Ökologie: Energiewende ohne Weizenbier

Janosch Janglo, Neue Internationale 177, März 2013

„Einen Vierpersonenhaushalt kostet die Energiewende im Monat 6 bis 7 Euro zusätzlich. Es geht um die Kosten für zwei Weizenbier“. Mit diesem zynischen Zitat kommentierte die grünophile taz die Strompreiserhöhung aufgrund der EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz)-Umlage.

Dabei geht es bei den ab dem 1.1.2013 fälligen 5,3 Cent je Kilowattstunde Zusatzkosten für die EEG-Umlage um mehr als zwei Weizenbier. Sie markieren nur den Zwischenstand ständig steigender Stromkosten und damit sinkender Lebensqualität von Millionen Lohnabhängigen, für die es gar nicht selten oft nur noch eine Alternative gibt: abschalten und im Dunkeln sitzen!

Wahlkampfmaschine auf Touren

Rechtzeitig zur Bundestagswahl 2013 hat Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) auf Wahlkampfmodus geschaltet und spielt den Öko-Anlagenversteher: “Ich hab‘ fast jedes Windrad persönlich gestreichelt und jede Biogasanlage beschnuppert.” Bei fast 23.000 Windrädern und 7.000 Biogasanlagen in Deutschland kann das bestimmt nicht gesund gewesen sein – die giftigen Anstriche und Gerüche müssen ihn blind gemacht haben vor den sozialen Folgen der Strompreiserhöhung.

Auch in Deutschland wird aufgrund der gestiegenen Strompreise inzwischen fast 800.000 Haushalten jährlich die Stromversorgung gesperrt.“Erstaunlich, wie bürgerliche Politiker dann immer pünktlich zu den Wahlen wieder sehen können. So soll, um die Energiepolitik der Bundesregierung in ein sozialeres Licht zu rücken, wieder einmal das EEG frisiert werden. Das wäre dann seit 2009 das zehnte Mal! Allesamt haben sie jedoch kein Jota an Verbesserungen für die Lohnabhängigen gebracht. Die Bundesregierung wird aber auch die Proteste vom Februar in Bulgarien vor Augen haben, wo die gesamte korrupte Regierung nach tagelangen, z.T. militanten Protesten zehntausender Lohnabhängiger wegen zu hoher Strompreise gestürzt wurde.

Auch in Deutschland wird aufgrund der gestiegenen Strompreise nach Schätzungen inzwischen fast 800.000 Haushalten jährlich die Stromversorgung gesperrt. Doch dieser soziale Abstieg Tausender war von Altmaier und Co. längst eingepreist. Die jetzt von ihm vorgeschlagene Deckelung der EEG-Umlage ist nichts weiter als der schlechte Versuch einer sozialen Befriedung sowie der Kauf von Wählerstimmen. Da das Vorhaben aber vom Bundesrat noch abgesegnet werden muss, wo SPD und Grüne die Mehrheit haben und die hier sicher nicht das eigene Gesetz von 2001 begraben werden, zeigt, dass er mehr verspricht, als  er halten möchte. So kann sich Altmaier ohne großes Risiko öffentlich als Hirte der  Verbraucherinteressen hinstellen und das Scheitern der „Opposition“ in die Schuhe schieben.

Noch im Dezember letzten Jahres hat die Bundesregierung die Bauherren der großen Windparks auf See beschenkt, denn ab Januar zahlen VerbraucherInnen auch einen Viertel Cent pro Kilowattstunde in eine Art Versicherungstopf. Da der Netzausbau massiv stockt, Offshore-Anlagen aber schon geplant oder im Bau sind, sollen Kapitalfonds und Energiekonzerne eine Entschädigung aus diesem Topf bekommen, wenn der Netzbetreiber nicht in der Lage ist, schnell genug für den Anschluss an das Netz zu sorgen. Dieses Präsent war nur folgerichtig, denn die Offshore-Windenergie ist zwar die teuerste Variante des „Ökostroms“, aber die einzige, die nach dem Gusto der großen Stromkonzerne ist.

Offshore-Projekte versprechen durch die gesetzlich festgelegte Einspeisevergütung immerhin gesicherte Renditen von 15-20 Prozent. In Zeiten der Schuldenkrise sind solch sichere Anlagemöglichkeiten für Großkonzerne eher rar.

So mischen mittlerweile nicht nur Energiekonzerne den Markt auf, sondern auch Finanzinvestoren wie die Allianz, die in den letzten fünf Jahren bereits 1 Milliarde Euro in alternative Energien investiert hat. Auch Anlagenbau-Unternehmen sind mittlerweile dick im Geschäft. Bereits heute erwirtschaftet Siemens mit 19 Milliarden Euro rund ein Viertel des Umsatzes mit „grüner“ Technologie. Bei Offshore-Windparks gehört Siemens Wind Power inzwischen zu den Weltmarktführern. Der Verbraucher darf hier den Packesel spielen, der jede finanzielle Belastung und jedes Risiko trägt. Sieht man sich die eigentlichen Gründe für die aktuellen Preissteigerungen genauer an, dann wird dieser Esel zusätzlich noch durchs kapitalistische Tollhaus gepeitscht.

Aus den Taschen der Verbraucher

Nicht nur, dass die Verbraucher eben für jene Entschädigungsklausel 2,7 Milliarden Euro zahlen müssen, obwohl sie die Misere fehlender Stromleitungen gar nicht verbockt haben und Investoren mit dem Bau der Windparks, Plattformen und Kabel trotzdem hohe Gewinne einfahren; sie dürfen auch noch mit ihren Löhnen die Gewinne der Konzerne sichern. Und hier wird’s pervers. Mit dem ständigen Ausbau der erneuerbaren Energien und den daraus resultierenden Überkapazitäten ist der Strompreis an der Börse kontinuierlich gesunken. Da aber die Einspeisevergütung gesetzlich garantiert ist, muss der Verbraucher über immer höhere Strompreise das Defizit zwischen Börsenstrompreis und Einspeisevergütung ausgleichen.

So müssen 2013 an die 20 Milliarden Euro an die Energieerzeuger überwiesen werden – für Strom, der an der Börse nur 4 Milliarden kostet.So müssen 2013 an die 20 Milliarden Euro an die Energieerzeuger überwiesen werden – für Strom, der an der Börse nur 4 Milliarden kostet. Ein tolles Geschäft! Natürlich zahlen nicht alle in diesen Topf ein. 2013 werden voraussichtlich ca. 5.000 Unternehmen einen Antrag auf Befreiung von der EEG-Umlage stellen. Ziel der Bundesregierung war es, energieintensive Firmen im internationalen Konkurrenzkampf nicht mit hohen Strompreisen zu schwächen.

Darunter finden sich dann auch Firmen wie z.B. die Stuttgarter Straßenbahn AG, S-Bahn Hamburg oder Weimarer Wurstwaren, die gar nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Der ganze Ökozauber wird dann noch weiter konterkariert durch Unternehmen, die Anlagen nutzlos laufen lassen und vorsätzlich Strom verschwenden, da sie ab 7.000 Benutzungsstunden vom Netzentgelt befreit sind. Oder sie steigern den Stromverbrauch künstlich über die Schwelle von 1 Million Kilowattstunden pro Jahr, so dass ihnen weitgehend die EEG-Umlage erlassen wird.

Dies alles zeigt, dass Altmaier sich kaum mit der Beschneidung von Profiten einer rasant gewachsenen Branche, in der längst Großkonzerne exorbitante Gewinne einfahren und die längst einem Nischendasein entwachsen ist, anlegen will. Hier kommt so langsam auch die Mär von den guten grünen und den bösen fossilen Stromerzeugern unter die Räder, denn eine vernünftige Stromproduktion kann es unter kapitalistischen Verhältnissen auch mit erneuerbaren Energien nicht geben.

Grün, aber unsozial

Im grünen Milieu aus Umweltverbänden, Organisationen der Kirche und den Grünen wird der kleine „Schönheitsfehler“ – die unsoziale Belastung der Lohnabhängigen durch die Energiewende – ausgeblendet, ja spielt in den Forderungen schlichtweg keine Rolle. Es wird zwar immer viel von globaler Gerechtigkeit gefaselt, aber schon auf nationaler Ebene spielt das keine Rolle mehr.

Nur eine demokratisch geplante Energieproduktion kann die Idee einer zu 100 Prozent erneuerbaren Energie verwirklichen!Entweder werden die Belastungen relativiert, da ja die Stromkosten eher kleinere Posten im Haushalt seien oder es müsste halt mehr Beratungsangebote zum Stromsparen geben, ohne dabei zu wissen, dass die meisten Haushalte gar nicht mehr sparen können, weder beim Verbrauch geschweige denn durch Anschaffung sparsamerer Geräte.

Mittlerweile sind Organisationen wie Greenpeace selbst Stromerzeuger, wenn auch auf einem bescheidenen Level. So versorgte Greenpeace Energy 2011 mit eigenen Solar- und Windparks mittlerweile 110.000 Kunden mit „Ökostrom“. Der Umsatz hat sich dabei mehr als verdoppelt: von 35 Mill. Euro 2004 auf 83 Millionen 2011. Klar, dass man sich als kleiner Profiteur der Energiewende die Bilanz nicht versauen lassen will.

Aber auch das Argument „Umweltschutz“ zieht hinsichtlich alternativer Energien nicht mehr besonders. Die Produktion erfolgt eben nicht dezentral und die Grenze ist auch nicht die tatsächlich vor Ort benötigte Energiemenge, sondern für Anleger sind große zentrale Anlagen interessant, die hohe Renditen abwerfen und zugleich die Marktmacht der Großkonzerne sichern. Da spielen die ökologischen Auswirkungen auf Lebensräume oder Arten keine Rolle, auch nicht, ob ein fruchtbarer Acker lieber der Nahrungsmittelproduktion dienen sollte, statt als Solarpark.

Insgesamt stehen auf Dächern, Fassaden und Freiflächen gut 2.000 Quadratkilometer in Deutschland für Photovoltaikanlagen zur Verfügung, das ist ungefähr so viel wie die Fläche von Berlin, Hamburg und Wien zusammen. Da Unternehmen im Kapitalismus bestrebt, ja gezwungen sind, mehr Strom zu produzieren als benötigt wird, gibt es mittlerweile geplante Überkapazitäten in einzelnen Bundesländern von bis zu 60 Prozent. Aber warum sollte ein Unternehmen auch gezwungen sein, Überkapazitäten abzubauen, wenn der Profit über die Einspeisevergütung gesetzlich gesichert ist?

Das Chaos der Energieproduktion, die Abwälzung der Kosten auf den Verbraucher und eine „alternative“ Energieproduktion, die oft keine ist, drängt einem förmlich die Forderung nach einer geplanten Energieproduktion, basierend auf der Kontrolle durch die lohnabhängigen VerbraucherInnen und Beschäftigen auf. Nur so kann nach den Bedürfnissen der VerbraucherInnen eine Energieproduktion erfolgen, die nicht unsinnige Überkapazitäten produziert und die nach sinnvollen Lösungen sucht, die Mensch und Natur nutzen. Nur eine demokratisch geplante Energieproduktion kann die Idee einer zu 100 Prozent erneuerbaren Energie verwirklichen!