Arbeiter:innen müssen handeln, um Massaker in Rafah zu verhindern

Dave Stockton, Infomail 1245, 16. Februar 2024

Israel steht kurz davor, Rafah anzugreifen, eine Stadt an der ägyptischen Grenze, die zur letzten Zuflucht für mehr als eine Million Palästinenser:innen geworden ist, die aus dem nördlichen und zentralen Gazastreifen vertrieben wurden.

Obwohl Rafah zur „sicheren Zone“ erklärt wurde, werden Schulen, Krankenhäuser und Flüchtlingslager der Stadt seit Beginn des Krieges aus der Luft bombardiert. UN-Generalsekretär António Guterres beschrieb die Bedingungen, unter denen die Menschen in überfüllten Behelfsunterkünften, unter unhygienischen Bedingungen, ohne fließendes Wasser, Strom und angemessene Lebensmittelversorgung leben.

Westlicher Imperialismus

Krankheiten töten Kinder und Erwachsene, die durch die monatelange Hungersnot geschwächt sind, da Israel die Einfuhr von Lebensmitteln und Medikamenten in das Gebiet fast vollständig blockiert. Unter diesen Bedingungen haben die Vereinigten Staaten und neun weitere Länder, darunter das Vereinigte Königreich, einseitig die Finanzierung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNWRA eingestellt.

Nach dem wahllosen Abschlachten von rund 30.000 Zivilist:innen hat Präsident Joe Biden mit reichlicher Verspätung eingeräumt, dass „eine Menge unschuldiger Menschen verhungern … und das muss aufhören“. Natürlich könnten die USA Israels Krieg jederzeit stoppen, wenn sie wollten. Dennoch liefern sie weiterhin Israels an Kriegsmaschinerie und nutzen ihr Vetorecht, um es in der UNO zu schützen.

In „normalen“ Jahren stellt Washington Israel rund 3,8 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe zur Verfügung, die direkt in die Bewaffnung der IDF-Besatzungstruppen fließen. Das israelische Fernsehen hat Aufnahmen ausgestrahlt, in denen die verheerenden Auswirkungen der von den USA gelieferten Bunkerbomben auf zivile Hochhäuser gezeigt wurden.

Da die USA nicht die Absicht haben, ihren Kampfhund an die Kandare zu nehmen, überrascht es nicht, dass Biden in Rafah zur „Zurückhaltung“ aufruft, ohne dass dies geschieht. Am 7. Februar erklärte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu, es gebe „keine andere Lösung als einen vollständigen und endgültigen Sieg“, und fügte hinzu, er habe den Truppen befohlen, sich in Rafah „auf den Einsatz vorzubereiten“.

Noch bedrohlicher ist, dass er Pläne für die „Evakuierung“ der Zivilbevölkerung bekanntgab. Netanjahu zufolge ist der „totale Sieg“ über die Hamas nur noch wenige Monate entfernt. US-Militärquellen, die in der New York Times zitiert werden, gehen jedoch davon aus, dass Israel nur ein Drittel der Hamas-Kämpfer:innen getötet hat und die Kämpfe im gesamten Streifen weitergehen.

Die Zionist:innen wissen, dass sie die Hamas oder die anderen militärischen Widerstandsorganisationen nicht „liquidieren“ können, ohne die Zivilbevölkerung zu liquidieren, deren Unterdrückung für einen unerschöpflichen Nachschub an neuen Rekrut:innen sorgt.

Ethnische Säuberung

Es ist diese einfache Wahrheit, die die gesamte Dynamik des israelischen Krieges in Gaza in eine Kampagne der ethnischen Säuberung, eine zweite Nakba, führt. Tatsächlich wurde dieses Ergebnis von israelischen Minister:innen, die zur Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung und ihrer Ersetzung durch israelische Siedler:innen aufgerufen haben, offen propagiert. Netanjahu selbst, dessen Regierung auf der Unterstützung dieser Extremist:innen beruht, hat erklärt, dass die Sicherheit im Gazastreifen in den Händen der IDF verbleiben müsse – also eine Rückkehr zur militärischen Besatzung.

Weltweit haben Massendemonstrationen, wie sie seit denen gegen die Invasion im Irak 2003 nicht mehr stattgefunden haben, Israels Verbündete, allen voran die USA, Großbritannien und Deutschland, zweifellos dazu gezwungen, ihre bedingungslose Unterstützung für den Krieg des Landes verbal zu drosseln.

Doch während Israels Verbündete aus Angst, ein Massaker in Rafah könnte das Pulverfass Nahost zum Explodieren bringen, zur „Zurückhaltung“ mahnen, weigern sie sich, einfache Maßnahmen zu ergreifen, die den Krieg über Nacht beenden könnten: Aussetzung aller militärischen und finanziellen Hilfen, Verhängung von Sanktionen und Durchsetzung wiederholter UN-Resolutionen.

Anstatt Israels rachsüchtige Kampagne der ethnischen Säuberung zu verurteilen, greifen sie die wachsende Solidaritätsbewegung an. Gesetzliche Verbote der BDS-Kampagne werden im Eiltempo durch die Parlamente gebracht, und unbegründete Anschuldigungen des Antisemitismus werden von den Medien der Bosse in einer Hexenjagd eingesetzt, um Kritiker:innen Israels zum Schweigen zu bringen.

Doch das Schicksal der Palästinenser:innen muss und darf nicht in die Hände ihrer Unterdrücker:innen gelegt werden. Mit einem Schlag könnte die ägyptische Arbeiter:innenklasse den Suezkanal schließen und die gesamte imperialistische Wirtschaft über Nacht hart treffen. Ebenso könnten die organisierten Arbeiter:innenbewegungen in den USA, im Vereinigten Königreich und in Europa ihre eigenen Sanktionen gegen Israel verhängen: sich weigern, alle Waffen und Waren zu transportieren, die aus Israel stammen oder für es bestimmt sind. Investitionen, Forschung und kulturelle Zusammenarbeit mit dem zionistischen Staat sollten von vornherein abgelehnt werden, nach dem Grundsatz: Keine Zusammenarbeit mit der Besatzung!

Am 16. Oktober 2023 hat die palästinensische Gewerkschaftsbewegung einen solchen Aufruf an die weltweite Arbeiter:innenbewegung gerichtet. Es ist ein beschämendes Armutszeugnis für die reformistischen Gewerkschaftsführungen, dass sie, von einigen wenigen ehrenwerten Ausnahmen abgesehen, keinen Finger krummgemacht haben. Viele haben sich sogar schwergetan, den Krieg unmissverständlich zu verurteilen.

Die Arbeiter:innenklasse in den Ländern, die Israel mit Waffen und diplomatischem Schutz versorgen, hat eine besondere Pflicht zu handeln. Dies ist nicht nur der Krieg Israels. Es ist ein kolonialer Krieg, der auch unter Beteiligung mehrerer westlicher imperialistischer Mächte geführt wird.

Der Sieg Israels in diesem Krieg stärkt die Position des westlichen Imperialismus und damit die Stärke, das Selbstvertrauen und die Kampfeslust unserer herrschenden Klassen. Deshalb ist der Kampf der Palästinenser:innen auch unser Kampf; deshalb müssen wir unsere Anstrengungen verdoppeln, um für internationalistische Aktionen der Arbeiter:innenklasse zu kämpfen, um den Krieg zu beenden und den Sturz der gesamten vom Imperialismus unterstützten Ordnung im Nahen Osten zu beschleunigen, beginnend mit der Zerschlagung des israelischen Staates, der Errichtung eines bi-nationalen demokratischen und sozialistischen Staates in ganz Palästina und durch eine sozialistische Revolution im Nahen Osten.




Palestine will never die: Wie weiter mit der Palästinasolidarität in Deutschland?

Jaqueline Katherina Singh, Neue Internationale 280, Februar 2024

Ob Münster, Hamburg, Leipzig, Dresden, Düsseldorf: Seit Beginn der Bombardierungen Gazas gibt es in Deutschland zahlreiche Proteste. Mancherorts wie in Berlin, Frankfurt am Main oder Hamburg konnten sogar aufgrund des stetigen Drucks Demonstrations- und Versammlungsverbote durchbrochen werden. Seit Monaten organisieren Aktivist:innen Aktionen gegen die Vertreibung und den drohenden Genozid an Gazas Bevölkerung. Kurzum: Es ist das erste Mal seit Jahren, dass es eine massenhafte Palästinasolidarität gibt, die versucht, sich Gehör zu schaffen – angesichts des Kräfteverhältnisses und der politischen Lage in Deutschland ein mehr als schweres Anliegen.

Denn die Bundesregierung hat mehr als klargemacht, dass sie kein Interesse hat, das Morden zu verhindern. Sie ist vielmehr aktive Unterstützerin durch die diversen Waffenlieferungen, die sich seit Oktober 2023 verzehnfacht haben und hat mit ihrer Enthaltung bei UN-Resolutionen sowie der Leugnung des Genozids beim Internationalen Gerichtshof deutlich gemacht, dass sie die Angriffe und Vertreibung der Palästinenser:innen unterstützt. Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson und anders als in Britannien, den Niederlanden oder Belgien sind die Gewerkschaften nicht in die Mobilisierungen eingebunden. Prozionistische Positionen, die letzten Endes die Unterdrückung der Palästinenser:innen legitimieren, sind nicht nur Regierungssache, sondern auch in bedeutenden Teilen der Arbeiter:innenbewegung und Linken verbreitet.

Was ist das Ziel?

Auch deswegen ist es kein Wunder, dass viele Aktivist:innen müde sind, erschöpft, ausgelaugt. Denn trotz aller Anstrengungen und Proteste ist es bisher nicht gelungen, den Krieg zu beenden, die Bombardierungen zu stoppen. Stattdessen werden stetig neue Nachrichten über das Elend und Leiden von Gazas Bevölkerung in die Social Media Feeds gespült.

Doch es gibt etwas Antreibendes: Es ist unsere Aufgabe, nicht nur für die Menschen zu kämpfen, die in diesem Moment sterben, sondern auch für jene, die als Nächste dran sein könnten. Denn es gibt keine Sicherheit für die Bevölkerung in der Westbank. Deswegen müssen wir nicht nur gegen die Bombardierung Gazas kämpfen, sondern für Palästinenser:innen in der Westbank, den Camps, allen von Israel besetzen Gebieten. Für uns geht es also um alle, die jetzt vom israelischen Staat ermordet werden – und alle, die drohen, ermordet und vertrieben zu werden – und für alle, die bereits vertrieben worden sind. Denn sie haben das Recht zurückzukehren. Es geht uns nicht nur um einen Waffenstillstand, sondern darum, die Unterdrückung der Palästinenser:innen zu beenden, und dieser Kampf ist nicht verloren.

In Deutschland ist dieser Weg steinig und schwer. Aber die Anstrengungen der Aktivist:innen in den vergangenen Monaten haben es geschafft, eine Grundlage zu errichten, auf der man einen Teil des Kräfteverhältnisses in Deutschland dauerhaft ändern kann – und propalästinensische, antizionistische Positionen besser in der Linken zu verankern, um so den Kampf weiterzuführen. Doch wie schaffen wir das konkret?

Was also tun?

Einer der essenziellen Schritte ist es, mehr Leute in die Bewegung hereinzuziehen. Aktivist:innen, die innerhalb der Bewegung aktiv sind, wissen, dass das leichter geschrieben ist als getan. Mit einfacher Überzeugungsarbeit ist es nicht möglich, denn eigentlich sprechen die Zahlen der getöteten Palästinenser:innen sowie die Geschichte der Besatzung für sich. Doch selten bringen reine Fakten Menschen zur Einsicht, wie wir am Beispiel des Klimawandels sehr gut wissen. Eines der Kernprobleme liegt darin, dass es in Deutschland nicht nur eine organisierte mediale Kampagne gegen die Palästinasolidaritätsproteste gibt, sondern der ganze Konflikt rund um Besatzung und Krieg aus Perspektive des zionistischen Regimes medial dargestellt wird, kombiniert mit dem Rechtsruck und der Zunahme des antimuslimischen Rassismus vor allem nach dem 7. Oktober. Deswegen müssen wir uns fragen, wie wir dies aufbrechen können.

1. Bundesweite Vernetzung und Koordinierung

Um dem Protest mehr Ausdruck zu verleihen, braucht es eine bundesweite Koordinierung. Gemeinsame Slogans, Forderungen und bundesweite (de)zentrale Aktionstage können zum einen helfen, die Isolierung an manchen Orten zu durchbrechen, und Mobilisierungen erleichtern. Vor allem hilft ein kollektiver Auftritt dabei, mehr Menschen außerhalb der Bewegung anzusprechen. Er verdeutlicht: Wir sind nicht alleine, wir sind Teil einer Bewegung – in Deutschland und international. Um dies zu ermöglichen, bietet sich eine Strategie- und Aktionskonferenz an, an der sich Aktivist:innen und Organisationen aus der Bewegung beteiligen können, bei der ein gemeinsamer Austausch sowie die Planung künftiger, gemeinsamer Aktivitäten stattfindet. Insbesondere das Datum 14. Mai – der Nakba-Tag – bietet sich an, bundesweit einen kollektiven Massenprotest zu organisieren. Dabei ist es besonders relevant, Deutschlands Rolle offen herauszustellen. Nicht nur dass Palästinenser:innen und antizionistische Juden und Jüdinnen mit Repression überzogen werden, auch die Finanzierung des Völkermordes sowie Lieferung von Waffen sollten angesprochen werden. Mögliche Forderungen können beispielsweise sein:

  • Nein zu allen Waffenlieferungen an Israel, Schluss mit allen Rüstungs-, Wirtschafts- und Geheimdienstkooperationen!

  • Nein zu weiteren autoritären Einschränkungen der Meinungsfreiheit, des Versammlungsrechts, des Asyl- und Staatsbürger:innenschaftsrechts! Für die Aufnahme von Vertriebenen aus Gaza und Unterstützung der medizinischen Versorgung!

  • Für ein Ende des Verbots palästinensischer Organisationen und Slogans für Befreiung und Gleichheit.

2. Aufbau von Basisstrukturen an Schulen, Unis und in Betrieben

Ob in München oder Berlin: In manchen Städten haben sich vor allem an Universitäten bereits Solidaritätskomitees gebildet. Den Protest an Orte zu bringen, an denen sich Menschen tagtäglich aufhalten müssen, ist ein zentraler Schritt, wenn man Bewegungen verankern sowie ausweiten will. Denn es geht darum, die Orte an denen wir sein müssen, zu politisieren und jene zu erreichen, die unsicher sind oder schlichtweg keine Ahnung haben (wollen), sie in die Konfrontation zu bringen.

Dabei ist wichtig, allgemeine Forderungen der Bewegungen mit solchen vor Ort zu verbinden um so die Auseinandersetzung greifbarer zu machen für jene, die noch nicht Teil ihrer sind. Konkret kann das beispielsweise heißen, dass Projekte, die den israelischen Staat unterstützen oder in Kooperation mit ihm stattfinden, ausgesetzt oder beendet werden; dass einseitige Solidarisierungsstatements zurückgenommen werden; dass die jeweilige Schule sich dazu entschließt, Verbote wie das der Kufiya nicht umzusetzen. Es kann auch bedeuten, für konkrete Forderungen zu kämpfen wie beispielsweise Solidaritätserklärungen gegen Kündigungen, die Übernahme von Ausstellungen, die gecancelt worden sind, oder die Schaffung neuer Projekte und offener Solidarisierung mit den Palästinenser:innen.

3. Druck ausüben, Opposition organisieren – die Arbeiter:innenklasse gewinnen

Wie andere Länder zeigen, ist es für wirksame Proteste notwendig, die Gewerkschaften auf unsere Seite zu ziehen. Ob Belgien oder Italien: Hier haben Arbeiter:innen Waffensendungen blockiert. Ähnliches wäre beispielsweise möglich, wenn es darum geht, Waffen an Israel zu blockieren und deren Transport zu stoppen. In Deutschland gestaltet sich das Ganze jedoch nicht einfach. Sowohl der DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) als auch die DGB-Jugend haben sowohl in der Vergangenheit wie auch jetzt einseitige Stellungnahmen in Solidarität mit dem israelischen Staat – und somit auch der mörderischen Offensive – verfasst.

Überraschend ist das nicht, schließlich tragen sie auch an anderen Stellen die Politik der Regierung mit. Abschreiben dürfen wir diese Massenorganisationen deswegen jedoch nicht. Ein Solidaritätsstreik, organisiert durch diese Verbände, wäre um ein Vielfaches größer und effektiver als alles, was wir aktuell aus den Aktionen selbst heraus organisieren können. Das heißt: Die Gewerkschaften in Bewegung zu bringen, klappt nicht, indem man einfache Appelle verfasst, an ihnen vorbei Proteste organisiert oder die Hoffnung in Bürokrat:innen setzt. Nur im Rahmen einer politischen Bewegung, die a) die deutschen Gewerkschaften klar auffordert, es ihren Geschwisterorganisationen in anderen Ländern gleichzutun, und b) aktiv auf die Gliederungen zugeht und sie versucht, in eine Kampagne mit einzubeziehen, können wir erfolgreich sein. Kleine Lichtblicke sind hier beispielsweise auch der Offene Brief an den DBG-Jugendbundesausschuss, unterzeichnet von mehr als 500 Gewerkschaftsmitgliedern, die sich gegen die einseitige Positionierung stellen. (https://www.change.org/p/offener-brief-den-dgb-bundesjugendausschuss) Dies kann ein erster Ansatz sein, um weitere Aktivität anzustoßen: Seien es Anträge in Gewerkschaftsgliederungen selbst, die eine klare Verurteilung der israelischen Offensive benennen, verbunden mit der Teilnahme an lokalen Protesten. Damit wir die Gewerkschaften und generell die reformistische Arbeiter:innenbewegung von der Unterstützung der Regierung und für Solidarität mit Palästina gewinnen können, brauchen wir eine massenhafte Aufklärungskampagne über den wirklichen Charakter des Krieges gegen die Palästinenser:innen und die imperialistischen Interessen im Nahen Osten. Nur Lohnabhängige, die die Lügen der Herrschenden durchschauen, indem wir sie geduldig überzeugen, können für Solidaritätsaktionen und den Aufbau einer Bewegung gewonnen werden, die in der Arbeiter:innenklasse verankert ist.

Zweifache Aufgabe

Das heißt, für uns als Revolutionär:innen stellen sich zwei Aufgaben. Wenn wir – ähnlich wie in Britannien – Hunderttausende von Menschen auf die Straße bringen wollen, dann müssen wir mehr Kräfte integrieren als jene, die es bereits gibt, und existierende Strukturen bündeln. Und so eine Bewegung ist notwendig, um Repression, Desinformation und der Regierungspolitik etwas entgegenzustellen. Zum einen geht es also um den Aufbau einer breiten, palästinasolidarischen Bewegung, an der sich mehr Kräfte beteiligen – vor allem die Organisationen der Arbeiter:innenklasse.

Zum anderen müssen wir in solch einer Bewegung für ein revolutionäres, internationalistisches Programm eintreten. Dabei machen wir unsere Position nicht zur Vorbedingung für alle, die sich am Aufbau einer Protestbewegung gegen das Morden und die Vertreibung einsetzen wollen, sondern kämpfen in dieser dafür. Denn Bewegung alleine hilft nicht, wenn man nicht an den entscheidenden Punkten mit entsprechenden Mitteln Druck ausübt und ziellos vor sich hin demonstriert oder zwar abstrakt die richtigen Forderungen aufwirft, aber nicht die Massen hinter sich weiß, diese durchzusetzen.

Unserer Meinung nach kann die Befreiung Palästinas nur möglich sein, wenn wir in den imperialistischen Ländern die Komplizenschaft mit der israelischen Regierung beenden. Dazu bräuchte es massenhafte, längere Streikwellen sowie Blockaden gegen die Waffenlieferungen, wie es in Italien oder Belgien bereits passiert ist. Gleichzeitig braucht es in den Ländern des Nahen Ostens eine Massenbewegung wie den Arabischen Frühling. Denn die aktuellen Regime haben mehr als klargemacht, dass ihnen nicht nur der Lebensstandard ihrer eigenen Bevölkerung egal ist, sondern sie maximal bereit sind, die israelische Regierung in Worten zu kritisieren. Taten sind mehr als sparsam wie Erdogans oder Assads Praxis zeigen, die weiter Krieg gegen die Kurd:innen und ihre eigenes Volk führen. Ihnen geht es darum, ihre eigene Stellung zu erhalten. Es bräuchte aber eine Bewegung, die die Despot:innen aus ihren Ämtern fegt und im Interesse der Arbeiter:innenklasse handelt. Lasst uns die Anstrengungen der vergangenen Monate nutzen und den Protest voranbringen! In dem Sinne: Stoppt das Morden, stoppt den Krieg, Intifada bis zum Sieg!




Warum gehört Palästinasolidarität auf die Anti-AfD-Proteste?

Georg Ismael, Infomail 1242, 22. Januar 2024

Ganz einfach, weil die AfD ihre rassistische Hetze momentan im Besonderen mit antipalästinensischer Stoßrichtung vorantreibt!

Das wusstest du nicht? Dann einige Fakten dazu:

Bereits am 10.10.2023 brachte die AfD-Fraktion zwei Anträge in den Menschenrechtsausschuss ein. Einer forderte die Streichung aller Zuwendungen an das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Der zweite behauptete, dass palästinensische Jugendliche systematisch zu „Attentätern, Mördern und Selbstmordattentätern“ erzogen würden. Daher sei die Entwicklungshilfe für palästinensische Bildungseinrichtungen vollständig einzustellen. Mittlerweile sterben Menschen in Gaza an Hunger. Die Mehrzahl aller Schulen und Universitäten ist zerstört, unzählige Lehrer:innen, Professor:innen und Student:innen sind tot. Die AfD hält an diesen Positionen fest.

Gleichzeitig sagte AfD-Chefin Alice Weidel sehr früh, dass sie gegen jegliche Aufnahme von palästinensischen Geflüchteten ist. Heute ist Palästina der Kriegsschauplatz, auf dem die meisten Zivilist:innen sterben. Südafrika klagt Israel vor dem Internationalen Gerichtshof des Genozids an.

Im Berliner Abgeordnetenhaus brachte die AfD im Januar 2024 einen Antrag ein. Dieser fordert einen vollständigen und bundesweiten Stopp der Aufnahme palästinensischer Geflüchteter. In Berlin soll dies unmittelbar vom Senat umgesetzt werden, denn das palästinensische Volk sei laut AfD eines von Terrorist:innen.

Währenddessen unterstützt sie mittlerweile offen und aggressiv den Krieg gegen Gaza. Auch ist sie für die Verzehnfachung der  Waffenlieferungen an Israel eingetreten, die die Bundesregierung 2023 genehmigt hat.

Die AfD spielt eine ähnliche Rolle wie ihre rechten bis rechtsradikalen Freund:innen in den USA. Sie ist laut Umfragen die Partei im deutschen Bundestag mit den meisten Antisemit:innen unter ihren Mitgliedern und Wähler:innen. Gleichzeitig ist sie eine brennende Verfechterin des israelischen Staates und der zionistischen Apartheid.

Das ist eigentlich vollkommen „logisch“

Der israelische Staat verwirklicht mit seiner brutalen Unterdrückung und Vertreibung der Palästinenser:innen genau die rassistischen Gewaltphantasien, die der AfD auch in Deutschland insbesondere für nicht-europäische Menschen im Allgemeinen als auch für Araber:innen und Muslim:innen im Speziellen vorschweben.

Israel ist zunehmend ein Vorbild für die westliche rechtsradikale Szene. Sie feiert Israels „Ethnopluralismus“ und die „Remigration“ der Palästinenser:innen.

Ethnopluralismus ist ihr „modernes“ Wort für die „Zusammensetzung einer Gesellschaft nach rassischen und völkischen Merkmalen“. Remigration ist ihr „modernes“ Wort für Deportation und Vertreibung.

Gleichzeitig ist die AfD und sind ihre rechtsradikalen Anhänger:innen glücklich darüber, dass die meisten Jüdinnen und Juden fernab von ihnen leben. Die Aussage eines Rechtsradikalen bringt dies wie folgt auf den Punkt: „Ich freue mich zu sehen, was dort unten passiert. Egal wer von einer Kugel getroffen wird: es trifft immer das richtige Ziel.“ So treffen sich antimuslimische, antiarabische und antisemitische Einstellungen deutscher Faschist:innen.

Wir haben also allen Grund, Solidarität mit Palästina und den Kampf gegen die AfD zusammenzubringen! Die Wahrheit ist: Gerade Palästinenser:innen stehen aktuell im Zentrum der rassistischen Hetze sowohl von rechtsaußen als auch aus der „Mitte der Gesellschaft“.

Scholz forderte Abschiebungen von Palästinenser:innen, weil sie angeblich Antisemit:innen seien. Es gab bereits Fälle von Abschiebungen propalästinensischer Aktivist:innen. Gleichzeitig verzehnfachte die deutsche Regierung ihre Waffenlieferungen an Israel. Ganz nach dem Motto „Ich bin ja keine Rassistin. Meine Waffen töten nur ein unterdrücktes Volk.“

Die Regierung kriminalisiert und diffamiert Proteste für einen Waffenstillstand. Ein Beispiel: In Berlin wird unter Schwarz-Rot das Oyoun, ein migrantisch geprägtes, kosmopolitisches Kulturzentrum geschlossen. Der Grund: Die jüdische Stimme, die größte linke jüdische Organisation in Deutschland, spricht sich dort zu ihrem 20. Jubiläum gegen die Unterdrückung der Palästinenser:innen aus.

Die CDU will die Ausbürgerung von deutschen Staatsbürger:innen legalisieren. Das ist ein Gesetzesvorschlag, der aktuell im Parlament diskutiert wird, „Remigration“ light also, die von den Konservativen vorangetrieben wird.

Ampelregierung und CDU betreiben selbst rassistische Hetze und Politik. Gleichzeitig sitzen die noch gefährlicheren Rassist:innen und Antisemit:innen der AfD am rechten Rand des Parlaments. Sie klatschen und reiben sich die Hände, dass die Bundesparteien über den „Import von Antisemiten“ phantasieren, anstatt über die Antisemit:innen der AfD zu sprechen.

Wir kommen also zu dem Ergebnis: In Wirklichkeit müssten propalästinensische Stimmen auf Anti- AfD-Protesten nicht nur willkommen sein. Gerade Palästinenser:innen und linke antizionistische Juden/Jüdinnen müssten als Redner:innen auf den Bühnen der Proteste eingeladen werden.

Dass dies nicht so passiert, zeigt, wie verlogen der „Antirassismus“ der momentanen Organisator:innen ist. Grüne, SPD, die Linkspartei oder Gewerkschaftsführungen mögen aktuell an der Spitze der Proteste stehen. Aber das ist unsere Bewegung. Wir werden nicht schweigen.

Gegen jeden Rassismus, gegen jede Vertreibung – ob durch deutsche oder durch israelische Rassist:innen!




Heute ist kein Tag zum Feiern!

Arbeiter:innenmacht-Rede auf der Solidaritätsdemonstration mit Palästina am 31. Dezember in Berlin, Infomail 1240, 1. Januar 2024

Für die Menschen in Gaza und in der Westbank, für alle, die mit der palästinensischen Bevölkerung solidarisch sind, für alle, die für das sofortige Ende der israelischen Angriffe und der Besatzung, für alle, die für einen gerechten Frieden eintreten, ist heute kein Feiertag.

Wir sind hier versammelt, weil wir an diesem Tag unsere Trauer, unser Mitgefühl, unsere Wut über die Massaker und den genozidalen Angriff auf Gaza zum Aufdruck bringen wollen.

Wir sind hier versammelt, weil wir gegen die Diffamierung unserer Solidaritätsbewegung, gegen die tagtägliche rassistische Hetze und Demonstrationsverbote auf die Straße gehen.

In seiner Neujahrsansprache spricht der Berliner Regierende Bürgermeister, Kai Wegner, davon, dass wir „gemeinsam die Stimme erheben, wenn sich Hass, Spaltung und Hetze breitmachen.“

Das sind die Worte eines Brandstifters, der sich als Biedermann verkleidet. So spricht ein Spalter, der die Hetze und den Hass unter den Teppich kehren will, die SPD, Grüne, FPD, CDU/CSU und AfD verbreiten.

Seit Monaten werden palästinensische, arabische, muslimische Mitbürger und Mitbürgerinnen unter Generalverdacht gestellt, terroristisch, antisemitisch, kriminell zu sein. Seit Monaten werden palästinensische Organisationen verfolgt und verboten. Über Wochen wurden Solidaritätsdemonstrationen verboten – und Verbote erleben wir auch heute in Neukölln, aber auch in anderen Bundesländern.

All das zeigt: Die Herrschenden und Regierenden scheuen auch im ach so demokratischen Deutschland nicht davor zurück, demokratische Rechte einzuschränken oder gar abzuschaffen, wenn es ihre wirtschaftlichen, politischen und geostrategischen Interessen erfordern. Sie erklären ihre bedingungslose Solidarität mit Israel, weil es die imperialistische Ordnung – und damit auch deutsche Interessen – verteidigt.

Daher weigert sich die Regierung, völkerrechtswidrige Bombardements und Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Gaza offen zu verurteilen. Daher liefert sie Waffen für das Morden.

Die Angriffe auf demokratische Rechte und die rassistische Hetze stellen die Fortsetzung dieser Politik im Inneren dar. Sie geht einher mit Angriffen auf das Asylrecht, mit Abschiebungen in immer mehr sog. sichere Drittstaaten, der rassistischen Abschottung der EU-Außengrenzen, an denen schon in den letzten Jahren Zehntausende gestorben sind.

Doch uns werfen ausgerechnet die Wegners, die Giffeys und andere „Spaltung“ und Hetze vor. Die deutschen Biedermänner und -frauen präsentieren sich als Verteidiger:innen der Demokratie, die sie selbst mit Füßen treten.

Dabei treten wir seit Jahren für einen demokratischen, säkularen und sozialistischen Staat Palästina ein, in dem alle, Juden/Jüdinnen und Palästinenser:innen gleichberechtigt leben können. Sie werfen uns im Grunde vor, für einen Frieden einzutreten, der auf Gerechtigkeit und Gleichheit beruht, einen Frieden, der mit einem Apartheidstaat und der imperialen Ordnung unvereinbar ist, die sie verteidigen.

Sie werfen uns vor, das Morden an unschuldigen Zivilist:innen nicht zu verurteilen. Dabei haben wir unsere Anteilnahme am 7. Oktober und seither unzählige Male zum Ausdruck gebracht. Aber wir haben auch nicht zum Mord an Tausenden und Abertausenden Palästinenser:innen in Gaza geschwiegen, die für die israelischer Regierung und ihre Unterstützer:innen noch als Tote Menschen zweiter Klasse darstellen.

Diese Politik ist rassistisch, imperialistisch und barbarisch. Die falsche und reaktionäre Gleichsetzung von Antizionismus mit Antisemitismus dient zur Rechtfertigung dieser Barbarei, der imperialistischen Politik nach außen und des Rassismus nach innen. Und sie verharmlost damit auch den wirklichen Antisemitismus, der zum industriellen Massenmord an 6 Millionen Juden und Jüdinnen führte und der in der Rechten in Deutschland weiter wächst und gedeiht.

Die Lügen und Hetze der Herrschenden laufen bei Lichte betrachtet auf Folgendes hinaus: Sie werfen uns vor, dass wir jene Demokratie und Freiheit, die der große Masse der Weltbevölkerung vorenthalten wird, für alle Menschen, für alle Ausgebeuteten und Unterdrückten fordern. Sie werfen uns vor, dass wir für eine Welt kämpfen, in der Freiheit und Gleichheit für alle Menschen gilt. Denn wir werden selbst nur frei sein, wenn Palästina frei ist, wenn jede Ausbeutung und Unterdrückung beseitigt ist.

Wenn sie gegen uns hetzen, dann tun sie das, weil wir gegen ein politisches und wirtschaftliches System kämpfen, das auf Ausbeutung und Unterdrückung beruht. Und sie hetzen gegen uns, weil es uns trotz der Repression und Verbote gelungen ist, eine Solidaritätsbewegung aufzubauen. Eine Bewegung, die Teil einer viel größeren in den arabischen Staaten, in den Ländern des globalen Südens, aber auch in Britannien oder den USA ist.

2023 war für uns kein Jahr zum Feiern, aber wir sind hier, weil wir 2024 unseren Kampf, unseren Widerstand weiterführen werden. Wir sind hier, weil wir uns 2024 bundesweit und international besser koordinieren und effektiver werden wollen. Wir sind hier, weil wir uns vermehrt darum bemühen wollen und werden, die Masse der Bevölkerung, die Lohnabhängigen zu erreichen und für eine Solidaritätsbewegung zu gewinnen, die den Waffenlieferungen an Israel und der Unterstützung des Krieges ein Ende bereiten kann.

Wir sind hier, weil es für uns heute nichts zu feiern gibt. Aber wir können und werden 2024 zu einem Jahr des Kampfes machen für eine andere, für eine gerechte Welt, für eine Welt ohne Kapitalismus und Imperialismus, ohne Rassismus und Ausbeutung – für eine sozialistische Welt.

Hoch die internationale Solidarität!




Pakistan: Solidarität mit dem langen Marsch der Belutsch:innen!

Shahzad Arshad, Infomail 1240, 26. Dezember 2023

In der Nacht zum 21. Dezember wurden die Teilnehmer:innen des Langen Marsches der Belutsch:innen gegen das Verschwindenlassen und außergerichtliche Tötungen in Islamabad von den staatlichen Kräften gnadenlos angegriffen, als sie die Hauptstadt erreichten. Eine große Zahl von Student:innen, darunter Frauen und ältere Menschen, wurde verhaftet. Die Regierung setzte alles daran, die verhafteten Frauen mit Gewalt nach Quetta (Provinzhauptstadt Belutschistans) zu bringen. Die Belutschinnen, die den Marsch angeführt hatten, leisteten trotz aller Gewalt und Drohungen Widerstand. In Belutschistan, aber auch in anderen Gebieten mit Belutsch:innen, begannen Proteste und Sitzstreiks gegen die Gewalt auf dem Langen Marsch, die sich in Radblockaden und Streiks an den Türen entluden.

Im ganzen Land, auch in Belutschistan, fanden in Städten und Distrikten wie Turbat, Panjgur (Pangor), Gwadar, Khuzdar, Mastung, Dalbandin, Quetta, Kohlu, Dera Bugti, Sibi, Rakhni, Barkhan, Logistikzentrum Awaran, Karatschi, Bela, Taunsa, Dera Ghazi Khan, Lahore, Islamabad, Bahawalpur, Multan und vielen anderen Proteste aus Solidarität mit den Angegriffenen statt.

Diese Gewalt in Belutschistan hat die Proteste nicht gebrochen, sondern vielmehr den Geist und den Mut des Kampfes der Bevölkerung gestärkt und die Angst allmählich überwunden. In diesen Gebieten entsteht eine neue politische Realität, die die bestehende so genannte politische Ordnung ins Wanken bringt. In dieser Situation hat das Gericht die Freilassung einiger verhafteter Personen angeordnet. Auch die Regierung hat Verhandlungen aufgenommen, und deshalb wird die Jirga (Versammlung der traditionellen Anführer:innen der Community) auch dazu benutzt, den politischen Kampf zu kontrollieren, der sich in allen Gebieten der Belutsch:innen ausgebreitet hat.

Am Beginn dieses Kampfes stand die brutale Ermordung von Balach Baloch in Turbat unter Gewahrsam der CTD (Counter Terrorism Department = Abteilung zur Terrorismusabwehr). Aber diese Bewegung ist auch das Ergebnis und die Fortsetzung vieler ähnlicher Bewegungen, die in den letzten Jahren immer wieder von belutschischen Student:innen und Frauen in verschiedenen Städten organisiert worden sind. Es wurden auch Solidaritätskomitees gebildet. Dadurch konnte die Angst in der belutschischen Bevölkerung überwunden werden, die der Staat durch schwere Zwangsgewalt, Verhaftungen, gewaltsames Verschwindenlassen und verstümmelte Leichen erzeugt hatte.

Es wurde eine Untersuchung gegen diejenigen eingeleitet, die der Ermordung von Balach Baloch beschuldigt werden, und anscheinend ist eine der Forderungen des Langen Marsches akzeptiert worden, aber die Hauptforderung des Langen Marsches ist derzeit die Beendigung der staatlichen Politik des gewaltsamen Verschwindenlassens und die Wiederkehr der so Verschwundenen. Dies ist eine legitime Forderung, die die gesamte Bevölkerung unterstützt und für die sie kämpft und die derzeit vom Langen Marsch unter der Schirmherrschaft des Belutsch:innen-Solidaritätskomitees unter der Leitung von Mahrang Baloch und anderen Aktivistinnen vertreten wird.

Die Haltung der staatlichen Institutionen gegenüber dem Langen Marsch hat die Politik des Staates gegenüber der Nation der Belutsch:innen verdeutlicht. Die Struktur des pakistanischen Staates basiert auf internem Kolonialismus, der diesem seine elementaren demokratischen Rechte verweigert hat. Was den Marsch angeht, hat sich der Staat verkalkuliert. Die Behörden wussten nicht, dass dieser eine so große Bewegung unter den Belutsch:innen auslösen würde, die trotz aller Gewalt, Verhaftungen und Einschränkungen nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte. Mit brutaler Gewalt wurde versucht zu verhindern, dass sich immer mehr Menschen dem Langen Marsch anchließen, bei dem auch belutschische Frauen, Mädchen und ältere Menschen verhaftet wurden.

Darüber hinaus wurden mehr als dreihundert Student:innen verhaftet, von denen bisher nur 167 wieder freigelassen wurden. Darüber hinaus sind mehrere Studierende bei der Niederschlagung des Langen Marsches gewaltsam „verschwunden“. Die Teilnehmer:innen des Langen Marsches protestieren derzeit vor dem Nationalen Presseclub in Islamabad. Sie haben deutlich gemacht, dass sie zu noch entschlosseneren Maßnahmen gezwungen sein werden, wenn die Student:innen nicht freigelassen werden oder noch mehr von ihnen gewaltsam verschwinden.

Der Lange Marsch, der vom Belutsch:innen-Solidaritätskomitee initiiert wurde, kam nach Islamabad in der Hoffnung, dass er den Staat unter dem Druck ihres Kampfes zwingen würde, seine Politik zu ändern und mehr vorgetäuschte Zusammenstöße und gewaltsames Verschwindenlassen zu beenden. Diese sollten gestoppt werden und die Nation der  Belutsch:innen sollte ihre demokratischen Rechte erhalten, damit sie über ihr eigenes Schicksal entscheiden kann. In diesem Sinne sollte der Lange Marsch einen erfolgreichen Kampf für seine Ziele fortsetzen.

Der Lange Marsch wird in großem Umfang von anderen unterdrückten Nationen unterstützt, darunter die PTM (Paschtunische Tahafuz-Bewegung) und andere Organisationen unterdrückter Ethnien. Zum ersten Mal hat der Lange Marsch in begrenztem Umfang Unterstützung im Punjab erhalten, und das Leiden des belutschischen Volkes und sein Schmerz sind spürbar. PTM, das Belutsch:innen-Solidaritätskomitee und die Parteien und Organisationen der Linken haben die Verantwortung, den Kampf der Belutsch:innen nicht nur zu unterstützen, sondern eine Einheitsfront zu bilden und diesen Kampf zur Arbeiter:innenklasse zu tragen. Es gilt, diesen demokratischen Kampf zu verbreiten und den Staat zu zwingen, die Serie des Verschwindenlassens und des Völkermordes zu beenden und dem Volk der Belutsch:innen volle demokratische Rechte zu gewähren.




Die „Feuerpause“ bei der Bombardierung Gazas

Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 1237, 25. November 2023

Am 24. November trat eine viertägige Waffenruhe für Israels Land-, See- und Luftangriffe auf die Bevölkerung des Gazastreifens in Kraft, die eventuell bis zu zehn Tage verlängert werden kann. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat jedoch darauf bestanden, dass es keine dauerhafte Waffenruhe oder einen Waffenstillstand geben wird, solange die Hamas nicht vernichtet ist, koste es die 2,3 Millionen Menschen im Gazastreifen, was es wolle. Die Zahl der Todesopfer hat bereits 14.000 überschritten und ist damit mehr als zehnmal so hoch wie die Zahl der 1.200 Israelis, die bei den Hamas-Angriffen am 7. Oktober getötet wurden.

Beim Austausch von Gefangenen sollen die Hamas und der Islamische Dschihad 50 israelische Geiseln und Israel 150 palästinensische Gefangene freilassen, die meisten davon Jugendliche unter 18 Jahren und Frauen. Im Gegenzug für weitere Geiselfreilassungen könnte es zu weiteren Verlängerungen kommen. Für die Dauer der „Pause“ werden größere Mengen an Lebensmitteln, Wasser, Treibstoff und medizinischen Gütern durch die israelische Blockade gelassen.

Hintergrund

Unmittelbarer Hintergrund sind die schrecklichen Angriffe der israelischen Verteidigungskräfte (IDF) auf Krankenhäuser und UNRWA-Schulen (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten), in die sich Familien geflüchtet hatten. Insbesondere der Befehl des Kriegsverbrecherkabinetts Netanjahu an die IDF, in das al-Shifa-Krankenhaus einzumarschieren und alle Patient:innen, Ärzt:innen und Krankenpfleger:innen sowie viele Hunderte von Menschen zu vertreiben, die hofften, dort vor der Grausamkeit der IDF sicher zu sein. Hinzu kommt das peinliche Versäumnis, die „Hamas-Kommandozentrale“ zu entdecken, von der Netanjahu behauptete, sie befände sich unter dem Gelände.

In den westlichen imperialistischen Ländern Nordamerikas und Europas, deren Regierungen die Augen vor diesen völkermörderischen Aktionen verschlossen haben, haben die Massendemonstrationen jede Woche zugenommen, trotz der Drohungen von Minister:innen und Polizeikräften, diese überwältigend friedlichen Proteste zu verbieten, indem sie sie als Unterstützung für den „Terrorismus“ und wahrscheinlich zu antisemitischen Ausschreitungen führend verleumden.

In Großbritannien haben beide großen Parteien Abgeordnete und Ratsmitglieder suspendiert oder ausgeschlossen, die es gewagt hatten, sich für Palästina einzusetzen, und das US-Repräsentantenhaus hat sein einziges Mitglied mit palästinensischem Wurzeln verurteilt. In Deutschland und Frankreich wurden Demonstrationen verboten und Hunderte festgenommen. Palästinensische Organisationen wurden verboten und Aktivist:innen kriminalisiert. Trotz dieser Verleumdungen, Lügen und Repressionen sind Hunderttausende in London und Washington und Zehntausende in Paris und Berlin auf die Straße gegangen. In den arabischen Ländern und generell in der halbkolonialen Welt hat die große Mehrheit der Bevölkerung die israelischen Angriffe von Anfang an abgelehnt.

Doch die Gräueltaten Israels, die dank des Mutes einfacher Menschen in Gaza, die Videos davon herausbringen konnten, jede Nacht zu sehen sind, haben begonnen, die „öffentliche Meinung“ auch in den meisten westlichen Ländern zu verändern und eine Massenbewegung zu fördern, die ein Ende des Tötens fordert und nicht zum Schweigen gebracht werden kann.

Die Forderung nach einem sofortigen, vollständigen und dauerhaften Waffenstillstand ist zu einer zentralen Forderung der Massendemonstrationen und der weltweiten Solidaritätsbewegung geworden.

Druck der USA

Infolgedessen sahen sich die Regierung Biden und imperialistische Verbündete wie Deutschland und Großbritannien, die alle von Anfang an ihre bedingungslose Unterstützung Israels erklärt hatten, gezwungen, das Land aufzufordern, das Ausmaß der zivilen Opfer in Grenzen zu halten und das Völkerrecht einzuhalten. Obwohl diese schwach geäußerten „Bedenken“ wochenlang auf taube Ohren stießen, verbanden die USA und die EU die Wiederaufbereitung ihrer alten „Zweistaatenlösung“ für ein Nachkriegs-Gaza und ein Westjordanland mit der Forderung nach einer „Pause“ bei den IDF-Angriffen, um die humanitäre Katastrophe zu begrenzen.

Der wahre Grund, warum die USA ihre „Friedenspropaganda“ wieder aufleben lassen, ist der Schaden, den Israels unerbittliche Grausamkeit ihren Plänen für einen von den USA dominierten Nahen Osten zugefügt hat, in dem Israel mit ihren Verbündeten wie Saudi-Arabien und Ägypten befreundet ist, sich aber gegen ihre Gegner:innen Syrien, Iran, Hisbollah, die Huthis und Hamas stellt. Trump hat dies mit den „Abraham-Abkommen“ (Friedensvertrag zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten vom September 2020) begonnen und Biden hat es fortgesetzt. Ende September behauptete sein Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan sogar, „die Region des Nahen Ostens ist heute so ruhig wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr“. Die Ereignisse haben nicht nur die Torheit dieser Vorhersage bewiesen, sondern seine Behauptung, dass alles „ruhig“ sei, zeigt, was das für einen imperialistischen Satrapen bedeutet, wenn man es mit dem Bericht von Medical Aid for Palestine vom Juli vergleicht, der besagt, dass „die Zahl der Todesopfer unter den Palästinenser:innen im Westjordanland im Jahr 2023 153 erreicht hat und damit bereits das Jahr 2022 als das tödlichste für die Palästinenser:innen im Westjordanland seit Beginn der Aufzeichnungen durch die UN im Jahr 2005 übertrifft“.

Biden erklärte: „Wenn diese Krise vorbei ist, muss es eine Vision geben, was danach kommt. Und unserer Meinung nach muss es eine Zweistaatenlösung sein“. Ebenso hat Außenminister Antony Blinken erklärt, dass jeder Nachkriegsplan für den Gazastreifen eine palästinensisch geführte Regierung und seine Vereinigung mit dem Westjordanland unter der Palästinensischen Autonomiebehörde beinhalten müsse.

Hindernisse

Diese Lösungen könnten nur über auf dem Rücken einer entwaffneten und zerstückelten palästinensischen Nation und ihres Heimatlandes erreicht werden. Seit der Nakba von 1948 hat das Volk trotz der Fehler und des Verrats seiner Führungen und der korrupten Monarchien und Militärdiktaturen der arabischen Welt immer wieder bewiesen, dass es dies niemals zulassen wird.

Das andere Hindernis für Bidens Pläne – sofern sie überhaupt mehr als eine Täuschung sind – besteht darin, dass Israels Politiker:innen, ob von der zionistischen Rechten oder Linken, deutlich gemacht haben, dass es keine Chance für irgendeine Art von „Land gegen Frieden“ im Sinne von Oslo gibt. Unter Ariel Scharon und Benjamin Netanjahu wurde die Palästinensische Autonomiebehörde (PNA) unter Jassir Arafat um die Jahrhundertwende zunächst gedemütigt (Belagerung seines Hauptquartiers in Ramallah) und dann unter Mahmud Abbas gezwungen, eine Hilfspolizei für Israel zu werden.

In einer Instruktionssitzung nach dem 7. Oktober skizzierten die israelischen Sicherheitsministerien Optionen für eine Nachkriegslösung. Die „bevorzugte“ Lösung wäre der „Transfer“ der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens auf die Sinai-Halbinsel, während die am wenigsten wünschenswerte Lösung die Rückgabe an die PNA wäre. Unerwünscht, weil dies ihrer Meinung nach der palästinensischen Nationalbewegung einen „noch nie dagewesenen Sieg bescheren würde, einen Sieg, der Tausende von israelischen Zivilist:innen und Soldat:innen das Leben kosten und Israels Sicherheit nicht garantieren würde“.

Es liegt auf der Hand, dass die derzeitige Likud-Koalitionsregierung mit ihren rechtsextremen Minister:innen die Vollendung der Nakba, die Vertreibung der Palästinenser:innen, mit anderen Worten einen politischen Völkermord, anstrebt. Aus diesem Grund hat sie bereits vor dem 7. Oktober Dschenin (Stadt und UN-Flüchtlingslager in der Westbank) angegriffen, die Siedler:innen bewaffnet, die ethnische Säuberung im Westjordanland gefördert, palästinensische Häuser zerstört, Provokationen in Jerusalem gestartet und eine Rekordzahl unbewaffneter palästinensischer Demonstrant:innen ermordet.

Kurzum, die von israelischen Politiker:innen, ob rechts oder links, vorgeschlagenen Lösungen sehen nichts vor, was auch nur annähernd an Blinkens oder Bidens Fata Morgana eines palästinensischen Staates heranreicht.

Aber auch die israelischen Lösungen sind nicht praktikabel. Ägypten wäre niemals in der Lage, 2,3 Millionen Menschen aus dem Gazastreifen aufzunehmen, was nur als eine weitere Episode der Nakba angesehen werden könnte. El-Sisi würde nicht die Aufgabe übernehmen, Gaza zu regieren, und Mahmud Abbas (und die glücklose PNA) wären nicht in der Lage, Gaza zu regieren, indem sie als Gefängniswärter:innen im Namen Israels und des Imperialismus agieren. Die PNA wurde bereits von den reichen imperialistischen Ländern um ihr Geld gebracht, sie wird von israelischen Politiker:innen verabscheut und von den palästinensischen Massen gehasst.

Wie geht es jetzt weiter?

Die weltweite Bewegung hat die Forderung nach einem dauerhaften Waffenstillstand laut werden lassen. Natürlich würde dies eine sofortige und willkommene Atempause für die Bevölkerung bringen, aber es würde keine dauerhafte Erleichterung bringen, solange die IDF-Besatzung des nördlichen Gazastreifens anhält. Solange die Land-, See- und Luftblockade in Kraft bleibt, wird das Leiden der Bevölkerung zu einer Waffe in den Händen des Zionismus. Selbst ein formelles Abkommen oder ein Waffenstillstand würde das Leiden nur vorübergehend einfrieren, solange Israel Lebensmittel, Wasser, medizinische Versorgung und Baumaterialien für den Wiederaufbau und die Reparatur der 40 Prozent der Gebäude, die bereits in Schutt und Asche liegen, blockieren kann, während der Winter naht.

Die Bewegung auf der ganzen Welt muss durch fortgesetzte Massendemonstrationen, Boykotte und die Blockade von Militär- und Wirtschaftsexporten aus Europa und den USA den größtmöglichen Druck ausüben. Die Unterstützer:innen Palästinas müssen maximalen Druck auf die prozionistischen Führungen der reformistischen Arbeiter:innenparteien und der Gewerkschaften ausüben, damit gezwungen werden, politisch mit Israel zu brechen und diese Forderungen aufzugreifen. Sie müssen gegen die Kriminalisierung der palästinensischen Organisationen und den antimuslimischen Rassismus kämpfen. Sie müssen die Lüge entlarven, dass Antizionismus Antisemitismus sei, und deutlich machen, dass der Kampf gegen den sehr realen Anstieg des Antisemitismus durch die Rechte Hand in Hand mit der Unterstützung des palästinensischen Volkes gegen seine nationale Unterdrückung gehen muss.

In den arabischen und muslimischen Ländern brauchen wir eine Bewegung in der Größenordnung des Arabischen Frühlings, die sich gegen die Kollaborateure mit den USA richtet, um den Abbruch nicht nur jeglicher Beziehungen zu Israel, sondern auch zu seinen nordamerikanischen und europäischen Unterstützer:innen zu fordern, bis sie Israel zwingen, seine völkermörderischen Angriffe einzustellen und sich aus Gaza und dem Westjordanland zurückzuziehen.

In den Ländern, in denen sich eine Massenprotestbewegung entwickelt hat, müssen wir nicht nur für einen humanitären Waffenstillstand kämpfen, sondern für den vollständigen Rückzug der IDF, ihrer Panzer, Bulldozer und Drohnen aus dem gesamten Gebiet, dem Luftraum und den Anrainergewässern des Gazastreifens sowie für ein sofortiges Ende der brutalen, anhaltenden Unterdrückung im Westjordanland und in Jerusalem. Wir müssen auch das Ende der Blockade und die Einführung des freien Verkehrs auf dem Land-, See- und Luftweg über die Grenzen Gazas und zwischen Gaza und dem Westjordanland und Jerusalem fordern.

Seit dem 7. Oktober hat Israel 4.000 Menschen aus dem Gazastreifen und mehr als 1.000 aus dem besetzten Westjordanland festgenommen, womit sich die Gesamtzahl der Inhaftierten auf 10.000 erhöht. Wir müssen die bedingungslose Freilassung aller palästinensischen „Geiseln“ fordern, sowohl derjenigen, die von israelischen Gerichten verurteilt wurden, als auch ihrer Mehrheit, derjenigen, die ohne Gerichtsverfahren einsitzen.

Außerdem müssen wir uns jedem „Friedensprozess“ widersetzen, der nicht das Recht auf Rückkehr aller Palästinenser:innen einschließt, die seit 1948 aus ihrer Heimat vertrieben wurden; jede Regelung muss die freie, ungezwungene und demokratische Zustimmung aller Palästinenser:innen erhalten.

Ein einziger palästinensischer Staat kann sowohl Menschen mit palästinensischer als auch israelischer Nationalität umfassen, vorausgesetzt, es gibt keine Privilegien für irgendeine. Wenn Palästina zu einem sozialistischen Staat wird, in dem das Land und die Arbeitsplätze gemeinsam genutzt werden, kann dieses historische Unrecht überwunden werden. Es ist die Aufgabe der Arbeiter:innenklasse beider Nationen, ja der gesamten Region, dies zu erreichen. Dazu gehört der Kampf gegen die imperialistischen Mächte, die die Region so lange geteilt und ausgebeutet haben.

  • Vollständiger Waffenstillstand, Abzug aller IDF-Truppen!

  • Vollständige Beendigung der Belagerung!

  • Freiheit für Palästina!



Pakistan: Solidarität mit den afghanischen Flüchtlingen und Massenprotesten!

Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 1237, 20. November 2023

1,7 Millionen afghanische Flüchtlinge, etwa die Hälfte der 3 – 4 Millionen in Pakistan lebenden Afghan:innen, sollen bis Ende des Jahres abgeschoben werden, wenn sie das Land nicht „freiwillig“ verlassen. Viele der 1,7 Millionen sind vor der Verfolgung durch die Taliban geflohen. Nun müssen sie Pakistan verlassen, andernfalls drohen ihnen Haft und Abschiebung.

Seit Anfang November sind Schikanen und Zwangsabschiebung von Afghan:innen weit verbreitet. Gleichzeitig nehmen die Proteste seit Wochen zu, vor allem am Grenzübergang Chaman (Belutschistan). Tausende von pakistanischen Paschtun:innen schließen sich den Protesten an, darunter zahlreiche Arbeiter:innen. Die Demonstrant:innen haben auf beiden Seiten der Grenze massenhafte Sitzstreiks organisiert.

Der Grund für die Proteste an der Grenze ist ganz klar. Die paschtunische Bevölkerung lehnt die Abschiebungen nicht nur ab, sondern versteht sie auch richtig als Teil der Politik und der Interessen der Regierung, die das Leben der paschtunischen Bevölkerung miserabel gemacht hat. Sie erkennen, dass die Abschiebungen Hand in Hand mit der Enteignung der Afghan:innen gehen, die ihnen ihre Lebensgrundlage und ihr Recht auf ein Leben in dem Gebiet nehmen, in dem sie – manchmal seit Generationen – arbeiten und leben.

Darüber hinaus will die Regierung paschtunische Führer:innen und Händler:innen dazu zwingen, künftig Grenzkontrollen durchzuführen. Der Zusammenschluss von Kaufleuten und lokalen Stämmen soll gezwungen werden, Pässe und Visa auszustellen. Doch zumindest bisher haben sie diese Anordnungen abgelehnt. Derzeit beteiligen sich Bauern und Bäuerinnen, Händler:innen, Stammesführer:innen und berufstätige Paschtun:innen verschiedener politischer Parteien an diesem Protest und lehnen die Regierung und ihre Politik ab.

Die Demonstrant:innen lehnen die Zwangsvertreibung von afghanischen Flüchtlingen ab und fordern, dass die Regierung diese unmenschliche Politik zurücknimmt und das Leben der afghanischen Flüchtlinge nicht noch härter und ärmer macht. Ihre Vertreibung wird alles zerstören, was sie in harter Arbeit ein Leben lang und über Generationen hinweg aufgebaut haben. Zurück in Afghanistan gibt es nichts für sie und viele sind ernsthaften Bedrohungen durch das Regime ausgesetzt.

Die geschäftsführende Regierung von Anwaar-ul-Haq Kakar will von der Krise des Systems, der grassierenden Inflation und der Energieknappheit ablenken. Sie macht die Afghan:innen für den Mangel an Ressourcen verantwortlich. Deshalb werden die afghanischen Flüchtlinge zum Sündenbock gestempelt und der Rassismus gegen sie wird angeheizt. In der Tat wird die Bewegungsfreiheit aller Menschen ohne Pass an der Grenze von Chaman in Zukunft vollständig unterbunden.

Der Grenzhandel ist auch in Belutschistan zu einem ernsten Problem geworden. Dort ist die Beschäftigung und der Lebensunterhalt von Millionen von Menschen damit verbunden. Die Politik der pakistanischen Regierung vernichtet diese im Interesse des Großkapitals.

Diejenigen, die bereits Opfer der vom Imperialismus und dem Staat aufgezwungenen Marginalisierung und des Krieges sind, werden um alles gebracht. Daher liegt es in der Verantwortung der Arbeiter:Innen im ganzen Land, auch in Belutschistan, sich mit den afghanischen Flüchtlingen zu solidarisieren. Die pakistanischen Gewerkschaften müssen die Massensitzstreiks und Proteste an den Grenzen unterstützen. Sie müssen in Solidaritätsmobilisierungen und Streiks mit ihren afghanischen Brüdern und Schwestern auftreten und sich in einem gemeinsamen Kampf gegen alle Abschiebungen, für das Recht aller Flüchtlinge, in Pakistan zu leben und zu arbeiten, und gegen die Inflation, die staatlichen Kürzungen, die Diktate des Internationalen Währungsfonds und die kapitalistische Krise, die die wahre Ursache für das Elend der pakistanischen Arbeiter:innen, Bauern und Bäuerinnen und der afghanischen Flüchtlinge sind, vereinen.

Weltweit müssen sich Parteien der Arbeiter:innenklasse, Gewerkschaften und linke Organisationen mit den afghanischen Flüchtlingen und ihren Sit-ins solidarisieren. Sie müssen Proteste und Kundgebungen in verschiedenen Ländern organisieren und Solidaritätsbotschaften an die Protestierenden senden!




Erster Palästina-Strafprozess seit dem 7. Oktober: Lollo ist verurteilt, aber seine Integrität ist intakt

Martin Suchanek & Georg Ismael, Infomail 1237, 16. November 2023

Die Mühlen der Justiz mahlen zuweilen schnell, jedenfalls wenn es politisch erwünscht ist. Am 15. November fand der erste Palästina-Prozess im Zusammenhang mit der Kriminalisierungswelle ab Anfang Oktober gegen den Internationalisten und Antifaschisten Lollo am Amtsgericht Berlin Tiergarten statt.

Am 18. Oktober wurde der junge italienische Arbeiter Lollo in der Berliner Sonnenallee festgenommen. Seither befand er sich in Untersuchungshaft. Um zu einer raschen und harten Verurteilung zu gelangen, wurde der Fall im Schnellverfahren geführt. Der Prozess begann nach nur vier Wochen und endete am 15. November mit der Fällung des Urteils.

Lollo wurde zu einer Haftstrafe von 8 Monaten verurteilt, die auf Bewährung für drei Jahre ausgesetzt wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte 10 Monate Haft, ausgesetzt auf 3,5 Jahre Bewährung, zuzüglich einer Geldstrafe von 1.000 Euro an das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e. V. gefordert.

Sowohl die Prozessführung, die Anklageschrift wie das abschließende Plädoyer der Staatsanwaltschaft zeigten, dass es hier nicht in erster Linie um einen Steinwurf auf gut ausgerüstete und geschützte Polizeikräfte ging. Es drehte sich darum, ein möglichst hohes Strafmaß gegen einen Internationalisten zu erzwingen. Dieser sollte als Antisemit  diffamiert und dadurch die Polizeigewalt des vergangenen Monats nachträglich gerechtfertigt werden. So sollte ein Präzedenzfall für die harte Verurteilung weiterer Kriminalisierter geschaffen werden, um die ideologische Grundlage für anstehende repressive Gesetzesverschärfungen zu legen.

Die Verhandlung

Verhandelt wurden schwerer Landfriedensbruch, schwere Körperverletzung und tätlicher Angriff auf Polizeibeamt:innen in Tateinheit sowie Widerstand gegen die Staatsgewalt im zweiten Anklagepunkt. Von Seiten der Staatsanwaltschaft wurde dem Angeklagten zur Last gelegt, im Rahmen von verbotenen – wenn auch ursprünglich friedlichen – Protesten auf der Sonnenallee einen Stein auf einen Polizisten geworfen zu haben.

Zu Beginn der Verhandlung räumte der Angeklagte den Steinwurf ein. Ein Polizist, der getroffen oder verletzt wurde, konnte aber in den vier Wochen seit dem 18. Oktober nicht namhaft gemacht werden. Die als Zeug:innen geladenen Zivilpolizist:innen mussten denn auch eingestehen, dass der getroffene und gut geschützte Polizist der 35. Einheit keine Reaktion auf den Treffer zeigte.

Insbesondere wurde im Verlauf des Prozesses die Frage des Widerstandes gegen die Festnahme verhandelt. Sicher belegt wurde allerdings im Prozess durch ein Video vor allem, wie drei Polizisten mit enormer Brutalität bei der Festnahme vorgingen, die den jungen Mann, dessen Kopf scheinbar vor Sauerstoffmangel rot wurde, am Boden unter Anwendung von Schmerzgriffen fixierten und im weiteren Verlauf schlugen.

Da der Angeklagte kein Deutsch sprach, konnte er auch nicht verstehen, was die Polizei ihm sagte. Eine Person, die sich als Übersetzerin anbot, wurde physisch bedroht. Über seine Festnahme, den Grund dieser und seine Rechte setzte ihn die Polizei allerdings auch auf Deutsch zu diesem Zeitpunkt nicht in Kenntnis. Dafür setzte sie offenkundig auf „handfeste“ Argumente. Die Verhandlung zeichnete sich auch durch eine Reihe von Suggestionen von Staatsanwaltschaft und Richter aus, die den Polizist:innen bereits die Antworten in den Mund legten.

Insbesondere legte sich bei dem Gerichtstermin allerdings die Staatsanwaltschaft ins Zeug. Falls bei irgendjemandem Zweifel bestanden haben sollten, so machte sie gleich zu Beginn deutlich, dass es sich für sie um keinen normalen, sondern einen politischen Prozess handelte. In ihren Augen hätte sich der Angeklagte an antiisraelischen und antisemitischen  Protesten beteiligt. In diesen Zusammenhang müssten die ihm vorgeworfenen Taten eingeordnet und daher auch das Strafmaß, ganz im Sinne der deutschen Staatsraison, erhärtet werden.

Sowohl der Angeklagte wie auch sein Anwalt widersprachen zu Beginn und während des Prozesses dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte an antisemitischen Aktionen beteiligt gewesen wäre. Lollo wies deutlich und entschieden die Anschuldigung von sich, Antisemit zu sein. Er äußerte seine tiefe Verbundenheit mit antirassistischen und antimilitaristischen Ansichten. Vor allem, so betonte er, ging er gegen den Krieg und für Frieden auf die Straße. Er äußerte seine Betroffenheit darüber, das kriminelle Schweigen bezüglich der Angriffe auf Gaza mithilfe polizeilicher Gewalt durchzusetzen.

Selbst die Polizist:innen mussten feststellen, dass die einprägsamen Slogans in dieser Nacht und in diesen Tagen „Free Palestine“ oder „Free Gaza“ neben dem scheinbar sehr beliebten Spruch „Ganz Berlin hasst die Polizei“ waren. Selbst sie erklärten, auch ohne eine ursprüngliche Gefährdungslage den Protest am 18. Oktober aufgelöst und bereits zu Beginn der Ansammlungen Festnahmen ohne weitere Grundlage getätigt zu haben. Insofern stand Lollos eigene Gewalt der der Polizei nach, die bereits über eine Woche vor dem 18. Oktober und in ebendieser Nacht unter dem Motto „Dienst nach Vorschrift“ wütete. Die Polizeibeamt:innen äußerten, es sei nicht ihre Entscheidung, diese durchzusetzen. Sie würden es aber tun, wenn sie dafür die Befehle erhielten.

Der Verteidiger des Angeklagten betonte daher in seinem abschließenden Plädoyer, dass es bei diesem Prozess um den Zusammenhang ginge, in dem die dem Angeklagten vorgeworfenen Punkte verhandelt wurden: die drastischen Einschränkungen des Versammlungsrechts und grundlegender in der Verfassung verankerter demokratischer Rechte durch die deutsche und Berliner Regierung.

Er berichtete von Palästinenser:innen, die ihn in den vergangenen Wochen verzweifelt anriefen, weil sie Familienmitglieder verloren hatten und aufgrund des wochenlangen Verbots aller propalästinensischen Versammlungen keine Möglichkeit der öffentlichen Trauer zeigen konnten. Er sprach über Iris Hefets, ein Mitglied der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden“, die am 18. Oktober alleine mit dem Schild „Stoppt den Massenmord in Gaza!“ auf dem Hermannplatz protestieren musste, weil jede weitere Person zu einem Verstoß gegen das Versammlungsverbot geführt hätte.

Diese Erläuterungen verdeutlichten, wie ernst und massiv die Angriffe ausarteten, die auf politisch motivierten und rassistischen Verleumdungen seitens der Regierenden beruhten. Indirekt musste dem selbst der Richter stattgeben. Die von der Staatsanwaltschaft zynisch geforderte Geldstrafe, die einem Verein gegen Antisemitismus zugutekommen sollte, fand ihren Weg nicht in die Verurteilung. Hierüber, so können wir zum Zeitpunkt des Berichtes sagen, schwiegen oder hetzten gar die meisten bürgerlichen Journalist:innen, die den Prozess in großer Zahl begleiteten.

Die Stimmen der Anderen

Lollo stand heute als Erster, aber nicht Letzter stellvertretend für hunderte weitere Menschen, die festgenommen wurden und kriminalisiert werden sollen. Mehr als 27 Anzeigen sind bereits bei der Staatsanwaltschaft Berlin anhängig (Stand 14. November). Weitere 1.254 Fälle werden aktuell bei der Polizei vorbereitet (Stand 13. November). Auch hier drohen Urteile und politisch motivierte, erhöhte Strafmaße. Während die Verurteilung Lollos hart ist, so ist es der Staatsanwaltschaft nicht gelungen, ihn als Antisemiten zu diskreditieren und verurteilen.

Dies ist ein Ausdruck der ungebrochenen Solidarität zwischen jüdischen, palästinensischen und anderen in Deutschland lebenden Menschen, die in den vergangenen Wochen Seite an Seite auf die Straße gingen für gleiche soziale und demokratische Rechte und ein Leben in Frieden. Der Richter trug dem insofern Rechnung, als er die politische Einordnung der Staatsanwaltschaft nicht übernahm, sondern „neutral“ blieb. Viel wichtiger ist jedoch, dass Lollos politische Integrität in den Augen ehrlicher Prozessbeobachter:innen intakt blieb.

Was bleibt, ist die notwendige Aussicht auf gemeinsame Kampagnen gegen die Kriminalisierung unserer Bewegung. In den letzten Wochen wurden palästinensische Organisationen wie die Gefangenenhilfsorganisation „Samidoun“ verboten. Gegen weitere werden Verbote auf den Weg gebracht. Ferner werden Gesetze verschärft, die die Solidaritätsbewegung kriminalisieren und Migrant:innen mit zunehmender Aggressivität rassistisch stigmatisieren. Abschiebungen und Ausbürgerungen werden von etlichen Medien gefordert, von Politiker:innen befürwortet. Politische Abschiebungen wurden bereits in mehreren Fällen durchgeführt.

Gegen diese grundlegenden Angriffe auf demokratische Rechte, Verbote und Gesetzesverschärfungen müssen wir uns zur Wehr setzen, indem wir eine Solidaritätsbewegung aufbauen, die zuerst die Motive der Angeklagten sichtbar und ihre Stimmen hörbar macht.




Stoppt den Krieg gegen Gaza! Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand!

Flugblatt der Gruppe Arbeiter:innenmacht, Infomail 1235, 4. November 2023

Israel führt Krieg gegen Gaza. Seit über 14 Tagen fliegt die Armee massive Angriffe gegen Gaza, aber auch auf Stellungen im Libanon und in Syrien. Bei den Einsätzen der israelischen Luftwaffe und mit Raketen sind bisher über 9.000 Menschen getötet worden. Rund eine Million Palästinenser:innen – die Hälfte der Bewohner:innen Gazas – befindet sich auf der Flucht.

Israels Kriegsziele

Die israelische Strategie zielt auf die „Säuberung“ und Vernichtung des gesamten palästinensischen Widerstandes in Gaza. Die Hamas, aber auch sämtliche andere Organisationen, die sich zur Wehr gesetzt haben und setzen (wie Islamischer Dschihad, PFLP, DFLP), sollen ausradiert werden. Um dafür den Boden vorzubereiten, werden Städte und Infrastruktur systematisch zerstört und große Teile der Bevölkerung vertrieben.

Rücksicht auf die Zivilbevölkerung wird von Seiten des Notstandskabinetts und der Armee nur genommen, um das Gewissen der „demokratischen“ Öffentlichkeit im Westen zu beruhigen und Brüche in der Front der Unterstützer:innen im Inneren zu vermeiden. 

Israel und seine Verbündeten, allen voran alle westlichen imperialistischen Regierungen, rechtfertigen den Krieg als „Akt der Selbstverteidigung“ gegen den „Terrorismus“ der Hamas. Sie erklären ihre „bedingungslose Solidarität“ mit Israel. Die USA entsenden zwei Flugzeugträger mit Einsatzkräften ins östliche Mittelmeer. Frankreich, Deutschland, die EU und Britannien versprechen Waffenlieferungen und materielle Hilfe. Zugleich mahnen sie die Einhaltung des Völker- und Kriegsrechts an, weil sie fürchten, dass ein zu rücksichtsloses Vorgehen die ohnedies angeschlagene westliche imperialistische Dominanz im Nahen Osten weiter schwächen könnte.

Die Vorstellung, dass es sich bei dem Angriff Israels um einen Krieg zur Selbstverteidigung handle, stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Es geht nicht nur um die Vernichtung der Hamas und aller bewaffneten, Widerstand leistenden palästinensischen Gruppierungen. Es geht darum, den Widerstandswillen und die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung zu brechen.

Gescheiterte Strategie

Die US-Strategie seit Trump, die der israelischen Regierung unter Netanjahu wie auch von Armeeführung und Geheimdienst setzten auf eine „Friedenslösung“ im Nahen Osten ohne Einbeziehung der Palästinenser:innen. Diesbezüglich wurde die Politik Trumps unter Biden fortgesetzt und die EU und deren führende Mächte folgten dabei den USA. Die Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Verhandlungen mit Saudi-Arabien und anderen Staaten zur längerfristigen „Normalisierung“ mit Israel schienen diese Strategie zu bestätigen.

Der israelische Staat ging im Grunde davon aus, dass er die Palästinenser:innen weiter ohne wirksamen Widerstand und großen internationalen Aufschrei marginalisieren könnte, Siedlungsbau und Landraub in der Westbank weiter voranschreiten würden und Gaza abgeriegelt und seine Bevölkerung weiter ausgehungert würde. Die Ermordung von über 300 Palästinenser:innen in der Westbank und der weitere Landraub bis zum Oktober 2023 schienen das auch zu bestätigen.

Die meisten Staaten des Nahen Ostens haben in den letzten Jahren den Weg Ägyptens und Jordaniens beschritten und faktisch ihren Frieden mit Israel gemacht. Das Schicksal der Palästinenser:innen stellte kein Hindernis für eine Intensivierung des wirtschaftlichen Austauschs dar. Auch in geostrategischer Sicht haben z. B. Israel und die Türkei als wichtige Waffenlieferant:innen und Unterstützer:innen Aserbaidschans bei der Vertreibung der Armenier:innen aus Arzach (Bergkarabach) kooperiert. Kein Wunder also, dass die ersten Erklärungen der Arabischen Liga zum Angriff der Hamas auf Israel und zum angedrohten Vergeltungsschlag sehr vorsichtig ausfielen. Bis heute rufen Ägypten, Saudi-Arabien oder Jordanien zur „Mäßigung auf allen Seiten“ oder zu einer Waffenruhe auf. Allerdings hat Saudi-Arabien die Verhandlungen mit Israel ausgesetzt.

Auch wenn zur Zeit die arabischen Staaten kein Interesse an einer direkten Konfrontation mit Israel hegen, so hat der Angriff der Hamas der zuletzt verfolgten Nahoststrategie des US-Imperialismus und seiner Verbündeten einen schweren Schlag versetzt. Die Vorstellung, den Nahen Osten unter Ausschluss der Palästinenser:innen zu befrieden, entpuppte sich als reaktionäre Illusion. Sie ist gescheitert.

Welche Alternative?

Insgesamt hat der Krieg gegen Gaza die Lage im Nahen Osten grundlegend verändert und ihn zu einem Zentrum der Instabilität gemacht. Während auf der einen Seite eine konterrevolutionäre, barbarische Vertreibung und eine Vernichtung des palästinensischen Widerstandes drohen, können auf der anderen die Unterdrückten die aktuelle Lage auch zu ihren Gunsten wenden, wenn sie die inneren Widersprüche im Lager des Zionismus und der imperialistischen Reaktion nutzen. Das erfordert wiederum, dass die Arbeiter:innenklasse als selbstständige, führende Kraft in der Solidarität mit Palästina, und damit verbunden auch in Palästina, in Erscheinung tritt.

Nur, wenn sie angesichts der Angriffe des Zionismus bedingungslos auf Seiten der Unterdrückten steht, den Widerstand trotz dessen reaktionärer politischer  Führung unterstützt und gegen die Regierungen im Westen mobilmacht, mit der Unterstützung Israels bricht und sich mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern im globalen Süden zusammenschließt, kann sie auch als verlässliche Verbündete des palästinensischen Volkes in Erscheinung treten.

Nur dann werden die palästinensischen Massen erkennen können, dass die reaktionären arabischen und islamistischen Regime nicht ihre Verbündeten sind, wohl aber deren Arbeiter:innen und Jugend, und es eine wirkliche Alternative zur Politik und Strategie von Hamas und Fatah gibt – eine Politik, die den Kampf um nationale Befreiung mit dem für die sozialistische Revolution verbindet. Nur so wird es möglich sein, dass die palästinensische Arbeiter:innenklasse auch zur führenden Kraft des Befreiungskampfes werden kann. Und schließlich wird es nur unter der Bedingung eines massiven Widerstandes und der weltweiten Unterstützung Palästinas möglich sein, die israelische Arbeiter:innenklasse vorm Zionismus zu retten, so dass nicht nur einer politisch fortgeschrittenen antizionistischen Minderheit, sondern auch der Masse der Lohnabhängigen klar wird, dass sie der Zionismus nicht nur zu Kompliz:innen der Unterdrückung macht, sondern dass ihre Freiheit und Sicherheit unter einem Regime, das auf der Unterdrückung einer anderen Nation aufbaut, letztlich eine Schimäre sind.

Aufgaben der Arbeiter:innenbewegung

Die erste und vordringliche Aufgabe der Linken und Arbeiter:innenbewegung auf der ganzen Welt besteht darin, den palästinensischen Befreiungskampf zu unterstützen. Wir treten für die Niederlage Israels ein und solidarisieren uns mit dem Widerstand in Gaza und ganz Palästina. Zugleich verschweigen wir unsere grundlegenden Differenzen mit der reaktionären Hamas, mit Dschihad, aber auch mit der palästinensischen Linken nicht. Wir unterstützen den Befreiungskampf trotz seiner Führung und ihrer falschen Strategie, Politik und Programmatik.

Die Stellung des zionistischen Staates im Nahen Osten, seine zentrale Rolle als Statthalter westlicher imperialistischer Interessen, die enorme Hochrüstung der israelischen Armee und das Ausmaß westlicher Unterstützung bedeuten auch, dass der palästinensische Widerstand internationale Unterstützung braucht. Daher bedarf es einer internationalen Strategie, um den Kampf zum Sieg zu führen.

1. Widerstand und Befreiungskampf in Palästina

Im gegenwärtigen Krieg, im Angriff auf Gaza unterstützen wir den bewaffneten palästinensischen Widerstand. Je länger sich dieser der IDF entgegenstellen kann, desto höher wird der politische und materielle Preis für den Angriff und die Invasion.

Der Ausbruch der Hamas-geführten Kräfte aus Gaza verkörperte selbst einen legitimen Akt im nationalen Befreiungskampf. Unterdrückte haben das Recht, aus einem Territorium auszubrechen, in dem sie vom unterdrückenden Staat über Jahre inhaftiert werden, ihre Versorgung von diesem blockiert und rationiert wird, ein großer Teil der Bevölkerung zur Arbeitslosigkeit verurteilt ist, wo immer wieder Infrastruktur, Wohnungen, Sozial- und Gesundheitseinrichtungen zerstört werden.

Es ist im Kampf gegen nationale Unterdrückung natürlich legitim, die militärischen Institutionen und Einheiten der Unterdrücker:innen anzugreifen, auf Raketenbeschuss mit Raketen zu antworten. Das heißt aber nicht, dass wir allen Aktionen oder ihrer Führung unkritisch gebenüberstehen dürfen oder diese Kritik verschweigen sollen.

Als revolutionäre Marxist:innen stehen wir in entschiedener Feindschaft zur Strategie und Politik der Hamas (wie aller islamistischen Kräfte) und ihrem politischen Regime. Ebenso lehnen wir die willkürliche Tötung von oder Massaker an israelischen Zivilist:innen ab. Diese erleichtern es Zionismus und Imperialismus offenkundig, ihren Großangriff auf Gaza auch in den Augen vieler Arbeiter:innen als „Selbstverteidigung“ hinzustellen.

Aber es greift viel zu kurz, willkürliche Tötungen von Zivilist:innen nur der Hamas oder dem Islamismus anzulasten. Sie sind auch Ausdruck der viel umfassenderen, Jahrzehnte andauernden Unterdrückung, der täglichen Erfahrung des Elends, Hungers, der Entmenschlichung in Gaza durch die israelische Abriegelung. Aus der nationalen Unterdrückung wächst der Hass auf den Staat der Unterdrücker:innen und alle, die diesen mittragen oder offen unterstützen – und dazu gehört auch die große Mehrheit der israelischen Bevölkerung und der israelischen Arbeiter:innenklasse.

Der politische Kampf gegen die religiöse Rechte im Lager des palästinensischen Widerstands und die Kritik an politisch falschen oder kontraproduktiven Aktionsformen dürfen keineswegs zu einer Abwendung vom Kampf gegen die Unterdrückung führen. Heute, wo die westliche Propaganda die realen Verhältnisse auf den Kopf stellt, müssen wir klar zwischen der Gewalt der Unterdrückten und der Unterdrücker:innen unterscheiden. Nur wenn die revolutionäre Linke und die Arbeiter:innenklasse den Kampf um nationale Befreiung gegen den Zionismus und „demokratischen“ Imperialismus unterstützen, werden sie in der Lage sein, eine politische Alternative zu islamistischen Kräften aufzubauen. Nur so werden sie eine revolutionäre Partei bilden können, die den Kampf um nationale Befreiung mit dem um eine sozialistische Revolution verbindet.

Dies beinhaltet notwendig auch die Beteiligung am Befreiungskampf und militärisch koordinierte gemeinsame Aktionen. In der Westbank und Israel unterstützen wir Solidaritätsaktionen mit der Bevölkerung Gazas. Wir unterstützen Massenprotest und Streiks gegen die Besatzung. Eine neue Massenintifada ist angesagt.

Doch ist nicht nur ein gemeinsamer Kampf nötig. Die Führungen des Befreiungskampfes verfügen selbst über keine Strategie, die eine revolutionäre Lösung bringen kann. Hamas und Fatah vertreten letztlich reaktionäre bürgerliche Programme. Die palästinensische Linke vertritt eine Etappentheorie, der zufolge der Kampf um nationale Befreiung und der um eine sozialistische Umwälzung streng voneinander getrennt sind,

Diesem Programm stellen wir jenes der permanenten Revolution entgegen. Wir treten für einen gemeinsamen, binationalen, sozialistischen Staat in Palästina ein, der Palästinenser:innen wie Juden und Jüdinnen gleiche Rechte gewährt, der allen vertriebenen Palästinenser:innen das Rückkehrrecht garantiert und auf der Basis des Gemeineigentums an Land und großen Produktionsmitteln in der Lage ist, die Ansprüche zweier Nationen gerecht und demokratisch zu regeln. Ein solcher Kampf wird nicht durch Reformen erreicht werden können, sondern nur durch den revolutionären Sturz des zionistischen Staates.

In Israel und Palästina treten wir auch für die möglichst enge Einheit im Kampf mit den antizionistischen Kräften der israelischen Linken und Arbeiter:innenbewegung ein. Nur wenn die Arbeiter:innenklasse mit dem Zionismus bricht, kann sie sich auch selbst befreien.

Uns ist jedoch bewusst, dass die israelischen Lohnabhängigen über Jahrzehnte nicht nur an der Unterdrückung, Vertreibung und Überausbeutung der palästinensischen Massen teilhatten, sondern dass der Labourzionismus wie auch die „liberalen“ Zionist:innen selbst aktiv an der Vertreibung und Unterdrückung beteiligt waren und sind.

So wichtig und richtig es ist, Spaltungen und Brüche im zionistischen Lager auszunutzen und zu befördern, so dürfen wir uns keinen Illusionen über die Tiefe der Bindung der israelischen Arbeiter:innen an den Zionismus hingeben. Wir müssen uns vielmehr darüber klar sein, dass deren Masse wahrscheinlich erst unter dem Eindruck einer tiefen Krise des zionistischen kolonialistischen Projekts für einen Bruch mit dem Zionismus gewonnen werden kann. Daher ist die Stärke des palästinensischen Befreiungskampfes selbst ein zentraler Motor, um überhaupt Risse im Zionismus zu vertiefen. Die antizionistische Linke in Israel hat daher jedes Interesse am Erfolg des palästinensischen Befreiungskampfes und muss diesen unterstützen. Nur auf dieser Basis lässt sich eine wirkliche Einheit palästinensischer und jüdischer Arbeiter:innen herstellen.

2. Die Massen im Nahen Osten

In den arabischen Ländern, in der Türkei, im Iran wie in der gesamten Region muss die Arbeiter:innenklasse mit ihren Kräften die Mobilisierungen gegen Israel in Solidarität mit Palästina unterstützen. Sie muss sich dabei zugleich von reaktionären oder gänzlich verlogenen staatlichen Institutionen abgrenzen, die die Palästinafrage für reaktionäre Zwecke oder eigene geostrategische Interessen missbrauchen (z. B. Erdogan in der Türkei).

Daher müssen die Gewerkschaften und die Linke nicht nur unter eigenem Banner und mit eigenen Aktionen mobilisieren. Sie müssen auch über Demonstrationen und Protestkundgebungen hinausgehen. So sollten Transportarbeiter:innen alle Exporte nach Israel blockieren, indem sie z. B. das Beladen von Schiffen oder Flugzeugen verweigern oder deren Auslaufen oder Abflug verhindern.

Sie müssen die Offenlegung aller wirtschaftlichen und militärischen Abkommen sowie aller Geheimverträge mit Israel fordern, um so die wirkliche Kooperation ihrer angeblich propalästinensischen Regierungen offenzulegen, und den Stopp diese Kooperation erzwingen. Sie müssen für die Schließung der Militärbasen der USA und ihrer Verbündeten in der Türkei und im gesamten arabischen Raum eintreten.

Dieser Kampf gegen die verschiedenen reaktionären Regierungen muss mit dem gegen die soziale und ökonomische Krise wie gegen die mehr oder weniger unverhüllten Diktaturen verbunden werden, um so einen zweiten Arabischen Frühling einzuläuten – einen Arabischen Frühling, dessen linke und proletarische Kräfte die Lehren aus dem Scheitern des ersten Anlaufs ziehen, indem sie von Beginn an die Notwendigkeit anerkennen, eine solche Revolution permanent zu machen und nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben. Dies erfordert, in diesen Bewegungen revolutionäre Arbeiter:innenparteien aufzubauen, die für ein Programm der permanenten Revolution kämpfen und für Vereinigte Sozialistische Staaten des Nahen Ostens.

3. Die Arbeiter:innenklasse im Westen

Der Arbeiter:innenklasse in den imperialistischen Zentren Nordamerikas und Europas kommt insofern eine Schlüsselrolle zu, als diese Staaten auch die wichtigsten wirtschaftlichen und militärischen Unterstützer und Verbündeten Israels sind. Lohnabhängige in aller Welt sollten den gesamten Handel mit Israel auf dem Land-, See- und Luftweg boykottieren. Versuche, solche Aktionen oder Kundgebungen zur Unterstützung Palästinas als antisemitisch zu bezeichnen, müssen zurückgewiesen und entlarvt werden. Auf den Aufruf der palästinensischen Gewerkschaften darf nicht nur mit warmen Worten, sondern muss mit Taten reagiert werden.

In diesen Staaten kämpfen wir gegen jede weitere militärische, finanzielle und ökonomische Unterstützung des zionistischen Staates und seiner Angriffsmaschinerie. Wir fordern die Offenlegung aller Verträge, wir kämpfen für den Stopp aller Rüstungsexporte und den Rückzug aller entsandten Streitkräfte aus dem Nahen Osten und von der Mittelmeerküste, die als Rückendeckung für Israel gegenüber der Hisbollah oder anderen dienen.

In diesen Ländern kämpfen wir gegen die massive rassistische antipalästinensische und antimuslimische Hetze. Wir kämpfen gegen die Kriminalisierung der Solidaritätsbewegung mit Palästina, wir fordern die Entkriminalisierung aller palästinensischen Organisationen und Vereine und die Streichung der sog. Terrorlisten der EU und USA.

Die Solidarität mit Palästina erfordert in allen westlichen Ländern auch einen Kampf, um die Arbeiter:innenklasse über die Lügen aufzuklären und die wahren Ursachen des Krieges und die Berechtigung des Befreiungskampfes darzulegen.

Die berechtigte Trauer und das Mitgefühl mit den zivilen jüdischen Opfern des Angriffs aus Gaza werden zur ideologischen Vorbereitung auf die Unterstützung eines Krieges gegen die dortige Bevölkerung missbraucht, der zur Vernichtung jeden Widerstandes und zur Massenvertreibung führen soll. Daher auch die gebetsmühlenartige Beteuerung, dass die „Solidarität mit Israel“ auch dann nicht nachlassen dürfe, wenn „andere Bilder“ aus Gaza kommen. Ganz nebenbei erklärt der Deutsche Bundestag auch gleich seine Unterstützung für Militärschläge im Libanon oder in Syrien und verstärkten Druck gegen den Iran.

Dieser Hetze und Kriegstreiberei, der offiziellen „öffentlichen“ Meinung, der sich fast alle politischen Parteien der „Mitte“ – Konservative, Liberale, Grüne, Sozialdemokratie – wie auch jene der extremen Rechten, aber selbst die meisten linksreformistischen Organisationen und die Führungen der Gewerkschaften anschließen, müssen wir entschlossen entgegentreten.

Dies ist ein notwendiger Teil des Kampfes für eine breite, auch von der Arbeiter:innenklasse in Europa und Nordamerika unterstützte Solidaritätsbewegung mit Palästina. Daher müssen wir die Lügen der Herrschenden entlarven, um einen Stimmungsumschwung in der Arbeiter:innenklasse, insbesondere in den Gewerkschaften herbeizuführen. Das wird nur möglich sein, wenn wir der Hetze durch die Medien, aber auch der sozialchauvinistischen Politik der Führungen von Gewerkschaften, SPD und Linkspartei offen entgegentreten und ihre Unterstützung der Angriffe auf Gaza anprangern. Nur so – wenn wir Solidarität mit Palästina und den Kampf gegen den Chauvinismus und Rassismus der Führungen der Arbeiter:innenbewegung miteinander verbinden – kann und wird es möglich sein, eine gemeinsame Solidaritätsbewegung für Palästina aufzubauen, die sich auf die Migrant:innen und auf die fortschrittlichen und internationalistischen Teile der Arbeiter:innenklasse stützt.

  • Sofortige Einstellung der israelischen Bombardierung und der IDF-Tötungen im Westjordanland!

  • Öffnung der Grenzübergänge nach Gaza für Treibstoff, Lebensmittel, Wasser, medizinische Hilfe und die Medien!

  • Ein Ende der westlichen Waffenlieferungen an Israel, Abzug der Kriegsschiffe aus der Region!

  • Arbeiter:innenaktionen zur Beendigung der wirtschaftlichen und militärischen Hilfe für Israel!

  • Sieg des palästinensischen Widerstands!

  • Für ein vereinigtes, säkulares, sozialistisches Palästina mit Gleichheit für alle seine Bürger:innen, israelische wie palästinensische, als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens!



Ein dringender Aufruf der palästinensischen Gewerkschaften: Beendet alle Komplizenschaft, stoppt die Bewaffnung Israels!

Aufruf palästinensischer Gewerkschaften, übersetzt nach MENA Solidarity Network, Infomail 1235, 27. Oktober 2023

Im Folgenden veröffentlichen wir einen Aufruf palästinensische Gewerkschaften aus Gaza, der Westbank und Israel gegen die Angriffe und Bombardements. Der Übersetzung liegt der Text auf der Seite des MENA Solidarity Network zugrunde.

Beendet alle Komplizenschaft, stoppt die Bewaffnung Israels!

Israel hat 1,1 Millionen Palästinenser:innen aufgefordert, die nördliche Hälfte des Gazastreifens zu evakuieren, während sie gleichzeitig einem ständigen Bombardement ausgesetzt sind. Dieses rücksichtslose Vorgehen ist Teil des israelischen Plans, mit unerschütterlicher Unterstützung und aktiver Beteiligung der USA und der Mehrheit der europäischen Staaten beispiellose und abscheuliche Massaker an 2,3 Millionen Palästinenser:innen im Gazastreifen zu verüben und diesen vollständig ethnisch zu säubern. Seit Samstag hat Israel den Gazastreifen wahllos und intensiv bombardiert und die Versorgung mit Treibstoff, Strom, Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten unterbrochen. Israel hat mehr als 2.600 Palästinenser – darunter 724 Kinder – getötet, ganze Stadtviertel dem Erdboden gleichgemacht, ganze Familien ausgelöscht und mehr als 10.000 Menschen verletzt. Einige Völkerrechtsexpert:innen haben begonnen, vor Israels völkermörderischen Handlungen zu warnen.

Andernorts hat Israels rechtsextreme Regierung mehr als 10.000 Gewehre an extremistische Siedler:innen in Palästina und im besetzten Westjordanland verteilt, um deren eskalierende Angriffe und Pogrome gegen Palästinenser:innen zu erleichtern. Israels Handlungen, Massaker und Rhetorik deuten auf seine Absicht hin, die seit langem versprochene zweite Nakba zu verwirklichen, so viele Palästinenser:innen wie möglich zu vertreiben und einen „Neuen Nahen Osten“ zu schaffen, in dem die Palästinenser:innen in ständiger Unterwerfung leben.

Die Reaktion der westlichen Staaten bestand in einer vollständigen und uneingeschränkten Unterstützung des Staates Israel, ohne auch nur flüchtig auf das Völkerrecht zu achten. Dies hat die Straflosigkeit Israels noch verstärkt und ihm einen Freibrief für die uneingeschränkte Durchführung seines völkermörderischen Krieges verschafft. Über die diplomatische Unterstützung hinaus beliefern westliche Staaten Israel mit Rüstungsgütern und sanktionieren die Tätigkeit israelischer Waffenfirmen innerhalb ihrer Grenzen.

Angesichts der Eskalation der israelischen Militäraktion rufen die palästinensischen Gewerkschaften ihre internationalen Partner:innen und alle Menschen mit Gewissen dazu auf, jede Form der Komplizenschaft mit den israelischen Verbrechen zu beenden und vor allem den Waffenhandel mit Israel sowie jegliche Finanzierung und militärische Forschung einzustellen. Die Zeit zum Handeln ist gekommen – das Leben der Palästinenser:innen steht auf dem Spiel.

Diese dringende, völkermörderische Situation kann nur durch einen massiven Anstieg der weltweiten Solidarität mit dem palästinensischen Volk verhindert werden und die israelische Kriegsmaschinerie zum Stillstand bringen. Wir brauchen Sie, um sofortige Maßnahmen zu ergreifen – wo auch immer Sie sich in der Welt befinden –, um die Aufrüstung des israelischen Staates und der an der Infrastruktur der Blockade beteiligten Unternehmen zu verhindern. Wir lassen uns von früheren Mobilisierungen der Gewerkschaften in Italien, Südafrika und den Vereinigten Staaten inspirieren sowie von ähnlichen internationalen Mobilisierungen gegen die italienische Invasion in Äthiopien in den 1930er Jahren, die faschistische Diktatur in Chile in den 1970er Jahren und in anderen Ländern, in denen die weltweite Solidarität das Ausmaß der kolonialen Brutalität begrenzte.

Wir rufen die Gewerkschaften in den betroffenen Branchen auf:

  • Sich zu weigern, für Israel bestimmte Waffen zu bauen;

  • sich zu weigern, Waffen nach Israel zu transportieren;

  • Verabschiedung von Anträgen in ihrer Gewerkschaft in diesem Sinne;

  • Maßnahmen gegen Unternehmen zu ergreifen, die an der Umsetzung der brutalen und illegalen Belagerung Israels beteiligt sind, insbesondere wenn sie Verträge mit Ihrer Institution haben;

  • Druck auf die Regierungen auszuüben, um den gesamten Militärhandel mit Israel und im Falle der USA auch die Finanzierung des Landes zu stoppen.

Wir rufen zu diesem Schritt auf, da wir Versuche sehen, alle Formen der Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu verbieten und zum Schweigen zu bringen. Wir fordern Sie auf, Ihre Stimme zu erheben und angesichts der Ungerechtigkeit aktiv zu werden, wie es die Gewerkschaften in der Vergangenheit getan haben. Wir machen diesen Aufruf in der Überzeugung, dass der Kampf für palästinensische Gerechtigkeit und Befreiung nicht nur ein regionaler und globaler Kampf ist. Er ist ein Hebel für die Befreiung aller enteigneten und ausgebeuteten Menschen in der Welt.

Kontakt: workersinpalestine@gmail.com

Aufrufende Gewerkschaften

Palestinian General Federation of Trade Unions, Gaza.

General Union of Public Service and Trade Workers

General Union of Municipal Workers

General Union of Kindergarten Workers

General Union of Petrochemicals Workers

General Union of Agricultural Workers

Union of Palestinian Women’s Committees

Generation Union of Media and Print Workers

Palestinian General Federation of Trade Unions (PGFTU)

General Union of Palestinian Teachers

General Union of Palestinian Women

General Union of Palestinian Engineers

Palestinian Accountants’ Association

Professional Associations Federation including:

Palestinian Dental Association – Jerusalem center

Palestinian Pharmacists Association – Jerusalem Center

Medical Association – Jerusalem Center

Engineers Association – Jerusalem Center

Agricultural Engineers Association – Jerusalem Center

Veterinarians Syndicate – Jerusalem Branch.

Palestinian Journalists’ Syndicate

Palestinian Bar Association

Palestinian Nursing and Midwifery Association

Union of Kindergartens Workers

Palestinian Postal Services Workers Union

Federation of Unions of Palestinian Universities Professors & Employees

The General Federation of Independent Trade Unions, Palestin

The Palestine New Federation of Trade Unions

Palestinian General Union of Writers

Palestinian Contractors Union

Federation of Health Professionals Syndicates

Palestinian Union of Psychologists and Social Workers