Österreich: Regierung gegen die Unterdrückten

Heidi Specht, Arbeiter*innenstandpunkt, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Kurz vor Weihnachten trat in Österreich eine neue Regierung ihren Dienst an – gebildet aus der konservativen Unternehmer*innenpartei ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ.

ÖVP

Die ÖVP schaffte es erstmals seit dem Jahr 2002 bundesweit auf den ersten Platz. Das verdankt sie insbesondere ihrer Galionsfigur Sebastian Kurz, der neuen Wind versprach und seine Ernsthaftigkeit unter anderem durch Änderung der Parteifarbe von Schwarz zu Türkis unter Beweis stellte. Er schaffte es, bei vielen Wähler*innen durch sein Alter und seine Versprechen Illusionen zu wecken, die darüber hinwegtäuschten, dass er als längstdienendes Regierungsmitglied bereits jahrelang die Politik mitgestaltet hatte. Viele Menschen haben in ihrem Wunsch nach Veränderungen übersehen, in welche Richtung diese gehen sollen: Angriffe auf die Armen und Unterdrückten zugunsten der Reichen und Unternehmen.

FPÖ

Die FPÖ befand sich bereits seit längerem im Aufwind. Sie hätte wohl noch stärker gewonnen, wäre die ÖVP unter Kurz nicht so stark nach rechts gegangen. In ihrer rechtspopulistischen Rhetorik ging es darum, sich für den kleinen, österreichischen Mann einzusetzen und die österreichische Frau vor Zuwanderer*innen zu beschützen. Außer Frage steht, dass sie ihr bestes tun werden, um ihre rassistischen Pläne umzusetzen und in Kurz darin auch einen guten Verbündeten haben. Dass durch rassistische Einsparungen nicht unbedingt mehr Geld für arme Österreicher*innen bleibt, wird wohl manche ihrer Wähler*innen enttäuschen.

Diese Regierung steht also für Reiche und Unternehmen, gegen die Unterdrückten und damit die Mehrheit der Bevölkerung. Sie plant in ihrem Programm nicht nur Angriffe gegen Errungenschaften der Arbeiter*innenbewegung, sondern auch gegen Frauen, Jugendliche, Arbeitslose und Migrant*innen.

Familienbonus Plus

Bereits durch den Ministerrat beschlossen wurde der sogenannte Familienbonus Plus, der laut Plänen der Regierung Anfang 2019 in Kraft treten soll. Dabei sollen pro Kind unter 18 Jahren um bis zu 1.500 Euro weniger Steuern gezahlt werden müssen. Was auf den ersten Blick gar nicht so schlecht wirkt, birgt doch einige Probleme. Um in den vollen Genuss dieser Leistung zu kommen, muss erst einmal genug verdient werden. Erst ab einem Bruttomonatseinkommen von 1.700 Euro bekommt man mit einem Kind den Vorzug der vollen Leistung, bei zwei Kindern benötigt man dazu mindestens 2.300 Euro. Viele Menschen in Österreich würden also sogar zu wenig verdienen, um bei nur einem Kind den vollen Betrag zu erhalten, und mit jedem zusätzlichen Kind muss mehr verdient werden, um zu profitieren. Diese Maßnahme ist damit klar eine zugunsten der Besserverdiener*innen. Im Ausgleich sollen zwei Leistungen abgeschafft werden, nämlich der Kinderfreibetrag und die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten für Kinder unter 10 Jahren. Wenn Bundeskanzler Kurz jetzt verspricht, niemand solle weniger bekommen als vorher, scheint das bereits fragwürdig. Konzepte wie die Erhöhung des Alleinverdiener*innen- bzw. Alleinerzieher*innenabsetzbetrages, von der unter anderem jene 60.000 Alleinerzieher*innen profitieren sollen, die so wenig verdienen, dass sie überhaupt keine Lohnsteuer zahlen und damit durch den Familienbonus Plus genau null Euro bekommen würden, sind noch höchst unausgegoren und auch nur eine Reaktion auf massive Kritik. Ungeachtet dessen bleibt die Tatsache bestehen, dass durch das Wegfallen der Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten für Familien die Option, dass ein Elternteil (üblicherweise die Frau) zuhause bleibt, weil das billiger ist als Kinderbetreuung, wieder stärker an Relevanz gewinnt.

Und um den Rassismus auch wirklich überall unterzubringen, betont FPÖ-Chef Strache, dass damit „österreichische Familien“ entlastet werden sollen, es aber „kein Förderprogramm für Groß-Zuwanderer*innenfamilien“ gäbe.

Familienbeihilfe

Eine weitere Idee, die derzeit auch innerhalb der EU heiß diskutiert wird, ist die Anpassung der Familienbeihilfe an die Lebenserhaltungskosten des Landes, in dem das Kind, für das die Beihilfe bezogen wird, wohnt. Das betrifft besonders Frauen aus Osteuropa, die in Österreich (häufig in der Pflege) arbeiten, um ihren Familien Geld nach Hause schicken zu können.

Um den Schein der Fairness zu wahren, soll für Kinder, die in Ländern leben, in denen die Lebenserhaltungskosten höher sind als in Österreich (z. B. die Schweiz oder skandinavische Länder), die Familienbeihilfe erhöht werden. Dass es dabei um sehr viel weniger Geld geht und außerdem um Personen, die tendenziell sowieso bereits besser verdienen, ist „natürlich reiner Zufall“.

Frauen als Mütter

Generell kann festgestellt werden, dass die Regierung das Thema Frauen fast ausschließlich in ihrer Rolle als Mütter thematisiert. Die Unterdrückung von Frauen, die über die Doppelbelastung von arbeitenden Müttern hinausgeht, wird wenig thematisiert. Zwar ist die Erleichterung der Berufstätigkeit für Mütter ohne Frage ein wichtiges Thema, doch auch hier scheint es sich eher um ein Lippenbekenntnis zu handeln, denn dazu tatsächlich notwendige Schritte wie der Ausbau kostenloser Kinderbetreuung werden nicht vorangetrieben. Im Gegenteil, unter Schwarz-Blau in Oberösterreich gab es in diesem Bereich sogar massive Verschlechterungen. Auch Pläne wie die Einführung von 12 Stunden täglicher Höchstarbeitszeit oder die Erhöhung der zumutbaren Entfernung des Arbeitsplatzes vom Wohnort erreichen das genaue Gegenteil.

„Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ steht zwar im Regierungsprogramm, wie das erreicht werden soll oder welche Konsequenzen Unternehmen erwarten die sich nicht daran halten, wird aber kaum bis gar nicht thematisiert. Damit fällt es schwer, das als ernsthaftes Ziel wahrzunehmen. Dafür werden Kürzungen im Sozialbereich Frauen wie immer härter treffen als Männer, und zwar nicht nur jene, die Familien betreffen. Frauen verdienen nach wie vor deutlich weniger als Männer, sind wesentlich häufiger von Altersarmut betroffen und damit zentraler auf Leistungen wie zum Beispiel Notstandshilfe oder Mindestsicherung angewiesen, bei denen eingespart werden soll.

Sexismus, Rassismus und Konservativismus

Generell kann festgestellt werden, dass dieses Regierungsprogramm Frauenförderung gleichsetzt mit Mütterförderung. Es versucht, seinen Rassismus mit angeblichem Antisexismus zu rechtfertigen. So suggeriert es, dass ein Unverständnis für die Gleichwertigkeit der Geschlechter in erster Linie bei Asylwerber*innen herrscht. Und es legt viel Wert auf die Feststellung, dass es nur zwei Geschlechter gibt und eine Familie eine Mutter und einen Vater braucht.

Noch gar nicht erwähnt sind die widerlichen Angriffe auf Asylwerber*innen, angefangen damit, ihnen Geld und Handys wegzunehmen, über Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht, Massenunterkünfte und noch weitere Erschwernisse beim Zugang zu Bildung.

Gegen das Regierungsprogramm mobilisieren

Die Opfer dieses Programms sind alle von Lohnarbeit Abhängigen und Unterdrückten. Um diese Maßnahmen abzuwehren, bedarf es einer ArbeiterInneneinheitsfront, also eines Bündnisses der Arbeiter*innenbewegung gemeinsam mit Geflüchteten, Arbeitslosen und anderen Unterdrückten, die gemeinsam mobilisieren und streiken. An so einem Bündnis werden wir uns nicht nur beteiligen, sondern legen Wert darauf, die Forderung nach Bildung einer Abwehrfront an diese Massen und ihre Führungen, besonders die SPÖ, KPÖ und die Gewerkschaftsvorstände zu richten. Daneben kämpfen der Arbeiter*innenstandpunkt und REVOLUTION Österreich im Rahmen so eines Bündnisses dafür, sich nicht nur gegen die geplanten Angriffe zu wehren, sondern auch eigene Forderungen wie die nach offenen Grenzen oder Arbeitszeitverkürzung aufzuwerfen. Ein erster Schritt, eine kampfstarke Bewegung ins Leben zu rufen, sind Versammlungen in Arbeiter*innen- und Migrant*innenvierteln, Betrieben, an Schulen, Unis, in Gewerkschaften und Sozialverbänden, um über praktische Kampfmaßnahmen und -strukturen zu diskutieren, zu entscheiden und Organe der Einheitsfront des Widerstands zu wählen, deren Leitungen ihrer Basis rechenschaftspflichtig sind und jederzeit an- und abwählbar sein müssen.