di und dem DGB, die zu erwartenden anti-demokratischen, menschenverachtenden Maßnahmen der Bolsonaro-Regierung mit Boykottaufrufen und Sanktionsmaßnahmen zu beantworten! Insbesondere muss die sofortige Freilassung des widerrechtlich in Gefangenschaft gehaltenen Lula da Silva ein Ziel der internationalen Gewerkschaftsbewegung werden! Als GewerkschafterInnen aus Deutschland unterstützen wir die Kampagne „Lula Livre“ (Freiheit für Lula!) und fordern den DGB zur Teilnahme an dieser Bewegung auf!

Wir fordern von der IG Metall, ver.di und dem DGB, die internationalen Proteste gegen die Inauguration vom Bolsonaro im Januar zu unterstützen und sich daran zu beteiligen!

ErstunterzeichnerInnen

Matthias Fritz, IG Metall, BR und VKL Mahle Stuttgart

Christa Hourani, IG Metall, Frauenausschüsse IGM und DGB, ehem. BR und VKL Daimler Zentrale

Niels Clasen, IG Metall, ehem. BR und VKL Roto Frank Leinfelden

Sybille Stamm, ver.di,

Mag Wompel, ver.di, Labournet

Laurenz Nurk, ver.di, Mitherausgeber gewerkschaftsforum-do.de

Fritz Stahl, IG Metall, ehem. Vertrauensmann Mercedes Benz Werk Mannheim

Angela
Hidding, IG Metall, Delegierte, ehem. Betriebsrätin Mercedes Benz Werk Mannheim

Walter Hofmann, IG Metall, ehem. BR-Vorsitzender und VKL Saurer-Allma, Kempten

Klaus-Peter Löwen, IG Metall, ehem. stv. GBR-Vorsitzender Alcatel-Lucent Deutschland AG

Jakob Schäfer, IG Metall, Mitgl. der Delegiertenversammlung der IGMWiesbaden-Limburg, ehem. BR

Helmut Born, ver.di Düsseldorf, Mitglied im Landesbezirksvorstand ver.di NRW

Tom Adler, IG Metall, ehem. BR Daimler Untertürkheim und Mitglied Tarifkommission, Stadtrat LINKE Stuttgart

Christiaan Boissevain, IG Metall, ehem. BR, Sekretariat Initiative zur Vernetzung derGewerkschaftslinken

Helga Schmid, ver.di, Vorstandsmitglied der ver.di-Betriebsgruppe des SüddeutschenVerlags-München

Sascha Ebbinghaus, BR-Vors., Beisitzer Ortsvorstand IGM Waiblingen/Ludwigsburg

Markus Dahms, GBR IBM B&TS, ver.di LBZ Berlin-Brandenburg FB9

Reinhold Riedel, Kreisrat, LINKE Esslingen

Mehmet Sahin, IG Metall, Mahle-Behr, Stuttgart

Michael Clauss, IG Metall, BR Daimler Untertürkheim und Große Tarifkommission Baden-Württemberg

André Halfenberg, IG Metall, ehem. BR Daimler Untertürkheim

Olaf Harms, ver.di, G/BR-Vorsitzender,
Vors. LBV verdi-hamburg

Peter Oberdorf, IG Metall, ehem. BR Coperion Stuttgart

Gerd Rathgeb, IG Metall, ehem.
BR Daimler Untertürkheim

Andreas Grüninger, IG Metall, ehem. BR-Vorsitzender MWK Renningen GmbH

Günther Klein, ver.di, PR, Vorsitzender Ver.di Fachbereich 5 Stuttgart

Erika Rossade, ver.di

Manfred Jansen, IG Metall, ehem. BR-Vorsitzende KBA-MetalPrint

Jürgen Stamm, IG Metall, ehem. 1. Bevollmächtigter IG Metall Stuttgart

Sebastian Förster, ver.di, Fachkommission Soziales ver.di Nordhessen

Angelika Teweleit, Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di

Jörg Nowak, Researcher, Univ of Nottingham

Fritz Hofmann IG BCE, Ludwigshafen, Rentner

Heinrich Brinker, Sprecher KV Die Linke Esslingen

Michael Becker, Offenbach, GEW, ehem. Regionssekr. DGB Nordbaden,

Dr Eva Hartmann, lecturer Sociology of Education, Univ of Cambridge

Dr Dario Azzellini, Developement Sociology, Verdi, Cornell Univ, Ithaka

Uwe Elsaßer, IG Metall, VKL Mahle, Stuttgart

Wenn ihr den Aufruf unterstützen wollt:

M.Fritz, matthias.fritz.stuttgart@t-online.de