Entstehung, Programm, Praxis – zum Charakter der Linkspartei

Martin Suchanek, Neue Internationale 279, Dezember 2023 / Januar 2024

Die Gründung der Partei DIE LINKE 2007 geht auf die Fusion von „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG) und der „Partei des demokratischen Sozialismus“ (PDS) zurück. Sie bildete eine Antwort auf die Agenda 2010, auf die sozialdemokratische Dominanz und den Verrat der SPD an der Arbeiter:innenklasse, der auch im Verhältnis zwischen dieser und Lohnarbeiter:innen eine nachhaltige Zäsur bedeutete.

Das Positive daran war sicherlich eine Erschütterung des SPD-Monopols auch in den Gewerkschaften, die – anders als bei den Grünen in den 1980er Jahren – nicht zur Bildung einer „radikalen“ kleinbürgerlichen, später offen bürgerlichen Alternative zur SPD führte, sondern zur Entstehung einer zweiten reformistischen Partei.

Mit Gründung der Linkspartei ist eine zweite, im Grunde linkssozialdemokratische Partei entstanden. Andererseits war DIE LINKE selbst nie mehr als eine Partei zur Reform und Bändigung des Kapitalismus – und wollte auch nicht mehr sein.

Entstehung

Das verdeutlichte bereits ihre Entstehung. Die PDS war trotz ihres parlamentarischen Überlebens eine schrumpfende Partei, die nur in den neuen Bundesländern und Berlin über einen Massenanhang verfügte. Die Mitgliedschaft betrug 1990 noch 285.000 Mitglieder, 1991 172.579 und im Jahr 2006, also vor Fusion mit der WASG, 60.338.

Die ehemalige PDS-Mitgliedschaft wies bei der Fusion einige Besonderheiten in der Sozialstruktur auf, die davon herrühren, dass sie aus der Partei der ehemals herrschenden Bürokratie der DDR hervorging und die dort politisch absolut dominierende gewesen war.

Mehr als 60 Prozent der PDS-Mitglieder waren 2006 älter als 65 Jahre, also Rentner:innen. Die jüngeren sind es jedoch, die im Apparat der Partei, in den Stiftungen, Landtagen, Kommunen usw. als Funktionär:innen tätig sind. Zweitens lag der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder an der Parteimitgliedschaft in der PDS mit 37 Prozent deutlich unter jenem der SPD (57 Prozent). Drittens verfügten 54 % der PDS-Mitglieder über einen Hochschulabschluss gegenüber 33 Prozent bei der SPD, während umgekehrt nur 30 % die Schule mit einem  Hauptschulabschluss oder ohne Schulabschluss absolviert hatten – ein extrem geringer Prozentsatz für eine Massenpartei, die sich sozial auf das Proletariat stützt, 2006 auch extrem gering gegenüber 40 Prozent bei der SPD und 50 Prozent in der Gesamtbevölkerung.

Die PDS war zwar auch immer eine reformistische, bürgerliche Arbeiter:innenpartei. Aber anders als die SPD stützte sich ihre organische Verankerung kaum auf die Gewerkschaften. Diese wurde vielmehr über den Einfluss in anderen Massenorganisationen wie der Volkssolidarität, Mieter:innenvereinigungen, lokalen Verbänden sowie eine historisch gewachsene Verbindung zu den akademisch gebildeten Schichten der ostdeutschen Lohnabhängigen gebildet. Dazu kam ein Massenanhang auch unter sozial schlechter gestellten Teilen der Arbeiter:innenklasse, insbesondere auch Arbeitslosen im Osten.

Das wirkliche neue politische Phänomen bei der Fusion stellte die WASG dar. Diese war ein Resultat der Massenproteste und Mobilisierungen gegen die Angriffe der rot-grünen Regierung – Agenda 2010 und Hartz-Gesetze – und der damit verbundenen Krise der SPD.

Auch beim Blick auf die WASG ist jede nachträgliche Idealisierung fehl am Platz. Schon der Name „Wahlalternative“ war instruktiv dafür, worin die Praxis der zukünftigen Partei bestehen sollte. Zweitens war die WASG von Beginn an von einem „traditionalistischen“ Flügel der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie, ihren akademischen Wasserträger:innen und ehemaligen SPD-Funktionär:innen um Lafontaine dominiert und geführt.

Für diese, die WASG von Beginn an prägende und dominierende Strömung war immer auch klar, wie eine zukünftige neue Partei der „sozialen Gerechtigkeit“ aussehen müsste. Sie sollte eine Wahlpartei sein, die im Zusammenspiel mit den Gewerkschaften und deren Führungen sowie anderen, vom Reformismus dominierten sozialen Bewegungen (z. B. attac, Friedensbewegung) v. a. an der Wahlurne einen „Politikwechsel“ erzwingt, eine Partei, deren Ziel die Verteidigung oder Wiedererrichtung des „Sozialstaates“ war.

Die WASG litt jedoch an einem inneren Widerspruch, der die reformistische Führung umtrieb und beunruhigte und zugleich das klassenkämpferische Potenzial der neuen Partei zum Ausdruck brachte. Die WASG zog nämlich als Mitglieder nur wenige Bürokrat:innen an, sondern vor allem Arbeitslose und Aktive aus den sozialen Bewegungen. Sie war eine Partei der Hartz-IV-Bezieher:innen; von Arbeitslosen, die damals mit 345 (West) bzw. 331 (Ost) Euro plus Wohngeld über die Runden kommen mussten. In vielen Städten machten diese die Hälfte der Mitgliedschaft oder mehr aus.

Auch wenn diese Schicht der Mitgliedschaft viele der Illusionen in den „Sozialstaat“, den Parlamentarismus und die Möglichkeit einer „Reformpolitik“ teilte, so wollte sie eine aktive Partei bilden, die für die Belange der Arbeitslosen und anderer Unterdrückter und Ausgebeuteter kämpft.

Die WASG war zwar von Beginn an eine bürgerliche Arbeiter:innenpartei. Doch die vorherrschende Bürokrat:innenclique verfügte noch nicht über einen starken, verlässlichen Apparat. Noch hatte sich in ihr kein stabiles Verhältnis zwischen Führung und Basis herausgebildet, das in langjährig etablierten reformistischen Parteien fast automatisch die Gefolgschaft der, meist passiven, Mitglieder sicherstellt. Die WASG hingegen war eine reformistische Partei mit einer außergewöhnlich aktiven Mitgliedschaft, was aus ihrer Verbindung zur Arbeitslosenbewegung herrührt.

Für die PDS und heute DIE LINKE oder die SPD war und ist es normal, dass die überwältigende Mehrheit der Mitglieder außer der Beitragszahlung nichts oder wenig tut, zu keinen Versammlungen erscheint oder, wo sie es tut, dort mehr oder weniger passiv agiert und die Vorgaben von oben abnickt. Das stärkt die Führung und das ist im Grunde auch so gewollt. Die aktiven Mitglieder reformistischer Parteien sind in der Regel die Funktionär:innen der Partei bzw. Funktionsträger:innen des bürgerlichen Staates oder korporatistischer Gremien wie Betriebsräten, von Sozialverbänden oder ähnlichem. Und genau diesen „Normalzustand“ einer bürgerlichen Partei – und eine solche, wenn auch besondere Form ist auch eine bürgerliche Arbeiter:innenpartei – wollten die Spitzen von WASG und PDS mit der Fusion zur Linkspartei bewusst herbeiführen.

Das haben sie mit der Fusion mit der PDS auch geschafft. Von den 12.000 WASG-Mitgliedern machte nur etwas mehr als die Hälfte die Fusion mit. Viele widersetzten sich der bürokratischen Fusion und der Regierungspolitik der PDS, die vor allem in Berlin katastrophal war. Den Höhepunkt erlebte diese Rebellion der Bewegungsbasis in der Kandidatur der Berliner WASG gegen die PDS 2006, wo die PDS 9,2 % der Stimmen verlor und auf 13,4 % absackte. Die Berliner WASG konnte einen Achtungserfolg mit 3,8 % der Erststimmen und 2,9 % der Zweitstimmen (40.504) verbuchen.

Dieser Erfolg der WASG und die Formierung des Netzwerks Linke Opposition (NLO) brachten das Potential eines Bruchs und einer weiteren Radikalisierung zum Ausdruck, der jedoch auch daran scheiterte, dass ein Teil der Linken, die den Wahltritt in Berlin unterstützt hatten, vor dieser Perspektive zurückschreckte und, allen voran die SAV, in den Schoß der Linkspartei zurückkehrte. Neben linken Fusionsgegner:innern blieben v. a. die Arbeitslosen, die unteren Schichten der Arbeiter:innenklasse, der neuen Partei fern.

Die Entstehung 2007 verdeutlicht auch das reale Verhältnis der Partei zu sozialen Bewegungen. Diese sind solange willkommen, als sie der Partei Mitglieder und Wähler:innen zutragen – nicht jedoch als eigenständiger Faktor, der der Spitze gefährlich werden und die Partei real zu einem Instrument von Klassenbewegungen von unten machen könnte.

Außerdem konnte DIE LINKE diese Verluste durch ein scheinbar stetes Wachstum und Wahlerfolge von 2007 – 2010 leicht kompensieren. Abgesehen von Bayern überwand sie in diesem Zeitraum bei allen westdeutschen Landtagswahlen die 5 %-Hürde. Auch im Osten fuhr DIE LINKE Rekordergebnisse ein, so 2009 in Thüringen (27,4 %) und Brandenburg (27,2 %). Bei den Bundestagswahlen 2009 brachte sie es auf 11,5 % (gegenüber 8,7 % 2005) und 76 Abgeordnete.

Bei ihrer Gründung 2007 hatte DIE LINKE insgesamt 71.711 Mitglieder in 16 Landesverbänden. In den Folgejahren stieg die Zahl auf 75.968 (2008) und 78.046 (2009). 2010 schrumpfte die Mitgliedschaft jedoch um fast 5.000 auf 73.658. Seither ist die Mitgliederzahl der Partei, wenn auch mit einzelnen Ausnahmen, stetig rückläufig. 2023 beträgt sie nur noch 55.000.

Programm und Strategie

Dem reformistischen Charakter der Partei entsprachen von Beginn an ihre programmatischen, strategischen Vorstellungen.

Das Programm der Partei DIE LINKE (Programmatische Eckpunkte, angenommen 24./25. März 2007) trug von Beginn an die Handschrift des keynesianischen, auf die Gewerkschaftsbürokratie und die Arbeiter:innenaristokratie orientierten Mehrheitsflügels der Partei. Als strategisches Ziel der Partei verortet es einen „Politikwechsel“, gestützt auf das Erringen einer „antineoliberalen gesellschaftlichen Hegemonie“.

DIE LINKE bekennt sich in den programmatischen Eckpunkten ihres Gründungsparteitages 2007 ausdrücklich zum freien Unternehmer:innentum. Dort heißt es: „Gewinnorientiertes unternehmerisches Handeln ist wichtig für Innovation und betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit.“ (S. 3) Der Staat habe nur dafür zu sorgen, dass dieses im kreativen Überschwang nicht über die Stränge schlage und gegen das Gemeinwohl verstoße.

Dahinter steht die alte reformistische Mär, dass der Gegensatz von Kapital und Arbeit im Rahmen der kapitalistischen Verhältnisse durch die Intervention von Staat und Politik, wenn schon nicht überwunden, so erfolgreich abgemildert werden könne – was wiederum impliziert, dass „der Staat“ kein Instrument zur Sicherung zur Herrschaft der Bourgeoisie wäre, sondern über dem Klassengegensatz stünde.

Dabei ist den Strateg:innen der LINKEN durchaus klar, dass eine einfach Mehrheit im Parlament, ein Parteienbündnis von LINKEN und SPD (und evtl. den Grünen) nicht ausreicht, um die Sabotage jeder fortschrittlichen Maßnahme durch die herrschende Klasse, die Manipulation der öffentlichen Meinung durch die monopolisierten bürgerlichen Medien usw. abzuwehren.

Marx, Lenin und alle anderen revolutionären Marxist:innen haben daraus und aus der Aufarbeitung der Klassenkämpfe und Revolutionen seit Beginn der bürgerlichen Epoche den Schluss gezogen, dass das Proletariat – will es sich befreien, will es dem kapitalistischen Ausbeutungssystem ein Ende setzen – den bürgerlichen Staat nicht einfach übernehmen, nicht auf eine „Regulierung“ des Kapitalmonopols an den Produktionsmitteln hoffen darf, sondern die herrschende Klasse enteignen, den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen und durch die Herrschaft der in Räten organisierten bewaffneten Arbeiter:innenklasse ersetzten muss.

DIE LINKE schlägt hier einen ganz anderen, wenn auch nicht gerade originellen Weg vor. Eine „Reformregierung“ müsse sich auf die „gesellschaftliche Hegemonie“ stützen – sprich darauf, dass auch die „weitsichtigen“ und „sozialen“ Teile der herrschenden Klasse für eine Politik des Klassenausgleichs gewonnen werden müssen.

Eine solche Politik bedeutet notwendigerweise eine Unterordnung der LINKEN unter einen Flügel der herrschenden Klasse, eine Garantie für das Privateigentum an den Produktionsmitteln. Es bedeutet notwendig eine staatstragende Politik der „Opposition“.

Der Partei schwebt eine Marktwirtschaft ohne große Monopole und Konzerne vor, ein Sozialismus auf Basis von Warenproduktion und pluralen Eigentumsverhältnissen.

DIE LINKE erkennt zwar die Existenz von Klassen und auch des Klassenkampfes an – aber nicht dessen Zuspitzung. Der Kampf für Sozialismus oder eine andere Gesellschaft durch die Linkspartei ist für die Alltagspraxis allerdings weitgehend fiktiv, eine Worthülse. Das drückt sich auch im Sozialismusbegriff aus. Dieser wird nicht als bestimmte Produktionsweise, sondern vor allem als Wertegemeinschaft verstanden. So heißt es im Grundsatzprogramm von 2011:

„Wir wollen eine Gesellschaft des demokratischen Sozialismus aufbauen, in der die wechselseitige Anerkennung der Freiheit und Gleichheit jeder und jedes Einzelnen zur Bedingung der solidarischen Entwicklung aller wird.“

Dieser Anklang an Marx ist allerdings auch schon alles, was mit dessen Vorstellung von Sozialismus/Kommunismus und dem Weg dahin zu tun hat. Anstatt einer Revolution als Vorbedingung zur Entwicklung gen Kommunismus sieht der Programmentwurf einen „längere(n) emanzipatorische(n) Prozess (vor), in dem die Vorherrschaft des Kapitals durch demokratische, soziale und ökologische Kräfte überwunden wird und die Gesellschaft des demokratischen Sozialismus entsteht.“ Der Boden des bürgerlich-demokratischen Systems ist ihr als politisches Terrain heilig, die sozialistische Revolution lehnt sie ab.

Das bedeutet aber auch, dass sie die Maßnahmen zur Verwirklichung ihrer Ziele und Version dieses Sozialismus durch Regierungsbeteiligungen herbeiführen muss. Wo die Linkspartei an der Regierung ist, gestaltet sie die bestehenden Verhältnisse mehr oder minder sozial mit. Dabei akzeptiert sie die Institutionen des bürgerlichen Systems als unüberschreitbaren Rahmen linker Politik, der allenfalls durch einzelne Reformen zu erweitern wäre.

Das entscheidende Problem dieser Konzeption liegt im Verständnis von Klassenkampf und Staat. Der bürgerliche Staat wird als Mittel zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse begriffen, als Terrain des Klassenkampfes, nicht als Staat des Kapitals, als Herrschaftsinstrument der Bourgeoisie.

Der Unterschied zum Marxismus besteht dabei nicht darin, dass der Kampf um Reformen und für demokratische Rechte abzulehnen wäre. Er besteht auch nicht darin, dass nicht auch Kämpfe auf staatlichem Terrain ausgetragen werden können und müssen, sondern in der Annahme, dass diese den Klassencharakter des bürgerlichen Staats aufheben könnten. Die Transformationsstrategie begreift ihn als ein ein zu reformierendes Instrument gesellschaftlicher Veränderung hin zum Sozialismus.

Das findet sich auch im noch heute gültigen Grundsatzprogramm von 2011, dem angeblich linken „Erfurter Programm“ wieder:

„DIE LINKE kämpft in einem großen transformatorischen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung für den demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Dieser Prozess wird von vielen kleinen und großen Reformschritten, von Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe gekennzeichnet sein.“

Auch wenn hier nebulös von Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe gesprochen wird, so bleibt folgendes Kernproblem: Die Transformationsstrategie löst die Dialektik von Reform und Revolution so auf, dass die Revolution als eine in die Breite gezogene, bloß tiefer gehende, grundlegendere und langwierige Reform verstanden wird. Die Revolution bildet dann im Grunde nur eine Fortsetzung ewiger Reform- und Transformationsbemühungen.

Kommunistische Politik betrachtet die Frage gerade umgekehrt. Die Revolution stellt einen Bruch dar, ein qualitativ neues Moment, eine grundlegende Veränderung der Machtverhältnisse. So wichtig einzelne Reformen auch sein mögen, so zeichnet sich eine revolutionäre Veränderung durch die Machteroberung einer bisher ausgebeuteten Arbeiter:innenklasse aus. Dabei ist aber nicht die Transformation des bürgerlichen Staates kennzeichnend, sondern vielmehr umgekehrt das Zerbrechen oder Zerschlagen dieses Apparates. Die Herrschaftsinstrumente des Kapitals werden ersetzt durch qualitativ neue vorübergehende Formen politischer Herrschaft, die Räteherrschaft der Arbeiter:innenklasse, also die Diktatur des Proletariats anstelle der des Kapitals.

Vor diesem Hintergrund wird auch die Begrenztheit einer in der Linkspartei gern geführten Debatte zwischen linkem und rechtem Flügel ersichtlich, zwischen kommunaler/parlamentarischer Regierungsarbeit und Bewegungslinker/Parteiapparat. Die gesamte Transformationsstrategie verspricht zwar eine Verbindung dieser, stößt aber unwillkürlich selbst auf das Problem, dass eine bürgerliche Regierung auch mit der Linkspartei eine solche bleibt. D. h., die Partei muss dann notwendigerweise an der Regierung gegen die Interesse der Arbeiter:innenklasse und Unterdrückten handeln und jene der herrschenden Klasse vertreten – oder sie müsste mit ihrem gesamten Konzept brechen. Die Transformationsstrategie, die in der realen Regierungspraxis ohnedies keine Rolle spielt, erfüllt im realen Leben im Grunde nur die Aufgabe einer Rechtfertigungsideologie für die bestehende Praxis.

Wohin das Konzept der Linkspartei führt, zeigt sich an den Regierungen selbst, wenn sie teilweise aktiv in Bewegungen ist. Auch dort nimmt es eine zwiespältige Haltung an, z. B. in der Wohnungspolitik Berlins. Dort wird DWE unterstützt, aber die rot-roten Regierungen hatten mehr Wohnungen privatisiert als jede andere. Wo DIE LINKE regiert, erfüllt sie auch alle repressiven Aufgaben des Staates – z. B. regelmäßige Abschiebungen von Geflüchteten auch in Berlin oder Thüringen etc. Über diese Leichen im Keller spricht die Linkspartei nicht gerne. Dabei bilden sie das notwendige Resultat ihrer Realpolitik.

Selbst wo die Partei noch längst nicht Regierungsfunktionen ausübt, präsentiert sie sich allzu oft als staatstragend. So z. B. der Spitzenkandidat Bartsch, als er an einer Solidaritätskundgebung mit Israel während der Bombardierung von Gaza teilnahm.

Diese alles andere als sozialistischen Politiken sind keine Warzen im demokratisch-sozialistischen Gesicht der Linkspartei, sondern notwendige Folgen ihrer politischen Konzeption. Sie liegen in der Logik einer Partei, die den Kapitalismus nicht überwinden, die Herrschaft der Bourgeoisie nicht brechen, den bürgerlichen Staat nicht zerschlagen, sondern mit verwalten und transformieren will.

Programmatische Methode

Dies erfordert jedoch nicht nur eine Ablehnung, sondern auch eine Kritik der Methode des Programms. Allgemein fällt bei diesem auf, dass es zwar viele Forderungen inkludiert, aber vollkommen unklar ist, welchen Stellenwert sie für die Praxis und Strategie der Partei haben. Dieses Manko ist jedoch durchaus typisch für reformistische Organisationen. Schließlich will die Parteiführung nicht gern an den eigenen Versprechen gemessen werden. Sie will freie Hand haben und sich nicht mit Forderungen ihrer Mitglieder und Anhänger:innen konfrontiert sehen, welche die Erfüllung der Versprechen einfordern und Rechenschaft verlangen könnten.

Insgesamt offenbart der Entwurf ein Programmverständnis, das methodisch im Reformismus und Stalinismus wurzelt. Es ist vom Programmtyp her ein Minimal-Maximal-Programm, d. h. der Sozialismus als „historisches Endziel“ steht – trotz der scheinbaren Verbindung durch einen  längeren „transformatorischen Prozess“ – unverbunden neben (oft durchaus richtigen) Alltagsforderungen. Die Kämpfe um höhere Löhne, gegen Sozialabbau, Hartz IV, Krieg, Aufrüstung usw. sind aber nicht mit dem Ringen um den Sozialismus verwoben. Der Sozialismus ist als Losung im Grunde hier nichts anderes als das Amen in der Sonntagspredigt.

Anstelle eines Minimal-Maximal-Programms bräuchte es ein Programm von Übergangsforderungen. Ein solches müsste soziale, gewerkschaftliche und demokratische Kämpfe gegen Krise, Krieg und Rassismus mit der Perspektive der Machtergreifung der Arbeiter:innenklasse verbinden. Diese käme allerdings nicht etwa dadurch zustande, dass Forderungen wie „Gegen Entlassungen! Für Verstaatlichung!“ usw. einfach mit der Losung „Für Sozialismus!“ ergänzt werden. Dazu wäre es nötig, dass die Selbstorganisation der Klasse gefördert wird, dass sie sich eigene Machtpositionen und -organe im Betrieb, im Stadtteil und letztlich in der Gesellschaft erkämpft. Solche Forderungen sind z. B. jene nach Arbeiter:innenkontrolle über Produktion, Verteilung, Verstaatlichung, Sicherheitsstandards usw. Es sind Forderungen nach Streikkomitees, die von der Basis direkt gewählt und ihr verantwortlich sind; zur Schaffung von Streikposten, Selbstverteidigungsorganen, Preiskontrollkomitees usw. bis hin zu Räten, Arbeiter:innenmilizen und einer Arbeiter:innenregierung, die sich auf die Mobilisierungen und Kampforgane der Klasse stützt.

Diese – und nur diese – Übergangsmethodik würde programmatisch das repräsentieren, was Marx über den Sozialismus sagte: dass er die „wirkliche Bewegung“ ist und nicht etwa nur eine „Vision“ oder „Utopie“, wie es DIE LINKE gern formuliert. Diese Elemente fehlen in deren Programm völlig.

Dieser sicher nicht nur für diese Partei typische Mangel bedeutet konkret, dass die Arbeiter:innenklasse in ihrem Kampf über das, was sie als Führungen und Strukturen vorfindet, nie bewusst und gezielt hinauskommt. Es bedeutet, dass das Proletariat letztlich den reformistischen Parteien, Gewerkschaftsapparaten, Betriebsräten, dem Parlamentarismus oder, noch schlimmer, den spontan vorherrschenden bürgerlichen Ideologien dieser Gesellschaft ausgeliefert bleibt.

Das Fehlen von Übergangsforderungen bedeutet, dass die Klasse sich in ihrem Kampf bürgerlichen Strukturen und Ideen unterordnet. Gemäß der LINKEN soll also die gesellschaftliche Dynamik zur Überwindung des Kapitalismus in den Bahnen der alten Gesellschaft, also zu den Bedingungen der Bourgeoisie erfolgen. Daran ändern auch ein paar Volksentscheide oder ein bisschen mehr „Mitbestimmung“ nichts.

Methodisch wurzelt all das letztlich in einer undialektischen Sichtweise von Geschichte und Klassenkampf. Das Prinzip des Minimal-Maximal-Programmes entspricht der Vorstellung von gesonderten, nicht miteinander verbundenen Etappen der Revolution bzw. des historischen Prozesses allgemein. Wie im Stalinismus, der die Revolution auf die demokratische Phase beschränkte, geht es auch der LINKEN um begrenzte Reformen. Dass selbst diese objektiv oft eine Dynamik Richtung Sozialismus annehmen, selbst die Umsetzung grundlegender bürgerlich-demokratischer Aufgaben im imperialistischen Zeitalter nur durch das Proletariat und unter dessen Führung errungen und durch den Sturz der Bourgeoisie gesichert werden kann, bleibt der LINKEN ein Buch mit sieben Siegeln.

Das marxistische Programmverständnis hingegen geht vom aktuellen Stand des internationalen Klassenkampfes aus und unterbreitet Vorschläge, wie dieser – also Aktion, Bewusstsein und Organisierung – vorangebracht werden kann. Das impliziert auch, konkret zu benennen, welche Kampfformen, Konzepte, Organisationen und Führungen den Kampf behindern, schwächen oder falsch orientieren und wie die Klasse den Einfluss dieser Faktoren überwinden kann.

Das Programm der Linkspartei entspricht deren reformistischem Charakter. Es entspricht den politischen Zielen der zentralen Teile des Apparates und des Funktionärskörpers, der sie dominiert, entspricht der tagtäglichen realen parlamentarischen Praxis, ob nun als Regierung oder Opposition, und auch den gelegentlichen Ausflügen und Interventionen in Bewegungen und linke Gewerkschaftsmilieus, als deren Vertretung sich DIE LINKE betätigt. Das alles sollte niemanden überraschen, zumal die Spitzen der Linkspartei aus ihrem Reformismus auch nie ein Geheimnis gemacht haben.

Umso erstaunlicher und beschämender ist jedoch, dass große Teil der Linken in der Linkspartei jahrelang diese Tatsachen schönredeten. So verkannten sie die Annahme des Erfurter Programm 2011 als „Erfolg“ der Linken in der Partei, weil es den Regierungssozialist:innen angeblich „rote Haltelinien“ bei der Regierungsbeteiligung auferlegt hätte. Christine Buchholz (damals marx21, heute Sozialismus von unten) und Sahra Wagenknecht freuten sich damals noch gemeinsam über das Programm. Gegenüber der Jungen Welt erklärte Buchholz: „Die Art und Weise, wie die Debatte gelaufen ist, stimmt mich da sehr zuversichtlich: Wir haben am Wochenende eine konstruktive Diskussion gehabt, nach der es weder Sieger noch Besiegte gibt. Ich persönlich bedaure z. B., dass unsere ‚Haltelinien‘ geschwächt sind, andere kritisieren andere Punkte – aber die Richtung stimmt.“

Wer solche „Siege“ erringt, braucht keine Niederlagen. Auch die AKL gab sich damals „insgesamt zufrieden“. Am kritischsten äußerte sich noch die SAV. Sie bemängelte zwar „Aufweichungen“ des Programms, lobte aber dessen grundsätzlich richtige „antikapitalistische Stoßrichtung“.

Stagnation, Krisen und Niedergang

Nach den Wahlerfolgen der Anfangsjahre trat freilich Ernüchterung ein, die sich in stagnierenden und fallenden Mitgliederzahlen und Wahlniederlagen widerspiegelte, in Flügelkämpfen und seit 2022 in einer existenziellen Krise.

Dabei formierten sich auch die politischen Flügel teilweise neu. Lange Zeit bildeten die ostdeutschen Realos den sog. Hufeisenflügel mit den angeblichen linken Wagenknecht-Anhänger:innen. Demgegenüber formierte sich die sog. Bewegungslinke, die ihrerseits ein strategisches Bündnis mit den Regierungssozialist:innen gegen Wagenknecht einging – natürlich alles zum Wohl der Partei und ihres Überlebens. Doch dürfen bei diesem allgemeinen Niedergang wichtige Veränderungen der Parteizusammensetzung und Wähler:innenbasis nicht übersehen werden.

Rund 60 % ihrer Mitglieder sind erst nach 2011 eingetreten, die ehemaligen PDS-Genoss:innen sind längst zu einer kleinen Gruppierung geworden. 15 % der Mitglieder sind unter 35. Dies ist mehr als bei jeder anderen Bundestagspartei und stellt auch einen Zuwachs seit Parteigründung dar. Zugleich stellen die Altersgruppen der 50- – 64-Jährigen und der 65- – 79-Jährigen je 27 % der Mitglieder. Die Linkspartei ist vergleichsweise schwach unter der Altersgruppe von 36 – 49 vertreten.

Die Linkspartei hat wichtige Schichten und die Bindekraft zu Arbeitslosen, ärmeren Teilen der Klasse und auch des Kleinbürger:innentums im Osten an die AfD verloren. Dies ist zweifellos Resultat von Regierungspolitik und Anpassung, aber auch eines Rechtsrucks und einer Demoralisierung von Teilen der Lohnabhängigen selbst.

DIE LINKE hat massiv Mitglieder, Verankerung und Wähler:innen in der Fläche im Osten verloren. Ihre, wenn auch oft geschwächte Mitglieder- und Wähler:innenbasis kommt aus Großstädten sowie Städten und Ortschaften zwischen 5.000 und 20.000 Einwohner:innen. In Kleinstädten und auf dem Dorf ist sie wenig bis gar nicht vorhanden. Zugleich hat sie im Westen eine stärkere Verankerung in der Arbeiter:innenklasse und der Jugend (und somit über längere Zeit auch bei jüngeren Lohnabhängigen) gewonnen. So entspricht der Anteil von „Arbeiter:innen“ unter den Berufstätigen 17 %, der von Angestellten 67 % (darunter 35 % im öffentlichen Dienst). Gleichzeitig dominiert noch immer ein überdurchschnittlich hoher Schulabschluss und Bildungsniveau unter den Mitgliedern, während der Anteil von Arbeitslosen und Auszubildenden geringer als in anderen Parteien ist. Das drückt sich auch in veränderten Größen der Landesverbände und einem stärkeren Gewicht im Westen aus.

Diese Verschiebungen verweisen auch darauf, dass die Linkspartei in den Gewerkschaften und Betrieben, also in der organisierten Arbeiter:innenklasse stärker geworden ist, und zwar deutlich mehr, als dies bei Wahlen zum Ausdruck kommt. Von den Mitgliedern her stützt sich die Partei vor allem auf die mittleren und bessergestellten urbanen Schichten der Lohnabhängigen. Sie verfügt also über eine für eine reformistische Partei eher typische stärkere Verankerung in der Arbeiter:innenaristokratie als unter der Masse des Proletariats.

Die betrieblichen und unteren gewerkschaftlichen Funktionsträger:innen betreiben zwar nicht einfach dieselbe Politik wie der sozialdemokratisch dominierte Apparat, aber sie fordern diesen nicht heraus, zumal ihre reformistische Politik natürlich auch im Rahmen tarifvertraglicher und sozialpartnerschaftlicher Regulierung bleibt. Die Linkspartei betreibt z. B. eine aktive Politik, ihre jüngeren AnhängerInnen aus den Unis in den Gewerkschaftsapparat zu schicken (z. B. über Organizing- und Trainee-Programme) und so ihre Verankerung zu stärken. Auch die Konferenz zur gewerkschaftlichen Erneuerung, die DIE LINKE zuletzt im Mai 2023 in Bochum mit 1.550 Teilnehmer:innen organisierte, belegt einen gewachsene Verankerung im Gewerkschaftsapparat und unter betrieblichen Funktionär:innen.

Sie hat in den letzten Jahren an Verankerung in sozialen Bewegungen gewonnen, wenn auch nicht ohne Rückschläge und eher indirekt, also über die Zusammenarbeit, informelle Bündnisse mit Teilen der radikalen Linken (IL, Antifa) und Migrant:innenorganisationen (einige kurdische Vereine, Teile von Migrantifa). Der Beitritt von etlichen hundert Menschen aus dem „linksradikalen“ Milieu im November 2023 belegt diesen Trend.

Grundsätzlich kann aber gesagt werden, dass in den letzten 4 – 5 Jahren die Zuwächse im Westen die Verluste im Osten nicht mehr ausgleichen. Die Partei stagniert oder verliert fast überall. Das bildet letztlich auch den Boden für die innere Krise einer parlamentarisch fixierten reformistischen Partei, die um ihr Überleben als solche kämpft.

Dominanz der Funktionär:innenschicht

Über der sozialen Basis und den Mitgliedern und Wähler:innen erhebt sich ein Funktionär:innenapparat, der die Partei führt und prägt. Die Tätigkeit der aktiven Mitglieder ist wesentlich auf Vertretung in kommunalen, regionalen Strukturen, Ländern, Bund vertreten. DIE LINKE verfügt über 6.500 kommunale und sonstige Abgeordnete, über 200 Parlamentarier:innen und hauptberufliche Mitarbeiter:innen. Allein die Zahl der Kommunalpolitiker:innen, darunter hunderte Bürgermeister:innen, beläuft sich auf über 5.000 und diese sind vor allem im Osten tätig.

Der Stiftung der Partei beschäftigt natürlich auch vom Staat gesponsorte hauptamtliche Funktionär:innen – und diese bald in jedem Bundesland. Hinzu kommt noch ein Parteiapparat im Bund und allen Ländern. Wenn man all dies addiert, so kommt die LINKE auf mehrere hundert, wenn nicht tausend hauptamtliche Funktionär:innen, die Einkommen direkt aus dem Parteiapparat oder staatlichen Vertretungsorganen beziehen. Andere erhalten bloß Aufwandsentschädigungen. Hier sind noch gar nicht jene Abteilungen der Arbeiter:innenbürokratie in der LINKEN mitgezählt, die ihre Einkünfte aus anderen Quellen – dem Gewerkschaftsapparat oder als freigestellte Betriebsräte – beziehen.

All diese machen einen selbst für eine bürgerliche Partei untypisch hohen Anteil der Funktionär:innen an der aktiven Mitgliedschaft aus – von Funktionär:innen, die fest in die Tagesgeschäfte des bürgerlichen Systems eingebunden sind, und zwar nicht nur oder nicht einmal in erste Linie in Landesregierungen, sondern vor allem auf der kommunalen Ebene, wo die parteiübergreifende Zusammenarbeit noch viel pragmatischer geregelt wird, wo Klassenzusammenarbeit tägliches Brot darstellt und somit auch eine feste Basis für den Reformismus auf „höheren“ Ebenen abgibt. Diese Funktionär:innen machen insgesamt über 10 % der Mitgliedschaft aus. Ziehen wir in Betracht, dass die Mehrheit der Mitglieder passiv ist, am regelmäßigen Parteigeschehen nicht teilnimmt, so dominiert diese Schicht im Grunde alle größeren Strömungen der Partei. Der Unterschied besteht dann eher darin, mit welchen Milieus (Kommunalpolitik, gewerkschaftliches Organizing, soziale Bewegungen und NGO-artige Kampagnen) sie verbunden sind.

Selbst wo die Partei noch längst nicht Regierungsfunktionen ausübt, präsentiert sie sich allzu oft staatstragend. So z. B. bei der Solidaritätskundgebung mit Israel im Bundestag.

Taktik

Angesichts der aktuellen Angriffe und des gesellschaftlichen Rechtsrucks stellt DIE LINKE weiter eine organisierte Kraft der Arbeiter:innenklasse dar, die zur gemeinsamen Aktion aufgefordert, der gegenüber auf verschiedenen Ebenen (bis hin zur kritischen Wahlunterstützung) die Taktik der Einheitsfront angewandt werden muss. Aber wir dürfen uns dabei keine Illusionen über den Charakter der Partei machen und müssen uns vergegenwärtigen, dass sie nicht nur eine aktive Minderheit der organisierten Arbeiter:innenklasse vertritt, sondern zugleich auch ein Hindernis für den Aufbau einer wirklichen Alternative, einer revolutionären Arbeiter:innenpartei darstellt.

Daher muss die Anwendung einer Einheitsfronttaktik Hand in Hand mit einer marxistischen Kritik und dem Kampf für eine revolutionäre Alternative zur Linkspartei einhergehen.

Natürlich ist es unter den gegebenen Bedingungen notwendig, z. B. in DWE oder den Gewerkschaften gemeinsam zu kämpfen. Es ist auch notwendig, den gemeinsamen Kampf gegen laufende und kommende Angriffe zu intensivieren, von der Linkspartei dies einzufordern.

Heute geht es aber nicht primär darum, gemeinsame Handlungsfelder auszuloten, sondern darum, was die Linkspartei ist und was Sozialist:innen oder Kommunist:innen daraus folgern sollen: Sie sollten sich keinen Illusionen in die Partei hingeben, sondern selbst eine linke Kritik entwickeln und am Aufbau einer revolutionären Alternative zur Linkspartei mitwirken, den Aufbau einer revolutionären Arbeiter:innenpartei vorantreiben!

Eine solche Partei wird sicherlich nicht einfach durch lineares Wachstum aus einer der bestehenden kommunistischen oder sozialistischen Kleingruppen oder deren bloßer Vereinigung entstehen können. Es braucht eine Kombination aus gemeinsamem Kampf und gemeinsamer Bewegung mit einer programmatischen Klärung. Das heißt aber auch Überwindung der reformistischen Begrenztheit und Schwächen der Linkspartei, nicht nur des Wagenknecht-Flügels und der Regierungssozialist:innen, sondern auch der sog. Transformationsstrategie.




Wer hat Angst vor der Linkspartei?

Martin Suchanek, Revolutionärer Marxismus 40, März 2009

Es geht ein Gespenst um, in Deutschland – so spielt die Partei DIE LINKE gern auf sich und ihre Wahlerfolge an. Bezog sich Marx 1848 damit auf den Kommunismus, so versucht DIE LINKE mit dem Reformismus der Sozialdemokratie die SPD zu erschrecken.

Die Partei hat aber auch über Deutschland hinaus die Aufmerksamkeit Linker aller Couleur auf sich gezogen. Als Vorbild gilt sie Gewerkschafts- und SP-Bürokraten, die von der Politik der „Neuen Mitte“, des „Dritten Weges“ und anderen Formen der Anpassung an die bürgerliche Mitte frustriert sind und der gute alten Zeit des „fairen“ Klassenkompromisses nachtrauern. Als Vorbild gilt sie jenen, die hoffen, die Sozialdemokratie durch das Gespenst der Linksparteien wieder auf einen „sozialeren“ Kurs zu bringen.

Als Vorbild gilt sie aber auch vielen AntikapitalistInnen, die eine „breite“ reformistische Partei als notwendigen, ja unvermeidlichen Schritt für die Entwicklung des sozialen und politischen Widerstandes betrachten.

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die Zuwächse der Linkspartei in den Umfragen sowie die Wahlerfolge der letzten Jahre Ausdruck wachsender Unzufriedenheit der ArbeiterInnen und Angestellten, der MigrantInnen, der Jugend, von Arbeitslosen, RentnerInnen sind. Der Verweis darauf, dass diese Teile der Arbeiterklasse und Unterdrückten mit der Wahl auch ihre Ablehnung der neo-liberalen, militaristischen und rassistischen Politik der Großen Koalition zum Ausdruck bringen wollen, ersetzt jedoch keine marxistische Analyse des Klassencharakters der Partei. Schließlich wird keine einzige politische Formation der Welt dadurch gekennzeichnet, welche berechtigten oder illusionären Hoffnungen Menschen in sie legen, sondern dadurch, welche Klasseninteressen sie in ihrer Programmatik, ihrer strategischen Zielsetzung, v.a. aber auch in ihrer tagtäglichen Praxis vertritt.

Eine solche Analyse ist jedoch unerlässlich, um den Charakter einer solchen Partei und ihre Funktion im politischen System zu verstehen und um die notwendige Taktik zu bestimmen, mit denen RevolutionärInnen Illusionen in solche Parteien bekämpfen können.

Schließlich ist DIE LINKE Teile eines europaweiten Phänomens. Ob in Frankreich, Italien, Griechenland – in vielen europäischen Ländern sind links-reformistische Parteien entstanden oder am Entstehen, die sich als Alternative zur nach rechts gehenden Sozialdemokratie präsentieren. Das Beispiel Rifondazione Comunista (RC) zeigt, dass diese Parteien bereit sind, für die Bourgeoisie in Volksfrontregierungen die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Umgekehrt zeigt RC aber auch, dass solche Parteien als reformistische Hindernisse „wiederbelebt“ werden können, selbst wenn sie sich in bürgerlichen Regierungen bis auf die Knochen blamieren und bei der Mehrzahl der fortgeschrittenen ArbeiterInnen diskreditierten, sofern es nicht gelingt, eine revolutionären Alternative zu ihnen aufzubauen.

Ursprung

Die Partei DIE LINKE geht auf die Fusion zweier Parteien zurück, der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG) und der „Partei des demokratischen Sozialismus“ (PDS).

Das wirkliche neue politische Phänomen stellte dabei die WASG dar. Mit dieser wollen wir uns daher vor allem befassen. Die WASG war ein Resultat der Massenproteste und Mobilisierungen gegen die Angriffe der rot-grünen Regierung – die Agenda 2010, die Hartz-Gesetze – und der damit verbundenen Krise der SPD.

Auch beim Blick auf die WASG ist freilich jede nachträgliche Idealisierung fehl am Platz. Schon der Name „Wahlalternative“ war instruktiv dafür, worin die Praxis der zukünftigen Partei bestehen sollte. Zweitens war die WASG von Beginn an von einem „traditionalistischen“ Flügel der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie und ihren akademischen Wasserträgern dominiert und geführt. Diese Bürokatenschicht stammt aus dem mittleren Funktionärskörper der IG Metall bis hin zur Ebene von Bevollmächtigen aus mehreren Verwaltungsstellen (z.B. Klaus Ernst aus Schweinfurt oder Thomas Händel aus Fürth) und Funktionären aus dem verdi-Apparat wie Ralf Krämer aus Berlin. Außerdem wurde sie von links-reformistischen Akademikern flankiert, die z.B. um die Zeitschrift „Sozialismus“ organisierte waren und sind (z.B. Troost, Bischoff).

Für diese, die WASG von Beginn an prägende und dominierende Strömung war immer auch klar, wie eine zukünftige neue Partei der „sozialen Gerechtigkeit“ aussehen sollte. Sie sollte eine Wahlpartei sein, die im Zusammenspiel mit den Gewerkschaften und deren Führungen sowie anderen, vom Reformismus dominierten sozialen Bewegungen (z.B. attac, Friedensbewegung) v.a. an der Wahlurne einen „Politikwechsel“ erzwingt, eine Partei, deren Ziel die Verteidigung oder Wiedererrichtung des „Sozialstaates“ war. Das kam pointiert auch darin zum Ausdruck, dass – anders als die PDS oder selbst die SPD – die WASG den programmatischen Bezug zum Sozialismus als politisches Ziel ablehnte, und zu einer „Sozialstaatspartei“ werden sollte. Ohne viel Diskussion setzte diese Spitze ihr reformistisches Programm und Statut durch – nicht zuletzt, indem sie auf den alten Trick zurückgriff, ihre Positionen schon vor Parteigründung „provisorisch“ festzuschreiben und dann en Block als reformistisches Gesamtpaket abnicken zu lassen.

Alle linken Gruppierungen mit Ausnahme der Gruppe Arbeitermacht verzichteten darauf, einen alternativen Programmentwurf vorzulegen, sondern begnügten sich mit einzelnen Abänderungsanträgen, die der reformistischen Substanz des WASG-Programms keinen Abbruch taten, selbst wenn sie angenommen worden wären (1). Indem sie sich weigerten, den Klassencharakter des Programms der WASG zu benennen und dessen bürgerlichen Charakter zu kritisieren, redeten diese „Linken“ das Programm der WASG schön und suggerierten, dass es auf Dauer ein „faires“ Nebeneinander von Reformisten und „Anti-Kapitalisten“ in einer Partei geben könne.

Neben den in der WASG direkt vertretenen und an der Spitze agierenden reformistischen Bürokraten standen auch andere, prominentere politische Vertreter des Reformismus von Beginn an hinter dem Projekt, darunter zweifellos auch Oskar Lafontaine. Diese „Prominenten“ wollten sich jedoch auf dieses Projekt erst offiziell einlassen, wenn ein Erfolg auf bundesweiter Ebene garantiert war, sprich die Partei mit großer Wahrscheinlichkeit in den Bundestag einziehen würde.

Die WASG litt jedoch an einem inneren Widerspruch, der die reformistische Führung umtrieb und beunruhigte und zugleich das klassenkämpferische Potenzial der neuen Partei zum Ausdruck brachte. Die WASG zog nämlich als Mitglieder nur wenige Bürokraten an, sondern vor allem Arbeitslose und Aktive aus den sozialen Bewegungen. Sie war eine Partei der Hartz-IV-Bezieher; von Arbeitslosen, die damals von 345 (West) bzw. 331 (Ost) Euro plus Wohngeld über die Runden kommen mussten. In vielen Städten machten diese die Hälfte der Mitgliedschaft oder mehr aus.

Auch wenn diese Schicht der Mitgliedschaft viele der Illusionen in den „Sozialstaat“, den Parlamentarismus und die Möglichkeit einer „Reformpolitik“ teilte, so wollte sie eine aktive Partei sein, die für die Belange der Arbeitslosen und anderer Unterdrückter und Ausgebeuteter kämpft.

Diese unterschiedlichen Erwartungen machten sich in zahlreichen Konflikten – oft über scheinbare Nebensächlichkeiten – und einen wachsenden Gegensatz von „Oben“ und „Unten“ in der WASG, einem wachsenden Misstrauen gegenüber den Spitzen Luft.

Die WASG war also von Beginn an eine reformistische, ein bürgerliche Arbeiterpartei. Sie war jedoch auch eine Partei, in der die vorherrschende Bürokratenclique sich noch nicht auf einen starken, verlässlichen Apparat stützen konnte. Zweitens hatte sich auch noch kein stabiles Verhältnis zwischen Führung und Basis der WASG herausgebildet, das in langjährig etablierten reformistischen Parteien fast automatisch die Gefolgschaft der, meist passiven Mitglieder gegenüber der Führung sicherstellt. Die WASG war – und das ist nur eine andere Erscheinung dieser relativen Instabilität – eine reformistische Partei mit einer außergewöhnlich aktiven Mitgliedschaft.

Für die PDS (und heute die LINKE) oder die SPD war und ist es normal, dass die überwältigende Mehrheit der Mitglieder außer der Beitragszahlung nichts oder wenig tut, zu keinen Versammlungen erscheint oder, wo sie es tut, dort mehr oder weniger passiv agiert und die Vorgaben von Oben abnickt. Das stärkt die Führung und das ist im Grunde auch so gewollt. Die aktiven Mitglieder reformistischer Parteien sind in der Regel die Funktionäre der Partei bzw. Funktionsträger des bürgerlichen Staates oder korporatistischer Gremien wie Betriebsräten, von Sozialverbänden oder ähnlichem. Und genau diesen „Normalzustand“ einer bürgerlichen Partei – und eine solche, wenn auch besondere Form ist auch eine bürgerliche Arbeiterpartei – wollte die Spitze der WASG bewusst herbeiführen.

Das hat sie mit der Fusion mit der PDS auch geschafft. Von den 12.000 WASG-Mitgliedern machten nur etwas mehr als die Hälfte die Fusion mit. Neben linken FusionsgegnerInnern blieben v.a. die Arbeitslosen, die unteren Schichten der Arbeiterklasse der neuen Partei fern.

Es wäre jedoch Unsinn, die Fusion mit der PDS auf die Frage der Domestizierung der WASG-Basis zurückzuführen. Ein inneres bürokratisches Regime, die Ausgrenzung bestimmter Teile der Mitgliedschaft und deren Unterordnung unter einen Apparat sind letztlich niemals Selbstzweck, sondern Resultat bestimmter politischer Ziele, der Sicherstellung, dass eine Partei einem bestimmten politischen Zweck folgt.

Dieser war von der WASG-Führung von Beginn an offen ausgesprochen. Nicht minder offen war er von der PDS deklariert. Diese war anders als die WASG nicht aus einer sozialen Oppositionsbewegung entstanden, sondern aus einer ehemaligen stalinistischen Partei, der Partei einer herrschenden Kaste, die sich innerhalb weniger Jahre erfolgreich sozialdemokratisiert hatte.

Regierungspraxis von PDS und LINKE

Schon lange vor der Fusion war die PDS im bürgerlichen System der Bundesrepublik angekommen. Schon 1994 duldete sie in Sachsen-Anhalt zum ersten Mal eine SPD-Grünen-Regierung und ab 1998 eine SPD-Minderheitsregierung. 1998 bildeten SPD und PDS die erste rot-rote Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern, der seit 2001 der rot-rote Senat in Berlin folgt.

Die Praxis dieser Regierungen ist hinlänglich bekannt. Sie verwalteten das kapitalistische System ebenso wie jede andere bürgerliche Exekutive. Die Berliner Landesregierung wurde durch die Umsetzung neo-liberaler Sparpolitik geradezu berüchtigt. So senkte der Senat unter SPD-PDS-Regie die Löhne und Gehälter um rund 10 Prozent unter das Niveau der anderen Bundesländer. Für ganze Beschäftigtengruppen wurde die Arbeitszeit bei gleichen Löhnen oder Gehältern verlängert – zum Beispiel um 2 Wochenstunden bei LehrerInnen.

Natürlich wurden vom Berliner Senat auch Investitionen und Prestigeprojekte großer Kapitale massive gefördert durch Steuernachlässe oder Subventionen.

In vielen Bereichen hat der SPD-LINKE-Senat die Politik der Vorgängerregierungen nicht nur weitergeführt, sondern drastisch verschärft. 55 Prozent aller Wohnungsprivatisierungen seit 1990 fanden unter der ersten rot-roten Landesregierung von 2001-2006 statt. Allein durch den Verkauf der GSW an den US-Investor Cerberus wechselten 65.000 ehemals kommunale Wohnungen den Besitzer. Insgesamt hat der Senat weit über 100.000 Wohnungen an private Investoren verscherbelt. 2004 hat er die (Teil)privatisierung der Berliner Wasserwerke eingeleitet.

Im Gesundheitswesen geht die Privatisierung von Krankenhäusern und Klinken an private Konzerne wie Röhn, Vivantes und Helios munter weiter. Außerdem ist der Verkauf der landeseigenen Berliner Sparkasse geplant.

Diese neo-liberale Politik geht natürlich auch in Berlin auf Kosten der Beschäftigten und der Bevölkerung – geringere Einkommen, verschlechterte Arbeitsbedingungen und ständiger Personalabbau einerseits sowie höhere Preise und schlechtere Leistungen anderseits.

Auch in Städten oder Ländern, wo sie in Opposition ist, verhält sich die PDS/DIE LINKE nicht grundsätzlich anders. In Dresden stimmte sie als „Oppositions“partei dem Verkauf der Kommunalen Wohnbaugenossenschaften zu. In Brandenburg votierte sie für eines der repressivsten Polizeibefugnisgesetze der Bundesrepublik. In Hessen brüstet sich die LINKE (noch) damit, dass sie gegen die Abschiebpraxis unter Koch parlamentarischen Widerstand leiste und mit SPD und Grünen gesetzlich gegen die Deportationen am Frankfurter Flughafen vorgehen wollen. „Vergessen“ wird dabei freilich, dass die (mit)regierende LINKE im Berliner Senat sieben Jahre lang kein Sterbenswörtchen verloren hat über die nicht minder rassistische Abschiebepraxis im Abschiebeknast Berlin Grünau und am Flughafen Berlin-Schönefeld.

Hinzu kommt, dass die LINKE – v.a. über die Wahlerfolge der PDS im Osten – rund 2000 Bürgermeister in kleinen Gemeinden, mittleren und größeren Städten stellt und dort ohne viel Aufhebens mit „allen demokratischen Parteien“ – sprich nicht nur SPD und Grünen, sondern „natürlich“ auch mit CDU und FPD kooperiert. Diese tagtägliche Klassenkollaboration, die bürgerliche Tagespolitik der Funktionäre, die einen recht großen Teil der aktiven Mitglieder der LINKEN stellen, führt dazu, dass Reformismus zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist.

Die ehemalige PDS-Mitgliedschaft, die bis heute das Gros der Mitgliedschaft der LINKEN stellt (rund 85 Prozent), wies immer einige Besonderheiten in der Sozialstruktur auf, die davon herrühren, dass sie aus der Partei der ehemals herrschenden Bürokratenkaste der DDR hervorging und die dort politisch herrschende Partei gewesen war.

Mehr als 70 Prozent der PDS-Mitglieder waren vor der Fusion älter als 60 Jahre. Die jüngeren sind es jedoch, die im Apparat der Partei, in den Stiftungen, Landtagen, Kommunen usw. als Funktionäre tätig sind.

Zweitens ist der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder an der Parteimitgliedschaft in der PDS mit 37 Prozent deutlich unter jenem der SPD gelegen (57 Prozent).

Drittens ist der Hochschulabsolventenanteil unter den PDS-Mitgliedern mit 54 Prozent sehr hoch (33 Prozent bei der SPD). Umgekehrt sind Anteil von HauptschülerInnen oder Mitgliedern ohne Schulabschluss mit nur 30 Prozent für eine Massenpartei, die sich sozial auf das Proletariat stützt, extrem gering (gegenüber 40 Prozent  bei der SPD und 50 Prozent der Gesamtbevölkerung).

Auch wenn die WASG diese Zahlen gebessert hat, so gibt es keinen Zweifel daran, dass die Sozialstruktur der PDS auch jene der LINKEN prägt (2).

Das Programm der Linken

Zweifellos kommen die Realpolitik des Berliner Senats und die Verteidigung dieser Politik durch die Berliner LINKE der Parteiführung taktisch eher ungelegen. Daher wird diese Praxis gern als „Einzelfall“ dargestellt, der nicht das Gesamtbild der Partei widerspiegle und verdeutliche. Diese Sicht wird natürlich schon durch die Verweise auf obige Praxis widerlegt.

Ebenso irrig wäre es, in der niedergelegten und mit großer Mehrheit verabschiedeten Programmatik und politischen Strategie der Partei DIE LINKE einen grundlegenden Widerspruch zur Beteiligung an bürgerlichen Regierungen zu erblicken.

Im Gegenteil. Das Programm der Partei DIE LINKE, das die Handschrift des keynesianischen, auf die Gewerkschaftsbürokratie und die Arbeiteraristokratie orientierten Mehrheitsflügels der Partei trägt, sozusagen der Kerngruppe der alten WASG und eines Teils der PDS, verortet das strategische Ziel der Partei, darin, einen „Politikwechsel“ gestützt auf den Aufbau einer „anti-neoliberalen gesellschaftlichen Hegemonie“ zu erringen.

Die Linke bekennt sich in den Programmatischen Eckpunkten ihres Gründungsparteitages 2007 ausdrücklich zum freien Unternehmertum. Dort heißt es: „Gewinnorientiertes unternehmerisches Handeln ist wichtig für Innovation und betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit.“ (3) Der Staat habe nur dafür zu sorgen, dass diese im kreativen Überschwang nicht über die Stränge schlagen und gegen das Gemeinwohl verstoßen.

Dahinter steht die alte reformistische Mähr, dass der Gegensatz von Kapital und Arbeit im Rahmen der kapitalistischen Verhältnisse durch die Intervention von Staat und Politik, wenn schon nicht überwunden, so erfolgreich abgemildert werden könne – was wiederum impliziert, dass „der Staat“ keine Instrument zur Sicherung zur Herrschaft der Bourgeoisie wäre, sondern über dem Klassengegensatz stünde.

Dabei ist den Strategen der LINKEN durchaus klar, dass eine einfach Mehrheit im Parlament, ein Parteienbündnis von LINKEN und SPD (und ev. den Grünen) nicht ausreicht, um die Sabotage jeder fortschrittlichen Maßnahme durch die herrschenden Klasse, die Manipulation der öffentlichen Meinung durch die monopolisierten bürgerlichen Medien usw. abzuwehren.

Marx, Lenin und alle anderen revolutionäre MarxistInnen haben daraus und aus der Aufarbeitung der Klassenkämpfe und Revolutionen seit Beginn der bürgerlichen Epoche den Schluss gezogen, dass das Proletariat – will es sich befreien, will es dem kapitalistischen Ausbeutungssystem ein Ende setzen – den bürgerlichen Staat nicht einfach übernehmen, dass es nicht auf eine „Regulierung“ des Kapitalmonopols an den Produktionsmitteln hoffen darf, sondern die herrschende Klasse enteignen, den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen und durch die Herrschaft der in Räten organisierten bewaffneten Arbeiterklasse ersetzten muss.

Die LINKE schlägt hier einen ganz anderen, wenn auch nicht gerade originellen Weg vor. Eine „Reformregierung“ müsse sich auf die „gesellschaftliche Hegemonie“ stützen – sprich darauf, dass auch die „weitsichtigen“ und „sozialen“ Teile der herrschenden Klasse für eine Politik des Klassenausgleichs gewonnen werden müssen.

Eine solche Politik bedeutet notwendigerweise eine Unterordnung der LINKEN unter einen Flügel der herrschenden Klassen, eine Garantie für das Privateigentum an Produktionsmitteln. Es bedeutet notwendig eine staatstragende Politik der „Opposition“.

Akzeptanz des imperialistischen Weltsystems

Dass die Partei die LINKE auch hierzu bereit ist, verdeutlichen auch die Positionen zu internationalen Fragen. In der Programmatik und in ihren öffentlichen Reden hat die LINKE längst jeden Antiimperialismus, jede fundamentale Opposition hinter sich gelassen. Der strategische internationale Bezugspunkt der Partei ist nicht eine Internationale von ArbeiterInnen und Unterdrückten oder wenigstens die Solidarität im Widerstand gegen Ausbeutung, imperialistische Besatzung und Krieg, sondern sind die Vereinten Nationen, eine imperialistische Räuberhöhle mit menschlichem Antlitz. Von der realen Funktion der UN als Organ zur Festigung der Herrschaft der mächtigsten kapitalistischen Staaten, zur Durchsetzung von deren Zielen mit Sanktionen, „Friedensmissionen“ usw. sieht die LINKE ab. Diese werden vielmehr als qualitative Alternative zur imperialistischen Politik außerhalb des UN-Rahmens verklärt, oder wie es Lothar Bisky am letzten Parteitag ausdrückte: „Die UN-Charta ist und bleibt für DIE LINKE die Magna Charta.“ (4)

Freilich gehen die „Vordenker“ in der LINKEN schon weiter, weil sie wissen, dass eine etwaige Regierungsbeteiligung auf Bundesebene nicht möglich ist, ohne Zustimmung zur NATO, WEU oder andere imperialistische Militärbündnissen, zum Aufbau der EU als imperialistischen Block unter deutscher Führung, ohne Zustimmung zur den zahlreichen Auslandseinsätzen der Bundeswehr und den verbrecherischen Angriffskrieg in Afghanistan. Daher hat Gregor Gysi zum 60. Jahrestag der Gründung Israels auch eine Breitseite gegen „verkürzten“ und „nicht mehr zeitgemäßen“ Antiimperialismus abgeschossen und für die Solidarität mit Israel als „vernünftiges“ Element der deutschen Staatsdoktrin geworben. So soll die Zustimmung zu imperialistischen Militärinterventionen als Teil der „Friedenserzwingung“ vorbereitet werden (5).

Dem ganzen setze wieder einmal der Berliner Landesverband der Partei die LINKE im Jahr 2009 die Krone auf. Ihr Vorsitzender Klaus Lederer sprach am 10. Januar als einer der Hauptredner auf der zionistischen Kundgebung „Support Israel – Operation Cast-Lead“ als Unterstützung des völkermörderischen Angriffskriegs gegen die PalästinenserInnen in Gaza. Lederer schaffte es dort auch noch, SPD und GRÜNEN, die unter den Pfiffen der dortigen Kriegshetzer „Verhältnismäßigkeit“ von Israel angemahnt hatten, rechts zu überholen.

Während die LINKE prominent auf den Demos für einen reaktionären Krieg anwesend war, konnten sich gerade 9 ParlamentarierInnen dazu durchringen, für eine Demo gegen den Krieg aufzurufen (6). Die Mehrheit der Parlamentsfraktion hielt die Schnauze.

Der Grund für all diese Vorstöße ist nicht nur eine reaktionäre, menschenverachtende Unterstützung des israelischen Staates, seiner Siedlungspolitik und seiner Rolle als eine Bastion des US-amerikanischen und europäischen Imperialismus. Über diese Schiene soll v.a. vorbereitet werden, dass die LINKE zu einer Partei wird, die im Regierungsfall imperialistischen Interventionen des deutschen Imperialismus zustimmt.

Zusammensetzung, soziale Basis und Klassenstandpunkt der Partei DIE LINKE

Der Nachweis, dass es sich bei Programm, Strategie, Praxis der LINKEN um eine bürgerliche Partei handelt, die sich sozial auf die Arbeiterklasse stützt, ist leicht zu führen. Es handelt sich, in Lenins Worten, um eine bürgerliche Arbeiterpartei. Solche waren auch schon WASG und PDS.

Aber mit der Fusion, der Gewinnung neuer Mitglieder und der Aussicht auf den Einzug in mehr und mehr Landesparlamente im Westen (inklusive der auf Duldung oder Teilnahme an SPD-geführten Regierungen) hat sich seither eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses in der reformistischen Führung der LINKEN entwickelt.

Die PDS war vor der Fusion durch einen Machtkampf zweier Fraktionen/Flügel gekennzeichnet. Der rechte Flügel – z.B. um das „Forum demokratischer Sozialismus“ – trat und tritt für eine „Abkehr“ vom „traditionellen“ „staatsfixierten“ Reformismus ein, den er u.a. in der west-deutschen Arbeiterbürokratie in vielen Gewerkschaften, bei Betriebsräten usw., insbesondere auch bei der Mehrheit der ehemaligen WASG-Spitze und Oskar Lafontaine verortet. Dieser Flügel sieht jede Wiederverstaatlichungsforderung, jeder „Totalabsage“ an Privatisierungen ähnlich vielen AnhängerInnen der „Neuen Mitte“ in der SPD oder den „Modernisieren“ in den Gewerkschaften als kontraproduktiv und utopisch an. Gern bedient er sich zur „Untermauerung“ seine Haltung der Unterstellung, dass solche Forderungen auf „nationalistische“ (weil vom Nationalstaat ins Werk gesetzte) Lösungen hinauslaufen würden. Zweifellos kommen ihnen dabei oft tatsächlich vorhandene nationalistische und chauvinistische Einstellungen der „Traditionalisten“ zugute – z.B. Lafontaines rassistische Äußerungen und Positionen zur Migration (siehe unten).

Dieser Flügel, der in den Landtagen und im Apparat im Osten (v.a. Berlin, Brandenburg, Sachsen) sehr stark vertreten ist, wurde durch die Fusion mit der WASG zweifellos geschwächt. Die Mehrheit hat jetzt der „klassische“ sozialdemokratische, keynesianische Flügel der Partei, dessen „Hegemoniekonzept“ sich auch am letzten Parteitag mit überwältigender Mehrheit durchgesetzt hat (inklusive der Stimmen der sog. Parteilinken!).

Die Parteirechte stützt sich sozial stark auf die Mittelschichten und fordert, dass sich die LINKE auch mehr für kleine und mittlere Unternehmer einsetzen soll. Sie bringt also v.a. in der ehemaligen DDR die Interessen jener ehemaligen Staatsfunktionäre und Angestellten zum Ausdruck, die sich nach der Wende zu Unternehmern verwandelten, relative gut bezahlte akademische Jobs haben und ihre Interessen bis heute am besten in der „Ostpartei“ PDS/DIE LINKE aufgehoben sehen.

Eine Episode um die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötsch, die in der Berliner LINKEN dem „linken Flügel“ zugerechnet wird, illustriert das. Im Hessischen Wahlkampf forderte der SPD-Spitzenkandidat Schäfer-Gümpel, dass alle, die über ein Geld- oder Immobilienvermögen von mehr als 750.000 Euro verfügen, zu einer niedrig verzinsten, 15jährigen Zwangsanleihe an den Staat verpflichtet werden sollten, um einen Teil der Krisenlasten zu tragen. Angesichts dieses Vorschlages trat Lötsch auf den Plan, erblickte sie darin doch allen Ernstes einen Anschlag die „Eigenheimbesitzer“.

Der keynesianische Mehrheitsflügel orientiert sich politisch an der Gewerkschaftsbürokratie. Mit dieser strebt er ein strategisches Bündnis an. Der „Preis“ für diese Politik besteht erstens darin, jede ernste Kritik an den DGB-Gewerkschaftsbonzen zu unterlassen, bis hin dazu, dass ein Ausverkauf wie die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst 2008 zu einem Erfolg umgedichtet werden.

In keinem Fall ist von diesem Flügel ein konsequentes Eintreten für die Arbeiterklasse auch nur bei Minimalforderungen zu erwarten.

So wurden die Forderungen nach Mindestlohn und Arbeitszeitverkürzung den Positionen der Gewerkschaftsbürokratie und der „Realisten“ im Berliner Senat angepasst, um ja diese ja nicht mit „allzu hohen“, „unrealistischen“ Parolen zu brüskieren oder gar unter Druck zu setzen. Daher fordert die LINKE seit ihrem Gründungsparteitag gerade Mal einen Mindestlohn von 8,50 Euro und lehnt die „radikale“ Forderung nach 10 Euro ab, die von den sozialen Bewegungen, den Montagsdemos und auf fast allen Demos gegen Sozialabbau der letzten Jahre erhoben wurde. Dabei handelt es sich keineswegs um beliebige Zahlenspiele. Ein Mindestlohn von 8,50 (brutto) würde für viele einen Reallohn hart an der offiziellen Armutsgrenze bedeuten, von „armutsfesten Löhnen“, wie die LINKE gern behauptet kann bei dieser Forderung keine Rede sein.

Der gewerkschaftsferne Parteiflügel schafft es freilich, die Keynesianer mit einer pseudoradikalen Parole noch rechts zu überholen. Statt Kampf um Wiedereingliederung aller Arbeitslosen in den Arbeitsprozess durch Verkürzung der Arbeitszeit und Mindestlohn, wurde für einen Teil des Apparats der Linkspartei die scheinbar „linksradikale“ Forderung nach einem bindungslosen Grundeinkommen für alle zu einer ideologischen Klammer und Vision dieser Strömung, die es ihr auch erlaubt, in der kleinbürgerlichen Linken einschließlich deren „radikalen“ Flügel zu punkten.

Wie in vielen Artikeln der Gruppe Arbeitermacht, aber auch anderer Linker gezeigt, ist diese Forderungen alles andere als „links“, sondern läuft a) auf eine stillschweigende Akzeptanz der strukturellen Massenarbeitslosigkeit, b) die Verfestigung der Spaltung der Arbeiterklasse und Verstetigung einer staatlich alimentieren Schicht von Niedriglöhnern hinaus – finanziert nicht durch die Reichen, sondern durch eine staatliche Umverteilung von den besser verdienenden Lohnabhängigen zu den schlechter gestellten. Zu Recht wird eine solche Forderung von den meisten GewerkschafterInnen zu Recht als spalterisch abgelehnt.

Doch die Unternehmerschicht in der LINKEN artikuliert sich auch „selbständig“. Der niedersächsische Chef der LINKEN, Dieter Dehm, gründete im Sommer 2008 den „Offenen Wirtschaftsverband von Klein- und Mittelständischen Unternehmern, Freiberuflern und Selbständigen e.V. (OWUS)“ Dieser tritt für einen „grundsätzlichen Wandel linker Ideologie gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen“ ein. Dehm war ehedem Vorsitzender der AG der Kleinst- und Mittelstandsunternehmen in der SPD. Ab Sommer 1998 war er in der PDS aktiv, wo er es in den Vorstand brachte und als Hoffnungsträger der Parteilinken (!) galt.

Auch er versucht seine Mittelstandslobby den Strategen der Linken und Hegemoniesuchern schmackhaft zu machen. Die Linke müsse ein Bündnis von Lohnabhängigen und Mittelstand gegen das „Großkapital“ schmieden, also mit den weniger konkurrenzfähigen Ausbeutern gegen die stärkeren zu Felde ziehen. Divergenzen zwischen DGB-Gewerkschaften und Kleinunternehmen sollten im Rahmen der LINKEN gelöst werden, die „dafür (…) ein hervorragender Raum der Konfliktlösung“ (7) wäre. Anders als der rechte Parteiflügel empfiehlt also Dehm „klassische“ Volksfrontpolitik mit dem „nicht-monopolistischen“ Kapital und trifft damit bei den Gewerkschaftern in der LINKEN vielleicht nicht auf offene Sympathie, wohl aber auf Verständnis, denn schließlich kennt solche „Konfliktlösungen“ jeder DGB-Bürokrat aus seiner täglichen Praxis.

Wenngleich eine Orientierung auf Teile des „anti-neoliberalen“ Unternehmertums der Doktrin der Klassenkollaboration entsprechend ist mit der Fusion ist jedoch der dominierende Flügel der LINKEN jener geworden, der sich auf Sektoren der Arbeiterbürokratie und, darüber vermittelt, der Arbeiteraristokratie stützt.

Klassenkollaboration und Sozialpartnerschaft

Natürlich ist DIE LINKE auch heute noch eine Partei des Ostens. Die überwiegende Mehrheit der etwa 70.000 Mitglieder stammt aus den neuen Bundesländern. Es sind meist RentnerInnen, ehemalige Staatsbedienstete oder Angestellte aus der DDR, also besser gestellte, arbeiteraristokratische Schichten aus dem ehemaligen degenerierten Arbeiterstaat.

Seit der Gründung der vereinigten Partei sind v.a. im Westen mehrere tausend Mitglieder beigetreten, die weder in PDS noch WASG waren. Anders als bei der WASG handelt es sich dabei nicht vorrangig um Arbeitslose, sondern um Gewerkschafts- und Betriebsratsmitglieder. Diese haben die „Sozialpartnerschaft“ oft mit der Muttermilch aufgesogen. Sie ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. An Regierungsbeteiligung, Koalition mit der SPD, Verwaltung des bürgerlichen Staates haben sie so wenig Grundsätzliches auszusetzen wie an der „partnerschaftlichen Zusammenarbeit“ im Betrieb.

Ihr Problem mit der SPD ist, dass diese nicht mehr oder nicht ausreichend die Interessen dieser relativ privilegierten Schicht vertritt, auf der politischen, parlamentarischen Ebene zum Ausdruck bringt, sich also von der nach dem Zweiten Weltkrieg auf Grundlage des Kräfteverhältnisses der Nachkriegsordnung etablierten bürgerlichen Arbeiterpolitik entfernt hat. Diese hoffen sie mit der Partei der LINKEN wiederbeleben zu können und, a la long, auch in der SPD wieder mehrheitsfähig zu machen.

Der Grundirrtum dieser Strömung wie auch der gesamten Führung der Partei DIE LINKE besteht darin, dass sie ignorieren, dass diese Form bürgerlicher Arbeiterpolitik an zwei miteinander verbundene und unwiederbringlich vergangene politische und ökonomische Voraussetzungen gebunden war.

Erstens günstige Akkumulationsbedingungen des Monopolkapitals in allen imperialistischen Zentren, die eine expansive Reproduktion des Kapitals, stetige Steigerung der relativen Mehrwertrate und damit Steigerung der Profitmasse erlaubte, kombiniert mit einer Vergrößerung der Arbeiterklasse in diesen Ländern und einer Ausdehnung ihrer reproduktiven Konsumption, gemeinhin Erhöhung des „Lebensstandards“ genannt.

Schon in den 1970er Jahren stößt dieses System an seine Grenze, ohne dass jedoch die politischen Formen und der Einfluss der Arbeiterbürokratie, die auf diesem expansiven System der Kapitalakkumulation fußten, mit einem Schlag verschwunden wären.

Thatcherismus und Reaganomics führten in den USA und Britannien schon in den 80er Jahren zu schweren, strategischen Niederlagen der Arbeiterklasse, auf die die verallgemeinerte Durchsetzung neo-liberaler Maßnahmen folgte. In der BRD und selbst nach der Widervereinigung zog sich dieser Prozess viel länger hin. Es war der rot-grünen Regierung vorbehalten, hier den bisher schärfsten und nachhaltigsten Angriff erfolgreich durchzogen zu haben. Am Ende der Attacken sind wir aber noch lange nicht.

Für das deutsche Kapital ist aber eine von der Führung der LINKEN und von vielen Gewerkschaftsbürokraten und wohl auch großen Teilen der Arbeiteraristokratie gewünschte Rückkehr zur „Sozialpartnerschaft“, in der sie scheinbar als „gleichberechtigte Partner“ anerkannt werden, unmöglich.

Klassenkollaboration ist natürlich weiter gewünscht und gefordert, aber unter anderen Prämissen – z.B. jener der „Wettbewerbspartnerschaft“ oder des „Produktivitätspakts“ auf betrieblicher oder Konzernebene. Abgesehen von den veränderten ökonomischen Vorzeichen und somit dem Fehlen der materiellen Grundlage für eine Wiederbelebung der klassischen Sozialpartnerschaft, ist ihre politische Konzeption immer auf Kompromiss zwischen Arbeiterbürokratie und Kapital und dem Verhindern aktiver Beteiligung der Arbeiterbasis ausgelegt. Jegliche Form der Klassenkollaboration ist in sich selbst somit eine reaktionäre Einrichtung, die unvermeidlich zur Unterordnung der Interessen der Klasse unter jene des Kapitals und des imperialistischen Staates führt, deren Existenz das Bestehen einer materiell besser gestellten auf der einen und einer zunehmend schlechter gestellten Schicht von ArbeiterInnen auf der anderen Seite als Grundlage hat.

Nicht nur diese Politik führt dahin, wo die SPD und die Gewerkschaftsführungen heute sind. Auch die Proklamation des „klassischen“ keynesianischen Arsenals führt, einmal an der Regierung, in „Verantwortung“ dazu, dass die jeweilige kapitalkonforme neo-liberale Politik – eventuell ergänzt mit einigen Nachfrageimpulsen für bestimmte Kapitalgruppen – umgesetzt werden muss.

Zweitens führt die politische Strategie der LINKEN dazu, dass sie sich nicht nur gegen alle Mobilisierungen stellen muss, die ihre Regierungspolitik angreifen. Sie muss auch alle Forderungen und Kämpfe ablehnen oder hintertreiben, die entweder mögliche „Bündnispartner“ im Unternehmerlage abschrecken könnten oder über die eng gesetzten politischen Grenzen der soziale Hauptstütze der LINKEN selbst – der Gewerkschafts- und Betriebsratsbürokratie – hinausgehen oder auch nur hinausgehen könnten.

Genau darin zeigt sich der wahre Charakter dieser „Partei der sozialen Bewegungen“ in der Praxis. Bei den größten anti-kapitalistischen Mobilisierungen der letzten Jahre wie z.B. bei den G8 in Heiligendamm haben weder PDS noch WASG – also die Vorläufer der LINKEN – eine tragende Rolle bei den Blockaden oder bei der Verteidigung der Demonstrationen und Camps gegen die Bullen gespielt.

Noch drastischer zeigt sich das in den Arbeiterkämpfen. In der BRD gab es nicht nur eine starke Mobilisierung gegen den G8-Gipfel und eine Zunahme der Beteiligung an den linken, revolutionären Erste-Mai-Demos, die auch ein Entstehen einer anti-kapitalistischen Jugendbewegung v.a. unter SchülerInnen zeigen. 2007 und 2008 brachten auch eine deutliche Zunahme von Streiks.

Dabei nahm der GDL-Streik eine zentrale Rolle ein. Die LINKE brauchte Monate, bis sie wusste, ob sie ihn unterstützen sollte oder nicht. Genauer, sie brauchte Monate, bis sie eine Kompromissformel gefunden hatte, die die einen als Unterstützung, die anderen als Nicht-Unterstützung auslegen konnten. Warum? Weil die Gewerkschaftsbürokratie in der LINKEN, v.a. jene aus den Bereichen, die mit der GDL oder anderen Berufsgewerkschaften konkurrieren müssen, die „Solidarität“ zum Klassenverräter und Transnet-Chef Hansen und der ganzen Politik dieser DGB-Gewerkschaft über die berechtigten Interessen der EisenbahnerInnen stellte. Es ist daher auch kein Zufall, dass es der dominierende Flügel um die Gewerkschaftsbürokraten war, der die GDL nicht unterstützen mochte, während der rechte Flügel der Linken damit weniger Probleme hatte – natürlich nicht aus grundsätzlicher Solidarität, sondern weil ihm die Beziehungen zur organisierten Arbeiterbewegung generell weniger wichtig sind.

Doch auch andere Kämpfe bringen die Haltung der LINKEN deutlich ans Licht. Der Ausverkauf des Tarifkampfes im Öffentlichen Dienst durch die verdi-Führung wurde von den Vordenkern der LINKEN, v.a. der Sozialismus-Gruppe zu einem Erfolg, einem „Durchbrechen der Lohnspirale nach unten“ geschönt.

Wenn die Partei die LINKE von Solidarität mit den Gewerkschaften und ArbeiterInnen spricht, so meint sie in Wirklichkeit die Solidarität mit der Gewerkschaftsführung. Diese wird gegen Kritik geschützt. Vor allem aber will die LINKE nicht nur keine Opposition zur Bürokratie aufbauen, sie will diesen Aufbau aktiv verhindern – was sich u.a. darin zeigt, dass viele linke mittlere und höhere Funktionäre, die der Gewerkschaftslinken nahestanden oder Teil ebendieser waren, jetzt daran gehen, die ohnedies schwache Gewerkschaftslinke möglichst weiter zu schwächen.

Das heißt die Partei DIE LINKE ist ein Hindernis im Klassenkampf. Es ist viel zu beschönigend, ihr – wie jeder etablierten und gefestigten bürgerlichen Arbeiterpartei – nur vorzuwerfen, dass sie nichts oder zu wenig tue. Sie ist durchaus aktiv, Regungen des Widerstandes ins Leere laufen zu lassen. In den Gewerkschaften heißt das, die Bürokratie gegen den Aufbau einer dringend notwendigen klassenkämpferischen Oppositionsbewegung zu verteidigen. In der Anti-Kriegsbewegung heißt das für die LINKE offen gegen anti-imperialistische und anti-kapitalistische Strömungen Front zu machen und – im Bund mit DKP, div. „Friedengesellschaften“ und „Ratschlägen“ – das Monopol einer reformistischen Clique über die Führung der „Friedensbewegung“ zu sichern.

Sozialchauvinismus gegenüber MigrantInnen

Die Liste politischer Anpassung der LINKE lässt sich lange fortsetzen. Erwähnt werden muss aber zweifellos der sozial-chauvinistische Charakter der Politik gerade ihrer traditionalistischen Führung. Oskar Lafontaine war nicht von ungefähr 1992/1993 einer der Chefunterhändler der SPD bei der Aushandlung des sog. „Asylkompromiss“ mit der CDU, der zu einer weitgehenden Aushebelung des Asylrechts in der BRD führte. Lafontaine kritisierte die ursprüngliche Änderung des Einbürgerungsrechts durch Rot-Grün 1998 von rechts als zu weit gehend und zog einen „Kompromiss“ mit der CDU, also eine weitere Verwässerung vor.

2004 unterstützte Lafontaine in seiner damaligen Bild-Kolumne Otto Schilys erz-rassistischen Vorschlag, die EU-Außengrenzen dicht zu machen und Flüchtlinge in Nordafrika schon dort „abzufangen“ und in Sammellager zu stecken. Auch im Wahlkampf 2005 fiel er durch Rassismus auf, als er bei einer Wahlveranstaltung in Jena forderte: „Der Staat ist verpflichtet zu verhindern, dass Familienväter und -frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen.“ (8)

Diese offen rassistischen Äußerungen Lafontains sind für DIE LINKE untypisch, gelten vielen als besonders widerwärtig und haben auch bei etlichen Mitgliedern Ekel und Abscheu hervorgerufen. Sie sind jedoch so weit von der politischen Stoßrichtung der Partei – der Forderung nach „kontrollierter Zuwanderung“, kontrolliert selbstredend durch den bürgerlichen Staat – nicht entfernt.

Und sie ergeben im politischen System des Reformismus Sinn: Im System einer Politik, die sich auf die relativ privilegierte Schicht der Klasse stützt und im Land selbst einen „vernünftigen“, für alle tragbaren Kompromiss erzielen will. Ein sozialstaatlicher Ausgleich zwischen Lohnarbeit und Kapital ist – und das war zu dessen Hochblüte auch nicht anders – nur möglich, wenn das imperialistische Kapital am Weltmarkt konkurrenzfähig ist, mehr und mehr Extraprofite aus der Ausbeutung der ArbeiterInnen und Ausplünderungen anderer ProduzentInnen in den Halbkolonien zieht. Er ist nur möglich, wenn er auf die arbeiteraristokratischen Schichten – und das heißt v.a. deutsche Arbeiteraristokraten – beschränkt ist. Daher macht das Einverständnis mit einem rassistischen Grenz- und Migrationsregime nicht nur Sinn, eine reformistische Politik erfordert dieses geradezu.

Anders als die WASG ist die LINKE fest in den Händen des Apparates und der Funktionäre, dem eine im Wesentlichen passive Mitgliedschaft, v.a. im Osten gegenübersteht.

Dominanz der Funktionärsschicht

So hat die Partei nicht nur eine Parlamentsfraktion von 56 Abgeordneten. Jede/r von ihnen hat mehrere hauptamtliche MitarbeiterInnen, von den viele selbst wieder Führungskräfte der Partei auf verschiedenen Ebenen sind. Hinzu kommt, dass die LINKE in vielen Bundesländern Abgeordnetenfraktionen von 6 bis 25 Personen stellen, die auch wieder „ihre“ Mitarbeiter haben. Dazu kommen noch zahlreiche Kommunen, darunter z.B. 2000 Bürgermeister.

Der Stiftung der Partei beschäftigt natürlich auch vom Staat gesponsorte hauptamtliche Funktionäre – und diese bald in jedem Bundesland. Hinzu kommt noch ein Parteiapparat im Bund in allen Ländern.

Wenn all diese addiert werden, so kommt die LINKE auf mehrere tausend hauptamtliche Funktionäre, die ihre Einkommen direkt aus dem Parteiapparat oder staatlichen Vertretungsorganen beziehen.

Hier sind noch gar nicht jene Abteilungen der Arbeitsbürokratie in der LINKEN mitgezählt, die ihre Einkünfte aus anderen Quellen – dem Gewerkschaftsapparat oder als freigestellte Betriebsräte – beziehen.

All diese machen einen selbst für eine bürgerliche Partei untypisch hohen Anteil der Funktionäre an der aktiven Mitgliedschaft aus. Hinzu kommt, dass zwei Drittel der Mitglieder 65 oder älter sind, also im politischen Geschehen nur noch wenig aktiv sein können.

Diese Zahlen verdeutlichen, dass die LINKE eine Partei ist, die fest in den Händen der Bürokratie liegt. Hinzu kommt, dass die zu erwartende Entwicklung der nächsten Monate diesen Zugriff noch verstärken.

Die Linken in der LINKEN

Doch auch von eine anderen Seite zeigt sich das. Die „Linken“ in der LINKEN, also großzügig gerechnet alle, die sich im weitesten Sinne als SozialistInnen oder KommunistInnen bezeichnen, können auf vielleicht 2000 Mitglieder geschätzt werden. Davon gehört die Mehrheit der Kommunistischen Plattform an, die schon in der PDS seit ihrer Gründung dafür sorgte, dass sich keine Opposition bildete, die eine Gefahr für die Parteiführung hätte werden können. Dass sich das auch in Zukunft nicht ändert, davon ist bei Wagenknecht und Co. zu rechnen.

Der Geraer Dialog und das Marxistische Forum, beide aus der PDS kommend, haben auch in der PDS bewiesen, dass sie als Oppositionskräfte nichts taugen. Beide sind außerdem deutlich schwächer als sie es noch vor einigen Jahren in der PDS waren.

Marx 21 (ehemals Linksruck) ist tief in den Strukturen der Parteiführung verankert und unterstützt offen den reformistischen Kurs. Bezeichnenderweise ist Marx 21 Bestandteil der „Sozialistischen Linken“, eines keynesianischen Netzwerks in der Partei.

Die Anti-kapitalistische Linke – selbst ein Sammelsurium aus KPF-Leuten, Linken Parlamentariern und der „internationalen sozialistischen linken“ (isl = eine der beiden Sektionen der Vierten Internationale) – hat gleich zu Beginn der Parteibildung ihre politische Harmlosigkeit deklariert, durch den Beschluss keine Plattform, keine Tendenz oder Fraktion bilden zu wollen, die um eigene Positionen oder gar gegen die reformistische Parteiführung kämpft. Sie will vielmehr eine Diskussionszusammenhang sein und bleiben – und nicht mehr.

Bleibt noch die „Sozialistische Alternative – VORAN“ (SAV), die seit dem 11. September 2008 in ganz Deutschland in der Linken arbeiten und dort eine „marxistische Opposition“ aufbauen will. Die vorgeschlagenen „Eckpunkte“ sind selbst wenig mehr als linksreformistisch (9).

Vor allem fragt sich, warum heute Entrismus in der Partei DIE LINKE sinnvoll sein soll für den Aufbau einer revolutionären Klassenpartei? Die SAV begründet das damit, dass es eine Stimmung gäbe, von der die Linke profitiert und die hohe Erwartungen gegenüber dieser Partei ausdrückt.

Das ist sicher richtig. Einen Entrismus in eine reformistische Partei rechtfertigt das noch lange nicht. Als politische Voraussetzung dafür reicht der Verweis auf „Hoffnungen“ von ArbeiterInnen und Angestellten, von WählerInnen und Nicht-Mitgliedern nicht aus.

Eine sinnvolle Entrismustaktik setzt voraus, dass es in der reformistischen Massenpartei zumindest innere Polarisierungen, Konflikte und ein gewisses Maß an Instabilität gibt oder dieses z.B. als Folge von Massenzustrom zur Partei in absehbarer Zeit zu erwarten ist – sodass eine reale Ansatzmöglichkeiten bestehen, dass RevolutionärInnen innere Konflikte in der Partei, den Gegensatz zwischen reformistischer Führung und proletarischer Basis verschärfen und diese letztlich für den Bruch mit der Führung gewinnen könnten.

Gleichzeitig können solche innerparteilichen Reibungen nur dann entstehen, wenn die bürokratische Form der Organisierung dem eigentlichen Grund der Mitgliedschaft relevanter Teile der Basis widersprecht. Kommt es also zu Masseneintritten in die LINKE, um z.B. die jetzige Krise zu bekämpfen, so werden Reibungen schnell dadurch entstehen, dass die LINKE diese Rolle als Kampforgan durch ihre bürokratische Führung nicht erfüllen kann. Dies wäre somit ein prädestinierter Grund für innere Konflikte.

Eine solche Entwicklung kann natürlich niemand kategorisch ausschließen. Sie ist aber kein unvermeidliche oder notwendige, wie die Existenz einer Radikalisierung von Teilen der Jugend außerhalb der Partei, wie die Existenz einer (leider stark syndikalistisch geprägten) Opposition in einzelnen Großbetrieben oder die Bewegung von 10.000en MigrantInnen gegen den Gaza-Krieg zeigen. Vor allem zeigt auch das Beispiel der Neuen Anti-Kapitalistischen Partei in Frankreich trotz ihrer unbestreitbaren politischen Schwächen, dass sich in der gegenwärtigen Krisenperiode eine Radikalisierung der Klasse nicht über eine reformistische, sondern durchaus auch über eine zentristische Formation ergeben kann.

In jedem Fall ist ein Massenzulauf der ArbeiterInnen und gar eine innere Polarisierung und Radikalisierung in der LINKEN bisher einfach nicht zu konstatieren. Dieser Fakt ist so offenkundig, dass er selbst von den euphorischsten Anhängern der Partei nicht bestritten wird. Mehr oder weniger unzufrieden sind vor allem die schon seit Jahr und Tag organisierten Altlinken, die ihrerseits in der LINKEN sind – nicht weil sie davon einen revolutionären oder wenigstens klassenkämpferischen Impuls erwarten, sondern weil sie in Wirklichkeit längst aufgegeben haben, für eine revolutionäre Alternative zu kämpfen.

Eine Lehre darf aber aus der Geschichte der LINKEN nicht vergessen werden – die Linke in der Partei hat selbst eifrig mitgewirkt, dass sich die Bürokratie durchsetzen konnte und heute fester im Sattel sitzt denn je. Warum? Weil alle Strömungen außer der Gruppe Arbeitermacht darauf verzichteten, in der WASG offen für eine revolutionäres Programm einzutreten. Im Gegenteil: Linksruck (jetzt Marx 21) hatte es sich zum Markenzeichen gemacht, gebetsmühlenartig dagegen aufzutreten, dass die Partei „sozialistisch“ werden soll. Die SAV hat zwar an einigen Punkten Widerstand geleistet, v.a. beim Berliner Wahlantritt der WASG und davon gesprochen, dass die Partei „sozialistisch“ sein soll. Einen eigenen Programmvorschlag hat sie aber erst gar nicht gemacht, sondern so getan, als würden 4-5 Abänderungen zu den Programmen der Parteiführung irgendetwas am Programm der Partei ändern.

Vor allem haben beide – aus „taktischen Gründen“ und wider besseres Wissen – darauf verzichtet, den Klassencharakter von WASG oder später der LINKEN klar und offen zu bestimmen und auszusprechen. Das erschien und erscheint solchen „MarxistInnen“ nämlich unklug. Wer freilich glaubt, die Arbeiterklasse oder deren Avantgarde dadurch zu „revolutionieren“ und vom Reformismus zu brechen, dass er ihr nur unliebsame Wahrheiten verschweigt, der klärt nicht auf, der bereitet nicht den Bruch mit dem Reformismus vor, sondern spielt ihm in die Hände – wird selbst zur linken Flankendeckung der Bürokratie.

***

Exkurs: DIE LINKE und die Krise

Wie jede Partei im Bundestag hat auch Die Linke ihre Schüsselforderungen zur Krise präsentiert:

1. härtere Auflagen für das Finanzkapital, um den Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern;

2. ein Konjunkturprogramm in Höhe von 50 Milliarden, um die Kaufkraft zu stärken, eine Rezession zu verhindern und eine Million Jobs zu schaffen.

Diese Positionen ähneln nicht zufällig jenen der DGB-Gewerkschaften, schließlich sind ja auch einige der Autoren/Inspiratoren wie die Mitarbeiter der ver.di-Abteilung Wirtschaftspolitik Michael Schlecht und Ralf Krämer zugleich „Wirtschaftsexperten“ der LINKEN.

Linke gegen das Rettungspaket?

Bekanntlich hat die Parlamentsfraktion der LINKEN im Bundestag gegen das Rettungspaket der Regierung gestimmt – freilich nur, um im Bundesrat, also wo es darauf ankommt, dann doch dafür zu sein. Nun sagen einige leichtfertige Gemüter, dass die Berliner LINKE damit gegen die Linie der Linkspartei im Bund verstoßen hätte.

Doch das ist pures Wunschdenken. Es ist vielmehr eine altbekannte Taktik reformistischer Parteien, dort „hart“ zu bleiben, wo die herrschende Klasse ihre Stimme ohnedies nicht braucht, um dann dort, wo es darauf ankommt „aufgrund der Sachzwänge“ und der „Verantwortung für Berlin“ doch mitzumachen.

Aber auch die Stellungnahmen führender Politiker der Parteispitze und der Parlamentsfraktion verdeutlichen das. In einem Interview mit der Presseagentur Reuters sprach sich Lafontaine offen für das US-Finanzpaket aus. In seiner Rede vom 15. Oktober erklärt er erneut, dass das Paket der Regierung „technisch in Ordnung“ und von daher in der Sache nicht zu kritisieren sei.

Er wirft der Regierung aber vor, dass diese weiter den Staat und das Regierungshandeln den Finanzmärkten unterordne, anstatt die Politik über den Finanzsektor bestimmen zu lassen.

Kurzum, die innere Logik der Gesetze der bürgerlichen Profitmacherei sollen vom deutschen und anderen imperialistischen Staaten außer Kraft gesetzt werden. Daher hat die LINKE auch ein eigenes Forderungspaket zur Finanzkrise aufgelegt. Dieses beinhaltet u.a.:

„# Absicherung zentraler Aufgaben des Finanzsystems,

# ausreichende und zinsgünstige Kreditversorgung,

# Garantie der Bankeinlagen in unbeschränkter Höhe,

# Einrichtung eines von den privaten Finanzinstituten gespeisten Sicherungsfonds,

# Beseitigung besonders destabilisierender Praktiken,

# drastische Reduzierung und wo nötig Verbot von besonders riskanten Finanzinstrumenten,

# energische Eindämmung von Hedge-Fonds,

# Verpflichtung zu mehr Eigenkapital,

# Verbot von Aktienoptionen für Manager,

# Mindesthaltefristen für Aktienbeteiligungen des Managements,

# verschärfte Haftung von Managern,

# Schritte zur mittelfristigen Reform des Finanzsystems

# internationales Kreditregister,

# weitgehende Beschränkung von Banken auf das Einlagen- und Kreditgeschäft,

# strenge Kontrolle des Investmentbankings, keine spekulativen Geschäfte mit Devisen,

# verschärfte Beschränkungen für kapitalgedeckte Altersvorsorge,

# Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung,

# Kontrolle von privaten und Aufbau von öffentlichen Rating-Agenturen,

# Zulassungspflicht für bestehende und neu entwickelte Finanzprodukte durch einen Finanz-TÜV,

# Transaktionssteuern auf den Handel mit Wertpapieren und Devisen,

# Schließung von Steueroasen.“ (10)

So könne, der Partei die LINKE zufolge, die Finanzkrise in den Griff und eine zukünftige Spekulationswelle verhindert werden.

Deutlich wird dabei, dass man allen Ernstes davon ausgeht, dass es ausreiche, bestimmte Praktiken des Finanzkapitals zu verbieten und strenge öffentliche Kontrollen einzuführen, ohne das Privateigentum und die kapitalistische Marktwirtschaft, also die Ursache der Finanzkapriolen usw. selbst anzugreifen.

Die LINKE präsentiert damit ein alternatives Programm zur Rettung des Kapitalismus, nicht etwa ein Programm des Kampfes gegen das System.

Investitionsprogramm

Der andere Part der Politik der Partei besteht darin, ein Investitionsprogramm von 50 Milliarden zu fordern. Davon sollen 20 Milliarden in die Erhöhung von Hartz-IV, Mindestlohn, in die Anhebung der Renten und Transferleistungen für Bedürftige fließen. Die anderen 30 Milliarden sollen Investitionen (Bildung, Energiewende, Infrastruktur) der Realökonomie ankurbeln. Es handelt sich also um Staatsaufträge für das Privatkapital oder staatliche Ausgaben im Interesse des gesellschaftlichen Gesamtkapitals.

Nicht Enteignung, nicht ein Programm nützlicher Arbeiten unter Arbeiterkontrolle etc. stehen hier an, sondern die Förderung des „produktiven Sektors“, also des „nicht-spekulierenden“ Teils des Kapitals. Hierbei wird jegliche Erkenntnis selbst der bürgerlichen Analysen des Finanzkapitals und der imperialistischen Epoche vollkommen verkannt. Die Verbindung zwischen Industrie- und Bankenkapital, die ihre praktische Manifestation in dem enormen Spekulationsanteil am Gewinn industrieller Unternehmen findet, wird hier einfach aufgebrochen.

Diesem Vorstellung liegt eines zugrunde: Für die Linkspartei ist nicht der Kapitalismus als System, sondern nur der „Finanzmarktkapitalismus“ und „Neoliberalismus“ in der Krise. Daher sollen auch nicht alle Kapitalisten für die Krise zahlen, sondern nur die „Spekulanten“, die Finanzhaie und die Vermögenden, während die „Realökonomie“ entlastet werden und Aufträge im Wert von 30 Milliarden erhalten soll.

Was die LINKE hier präsentiert, ist also kein Programm gegen den Kapitalismus, sondern für einen „anderen Kapitalismus“, der „binnenmarktorientiert“ ist und wo die Profitinteressen der produktiven Unternehmen mit jenen der Lohnabhängigen über eine staatlich finanzierte und orchestrierte Ausweitung des Marktes vermittelt werden sollen.

Was die ArbeiterInnen an höheren Löhnen in Form von Mindestlohn, höheren Hartz-IV-Bezügen usw. mehr erhielten, würde auch den Kapitalisten (genauer: den produzierenden und dem Handelskapital) in Form einer gewachsenen und kaufkräftigeren Kundenschar zugute kommen.

Wie all diese Theorien, die gern bestimmte Formen des Kapitals (in diesem Fall des zinstragenden Kapitals) von anderen Formen absondern und entgegenstellen, übersieht die Konzeption der Linkspartei, dass die Kapitalisten nicht einfach nach Verkauf der Waren und Schaffung irgendeines Profits streben, sondern immer eine ausreichende und möglichst hohe Profitrate, also Verwertung des von ihnen vorgeschossenen Kapitals im Auge haben.

Diese Profitraten sind aber für das Gesamtkapital in allen großen Industrieländern seit den 70er Jahren tendenziell sinkend und zu gering, was eben erst zur „Flucht“ in die Spekulation, zur riesigen Ausdehnung des fiktiven Kapitals an den Finanzmärkten geführt hat, wo natürlich auch jeder „produktive“ Kapitalist, sofern er denn konnte, sein Anlageheil gesucht hat.

Es ist theoretisch eine Verkennung der inneren Entwicklung des Kapitalismus zu glauben, mit einem Konjunkturprogramm die Rezession zu verhindern. Wer solche Albernheiten verbreitet, bereitet nicht den Kampf gegen die Regierung vor, sondern führt die Arbeiterklasse in eine Sackgasse – mit einer Illusion, die notwendig enttäuscht werden muss.

Er tut das umso mehr, als selbst die meisten Maßnahmen der LINKEN auf den Widerstand der herrschenden Klasse stoßen werden – weil sich diese bewusst ist, dass die Lösung der Krise keine Wohltaten für „alle Menschen“, sondern Klassenkampf, Angriffe auf die Lohnabhängigen bedeutet.

Demokratische Kontrolle?

Die Forderungen der LINKEN nach „demokratischer Kontrolle“ und „Verstaatlichung“ offenbaren, dass der politische Horizont dieser Partei im Endeffekt nicht über bürgerliche Vorstellungen hinausreicht.

Das Kapital hat oft genug selbst nach Verstaatlichung oder demokratischer Verantwortung des Staates gerufen – wenn es galt, die Folgen von Pleiten, Pech und Pannen für einzelne Kapitalisten oder die bürgerliche Klasse insgesamt zu schultern.

Verstaatlichungen oder Kontrollen, die wirklich etwas Substanzielles verbessern, können nicht von denen vorgenommen oder gemanagt werden, die selbst die Misere angerichtet haben, oder vom bürgerlichen Staat, der über tausend Kanäle mit dem Kapital verbandelt und deren Werkzeug ist.

Es ist kein Zufall, dass die Beschäftigten – ganz zu schweigen von der Arbeiterklasse – als Subjekt dieser Maßnahmen bei der LINKEN nicht auftauchen. Die Umsetzung von Arbeiterkontrolle über Verstaatlichung, Buchführung usw. wäre nämlich mit einer Einschränkung oder sogar Überwindung des Privateigentums an den Produktionsmitteln bzw. der realen Verfügung darüber verbunden. Es würde fast automatisch die Möglichkeit einer nichtkapitalistischen, von ProduzentInnen und KonsumentInnen kontrollierten, demokratischen Planwirtschaft aufzeigen. Das aber würde nicht nur auf den rabiaten Widerstand der Bourgeoisie und ihres Staates treffen, sondern auch die materielle Basis der Bürokratie in der LINKEN untergraben.

Das wissen auch Lafontaine und Gysi – und deshalb sind sie dagegen! Statt diese Fragen offen auszusprechen und eine Perspektive zu entwickeln – für den Abwehrkampf und für eine alternative Gesellschaft, präsentieren sie uns den alten Hut vom „neutralen Staat“, mit dem sich der Kapitalismus samt seiner Gebrechen reformieren ließe.

Illusionen

Was die Position der LINKEN auch auszeichnet, ist die Annahme, dass eine rechtzeitige Regulierung des Finanzsektors die Krise hätte verhindern können. Doch der aufgeblähte und hochspekulative Finanzsektor wirkte ein gewisse Zeit lang durchaus als Ventil, um den Druck immer größerer Massen Anlage suchenden Kapitals, das im produktiven Bereich kaum noch profitabel verwertbar war, in die Finanzsphäre umzuleiten. Ohne diesen „Ausgleich“ wäre die Krise jedoch nur anders – und womöglich eher – ausgebrochen.

Ein weiterer fataler Irrtum ist die von vielen LINKEN-PolitkerInnen immer wieder geäußerte Meinung, dass die Finanzkrise „leider“ eine ansonsten gesunde „Realwirtschaft“ mit in die Bredouille gebracht hätte. Daran ist die Annahme falsch, dass es eine quasi vom Finanzsektor „abgekoppelte“ industrielle Wirtschaft geben würde. Doch gerade im Zeitalter des Imperialismus dominiert das Finanzkapital immer mehr die Gesamtwirtschaft. Dabei ist die Form verschieden – so ist das US-Bankensystem anders strukturiert als das deutsche – doch die Wirkung ist prinzipiell gleich. Diese Schlüsselfunktion des Finanzbereichs erklärt auch die verzweifelten und massiven Rettungsversuche.

Dass die Krise der „Realwirtschaft“ die eigentliche Ursache der Finanzkrise ist, wird schon daran deutlich, dass das niedrige US-Zinsniveau (Leitzins wie Realzinsen) der letzten Jahre wesentlich zur Entstehung der Finanzkrise beitrug. Das bedeutete, dass mit „normalen“ Finanzgeschäften zu wenig Gewinn gemacht werden konnte, was angesichts des immer größer werdenden Berges „überschüssigen“, marodierenden Geldkapitals umso fataler war. Um diese Probleme zu lösen, wurden dann die „innovativen“ Finanzprodukte kreiert, deren Platzen dann das Fass zum Überlaufen brachten.

Doch warum waren die Zinsen so niedrig – um die Wirtschaft anzukurbeln! Und ankurbeln muss man nur etwas, das nicht richtig rund läuft!

Diese Positionen der LINKEN verraten außer weitgehender Unkenntnis der Bewegungsgesetze des Kapitals vor allem, welch illusionäre – und zugleich positive! – Grundhaltung die Strategen der LINKEN gegenüber dem Kapitalismus haben. Das exorbitante Wachstum des Finanzsektors in den letzten Jahrzehnten beweist doch auf seine Art schlagend, dass es bei der Produktion im Kapitalismus nicht um die Schaffung von Gebrauchswerten und damit um die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse geht, sondern nur um den Tauschwert und die Befriedigung des Hungers nach Profit.

Dass die LINKE in einer Situation, wo der Kapitalismus als Gesamtsystem zunehmend weniger „funktioniert“ und in eine tiefe Legitimationskrise gerät, dieses System retten will, sagt allein schon genug über sie aus!

***

Perspektive der LINKSPARTEI

Die LINKSPARTEI wurde zu einer Zeit gegründet, als die keynesianische Doktrin der Parteiführung und der Elektoralismus der Partei eine gewisse, vordergründige Plausibilität hatten. Einerseits auf dem Boden einer sozialen Bewegung, die jedoch im Abschwung war, auf deren Schwächen die Wahlorientierung der WASG und später der LINKEN eine Antwort zu sein schien. Andererseits schien es vordergründig genug zum Umverteilen zu geben. Die deutschen Großkonzerne machten enorme Gewinne – wenn auch das Gesamtkapital längst von einer massiven Tendenz zur Stagnation getrieben war.

Heute muss das deutsche Kapital vom Staat gerettet, gestützt werden. 100.000 IndustriearbeiterInnen sind schon jetzt auf Kurzarbeit. Jedes zweite Unternehmen plant Entlassungen. Selbst Schönredner des Kapitalismus wie der IG Metall-Vorsitzende Huber rechnen mit einer mehrjährigen tiefen Krise.

In dieser Situation ist v.a. die SPD von einer massiven Krise getroffen – verwaltet sie doch den deutschen Kapitalismus staatstragend und zunehmend hilflos. DIE LINKE freut sich nun zwar, dass scheinbar die Zeit für ihre Rezepte gekommen ist, andererseits beginnen die ersten bürgerlichen Politiker der Partei ihre Vorschläge zu klauen. So hat sich der französische Präsident Sarkozy innerhalb eines Jahres vom neo-liberalen Sanierer zum gaullistischen Protektionisten gewandelt, der jedes Konjunkturprogramm der Linken, jedes Stützungsprogramm zur „Rettung der nationalen Industrie“ locker in den Schatten stellt.

Schon jetzt drückt sich dieses Problem ein Stück weit bei Wahlen aus. Während die LINKE konstant in den Umfragen bei 11 bis 13 Prozent liegt, gewinnt sich bei den Wahlen trotz der enormen Krise der SPD nichts oder kaum. In Hessen hat die SPD bei den Landtagswahlen wieder einen historischen Einbruch erlebt. Die LINKE konnte ihren Stimmenanteil gerade von 5,1 auf 5,4 Prozent erhöhen. Was aber noch wichtiger ist, sie verlor Stimmen. Die meisten WählerInnen verliehen ihre Frustration durch Wahlenthaltung nicht durch Stimmabgabe für die LINKE Ausdruck.

Zweifellos wird die LINKSPARTEI versuchen, diesem Trend entgegenzuwirken. So strebt sie ganz offenkundig an, die Proteste und Demos gegen die Krise ihren Forderungen und ihrer Wahlkampfplanung anzupassen.

Aber während die LINKE für Demos zur Wahlkampfunterstützung offen ist, ja auch schon das „politische Streikrecht“ als Forderung einmahnt, so will sie vom Streik, von Aufforderungen an die DGB-Gewerkschaften, mit ihrer Unterstützung der Regierungspolitik zu brechen und politische Streiks gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf die Arbeiterklasse durchzuführen nichts wissen.

In Zeiten einer historischen Krise des kapitalistischen Systems, einer Krise, die sich rasch weiter zuspitzen wird, erweist sich der (linke) Reformismus als laue Alternative zum bürgerlichen Krisenmanagement. Die Entwicklungen in Griechenland mit Aufständen der Jugend, Massenstreiks im Öffentlichen Dienst, Blockaden durch Bauern und Fischer, der Generalstreik in Frankreich, der Sturz der Regierung in Island und auch die Gründung der „Neuen Anti-kapitalistischen Partei“ in Frankreich zeigen, dass die Avantgarde, ja größere Teile der Massen über die engen Grenzen der Parlamentspolitik der LINKEN hinausgehen wollen und können.

Auch dafür sind in Deutschland LINKSPARTEI und Gewerkschaftsführungen (wie auch die SPD) ein Hindernis und kein Schritt vorwärts. Auch wenn sich der Konflikt zwischen dem Drängen von ArbeiterInnen und Jugendlichen nach Aktion auch in der LINKSPARTEI ausdrücken mag (ebenso wie er sich in Betrieben oder in Gewerkschaften ausdrückt oder stärker ausdrücken wird), so zeigt die bisherige Entwicklung der LINKEN, dass das bislang eigentlich vergleichsweise wenig der Fall ist.

Wie oben gezeigt, hat das mit ihrer inneren Verfasstheit, mit der Struktur ihrer Mitgliedschaft, ihrer Inkorporation in das bürgerliche System zu tun. Daher ist eine Arbeit in der LINKSPARTEI unter den gegebenen Bedingungen heute taktisch falsch.

Aber es bleibt notwendig, gegenüber der LINKSPARTEI (wie gegenüber anderen von der reformistischen Bürokratie dominierten Arbeiterorganisationen) die Taktik der Einheitsfront anzuwenden, um erstens jene Schichten der Klasse, die in sie Illusionen haben gegen Regierung und Kapital zu mobilisieren und zweitens die LINKSPARTEI auch in der Mobilisierung politisch zu testen und ihre bremsende, demobilisierenden Funktion zu entlarven.

Ein historische Krise des Kapitalismus verlangt zugleich aber auch die Frage nach dem politischen Instrument, das die Arbeiterklasse braucht, um erfolgreich Widerstand zu leisten und ihrerseits in die Offensive zu gelangen, klar zu stellen: Die Notwendigkeit einer neuen, revolutionären Arbeiterpartei als kommunistische, klassenkämpferische Alternative zum Reformplunder der LINKSPARTEI.

Fußnoten:

(1) „Für ein revolutionäres Programm! Programmentwurf von GenossInnen und UnterstützerInnen von Arbeitermacht vom Frühjahr 2005, in: Kampforganisation oder Regierungspartei auf Abruf?, Arbeitermacht-Broschüre, April 2006

In dieser Broschüre wurden auch verschiedene Artikel zur Kritik der Linken in der WASG veröffentlicht: WASG-Berlin: Welche politische Alternative? (März 2006), Februar 2006), Linksruck: Recht blinken, recht abbiegen, SAV und Linkspartei (März 2006)

Zur Kritik des Gründungsprogramms siehe ua.: M. Suchanek, Das Wunder der Binnennachfrage, in: Neue Internationale 95, November 2004

(2) Suchanek, WASG/PDS: Neue Sozialdemokratie oder neue Arbeiterpartei?, in Revolutionärer Marxismus 36, Dezember 2006, S. 98f

(3) Programm der Partei DIE LINKE (Programmatische Eckpunkte), angenommen 24./25. März 2007, http://die-linke.de/partei/dokumente/ programm_der_partei_die_linke_programmatische_eckpunkte/

(4) Das Signal steht auf Einmischung für eine andere, bessere Politik, Rede von Lothar Bisky, Mai 2008, http://die-linke.de/partei/organe/parteitage/1_parteitag/reden/lothar_bisky/

(5) Zur Kritik von Gysis Rede: Hannes Hohn, Strammstehn für die Staatsräson, in: Neue Internationale 130, Juni 2008, S. 5f

(6) Es handelt sich dabei um Karin Binder, Sevim Dagdelen, Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, Nele Hirsch, Inge Höger, Ulla Jelpke, Norman Paech, Eva Bulling-Schröter. Sie hatten zur  Demonstration “Stoppt den Krieg in Gaza! Stoppt das Massaker!” des Aktionsbündnis „Stoppt den Krieg in Gaza!“  am 17. Januar 2009 in Berlin aufgerufen.

(7) Zitiert nach, P. Weinfurth, Die Arbeitsgemeinschaft der Kapitalisten in der Linken, http://www.linkezeitung.de/cms/ index.php?option=com_content&task=view&id=5201&Itemid=257

(8) Rede auf einer Kundgebung in Chemnitz am 14. 6. 2005, zitiert nach Spiegel online, 2.8. 2007

(9) Zur Kritik siehe: Hohn, SAV tritt auch im Osten in DIE LINKE ein: Kein sozialistische Alternative, Infomail 382, 21. 9. 2008, http://www.arbeitermacht.de/infomail/382/sav.htm

(10) http://www.linksfraktion.de/finanzkrise.php




Neue Sozialdemokratie oder neue Arbeiterpartei?

Martin Suchanek, Revolutionärer Marxismus 36, Dezember 2006

Vorbemerkung

Die Vereinigung von PDS und WASG schreitet voran. Die beiden Parteitage haben im November 2006 die Weichen für einen Zusammenschluss auf reformistischer und bürokratischer Grundlage gelegt. Im kommenden Jahr wird eine zweite, linkere sozialdemokratische und staatstragende bundesweite Apparatpartei formiert werden.

Jene Linken, die den weiteren Verlauf und die Form der Vereinigung noch als „offen“ bezeichnen, täuschen mit solchen Einschätzungen nur sich selbst.

In der Gründungsphase und dann v.a. während und nach dem Bundestagswahlkampf schlossen sich viele AktivistInnen an, die bei den Demos gegen die Hartz-Gesetze dabei waren und direkt Betroffene der Armutsgesetze der Regierung waren und sind. Darin zeigt sich das Potential, das in der WASG trotz der reformistischen Führung zur Formierung einer neuen Arbeiterpartei der Klasse lag, die gegen die Angriffe des Kapitals kämpft und die zu einer revolutionären, anti-kapitalistischen Organisation hätte werden können.

Freilich war das keineswegs ein Selbstläufer. Um dieses Potential zu realisieren und – was schon ein großer Fortschritt und erster Schritt gewesen wäre – eine politisch-oppositionelle klassenkämpferische Strömung zu schaffen, war immer ein scharfer politischer Kampf gegen die vorherrschende Bürokratie und bürgerlich-reformistische Ideologie der Partei notwendig.

Dieses Potential ist in der WASG – von der PDS ganz zu schweigen – erdrückt worden. Die Arbeitslosen aus den Anti-Hartz-Protesten sind am Weg aus der Partei oder haben diese schon in den letzten Monaten verlassen. Die WASG hat schon seit geraumer Zeit aufgehört, AktivistInnen aus jeder Form sozialer Bewegung anzuziehen.

Sollte es nicht zu einer dramatischen Wendung im Klassenkampf und einer daraus resultierenden massenhaften Zuwendung radikalisierter Lohnabhängiger und Jugendlicher zu Partei kommen, so wird sich die Konsolidierung und Festigung einer reformistischen Partei, die die bornierten Sonderinteressen von Teilen der Arbeiteraristokratie, der Gewerkschaftsbürokratie und lohnabhängiger Mittelschichten zum Ausdruck bringt, die eine Partei der Vermittlung der Interessen des deutschen Imperialismus in Sektoren der Arbeiterklasse und der Mittelschichten sein wird, nicht verhindern lassen.

Daher ist unserer Meinung nach die zentrale Frage der nächsten Monate für den Kampf in der WASG jener gegen eine zunehmend verfestigte reformistische Bürokratie und die Sammlung all jener AktivistInnen, die sich von der WASG eine kämpferische Partei zur Vertretung ihrer Interessen und keinen zweite SPD erhofften.

Die Schaffung einer solchen Arbeiterpartei, die letztlich ein revolutionäre sein muss und nicht einfach irgendeine sozialdemokratische, also auf bürgerlicher Grundlage „Vereinigte Linke“, ist eine, wenn nicht die Schlüsselfrage für den Klassenkampf in Deutschland!

Die Frage einer weiteren Arbeit in der WASG und oder in der Vereinigten Linken muss deshalb danach beurteilt werden, ob sie zum Aufbau einer solchen Arbeiterpartei beiträgt oder ob sie diesen nicht vielmehr erschwert.

Die Entwicklung der letzten Monate – sowohl des Programms, der „Aktionen“ und v.a. der Taten der PDS und der WASG – zeigen, dass dieses Potential praktisch erloschen ist. Dass jene Schichten, die in der WASG eine Massenbasis für eine neue Arbeiterpartei hätten darstellen können, aus der Partei gedrängt wurden.

Dabei haben wir durchaus keine Ebbe im Klassenkampf zu konstatieren. Der Generalangriff von Oben läuft unvermindert weiter. In den großen Konzernen jagt eine Entlassungs- und Schließungswelle die nächste.

Diese Schichten drängen jedoch nicht die Vereinigte Linke – und werden es wohl auch in den nächsten Monaten und Jahren nicht tun. Aber sie brauchen eine politische Organisation, um ihre Kämpfe zu bündeln und um das Rückgrad einer klassenkämpferischen Bewegung in den Betrieben und Gewerkschaften zu schaffen. Die Arbeitslosenproteste und die Bewegung der StudentInnen und Jugendlichen gegen den Bildungsabbau brauchen eine Aktionspartei! Das wird die Vereinigte Linke nicht sein.

Daher gilt es jetzt, alle jene Elemente politisch/organisatorisch zu sammeln und den Bruch mit PDS/WASG vorzubreiten. Es hilft überhaupt nichts, um diesen Punkt herumzureden und ihn aus „taktischen“ Gründen zu verschweigen. Das würde nur jene desorientieren, die nach einer politischen Orientierung im Kampf gegen das Kapital und gegen die Führungen von PDS/WASG suchen und dazu eine klassenkämpferische und politische Alternative aufbauen wollen.

Natürlich wird das von der Parteiführung, aber auch von linken Fußabtretern wie Linksruck als „Spaltung“ bezeichnet werden. Die Spaltung und Ausgrenzung geht jedoch von der Parteispitze aus. Die „Offenheit“ gegenüber Kommunismus und Anti-Kapitalismus war bei ihnen immer nur eine Phrase und galt und gilt nur dann, wenn diese das reformistische Programm der Führung verteidigen.

Die Marginalisierung der Linken und das Hinausdrängen „unsicherer“, nicht-kontrollierter BasisgenossInnen waren vom Standpunkt der Ziele der Parteiführung nachvollziehbar und folgerichtig. Lafontaine, Gysi, Ernst und Konsorten geht es darum, eine Partei zu schaffen, die im Interesse des deutschen Imperialismus mitregieren kann – natürlich auf Grundlage eines „Politikwechsels“. Was Lafontaine schon mit der SPD als Finanzminister machte, soll in Zukunft von der Linken betrieben werden (und dann natürlich klappen).

Daraus erklärt sich auch, warum die WASG-Führung mit allen möglichen Mitteln den eigenständigen Antritt der WASG in Berlin bekämpfen musste – auch wenn die Politik der Berliner PDS ganz und gar nicht zum sozialen Image der Neuen Linken passt.

Es ist aber klar, dass die Angriffe des Berliner Senats auf die Lohnabhängigen nur kleine Fische sind im Vergleich zu den politischen und ökonomischen Angriffen, die von der „linken“ Regierung des deutschen Kapitals gefahren werden müssen. Daher kommt auch der Kampf gegen mehr oder weniger unnachgiebige Linke und kämpferische ArbeiterInnen und Arbeitslose.

Das Programm der Bürokratie

Die Linke ist wohl eine der ersten Parteien in Deutschland, die lange, bevor sie formell verschmolzen war, schon eine politische Führung hat: die Bundestagsfraktion unter Gysi, Lafontaine, Bisky und Ernst. Ihre Vorstellung einer „neuen Partei“ birgt kein großes Geheimnis in sich und war schon lange vor den jüngsten Parteitagen, spätestens zum Zeitpunkt der Bundestagskandidatur klar.

Die inneren Kämpfe zwischen verschiedenen Flügeln der PDS und WASG-Vorstände müssen daher immer schon als Kämpfe um die Dominanz in dieser vereinten reformistischen Partei und nicht als grundsätzliche politische Konflikte verstanden werden, auch wenn sie – wie wir weiter unten zeigen werden – verschiedene soziale Schichten widerspiegeln, auf die sich verschiedene Flügel von PDS/WASG stützen bzw. zu stützen versuchen.

Im folgenden Artikel wollen wir zuerst die politisch-programmatischen Eckpunkte der Fusion sowie die Differenzen innerhalb der zukünftigen Parteispitze näher untersuchen. Danach gehen wir auf die soziale Basis der jeweiligen Fraktionen in der „Vereinigten Linken“ sowie auf ihre Funktion für den deutschen Imperialismus ein.

Schließlich werden wir die Politik der „sozialistischen“ Linken einer kritischen Überprüfung unterziehen sowie unsere Schlussfolgerungen für den Aufbau des „Netzwerks Linke Opposition“ darstellen.

Kritik der Eckpunkte

Zur Vereinigung hat sich eine Kommission (1) aus beiden Parteien auf ein „Eckpunkteprogramm“ verständigt, das als „Programmatische Eckpunkte auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland (2)“ auf der gemeinsamen Sitzung der Parteivorstände von Linkspartei.PDS und WASG am 22.10.2006 in Erfurt verabschiedet wurde.

In den „Entwurf“ sollen von den Vorständen und AutorInnen „Anregungen“ aus den innerparteilichen Debatten oder von der Parteitagen eingearbeitet werden – ein demokratischer Prozess, bei dem die lokalen Gliederungen eigene Änderungen oder gar alternative Entwürfe einbringen könnten, ist erst gar nicht vorgesehen.

Dasselbe gilt für das Statut der Partei und alle anderen grundlegenden Fragen.

Um sich gegen die ohnedies höchst unwahrscheinliche Gefahr, dass auf den Parteitagen bedeutende Minderheiten gegen diesen Kurs aufbegehren, zusätzlich abzusichern, sollen Fusion, Programm und Statut auch noch durch eine Urabstimmung unter den Mitgliedern plebiszitär legitimiert werden, so dass jedem aufmüpfigen Parteitagsdelegierten der manipulativ hergestellte „Wille der Mitgliedschaft“ um die Ohren gehauen werden kann.

Globalisierung, Finanzmärkte und Neoliberalismus

Die Eckpunkte gehen wie viele andere Texte aus PDS oder WASG von einem bestimmten Bild der aktuellen Weltlage aus, aus dem dann die politischen Schlussfolgerungen gezogen werden.

Sie skizzieren eine verschärfte, v.a. ökonomische Krisenhaftigkeit des Kapitalismus seit den sechziger und siebziger Jahren. Diese führten zu Gegenbewegungen und Kämpfen, die aber schließlich mit Niederlagen endeten.

„Als mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion das größte Gegengewicht wegfiel, konnten sich die zerstörerischen Tendenzen des ungehemmten Marktes immer mehr entfalten. Heute bestimmen transnationale Konzerne und die Kapital- und Finanzmärkte zunehmend die gesellschaftliche Entwicklung.

Der Neoliberalismus tritt im Namen von mehr Freiheit an, doch werden alle Lebensbereiche der Kapitalverwertung und insbesondere der Steigerung der Aktienkurse auf den Finanzmärkten unterworfen. Neoliberale Kräfte fordern weniger Staat und bauen den Sozialstaat zugunsten eines repressiven Wettbewerbsstaats ab. Sie berufen sich auf die Demokratie und setzen die Schwächung der Gewerkschaften und anderer demokratischer Organisationen und Bewegungen durch. Sie verfolgen eine unsolidarische Politik der Privatisierung, Deregulierung und Unterordnung aller Lebenssphären unter die Märkte. Sie lösen neue imperiale Kriege aus und verschärfen die Terrorgefahren. Statt Chancengleichheit zu fördern, vergrößern sie die Kluft zwischen Oben und Unten. Niedriglohnsektoren breiten sich aus. Steigende Gewinne gehen einher mit anhaltender Massenarbeitslosigkeit. Große Teile der Bevölkerung wenden sich von der Teilnahme an der demokratischen Willensbildung ab (3).“

Die AutorInnen konstatieren eine dramatische Veränderung der Lebensverhältnisse, der eine veränderte Kräftekonstellation zwischen den Klasse sowie innerhalb des Kapitals – zugunsten der transnationalen Konzerne, Kapital- und Finanzmärkte – zugrunde liegt. Lassen wir einmal diverse Ideologismen weg (der Bezug auf den Sozialstaat, die unhinterfragte Verwendung der „Terrorgefahr“), so ist die Darstellung als empirischer Befund in vielen Aspekten zutreffend.

Die Crux der Analyse und Politik der neuen Linken besteht nun aber darin, dass sie unterstellt, dass sich diese Folgen verschärfter struktureller Krise des Kapitalismus – letztlich einer Überakkumulationskrise – auf dem Boden der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse und mit dem bürgerlichen Staat zum Wohle aller – besonders natürlich der Lohnabhängigen – lösen ließen.

Wir revolutionäre MarxistInnen erkennen an, dass sich die Klassengegensätze unvermeidlich verschärfen müssen, dass die herrschenden Klassen mehr und mehr in einem verschärften Konkurrenzkampf und Kampf um die imperialistische Vorherrschaft verstrickt werden, die zu einem Generalangriff auf die Klasse in den Metropolen wie zur verschärften Ausbeutung, Ausplünderung und zum permanenten Krieg in den Halbkolonien führen müssen.

Wir folgern daraus, dass die Unterdrückten und Ausgebeuteten ihrerseits den Widerstand verschärfen und zu entschlosseneren und bewussteren Formen des Kampfes greifen müssen, dass sie mehr und mehr vor der Alternative „Sozialismus oder Barbarei“ stehen, dass die Abwehr der immer aggressiveren Angriffe der herrschenden Klassen letztlich nur durch die sozialistische Revolution möglich ist, dass nur so die Befreiung der Arbeiterklasse, ja der gesamten Menschheit erfolgen kann.

Die entscheidende Aufgabe von MarxistInnen besteht darin, der Klasse einen Weg zu weisen, diesen Kampf erfolgreich zu führen: das heißt natürlich, als zentrale Frage den Aufbau eines Instrumentes, das diesen Kampf führen kann – einer revolutionären Klassenpartei und Internationale – zu betonen.

Hier erheben alle Führungsfraktionen der L.PDS und der WASG entschieden Einspruch. Haben sie zuerst noch eine Krisenhaftigkeit, eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses und eine immer aggressivere Politik der herrschenden Klasse konstatiert, so destillieren sie die„zivilisatorischen Momente“ der bürgerlichen Gesellschaft als die „transformatorischen Potentiale“ heraus, die den schlechten Seiten ebendieser Gesellschaft gegenübergestellt werden.

Die sich immer mehr verschärfenden Widersprüche des Kapitalismus bedürfen ihrer Auffassung nach nicht einer gewaltsamen, revolutionären Aufhebung, sondern bloß einer Veränderung des Kräfteverhältnisses im „inneren Rahmen“ der bürgerlichen Gesellschaft, der Erringung der „Hegemonie“, um dann evolutionär zur „Transformation“ überzugehen.

Um eine solche Auffassung zu begründen, wird der Kapitalismus – zumal in seinem imperialistischen Entwicklungsstadium – nicht als eine Totalität aufgefasst, sondern vielmehr als eine Summe von Einzelerscheinung, von „positiven“ und „negative“ Seiten.

So gibt es eben „gute“ (mehr Produkte, Reisefreiheit) und „schlechte“ (verschärfte Konkurrenz …) Seiten der Globalisierung, „gute“ (mehr Selbstbestimmung) und „schlechte“ (Flexibilisierung, Arbeitslosigkeit, Prekarisierung …) Aspekte neuer Formen kapitalistischer Arbeitsteilung.

Diese Erscheinungen werden nicht im Rahmen der Entwicklungslogik des Kapitalismus und ihres Gesamtzusammenhangs gefasst. Es fehlt auch jede marxistische oder leninistische Vorstellung des Imperialismus als einer bestimmten Epoche der kapitalistischen Entwicklung, in der die kapitalistische Produktionsweise reaktionär geworden und eine sozialistischen Umwälzung erforderlich ist, um die vorhandenen Entwicklungspotentiale der Menschheit zu realisieren.

Für die „Eckpunkte“ gibt es vielmehr einen Weg jenseits von Widerstand und Revolution: die „soziale, demokratische und friedensstiftende Transformation statt Entfesselung des Kapitalismus,“ der auch gleich ein ganzes Kapitel des Textes gewidmet ist.

„Die neue Linke legt programmatische Grundzüge einer umfassenden gesellschaftlichen Umgestaltung vor, um die Vorherrschaft der Kapitalverwertung über Wirtschaft und Gesellschaft zu beenden und den Herausforderungen der Gegenwart mit einem alternativen Entwicklungsweg zu begegnen. Es ist ein Programm des Richtungswechsels der Politik und der Erneuerung der Demokratie.“ (4)

Verteilungsgerechtigkeit, Demokratie und Staat

„Der Kampf gegen den Abbau sozialer Rechte, für eine gerechte Verteilung der Arbeit in einer humanisierten Arbeitswelt und für einen erneuerten solidarischen Sozialstaat ist der im Gründungsprogramm formulierte Ausgangspunkt der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit.“ (5)

Diesen reformistischen Plunder bringt die WASG-Spitze stolz in die Vereinigung. Es geht keinesfalls um die Beseitigung des Privateigentums an Produktionsmitteln, sondern nur um die „gerechte Verteilung“ auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise.

Der Realisierung solch nobler Ziele steht dann auch nicht die kapitalistische Marktwirtschaft, sondern der „Neoliberalismus“ entgegen, wo das „Primat der Politik über die Wirtschaft“ verschütt gegangen sei.

„Die Linke tritt für das Primat demokratischer Politik über die Wirtschaft sowie für einen sozialen und ökologischen Wandel in der Europäschen Union ein. Alternative Wirtschaftspolitik ist gestaltende Politik. Sie zielt auf ein starkes Gewicht sozialstaatlicher Politik anstelle von deren Unterordnung unter Marktzwänge. Sie misst längerfristiger Struktur-, Wissenschafts- und Technologiepolitik erhebliches Gewicht bei. Sie betrachtet gewinnorientiertes unternehmerisches Handeln als wichtig für Innovation und betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Doch sie strebt eine neue sozial-ökologische Rahmensetzung für die Marktmechanismen an, weil ohne Mitbestimmung, gewerkschaftliche Gegenmacht und sozialstaatliche Regulierung private Unternehmerinteressen zu volkswirtschaftlich, sozial und ökologisch verlustreichen Fehlentwicklungen führen. Für mehr Investitionen und die Sicherung des Sozialstaats braucht der Staat Geld. Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Durch höhere Einnahmen kann auch die Verschuldung sozial gerecht abgebaut werden (6).“

Derart reguliert, hätten alle Klassen Vorteile von der Politik der Linken; der Kapitalismus würde nicht nur sozialer, sondern auch ökonomisch erfolgreicher werden, die Krisen könnte man in keynesianischer Manier abfedern und immer mehr würde das ganze System „transformiert“ werden – wären da nicht eine kleine Minderheit aus der führenden Kapitalfraktion, die Multis und das Finanzkapital, die dem entgegenstehen.

Auch dazu hat „die LINKE“ auch eigene, wenn auch nicht allzu originelle Rezepte zur Hand: “Die kapitalistische Wirtschaftsordnung führt zur Konzentration des Vermögens in den Händen einer Minderheit. Fünfhundert Konzerne kontrollieren die Hälfte des Weltsozialproduktes. Die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht gefährdet die Demokratie. Macht, die demokratisch nicht legitimiert ist, darf die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht bestimmen. DIE LINKE will das Primat der Politik. Stark konzentrierte Wirtschaftsbereiche müssen entflochten werden. Aus diesem Grund wollen wir die Kartellgesetzgebung verschärfen. Nur dann können Markt und Wettbewerb ihre Wirkung entfalten und den gesellschaftlichen Wohlstand steigern. Markt und Wettbewerb führen nicht nur zu einer effizienten Wirtschaft, sondern ebenso zur Dezentralisierung wirtschaftlicher Entscheidungen und damit zur Einschränkung wirtschaftlicher Macht. DIE LINKE setzt daher vorrangig auf die Förderung der 2,9 Millionen Unternehmen, die weniger als 10 Millionen Euro Umsatz machen, und der über eine Million Kleinbetriebe, die in Deutschland weniger als zehn Beschäftigte haben (7)

Die zukünftige Linke erkennt zwar an, dass Kapitalismus zur Konzentration führt. Doch statt daraus den Schluss zu ziehen, dass der Kapitalismus selbst bekämpft und überwunden werden muss, um die Macht des Kapitalmonopols zu brechen, werden über hundert Jahre alte Forderungen wie nach „Entflechtung“ und „Verschärfung des Kartellrechts“ aus der Mottenkiste der Anti-Trust-Bewegung geholt.

Der deutsche „Mittelstand“, diese mittelmäßigste aller Klassen, um die sich jede mittelmäßige Partei des Landes drängt, will natürlich auch von der Linken bedient werden. Statt sich zum Vorreiter des gesellschaftlich Notwendigen und Möglichen zu machen – der Überwindung des Kapitalismus durch die Enteignung der Monopole, Kontrolle durch Beschäftigte und KonsumentInnen und die planwirtschaftliche Umgestaltung gemäß den gesellschaftlichen Bedürfnissen, offerieren sich Lafontaine und Co. als reaktionäre Verteidiger der kleinen Kapitalisten.

Noch positiver als „Innovationsfähigkeit“ und „freier Wettbewerb“ firmieren bei der Linken „die“ Demokratie und „der“ Staat. Während in etlichen Formulierungen noch auf die Entwicklungslogik des Kapitalismus, auf den permanenten Kampf um dessen „Bändigung“ hingewiesen wird, so erscheinen bürgerliche „Demokratie“ und „Staat“ als ungebrochene, zivilisatorische Errungenschaften, als zentrale Mittel zur „Zivilisierung“ des „freien Wettbewerbs“, die vom Neo-Liberalismus zerstört oder unbotmäßig in Beschlag genommen werden.

Die „Demokratie“ ist hier keine Herrschaftsform der Bourgeoisie, der Staat ist nicht der Staat des Kapitals. Nein, sie müssen nur wieder richtig in Besitz genommen und z.B. zur Wirtschaftdemokratie ausgebaut werden, „die alle Formen des Eigentums sozialen Kriterien unterwirft (8).“

Die vorgeschlagenen Mittel dafür sind dann aber äußerst bescheiden. Sie sind nicht dem Kampfarsenal um wirklich Kontroll- und Machtorgane der Arbeiterklasse – Fabrikkomitees, Räte etc. – entnommen, sondern den sozialpartnerschaftlichen Institutionen der BRD:

„Wirtschaftsdemokratie: Wir streben die Demokratisierung der Verfügungsgewalt über alle Formen von Wirtschaftsmacht an. Durch paritätische Mitbestimmung der Beschäftigten, ihrer Gewerkschaften sowie Vertreterinnen und Vertreter der Regionen und Verbraucher soll die Macht des Kapitals demokratischen Interessen untergeordnet werden (9).“

Die Montanmitbestimmung hatten wir allerdings schon. Sicherlich wäre eine Ausweitung solcher Rechte heute dem Kapital zuwider, dass damit jedoch die „Verfügungsgewalt über alle Formen von Wirtschaftsmacht“ gebrochen werden könnte, glauben wohl die AutorInnen der Eckpunkte selbst nicht.

Hier verwundert es nicht, dass der „Sozialstaat“ überhaupt nicht mehr als Ideologie denunziert wird. Der Staat der 60er und 70er Jahre erscheint nachträglich nicht als imperialistisches und kapitalistisches Herrschaftsinstrument, sondern wird als Phase imaginiert, als die Politik sich noch „die Wirtschaft“ untergeordnet hätte.

Kein Wunder, dass insbesondere bei Lafontaine bei jeder unpassenden Gelegenheit das Sprüchlein auftaucht, dass „die Schwachen einen starken Staat bräuchten“. Von dessen leider allzu realen Stärke dürfen sich übrigens täglich die Menschen in Afghanistan und anderen von deutschen Truppen besetzte Länder überzeugen; davon erfahren die Flüchtlinge an den Außengrenzen der EU täglich – und auch ALG-II-EmpfängerInnen können sich davon überzeugen, dass der „schwache“ Staat beim Bespitzeln und Beschnüffeln der Lebensverhältnisse der Arbeitslosen sehr aktiv ist.

Dahinter steht die naive, kleinbürgerliche Vorstellung, dass der Staat nicht geschäftsführender Ausschuss der herrschenden Klasse, sondern eine über der Gesellschaft stehende, neutrale Instanz wäre.

Klassenübergreifende Politik

Das Programm der neuen Linken endet mit den Mitteln zur „Umsetzung“ der eigenen Politik. Dazu strebt sie an:

1. Brechen der neoliberalen Hegemonie in der Öffentlichkeit.

“Der Neoliberalismus, ursprünglich nur eine Wirtschaftstheorie, wurde zur Ersatzreligion. Er korrumpiert die Sprache und damit auch das Denken (10).”

Wir wollen hier die Macht des kapitalistischen Meinungsmonopols über die Medien etc. nicht bestreiten. Allerdings bleibt auch hier das Denken auf halbem Weg stecken. Wer von der Verdummung durch Staat und Demokratie nicht reden will, möge auch über die Blödheiten des Neoliberalismus schweigen.

Vor allem aber hat das Gerede über das „Brechen der neoliberalen Hegemonie“ in den Köpfen einen praktischen Zweck. Solange ein solcher Bewusstseinswandel nicht vollzogen ist, könne die Linke eben nichts machen.

So erklärt sich dann die PDS auch das Ende der Montagsdemonstrationen oder anderer spontaner Bewegungsansätze. Nicht das eigene Bremsen, nicht die Politik von PDS, Gewerkschaftsbürokratie und anderer reformistischer oder kleinbürgerlicher Führungen tragen Schuld am Niedergang oder daran, dass betriebliche Kämpfe und jene der Arbeitslosen nicht zusammengeführt wurden.

„Natürlich“ hatte auch der DGB keine Schuld und keine politische Verantwortung dafür, dass die Demonstrationen vom 3. April 2004 ins Leere liefen, statt zu Streiks und einer Zuspitzung des Kampfes zu führen. Schließlich hatte man ja noch nicht „die Hegemonie“ im gesellschaftlichen Diskurs errungen, noch kein „anti-neoliberales Bündnis“ geschmiedet, dass diesen Kampf um Hegemonie hätte tragen können.

In der Praxis entpuppt sich der Hinweis auf die neoliberale Hegemonie als Anleitung zu Passivität und zum Abwarten – bestenfalls. In Ländern wie Berlin, wo die PDS mitregiert, werden selbst die Durchsetzung angeblich „sozialer gestalteter“ Kürzungen, Privatisierungen und anderer neoliberaler Sauereinen, als schmerzhafte Zwischenstationen auf dem Weg zur „Erringung der Hegemonie“ hingestellt.

2. Eng mit dem Kampf um die „Hegemonie“ verbunden ist die Herstellung eines „Bündnis gegen den Neoliberalismus: Seine Überwindung wird nur gelingen, wenn sich in der Gesellschaft ein breites Bündnis und eine politische Sammlungsbewegung für einen Richtungswechsel formieren. Wir gehen von den gemeinsamen Interessen abhängig Arbeitender in Deutschland und im europäischen und internationalen Maß- stab aus. Wir wollen zu einem sozialen Bündnis beitragen, das hochqualifizierte Beschäftigte und Kernbelegschaften wie auch in unsicheren und Teilzeitarbeitsverhältnissen Tätige sowie Erwerbslose, Selbständige und sozial orientierte Unternehmerinnen und Unternehmer, Beamtinnen und Beamte zusammenführt (11).“

Das „Bündnis gegen Neo-Liberalismus“ verdeutlicht, welcher Block für den „Kampf um Hegemonie“ zusammengestellt werden soll – eine Bündnis aller Klassen, am besten im EU-Rahmen.

Natürlich betonen WASG und PDS hier die „Lohnabhängigen.“ Doch jede/r weiß, dass ein solches Bündnis mit Teilen der Kapitalistenklasse nur dann möglich ist, wenn diese politische und soziale Garantien erhalten, d.h. wenn ihre Klasseninteressen nicht angegriffen und jene der Lohnabhängigen denen der „Selbständigen und sozial orientierten Unternehmerinnen und Unternehmer“ untergeordnet werden.

Ein Beispiel dafür ist die von Katja Kipping und anderen vorgeblich „Linken“ in der PDS geführte Kampagne um das bedingungslose Grundeinkommen – eine Forderung, um die sich dann auch Kapitalisten wie der Chef der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, sammeln.

In jedem Fall ist das Bündnis keines zur Schaffung von Widerstand und der Kampfeinheit der Arbeiterklasse und Unterdrückten. Es sich schon gar keines, das sich gegen die kapitalistische Ausbeutung oder den Imperialismus in seiner Gesamtheit richtet. Es ist v.a. ein „Bündnis“ zur Unterstützung der reformistischen Parlamentsarbeit der PDS und etwaiger Regierungsbeteiligungen.

3. Die „Regierungsbeteiligung ist für die Linke ein Mittel politischen Handelns und gesellschaftlicher Gestaltung, wenn dafür die notwendigen Bedingungen gegeben sind. Maßstäbe für Regierungsbeteiligungen sind die Verbesserung der Lage von Benachteiligten und die Verstärkung politischer Mitbestimmung, die Errichtung von Barrieren gegen die neoliberale Offensive, die Durchsetzung alternativer Projekte und Reformvorhaben. Sie muss die Veränderung der Kräfteverhältnisse nach links und die Einleitung eines Politikwechsels fördern (12).“

Deutlicher als in vielen bisherigen Dokumenten – v.a. der WASG, aber auch vieler Erklärungen in der PDS – gibt es hier keinen Zweifel mehr darüber, dass „die Linke“ nicht nur gewählt werden, sondern auch regieren will.

Dass beim Eintritt in Regierungen eine Politik in ihrem Sinn rauskommen soll, wird wohl jede Partei fordern. Viel mehr sagen die „notwendigen Bedingungen“ auch nicht aus. Die „Einleitung eines Politikwechsels“ z.B. kann auch wirklich alles sein. Und diese Unschärfe ist auch so gewollt.

Schließlich enden die Eckpunkte ja auch mit „Nachbetrachtungen“ darüber, was offen geblieben sei. Darunter diese Frage: „Können internationale Militäreinsätze im Auftrag und unter Kontrolle der UN in regionalen Kriegs- und Bürgerkriegskonstellationen zu einer Rückkehr zu einer friedlichen Entwicklung beitragen? Wäre diese Frage zu bejahen: Unter welchen Bedingungen? Wie verhalten wir uns dann dazu (13)?“

Einige aus der PDS/WASG-Führung haben diese schon bejaht und eine Beteiligung am Sudan-Einsatz der UN gefordert – ganz ohne unmittelbare Aussicht auf Regierungsbeteiligung.

Betrachtet man das Programm der Neuen Linken, so findet sich darin wider, was Marx schon im Kommunistischen Manifest als „Bourgeoissozialismus“ beschrieben hat:

„Ein Teil der Bourgeoisie wünscht den sozialen Mißständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern.

Es gehören hierher: Ökonomisten, Philantrophen, Humanitäre, Verbesserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohltätigkeitsorganisierer, Abschaffer der Tierquälerei, Mäßigkeitsvereinsstifter, Winkelreformer der buntscheckigsten Art. Und auch zu ganzen Systemen ist dieser Bourgeoissozialismus ausgearbeitet worden.

Als Beispiel führen wir Proudhons Philosophie de la misère an.

Die sozialistischen Bourgeois wollen die Lebensbedingungen der modernen Gesellschaft ohne die notwendig daraus hervor gehenden Kämpfe und Gefahren. Sie wollen die bestehende Gesellschaft mit Abzug der sie revolutionierenden und sie auflösenden Elemente. Sie wollen die Bourgeoisie ohne das Proletariat. Die Bourgeoisie stellt sich die Welt, worin sie herrscht, natürlich als die beste Welt vor. Der Bourgeoissozialismus arbeitet diese tröstliche Vorstellung zu einem halben oder ganzen System aus. Wenn er das Proletariat auffordert, seine Systeme zu verwirklichen und in das neue Jerusalem einzugehen, so verlangt er im Grunde nur, daß es in der jetzigen Gesellschaft stehenbleibe, aber seine gehässigen Vorstellungen von derselben abstreife (14).”

Konflikte unter der Spitze und deren soziale Basis

Trotz der gemeinsamen systemimmanenten Stoßrichtung aller Flügel in der WASG-Spitze hat sich im Zuge des Parteibildungsprozesses ein Richtungsstreit entwickelt. Das wurde öffentlich deutlich, als Lafontaine und andere VertreterInnen der WASG-Spitze aus der PDS wegen ihre „fundamentalistischen“ Haltung in Sachen Privatisierung angegriffen wurden.

Bekanntlich hatte Lafontaine jede Form der Privatisierung der Öffentlichen Daseinsvorsorge als unvereinbar mit linker Politik erklärt, nachdem die Dresdner PDS selbst aus der Opposition heraus der Privatisierung der städtischen Wohnbaugesellschaft an einen US-amerikanischen Investor zustimmte.

Anders als bei der PDS in Berlin oder Schwerin konnte diese Haltung nicht mehr als „unvermeidbares Zugeständnis“ einer ansonsten „sozialen“ Regierungspolitik, die angebliche oder wirkliche Schweinereien einer Großen Koalition von SPD und CDU auf Landesebene verhindert hätte, dargestellt werden.

In einem Kritikpapier an Lafontaine gingen wichtige PDS-Vorständler aus Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin mit dem Aushängeschild der „neuen Linken“ hart ins Gericht. Dieser hänge einem „veralteten“, staats-sozialistischen Verständnis an und sei außerdem nationalstaatlich fixiert. Obendrein wurden diese Kritiken noch damit garniert, dass der „Staatssozialismus“ von Lafontaine schon in der DDR gescheitert wäre und außerdem leicht mit anti-semitischen Vorstellungen zusammenzubringen sei.

Ein zweiter, nicht minder wichtiger Konfliktpunkt entbrannte um Forderungen wie jene des „bedingungslosen Grundeinkommens“, welche zur Zeit unter Führungs-VertreterInnen der PDS etliche AnhängerInnen hat, als bekannteste dabei wohl die als links geltende Katja Kipping.

Die AnhängerInnen des bedingungslosen Grundeinkommens – wie es auch in Teilen der Arbeitslosenbewegung und der kleinbürgerlich-radikalen Linken vertreten wird – gehen davon aus, dass Vollbeschäftigung als politisches Ziel nicht mehr zu erreichen wäre. Sie unterstützen zwar auch die Forderung nach Mindestlohn und Arbeitszeitverkürzung, wollen diese jedoch mit der ihrer Ansicht nach zentralen Losung nach einem „garantierten und bedingungslosen Grundeinkommen“ für alle kombinieren. Wir haben eine ausführliche Kritik dieser Forderung schon an anderer Stelle geleistet (15) und müssen diese hier nicht mehr wiederholen.

Politisch führt die Losung jedenfalls zu einer Absage an den von linken GewerkschafterInnen wie auch von der linken Gewerkschaftsbürokratie vertretenen Kampf um die Beseitigung der Arbeitslosigkeit und um Vollbeschäftigung, da sich aufgrund der Produktivitätsentwicklung gezeigt hätte, dass es eben immer weniger Lohnarbeit gebe.

Die VertreterInnen des bedingungslosen Grundeinkommens akzeptieren diese Entwicklung im Grunde als unvermeidlich, ja sehen in diesem gesellschaftlichen Übel nicht ein Zeichen für die immer größere Freisetzung von Arbeitskraft im Kapitalismus, sondern auch ein Signal, dass sich die Lohnarbeit ohne Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln beseitigen ließe. Es ist kein Zufall, dass auch „soziale Unternehmer“ diese Forderung aufgreifen. Auch von ihrer Geschichte her ist sie alles anderes als links, entstammt sie doch ursprünglich dem neoliberalen Doktrinär Milton Friedman und heißt in der FDP-Variante auch Kombilohn.

Gegen diese utopischen und pseudo-linken politischen Zaubertricks polemisiert u.a. die sog. „Sozialistische Linke“ in der WASG. Sie bildet eine eigene, politische zentrale Strömung, ist offen keynesinanisch orientiert und eng mit Teilen des Gewerkschaftsapparats bis in die verdi-Vorstandsetagen verbunden.

Mit Forderungen wir Kippings „Grundeinkommen“ haben sie nichts am Hut. Sie stehen für „traditionelle“ linksreformistische Gewerkschaftspolitik, die zur Politik der bundesdeutschen WASG werden soll.

Die Bedeutung der „Sozialistischen Linken“ als Vorstandsfraktion wurde auch am Parteitag der WASG klar. Sie prägte – gemeinsam mit den Ernsts und Händels – das Bild. Sie hat mindestens sechs Positionen im Vorstand und sie dient den Gewerkschaftsbürokraten in der WASG (und zukünftig wohl auch in der Vereinten Linken) als Sprachrohr.

Ihr Kampf gilt den Advokaten des „Dritten Weges“ in der PDS. Dazu sind sie auch bereit, sich mit jenen Linken zu verbünden, die schon im voraus ihre Kapitulation vor der Parteiführung klar gemacht haben, v.a. der „Antikapitalistischen Linken“ um die Kommunistische Plattform (KPF), aber auch isl oder linksruck.

Hinter dem Konflikt zwischen WASG-Vorstand/Sozialistischer Linker inkl. Teilen des PDS-Apparates, der ihnen nahe steht, und den Rechten in der PDS verbirgt sich allerdings auch eine unterschiedliche soziale Basis verschiedener Fraktionen in WASG und PDS.

Soziale Basis der dominierenden WASG-Fraktion

Die dominierende WASG-Fraktion bringt sehr unmissverständlich die Interessen des linken, jahrzehntelang in der linken SPD beheimateten Gewerkschaftsapparates und der von ihr vertretenen und kontrollierten Schichten der Arbeiteraristokratie zum Ausdruck. Durch die Wendung zur „Neuen Mitte“, aufgrund des Angriffs von SPD-geführten oder mitgetragenen Regierungen auf die Arbeiterklasse wie auch der Ruhigstellung dieses Flügels in der Sozialdemokratie, hat er seinen politischen Arm in der SPD wohl unwiederbringlich verloren.

Er muss daher daran gehen, einen neuen aufzubauen – dazu diente von Beginn an die WASG und jetzt die „neue Linke.“ Die PDS allein wäre für ein solches Projekt nicht in Frage gekommen, da sie erstens nie über den Status einer ostdeutschen Regionalpartei hinauskam, deren Mitgliedschaft samt aller Karteileichen im Westen bis 2005 nie über 4.700 (2001) hinauskam (16).

Zweitens war sie von sich aus nicht in der Lage, Anziehungskraft für einen links-reformistischen Flügel aus den Gewerkschaften und darüber aus der SPD zu gewinnen. Selbst als unter Rot-Grün eine massive Austrittswelle aus der SPD stattfand und die Konflikte in und mit den Gewerkschaften zur Formierung der WASG beitrugen, zogen es die Gewerkschaftsbürokraten vor, zuerst eine eigene „originäre“ politische Formation zu gründen, statt direkt der PDS beizutreten, selbst wenn diese auch einen politischen Konflikt mit jenen Parteimitgliedern bedeutete, die aus der WASG mehr als nur den parlamentarischen Arm eines Flügels der Gewerkschaftsbürokratie machen wollten.

Letztlich wollen sie die L.PDS übernehmen und die Vereinigte Linke zu einer Partei des linken Gewerkschaftsapparates und der von ihr geführten und kontrollierten Lohnabhängigenschichten machen.

Neben den reformistischen Gewerkschaftern und sozialdemokratischen Funktionären hat die WASG – im Unterschied zur PDS! – in zwei Phasen ihrer Existenz (bei Gründung, v.a. um den Bundestagswahlkampf) auch massiv untere Schichten der Arbeiterklasse, v.a. Arbeitslose, HartzIV-EmpfängerInnen, die teilweise schon jahrelang politisch aktiv waren, ansonsten jedoch erst über die Anti-Hartz-Bewegung politisiert und mobilisiert wurden, erreicht.

Diese AktivistInnen kamen aus einer, wenn auch an ihre Grenzen gestoßenen, Bewegung. Sie wollten – wenn auch oft nicht bewusst artikuliert – mehr als eine weitere sozialdemokratische, staatstragende Partei, die den Protest und die Wut gegen das System nur elektoral kanalisiert. Dieses, teilweise wirklich, teilweise dem Vermögen nach eigenständige und widerspenstige Element musste in jedem Fall aus der WASG getrieben werden (und zwar auch ohne Fusion mit der PDS).

Gegen diesen Flügel richtete sich von Beginn an die Führung der WASG. Sie führte ihn als Kampf gegen die Linke, auf die Klaus Ernst als „Sektenkrieger“ losschlug. Dabei war ein Teil der Linken stramm auf Vorstandlinie (v.a. linksruck), die anderen Gruppierungen durchaus eher schwach. Abgesehen von unserer Organisation – der Gruppe Arbeitermacht – verzichten auch alle darauf, ein eigenes alternatives Programm zum Vorstandsentwurf vorzuschlagen.

Die Hetze gegen „die Linken“ drückte sich damals z.B. in Berichten von „Basismitgliedern“ aus, die entsetzt über WASG-Kreise und Bezirksgruppen der Partei als politisches Terrain „unzähliger“ linker Gruppen berichtete; von Orten und Parteitagen, an denen permanent linke Zeitungen angeboten würden und die Menschen durch „Kordone“ von Linken laufen müssten. Solche Berichte „von unten“ fanden sich schnell auf der Homepage der WASG etc., manche ihrer AutorInnen arbeiten heute für die Bundestagsfraktion …

All das hatte mit der Realität reichlich wenig zu tun. Das wusste der Vorstand als Initiator solcher Kampagnen am besten. Aber es galt damals, die organisierte Linke vor den politisch unerfahrenen neuen Mitgliedern zu isolieren, indem diese als sektiererische Hindernisse auf dem Weg zur „Sozialstaatspartei“ und den großen Massen dargestellt wurden.

Der eigentliche Grund bestand jedoch darin, dass die WASG-Spitzen durchaus den schwer steuerbaren Charakter der Massenmitgliedschaft aus dem Arbeitslosenmilieu erkannten. Das hatte nichts mit dem aktuellen Bewusstsein dieser AktivistInnen zu tun, wohl aber mit der Lebenslage des (Dauer)Erwerbslosen und der Tatsache, dass viele von ihnen in einer Bewegung politisiert worden waren.

Anders als die (noch) Beschäftigten und hier vor allem anders als langjährige Gewerkschaftsmitglieder, die über einen langen Zeitraum an eine „Politik der kleinen Schritte“, Rückschläge, faulen Kompromisse gewöhnt sind und die sich noch einigermaßen stabil reproduzieren können, ist die Lebenslage der Arbeitslosen viel direkter von drohendem Niedergang, Armut, Absturz, Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben geprägt. Die „Reformen“ der letzten Jahre haben außerdem dazu geführt, dass dieser Absturz viel rascher als noch vor 10 oder 15 Jahren vonstatten geht und dass auch kein einigermaßen politisch bewusster Arbeitsloser von einer Regierung Verbesserungen erhofft.

Kurz: die Arbeitslosen haben wenig Zeit vor sich. Sie sind daher sehr viel ungeduldiger als „Normalbeschäftigte“, sie wollen rasche Resultate, weil sie rasch Besserung brauchen, da sie ansonsten den kompletten Absturz befürchten.

Hinzu kommt, dass sie zur Sicherung ihres Einkommens permanente staatlichen Institutionen (Bundesagentur) sowie diversen Ämtern gegenüberstehen, während der Lohnarbeiter in der Regel mit dem Kapitalisten zu tun hat und den Staat eher als „dritte“ Partei wahrnimmt.

D.h. die Arbeitslosen müssen von jeder Partei, die Regierungsverantwortung übernimmt, direkt angegriffen werden. Und jede Partei, die wie WASG und PDS dereinst eine „Reformregierung“ für einen Politikwechsel haben wollen, trachtet natürlich danach, dass die Mitgliedschaft nicht von Arbeitslosen dominiert wird. Diese mögen wie bei jeder bürgerlichen Partei die Linke wählen, sonst aber von einer allzu aktiven Einmischung in interne Angelegenheiten der Partei ablassen.

Die Hetze gegen die organisierte Linke (KommunistInnen, SozialistInnen) hatte natürlich auch den Zweck, eine mögliche Verbindung zwischen diesen Gruppen – einer organisierten, radikalen, „zu ungeduldigen“ anti-kapitalistischen Linken – mit bislang unorganisieren, radikalen, ungeduldigen, wenn auch noch nicht anti-kapitalistischen Massenelementen zu verhindern.

Basis der PDS

Die PDS hatte dieses Problem erst gar nicht. Einen Zustrom von Arbeitslosen in die Mitgliedschaft gab es nicht. Die Mobilisierungen gegen die Regierung und Angriffe des Kapitals in den letzten Jahren haben in der PDS zu keinen Mitgliederzugewinnen geführt, selbst wenn sie auf elektoraler Ebene davon zuweilen profitieren konnte.

Anders als die bürgerliche Arbeiterpartei (17) SPD, in der bis vor einigen Jahren das Gros des Führungspersonals der WASG (tw. über den Umweg PDS) ihre politische Vertretung sah, stützt sich die PDS nur in geringem Maße auf die gewerkschaftliche organisierte Arbeiterklasse.

So sind 57 Prozent der SPD-Mitglieder in Gewerkschaften (18) aktiv, während es bei der PDS nur 37 Prozent sind (deutlich ist hier natürlich der Unterschied zu CDU/CSU mit 16 Prozent Gewerkschaftsmitgliedern). Allerdings ist die PDS durch diverse andere Vereine mit der Masse der lohnabhängigen Bevölkerung im Osten verbunden wie z.B. der Volkssolidarität.

Das hat nur zum Teil mit der Deindustrialisierung des Ostens zu tun. Von Beginn an hatte die PDS relativ wenig Verankerung in der industriellen Arbeiterklasse wie auch unter LohnarbeiterInnen, die im Handel tätig sind. Sie war – im Gefolge der SED – eine Partei, die v.a. auf die lohnabhängigen Schichten im Staatsapparat, in der Verwaltung bzw. in der Administration, also auf Mittelschichten oder Teile der DDR-Arbeiteraristokratie und natürlich der Bürokratie ausgerichtet war.

Diese machen auch noch heute den Kernbestand der PDS-Mitgliedschaft als Rentner aus. Von den rund 60.000 sind mehr als 70 Prozent älter als 60 Jahre.

Ein Blick auf die „junge“ Mitgliedschaft verdeutlicht auch die enge Bindung zwischen PDS und Staatsfunktionen. Ein großer Teil der „jüngeren“ Mitgliedschaft bekleidet eine Funktion auf kommunaler oder Kreisebene, in die die Mitglieder gerade in jungen Jahren rasch hineinwachsen, selbst, ja gerade wenn sie ursprünglich aus dem autonomen oder Antifa-Spektrum rekrutiert wurden.

Neben den Funktionen auf kommunaler oder Landesebene kommen noch hunderte Posten als parlamentarische Mitarbeiter sowie in den Stiftungen und im eigentlichen Parteiapparat.

Alles in allem leistet sich damit die PDS im Kern eine recht stabile und im Vergleich zur Mitgliedschaft sehr umfangreiche Funktionärs- und Apparatschicht, die sich auch innerparteilich als Delegierte zu den Parteitagen reproduziert.

Besonders hoch ist der Akademikeranteil unter den PDS-Mitgliedern mit 54 Prozent (verglichen mit 33 Prozent der SPD-Mitglieder). Während 40 Prozent der SPD-Mitglieder Hauptschulabschluss oder gar keinen haben, liegt der Anteil der PDS nur bei 30 Prozent (gegenüber 50 Prozent der Gesamtbevölkerung).

Die PDS kann insgesamt sehr wohl als bürgerliche Arbeiterpartei charakterisiert werden, in der die gewerkschaftlich organisierten Kernschichten der industriellen Arbeiterschaft und die sich auf sie stützenden Gewerkschaften aber wenig Gewicht haben. Wie auch in der SPD (und vielen anderen bürgerlichen Parteien) wird das politische Personal zunehmen aus den lohnabhängigen Mittelschichten rekrutiert. In der PDS gibt es dazu sicher den „Sonderweg“, dass sie sich dabei auf RepräsentantInnen der ehemaligen DDR-Bürokratie stützt. Ansonsten zeigt sich auch in ihrem politischen Personal eine starke Dominanz von Staatsbediensten und Angestellten.

Beide, WASG und PDS, sind – sieht man von den vor der Säuberung stehenden Arbeitslosenschichten in der WASG ab – Parteien, die Partikularinteressen bestimmter Teile der Arbeiterklasse, der Arbeiteraristokratie sowie der lohnabhängigen Mittelschichten zum Ausdruck bringen. Der Konflikt innerhalb der zukünftigen Linkspartei über die genaue Ausgestaltung ihres Reformismus ist wesentlich ein Konflikt darüber, auf welche dieser Schichten oder Teilen einer Klasse sich die Linke zukünftig stellen soll.

Es ist auch kein Zufall, dass die VertreterInnen der Arbeiteraristokratie und Bürokratie hier als die Linkeren auftreten, weil sie real auch stärker unter dem Druck einer selbst vom Generalangriff des Kapitals massiv bedrohten und organisierten Schicht der Klasse stehen, während sich die ostdeutschen „Realpolitiker“ viel mehr vom organisierten Druck einer sozialen Basis freigespielt haben.

Funktion für den deutschen und europäischen Imperialismus

PDS und WASG sind reformistische, bürgerliche Arbeiterparteien und auch die neue Linke wird eine solche sein. Selbst wenn der formale Bezug zum „demokratischen Sozialismus“ im Programm auftauchen sollte, so hat das nichts mit einem auf wissenschaftliche, materialistische Analyse gestützten Programm zur Erringung des Sozialismus zu tun. Ein solches Programm von Übergangsforderungen müsste eben nicht bloß ein nebelhaftes, allgemeines Bekenntnis, sondern eine Strategie zur revolutionären Machtergreifung des Proletariats, zur Zerschlagung des bürgerlichen Staates und zur Erringung der Räteherrschaft der Arbeiterklasse, zur Diktatur des Proletariats sein.

Das Programm von PDS und WASG hat damit nichts zu tun (ebenso wie das der SPD seit gut hundert Jahren). Es ist ein utopisch-reaktionäres Programm im Rahmen des bürgerlichen Staates, es ist nicht sozialistisch, sondern bürgerlich.

Mag es auch noch so gern Reformziele beschwören, so bedeutet die Regierungsbeteiligung dieser Parteien – wie jede Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung – Verantwortung für die Politik im Interesse der Bourgeoisie zu übernehmen und in Perioden verschärfter Klassenkämpfen natürlich die eigene Basis anzugreifen oder „bestenfalls“ Sektoren der Aristokratie kleine Zugeständnisse für massive Angriffe auf die unteren Schichten der Klasse zu bieten.

Eine bürgerliche Arbeiterpartei ist also eine Partei, die sich – in Trotzkis Worten – „auf die Arbeiter stützt, aber der Bourgeoisie dient.“

In der imperialistischen Epoche und in der parlamentarischen Demokratie sind diese Bedingung oft sehr eng, durch tausende Pöstchen, Gremien, zivilgesellschaftliche Institutionen, NGOs etc. vermittelt, wenn auch zunehmend instabiler.

Die Gründung der WASG hatte schließlich auch einen viel widersprüchlicheren Charakter als die Existenz der PDS, weil sie einerseits den Willen eines Teils der Klasse nach einer eigenständigen politischen Organisierung und einem Kampfinstrument ausdrückte und andererseits den Willen der Bürokratie, sich ein neues politisches reformistisches Instrument zu schaffen als Mittel, die SPD „wieder auf Kurs zu bringen“ bzw. die Sozialdemokratie außerhalb der SPD wieder zu beleben.

Die Funktion bestand und besteht also darin, eine staatstragende Partei zu schaffen, die aktuellen, v.a. aber zukünftig zu erwartenden Widerstand abfedert, integriert oder spaltet. In diesem Sinn ist die Linke nicht nur ein Instrument der Arbeiterbürokratie, bringt nicht nur das Interesse nach Abmilderung der Klassengegensätze zum Ausdruck; sie ist auch ein Instrument des imperialistischen Staatsapparates und der Bourgeoisie in der Arbeiterklasse.

Das wird deutlich, wenn man die Rollen betrachtet, die PDS oder WASG in Kämpfen spielten – gerade dann, wenn sie als Unterstützer auftreten. Ob bei AEG in Nürnberg, Opel in Bochum oder bei BSH in Berlin: die Unterstützung war immer zuerst eine Unterstützung für den Kurs der Gewerkschafts- und Betriebsratsbürokratie. Wo die Beschäftigten gegen den Kurs der Bürokratie ankämpften, stellte sich die PDS gegen die ArbeiterInnen und Angestellten.

Von der Forderung nach Abschaffung aller Hartz-Gesetze hört man natürlich nichts.

Selbst die Parlamentsfraktion, die für das Recht auf Generalstreik eintritt, hat es bisher nicht geschafft, Gesetzesanträge einzubringen, die die Einschränkung des Streikrechts in Deutschland aufheben sollen, und darum eine politische Kampagne zu entfachen.

Ebenso kündigt sich für die Mobilisierung zum G8-Gipfel an, dass die PDS im Gleichschritt mit attac und anderen versuchen wird, den Protest in kontrollierten Bahnen zu halten (19).

An allerdeutlichsten zeigt sich der staatstragende und pro-imperialistische Charakter des Reformismus aber in der Außenpolitik:

„Deutsche und europäische Außenpolitik muss Friedenspolitik werden: Die Bundeswehr darf nicht weiter für Militärinterventionen im Ausland eingesetzt werden. Die Nutzung von Militärbasen auf dem Boden Deutschlands und in der EU für Aggressionskriege und menschenrechtsfeindliche Verschleppungen muss beendet werden. Militärbündnisse wie die NATO wollen wir überwinden. (…)

Demokratisierung der UNO: Das Ziel der Charta der Vereinten Nationen, eine Welt des Friedens und der Wahrung der Menschenrechte zu erreichen, erfordert eine weitere Stärkung und Demokratisierung der UNO, mehr Rechte der Vollversammlung gegenüber den Ansprüchen der Welt- und Großmächte. Verschleppungen, geheime Gefängnisse und Folter sind weltweit zu ächten. Die Koordination der internationalen Anstrengungen für eine gerechte Weltwirtschafts- und Sozialordnung sollte bei einer demokratisierten und gestärkten UNO liegen. (…)

Wandel der Europäischen Union: Wir treten dafür ein, dass sich die EU von einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu einer europäischen Beschäftigungs-, Sozial-, Umwelt- und Friedensunion entwickelt (20).“

Der deutsche Imperialismus und der sich formierende europäische Imperialismus werden in utopischer Manier in einen potentiellen Friedensverein umgedichtet, der heute zwar „schmutzige“ Kriege führt, doch, richtig regiert, allemal echte „Friedenspolitik“ machen könne.

Die EU kann auch nicht zu einer „Beschäftigungs-, Sozial-, Umwelt- und Friedensunion“ umgestaltet werden – sie ist ein imperialistisches Staatenbündnis unter Führung von Deutschland und Frankreich, um mittel- und langfristig den USA als vorherrschende Weltmacht den Rang abzulaufen.

Das Gerede um die „soziale Union“ auf Basis der bestehenden Eigentumsverhältnisse hat hier allerdings auch einen politischen Zweck für die herrschenden Kapitalistenklassen in Deutschland und anderen EU-Ländern, nämlich die sich formierenden Bewegungen gegen den Generalangriff in Europa, gegen das rassistische Grenzregime, gegen die imperialistische Politik auf ein „anderes“, besseres – bürgerliches – Europa zu orientieren und so doch noch eine „andere“, d.h. mit mehr reformistischen und sozialen Phrasen versehene imperialistische Verfassung zu legitimieren.

Die linken Strömungen

Anders als die PDS war die WASG lange Zeit keine stabilisierte, gefestigte reformistische Apparatpartei. Ihre Bürokratie musste sich selbst erst formieren und ihre Kontrolle über die Partei immer wieder behaupten.

Am schärfsten trat dieser Konflikt sicher um die Eigenkandidatur der WASG-Berlin zutage, der gegen den Willen und alle möglichen medialen und juridischen Winkelzüge der WASG-Spitze durchgekämpft wurde.

Die Berliner WASG trat hier mit einer Reihe unterstützenswerter Teilforderungen an, wenn auch im Rahmen eines reformistischen Programms. Entscheidend war jedoch, dass sich in dieser Kandidatur der Wille einer großen Mehrheit der aktiven WASG-Mitglieder ausdrückte, gegen die neoliberale Senatspolitik der Berliner PDS anzukämpfen, und keine Fusion um jeden Preis einzugehen.

Dass die WASG letztlich doch unter Kontrolle des Vorstandes landete, ist durch eine Reihe von Faktoren bedingt.

Der zentrale ist sicherlich, dass es seit dem Niedergang der Montagsdemonstrationen auch zu einem Niedergang landesweiter Protestmobilisierungen von Teilen der Arbeiterklasse kam. Dadurch war der Druck durch reale Bewegungen auf die sich formierende WASG immer begrenzt.

Ein zweiter Faktor war jedoch die Politik der Linken in der WASG und außerhalb.

Bei allen Begrenzungen und Kritiken an der WASG war sie doch Resultat einer Erschütterung des sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Reformismus – insbesondere der Form seiner Reproduktion, wie es sie seit dem Niedergang und der politischen Ausschaltung der KPD im Westen nicht mehr gegeben hatte.

Es handelte sich tatsächlich um eine politische Neuformierung in der Klasse, die von Massen getragen oder zumindest mit Interesse und Sympathie verfolgt wurde. Die Gefahr, ja die Wahrscheinlichkeit, dass diese letztlich wieder unter die Fittiche der Bürokratie gerät, war immer da, ja immer groß.

Doch das macht die Haltung eines Teils der deutschen Linken außerhalb der WASG, mit dem Verweis auf die Wahrscheinlichkeit und Gefahr der Konsolidierung des Reformismus und Bürokratie erst gar nicht in dieser Formierung zu wirken oder zu kämpfen, nicht besser. Es war nur eine rechthaberische, passive Vorab-Kapitulation, die praktisch nur dazu führen kann, den soziademokratischen Reformisten das Feld zu überlassen.

Freilich wurden diese „Kritiken“ auch genährt durch das Verhalten der Linken in der WASG. Die DKP als eine der größten reformistischen Formationen links von der PDS zeichnete sich dadurch aus, dass zwar in etlichen WASG-Kreisen Mitglieder eintraten, dass sie aber insgesamt überhaupt keine klare politische Taktik oder Zielsetzung verfolgte. So unterstützte z.B. die Berliner DKP den eigenständigen Antritt der WASG Berlin, während sich noch kurz zuvor Führungsmitglieder derselben DKP als Kandidaten auf der PDS-Liste versucht hatten.

Im Zuge der Fusionsdiskussion hat sich eine WASG- und PDS-übergreifende „Oppositionsströmung“ gebildet, die von Kommunistischen Plattform (KPF) um die EU-Abgeordnete Sarah Wagenknecht, über Vertreter der „Sozialistischen Linken“ wie Sabine Lösing, Abgeordnete wie Nele Hirsch bis zu Thiess Gleiss (Bundesvorstand WASG und isl) reicht. Diese heterogene Mischung tritt für eine „sozialistische Programmatik“ ein, auch wenn diese positiv nicht näher definiert und ihre Forderungsplattform als links-reformistische zu charakterisieren ist.

Sie tritt außerdem dafür ein, dass die PDS in Berlin „unter diesen Bedingungen“ die Koalition mit der SPD nicht fortsetzt. Sie kritisiert die programmatischen Eckpunkte als „Schritt nach rechts“ (Wagenknecht) oder als „schwammig“ (Spilker).

Gemein ist dieser Opposition jedoch, dass sie es erstens ablehnt, sich gegen die Entscheidungen der Vorstände in der Praxis zu stellen. So haben alle namhaften VertreterInnen dieser „Opposition“ den eigenständigen Antritt der WASG Berlin abgelehnt und die Kandidatur der PDS unterstützt.

Und „natürlich“ lehnen sie es auch ab, einen organisierten, politischen Fraktionskampf in der PDS, der WASG oder der neuen Linken zu führen, um möglichst viele Mitglieder von der Partei zu brechen. Die KPF als Kern dieser Strömung hat das in der PDS 15 Jahre lang abgelehnt – und wird das wohl auch in den nächsten 15 Jahren tun (sofern sie dann noch existiert). Der „Aufruf zur Gründung einer neuen linken Partei (21)“ beginnt gleich mit einer politischen Lobhudelei und politischen Unterstützung von deren Ausrichtung:

“Der am 2. Juni 2006 von Oskar Lafontaine, Gregor Gysi, Felicitas Weck, Klaus Ernst, Katja Kipping und Lothar Bisky vorgestellte Aufruf zur Gründung einer neuen linken Partei ist für uns unterstützenswert, da er – gerade im Vergleich mit manchen anderen Veröffentlichungen in der bisherigen Programm- und Strategiedebatte – ein erster Schritt hin zu einer linken Politik und Praxis der neuen Partei sein kann (22).”

Darum will diese “Strömung” auch an der Politik des Vorstandes “anknüpfen” und lehnt diese nicht grundsätzlich ab. Das zeigt sich z.B. bei der Frage der “Mindestbedingungen für Regierungsbeteiligungen:”

„Als Mindestbedingungen für Regierungsbeteiligungen werden im Aufruf bisher drei Grundsätze genannt: Die Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge dürfen nicht privatisiert, der Personalabbau muss generell gestoppt und die Kürzung sozialer Leistungen verhindert werden. Diese Grundsätze sind richtig, aber reichen nicht aus. Notwendig ist aus unserer Sicht mindestens das klare Versprechen zu einer konsequenten Friedenspolitik. Eine Zustimmung der neuen linken Partei zu Militäreinsätzen würde ihre Glaubwürdigkeit schließlich ebenfalls massiv beschädigen.

Ferner muss festgehalten werden, dass DIE LINKE. in Regierungsbeteiligung keine Maßnahmen mit trägt, die Ausgrenzungen im Bildungswesen verschärfen oder Grund- und Freiheitsrechte aushöhlen. Dies ist gerade für Regierungsbeteiligungen auf Landesebene von Bedeutung, wo die Politik keine unwesentlichen Einflussmöglichkeiten besitzt. Entscheidend ist hier für den Bildungsbereich insbesondere, dass DIE LINKE. die Gebührenfreiheit von Bildung sichert bzw. ausweitet. In der Innenpolitik muss sie sich in Regierungsverantwortung unter anderem konsequent gegen Abschiebungen stellen und polizeirechtlichen Verschärfungen mit den damit einhergehenden Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten, beispielsweise in den Bereichen der Demonstrationsfreiheit und des Versammlungsrechtes, entgegentreten (23).“

All das gibt sich ganz „kritisch“ gegenüber der Praxis der PDS-Regierungen. Doch im Klartext heißt es nur eines: Die „anti-kapitalistische Linke“ steht zur Übernahme von Regierungsmacht im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft zur Verfügung.

Selbst wenn die oben angeführten „Bedingungen“ erfüllt würden, wäre die Regierung, an der sich die „anti-kapitalistische Linke“ beteiligen würde, selbstverständlich eine bürgerliche, eine imperialistische.

Auch wenn diese ein „klares Versprechen zu einer konsequenten Friedenspolitik“ abgeben würde, was wäre das wert? Nichts!

Eine solche „andere“ Politik ist für eine bürgerliche Regierung oder gar für ein einzelnes Ministerium von „Sozialisten“ einfach unmöglich. Der bürgerliche Staat ändert seinen Charakter als politisches Instrument der herrschenden Klasse zur Verteidigung und Reproduktion der herrschenden Verhältnisse selbstredend nicht durch diese oder jene Parteienzusammensetzung der Regierung. Wohl aber bedeutet eine Regierungsbeteiligung von SozialistInnen immer, für die Gesamtheit der bürgerlichen Politik Verantwortung zu übernehmen.

Damit wäre natürlich jede grundsätzliche Kritik am bürgerlichen Staat und Regierungssystem – am Staat als Staat des Kapitals – konterkariert und parodiert durch das eigene Regieren. Kurzum, auch bei der „sozialsten“ Regierung gewinnt die herrschende Klasse.

An diesem Beispiel zeigt sich, dass die „anti-kapitalistische Linke“ fest auf dem Boden der bürgerlichen Verhältnisse steht, in der Traditionslinie des „linken“ Reformismus, an der Seite der französischen Regierungssozialisten Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert gegen Rosa Luxemburg und alle anderen revolutionären MarxistInnen der Geschichte.

„Worin sich sozialistische Politik von der bürgerlichen unterscheidet, ist der Umstand, dass die Sozialisten Gegner der gesamten bestehenden Ordnung im bürgerlichen Parlament grundsätzlich auf Opposition angewiesen sind (24).

Wichtiger noch als die reformistischen Positionen der „anti-kapitalistischen“ Linken ist freilich deren Funktion für die Formierung der „neuen Linken“ – die Verhinderung einer politischen Opposition gegen die Vorstände, die im Parteibildungsprozess wirklich kämpft und willens und fähig wäre, eine neue politische sozialistische Arbeiterpartei auch außerhalb und gegen „die Linke“ aufzubauen.

Während sich die „anti-kapitalistische Linke“ wesentlich aus VertreterInnen speist, die prominent im Apparat und in der Bundestagsfraktion vertreten und in der „Kommunistischen Plattform“ eine nahezu ungebrochen Geschichte der Unterordnung unter die PDS-Führung hat, spielen die größeren zentristischen Organisationen in der WASG – linksruck, isl, SAV – eine fast noch tragischere Rolle.

Während die isl wesentlich eine Form linken Flügels in der anti-kapitalistischen Linken darstellt und gelegentlich, d.h. v.a. bei rechten Schwenks, mit der SAV paktiert und ihre VertreterInnen ansonsten als mehr oder weniger gut getarnte U-Boote in allen möglichen Strömungen zu finden sind, haben linksruck und SAV eine klarer sichtbare Politik.

Auch wenn wir uns hier mit der isl wenig beschäftigten, dann nicht deshalb, weil ihre Politik besser als jene der SAV wäre. Im Gegenteil: auf einen gemeinsame Begründungszusammenhang oder disziplinierte Umsetzung ihrer Politik verzichtet diese Strömung nur vorgeblich im „Dienste der Bewegung.“ In Wirklichkeit kann sie genau damit ihre politische Funktion – Scharnier und Integrationspunkt zwischen den verschiedenen „linken Strömungen“ im Kampf gegen deren Radikalisierung zu sein – besser erfüllen. Anders als der SAV, linksruck oder Arbeitermacht erscheint die isl als Gruppe, die gar kein „Eigeninteresse“, gar kein eigenes politisches Ziel verfolgen würde.

In der Politik, wo letztlich verschiedene Klassenstandpunkte aufscheinen, bedeutet solcher vorgebliche „Altruismus“ freilich nur, dass die jeweils schon vorherrschende Position oder Stimmung unterstützt wird. Daher läuft die Politik der isl, trotz mancher korrekter Teilkritik an WASG oder PDS immer auf Nachtrabpolitik hinter den Vorständen und vorzugsweise hinter deren „linken“ Flügel hinaus.

Linksruck

Linksruck kann für sich den zweifelhaften Ruhm reklamieren, immer stramm auf Vorstandslinie gestanden zu sein. Selbst verhaltene Kritik an den diversen reformistischen Programmen der WASG wurde geradezu euphorisch bekämpft und die „Formelkompromisse“ gefeiert.

„Linksruck setzt sich im Rahmen der Formierung einer Linkspartei für ein solches (von den Initiatoren der Wahlalternative vorgeschlagenes; Anm. der Redaktion) konsensfähiges Reformprogramm ein (25).“

Der „Kampf“ der Linskruckler beschränkt sich darauf, „innerhalb einer solchen Linkspartei um die Erkenntnis der Unreformierbarkeit des Kapitalismus zu streiten“ und „mittel- und langfristig“ dafür, dass „der Kampf für Reformen ein Kampf um die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung sein wird (26).“

Eine solche Perspektive hat anno dazumal schon der linke Flügel in der Sozialdemokratie vertreten. Auch diese kämpften für Reformen und beschworen nach Feierabend die „Unreformierbarkeit des Kapitalismus“.

Wenn diese Formel für eine politische Strömung einen Wert haben soll, dann muss eine solche Partei den Kampf für Reformen bewusst nutzen, um die Arbeiterklasse zum Kampf um die Macht, zum Sturz der bürgerlichen Herrschaft, der Zerschlagung des Staatsapparates und die Errichtung der Macht der Arbeiterklasse vorzubereiten.

Eine solche revolutionäre Strategie und Programmatik kann und darf den „Tageskampf“, den „Kampf um Reformen“ (also soziale und politische Forderungen) nicht unberührt lassen. Sie müssen sich beispielsweise in der Verbindung von Teilforderungen mit Forderungen nach Arbeiterkontrolle zeigen.

Darauf können und dürfen wir freilich nicht erst warten, bis eine akut revolutionäre Situation eingetreten ist. Eine neue Partei muss jetzt die Frage von „Reform und Revolution“ diskutieren – und nicht erst, wenn die „Situation reif ist“. Dann ist es nämlich meist zu spät, weil die Zeit fehlt, die notwendige Strategie zu erarbeiten und die Parteimitglieder und die Arbeiterklasse darauf vorzubereiten.

Hinzu kommt, dass die Frage von „Reform und Revolution“ viel aktueller ist, als Linksruck meint. Wir brauchen nur an die Kämpfe in Italien seit Genua zu denken. Diese waren knapp daran, die Machtfrage aufzuwerfen. Die italienischen Gewerkschaften, Rifondazione und die Sozialforen – genauer: deren Führungen – hätten den Sturz Berlusconis durch einen Generalstreik erzwingen können. Sie haben es bewusst nicht getan, weil sie die dadurch aufgeworfene Machtfrage – die Frage von Revolution und Konterrevolution – nicht stellen und beantworten wollten.

Im Fusionsprozess bestand und besteht die Aufgabe von Linksruck darin, der Bürokratie den Rücken freizuhalten. Am Bundesparteitag im November kritisierten diese „Sozialisten“ natürlich auch nicht die Rechte, sondern – die Linken.

Eine Reihe FunktionärInnen von linksruck hat diese Rolle als Kläffer des Parteivorstandes mit Posten versüßt bekommen, als politische MitarbeiterInnen der Parlamentsfraktion.

SAV

Im Gegensatz zu linksruck oder isl trat die “Sozialistische Alternative Voran” (SAV) am Beginn der WASG für ein sozialistisches Programm ein – zumindest versprach das der Untertitel ihrer Broschüre vom Oktober 2004.

Die SAV ging darin von der Unversöhnlichkeit der Interessen von Proletariat und Bourgeoisie und der Unmöglichkeit eines „sozialen, humanen und friedlichen Kapitalismus“ (27) aus.

Ein Programm, das wirklich sozialistischen Charakter hat, muss sich v.a. daran messen lassen, ob es einen Weg weist vom gegenwärtigen Abwehrkampf zum Kampf für die sozialistische Revolution. Das SAV-Programm enthält fraglos richtige Elemente, die gegenüber dem Programmentwurf des Bundesvorstandes der ASG einen Fortschritt darstellen:

„Parlamentarische Positionen werden wir vor allem als Plattform zur Verbreitung unserer politischen Alternative und zur Unterstützung außerparlamentarischer Bewegungen nutzen … Die WASG unterstützt gewerkschaftliche und betriebliche Kämpfe und wird helfen, diese zu vernetzen. Kämpferische Basisinitiativen auf betrieblicher und gewerkschaftlicher Ebene erhalten unsere Unterstützung und wir setzen uns in den gewerkschaftspolitischen Debatten für einen Kurswechsel der Gewerkschaften hin zu einer kämpferischen Politik ein … (28)“

Ihre in 6 Punkten zusammengefassten Ziele, von denen die meisten durchaus unterstützenswert sind, kulminieren denn auch in der Forderung nach „Überführung der Banken, Konzerne und Versicherungen in Gemeineigentum … Demokratische Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung (29)“.

Doch wie soll das bewerkstelligt werden? Soll der bürgerliche Staat das durchsetzen? Welche Stufe und Organisationsformen des Klassenkampfes wären dazu notwendig und wie dauerhaft wäre diese Doppelherrschaft zwischen Arbeiterräten und bürgerlichem Staat? Soll er zuvor zerschlagen werden oder soll er sich etwa friedlich – Kraft eines Beschlusses einer WASG-Parlamentsmehrheit – auflösen? Mehr Fragen als Antworten! Gerade in der Staatsfrage aber dürfen MarxistInnen gar nichts offen lassen! Die SAV macht aber gerade das!

Hier kommt die Methode der SAV klar heraus! „Zuerst“ den Weg mit Reformisten und ihren Vorstellungen gemeinsam gehen. „Danach“ – wenn sie durchgesetzt oder aber gescheitert sind – den Rechthaber spielen: Wir haben ja schon immer gesagt, dass es nicht genug ist! Erst dann trennen sich die Wege von SAV und WASG-Vorstand!

Die WASG-Spitze verballert mit ihrer utopischen Strategie der Rückkehr zu den „goldenen Zeiten“ der „Sozialpartnerschaft“ von Adenauer bis Schmidt das kostbare Potential einer politischen Alternative. Sie nimmt nicht den Kampf gegen den Neoliberalismus praktisch auf, um ihm eine Anleitung zu geben, sondern hofft passiv auf Mitgliedergewinne durch das Abbröckeln der SPD-Wählerbasis.

Das „Übergangsprogramm“ der SAV enthält zwar einige radikale Losungen, welche die ReformistInnen nicht auf ihrem Zettel haben, aber es schlägt eben nicht die Brücke vom heutigen Bewusstsein der Arbeiter(vorhut) zum Ufer der Diktatur des Proletariats, benennt keine unabhängigen Klassenorgane wie Fabrikkomitees, Arbeitermilizen und -räte, sondern will nur „einen“ Schritt weiter als das vorherrschende reformistische Bewusstsein derjenigen sein, die mit der SPD (einstweilen) organisatorisch gebrochen haben, ohne damit aber schon der sozialdemokratisch-reformistischen Ideologie den Laufpass gegeben zu haben.

Die revolutionäre Sprengkraft des Übergangsprogramms wird von der SAV – und nicht nur in ihrem WASG-Vorschlag, sondern immer! – doppelt entschärft:

1. werden einzelne Losungen aus dem Gesamtzusammenhang des Programms gerissen. Es gibt aber eben keine Einzellosungen, die für sich genommen mit wundersamer Sprengkraft den Kapitalismus zerstören könnten, wenn man nur heftig genug für sie kämpft! Alle Übergangslosungen müssen in eine Strategie für die Zerschlagung des Kapitalismus, die Diktatur des Proletariats eingebettet sein, sonst sind sie integrierbar und wirkungslos – selbst für die Entfaltung von Doppelherrschaft.

2. fehlen bei der SAV hier wie stets die eigentlich zentralen, die Frage der Macht betreffenden Losungen nach Räten, Arbeitermilizen, Arbeiterkontrolle und der Zerschlagung des bürgerlichen Staates.

Die Vorschläge der SAV hätten das WASG-Programm graduell verbessern – eine Anleitung zum Handeln im Klassenkampf oder gar sozialistisch wären sie aber nicht gewesen!

Doch die SAV ließ ihren WASG-Programm-Vorschlag ohnedies rasch fallen. In der Programmdebatte beschränkte sie sich auf die Formulierung einzelner Änderungen, darunter die Frage der Regierungsbeteiligung – was dazu führte, dass auch die SAV in der WASG dazu überging, vom „richtigen Gründungskonsens“ der Partei zu sprechen.

Prominent und zu einem zentralen Kern der oppositionellen Formierung in der WASG wurde die SAV durch den eigenständigen Wahlantritt in Berlin, den sie voll unterstützte und bei dem sie eine prominente Rolle spielte, während sich linksruck frontal entgegenstellte und die isl zwar für einen Antritt war, ihr Mitglied im Bundesvorstand der WASG, Thiess Gleiss, jedoch gegen die Kandidatur agitierte.

Insofern ist es ein Mythos, dass die SAV immer „konsequent“ oppositionell gewesen wäre. Sie hat sich der Programmatik der WASG über weite Strecken angepasst, statt diese offen als bürgerlich-reformistisch zu kritisieren.

Aber die Rolle der SAV war durchaus verschieden von jener von linksruck, da sie sich in einem zentralen politischen Konfliktpunkt eindeutig gegen den Bundesvorstand stellte – dem um die eigenständige Kandidatur der Berliner WASG.

Berliner Kandidatur

Die Bedeutung dieser Kandidatur für den Formierungsprozess der WASG geht dabei weit über Berlin hinaus und hat vor allem eine bundespolitische Bedeutung, weil sie ein realer Schritt war zu einem NEIN zur Politik der reformistischen Vorstände und ihrer politischen Zielsetzung.

Schließlich ging es in Berlin um weit mehr als einzelne politische „Ausrutscher“ oder eine besonders üble Politik von Wolf und Co. Die Koalitionen in Berlin und Schwerin zeigen, wohin eine Vereinigte Linkspartei auf reformistisch-keynesianischem Programm unwillkürlich gehen kann und muss.

Daher war der Berliner Wahlantritt trotz des bürgerlich-reformistischen Programms, auf dessen Grundlage er geführt wurde, ein Schritt vorwärts. Wenn auch ohne ausreichende Bewusstheit stellte der Kampf um die Eigenkandidatur den Kampf zwischen zwei sozialen Lagern – einerseits der bürgerlichen Arbeiterbürokratie und -aristokratie in der PDS/WASG und andererseits der unteren Schichten der Klasse dar, die gewissermaßen instinktiv den Kurs der Anpassung nicht mehr mitgehen wollten.

Das Problem war und ist jedoch, wie die Formierung der Opposition, die sich in den letzten Monaten ergab, bundespolitisch vorangetrieben werden kann; wie aus dem instinktiven Aufbegehren gegen den Kurs der Parteiführungen ein bewusstes und organisiertes Aufbegehren wird.

Auf Dauer ist nämlich eine Partei, die Reformstrategie und Revolutionsperspektive vereinen will, nicht möglich, da diese beiden Strategien auf unterschiedlichen Klassenstandpunkten – auf einem bürgerlichen bzw. einem proletarischen beruhen.

Eine längerfristige Existenz als klassenkämpferische oder gar revolutionär-kommunistische Opposition ist in einer reformistischen Partei nur in kurzen Phasen ihrer Krise oder inneren Bewegung (in der Regel nach links) möglich. Ansonsten ist das nur um den Preis der politischen Kapitulation und Marginalisierung möglich.

Die Phase der Konstituierung der Linkspartei geht jetzt dem Ende zu. Die Linke muss sich daher auch um den politischen Endkampf bemühen. Jetzt abzutauchen heißt, einfach den weiteren Exodus und die politische Zersplitterung enttäuschter, aber durchaus kampfwilliger Menschen hinzunehmen; es würde eine weitere Vertiefung der Spaltung von politischer und sozialer Protestbewegung bedeuten.

Wie schon bei der Frage des Programms rudert die SAV unter ihrem Bundessprecher Sascha Stancic nun auch in der Frage der bundespolitischen Formierung kräftig zurück.

Das Schema der SAV

„Wir treten dafür ein, den Kampf um die Ausrichtung und Programmatik der zu bildenden Partei ernsthaft bis zum Schluss zu führen. Das beinhaltet das Eintreten für ein Nein zu einem Zusammenschluss mit der LPDS, wenn die genannten inhaltlichen Mindestkriterien nicht erfüllt werden und der Parteibildungsprozess so undemokratisch verläuft, wie bisher.

Wir halten es für verfrüht und taktisch unklug zum jetzigen Zeitpunkt Festlegungen für den Fall zu treffen, dass dieser Kampf verloren geht und eine Mehrheit der WASG-Mitglieder einem Zusammenschluss mit der LPDS auf Basis der jetzigen L.PDS-Politik zustimmt (30).“

Einerseits will die SAV zwar anders als die anti-kapitalistische Linke gegen die Fusion mit der PDS und gegen die programmatischen Eckpunkte und Statutenvorschläge der Steuerungsgruppe der Vorstände stimmen (die nicht zufällig alle führungskonformen Strömungen aus PDS und WASG einschließen) und eine NEIN-Kampagne führen.

Andererseits drückt sie sich jedoch davor, sich und die MitstreiterInnen in der Linken Opposition für den Fall eines Scheiterns der eigenen Bemühungen vorzubereiten. Das muss aber einschließen, sich so weit zu formieren, dass auch außerhalb einer keynesianisch geeinten Linkspartei der Kampf weitergeführt werden kann.

Selbst die SAV gesteht zu, dass eine solche Partei wenig Anziehungskraft für AktivistInnen hat. „Ob sie selbst im Falle eines radikaleren Auftretens attraktiv zur Aktivierung einer größeren Zahl neuer Mitstreiterinnen und Mitstreiter wird, ist jedoch unwahrscheinlich (31).“

Aber bei zukünftigen Wahlen könnte sie – so wird spekuliert – viele Menschen anziehen. Hier wird erstens der Zustrom von WählerInnen mit der Organisierung und Gewinnung von AktivistInnen verwechselt. Zweitens wird hier ein Schema unterstellt, dass der SAV und ihrer internationalen Tendenz schon beim Entrismus in die Labour Party oder die SPD Pate stand: dass sich nämlich die Linksentwicklung der Massen über den Zustrom zu einer reformistischen Partei, zu einer bürgerlichen Arbeiterpartei vollziehen müsse.

Daher müssten die vorausschauenden „Revolutionäre“ eben schon in der reformistischen Partei sein, um die Massen, wenn sie dereinst vorbeikommen, „mitzunehmen.“

Dieses Schema war schon immer – wie jedes Schema – einseitig und damit falsch. Gerade in der aktuellen Situation führt es dazu, die Minderheit nach links gehender ArbeiterInnen und v.a. Arbeitsloser, in den Schoß einer bürokratisch-reformistischen Organisation zurück zu zerren, statt auf einen politischen und organisierten Bruch zu orientieren, wie er vom radikaleren Teil der WASG-Basis, wenn auch in einer oft unorganisierten Form, vollzogen wird.

Drittens aber wird eine Reihe von „Szenarien“ entwickelt, auf die die Linke zu reagieren hätte – eine aktive, vorwärts treibende Politik fehlt jedoch.

„Wir sehen, außerhalb von Berlin, zur Zeit kein Potenzial für eine erfolgreiche Gründung einer sogenannten ‚sechsten Partei‘ im Falle einer bedingungslosen Fusion von WASG und LPDS. In Berlin ist es eine Möglichkeit, dass eine Regionalpartei entstehen muss, um den Kampf, den der WASG Landesverband bisher erfolgreich geführt hat, fortzusetzen. Diese hätte aufgrund der spezifischen Situation in Berlin ein hohes soziales Gewicht und eine Verankerung in Teilen der Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Arbeiterklasse.

Weil ein solches soziales Gewicht und eine solche Verankerung bundesweit nicht existieren würde, warnen wir vor der Orientierung auf eine bundesweite Parteigründung bzw. Gründung einer parteiähnlichen Organisation. Das würde die Gefahr beinhalten, die beteiligten AktivistInnen an den Rand der politischen Auseinandersetzungen zu befördern und diese zu enttäuschen (32).“

Die SAV malt hier das Schreckgespenst einer isolierten „sechsten Partei“ an die Wand. In der Tat: wenn die „sechste Partei“ nur eine „ehrlichere“ Miniaturversion der keynesianischen WASG sein sollte, so hat sie keine Perspektive. Perspektive hat sie dann allerdings auch nicht in Berlin oder sonstwo als regionaler reformistischer Zwergenverein.

Der SAV kommt aber gar nicht in den Sinn, die Formierung der linken Opposition mit dem Kampf für eine politische Neuorientierung – weg vom Keynesianismus, weg von der Ausrichtung als „Wahlpartei“, hin zu einer revolutionären Kampfpartei der Arbeiterklasse zu verbinden. Die SAV betreibt hier eine Nachtrabpolitik – in diesem Fall in die PDS. Dieser Weg mag mit einigen „Regionallösungen“ wie in Berlin „versüßt“ werden. Er ist aber völlig hoffnungs- und perspektivlos. Im Grunde läuft aber alles darauf hinaus, dass die SAV ihrer Aufgabe, als sozialistische Organisation eine vorwärts treibende Perspektive zu weisen, nicht nachkommt. Stattdessen eiert sie rum und versucht, das Kernproblem der politischen Formierung der Linken Opposition und ihrer Perspektive auf bessere Zeiten nach dem Bundesparteitag zu vertagen.

Damit arbeitet sie – wenn auch entgegen ihrem eigenen Willen – den Vorständen in WASG und PDS zu, weil damit die notwendige Diskussion und Ausrichtung der Opposition weiter verschleppt wird.

Potential für eine Opposition

Statt darum zu ringen, eine Opposition zu formieren, die in der Lage ist, hunderte, ja tausende AktivistInnen anzuziehen, behauptet die SAV, es gäbe dafür außerhalb von Berlin kein Potential.

Das ist nicht nur kontraproduktiv, es verschenkt zugleich eine große Chance, die gerade aufgrund der objektiven Verschärfung der Klassenkämpfe von großer Bedeutung ist – bei einem erneuten Klassenkampfaufschwung schon von Anfang an den Kern einer politischen Führung, den Kern einer neuen Arbeiterpartei zur Verfügung zu haben und sie nicht im Nachhinein schaffen zu müssen.

Dabei ist es doch kein Zufall, dass viele AktivistInnen die WASG wegen deren reformistischer Politik verlassen haben und sich auf den Aufbau sozialer Bewegungen, lokaler Bündnisse oder Betriebsarbeit konzentrieren. Diese Entwicklung passt den FührerInnen der Linkspartei, weil damit rebellisches und widerspenstiges Potential aus der Partei getrieben wird.

Andererseits ist diese Entwicklung vom Standpunkt der Formierung einer neuen Kampfpartei der Arbeiterklasse, von Standpunkt der Herausbildung eines revolutionären Subjektes und einer dementsprechenden Organisation fatal.

Die Spaltung zwischen politischer und gewerkschaftlicher Organisierung, wie sie in der Arbeitsteilung zwischen SPD und Gewerkschaften im Nachkriegsdeutschland bürokratisch verfestigt und über Generationen reproduziert wurde, droht so, auf unterer Ebene erneut reproduziert zu werden – indem sich ein Teil der AktivistInnen in die „Bewegung“ zurückzieht, ein anderer in der PDS einen hoffnungslosen Kampf gegen bürokratische Windmühlen, noch dazu ohne klare politische Orientierung führt.

Gerade ein Kampf gegen die bürokratische Fusion und die Vorbereitung auf die politische Eigenständigkeit wäre ein Mittel, dieser Spaltung entgegenzuwirken. Nur eine „Partei neuen Typs“, also eine klassenkämpferische Arbeiterpartei, wäre das Mittel, die Spaltung von sozialer und politischer Bewegung zu überwinden, indem ein politisches Instrument geschaffen wird, das als Kampfinstrument in den Bewegungen agiert, diese vorantreibt und von ihnen gespeist wird; das als politisches Instrument eine Gesamtstrategie zur Verbindung der verschiedenen Abwehrkämpfe liefert: ein anti-kapitalistisches, revolutionäres Übergangsprogramm.

Netzwerk Linke Opposition

Das Schema der SAV ist umso fataler, als es – eingestandenermaßen – in der neuen Linken ein erdrückendes Innenleben ohne radikale AktivistInnen, ArbeiterInnen und sicher ohne Jugendliche und MigrantInnen geben wird; und weil es zugleich die Formierung jener kämpferischeren, vom Apparat nicht kontrollierten Schichten in der WASG gibt, die sich im “Netzwerk Linke Opposition” (NLO) formieren.

Anfang Oktober trafen sich rund 100 GenossInnen in Felsberg (bei Kassel) zum zweiten bundesweiten Treffen des Netzwerks. Im Mittelpunkt stand die Frage der weiteren Perspektive ihrer Arbeit in der WASG vor dem Hintergrund des bürokratischen Zusammenschlusses von PDS.Linkspartei und WASG auf einer reformistischen, keynesianischen Grundlage.

Einigkeit gab es darüber, dass es richtig war, in Berlin gegen diese Politik anzutreten und auch darüber, als NLO nicht nur dem bürokratischen Fusionsprozess entgegentreten, sondern selbst bei der Organisierung von Widerstand sichtbar aktiv zu werden. Dazu soll auch die Erarbeitung einer politischen und programmatischen Alternative, einer „sozialistischen Perspektive“ zum Reformismus des Bundesvorstandes organisiert werden. Bezüglich der Linkspartei-Fusion wurden fünf Mindestbedingungen (Rote Linien) angenommen:

„1. Die neue Partei entsteht durch eine Neugründung, nicht durch eine Fusion, in der die Mitgliederbestände automatisch übernommen werden und schon gar nicht, indem die WASG-Mitglieder der Linkspaprtei.PDS beitreten. Jedes Mitglied soll sich durch Beitritt für die neue Partei entscheiden, alle Ämter sind neu zu wählen.

2. In der neuen Partei gilt die Trennung von Amt und Mandat und von Amt und Beschäftigungsverhältnis bei der Partei, den Fraktionen, einzelnen Abgeordneten oder Tendenzbetrieben. Einzubeziehen in dieses Verbot sind nicht nur Vorstandsämter auf Landes- und Bundesebene sondern auch Delegiertenämter zu Parteitagen.

3. Die neue Partei verneint Privatisierungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht nur in ihren Programmen, sondern beteiligt sich auch in der Praxis weder auf Landes- und Bundesebene noch in den Kommunen daran.

4. Die neue Partei tritt nicht in Regierungen ein, die Sozialabbau betreiben, tarifliche Standards oder Löhne im Öffentlichen Dienst absenken bzw. die Arbeitszeit der Beschäftigten erhöhen.

5. Die neue Partei stimmt Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht zu. Sie wendet sich auch strikt gegen Einsätze der Bundeswehr im Rahmen der inneren Sicherheit (33).“

Differenzen

Die Probleme begannen jedoch bei der Diskussion der Konsequenzen dieser Forderungen für den Fall, dass sie nicht angenommen und die WASG aufgelöst würde. Hier standen sich zwei Linien gegenüber. Die eine wurde von SAV und isl vertreten, die meinten, die möglichen Konsequenzen einer solchen Entwicklung jetzt nicht genauer zu diskutieren und die Entscheidung darüber „offen zu lassen“ – um sich gegebenenfalls die Möglichkeit des Eintritt in die Vereinigte Linkspartei samt Regionallösung in Berlin zu erhalten.

Eine klare Antwort auf die Frage, was im Fall des Falles einer Verletzung der Roten Linien zu tun wäre, solle das Netzwerk nach SAV- und isl-Vorstellung nicht beziehen.

Der andere Pol des Netzwerks, der auch von arbeitermacht unterstützt wurde, sprach sich dafür aus, in diesem Fall auf den Aufbau einer eigenständigen politischen Kraft zu orientieren.

Diese Perspektive wurde u.a. von der SAV als „Proklamation“ einer weiteren, „sechsten Partei“ attackiert – als ob eine klassenkämpferische Arbeiterpartei einfach eine „sechste Partei“ neben anderen wäre! Im Gegenteil: sie wäre in ihrer Art die einzige!

Die UnterstützerInnen des Antrags stellten auch klar, dass es nicht einfach um die Proklamierung einer neuen Partei ginge. Sie machten deutlich, dass es jetzt darum geht, in der WASG das NLO als sichtbare, handlungsfähige Gruppierung aufzubauen.

Das wurde auch beim zweiten politischen Konflikt deutlich. Soll – wie SAV und isl meinten – die Opposition nur eine lose Koordinierung haben, die einen monatlichen Rundbrief herausgibt oder soll sie von unten, von Basisstrukturen her aufgebaut werden, die eine reale Organisierung der Opposition vor Ort und den Aufbau handlungsfähiger, in der Öffentlichkeit agierende Oppositionsgruppen erlauben, die auch für kämpferische Nicht-WASGlerInnen offen sind. Die GenossInnen von arbeitermacht haben auch diesen Antrag unterstützt.

Die Konferenz unterstützte mit deutlicher Mehrheit, dass mit den Mindestbedingungen (Rote Linien) Konsequenzen verbunden sein müssen. Sie beschloss, Basisstrukturen der Opposition auf lokaler und regionaler Ebene aufzubauen und diese in einer Delegiertenstruktur zu vernetzen.

Es ist klar, dass die Führungen von WASG und PDS – die jede Chance, Widerstand zu formieren und den Prozess zur Fusion einer Linkspartei zu einem Attraktionspool für Proteste und Kämpfe (z.B. zuletzt bei BSH in Berlin) zu machen, verschenkt haben – das NLO als „Spalter“ diffamieren.

Von ihrem Standpunkt macht das auch Sinn, denn die Spitzen von WASG und PDS streben nicht mehr und nicht weniger an, als ihr „Reformprogramm“ gemeinsam mit SPD und Grünen im Bund umzusetzen – eine Reformpolitik, die in der gegenwärtigen Periode nur als neo-liberaler Angriff exekutiert werden kann. Dabei stört eine linke Opposition natürlich.

Perspektive

Das Netzwerk Linke Opposition muss diesen Fehdehandschuh seinerseits aufgreifen und den Kampf zuspitzen – nicht nur für den Erhalt der WASG, sondern vor allem dafür, die Grundlagen, einen Ausgangspunkt dafür zu schaffen, um eine neue kämpferische Arbeiterpartei aufzubauen. Mit den Beschlüssen von Kassel hat sie durchaus einen Schritt in diese Richtung getan. Nun geht es v.a. darum,

• alle Kräfte, die gegen die Angriffe Widerstand leisten – in Gewerkschaft, im Betrieb, Linke, Jugendliche, Arbeitslose, soziale Bewegungen, ImmigrantInnen usw. – für den Aufbau einer bundesweiten, in der Basis verankerten Opposition zu gewinnen;

• ein Aktionsprogramm zu erarbeiten, das Ziele, Mittel und Wege angibt, wie in vorhandene Kämpfe und Bewegungen eingegriffen und der Widerstand voran gebracht werden kann; ein Aktionsprogramm, das die Ausverkaufspolitik von SPD, PDS und Gewerkschaftsführungen anprangert und Alternativen für die Organisierung und Führung des Kampfes aufzeigt.

Als arbeitermacht haben wir dazu einen Programmvorschlag erarbeitet und aktiv am Aufbau der WASG bzw. des NLO mitgewirkt. Wenn – und darauf deutet alles hin – die WASG und mit ihr ein erster Anlauf für eine neue Arbeiterpartei in einer „neuen“, in Wahrheit steinalten reformistischen Linkspartei „entsorgt“ wird, ist das nur eine Momentaufnahme.

Die Krise des Kapitalismus und die daraus resultierenden Angriffe von Kapital und Regierung werden neuen Widerstand provozieren und im Bewusstsein der Massen das Fehlen einer Arbeiterpartei als Kampfführung noch brennender zu Tage treten lassen. Zu deren Schaffung schon jetzt Potential zu sammeln und zum Kampf zu formieren, um zur gegeben Zeit nicht wieder Ernst und Co. die Initiative überlassen zu müssen, ist eine große Chance – eine Chance, hierzulande die erste revolutionäre Arbeiterpartei nach 1945 aufzubauen, statt einer dritten Sozialdemokratie!

Fußnoten:

(1) Der Steuerungsgruppe zum Programm gehören VertreterInnen aller wichtigen konformistischen Strömungen aus WASG und PDS.Linkspartei an: Joachim Bischoff, Ralf Krämer, Julia Müller, Alex Troost sowie Janine Wissler für die WASG. Für die L.PDS: Wolfgang Gehrke, Bernd Ihme, Dieter Klein, Konstanze Kriese, Katina Schubert und Harald Werner.

(2) Programmatische Eckpunkte, veröffentlicht auf der Homepage der WASG, www.w-asg.de

(3) Eckpunkte, S. 3

(4) Eckpunkte, S. 4

(5) Eckpunkte, S. 1

(6) Eckpunkte, S. 7

(7) „Aufruf zur Gründung der Neuen Linken“, vorgestellt von den geschäftsführenden Bundesvorständen der WASG Klaus Ernst und Felicitas Weck, sowie Lothar Bisky, Vorsitzender der Linkspartei.PDS, Katja Kipping, stellvertretende Parteivorsitzende und den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion DIE LINKE Oskar Lafontaine und Gregor Gysi am 2. Juni 2006 in Berlin

(8) Eckpunkte, S. 5

(9) Eckpunkte, S. 10

(10) Aufruf zur Gründung der Neuen Linken

(11) Eckpunkte, S. 16

(12) Eckpunkte, S. 16

(13) Eckpunkte, S. 18

(14) Marx/Engels, Das kommunistische Manifest, MEW 4, S. 488

(15) Jürgen Roth, Bedingungsloses Grundeinkommen: Weg aus der Lohnarbeit? , in: Neue Internationale 115, November 2006; und, Markus Lehner, Allheilmittel Grundeinkommen, in: Neue Internationale 77, Februar 2003

(16) Entwicklung der Mitgliederzahlen der PDS, auf www.sozialisten.de

Das Anwachsen der PDS-Mitgliedschaft im Jahr 2005 auf fast 6.000 im Westen läst sich nicht durch gestiegene Attraktionskraft der PDS, sondern durch die Zunahme von Doppellmitgliedschaften mit der WASG im Zuge gemeinsamer Wahlkämpfe und einer Vorwegnahme der Fusion erklären.

(17) Unter bürgerlicher Arbeiterpartei verstehen wir eine Partei, die eine bürgerliche Politik verfolgt und von einer mit Staat und Kapital verbundenen Bürokratie beherrscht, die sich aber sozial auf die Arbeiterklasse stützt und mit der sie organisch (historisch, über Gewerkschaften, Verbände, …) verbunden ist.

(18) Roberto Heinrich, Malte Lübker und Heiko Biehl: Parteimitglieder im Vergleich: Partizipation und Repräsentation, Kurzfassung des Abschlussberichts zum gleichnamigen DFG-Projekt, Potsdam 2002; Diese und weiter Zahlen sind dem Projektbericht entnommen

(19) Arbeitermacht Infomail 286 (14. November 2006), Entschieden wird im kleinen Kreis, Bericht von der Aktionskonferenz in Rostock, auf: http://www.arbeitermacht.de/infomail/286/rostock.htm

(20) Eckpunkte, S. 14

(21) „Aufruf zur Gründung einer neuen linken Partei“, auf: http://www.antikapitalistische-linke.de/topic/2.aufruf.html

(22) Ebenda

(23) Ebenda

(24) Rosa Luxemburg, die sozialistische Krise in Frankreich, Werke, Bd. 1, S. 32

(25) Linksruck, 7 Thesen zur Diskussion um eine neue Linkspartei

(26) Ebenda

(27) SAV-Broschüre der Gruppe arbeitermacht, S. 7

(28) Ebenda, S. 7

(29) Ebenda, S. 10

(30) Stellungnahme der SAV zum Parteibildungsprozess und den Aufgaben des Netzwerks Linke Opposition

(31) Ebenda

(32) Ebenda

(33) Siehe www.linkezeitung.de