Geschichtsrevisionismus an der HU

Gegenwehr! ArbeiterInnenmacht-Flugschrift für Studierende Nr 1, Januar 18

Nicht nur in der Gesellschaft erleben wir tagtäglich die unterschiedlichen Facetten des Rechtsrucks. Auch die Bildung ist davon nicht befreit – sie kann es nicht sein. An der HU sehen wir dabei aktuell die Kampagne gegen den rechten Historiker und Geschichtsrevisionisten Jörg Baberowski, seines Zeichens Professor für Geschichte Osteuropas. Die intellektuelle Auseinandersetzung der IYSSE mit rechter Geschichtsfälschung war gut recherchiert, mutig und mit Bezug auf die Klasseninteressen von Kapital und Proletariat an den deutschen Universitäten geführt.

Dabei wurde gezeigt, wie Baberowskis Revision der NS-Geschichte und seine Nolte-Apologie integraler Bestandteil seiner Positionen zu heutigen deutschen Auslandseinsätzen und der Bereitschaft sind, moderne Kriege brutal führen zu müssen.

Damit unterscheidet sich die aktuelle Kampagne der IYSSE positiv von ähnlichen der letzten Jahre wie z. B. Münkler-Watch, denen unsere Solidarität gilt, die aber ohne fundierte Kritik am objektiven Interesse bürgerlicher Bildung, ohne Klassenbezug und tiefere Reflexion gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Motive verfasst wurden. Sie kratzten mit ihrer sprachpolitischen Kritik an der Ausdrucksweise rechter oder konservativer ProfessorInnen nur an der kommunikativen Oberfläche gesellschaftlich wirksamer Ideologien, während sie deren Zusammenspiel mit materiellen Faktoren ganz außer Acht ließen. Überzeugende Kritik und besonders jene, die klassenpolitisch wirksam sein will, muss die wirtschaftliche Lage und die damit korrespondierenden Klasseninteressen reflektieren.

Vorbildlich ist solche Kritik auch in dem Sinne, dass sie Vorbild sein kann: Baustellen in Gestalt neu-konservativer, rechter und neo-liberaler Profs gibt es zur Genüge. Und/aber sie sind nur der personifizierte Ausdruck eines Bildungs- und letztlich eines gesellschaftlichen Systems, das auf kapitalistischer Ausbeutung beruht, rassistische und sexistische Unterdrückung sowie Diskriminierung fördert. Die Verstrickung von Bildung und Lehre mit Bundeswehr und Ministerien muss nicht verwundern, wenn man reflektiert und versteht, dass der materielle Ausbeutungsmechanismus des kapitalistischen Systems sich ideologisch legitimiert, absichert und imprägniert. Kritik an rechter Ideologie muss immer ihren Bezug zum materiellen Klasseninteresse wahren und diese Ideologie als Ausdruck eines gesellschaftlichen Ganzen entschleiern, sie darf sie nicht als partikulare Frechheit stehen lassen.

Leider hat die Auseinandersetzung der IYSSE mit Baberowski in letzter Zeit an gedanklicher Schärfe verloren und die gut recherchierten, historischen Analysen sind in ihren Flugblättern einem News-Ticker ihrer juristischen Erfolge gegen Baberowski gewichen. Das ist zum einen schade, denn die Kritik rechter Theorien muss weitergetrieben werden – das Ausmaß an Salonfähigkeit eines flüchtlingsfeindlichen Rassismus, deutschen Nationalismus und Antisemitismus zeigt diese Notwendigkeit jeden Tag in den Zeitungen und Nachrichten. Zum anderen manifestiert sich die Kritik der zunächst wissenschaftlich geführten Kampagne gegen Baberowski nun, in ihrer juristischen Phase, in Gerichtsurteilen und schafft Fakten, die Baberowski, seine UnterstützerInnen in der Universitätsleitung und andere Rechte nicht ignorieren können. Um das Partikulare auf der Ebene des Allgemeinen wirken lassen zu können, das Individuum und die individuelle Kritik in ein Verhältnis zur Gesellschaft zu setzen, muss es sich auf höherer Ebene manifestieren als der des gesprochenen Wortes und des Diskurses. Das Elend des gesellschaftlich induzierten individuellen Rassismus lässt sich nur durch die Bekämpfung seiner gesellschaftlichen Ursachen ändern.

Kritik an individuellen Phänomenen einer rassistischen Gesellschaft muss sich materialisieren!