Wie weiter im Kampf für einen Tarifvertrag aller studentisch Beschäftigten?

Vorschläge der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Gegenwehr! ArbeiterInnenmacht-Flugschrift für Studierende 2,  1. Februar 18

Tausende Studierende haben sich an den Streiktagen, Aktionen und Demonstrationen der letzten Wochen beteiligt. Die Warnstreiks, zu denen GEW und ver.di aufgerufen haben, zeigten erste Wirkung.

Die Gewerkschaften haben über 1000 neue Mitglieder gewonnen. Damit wurde die Basis für den Arbeitskampf unter den über 8000 studentisch Beschäftigten massiv erweitert.

Die Wirkung zeigt sich auch bei den Reaktionen der Gegenseite. Die VertreterInnen der „Kommunalen Arbeitgeber“ und die Hochschulen reagieren mit Zuckerbrot und Peitsche: einer Mischung aus Einschüchterungs- und Diffamierungsversuchen einerseits, mit „Angeboten“ an Teile der Streikenden – einen Haustarifvertrag an der TU – andererseits.

Zur Zeit scheinen die Diffamierungsversuche, Einschüchterungen und Drohungen mit disziplinarischen Schritten – zumal oft auch stümperhaft vorgetragen – die Proteste eher zu beflügeln als zu schwächen. Das kann aber von den Spaltungsversuchen nicht gesagt werden. Die Versammlungen an den Unis – also die der aktivsten Kämpfenden – haben diese zwar überall zurückgewiesen. Auch die Tarifkommission (TK) lehnt diese zur Zeit ab.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sie bei Teilen der Gewerkschaftsmitglieder oder bei der Masse der gewerkschaftlich nicht organisierten Beschäftigten nicht verfangen könnten. Manche mögen auch die Verhandlungen um das Angebot der TU als ein Druckmittel auf andere Unis begreifen – aber das kann leicht nach hinten losgehen, wenn sich der Arbeitskampf länger hinzieht und Gespräche um einen Haustarif als ein Schritt in die richtige Richtung erscheinen. Hinzu kommt, dass der Druck auf Einzelne wachsen wird, die Uni-Leitungen versuchen werden, die Studierenden wegen Ausfalls von Tutorien usw. gegen die Streikenden in Stellung zu bringen.

Wenn wir die drei Hauptforderungen – einen Stundenlohn von 14 Euro brutto, tariflich abgesicherte Vertragslaufzeiten von mindestens 4 Semestern und die Gleichbehandlung aller Hochschul-Beschäftigten bezüglich des Urlaubsanspruchs sowie dynamische Anpassung an Gehaltssteigerungen anderer Beschäftigtengruppen – für alle studentisch Beschäftigten erkämpfen wollen, wird eine Fortsetzung der bisherigen Aktionsformen nicht reichen. Zur Erzwingung unserer Ziele wird vielmehr ein unbefristeter Vollstreik notwendig sein!

Die bisherigen Aktionen haben eine sehr positive Rolle gespielt, die (potentielle) Kampffähigkeit zu steigern. Ohne sie wäre die Bewegung nicht so sehr gewachsen. Aber die aktuellen eintägigen Warnstreiks, Demonstrationen und symbolischen Aktionen werden nur bis zu einem bestimmten Punkt zu einer steigenden Mobilisierung führen können. Um die Basis für die Kämpfe auszuweiten, d. h. die unorganisierten Beschäftigten in die Gewerkschaften zu holen und für den Streik zu gewinnen, wird eine Fortschreibung der aktuellen Formen nicht reichen. Im Gegenteil, sie wird den Druck auf Abschlüsse an den einzelnen Unis erhöhen.

Nein zu allen Haustarifen! Nein zu jeder Spaltung!

Schon jetzt gibt es offen oder unterschwellig Diskussionen um einzelne Verträge, konkret um einen Haustarifvertrag an der TU Berlin. Dieser „Vorschlag“ muss zurückgewiesen werden. Die TU ist zur Zeit die kampfstärkste Universität. Dort trifft der Streik die Gegenseite, die sog. ArbeitgeberInnen am meisten. Es ist also kein Wunder, dass die dortige Hochschulleitung mit einem „großzügigen“ Angebot an die Öffentlichkeit trat.

Ein Abschluss an der TU wäre ein Schlag für die gesamte Bewegung, weil die anderen Unis und Hochschulen auf sich allein gestellt natürlich weniger durchsetzungsfähig wären und den Kampf nur schwer aufrechterhalten könnten. Am wahrscheinlichsten wäre es, dass an schlechter organisierten Unis schlechtere Tarifverträge durchgesetzt und manche Hochschulen überhaupt zu gewerkschaftsfreie Zonen würden. Doch selbst für den überaus unwahrscheinlichen Fall, dass sie ähnliche Abschlüsse wie die TU erzielen könnten, hätten die studentisch Beschäftigten danach unterschiedliche Verträge mit unterschiedlichen Laufzeiten und Friedenspflichten. Das würde einen gemeinsamen Tarifkampf für die Zukunft zusätzlich massiv erschweren.

Die negativen Auswirkungen unterschiedlicher Verträge zeigen sich schon heute, wenn wir die Lage von studentischen und anderen Beschäftigtengruppen an der Uni betrachten. Ursprünglich galt ein Tarifvertrag an den Unis auch für die studentisch Beschäftigten. Es gab daher eine gemeinsame Tarifrunde, gemeinsame Aktionen wie auch gemeinsame gewerkschaftliche Organisationsstrukturen. Der TV Stud selbst brachte eine Verschlechterung der Bedingungen gegenüber Vollzeitbeschäftigten, war aber für die Unis und deren EigentümerInnen überaus sinnvoll, weil so die Lohnkosten gesenkt werden konnten.

Eine solche Spaltung und erst recht jede weitere Zersplitterung bedeutet, dass die Arbeitskämpfe nur schwer zusammengeführt werden können. Selbst die „Arbeitgeberverbände“ sind schon heute verschieden. So wird der TV Stud mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband verhandelt, während die Masse der Uni-Beschäftigten als Landesbeschäftigte gilt, also den VertreterInnen der Länder gegenübersteht. In diesem Sinn kann natürlich auch der TV Stud III, selbst wenn alle Forderungen erfüllt würden, nur ein Schritt hin zu einem gemeinsamen Tarifvertrag sein. Die letzten Jahrzehnte verdeutlichen, wie schwer es ist, eine solche Spaltung wieder rückgängig zu machen. Daher wäre ein Haustarifvertrag – selbst wenn die TU-VerhandlerInnen ihr Angebot deutlich verbessern würden – langfristig ein enormer Rückschlag, der die Kampfbedingungen gegenüber dem aktuellen TV Stud verschlechtern würde.

Vollstreik!

Um eine solche Spaltung zu verhindern, werden jedoch Argumente und der Ruf nach Solidarität alleine nicht reichen. Um die Ziele in ihrer Gesamtheit zu erreichen, aber auch um Zögernde zu überzeugen, müssen wir auch einen Schritt vorwärts, zur Ausweitung der Aktionen machen.

Das kann nur der Erzwingungsstreik sein. An die Stelle der aktuellen Warnstreiks müssen unbefristete Streiks aller Gewerkschaftsmitglieder treten. Dazu ist eine Urabstimmung unter den Mitgliedern von GEW und ver.di notwendig und diese sollte so rasch wie möglich durchgeführt werden.

Die Urabstimmungsphase sollte von Aktionstagen und einer Kampagne zur Organisierung der Unorganisierten begleitet sein. Ein einwöchiger Warnstreik Anfang Februar könnte dazu genutzt werden. Alle studentisch Beschäftigten, die GEW oder ver.di beitreten, sollen von Beginn an das volle Streikgeld erhalten. Um die gewerkschaftlichen Strukturen zu stärken, aber auch die Basis längerfristig zu einer aktiven und demokratischen Kontrolle zu befähigen, braucht es gemeinsame gewerkschaftliche Gruppen an den Unis bzw. den einzelnen Fachbereichen oder Instituten. Die Aktiventreffen an den einzelnen Unis sollten von den Gewerkschaften als solche anerkannt werden (natürlich unter der Voraussetzung des Beitritts zu einer der beiden DGB-Gewerkschaften).

Streikversammlungen und demokratische Kontrolle

Die Aktiventreffen, hunderte Studierende, viele AktivistInnen – ob nun studentische Beschäftigte oder nicht – haben Enormes für die Entwicklung der Bewegung geleistet. Ihre Kreativität, ihr Einfallsreichtum, ihre Zuverlässigkeit waren und sind unersetzbar.

Zugleich gibt es jedoch einen merkwürdigen Dualismus zwischen diesen Strukturen und den Gewerkschaften GEW und ver.di. Deren Apparat arbeitet zwar offen mit diesen AktivistInnen zusammen und unterstützt sie. Letztlich kontrolliert er aber die Tarifbewegung der studentisch Beschäftigten. Die Tarifkommission ist zwar gewählt, über die Frage, wer die Tarifverhandlung wie führt, wer etwaige Kompromisse annimmt oder nicht, bestimmt der Apparat. So hat auch die Vollversammlung am 2. Februar an allen Berliner Unis letztlich nur eine beratende Funktion. Für die Gewerkschaften oder für die Tarifkommission ist deren Ergebnis nicht bindend. Es wäre besser gewesen, wenn diese ordentlich eingeladen worden wäre, um eine Diskussion und bindende Beschlussfassung der streikenden Gewerkschaftsmitglieder zu gewährleisten. (UnterstützerInnen hätten auch dann als Gäste mit Rederecht eingeladen werden können.)

Trotz dieser Schwäche sollte die Vollversammlungen erklären, dass ihre Beschlüsse für den weiteren Kampf bindenden Charakter haben. Sollte dort ein Haustarif abgelehnt werden, so muss dies anerkannt und nicht als bloße Empfehlung betrachtet werden. Sollte dort eine Urabstimmung für einen Vollstreik beschlossen werden, so muss das Ergebnis bindenden Charakter haben. Die VertreterInnen von GEW und ver.di müssen ohne Wenn und Aber erklären, dass sie sich an solche Beschlüsse halten und in ihren Organisationen dafür eintreten. In ver.di beispielsweise bedarf jede Durchführung einer Urabstimmung der Genehmigung durch den Bundesvorstand. Von den VertreterInnen von ver.di muss daher eingefordert werden, dass sie sich (a) für eine solche Genehmigung einsetzen (und diese am besten schon vor dem 2. Februar für den Fall des Beschlusses einholen) und (b) die Gewerkschaftsdemokratie, also das Abstimmungsergebnis, in jedem Fall respektieren und verteidigen.

Um den Vollstreik durchzuführen, braucht es auch aktive Kampfstrukturen. Die Aktivengruppen und Versammlungen an einzelnen Unis stellen eine Keimform dar, die bei einem Vollstreik ausgebaut, auf verschiedene Institute und Fachbereiche ausgedehnt werden muss.

Zugleich braucht es bei einem allgemeinen Streik regelmäßige, d. h. tägliche Streikversammlungen an den verschiedenen Universitäten. Dort wäre nicht nur der Ort für die Auszahlung des Streikgeldes, sie wären auch das Zentrum der Organisierung des Streiks: der Einteilung und Unterstützung von Streikposten für die „eigene“ Uni, aber auch zur Unterstützung anderer; der Bildung von Aktionsgruppen für die (universitäre) Öffentlichkeit; der Diskussion und Beschlussfassung über weitere Aktionen; der laufenden Information über den Stand des Arbeitskampfes sowie etwaiger Angebote der Gegenseite. Alle Verhandlungen sollten öffentlich geführt werden, also beispielsweise durch Live-Übertragung im Internet, damit sich alle Streikenden ein Bild über den Verhandlungsstand und insbesondere die Rolle der „Arbeitgeber“ machen können.

Auf den Vollversammlungen müssen auch alle wesentlichen Entscheidungen zur Streiktaktik, über Verhandlungsergebnisse gefällt werden. Sie sollten auf dieser Basis die Mitglieder der Streikleitungen und der Tarifkommission wählen, abwählen und – wenn notwendig– erneuern.

Koordinierung mit anderen Arbeitskämpfen

Um den Kampf erfolgreich zu führen, brauchen wir auch Solidarität. Das bedeutet natürlich zuerst, dass wir andere Beschäftigtengruppen an den Universitäten und die Studierenden zur Unterstützung auffordern, die Vollversammlungen und auch die Aktionsgruppen für diese öffnen. Erstens brauchen wir mehr aktive UnterstützerInnen z. B. für Streikposten an kritischen Punkten. Zweitens müssen wir auch sicherstellen, dass die Studierenden und anderen Beschäftigten an der Uni nicht durch Lügen und Halbwahrheiten gegen uns aufgehetzt oder auch nur verunsichert und daher passiv werden. Wir brauchen ihre Unterstützung – und die Teilnahme möglichst vieler erleichtert auch die Einbindung in die Aktionen.

Ebenso sollten wir die Linkspartei und die SPD – insbesondere die zahlreichen GegnerInnen einer Großen Koalition – auffordern, aktiv den Kampf für einen TV Stud zu unterstützen. Das würde nicht nur uns Studierenden im Arbeitskampf helfen, es würde den Kampf gegen die Große Koalition über die Urabstimmung hinaus stärken.

In den letzten Jahren haben verschiedene Gruppen prekär Beschäftigter (z.B. CFM in Berlin) begonnen, gegen ihre Entrechtung zu kämpfen. Wir sollten daher aktiv den Schulterschluss mit ihnen suchen, um gemeinsam der Prekarisierung Einhalt zu gebieten.

Schließlich sollten uns aber auch mit den Streikenden in der Metall- und Elektroindustrie oder mit den Tarifkämpfen im öffentlichen Dienst, die in den kommenden Monaten laufen werden, koordinieren. Die Delegationen, die Warnstreiks der IG Metall besuchten, sind ein Schritt in diese Richtung. Noch wichtiger wäre aber, dass IG Metall und ver.di ihre Streiks mit den studentisch Beschäftigten verbinden. Als ersten Schritt in diese Richtung schlagen wir einen gemeinsamen Streiktag an der Uni und in Berliner Großbetrieben vor, der in einer gemeinsamen Demonstration mündet.