Nein zum Gender Verbot an Schulen

Erik Likedeeler, REVOLUTION, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung 12, März 2024

Es klingt absurd, ist aber wahr: Sachsens Kultusministerium hat sich dazu entschieden, eine geschlechtergerechte Sprache in Form von Sternchen, Doppelpunkt und Binnen-I an Schulen und deren Behörden zu verbieten. Der thüringische Landtag hat beschlossen, dass Landesregierung, Ministerien, Schulen, Universitäten und der öffentliche Rundfunk nicht mehr „gendern“ dürfen. Auch in Niederösterreich haben ÖVP und FPÖ durchgesetzt, dass die Nutzung von Sternchen und Binnen-I in den Landesbehörden untersagt wird. Ein FPÖ-Sprecher betonte, es gehe darum, den „Wahnsinn des Genderns“ zu beenden. Diese Gender-Verbote stellen eine weitere Folge des gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks in unseren Schulen dar. Sie sind eingebettet in einen internationalen Rollback gegen die Rechte von FLINT-Personen, wie die Angriffe auf das Recht auf Abtreibung in den USA oder Italien oder gesetzliche Verbote für geschlechtsangleichende Maßnahmen oder Verbote von gleichgeschlechtlichen Ehen/Partnerschaften in osteuropäischen Staaten. So haben Rechtspopulist:innen auf der ganzen Welt die sogenannte „Trans- und GenderLobby“ zu einem ihrer Hauptfeinde erklärt. Auch unsere Schulen werden zur Zielscheibe ihrer Angriffe. Die zunehmenden Verwerfungen der kapitalistischen Krisen machen Teile des Kleinbürgertums und deklassierter Arbeiter:innen anfällig für diese Ideologie. So sorgen Inflation, zunehmende Konkurrenz, drohender Arbeitsplatzverlust und Sozialabbau dafür, dass viele Cis-Männer ihre zugewiesene Rolle des heldenhaften und starken Ernährers nicht mehr erfüllen können. Die Angst vor dem männlichen Macht- und Identitätsverlust wird zu einem rechten Kulturkampf umgeformt. Die Rückkehr zu konservativen Wertvorstellungen, zu einer Welt in der doch alles noch besser war, wird ihnen dabei als Lösung verkauft. Der Wirbel um den angeblichen „Wahnsinn des Genderns“ dient als Ablenkung vom eigentlichen sozialen Elend. Die klassenlose Individualisierung des Kampfes um symbolische Repräsentation soll uns davon abhalten, die eigenen Klassenunterdrückung zu erkennen.

Den Rechtspopulist:innen geht es also nicht um eine vermeintlich „richtige“ oder „einfachere“ Sprache. Es geht ihnen darum, Frauen und Queers unsichtbarer zu machen und zurückzudrängen. Dabei greifen sie tief in die Mottenkiste der homophoben und sexistischen Vorurteile, indem sie ihre Gender-Verbote damit begründen, dass es angeblich die Kinder verwirre oder in ihrer Entwicklung beeinträchtige. Unter dem Schlagwort „Frühsexualisierung“ wird nicht nur Jagt auf Gender-Sternchen, sondern auch auf die gleichberechtigte Darstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungsmodelle im Unterricht gemacht. Die angeblichen Interessen der Schüler:innen werden hier argumentativ ins Feld geführt, ohne dass überhaupt die Schüler:innen gefragt wurden. Für den Kampf in der Schule bedeutet dies, dass wir uns nicht auf die Bildungsministerien verlassen können. Jede Errungenschaft kann scheinbar mit einem Regierungswechsel wieder zunichte gemacht werden. Schüler:innen müssen also selbst die Frage der Kontrolle über Lehrpläne und Verhaltensregeln in den Schulen stellen, um das Vordingen rechter und queerfeindlicher Ideologie in unsere Schulen zu stoppen. Was wir für eine gerechte und inklusive Bildung wirklich brauchen, sind Lehrpläne unter demokratischer Kontrolle von Organisationen der Arbeiter:innenklasse sowie Lehrer:innen und Schüler:innen. Selbige müssen selbstverwaltete Antidiskriminierungsstellen an den Schulen erkämpfen, um den Schutz von Mädchen, Frauen und queeren Personen an den Schulen zu garantieren. Es nicht das Gendern, was Schüler:innen Probleme bereitet, sondern es ist ein kaputtgespartes Bildungssystem, Lehrer:innenmangel und steigender Leistungsdruck. Doch das sächsische Bildungsministerium oder die FPÖ denken nicht einmal im Traum daran, an dieser Bildungsmisäre etwas zu verändern. Dieser Umstand entlarvt nur noch mehr, dass es ihnen lediglich im den Kampf um ideologische Vorherrschaft und das Zurückdrängen von Frauen und LGBTIA geht. Doch auch Sachsens Lehrerverband (nicht jedoch die Gewerkschaft GEW!) sieht positiv, dass das Gender-Verbot „Klarheit“ und „Barrierefreiheit“ bringen würde. Der Sprecher der FPÖ führte sogar die „Integration“ von Migrant:innen als Grund dafür an, wieso die Partei es bei „einfachen und verständlichen“ Sprachregeln belassen will.

In sprachwissenschaftlichen Studien konnte das Argument jedoch widerlegt werden, dass Gendern für das Gehirn mühsam wäre oder zusätzlichen Aufwand bedeuten würde. Anders als häufig angenommen führen geschlechtergerechte Formulierungen nicht zu langsamerer Verarbeitung, schwächerer Erinnerungsleistung oder schlechterer Lesbarkeit. Das Maskulinum hingegen führt durchaus zu Zögern bei der Verarbeitung und langsamer Reaktion, sobald es geschlechtsübergreifend gemeint ist.  Gleichzeitig sollten wir auch als Linke nicht der Illusion verfallen, dass ein bloßes Ändern unserer Sprache automatisch zu einer tatsächlichen Überwindung gesellschaftlicher Unterdrückungsverhältnisse führt. Selbst, wenn nun mehr Leute geschlechtergerechte Sprache benutzen, ändert dies leider wenig am Gender Pay Gap oder der Tatsache, dass Frauen immer noch einen Großteil der Haus- und Care-Arbeit leisten. Anstatt jedoch wie manche Linke den “Kampf um eine inklusive Sprache” abzulehnen, sollten wir diesen viel eher in den Klassenkampf einbinden. Denn in Begriffen stecken implizite Sichtweisen und Wertungen, die beeinflussen können, wie wir bestimmte Gruppen und Ereignisse betrachten. Im besten Fall kann das Verwenden einer bestimmten Sprache unsere Sichtweisen einer breiteren Masse leichter zugänglich machen. Zudem vermittelt inklusive Sprache zusätzlich diskriminierten Personen, dass wir ihre Unterdrückung anerkennen und unsere Befreiungsbewegungen zusammendenken. In diesem Sinne dürfen wir uns keinesfalls der rechten Verbotskultur beugen, sondern müssen dem Gender-Verbot den Kampf ansagen! Denn das, was der bürgerliche Staat als Vertreter des Kapitals am meisten zu fürchten hat, ist eine Arbeiter:innenklasse und Jugend, die sich ihrer gemeinsamen Interessen bewusst ist und gegen die wahren Ursachen ihres Elends ankämpft.
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Rezension: „Diversität der Ausbeutung“

Mo Sedlak, Arbeiter*innenstandpunkt, Infomail 1236, 13. November 2023

Die Ausbeutung der Arbeiter:innen hat immer schon auch deshalb funktioniert, weil sie in Segmente und Gruppen mit scheinbar gegensätzlichen Interessen aufgespalten sind. Rassistische Überausbeutung, koloniale Enteignung, sexistische Aufteilung der unbezahlten Reproduktionsarbeit und mit Gewalt und Stigmatisierung vollzogener Ausschluss von LGBTQIA+-Personen prägen bis heute die soziale Ordnung der kapitalistischen Gesellschaften. Gleichzeitig beeinflussen und segmentieren sie die Arbeiter:innenklasse. In Eleonora Roldán Mendívil und Bafta Sarbos Sammelband „Diversität der Ausbeutung“ weist Christian Frings schon im Vorwort darauf hin, dass diese „eigentümliche Zusammensetzung“ schon Marx als notwendige Voraussetzung für Ausbeutung und Mehrwertproduktion auffällt. (Mendívil und Sarbo 2022, 13)

Aus der Zusammensetzung der Klasse ergibt sich auch eine Aufspaltung der Arbeiter:innen. Die Arbeiter:innenbewegung hat diese immer bekämpft, je nach politischer Ausrichtung und geschichtlicher Verfasstheit mal mit mehr Ernsthaftigkeit und mal mit weniger Erfolg. Nach dem wirtschaftlichen Aufschwung in Folge des Zweiten Weltkriegs haben kam es ab den 1960er Jahren zu größeren und erfolgreicheren Bewegungen als je zuvor gegen die soziale Unterdrückungsmelange aus Neokolonialismus, kaum verschleiertem völkischen Erbe und dem Zwang der heterosexuellen Kleinfamilie. Der Kapitalismus im imperialistischen Zentrum passte seine sozialen Regeln und die Arbeitsteilung innerhalb der Klasse an. Seitdem sind Regierungen und loyale Oppositionen bestrebt, soziale Kämpfe vom Antikapitalismus zu trennen. Um die Rebellion zu verhindern, bieten Parteien und Konzerne jetzt Diversität an.

Das Buch selbst macht auf das Wortspiel im Titel aufmerksam (Witze werden immer lustiger, wenn sie erklärt werden!). „Diversität der Ausbeutung“ benennt sowohl die unterschiedlichen Ausbeutungsformen anhand von rassifizierter und geschlechtlicher Aufspaltung, aber auch die Rolle des neoliberalen „Diversitätsmanagements“ für die fortgesetzte Ausbeutbarkeit des Proletariats.

Das ist der Ausgangspunkt von Mendívils und Sarbos Kritik des herrschenden Antirassismus (das ist der Untertitel von „Diversität der Ausbeutung“, das 2022 im Berliner Dietz Verlag erschienen ist). Die Autor:innen machen den Widerspruch auf zwischen einem Kapitalismus, der die Arbeiter:innenklasse ohne Rassismus nicht beherrschen kann, und Arbeiter:innen die sich diese Herrschaft nicht gefallen lassen.

Zusammenfassung: marxistische Kritik und Kritik der Kritik

Das Buch ist auch eine scharfe Kritik an bürgerlichen und kleinbürgerlichen Linken. Diesen werfen die Autor:innen vor, die Sprache der Herrscher:innen übernommen zu haben bzw. ihre nächsten Entwicklungsstufen für sie zu schreiben. Im Gegenzug dazu hätten die größten Teile der postkolonialen, poststrukturalistisch-feministischen und intersektionalen Theoretiker:innen aufgegeben, in den Produktions- und Reproduktionsverhältnissen nach der Ursache für Rassismus, Sexismus und Queerunterdrückung zu suchen. Dementsprechend würden auch ihre Lösungsansätze am Kern der Sache vorbeigehen und sich sicher innerhalb der Systemgrenzen bewegen. Den Gegenentwurf skizzieren die zwei Herausgeberinnen im ersten Kapitel, „Warum Marxismus“, als systematische Anwendung der materialistischen Methode.

Zum Beispiel bauen Mendívil und Sarbo im fünften Kapitel auf Barbara Foleys Kritik der Intersektionalität auf und stellen ihr die marxistische Kategorie der Verdinglichung entgegen. Intersektionalität zeichnet Bevor- und Benachteiligungen als Differenzlinien auf, deren Überschneidungen dann Mehrfachunterdrückung zeigen. Foley macht darauf aufmerksam, dass gerade die Zweidimensionalität der Darstellung die besonderen Formen von rassistischer Arbeitsteilung, behindertenfeindlicher Gesetzeslage und Ausbeutung des Mehrprodukts unterschlägt. Mendívil und Sarbo stellen dem das Verständnis der Verdinglichung entgegen, wo die Position in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zur Identität des Subjekts gemacht, ideologisch definiert und durch den gesellschaftlichen Umgang (zum Beispiel in Gesetzesform) materialisiert wird: „In Identitäten erscheint den Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft also ihre gesellschaftliche Tätigkeit als Eigenschaft“ (Mendívil und Sarbo 2022, 110). Sie streiten weder die Existenz noch die Wirkmächtigkeit von Identitäten ab, suchen aber deren Ursache in Produktion und Reproduktion und finden den Weg zur Überwindung der Unterdrückung in der der gesellschaftlichen Produktionsweise.

Unabhängig davon, wer das Buch alles als Streitschrift gegen die Identitätspolitik gelobt hat, benennen die Beiträge Kämpfe von sozial Unterdrückten aber als Klassenkämpfe. Ökonomismus oder konservativen Vorstellungen von Haupt- und Nebenwiderspruch gehen die Autor:innen aus dem Weg. „Die Diversität der Ausbeutung“ versucht, eine materialistische Analyse von Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung, unabhängig von bürgerlichen Ideologien zu entwerfen.

Gleichzeitig gelingt es nicht ganz, das Verhältnis von Unterdrückung und Ausbeutung zueinander zu klären. Von der richtigen Analyse ausgehend, dass Ausbeutung nicht dasselbe wie Klassismus ist, bleibt die Differenzierung zwischen Ausbeutung und Unterdrückung vage. Dass sich zwischen den Beiträgen verschiedener Kapitelautor:innen Widersprüche auftun, ist keine Überraschung und auch kein Vorwurf. Dadurch bleibt eine Kernfrage des Buches aber offen. „Das dieser Unterdrückung [von Frauen und Schwarzen Personen] zugrundeliegende Verhältnis von Kapital und Arbeit bleibt damit verschleiert. Die Charakterisierung von Klasse als einem Ausbeutungsverhältnis unterscheidet sich von der Unterdrückung als politischem Verhältnis – ausgedrückt in beispielsweise Geschlecht oder Rasse – und Diskriminierung als analytischer Kategorie.“ (Mendívil und Sarbo 2022, 112)

Wie die Autor:innen darstellen, sind rassistische und sexistische Arbeitsteilung, heterosexistische Familienstrukturen und auch auf Rassismus und Sexismus aufbauende Enteignung grundlegende Formen der Klassengesellschaft. Aber Ausbeutung und Unterdrückung gehen nicht nur Hand in Hand. Die Entstehung der Arbeiter:innenklasse kommt aus der gleichzeitigen Trennung von Produzent:in und Produkt, der Trennung von produktiver und reproduktiver Arbeit, und der Trennung von rassistisch überausgebeuteten Produzent:innen von der Verfügung über ihre Arbeitskraft.

Die Entstehung der Arbeiter:innenklasse bedeutet nicht nur das Werden von Menschen, die arbeiten müssen, um essen zu können (was Søren Mau in seinem ebenfalls kürzlich bei Dietz erschienenen „Stummer Zwang“ als ebenso zwingend wie staatliche Gewalt und ideologische Rechtfertigung analysiert). Sie zwingt Menschen auch zur geschlechtlichen Arbeitsteilung, um sich reproduzieren zu können, in rassistische Segmentierung, um der kolonialen und postkolonialen Gewalt zu entgehen, und in heterosexistische Kleinfamilienstrukturen, in denen die Reproduktion am günstigsten zu haben ist. In „Diversität der Ausbeutung“ werden diese Mechanismen beschrieben und mit der Verdinglichung auch die Verbindung zu Ideologie und Identität gelegt. Die analytische Trennung von ökonomischer Ausbeutung und politischer Unterdrückung bleibt aber dahinter zurück.

Kernpunkte

Das Buch ist nicht in Teile oder Abschnitte aufgeteilt, verfolgt aber zwei Projekte, die sich auch nach Seitenzahlen grob abgrenzen lassen. In den ersten drei Kapiteln legen Mendívil und Sarbo, dann Sarbo alleine, und dann Mendívil und Hannah Vögele ihr grundlegendes Verständnis von Marxismus, Rassismus und sozialer Reproduktion dar. Zu diesem ersten Teil gehört auch das Vorwort von Christian Frings, der die Individualisierung von linker Kritik als Folge der gesellschaftlichen Neoliberalisierung (Thatchers „There is no such thing as society“, „So etwas wie Gesellschaft gibt es nicht“) genauso benennt wie die zentrale Rolle der segmentierten Arbeiter:innenklasse für ihre Ausbeutbarkeit im ersten Band von Marx‘ „Kapital“. Er positioniert das neoliberale „Diversitätsmanagement“ als Reaktion auf die explosiven sozialen Kämpfe der 1960er und 1970er Jahre, macht aber auch klar, dass diese nicht den Klassenkampf geschwächt hätten, sondern im Gegenteil für die rassistische und sexistische Friedenspolitik zum Problem wurden.

Im ersten Kapitel, „Warum Marxismus“, skizzieren die Herausgeberinnen ihre Kritik an der diversitätsorientierten Linken. Dass an die Stelle der Genoss:innenschaft, also des gemeinsamen Klassenkampfes, die Allyship (das Bündniswesen) getreten ist, wird als liberale Praxis mit radikaler Rhetorik benannt. Die materialistische Analyse, die Mendívil und Sarbo mit Marxismus meinen, leitet Rassismus und Sexismus aus der kapitalistischen Produktionsweise ab. Die Überwindung des Kapitalismus entzieht auch der sozialen Unterdrückung die Wurzeln (das schafft diese Unterdrückung aber nicht automatisch oder unmittelbar ab). Eine Kritik, die auf die korrekte Repräsentation von Migrant:innen, People of Color und sexistisch Unterdrückten abzielt, stabilisiert die Produktionsweise und damit den Ursprung von immer neu erfundenen sozialen Spaltungs- und Unterdrückungsmechanismen.

Im zweiten Kapitel, „Rassismus und gesellschaftliche Produktionsverhältnisse“, erklärt Bafta Sarbo, wie ungleiche Ausbeutung von schwarzen und indigenen Menschen zu einer rassistischen Ideologie und diese wiederum dazu führt, dass sie an den Rand gedrängt und überausgebeutet werden. Sie unterscheidet den Kolonialrassismus von kolonialer Landnahme und Überausbeutung von Sklav:innen auf der einen Seite und die Überausbeutung in einem formellen Lohnarbeitsverhältnis von Arbeitsmigrant:innen auf der anderen. Der Kolonialrassismus nimmt eine zentrale Rolle in Marx‘ Analyse von der ursprünglichen Akkumulation ein, also dem Anhäufen des notwendigen Kapitals, um dessen Dynamik zur weltweit dominanten Wirtschaftsweise zu machen durch Landnahme, Handelsrouten und brutale Enteignung von Rohstoffen. Wiederholte Dynamiken der ursprünglichen Akkumulation, des „Profits durch Entfremdung“ (Anwar Shaikh macht auf dessen zentrale, aber unterbewertete Rolle in der marxistischen Ökonomie aufmerksam) sehen wir aber bis heute, beispielsweise in der Landnahme für industrielle Produktion oder Agrarindustrie. Bis heute wird diese rassistisch legitimiert und zwingt neue Gruppen in die Arbeitsmigration und damit in die rassistische Schlechterbehandlung.

Rassismus bleibt aber über diese historische Pfadabhängigkeit hinweg wirksam und wirkmächtig. Die rassistische Ideologie ist in den imperialistischen Ländern zentral und durch die weltweite Hegemonie des Imperialismus auch global wirksam. „Der Kapitalismus ist nicht farbenblind, denn er ist auf die Überausbeutung eines Teils der Arbeiterklasse und die ideologische Legitimation dafür angewiesen. Bei rassistischer Gewalt handelt es sich für das Kapital allerdings um eine Zerstörung von Arbeitskraft und damit der wichtigsten Grundlage der Kapitalakkumulation. Deshalb müssen sich im Kapitalismus Differenz und Gleichheit stets die Waage halten.“ (Mendívil und Sarbo 2020, 60)

Daraus ergibt sich auch eine klare Handlungsanweisung: die Veränderung der materiellen Verhältnisse statt einer Beschränkung auf rassistisches oder antirassistisches Bewusstsein. Sarbo bezieht sich hier auf die Sätze vor Marx‘ berühmtem „Es kommt darauf an, sie zu verändern“, nämlich: „Diese Forderung, das Bewusstsein zu verändern, läuft auf die Forderung hinaus, das Bestehende anders zu interpretieren, das heißt, es vermittelst einer andren Interpretation anzuerkennen.“ (Marx 1845, 20)

So wie Kolonialrassismus und Rassismus gegen Arbeitsmigrant:innen nicht nur wichtig, sondern eine Ursache für die Entstehung der Arbeiter:innenklasse sind, analysieren Mendívil und Vögele im dritten Kapitel den Sexismus als Ausdruck der geschlechtlichen Arbeitsteilung. „Diese Auseinandersetzungen ermöglichen es erst zu verstehen, wie die Trennung in eine Sphäre der Produktion und die der Reproduktion, in private und öffentliche Bereiche und in nicht-entlohnte und entlohnte Arbeit mit den jeweils zugeschriebenen Körpern eine spezifisch rassifizierte und binäre Geschlechterordnung festschreibt.“

Dass die Reproduktionsarbeit privatisiert ist, macht ihre Funktion nicht weniger gesellschaftlich. Die Ergebnisse der unbezahlten Hausarbeit, von Erziehung über Nahrung bis zur Unterkunft, sind kein privates Luxusvergnügen, sondern Voraussetzung für die tägliche Ausbeutung.

Die Soziale Reproduktionstheorie, auf die sich Mendívil und Vögele berufen, erklärt die geschlechtliche Arbeitsteilung aus dem gesellschaftlichen Bedarf an Reproduktion. An Teilen dieser Theorie gibt es aber auch eine harsche marxistische Kritik, die zum Beispiel Aventina Holzer im Revolutionären Marxismus, Band 53, darlegt. Eine Gleichsetzung von produktiver und reproduktiver Arbeit, weil beide für die Kapitalakkumulation unverzichtbar sind, ignoriert den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Ausbeutung und Akkumulation. In Lise Vogels zentralem „Marxismus und Frauenunterdrückung“ wird die Trennung von politischer und ökonomischer Frauenunterdrückung auch zum Argument, warum die Frauenbewegung eine teils klassenübergreifende, teils klassenkämpferische Form braucht. Diese Schlussfolgerungen finden sich in „Diversität der Ausbeutung“ nicht, es bleibt aber auch unklar, was Mendívil und Vögeles „reproduktionstheoretische“ Herangehensweise von anderen Teilen der Literatur analytisch trennt.

Rassistischer Kapitalismus

Im zweiten Teil des Buchs nehmen sich Fabian Georgi die zentrale Rolle von Grenz- und Migrationsregimen, Mendívil und Sarbo die Intersektionalität, Lea Pilone den strukturellen Rassismus der deutschen Polizei, Celia Bouali den integrierten EU-Arbeitsmarkt und Sebastian Friedrich den Erfolg der AfD im zunehmend krisenhaften Kapitalismus vor.

In diesen konkreten Auseinandersetzungen, und vor allem in der Kritik der akademischen Analyse von Unterdrückung, entstehen zentrale Punkte des Buches. Georgi beleuchtet die Rolle des Rassismus für einen Ausschluss vom gesellschaftlichen Mehrprodukt, das in imperialistischen Ländern auch zur Ruhigstellung der am besten gestellten Arbeiter:innen aufgebraucht wird und zur sozialen Kontrolle in den Arbeiter:innenvierteln.  Wo Lea Pilone die Entstehung der US-Polizei aus Sklav:innenjäger:innen als Instrument zur Erzwingung für koloniale Lohnarbeit nachzeichnet, zeigt Celia Bouali, wie das EU-Grenzregime gleichartig gewaltsam Menschen in die Überausbeutung zwingt.

Mendívil und Sarbo beziehen sich auf Barbara Foley, um die Intersektionalitätstheorie als Analyse und „Brille“ zu verwerfen. In dieser Theorie werden (systematische) Besser- und Schlechterbehandlung in Differenzlinien gegenübergestellt. Wo sich diese Linien, beispielsweise zwischen Staatsbürger:in und geflüchteter Person oder zwischen Adeligem und Arbeiter:innenkind überschneiden, verortet man die Mehrfachunterdrückung. Es ist zweifellos richtig, dass die Überschneidung von Unterdrückungsverhältnissen sich nicht nur aufaddiert, sondern dialektisch neue Identitäten und Schlechterstellungen hervorbringt: „Intersektionalität taucht also in einer Zeit auf, in der viele der Alltagsprobleme um reale Gewaltverhältnisse nicht ausreichend von Sozialist:innen aufgegriffen oder unzureichend erklärt wurden.“ Die zweidimensionale Darstellung unterschlägt aber das jeweils Eigentümliche an Sexismus, Klassengesellschaft oder Behindertenfeindlichkeit.

Auf dieser Kritik aufbauend verwerfen die Autor:innen die Intersektionalität als analytisch ungeeignet und erklären ihr Verständnis von Identität in der Produktionsweise anhand der Kategorie von Verdinglichung. Das stellt auch der individuellen Betrachtungsweise des Poststrukturalismus einen kollektiven Analyserahmen (und damit eine kollektive Handlungsperspektive) entgegen: „Der Marxismus, von dem sich die Postmoderne abgrenzt, vertritt einen universellen sozialistischen Standpunkt.“ (Mendívil und Sarbo 2022, 116)

Das führt aber auch zu einer künstlichen Trennung zwischen ökonomischen und politischen Verhältnissen, zwischen fundamentaler Ausbeutung und phänomenhafter Unterdrückung. Auch wenn Letztere für Mendívil und Sarbo untrennbar zur Ausbeutung gehört, bleibt der ökonomische Charakter von sexistischer und rassistischer Arbeitsteilung aus den ersten Kapiteln etwas außen vor. „Eine marxistische Analyse fasst die Ausbeutung der Arbeiter:innenklasse als zentrales Moment kapitalistischer Produktion und kann von da ausgehend die Spezifik von unterschiedlichen Teilen der Klasse beschreiben, ohne dabei das Allgemeine zu verwerfen. Die Frage der Ausbeutung in den Vordergrund zu stellen, bedeutet nicht, dass Unterdrückungsverhältnisse nicht auch relevant für die Analyse des Kapitalismus wären.“

Die mehrfach gespaltene Klasse

In „Diversität der Ausbeutung“ werden Rassismus und Sexismus nicht bloß aus den Klassenverhältnissen hergeleitet. Stattdessen wird die zentrale und unverzichtbare Rolle von Kolonialismus und ins Private abgeschobener Reproduktionsarbeit für die kapitalistische Produktionsweise dargestellt. Durch die marxistische Kategorie der Verdinglichung wird erklärt, wie aus der Rolle im Produktionsprozess Identitäten entstehen, die über die Rechtfertigungsrolle der bürgerlichen Ideologie hinaus wirken. Tatsächlich schafft der Kapitalismus Schicksalsgemeinschaften von rassistisch und sexistisch unterdrückten Arbeiter:innen über ihre gemeinsame und besondere Stellung in der Produktionsweise.

Das dialektische Verhältnis von Allgemeinem und Besonderen, das im Kapitel zur Intersektionalität ausgebreitet wird, erklärt die dialektischen Wechselwirkungen zwischen Klassengesellschaft und sozialer Reproduktion. Auch das beschränkt sich nicht auf eine Rückwirkung der Unterdrückung auf die Ausbeutung, sondern ernennt die Unterdrückung zur notwendigen Voraussetzung für die fortgesetzte Mehrwertproduktion. Diese Einsicht findet sich, wie von Frings im Vorwort zitiert, bereits bei Marx als Notwendigkeit der eigentümlichen Zusammensetzung des Proletariats.

Eine marxistische Analyse der geschlechtlich, rassistisch und heteronormativ geformten Arbeiter:innenklasse kann aber noch einen Schritt weiter gehen. Kolonialrassismus und Sexismus sind nicht nur Vorbedingungen für die Entstehung der Arbeiter:innenklasse, sie sind ein untrennbarer Teil der Klassenwerdung.

Markus Lehner zeigt in seinem Artikel „Arbeiterklasse und Revolution – Thesen zum Marxistischen Klassenbegriff“ (Revolutionärer Marxismus, Band 28) das Totalitäre am marxistischen Begriff der Arbeiter:innenklasse. Es gibt den/die gesellschaftliche Gesamtarbeiter:in nur als Gegenstück im dialektischen Verhältnis Lohnarbeit-Kapital, die Arbeiter:innenklasse ist also negativ definiert. Nicht die Ausbeutbarkeit der Arbeiter:innen schafft die Kapitalakkumulation, sondern es wird eine ausbeutbare Arbeiter:innenklasse geschaffen, die den Bedürfnissen des Industriekapitals nach Mehrwertproduktion entspricht.

Den historischen Vorgang legt Marx im achten Teil des ersten Bands des „Kapital“ dar. Durch Profite aus Handel und kolonialem Raub konnte sich in Europa produktives Kapital etablieren, das freie Arbeiter:innen für ihre Arbeitskraft entlohnt, aber einen Mehrwert über die Produktionskosten hinaus erzielt. Um den „Profit aus Produktion“ zu vermehren und zur gesellschaftlich bestimmenden Wirtschaftsweise zu machen, wurden aus Subsistenzbauern und -bäuerinnen in Europa und den Kolonien enteignete Arbeiter:innen gemacht. Dieses Machen war ein gezielter politischer Prozess, keine „natürliche“ Entwicklung von irgendwelchen wirtschaftlichen Bewegungsgesetzen.

Hierbei kommt es zu einer mehrfachen Spaltung (wir haben uns hier einen genauso doppeldeutigen Witz erlaubt wie Mendívil und Sarbo mit der Diversität der Ausbeutung). Es werden die Produzent:innen von ihren Produktionsmitteln gespalten, wird also den Bäuerinnen und -bauern ihr Landnutzungsrecht entzogen („Einhegung“). Diese jetzt mittellosen Familien haben keine andere Wahl, als ihre Arbeitskraft an Kapitalist:innen zu verkaufen. Die Kapitalist:innen behalten aber das Produkt der Arbeit ein, die Trennung der/des Produzent:in vom Produktionsmittel wird dadurch zur Trennung von Produzent:in und Produkt.

Gleichzeitig wird die Produktion von der Reproduktion getrennt. In der feudalen Zeit wird für den eigenen Bedarf produziert und für den Feudalherren, der sich den Überschuss aneignet. Das Produkt zum eigenen Verbrauch, wie Essen oder Kleidung, wird auf demselben Feld oder im selben Haushalt hergestellt. In den Arbeiter:innenvierteln ist das nicht mehr so. Die Tätigkeiten für die Reproduktion finden zuhause statt, die Produktion für den Verkauf am Arbeitsplatz. Diese Trennung wird geschlechtlich vorgenommen, und diese geschlechtliche, frauenunterdrückende Spaltung wird auch zur notwendigen Voraussetzung, dass Arbeiter:innen am nächsten Tag wieder zur Arbeit erscheinen können. So ist diese sexistische Spaltung zeitlich und analytisch Teil der Entstehung der Arbeiter:innenklasse, die Arbeiter:innen sind von Beginn an sexistisch definiert und in sich sexistisch gespalten.

Die Mehrwertproduktion wird in Firmen organisiert, die Reproduktion in Kleinfamilien. Die geschlechtliche Arbeitsteilung in der Kleinfamilie ist binär und heteronormativ organisiert. Sich außerhalb von Kleinfamilien zu reproduzieren, ist nachteilhaft, was Søren Mau als stummen Zwang des Kapitals beschreibt, entsprechende sexuelle Identitäten existieren außerhalb der Reproduktionsnormalität. Die Arbeiter:innenklasse ist damit von Beginn an heteronormativ definiert, und nicht zufällig geht die Ausbreitung der kapitalistischen Produktionsweise mit einer Fortschreibung und gleichzeitigen Umformung der Frauenunterdrückung aus vorkapitalistischen Gesellschaftsformationen einher.

Dasselbe gilt für den Kolonialrassismus und die Arbeitsmigration. Die Enteignung von indigenen (kolonialisierten) Produzent:innen geht über die Trennung von ihren Produktionsmitteln und ihrem Produkt hinaus. Die Produzent:innen verlieren als Sklav:innen (verschleppt) oder Zwangsarbeiter:innen (lokal) die Verfügung über ihre Arbeitskraft. Gleichzeitig wird die Arbeiter:innenklasse in einen „doppelt freien“ und einen unfreien Teil aufgespalten. Bis heute gehört Zwangsarbeit unter Androhung von Abschiebung oder in rassistischen Gefängnissystemen zur kapitalistischen Normalität.

Die vielfältige Formung der Arbeiter:innenklasse führt auch zu einer Diversifizierung. Eine strukturelle Arbeitsteilung innerhalb der Klasse spaltet sie auch in sich, es existieren tatsächliche Besser- und Schlechterstellungen innerhalb des Proletariats. Oft erfolgt auch die Durchsetzung dieser Strukturen innerhalb der Klasse, nicht bloß wegen der Wirkmächtigkeit der bürgerlichen Ideologie, sondern wegen der Materialität der Verdinglichung.

Aber im Gegensatz zur herrschenden Klasse haben die Arbeiter:innen ein Interesse an der Aufhebung der Klassengesellschaft. Diese Aufhebung beginnt nicht erst mit dem bewussten Kampf für Revolution und Sozialismus, sondern mit der Rebellion gegen die kapitalistischen Verhältnisse. In solchen Kämpfen formen sich die Keimformen proletarischen Bewusstseins, das in Richtung der Grenzen des Kapitalismus geht. In revolutionärer Organisierung des fortgeschrittensten Teils der Klasse und dessen Entwicklung einer revolutionären Theorie und Praxis (in Wechselbeziehung zu den spontanen Kämpfen) kann die ganze Klasse für ein revolutionär-proletarisches Bewusstsein gewonnen werden.

Daraus ergibt sich die Möglichkeit von tatsächlichen Kämpfen der „privilegierten“ Arbeiter:innen gegen die Spaltung ihrer eigenen Klasse aus Eigeninteresse. Hier geht auch eine Analyse der Einheit von Ausbeutung, geschlechtlicher und rassistischer Arbeitsteilung in eine Einheit von Kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung über.

Fazit: Ein marxistisches Verständnis von Rassismus und Unterdrückung

Mendívil und Sarbo haben mit ihrem Buch einige wichtige Schritte gemacht, für die die Linke sich bedanken kann. Erstens haben sie dem Import der akademischen Identitätspolitik aus den USA einen umfassenden ihrer Kritiken folgen lassen. An die Stelle einer einseitigen Bewegungsrichtung antirassistischer, antisexistischer und queerer Kritik ist eine Darstellung der Gesamtdebatte getreten.

Sie arbeiten außerdem die zentralen Bruchpunkte zwischen Marxismus und Identitätspolitik heraus. Diese finden sich nicht in der Existenz von Identitäten (die die Autorinnen aus Arbeitsteilung und Verdinglichung herleiten), sondern bei der Individualisierung und Gleichsetzung von Unterdrückungsformen. Außerdem zeigen sie die Wurzeln von Rassismus und Sexismus in der kapitalistischen Produktionsweise auf genauso wie die Parallelen zur „Kritik des rassistischen Bewusstseins“ im philosophischen Idealismus, den Marx in der „Deutschen Ideologie“ aufs Korn nimmt.

Die Beiträge im zweiten Teil des Buches demonstrieren nicht nur die Anwendbarkeit der materialistischen Analyse, sondern tragen aus den speziellen Analysen wieder grundsätzliche Einsichten ein. Die Rolle von Grenzregime, Polizeiapparat und EU-internem Arbeitsmarkt für den Rassismus des 21. Jahrhunderts ist klar und eindeutig. Auch hier entspricht das Verhältnis von Allgemeinem wie Besonderen der marxistischen Methode.

Was offen bleibt, ist das Verhältnis von Ausbeutung und Unterdrückung, und damit eine eigenständige Kritik an Haupt-Nebenwiderspruchstheorien über den (zweifellos vorhandenen) Konservativismus ihrer Vertreter:innen hinaus. Entsprechend bleibt auch die Positionierung innerhalb der Sozialen Reproduktionstheorie vage, weil die Differenzierung zwischen Ausbeutung und Unterdrückung nicht glasklar dargestellt wird.




Barbie: Dauerwerbesendung für pinken Kapitalismus? Eine marxistische Filmkritik

Leonie Schmidt, ursprünglich veröffentlicht auf onesolutionrevolution.de Infomail 1228, 26. Juli 2023

Nachdem der neue Barbiefilm (Greta Gerwig, 2023 USA) in den Kinos anlief und dabei einen unglaublich erfolgreichen Raketenstart hinlegte, gab es direkt die ersten Kritiken von Konservativen, die sich beschwerten, der Film würde sich gegen Männer richten, sei zu woke und würde unchristliche Werte vermitteln. Die positiven Kritiken hingegen versprachen stattdessen ein feministisches Spektakel voller Kritik am Patriarchat, radikalisierend oder gar revolutionär. Nach diesen zwiegespaltenen Rezensionen wollte sich unsere Autorin Leonie Schmidt selbst überzeugen. Hier könnt ihr die vollständige Kritik lesen.

Worum geht es?

In einem Land namens Barbieland lebt die stereotypische Barbie (Margot Robbie) zusammen mit verschiedenen anderen Versionen von Plastikpuppen und ihren Begleitern, den Kens (und Allan (Michael Cera)). Obwohl ihr Leben unter den vielen anderen Barbies und Kens perfekt erscheint, hegt sie eines Tages Selbstzweifel und wird von Angstgefühlen geplagt, da sie auf einmal Makel bekommt, die sie vorher nicht hatte. Dies führt dazu, dass sie Barbieland verlassen muss, um wieder perfekt zu werden und zusammen mit ihrem Begleiter Ken (Ryan Gosling) in die reale Welt reisen muss. Während dieser Reise verwandeln sie sich auf magische Weise in echte Menschen und landen in Los Angeles. Das sexistische Verhalten der Menschen und die Unterschiede zur Welt in Barbieland irritieren Barbie. Gleichzeitig begibt sie sich auf die Suche nach ihrer langjährigen Besitzerin, von der sie glaubt, sie in der frechen Teenagerin Sasha (Ariana Greenblatt) gefunden zu haben. Währenddessen entdeckt Ken während eines Spaziergangs durch die Stadt, dass die reale Welt im Gegensatz zu Barbieland von einem Patriarchat dominiert wird. Durch diese Reise verändert sich so einiges in Barbieland: Ken will dieses Paradies ebenfalls in ein Patriarchat mit Pferden und Mango-Bier verwandeln. Nun geht es darum, Barbieland vor dem Aufstand der Kens zu retten. Die Incel- und Macho-Revolution kann am Schluss durch den Zusammenhalt der Barbies abgewendet werden und die stereotypische Barbie erkennt, dass sie keine Barbie mehr sein möchte und darf nun in der echten Welt leben.

Zu hohe Erwartungen

Eine feministische Revolution in Hollywood, mit Barbie, dem Symbol der weiblichen Geschlechtsrolle? Zugegebenermaßen, das schien mir eigentlich die ganze Zeit für viel zu hoch gegriffen. Aber nachdem ich gesehen hatte, wie alle Menschen, denen ich online so folge, die irgendwie progressiv und teilweise auch antikapitalistisch bis revolutionär sind, den Film in den Himmel lobten, waren meine Erwartungen sehr hoch. Auch von Greta Gerwig als Filmemacherin hörte man bisher nur Gutes, ich hatte zwar bislang nur Lady Bird (Greta Gerwig, 2017 USA) gesehen, aber fand die antisexistischen Untertöne und das Portrait der Mutter-Tochter-Beziehung darin sehr gelungen. Die Besetzung des Barbiefilms ist außerdem hochkarätig und die Pressetour vor dem Filmstart, gab einem das Gefühl, dass Margot Robbie und Ryan Gosling sich genau mit ihren Rollen und deren tieferen Bedeutungen auseinandergesetzt haben. Auch hatte ich gehört, dass Gerwig und Robbie sich mit einigen Szenen gegen Mattel und Warner Bros durchsetzen, weil sie diese für absolut relevant für die Aussage des Films hielten (zum Beispiel die Szenen mit der alten Frau an der Bushaltestelle, mit der Barbie kurz nach ihrer Ankunft in der echten Welt spricht). Nachdem ich den Film gesehen hatte, dachte ich mir allerdings nur: das war alles?!

Positive Elemente

Bevor wir zu den Kritikpunkten kommen, soll es aber erst einmal um die positiven Elemente des Filmes gehen. Rein von der Ästhetik her sind Barbieland und die Barbies und Kens hervorragend umgesetzt. Mit viel Liebe zum Detail wurden Set und Outfits dem ikonischen Spielzeug angepasst und die Bewegungen der Schauspieler:innen haben immer etwas subtil puppenhaftes, ohne vollständig unnatürlich zu wirken.

Der ganze Film ist gespickt mit Humor, um seine Inhalte zu übermitteln und die Gags haben Realitätsbezug, wirken zwar manchmal etwas überspitzt, aber seien wir ehrlich: viele von uns mussten sich schon mal im Detail anhören, was einen staubtrockenen Film so hochinteressant macht, wie die Barbie, welcher Der Pate (Francis Ford Coppola, 1972 USA) gemansplaint wird. Diese geteilte Erfahrung macht das Ganze erst so komisch. Im Allgemeinen ist es tatsächlich sehr erfrischend, wenn Männer einmal so eindimensional, plump und unselbstständig dargestellt werden, wie es in unzählige Filme mit Frauen immer noch getan wird. Die Reaktion von vielen (konservativen) Männern zeigt, dass sie es scheinbar nicht so toll finden, wie ihnen hier der Spiegel vorgehalten wird.

Auch der Plot hat zumindest eine noble Idee und Grundaussage: Perfektion ist absolut unmenschlich und in der Realität nicht erstrebenswert, was auch für Frauen gilt, die vermeintlich dem Stereotyp entsprechen, und jede Frau jeden Alters ist auf ihre eigene Art und Weise wunderschön. Auch die individuelle Erfahrung von Frauen im Patriarchat wird an mehreren Stellen gut gezeigt. Als Barbie und Ken beispielsweise in Los Angeles ankommen und Roller skaten und Barbie sich auf einmal, das erste Mal in ihrem Leben, unwohl fühlt, weil sie von Männern angegafft wird und Ken, der daneben steht, davon gar nichts mitbekommt und sich pudelwohl fühlt. Diese Szene führt letztendlich dazu, dass ein Mann Barbie auf den Po schlägt, woraufhin sie sich umdreht und ihm einen Faustschlag verpasst. Barbie lässt sich also schon einmal nichts gefallen.

Ebenso findet sich eine subtile Polizeikritik, als die Polizisten Barbie nach der Verhaftung mit anzüglichen Kommentaren überhäufen, was eigentlich erst der Grund war, weswegen sie zurecht ausgerastet ist und verhaftet wurde. Die Polizei kann also im Kampf gegen das Patriarchat auch nicht helfen. Die Wutrede von Gloria (America Ferrera) zum Thema kognitive Dissonanz für Frauen im Patriarchat, die gleichzeitig alles sein sollen, aber immer zu wenig sind, bringt die alltäglichen Anforderungen an Frauen auf den Punkt.

Herausgearbeitet wird außerdem, was bei Männern zumindest auf einer psychologischen Ebene zu Frauenhass führen kann: zu wenig Anerkennung und ein fragiles Ego. Wie erschütternd das ist, wenn ein eigentlich guter Freund sich auf einmal zu einem Männerrechtsaktivisten und Chauvinist entwickelt, muss Barbie am eigenen Leib erfahren.

Der Film scheut auch nicht vor plakativer Systemkritik zurück. Als Ken sich in der realen Welt über das Patriarchat und seine Jobmöglichkeiten informiert, wird ihm gesagt, ganz so einfach, wie er sich das vorstellt, dass er einfach nur ein Job bekommt, weil er ein Mann ist, ist es dann doch wieder nicht. Allerdings wissen die Männer es heutzutage einfach nur besser zu verschleiern, dass sie sehr wohl Vorteile haben. Wer schon einmal über Gleichberechtigung diskutiert hat, kennt sie, die Männer die sagen: „Ne, ne wir sind doch alle gleichberechtigt, das Patriarchat gibt es schon lange nicht mehr.“ Somit ist es mal ganz erfrischend zu hören, was der CEO zu Ken sagt.

Ebenfalls eine Kritik am Choice Feminismus (alles ist feministisch, solange sich eine Frau bewusst dafür entscheidet) findet sich mehrfach. Bereits zu Beginn wird die Grundidee der Barbie-Puppe „Du kannst alles sein was du willst“ hinsichtlich der Karriere zwar gelobt, aber es wird von der Erzählerstimme dennoch darauf hingewiesen, dass das Patriarchat selbst mit diesen Karrieremöglichkeiten für Frauen eben nicht einfach abgeschafft wurde. Auch zeigt der Film auf, dass es nicht im Interesse von Frauen ist, sich den Männern zu unterwerfen, auch wenn sie das selber in dem Moment vielleicht anders sehen.

Positiv herauszustellen ist außerdem, dass Barbies Lebensinhalt nicht Männer sind, an Ken hat sie schon einmal gar kein Interesse und auch an niemand anderem. Wie sollte sie auch, ist sie doch eine Puppe so ganz ohne Genitalien. Daher kommen ihr die Anmachversuche in der echten Welt auch einfach sehr seltsam vor. Das zeigt aber vor allem, dass Filme die für eine weibliche Zuschauerinnenschaft gemacht wurden, eben nicht immer nur romantische (Sub)Plots haben müssen, um zu funktionieren. Es wirft auch die Frage auf, ob Barbie überhaupt hetero ist. Klar wird sie von Mattel eigentlich so dargestellt, aber wenn wir uns mal scharf dran erinnern, wie wir mit Barbies gespielt haben …

Barbie – der Film zum Rebranding von Mattel

Der Sinn dieses Films wird uns eigentlich auf dem Silbertablett serviert: Barbie soll weiterhin ein relevantes Spielzeug sein, auch in einer Zeit, in welcher, zumindest oberflächlich, feministische Diskurse Einzug in die gesamte Gesellschaft erhalten haben. Das kann man sehen an der Teenagerin Sasha, die keinen Bock auf Barbie hat, natürlich einerseits, weil sie schon zu alt ist, aber andererseits auch, weil es komplett uncool ist, zuzugeben, dass man Barbies mag, wenn man sich gleichzeitig für Feminismus interessiert. Am Ende kann sie aber doch noch überzeugt werden. Deswegen wird im Film auch die ursprüngliche Vision von Barbie-Erfinderin Ruth Handler so betont: Barbie sollte eine Alternative zu den Puppen darstellen, mit denen die Mutterrolle normalerweise eingeübt wurde und durch die anfänglichen Editionen, wo es vor allem um Berufe ging, und dass Frauen eben alles sein können, was sie möchten, mit der weiblichen Geschlechterrolle brechen. Allerdings verschweigt der Film, dass diese Vision nicht lange anhielt und mit dem Abschied von Ruth Handler von Mattel Lifestyle, Mode, Sport und Tiere in den Interessenfokus von Barbie gerieten. Außerdem war ein kompletter Bruch mit der weiblichen Geschlechtsrolle sowieso für Barbie niemals vorgesehen: das fängt mit ihrem Aussehen an, welches immer als Schönheitsideal galt. Barbies frühere Idealmaße hätten bei einem echten Menschen dazu geführt, dass dieser nicht lebensfähig ist. Diese wurden zwar mittlerweile überarbeitet, um realistischer zu werden, dennoch haben unzählige viele kleine Mädchen mit Barbie gelernt, dass es total wichtig ist, immer gut gestylt zu sein und regelmäßig die neuste Mode zu kaufen. Barbie bereitet sie also auf ein Leben im Patriarchat als Frau und im Kapitalismus als Konsumentin vor. Das mag nicht so offensichtlich auf die Mutterrolle abzielen, aber wenn man sich einmal anschaut, welche Berufe Barbie so ausübt, wird auch hier schnell klar, dass Care-Arbeit gerne gesehen wird: eine der ersten Berufe, die Barbie hatte, war Krankenschwester.

Im Film wird immer wieder klar, hier soll etwas verkauft werden: die Barbies und ihre Outfits, die gezeigt werden, existieren größtenteils alle wirklich. Auch die Szene, in der Ken Barbies Outfits aus dem Dreamhouse wirft, betont das noch einmal über deutlich, indem die Namen der Outfits explizit eingeblendet werden. Noch dazu gibt es sehr offensichtliche Product-Placements von Chanel, Birkenstock und Chevrolet.

Mattel will also ein bisschen mit dem Klischee brechen, Barbie sei nur ein anti-feministisches Püppchen und stattdessen zeigen, dass Barbie immer auch daran gebunden ist, wer mit ihr spielt. So können sie sich einerseits aus der Verantwortung ziehen und andererseits den individualistischen Charakter ihrer Produkte betonen. Deswegen ist die feministische Grundhaltung des Films auch alles andere als subtil, was für Greta Gerwig eigentlich sehr ungewöhnlich ist.

Misslungene Kritik am Patriarchat

Das Wort Patriarchat kommt mehrmals im Film vor und mit ihm auch eine völlig falsche Kritik daran. So wird an einer Stelle gesagt, dass die Menschen sich das Patriarchat bewusst ausgedacht hätten. Als hätten sich die Männer eines Tages mal an einen Tisch gesetzt und bestimmt, dass es ab heute Patriarchat geben soll, genauso wie die Kens versuchen, das umzusetzen (nur dass sie sich Mango-Bier trinkend an einen Pool statt an einen Tisch setzen). Das ist jedoch nicht korrekt. Das Patriarchat hat sich über Jahrtausende entwickelt, zu dem was es heute ist und war keine bewusste Entscheidung, sondern rührt aus der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der Entwicklung der Produktionsmittel her. In den Urgesellschaften lebten Männer und Frauen gleichgestellt, die Arbeitsteilung erfolgte aufgrund von körperlichen Fähigkeiten, das heißt auch Frauen gingen jagen, außer sie waren schwanger, Entscheidungen wurden kollektiv getroffen. Erst eine Produktionsweise, die es erlaubte, mehr zu produzieren als direkt verzerrt werden konnte, sorgte dafür, dass es Vorräte und somit auch Verwalter der Vorräte gab, die von der Arbeit freigestellt werden konnten, was in den meisten Fällen Männer waren. Diese bekamen auch Vorrechte bezüglich des Zugriffs auf die Vorräte, welche sich in manchen Fällen weitervererben ließen. Dadurch wurden die Frauen immer mehr in die Reproduktionsarbeit (Ernährung, Haushalt, Erziehung, Pflege) gedrängt und um die Erblinie der Vorteile und des Eigentums zu sichern, entwickelte sich das ganze patrilinear und monogam (zumindest für Frauen). Die Frauenunterdrückung entwickelte sich über die Klassengesellschaften immer weiter, somit darf die Frauenunterdrückung von den Klassengesellschaften auch nicht abgetrennt gesehen werden. Das passiert aber in diesem Film. Klar, wie soll es auch in einem Werbefilm für pinken Kapitalismus auf einmal antikapitalistisch werden? Mehr als Aufregung über die Symptome des Patriarchats und Kritik an Unternehmensvorständen, weil sie keine Frauen haben, gibt es also hier nicht. Schon gar keinen Ansatz dafür, wie das Patriarchat überwunden werden kann. Wie auch, wenn es sich angeblich nur um eine abstrakte Idee handelt. Noch dazu wird das Patriarchat als für alle Frauen gleich dargestellt. Aber in Wirklichkeit gibt es gravierende Unterschiede. Gerade Frauen der herrschenden Klasse haben es sehr einfach, sich aus ihrer Rolle der Reproduktionsarbeit frei zu kaufen durch Kindermädchen und Leihmütter, in Unternehmen beuten sie als CEOs selber andere Frauen aus, zur Not können sie für eine Abtreibung mal eben in ein anderes Land jetten, während die Frauen der Arbeiter:innenklasse doppelt ausgebeutet werden, einmal in der Produktion und einmal in der Reproduktion und ihre reproduktiven Rechte massiv eingeschränkt werden. Des Weiteren können auch andere Unterdrückungsmechanismen wie Rassismus oder Ableismus die sexistische Unterdrückung begleiten und auf diese einwirken, was natürlich mit der stereotypischen Barbie in der Hauptrolle unmöglich aufzuzeigen ist. Natürlich gibt es Repräsentation von diesen Frauen im Film und das ist auch positiv herauszustellen, da Repräsentation für gesellschaftlich Unterdrückte einen positiven Einfluss hat, aber der Dreh- und Angelpunkt bleibt die weiße Blondhaarige. Die trans Frau Hari Nef spielt Dr. Barbie, aber Dr. Barbie bleibt genauso eine Nebenrolle wie viele WOC im Film, wenngleich diese ebenso beeindruckende Jobs haben (wie zum Beispiel Präsidentin-Barbie (Issa Rae)).

Im Film wird uns außerdem vermittelt, dass das Problem die Männer an sich sind und nicht die Klassengesellschaft, was auch daran zu sehen ist, dass in Barbieland das Matriarchat für Frieden und florierenden Wohlstand sorgt, während das beim Versuch des Patriarchats nicht der Fall ist.

Die Lösung: Selbstakzeptanz?

Würde man das Ende wohlwollend interpretieren, könnte man sagen: „Super, Barbie hat es geschafft sich aus ihrer Rolle zu befreien, indem sie anerkannt hat, dass sie ihr nicht mehr entsprechen kann und will und kann jetzt selber herausfinden, wer sie wirklich ist, in dem sie als Mensch in der realen Welt leben darf.“ Und auch Ken braucht einfach nur Selbstfindung und Selbstakzeptanz um kein Chauvi mehr zu sein.

Aber die Geschlechterrollen können innerhalb des Patriarchats und des Kapitalismus gar nicht abgeschüttelt werden, denn sie prägen uns Tag ein, Tag aus, auch wenn sie ab und zu im neuen Gewand daherkommen. Das Sein beeinflusst das Bewusstsein, wie Karl Marx schon sagte. Somit ist die einzige Möglichkeit sich den Geschlechterrollen dauerhaft zu entziehen, die Klassengesellschaft zu zerschlagen, da die Produktionsverhältnisse die materielle Grundlage für diese sind. Sicherlich kann die Akzeptanz, dass man diesen Rollen niemals entsprechen wird, es einem zeitweise etwas angenehmer machen. Und Männer können ihre toxische Männlichkeit reflektieren und sich bemühen, Frauen besser zu behandeln. Aber es ist doch eine zutiefst individualistische Lösung, die die Zuschauer:innen eher hilflos zurücklässt. Das widerspricht noch dazu der ursprünglichen Kritik am Choice Feminismus, mit welcher der Film eigentlich überzogen war.

Fazit

Der Film macht zwar Spaß, aber das Gefühl, dass es sich hierbei um einen Werbefilm für einen pinken Kapitalismus und eine Umdeutung von Barbie handelt, bleibt leider bestehen. Es muss zwar nicht jeder Film eine Lösung präsentieren, aber wenn er es schon tut, dann sollte diese nicht so unglaublich uneffektiv sein. Auch die letzte Szene wirft noch einmal Fragezeichen auf. Barbie, als Mensch in der realen Welt, hat einen Termin. Was wird es sein, vielleicht ein Vorstellungsgespräch oder ein Date? Nein, sie geht zum Gynäkologen. Dass sie sich so sehr darüber freut, ist vielleicht nachvollziehbar, in Anbetracht der Tatsache, dass sie vorher keine Genitalien hatte und die Reproduktion der Art sicherlich ein relevanter Teil des Menschseins ist. Aber für mich hat es sich so angefühlt, als ob Barbies Erfahrung als Frau jetzt wieder nur auf ihre Reproduktionsfähigkeit reduziert würde und sie somit auch wieder in eine Mutterrolle gepresst werden könnte.

Der Film hat vielversprechende Ansätze, aber mit Mattel und Warner Bros im Boot ist es wohl unmöglich, einen antisexistischen und antikapitalistischen Film zu drehen, der Barbie zu einer Revolutionärin macht (auch wenn die komische Barbie (Kate McKinnon) in ihrem komischen Haus zumindest schon mal das richtige Outfit für diesen Plot gehabt hätte).




Wie queere Identitäten immer noch durch den Staat unterdrückt werden

REVOLUTION, zuerst veröffentlicht auf www.onesolutionrevolution.de, Infomail 1223, 16. Mai 2023

Wirft man einen Blick in die meisten Kindergärten, so stellt man schnell fest, dass die Existenzen von trans Personen, Geschlechtern jenseits des binären Systems und nicht-heterosexuelle Beziehungen keinen Platz finden. Seien es Spielzeug, Bücher oder Gruppenaktivitäten: Diversität sucht man darin meist vergeblich.

Auch in der Grundschule im Sachkundeunterricht wird meist gelehrt, dass es lediglich Frau und Mann gebe und im Gymnasium wird im Biologieunterricht alles auf die Spitze getrieben. Oft wird die Klasse zur „Aufklärung“ in zwei geteilt – Menschen die sich keinem der binären Geschlechter zuordnen, werden außer Acht gelassen und auch der Biologieunterricht an sich ist zu vielen Teilen immer noch cis- und heteronormativ.

Und das nicht ohne Grund!

Woher kommt Queerunterdrückung?

Besonders im Kindes- und Jugendalter soll das Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie gefestigt werden, denn Kapitalist:nnen profitieren finanziell von unbezahlter Haus- und Sorgearbeit, die Frauen als natürlich zugeschrieben wird. Durch die Auslagerung der Reproduktion der Arbeitskraft ins Private kann diese überhaupt erst tagtäglich für die Ausbeutung durch die Kapitalist:innen zur Verfügung stehen.

Innerhalb der bürgerlichen Kleinfamilie sollen Frauen im Stillen Arbeitskraft reproduzieren – unbezahlt und in den eigenen vier Wänden. Dazu zählen alle Arbeiten, die nötig sind, damit Arbeiter:innen am nächsten Tag wieder zur Arbeit gehen können. Beziehungsmodelle, welche weder monogam noch heterosexuell sind und Identitäten jenseits des cis-binären Spektrums stellen das Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie in Frage, da sie das Konzept „Vater, Mutter, Kind“ unterlaufen und somit nicht mehr klar ist, wer welche Rolle in der Familie einnimmt.

Es ist somit auch kein Zufall, dass der bürgerliche Staat nicht nur im Bildungs-, sondern auch im Gesundheitssektor und am Arbeitsplatz queere Personen benachteiligt und unterdrückt.

Geschlechtsangleichende Operationen werden immer noch nicht vollständig finanziert und sind nicht ohne bürokratischen Aufwand möglich, für Jugendliche nicht einmal ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten!

Queerfeindliche Gewalt

Immer wieder führt diese durch den bürgerlichen Staat forcierte Unterdrückung zu queerfeindlichen Übergriffen und Gewalttaten. Und wenn dies nicht bereits durch die Organe des bürgerlichen Staates selbst geschieht, sondern durch Faschist:innen und andere queerfeindliche reaktionäre Gruppen, wird dabei meist weggesehen, denn diese Taten werden in den meisten Teilen Deutschlands nicht einmal dokumentiert. Berlin ist das einzige Bundesland, das ein Monitoring zu queerfeindlicher Gewalt erstellt. Im Jahr 2021 wurde mit 456 gemeldeten Fällen – davon 23 % teils schwerer körperlicher Gewalt – der höchste Wert seit Aufnahme der themenspezifischen Erfassung dokumentiert. Das sind knapp 100 Fälle mehr als im Vorjahr und dabei muss bedacht werden, dass bei weitem nicht alle gemeldet werden.

Im Rahmen einer Umfrage der EU im Jahr 2020, an der ca. 2.750 trans Personen aus Deutschland teilgenommen haben, gaben 66 % der Befragten an, in mehr als acht Lebensbereichen in den letzten 12 Monaten aufgrund ihres Trans-Seins diskriminiert worden zu sein. 90 % von ihnen haben den letzten Vorfall nicht gemeldet.

Aber gibt es nicht auch Fortschritte?

Es zeigt sich also, dass queere Personen in allen Lebensbereichen durch den bürgerlichen Staat unterdrückt werden. Doch dieser ist besonders in den letzten Jahren immer mehr bemüht, Illusionen zu schaffen, queere Befreiung sei innerhalb des Kapitalismus zu lösen.

So bestehen die gleichgeschlechtliche zivile Ehe und die mögliche Eintragung von „inter“ und „divers“ im Geburtenregister seit 2017 und jüngst wurde durch die Ampelregierung, die sich Progressivität auf die Fahne schreibt, das reaktionäre „Transsexuellengesetz“ (TSG) abgeschafft, welches durch ein neues Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden soll. Dieses soll trans, inter und nicht-binären Personen künftig die Möglichkeit geben, ihren Geschlechtseintrag sowie ihren Vornamen im Personenstandsregister durch eine Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen.

Dies alles sind zwar durchaus positive Entwicklungen, wir müssen uns dabei aber klarmachen, dass diese Fortschritte immer mit Vorsicht zu genießen sind. Der bürgerliche Staat möchte mit solchen Maßnahmen Bewegungen den Wind aus den Segeln nehmen und so etwas wie den CSD (Christopher Street Day) zu einer mehr oder weniger staatstragenden Party verkommen lassen.

Für uns als Revolutionär:innen ist klar, dass wir uns nicht auf den bürgerlichen Staat verlassen dürfen, wenn wir die Unterdrückung von queeren Personen ernsthaft bekämpfen wollen. Denn im Kapitalismus steht er im Dienste der herrschenden Klasse, deren Profit auf die Unterdrückung von Frauen, queeren und migrantisierten Menschen angewiesen ist. Deshalb muss dieser Kampf zwangsläufig auch einer gegen den Kapitalismus sein. Hierfür schlagen wir folgende Forderungen vor:

  • Inklusive Bildung und Mitspracherecht der Schüler:innen über Inhalte der Lehrpläne!
  • Für das Recht auf medizinische Geschlechtsangleichung an die soziale Geschlechtsidentität – kostenfrei und ohne unnötigen bürokratischen Akt!
  • Antisexistische Komitees an Schulen, Unis und in Betrieben sowie Selbstverteidigungskomitees in Verbindung mit der Arbeiter:innenbewegung!
  • Intersex vollständig legalisieren! Medizinische, kosmetische Eingriffe z. B. zur Geschlechtsangleichung nur mit Zustimmung der betroffenen Person!
  • Kampf gegen die transphobe Hetze der Rechten und selbsternannten Radikalfeminist:innen!
  • Gegen die Pflicht, das eigene Geschlecht in offiziellen Dokumenten anzugeben! Für den Ausbau von Unisex-Orten im öffentlichen Raum wie Toiletten oder Umkleiden!



Trash TV – harmlose Unterhaltung oder pure Ideologie?

Von Leonie Schmidt, ursprüngliche veröffentlicht auf www.onesolutionrevolution.de, Infomail 1222, 5. Mai 2023

Wer kennt es nicht: Nach einem anstrengenden Tag in der Schule, Uni oder auf Arbeit mal eben auf der Couch entspannen und etwas anschauen, was keine große Denkleistung erfordert und Unterhaltung verspricht. Und zufälligerweise ist auch gerade die neue Staffel einer Datingshow im Fernsehen angelaufen. Das passt ja eigentlich perfekt! Doch den meisten Zuschauenden wird an einigen Stellen auffallen, dass manche Sachen, die in solchen Sendungen passieren, irgendwie komisch bis problematisch sind. Was das für Elemente sind und weswegen Trash TV trotzdem so erfolgreich ist, wollen wir in diesem Artikel näher betrachten.

Was ist überhaupt Trash TV?

Starten wir erst mal mit den Grundlagen; Trash TV ist kein eigenes Genre, sondern ein Oberbegriff, für Sendungen, die man grob in Scripted-Reality-Sendungen wie „Mitten im Leben“, Dating Shows wie „Der Bachelor“ und Castingshows wie „Germany’s Next Topmodel“ einteilen kann. Es gibt aber auch noch andere Formate, wo sich vor allem Z-Promis gegenseitig die Köpfe einschlagen, wie bspw. „Promis unter Palmen“. Sie alle haben gemeinsam, dass sie möglichst realistisch wirken sollen, auch wenn es in den meisten Fällen mindestens ein grobes Script, Anregungen durch die Produktionsfirma oder einen Schnitt gibt, der Sachen in ein ganz anderes Licht rücken soll. Diese vermeintliche Realität ist also ziemlich gekünstelt und wird dem Drameneffekt entsprechend zurechtgebogen. Viele können das auch nicht erkennen und so fällt es ihnen dann auch schwer, zwischen den Teilnehmer:innen einer Show und ihnen als Privatperson zu unterscheiden. Und auch den Darsteller:innen fällt das auf die Füße, wenn sie für meist wenig Geld ziemlich entwürdigende Sachen tun müssen (es sei denn, sie sind Promis mit hochdotierten TV-Verträgen und Agenturen).

Trash TV gibt es in der deutschen Fernsehgeschichte noch nicht so lange, denn nach dem 2. Weltkrieg und der Zweiteilung Deutschlands wurde im BRD-Fernsehen eher ein Fokus auf „Erziehung zur Mündigkeit“ gelegt, weswegen es hauptsächlich ernsthafte Formate gab, in denen auch in vielen Fällen Wissen vermittelt wurde. Erst mit der Einführung der Privatsender wie z. B. RTL in den 1980er Jahren wurde ein neuer Fokus deutlich: Es ging auf einmal um Einschaltquoten (und Werbeeinnahmen), denn anders konnte man sich nicht gegen die gefestigten Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durchsetzen. So gab es bspw. Shows wie „Tutti Frutti“, eine Erotik-Spielshow in den 1990er Jahren auf RTL. Klares Vorbild: das US-amerikanische DayTime TV. Gerne wurden hier vor allem Talkshow-Formate mit skandalträchtigen Dramen als Anregung übernommen. Diese waren besonders in den späten 1990ern bis zu den frühen 2000ern angesagt, zum Beispiel „Britt – der Talk um eins“. Aber auch heute noch kann festgestellt werden, dass alle Trash-TV-Formate ein Art Äquivalent im englischsprachigen Raum haben, sei es nun „Love Island“ oder „Too hot to handle“.

Medienwissenschaftler:innen sehen die Vorläufer außerdem in Freakshows und französischem Kasperletheater: Mit anderen Worten, reißerische Inhalte, Fremdscham und seichte Unterhaltung prägen die Sendungen und sind auch deren Erfolgsrezept. Denn ja, natürlich wollen wir sehen, wie 10 Singles gegen ihren Sexdrive ankämpfen und uns darüber lustig machen, dass sie es wirklich nicht 14 Tage aushalten können wie bei „Too hot to handle“. Wenn die Einschaltquoten stimmen, klingeln natürlich auch die Werbeeinnahmen im Portemonnaie (oder wie bei Netflix die Einnahmen aus den Abogebühren). Aber der Fokus auf Geld und Aufmerksamkeit ist mitnichten das einzige Problem, das die beliebten Shows haben. Sie lenken uns ab von den wichtigen Themen des Lebens, lassen uns abstumpfen, haben also eine Art Zerstreuungseffekt, der uns vom Leben während kapitalistischer Krisen ablenken soll. Außerdem vermitteln sie auch in vielerlei Hinsicht falsche Werte und Bilder über bestimmte Personengruppen.

Klassismus und der Hass auf Hartz-IV-Empfänger:innen

Besonders sieht man das zum Beispiel in Scripted-Reality-Sendungen wie „Mitten im Leben“, „Familien im Brennpunkt“ oder im Doku-Format „Hartz aber herzlich“, umgangssprachlich auch als „Asi-TV“ bezeichnet, in welchen Stereotypen über Menschen, welche in Armut leben, vermittelt werden. Oft soll es so wirken, als hätten diese selbst Schuld an ihrer Lage, seien faul, egoistisch, drogen- und alkoholabhängig, schlechte Eltern mit viel zu vielen Kindern, aus denen auch nie etwas werden wird. Auch werden sie auffällig oft als besonders dick mit krass ungesunder Ernährung dargestellt, die den ganzen Tag nur auf der Couch sitzen und fernsehen. Das alles passiert, während in Deutschland Hartz-IV-Empfangende Sanktionen hereingedrückt bekommen und in Maßnahmen gezwungen werden, wollen sie nicht ohne das Minimum an Lebensstandard dastehen.

Laut Armutsforscher Christoph Butterwegge wird durch diese Darstellung einerseits Angst angeheizt, ebenso wie Dome & Co. im Plattenbau zu landen. Den Zuschauenden fällt es aber auf Basis der Stereotypisierung und extremen Überspitzung umso leichter, sich zu distanzieren und zu erheben und sich auch im realen Leben als etwas Besseres zu fühlen.

Diese These lässt sich gut daran bekräftigen, wie die Sendungen in sozialen Netzwerken kommentiert werden. Hier wird gefordert, den Frauen in Armut ihre Kinder wegzunehmen. Es wird darüber gelästert, dass sie es wagen, von ihrem Hartz IV nicht nur Lebensmittel einzukaufen, sondern auch mal Zigaretten oder sich die Nägel machen zu lassen. Wer arm ist, verdient nur das Allernötigste, so der Tenor.

Allerdings sei an dieser Stelle gesagt, dass die Herabwürdigung der Armen in den letzten Jahren eher subtiler geworden ist, als es vorher noch üblich war, und der Blick vermeintlich differenzierter wirkt. Aber die Distanzierung und der Argwohn bleiben natürlich trotzdem bestehen. Denn nicht immer ist das Gefühl der Zuschauenden, etwas Besseres zu sein, ausschließlich reine Arroganz. Manchmal zeigt es sich auch eher in der Hinsicht, dass man sich denkt, dass man es im Vergleich zu „denen“, doch eigentlich ganz gut hat und sich nicht beschweren kann.

So wachsen Vorurteile und Hass. Es kommt zu einer Entsolidarisierung und Spaltung innerhalb der Arbeiter:innenklasse, was natürlich besonders schlimm ist, wenn es aufgrund der Krise wieder Sozialkürzungen gibt und die geeinte Solidarität gegen diese umso notwendiger wird.

Den Traumprinz in 10 Folgen finden?

Aber im Trash TV geht es nicht immer nur um Armut und Elend. Oft genug werden auch Datingshows produziert, die meistens an exotischen Orten spielen, wo alle Teilnehmenden halbnackt am Pool flanieren, Party machen und ab und zu ein paar „anstrengende“ Challenges bewerkstelligen oder auf Einzel- und Gruppendates gehen. Was das Ziel ist, ist eigentlich klar: Hier soll der/die Traumpartner:in gefunden werden. An dieser Stelle wird also ein bestimmtes Ideal von romantischen, hetero- und cis- normativen Beziehungen vermittelt, die auch schön monogam zu sein haben. Denn wer es wagt, bei den Datingshows nicht nur eine Person im Visier zu haben, wird unter Garantie mit Drama oder, je nach Format, sogar mit dem Ausschluss konfrontiert.

Doch so romantisch das Ideal einer Zweierbeziehung auch wirken mag, oberflächlicher als in diesen Shows geht es eigentlich gar nicht. Der Fakt, dass es insbesondere in Shows wie „Der Bachelor“, wo es einen Hauptcharakter und um ihn konkurrierende Teilnehmende gibt, darum geht, jemanden von sich in ca. 10 Folgen zu überzeugen und die restlichen Kandidat:innen auszuschalten, klingt nicht nach einem Rahmen, in welchem sich eine zwischenmenschliche Beziehung, basierend auf Gemeinsamkeiten, Kommunikation und Nähe entwickeln kann. Konkurrenz zwischen potentiellen Love Interests, wie wir es aus der Realität von Datings Apps kennen, wird hier noch einmal zugespitzt und durch symbolische Interaktionen wie die Rosenübergabe untermauert. Die Oberflächlichkeit dieser Beziehungen zeigt sich auch an ihrer Dauer, die meistens kaum den Zeitraum von Produktion und Ausstrahlung überschreitet.

Auch wird in den meisten dieser Sendungen Sexualität zwar konstant durch Anspielungen angedeutet, aber es wird immer auf den „richtigen“ Moment gewartet oder gleich klargemacht, dass sie im Rahmen der Sendungen keinen Raum einnehmen darf und bis nach dem Finale gewartet werden muss, wobei vorher das Höchste der Gefühle schlabbrige Zungenküsse sind. Auch das entspricht der bürgerlichen Sexualmoral, dass man, wenn man es mit jemandem ernst meint, nicht gleich drauflosvögeln darf und Intimität aufgespart werden muss (was natürlich in extremer Form auf das Warten bis zur Hochzeitsnacht zurückzuführen ist).

Des Weiteren haben viele, vor allem männliche Teilnehmer, ein sehr rückschrittliches Geschlechterbild. Frauen werden als passive Objekte gesehen, die „klargemacht“, „abgeschleppt“ oder überredet werden müssen, die ruhig sein sollen, wenn der Mann spricht, kein Drama machen und sich ganz einfach unterordnen sollen. Der Mann hingegen tritt als klassischer, aktiver Macho und Eroberer auf, der sich nimmt, was ihm vermeintlich zusteht. Auch werden sie schon nach einer kurzen Kennenlernphase oder auch, wenn sie gerade mal ein Auge auf den oder die Angebetete geworfen haben, ziemlich schnell besitzergreifend.

Das alles basiert natürlich auf der Rollenverteilung, die uns allen im Kapitalismus auferlegt wird, um die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und die doppelte Ausbeutung der Frau durch unbezahlte Reproduktions- und Lohnarbeit zu legitimieren. Ebenso basiert darauf das Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie, mit all seinen Einschränkungen, aus dem sich auch die hier reproduzierte bürgerliche Sexualmoral ergibt.

Aber wer macht da eigentlich alles mit?

Wenn wir uns die Anforderungen anschauen, im Bikini oder in der Badehose am Pool zu lungern, wird schnell klar: vor allem normschöne Menschen, die auch als Models und Influencer:innen tätig sein könnten oder dies bereits spätestens nach Ausstrahlung sind. Die Männer sind durchtrainiert und sollen teilweise durch Tattoos noch männlicher wirken. Die Frauen kommen mit langen Haaren, makelloser Haut und schlanken Kurven daher. Personen abseits dieser Ideale sieht man so gut wie gar nicht. Vor allem im Format „Love Island“ wird auch oft in der Villa trainiert und über Ernährung philosophiert. Außerdem geben viel Teilnehmende in den Interviews an, dass ihre Partner:innen durchtrainiert, schlank und bloß nicht dick sein sollten. So wird auch das Bild zementiert, dass nur normschöne Personen es verdient haben, geliebt zu werden. Und für alle anderen gibt es dann Datingshows, in denen ausschließlich Plus-Size-Personen auftreten, sie sich also nur „unter ihresgleichen“ umsehen dürfen.

Außerdem sind die meisten, die dabei sind, weiß und stehen auch offenkundig auf weiße, blonde Frauen, wie Onyi, Teilnehmerin der aktuellen Staffel „Too hot to handle Germany“, kritisiert. Netflix hatte sie zwar als Diversity Bonus gecastet, aber es war klar gewesen, dass die meisten anderen Teilnehmenden ganz andere Präferenzen haben. Das hat sie als Außenseiterin dastehen lassen, wie sie selber und andere auf TikTok kritisierten. Das ist natürlich alles andere als gute Repräsentation in dieser Show und es ist verständlich, dass dieser Umgang mit einer WOC (Woman of Colour; farbige Frau) im TV dem Selbstbewusstsein von Rassismus-Betroffenen nicht gerade guttut, sondern sogar schadet.

Aber nicht nur in dieser Hinsicht sollten sich die Produktionsfirmen überlegen, ob sie sich Diversität wirklich auf die Fahne schreiben sollten. Grundsätzlich wird nämlich immer davon ausgegangen und die Sendungen sind auch so aufgebaut, dass alle hetero sind und eine binäre Geschlechtsidentität haben. Denn die Einteilung in Mann und Frau spielt eine große Rolle in Challenges oder Auswahlverfahren bzw. Pärchenbildungen bspw. bei „Love Island“. Außer in der aktuellen Staffel von „Too hot to to handle Germany“, wo Bisexualität aber auch eher eine untergeordnete Rolle spielt, gibt es keine gleichgeschlechtlichen Verpaarungen, es sei denn, es ist ein explizit homosexuelles Datingformat.

Dasselbe in Regenbogenfarben oder alles besser bei Prince(ss) Charming?

Explizit queere Datingformate gibt es in Deutschland für Schwule mit Prince Charming seit 2019, mit Princess Charming für Lesben seit 2021. Alleine, dass es so lange gebraucht hat, ist schon ein Witz, die ersten Heterofolgen von „Der Bachelor“ gab es bereits erstmals 2003 in der deutschsprachigen Version!

Aber so gut, wie es gemeint ist, so schlecht ist es auch umgesetzt. Werfen wir einmal einen Blick auf Princess Charming. Vor allem in der ersten Staffel gab es einiges an „Problemen“, was fast noch beschönigend ausgedrückt ist. Die Teilnehmer:innen konnte man queeren bzw. lesbischen Stereotypen geradezu zuordnen, vielleicht mit einigen Ausnahmen. Wer da nicht reingepasst hat, wurde unter den Teppich gekehrt, denn auch hier wurde bspw. Bisexualität nicht ernst genommen, denn in der Show geht es ja „nur um Frauen, die auf Frauen stehen“. Realistische Repräsentation sieht anders aus. Ebenso, dass immerzu von lesbischen Frauen gesprochen wurde, obwohl sich unter den Teilnehmenden auch eine nicht-binäre Person, nämlich Gea, befand. In einer Folge wurde sogar über their nicht-binäre Identität gesprochen und they musste einer anderen Kandidatin alles genaustens erklären. Die Sendung ist also auch ziemlich cis-normativ.

Weitere Kritikpunkte sind der unbegrenzte Zugriff und der damit zusammenhängende Konsum von Alkohol. Im Prinzip sieht man die Teilnehmer:innen ständig mit einem Glas Sekt in der Hand und natürlich werden auch so die eigenen Hemmungen fallengelassen. Einerseits trägt das natürlich zur gesamtgesellschaftlichen Normalisierung dauerhaften Alkoholkonsums bei, auf der anderen Seite kam es (unter anderem, aber natürlich nicht nur deswegen) auch mehrfach zu übergriffigem Verhalten am Set. So gab es zum Beispiel einen Outcall wegen sexualisierter Gewalt gegenüber der Influencerin Wikiriot durch Jo, eine andere teilnehmende Person. Besonders in der Kritik steht hier neben der Täterin auch die Produktionsfirma, die sich nicht zu den Vorkommnissen äußern will und ein An-die-Öffentlichkeit-Treten für die betroffenen Personen durch eine Verschwiegenheitsklausel erschwert hat. Auch in der zweiten Staffel kam es zu bedrängenden Szenen während einer Party mitsamt aufgezwungenen Küssen, obwohl vorher Grenzen aufgezeigt wurden. Statt, dass die Produktionsfirma hier eingreift und verantwortungsvoll handelt, wurde das sogar in die Dramaturgie mit eingebaut!

Wir sehen also: Nur weil LGBTIA+ draufsteht, ist leider nicht alles perfekt, im Gegenteil. Denn natürlich werden auch diese Sendungen im Kapitalismus produziert und sind somit den gesellschaftlichen Zwängen und Einschaltquoten unterworfen. So positiv, wie höhere Diversität erst einmal scheinen mag, zeigen diese Beispiele doch einmal mehr, dass Unterhaltung, welche auf Basis von Kapitalinteressen erstellt wird, nicht derartig progressiv sein kann, wie wir uns das vielleicht erhoffen.

Daher fordern wir:

  • Gegen unterdrückerische Schönheitsideale in Werbung und Medien! Enteignet die großen Medienhäuser und die „kulturschaffende“ Industrie (Gameentwickler, Filmproduktionen, … ) genauso wie Google, Instagram und Co.!

  • Für organisierte Medienarbeit durch Räte aus Zuschauer:innen, Arbeiter:innen und Kreative ohne die Reproduktion von Unterdrückung!

  • Für eine internationale, proletarische antisexistische Bewegung!



Selbstbestimmungsgesetz – lange nicht genug!

Lia Malinovski, zuerst veröffentlicht auf www.onesolutionrevolution.de, Infomail 1219, 11. April 2023

Mittlerweile dürfte es den meisten Menschen ein Begriff sein: das Selbstbestimmungsgesetz. Es soll das alte, menschenverachtende und diskriminierende „Transsexuellengesetz“ (TSG) abschaffen und durch eine menschenwürdige und progressive Gesetzgebung ersetzen. Klingt erstmal gut, aber ist es das wirklich? Das wollen wir in diesem Artikel klären.

Was ist das alte TSG?

Um eine Vorstellung davon zu bekommen, was das Selbstbestimmungsgesetz konkret verändert, sollten wir uns vorher das TSG angucken. Es regelt, wie Menschen ihren Namen und Geschlechtseintrag rechtlich ändern können, also wie sie im Personalausweis und in anderen offiziellen Dokumenten lauten. Bisher sah das Verfahren so aus: Anstatt einfach zum Standesamt zu gehen und dort die Änderungen vorzunehmen, entscheidet das Gericht. Dieses will wiederum zwei psychologische Gutachten vorgelegt bekommen, die besagen, dass man „wirklich trans“ ist, was auch immer das bedeuten soll. Die Gutachten müssen unabhängig voneinander, von spezialisierten Sachverständiger:innen erstellt werden und auch Auskunft darüber geben, ob sich das „Zugehörigkeitsempfinden [zum anderen Geschlecht] des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird.“ (TSG § 4, Abs. 3). Danach entscheidet das Gericht, ob der Wunsch der/des Antragssteller:in erfüllt wird. Selbst wenn man das ganze Verfahren durchlaufen hat und positive Gutachten vorweisen kann, kann es also sein, dass Personenstand, Name oder Geschlechtseintrag gar nicht geändert werden.

Das ist aber nicht das Schlimmste. Denn die Gutachten kosten nicht nur extrem viel, sondern sind im Prozess ihrer Erstellung oft sehr übergriffig. Erfahrungsberichte vieler Transpersonen zeigen, dass es nicht selten ist, dass man über die Sexualität, sexuelle Fantasien, Pädophilie, Masturbation etc. befragt wird. Also Dinge, die nicht nur gar nichts mit dem Geschlecht zu tun haben, sondern deren Nachfragen auch noch extrem übergriffig ist und teilweise ekelhafte Unterstellungen vermittelt. Die erwähnten hohen Kosten machen es außerdem besonders für Transpersonen aus armen Verhältnissen oder Transjugendliche schwer, das Verfahren überhaupt einzuleiten. 500 bis 1000 Euro pro Gutachten lassen sich nicht immer einfach so auftreiben, doppelt erst recht nicht!

Selbstbestimmungsgesetz – eine gute Alternative?

Es braucht also eine Alternative zum bisherigen TSG. Das sagen nicht nur wir, mittlerweile hat es selbst die Bundesregierung verstanden. Deshalb haben sich Justizminister Marco Buschmann und Familienministerin Lisa Paus jetzt endlich auf eine Reform geeinigt. Wie die aussehen soll, haben sie in den „Eckpunkten für das Selbstbestimmungsgesetz“ aufgeschrieben und mittlerweile sogar einen Gesetzentwurf vorgestellt. Unter anderem ist darin vorgesehen, dass Transpersonen künftig nicht mehr zum Gericht gehen müssen, sondern beim Standesamt und ohne unnötige und diskriminierende Gutachten die Namensänderung beantragen können. Das Gleiche gilt auch für den Geschlechtseintrag. Wie im alten TSG soll es auch ein Offenbarungsverbot geben, wodurch es illegal ist, den „Deadname“, also den alten, toten Namen zu veröffentlichen oder zu gebrauchen. Das ist ziemlich cool, denn der Deadname heißt nicht umsonst so und es ist sehr respektlos, den alten Namen zu nutzen oder sogar zu verraten. Aber nicht alles an dem Gesetzentwurf ist cool: Es wurde laut der „Süddeutschen Zeitung“ eine Passage eingefügt, die expliziten Frauenräumen das Recht gibt, auch nach der Namens- und Personenstandsänderung Transfrauen aus diesen Räumen auszuschließen – und ihnen damit die Identität abzusprechen. Also ziemlich uncool, nett ausgedrückt.

Rückschritt unter dem Deckmantel des Progressiven?

Diese Passage im Selbstbestimmungsgesetz würde eine transfeindliche Praxis, die sowieso schon vorkommt, legalisieren! Sie stellt also einen krassen Rückschritt dar, denn es soll legal werden, Transpersonen rauszuwerfen, wenn sich andere mit ihnen unwohl fühlen. Da man ihnen ihre Transidentität aber nicht immer ansieht, wird das auf lange Sicht auch auf Cisfrauen zurückfallen, wenn sie nicht den klassischen Geschlechterrollen entsprechen. Unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Sexismus werden Geschlechterrollen gestärkt und der Verstoß dagegen weiter geächtet.

Die Passage ist erst auf Druck von TERFs reingekommen. Sie verbreiten seit Jahren das Bild des Mannes, der sich in Kleider steckt, um Frauen zu belästigen. Um das zu untermauern, fälschen sie sogar Statistiken und schüren ein Klima der Angst vor Transfrauen. Unterstützt wird das von AfD und Co., von Medien, aber auch in der „bürgerlichen“ Politik. Und Auswirkungen hat das nicht nur auf Transpersonen, sondern auch auf Cisfrauen. Schon jetzt gibt es Berichte, nach denen diese angegriffen werden, weil ihnen unterstellt wird, trans zu sein. Auf Twitter werden jetzt schon Vaginavergleiche angestellt, mit einer pseudowissenschaftlichen Unterscheidung zwischen „echten“ Vaginas und „künstlichen“. Auch diese sind nicht haltbar und gefährden nicht nur Transfrauen!

Dieser Teil reiht sich ein in eine Welle transfeindlicher Gesetze weltweit. Im US-Bundesstaat Tennessee beispielsweise gibt es mittlerweile einen staatlichen Zwang zum Detransitionieren (eventuelle Geschlechtsangleichungen, und sei es nur gesellschaftlich, nicht körperlich, wieder rückgängig machen) und Transpersonen werden aus der Öffentlichkeit gedrängt. Der Absatz aus dem Selbstbestimmungsgesetz muss gestrichen werden! Keinen Meter der menschenverachtenden transfeindlichen Politik, die versucht, unsere hart erkämpften Rechte wieder zurückzunehmen!

Was braucht es noch?

Auch abgesehen davon ist das Selbstbestimmungsgesetz nicht genug. Es geht zwar einen wichtigen Schritt, aber ist lange nicht ausreichend. Beispielsweise soll, nachdem man den Antrag ans Standesamt übergeben hat, eine dreimonatige Bedenkzeit eingeführt werden. Das macht die Änderung von Namen und Geschlechtseintrag unnötig kompliziert und bürokratisch.

Statt eines Selbstbestimmungsgesetzes, das reaktionäre Ideen enthält und in den progressiven Punkten viel zu kurz greift, braucht es tatsächliche Selbstbestimmung, eine revolutionäre Perspektive. Und die Selbstbestimmung darf sich nicht nur auf den Namen und Geschlechtseintrag beschränken, sondern muss auch die medizinische Transition organisieren.

  • Für eine revolutionäre Alternative sowohl zum Selbstbestimmungsgesetz, als auch zum TSG! Für echte Selbstbestimmung!

  • Für den Ausbau von Unisexorten an Schulen, Unis, in Betrieben und der Öffentlichkeit!

  • Gegen den Zwang, den behördlichen Namen in Schulen, offiziellen Dokumenten und Bewerbungen etc. anzugeben! Gegen die Pflicht, ein Geschlecht in offiziellen Dokumenten zu verzeichnen!

  • Für das Recht auf kostenfreien und unbürokratischen Zugang zu medizinischer Geschlechtsangleichung und der offiziellen Namens- und Personenstandsänderung!



OnlyFans – Sexarbeit ohne Zwänge?

Meret Martowa, Fight! Revolutionärer Frauenzeitung 11, März 2023

Ein paar Bilder hochladen und schnell reich werden? So stellen sich viele die Arbeit von Sexarbeiter:innen auf OnlyFans vor. Doch ist es wirklich so einfach? Und bringt OnlyFans eine Demokratisierung der Pornobranche mit sich? Das wollen wir im Folgenden klären.

Was ist OnlyFans?

OnlyFans existiert seit 2016 und ist eine Internetseite, auf der vor allem erotische und pornografische Bilder und Videos von einzelnen Creator:innen hochgeladen werden. Theoretisch kann aber auch jeder Inhalt draufgestellt werden. Der starke Fokus auf sexualisierte Inhalte kam durch den Einstieg vom Haupteigentümer der Website MyFreeCams.com, Leonid Radvinsky, der 2018 rund 75 % von OnlyFans aufkaufte und damit die Ausrichtung der Seite nachhaltig veränderte. Die Inhalte werden zum Beispiel auf der Instagramseite der darstellenden Personen beworben und dann kostenpflichtig in Form eines Monatsabos, auf „Pay per view“-Basis oder in privaten Chats auf OnlyFans bereitgestellt. Dabei tummeln sich auf der Plattform neben Stars der Pornobranche auch Influencer:innen und viele, die es  werden wollen. Sie stellt quasi einen niedrigschwelligen Eintritt in die Sexarbeit dar. Während der Coronapandemie erlebte OnlyFans einen enormen Zuwachs, den sie trotz aufkommender und bestehender Konkurrenz wie BestFans, Patreon oder auch Pornhub noch ausbauen konnte.

Wachstumsspritze Pandemie

Waren es vor dem weltweiten Beginn der Coronapandemie mit ihren Ausgangsbeschränkungen und anderen sozialen Einschränkungen im März 2020 noch etwa 62 Millionen Besuche auf der Website, verdoppelte sich die Zahl im April 2020 bereits auf ca. 117 Millionen Besucher:innen. Die Konsument:innen sind dabei überwiegend Männer (Schätzung similarweb.com: 79,77 % männlich) aus den „westlichen“ imperialistischen Zentren im Alter von 18 bis 34 Jahren. Inzwischen halten sich die Besucher:innenzahlen recht konstant bei über 300 Millionen pro Monat (similarweb.com: Jan 2023, 346 Millionen Visits) und damit ist OnlyFans unter den Top 50 der meist besuchtesten Websites der Welt. So ist auch möglich, dass der Eigentümer von OnlyFans monatlich eine Dividende (= Gewinnbeteiligung der Aktionär:innen) von 45 Millionen US-Dollar auszahlen lassen soll. Doch wie kann ein Typ so viel Geld auszahlen?

Das geht hier durch die Ausbeutung von rund 1,5 Millionen Creator:innen der Plattform. Denn das Geld, welches die Konsument:innen bezahlen, geht dabei nicht allein an diese. 20 % der Einnahmen beansprucht OnlyFans für sich. Bisher gibt es keine einsehbaren Statistiken über die Demographie der Creator:innen. Sie können individuelle Sexarbeiter:innen sein, die quasi selbstständig sind und sich selbst um Vermarktung, Produktion, Auswahl der Konsument:innen und anderes  kümmern. Es kann sich aber auch um Agenturen und Pornohersteller:innen handeln, bei denen es u. a. auch durch Zwangsprostitution zur Erstellung der pornographischen Inhalte kommt.

Konkurrenz zum traditionellen Angebot?

Es zeichnet sich aber nicht ab, dass OnlyFans anderen Pornoseiten wie Pornhub den Rang abläuft. XVideos und Pornhub liegen mit ihren kostenfreien pornographischen Inhalten weit vorne in der Kategorie der „Erwachsenen“-Websites und kommen von aller besuchten Seiten sogar unter die ersten 15 im Ranking. So hatte etwa XVideos weltweit ca. 3 Milliarden Besucher:innen allein im Januar 2023! Was man schon mal festhalten kann, OnlyFans ist dennoch enorm etabliert und erwirtschaftet viel Kohle auf Kosten von oft jungen Sexarbeiter:innen, egal ob durch eigene Entscheidung, ökonomischen Zwang oder sogar Zwangsprostitution.  Das führt uns zur Frage: Hilft OnlyFans, den Pornographiemarkt zu demokratisieren?

Bessere Bedingungen?

OnlyFans hat seine Beliebtheit bei eigenständigen Sexarbeiter:innen dadurch erlangt, dass es zum einen überhaupt möglich gewesen ist, pornografische Inhalte hochzuladen, und zum anderen die zu zahlende Provision relativ gering ist. Ebenso bietet die „eigene Vermarktung“ die Möglichkeit, klarer eigene Vorlieben und Interessen in den Vordergrund zu stellen. Das ist auch einer der Gründe, warum OF teilweise einen feministischen Anstrich hat. Dabei muss klar gesagt werden: Creator:innen, die bereits berühmt sind oder zumindest über eine andere Plattform wie Instagram eine gewisse Anzahl von Follower:innen besitzen, haben es wesentlich leichter. Denn das eine ist es, die Inhalte für OnlyFans zu generieren. Das andere ist es, Nutzer:innen zu finden, die beständig zahlen. Es ist also entgegen der Vorstellung vieler nicht einfach, schnell „ein paar Bilder hochladen“, sondern bedeutet auch, regelmäßig auf anderen Kanälen aktiv zu sein und sich eine Community aufzubauen. In dem Sinne es nicht groß anders als andere Influencertätigkeiten.

Gleichzeitig sind die Chancen für Erfolg – oder ein stetiges Nebeneinkommen –  davon abhängig, wie man sich vermarktet – und damit eben auch abhängig vom existierenden gesellschaftlichen Bewusstsein. Klar, kann sich jede/r so geben, wie er/sie will und Sexarbeiter:innen, die bestimmte Nischen abdecken, haben es leichter, sich zu vermarkten und Abnehmer:innen zu finden, vor allem, da man sich weltweit vermarkten kann. Leichter werden es dennoch jene haben, die in das vorherrschende, weiße Schönheitsideal passen und OnlyFans wird dies nicht ändern.

Die Darsteller:innen, die nicht anderweitig angestellt sind, werden letzten Endes zu Scheinselbstständigen – und abhängig von der Plattform selbst. Diese ist jedoch gar nicht so frei, wie sie sich gerne gibt. So gab es im August 2022 kurzzeitig die Meldung, dass die Plattform alle pornographischen Inhalte bannen wollen würde, da Mastercard & Co die weitere Zusammenarbeit aufkündigen wollten. Darüber hinaus gibt es eine Liste mit ca. 150 Wörtern, die weder in Beschreibungstexten noch privaten Nachrichten benutzt werden dürfen. Eingeführt wurde diese Maßnahme, um sicherzustellen, dass die Richtlinien der Seite eingehalten werden und bspw. Kinderpornographie verhindert wird. Deswegen sind Wörter wie Kind, minderjährig oder „meet“ (eng. „sich treffen) nicht verfügbar. Aber eben auch „AdmireMe“, eine alternative Bezahlseite für sexuelle Dienstleistungen, oder Worte wie „menstruieren“ oder „Cervix“. Sieht man sich die ganze Liste an, so erscheint es als plumper Versuch, mittels künstlicher Intelligenz Grenzüberschreitungen zu verhindern. Diese kann einfach umgangen werden durch Synonyme oder alternative Schreibweisen, während es gleichzeitig eine Einschränkung gibt, wie über Sexualität geredet wird.

Zusammengefasst heißt das: Ja, insbesondere für bessergestellte Schichten von Sexarbeiter:innen stellt OnlyFans eine Verbesserung dar und hat es geschafft, während der Pandemie ein Angebot zu schaffen, der Arbeit trotzdem nachzugehen. Man sollte die Plattform jedoch nicht zur Selbstbefreiungsmöglichkeit erklären. Denn letzten Endes ist sie eine sehr stark individualisierte Lösung, die die prekären Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter:innen weiter manifestiert. Denn was passiert im Krankheitsfall oder bei Übergriffen? Wer kontrolliert das, was gezeigt und gesagt wird?

Was braucht es also?

Statt dass Eigentümer und Aktionär:innen von OnlyFans massiv Kohle  auf dem Rücken der Creator:innen scheffeln, braucht es die Enteignung von OnlyFans unter Kontrolle der Beschäftigten. Um dies umzusetzen – nicht nur für OnlyFans, sondern auch für die gesamte Erotikbranche – braucht es eine Gewerkschaft, die deren Interessen in der Branche vertritt sowie eine politische Vertretung darüber hinaus. So können die Probleme in der Branche effektiv angegangen werden:

1. Die effektivsten Maßnahmen gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel sind nicht etwa das Verbot von Sexarbeit, Prostitution oder Pornographie. Es sind offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle, sowie ein Mindesteinkommen gekoppelt an die Inflation.

2. Gegen Übergriffe seitens sexistischer Freier (die auch im digitalen Raum stattfinden können) oder den Druck von Zuhältern braucht es Meldestellen unabhängig von der Polizei sowie demokratisch organisierte Selbstverteidigungsstrukturen von Sexarbeiter:innen und der Arbeiter:innenbewegung.

3. Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Berufsfreiheit statt Opferrolle! Statt Stigmatisierung, Ausgrenzung und Kriminalisierung seitens des Staates werden flächendeckende, kostenlose und anonyme gesundheitliche Vorsorgeuntersuchungen sowie kostenlose psychologische Angebote benötigt!

4. Statt Flatratebordellen und Preisdumping bedarf es der Kontrolle der Beschäftigten selber:  Mindestlohn ist das Minimum. Darüber hinaus sollte es Preiskontrollkomitees durch die Beschäftigten geben. Ebenso bedarf es Komitees, bei denen Unterdrückte durch Rassismus, Sexismus oder LGBTIA+-Diskriminierung miteinbezogen werden, um einen Umgang mit diskriminierenden Darstellungen zu finden!

Doch wie gehen wir als MarxistInnen mit Sexarbeit generell um?

Einige Teile des liberalen Feminismus werfen die These in den Raum, dass Sexarbeit grundsätzlich „empowernd“, selbstermächtigend sei, während Teile des Radikalfeminismus die Ansicht vertreten, dass jede Sexarbeit Zwangsprostitution wäre, das Patriarchat direkt unterstützen würde und somit zu unterbinden sei. Beide Annahmen ignorieren die Realität von Sexarbeitenden. Denn natürlich ist sie nicht grundsätzlich empowernd, nur weil sich die Person freiwillig dazu entscheidet und der ökonomische Zwang ignoriert wird. Grundsätzlich sind im Kapitalismus überhaupt keine Lohnarbeit und Form der Ausbeutung selbstermächtigend. Auf der anderen Seite ist auch nicht jede Form der Sexarbeit Zwangsprostitution, nur weil ökonomischer Druck herrscht, die eigene Arbeitskraft zu verkaufen. Denn das trifft im Kapitalismus auf alle zu, die der Arbeiter:innenklasse angehören, und ist etwas, das sie auszeichnet. Das nennt man auch den „doppelt freien Charakter der Ware Arbeitskraft“. Man ist frei, seine Arbeitskraft zu verkaufen – oder eben auch frei zu verhungern.

Als Marxist:innen muss uns bewusst sein, dass es unterschiedliche Formen der Tätigkeiten innerhalb der Branche gibt, die – wie sonst in der Gesellschaft auch – von Klassen geprägt sind. Dabei muss klar gesagt werden, dass nur kleiner Teil der in dem Bereich Arbeitenden sich die Beschäftigung ausgesucht hat. Meist haben sie auch andere Berufsabschlüsse, theoretisch die Möglichkeit, Freier abzulehnen, und einen kleinbürgerlichen Hintergrund.

Weltweit gesehen kommt der Großteil hingegen durch Zwangsverhältnisse in die Branche. Doch wie bereits oben aufgeführt, wird sich ihre Stellung nicht dadurch ändern, indem man Verbote ausspricht.  Es ist notwendig, den Personen, welche unter dem ökonomischen Zwang und den teilweise sehr schlechten Arbeitsbedingungen leiden, eine Möglichkeit zu bieten, ohne größere Probleme auszusteigen. Dahingehend müssen wir uns für kostenfreie und seriöse Beratungsstellen und bezahlte Umschulungen, für Aus- und Weiterbildungen sowie für berufliche Alternativen einsetzen. Nur wenn der ökonomische Zwang und die Illegalisierung entfallen, können Ausstieg und Umschulung eine attraktive reale Option werden. Ansonsten bleiben sie eine schöne, aber letztlich leere Versprechung.

Langfristig muss das Ziel von Marxist:innen darin bestehen, die materielle gesellschaftliche Basis umzugestalten und somit die ökonomischen Zwänge zu zerstören, die Menschen dazu nötigen, sexuellen Dienstleistungen aufgrund von Gewalt oder Not nachzugehen. Da Prostitution und Sexarbeit Ergebnis der patriarchalen, kapitalistischen Gesellschaft sind, lassen sie sich auch nicht so ohne weiteres abschaffen. Der Kampf gegen Zwangsprostitution muss deswegen über die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gehen.  Dementsprechend ist es natürlich auch nötig, eine Massenbewegung aufzubauen, in welcher Sexarbeiter:innen Seite an Seite mit allen Unterdrückten gemeinsam für das Ende von Kapitalismus und Patriarchat kämpfen können, ohne stigmatisiert zu werden.




Fünf Argumente gegen TERFS

Miel de la Rosa, Fight! Revolutionärer Frauenzeitung 11, März 2023

Die Erfinderin der Harry-Potter-Serie fiel in den letzten Jahren mit ihrer Transfeindlichkeit auf, indem sie auf Twitter durchblicken ließ, dass sie das binäre Geschlechtersystem für unantastbar hält. Da steht sie nicht nur in einer Reihe mit Alice Schwarzer, sondern auch vielen Konservativen und Rechten. Doch anders als diese fühlen sich viele TERFs als Teil der linken oder feministischen Bewegung. TERF ist ein Akronym für „Trans-Exclusionary Radical Feminist“ (radikaler Feminismus, der Transpersonen ausschließt).

Sie werfen ihrem Gegenüber gerne mal folgende Sätze an den Kopf:

1. Pseudoargument: „Am Ende bleibst du biologisch ein Mann, auch wenn du Hormone nimmst.“

Manche TERFs vertreten ein bioessentialistisches Weltbild: Weil eine Person einen Penis besitzt, habe sie ein innewohnendes Bedürfnis danach, „biologische Frauen“ zu unterdrücken, und stelle deshalb auch eine Gefahr für diese dar. Dies würde im Umkehrschluss aber auch bedeuten, dass Gewalt und Unterdrückung nicht nur von Geburt aus in Männern angelegt sind, sondern auch eine andere Gesellschaft nicht möglich ist. Dies ist ein äußerst deterministisches, aber auch pessimistisches Weltbild, welches Frauen als „das Gute“ und Männer als „das Böse“ stilisiert.

Darauf wollen TERFs auch hinaus, wenn sie anmerken, dass eine Transfrau immer ein „biologischer Mann“ oder eine „falsche Frau“ bleibe, egal ob sie wolle oder nicht. Denn warum ist dies so wichtig zu betonen, wenn biologische Geschlechter nicht unter einem solch deterministischen Blickwinkel betrachtet werden würden? Wir hingegen erklären Frauen- und LGBTQ+-Unterdrückung aus dem kapitalistischen System heraus. Frauen werden ökonomisch sowie politisch benachteiligt. Sie werden in Krisenzeiten zuerst entlassen und sind gleichzeitig der Part, der für die Reproduktion des herrschenden Gesellschaftssystems zuständig ist. Denn Reproduktionsarbeit wird vor allem von ihnen geleistet. In der klassischen Rollenverteilung steht ihre Rolle als Hausfrau und Mutter im Vordergrund. Diese vorherrschenden Geschlechterrollen haben sich aus diesen historischen Spezifitäten entwickelt und stützen das kapitalistische System. LGBTQ+-Personen lassen sich schwerer in die altbekannte Zweiteilung einordnen – ein Grund, weswegen diese zusätzliche Unterdrückung erfahren.

2. Pseudoargument: „Ich unterstütze, dass du trans bist, aber ich will nicht, dass du deinem Körper schadest und die Veränderungen, die du vornimmst, permanent sind, weil du deine Meinung ändern könntest.“

Jüngere Menschen werden zusätzlich mit Misstrauen konfrontiert. Man unterstellt ihnen, zu jung oder nicht reif genug zu sein. Implizit werfen TERFs Transpersonen damit vor, dass es eine Meinung wäre und nicht eine Geschlechtsidentität ist, die man sich nicht aussuchen kann. Transjugendliche müssen sich ihr Recht, Hormone zu nehmen, um ihren Körper ihrem Geschlecht anzupassen, lange und schmerzhaft erkämpfen. Ohne ärztliche sowie psychologische Unterstützung geht das nicht, weil man diese Anpassung nicht selbst vornehmen kann. Allein diese Auseinandersetzung zu führen, zeigt Reife und lässt Raum für mögliche Bedenken. Doch wenn Letztere auftreten, gehen sie TERFs einen Scheißdreck an.

3. Pseudoargument: „Du machst nicht die gleiche Erfahrung wie ,echte Frauen’, weißt nicht, wie es ist, Misogynie zu erleben.“

Natürlich überschneiden sich die Erfahrungen von Trans- und Cisfrauen nicht vollständig. Doch auch nicht alle Cis-Frauen haben einen gemeinsamen Erfahrungshaushalt. Klasse, Herkunft, Hautfarbe, Alter sowie Gesundheitszustand führen zu unterschiedlichen Leben(släufen) sowie Arten der Diskriminierung und Ausbeutung durchs kapitalistische System: So kann sich eine reiche, weiße Frau beispielsweise die Arbeitskraft einer armen migrantischen Frau kaufen, um sich vom Reproduktionsarbeitssystem zu befreien. Das heißt nicht, dass es deswegen Sinn ergeben würde, bestimmte (in gesellschaftlichen Kämpfen anerkannte) Begriffe aufzulösen. Das heißt nur, dass man die Komplexität von Begriffen wie „Frau“ einsehen und die Frage stellen kann: Was ist denn eine „echte“ Frau? Was geht mit Frausein einher?

4. Pseudoargument: „Transmenschen sollten keinen Zugang zu Schutzräumen von Frauen (bspw. Frauenhäuser) bekommen.“

Zunächst einmal: Transfrauen sind Frauen. Allerdings wird neben bioessentialistischen Ansätzen häufig Sozialisation ins Spiel gebracht: Man sei ein Mann, weil man als solcher sozialisiert worden und somit Quelle der Gewalt gegen Frauen sei. Die spezifischen Erfahrungen von Transpersonen in der Jugend lassen sich aber damit nicht aushebeln. Es ist eine spezielle Situation, wenn junge Transmenschen permanent dafür kritisiert werden, dass sie ja nicht dem Männlichkeits- oder Weiblichkeitsbild entsprechen, in das sie die Gesellschaft versucht hineinzudrängen. Das ist keine einfache Sozialisation als Mann oder Frau, sondern führt vielmehr zu eigenen Erfahrungen und spezifischer Verinnerlichung von Konzepten, die nicht männlicher oder weiblicher Sozialisierung gleichen.

Personen können zusätzlich auch später noch eine andere Sozialisierung durchlaufen. Wenn eine Transfrau auf der Straße, im Beruf und im Freundeskreis von den meisten Personen als Frau wahrgenommen wird, wird sie eben auch als solche behandelt.

Spezifisch transfeindlicher Gewalt sind sie zusätzlich ausgesetzt, wenn sie als trans „erkannt“ werden. Das Projekt „Trans Murder Monitoring“ vermerkt weltweit mindestens 327 Morde an trans- und genderdiversen Personen zwischen Oktober 2021 und September 2022, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte. 95 % der Ermordeten waren Transfrauen oder transfeminin. Angesichts der Lebenserfahrungen, die viele Transpersonen machen müssen, wirkt es also fast schon zynisch, wenn bestimmte TERFs vorgeben, ja nur Cisfrauen vor Transpersonen schützen zu wollen.

5. Pseudoargument: „Du darfst schon trans sein, aber mach das im Privaten.“

TERFs weigern sich auffällig oft, nicht den Deadname (Name, der bei der Geburt von den Eltern vergeben wurde), sondern das gewählte Pronomen zu nutzen. Es ist heute belegt, dass es nicht nur Cismänner und -frauen gibt. Doch das Weltbild von TERFs basiert auf einer binären Geschlechtervorstellung.

Nun kann man versuchen, TERFism aus sexistischer Unterdrückung heraus zu erklären. Gerade wenn Cisfrauen unter den rigiden Erwartungshaltungen an ihr Geschlecht leiden oder für sich eine Identität als Bitchfrau (wörtlich: Schlampe, Zicke,Miststück; im übertragenen Sinn: selbstbewusste Frau) finden mussten, kann es zum Beispiel ein Dorn im Auge sein, wenn sich eine Transfrau sehr stereotyp feminin kleidet. Dass die meisten Transfrauen Feminität nicht unmittelbar mit Frau-sein gleichsetzen, sondern sich bestimmter Symbole bedienen, um gesellschaftlich als Frau erkannt zu werden und transfeindlichen Angriffen zu entgehen, wird jedoch nicht beachtet. Genauso werden Transfrauen abgelehnt, wenn sie sich maskuliner kleiden oder keine Transition vornehmen. TERFs nehmen Transpersonen hier das Recht zur freien Entfaltung und argumentieren genauso, wie Gegner_Innen von Homosexualität es lange getan haben.

Die ähnlichen Argumente und Strategien kommen nicht von ungefähr, schaut man sich an, was aus einstigen bekannten bürgerlichen Feminist_Innen wie Alice Schwarzer geworden ist, die man heutzutage wohl schlecht noch irgendeiner linken Strömung zuschreiben kann. Immer wieder aufs Neue neigen TERFs zumindest in der Frage von Geschlecht zu konservativen und rechten Kreisen. Der Angriff auf das binäre Geschlechtersystem wird als einer auf die bürgerliche Familie und den Kapitalismus selbst gesehen. Allerdings sind die einzelnen Argumentationsmuster mannigfaltig und nicht alle vertreten daneben nur rechte Positionen.

So sehr man also versucht, auf bestimmte Argumente von TERFs einzugehen, bleibt TERFism eine auf Kritik am Individuum basierende (und im Extremfall gewaltvolle) Ideologie, die die tatsächliche Wurzel von Sexismus nicht anzugreifen vermag. Doch gesellschaftliche Befreiung kann nur gemeinsam erreicht werden, weil Cisfrauen und Transpersonen vom gleichen, ausbeuterischen System unterdrückt werden. Wir müssen aber gegen die Klasse kämpfen, die uns tatsächlich ausbeutet und unsere Unterdrückung Tag für Tag möglich macht – die Kapitalist_Innen. Das Miteinbeziehen von Transpersonen in einen antisexistischen Klassenkampf untergräbt diesen nicht, sondern kann ihn nur stärker machen!

Anhang: Was, wie, wo?

TERFs hängen – stark verkürzt – einer Strömung des Second-Wave-Feminismus an. Die Unterdrückung von Frauen wird als fundamentalste gesellschaftliche verstanden und existiere seit Anbeginn des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Auch wenn radikalfeministische Aktivist_Innen und Denker_Innen auf wichtige Themengebiete (beispielsweise Rape Culture) aufmerksam machen konnten, verfolgen sie keinen revolutionären, antikapitalistischen Ansatz, sondern verbleiben oftmals auf einer individualistischen Ebene. In letzter Zeit hat sich insbesondere in Onlineräumen nun eine gar nicht so kleine Schar an Radikalfeminist_Innen gebildet, die nun nicht mehr Männer, sondern Transpersonen zu Hauptfeind_Innen der eigenen Befreiung auserkoren hat. Während die meisten TERFs vor allem in „sozialen Medien“ durch Shitstorms und Hassattacken auffallen, griffen einzelne sogar Transpersonen auf Demonstrationen in Großbritannien an.




Non-Binary in der Schule: Wie ist das so?

Interview mit Flo, Fight! Revolutionärer Frauenzeitung 11

Flo ist 15, geht zur Schule – und bevorzugt für sich keine Pronomen. Flo ist nämlich nicht-binär. Wie haben die Schulkolleg*innen reagiert? Gab es Probleme mit Lehrer*innen? Wir haben Flo um Einblicke gebeten. Das Interview führte Aventina Holzer

Wann hattest du erstmals das Gefühl, dass „männlich“ oder „weiblich“ dich nicht wirklich beschreiben?

Man stellt es sich oft bisschen so wie in den Filmen vor, oder? Man steht vorm Spiegel und realisiert, dass man eigentlich lieber einen Penis möchte, oder sich nicht wohl mit Brüsten fühlt. Also so war es bei mir eher nicht. Es waren stattdessen viele unterschiedliche Dinge. Angefangen damit, dass ich mich schon im Kindergarten mit der Unterteilung in männlich und weiblich nicht wohlgefühlt habe. Und dass mich später Leute gefragt haben, ob ich männlich oder weiblich bin. Das hat mich damals schon geärgert. Aber auch Momente wo ich selbst gesehen habe, dass ich ausschaue wie ein Bursche und mich damit plötzlich wohlgefühlt habe.

Wusstest du gleich, dass du non-binary bist?

Nein. Ich habe mir viele Dokus angeschaut, speziell zum Thema inter Personen. Dort wurde das Thema „nicht (nur) Mann und Frau sein“ aufgegriffen. Das habe ich dann auch mit meiner Mutter diskutiert, die das nicht ganz verstanden hat. Ihre Antwort auf meine Frage, ob es noch was anderes als weiblich und männlich gäbe, war „nein!“. Das hat mich damals auch ziemlich enttäuscht und den Gedanken zu meiner eigenen Nicht-Binärität nach hinten geschoben. Später habe ich dann über TikTok und Instagram viele Leute gefunden, mit deren Content ich mich identifiziert habe – und so auch mehr über meine Geschlechtsidentität herausfinden konnte. Wie hat dein Umfeld darauf reagiert? Damit hatte ich viel Glück, weil ich zu dem Zeitpunkt schon politisch aktiv war – damals bei Fridays for Future. Davor habe ich kaum queere Menschen gekannt und dann waren plötzlich alle dort gay. Ich wusste zu dem Zeitpunkt schon, dass ich nicht-binär bin und konnte das in diesem Rahmen auch zum ersten Mal äußern. Da habe ich mich dann auch zum ersten Mal getraut, meine Pronomen zu sie/er zu ändern (Anm: mittlerweile verwendet Flo keine Pronomen). Meine Eltern waren ein bisschen schwieriger, weil sie das alles nicht kannten.

Wie lief dein Outing in der Familie?

Ich war ur nervös als ich ihnen gesagt habe, dass ich keine Pronomen mehr verwende und nur bei meinem richtigen Namen genannt werden möchte. Die nächsten eineinhalb Jahre hatten wir viele Gespräche darüber und ich wurde tausendmal ge-deadnament und misgendert. Das hat auch immer wieder intentional gewirkt. Meine Oma und Tante waren dann relativ cool. Sie haben auch begonnen, keine Pronomen für mich zu verwenden und neue Begriffe für Nichte/Neffe, Enkel/Enkelin zu erfinden. In der Schule wurde mein Coming-out hingegen zum Großteil ignoriert. Vor allem weil die Leute es nicht so richtig verstanden haben, einige haben es aber auch ganz gut akzeptiert.

Wie geht es dir dir mit dem Umgang mit deiner Geschlechtsidentität in der Schule?

Naja, da ist das Namens-Ding. Wenn Lehrer*innen die „richtigen“ Namen verwenden. Mein Name ist auf keiner Liste geändert – und darum weigern sich einzelne Lehrpersonen, meinen Namen zu lernen. Eine meinte sogar, dass wir uns jetzt ja nicht erwarten sollen, dass sie unsere neuen Namen oder diese „komischen Pronomen“ lernt. Und beim Elterngespräch wurde von manchen Lehrer*innen das Thema die ganze Zeit auf Transidentität gelenkt, statt darüber zu reden, weswegen das Gespräch eigentlich stattfindet – meiner Noten. Leute gehen davon aus, dass trans Personen einfach ein allgemeines Thema sind, über das alle jetzt plötzlich reden können und mitentscheiden, was ihre körperliche Selbstbestimmung angeht. Jede*r hat eine Meinung dazu und jede trans Person muss auch immer sofort darüber diskutieren.

Wie fühlst du dich, wenn du so darüber ausgefragt wirst?

Schüler*innen sind oft verwirrt – was auch voll ok ist. Jede*r sollte nachfragen, wenn man sich bei etwas nicht sicher ist. Aber viele Leute stellen auch sehr persönliche Fragen über Transitions, die einer cis Person nie gestellt werden würden. Meine Schule selbst ist aber zum Glück eigentlich eh sehr queer geprägt. Transmaskuline Menschen können etwa bei den Burschen mitturnen zum Beispiel. Es wäre sicher an vielen anderen Schulen viel schlimmer. Trotzdem fühlt man sich als trans Person oft als Vorführexemplar.

Was hättest du dir in der Schule als Unterstützung gewünscht?

Eine Vertrauensperson, die beim Thema ausgebildet ist, wäre sehr wichtig. Die Person sollte sich auskennen, weil man sich sonst immer erklären muss und die Hürde dann sehr hoch ist, sich an diese Person zu wenden. Am Anfang wäre es auch wichtig von der Lehrer*innen-Seite aus auch zu fragen, wie die Eltern dazu stehen und das mitein-zubeziehen. So kann vermieden werden, trans Personen in unangenehme Situationen zu bringen oder auch ein Coming Out zu erzwingen.

Würde eine Thematisierung im Unterricht helfen?

Gibt es sowas aktuell? Thematisierung von trans-Identität im Unterricht ist momentan meistens freiwillig. Es heißt „wir können darüber reden, wenn es Leute interessiert“ und wenn es dazu kommt, ist es nicht besonders informiert. Es ist doch nicht nur eine Interessensfrage, es gibt so viel Falschinformation in den Medien – da braucht es eine Fixierung im Lehrplan! Schulungen zu dem Thema wären auch eine gute Sache, sonst werden queere Schüler*innen die ganze Zeit als Lexikon verwendet.

Hast du Tipps an Lehrer*innen und Mitschüler*innen, wie man am besten mit einem Coming Out umgeht?

Die eigenen Pronomen sagen hilft auf jeden Fall mal, es ist zum Beispiel cool, wenn Lehrer*innen das im Rahmen von Vorstellungsrunden aufbringen. Es ist nämlich nervig, immer selbst auf Lehrer*innen zukommen zu müssen. Fragen zu der Person und Geschlechtsidentität zu stellen, ist voll ok. Aber man sollte sich vielleicht zuerst fragen: „Kann man es googeln?“, oder: „Sind manche Fragen doch zu intim? Würdest du die einer cis Person wirklich genauso stellen?“. Zum Beispiel Fragen zu Genitalien und zum Sexualleben. Aber Fragen stellen ist natürlich schon auch sehr wichtig, speziell, wenn man Probleme beim Verstehen von Pronomen hat. Man vertut sich am Anfang, das ist nicht so tragisch, man sollte sich einfach selbst korrigieren, weitermachen und nicht voll das Drama draus machen. Das bringt sonst trans Menschen nur in eine unangenehme Situation und lenkt vom eigentlichen Thema ab. Wichtig ist eben auch, dass Information nur weitergegeben werden, wenn explizit darum gebeten wird – zum Beispiel im Rahmen von Coming-outs. Oft heißt es, nicht-binär zu sein, sei ein Jugend-Trend.

Können cis-Personen helfen, dagegen aufzuklären?

Auf jeden Fall! Wenn diese Diskussion aufkommt und man als cis Person das Gefühl hat, dass die trans Person sich eh gut auskennt, macht es trotzdem Sinn sich in die Diskussion einzuschalten. Sonst bleibt es immer an trans Personen hängen diese Diskussionen zu führen und man fühlt sich sehr alleine.

Was sind gute Argumente dagegen?

Zum Beispield, dass das Wort „nicht-binär“ zwar relativ neu ist, aber das Konzept nicht. Die Geschichte ist voll mit trans Personen und auch in den Medien gibt es einige Leute, die sich nicht wohlfühlen mit der Geschlechtsbinärität, wie sie momentan aufrechterhalten wird. Als ältere Person kann man sich sicher auch zurückerinnern an Leute, die nicht reingepasst haben in die Binärität von männlich und weiblich, die sich damit nie speziell assoziiert haben oder die vielleicht auch schon früh wussten, dass ihr biologisch zugeschriebenes Geschlecht nicht dazu passt, wie sie sich fühlen. Jetzt gibt es eben Wörter dafür.

Wie stark werden non-binary-Menschen generell heutzutage diskriminiert?

Bis heute gibt es keine gesetzliche Gleichstellung. Stigmatisierung ist immer noch ein Thema, war aber früher auch noch viel stärker. Im Kontext von der Aids-Krise sind unglaublich viele queere Menschen gestorben und da die Gesellschaft früher noch viel homophober und transphober war, waren viel weniger queere Leute bereit, sich zu outen oder überhaupt lang genug am Leben. Das hat sich mit der Zeit verändert bzw. verändert sich immer noch. Bevor man solche Aussagen trifft, wie, dass es sich um einen „Trend“ handelt, sollte man erstmal nachdenken, warum gerade jetzt Menschen sich wohl genug fühlen ihre Identität öffentlich zu diskutieren. Und natürlich gibt es durch das Internet auch mehr Zugang zu Informationen und Möglichkeiten sich anonym Ratschläge und Unterstützung zu holen. Das ist einfach eine neue Art zu kommunizieren und sie bringt auch viele neue Möglichkeiten, mit der Welt in Interaktion zu treten. Und eigentlich ist es schön, dass jetzt viel mehr Menschen zu ihrer Identität finden und zu ihr stehen können.

Über Flo

Flo ist Akivist*in beim Jugendrat und Schüler*in in Wien. Flo ist seit ein paar Jahren politisch aktiv und engagiert sich einerseits in der Klimabewegung, aber auch gegen Kapitalismus und für eine befreite Gesellschaft. Der Jugendrat ist eine politische Organisation von jungen Menschen, die sich aus der Fridays for Future Bewegung gegründet hat. Klimagerechtigkeit ist ein zentraler Grund für seine Gründung. Klimagerechtigkeit kann aber nur erreicht werden, indem man mit dem kapitalistischen System bricht, welches nur nach Profitgier Entscheidungen trifft. Deshalb ist der Jugendrat auch unabhängig von politischen Parteien, um radikal für unsere Zukunft kämpfen zu können.




Britannien: Rapist police off our streets!

Jeremy Dewar, Infomail 1214, 24. Februar 2023

Die Londoner Metropolitan Police (Met) ist von brutalen Frauenhassern durchsetzt. Dies ist nicht etwa eine rhetorische Übertreibung. Es ist eine Tatsache.

Seit der Ermordung Sarah Everards im März 2021 wurden zwölf aktive Beamte der Met wegen Sexualdelikten verurteilt, also alle zwei Monate einer.

Met-Commissioner Mark Rowley räumt ein, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist. Er überprüft derzeit 1.071 weitere Beamte, gegen die 1.633 Fälle von sexueller Gewalt und anderer Dienstvergehen gemeldet wurden. Rowley geht davon aus, dass mindestens bis ins Jahr 2025 wöchentlich „zwei oder drei” Beamte wegen Sexualdelikten und häuslicher Gewalt angeklagt werden.

Es kommen ständig neue Meldungen hinzu. Bei einer für die Öffentlichkeit eingerichteten Notfallhotline gehen derzeit durchschnittlich 40 Anrufe pro Tag ein. Derartige Straftaten werden viel zu selten gemeldet; die tatsächliche Zahl ist sicher um ein Vielfaches höher.

David Carrick

Die Mauer des Schweigens wurde am 16. Januar endgültig durchbrochen, als der Polizeibeamte David Carrick wegen 85 Fällen von Vergewaltigung sowie weiteren gegen Frauen gerichtete Sexualstraftaten verurteilt wurde, was ihn zu einem der schlimmsten Sexualstraftäter in der Geschichte des Vereinigten Königreichs macht.

Carrick vergewaltigte Frauen, sperrte sie in Schränke, urinierte auf sie, nannte sie seine „Sklavinnen” und drohte ihnen mit Mord, „ohne irgendwelche Beweise zu hinterlassen”. Er nutzte regelmäßig seine Position, um seine Opfer zu ködern und ihnen zu drohen, falls sie von seinen Taten erzählen würden.

Wie auch Wayne Couzens, der Sarah Everard ermordete, gehörte Carrick dem „Parliamentary and Diplomatic Protection Command” an, der bewaffneten Eliteeinheit, die Ministerien und Botschaften betreut. Dies zeigt einerseits, wie ineffektiv der so genannte Auswahlprozess der Met ist und belegt andererseits, dass sich Polizeibeamt:innen umso schlechter verhalten, je näher sie der staatlichen Macht kommen.

Carrick war für seine Frauenverachtung und Brutalität bekannt. Sein Spitzname lautete „Bastard Dave”. In seinen 20 Dienstjahren wurde er sage und schreibe neun Mal wegen gegen Frauen gerichteter Übergriffe bei der Met angezeigt. Nur ein einziges Mal wurde er zu eingeschränktem Dienst verdonnert und erhielt einige Monate später seine Waffe zurück, als das Opfer nicht mehr mit der Polizei kooperierte. Suspendiert wurde er nie.

Kapitalistenschweine

„Bereiten Sie sich auf weitere schmerzhafte Geschichten vor, wenn wir uns mit Fällen konfrontiert sehen, … die unsere Integrität untergraben”, warnte Commissioner Rowley und gab zu, dass Carrick nicht das letzte Monster wäre, das in den kommenden Monaten entdeckt würde. Auch in anderen Polizeidienststellen herrscht die gleiche sexistische Kultur wie in Londons „Elite” und die gleichen Verbrechen werden begangen.

Die Polizei ist institutionell sexistisch. Aber sie ist auch institutionell rassistisch, homophob, transphob und arbeiter:innenfeindlich. Sie verhaftet und misshandelt Umweltschützer:innen, streikende Gewerkschafter:innen, Schwarze und Minderheiten und greift bei friedlichen Demonstrationen von Frauen und LGBTIA+-Personen zu. Seit 1990 gab es 1.740 Todesfälle von Menschen in Gewahrsam oder nach Konfrontationen mit der Polizei.

Die Polizei wird nicht nur mit mehr Waffen, darunter CS-Gas, Schusswaffen und Taser, sondern auch mit immer mehr Rechten ausgestattet – der sogenannte „Police, Crime, Sentencing and Courts Act” (Polizei-, Verbrechens-, Verurteilungs- und Gerichtsgesetz) vom letzten Jahr gab ihr die Befugnis, Proteste aufzulösen, die zu „lästig” sind, zu lange andauern oder den Wirtschaftsbetrieb stören.

Das Gesetz über die öffentliche Ordnung („Public Order Bill”), das kurz vor der Verabschiedung steht, wird es der Polizei ermöglichen, Demonstrant:innen mit sogenannten „Serious Disruption Prevention Orders” (SDPO; Verordnungen zur Vorbeugung ernster Störungen) zu belegen. Dabei geht es [ähnlich der in Bayern bereits angewandten Präventivhaft; Anm. d. Red.] darum, eine Art Gedankenpolizei zu etablieren, die schon gegen diejenigen, die nur verdächtigt werden, künftig eine Straftat zu begehen, Maßnahmen verhängen darf. Die von diesen SDPO Betroffenen könnten u. a. elektronisch markiert, aus Teilen der Stadt oder des Landes verwiesen oder auch gezwungen werden, sich auf Polizeistationen zu melden. Es ist sogar möglich, unter eine 24-stündige Ausgangssperre gestellt zu werden, was einem Hausarrest gleichkommt.

Dass diese Ausweitung der polizeilichen Befugnisse jetzt im Eiltempo durchgesetzt wird, ist kein Zufall. Wie auch das neue Antistreikgesetz kommt die „Public Order Bill” zu einem Zeitpunkt, an dem die Regierung weiß, dass die Umwelt- und Wirtschaftskrisen noch mehr wütende Menschen auf die Straße bringen werden. Statt ihre Auswahlverfahren zu überprüfen, bereitet sie sich auf ein hartes Durchgreifen vor.

Gegenwehr

In der Nacht, als Carrick sich schuldig bekannte, skandierten die Aktivist:innen vor dem New Scotland Yard den Slogan „No justice, no peace – no rapist police!” (Kein Frieden, keine Gerechtigkeit – keine Vergewaltigerpolizei!). Sie hätten auch „no racist police” (keine rassistische Polizei) hinzufügen können, wie es „Black Lives Matter“ immer wieder gefordert hat, oder gar „no police”, wie es die „Kill-the-Bill”-Bewegung forderte.

Um all diese Forderungen zu erreichen, brauchen wir eine Bewegung all jener, die allein wegen ihres Geschlechts, ihrer Sexualität, ihrer Hautfarbe, ihrer Geschlechtsidentität oder, weil sie bereit sind, sich gegen ihre Unterdrücker:innen zu wehren, von Polizeigewalt bedroht sind.

Wir müssen für Gerechtigkeit für alle Frauen kämpfen, die unter der Hand von Polizeibeamten gelitten haben. Alle Polizisten, die beschuldigt werden, Verbrechen gegen Frauen begangen zu haben, müssen ohne Bezahlung suspendiert werden. Wir fordern eine unabhängige Untersuchung aller Vorwürfe durch die Arbeiter:innenklasse und die Strafverfolgung aller Beamten, die für schuldig befunden werden, um sie an weiteren Gewalttaten zu hindern. Außerdem brauchen wir die Entwaffnung und Auflösung von Spezialeinheiten, die glauben, sie stünden über dem Gesetz.

Um jedoch die Polizei abzuschaffen, müssen wir ihre wahre Natur verstehen. Sie bildet einen Arm des kapitalistischen Staates, der dazu da ist, Eigentumsrechte zu verteidigen, Proteste und Streiks zu brechen und Sexismus, Rassismus, Homo- und Transphobie, die uns spalten, zu verstärken. Das Ziel der Polizei besteht in der Aufrechterhaltung der kapitalistischen und patriarchalen Ordnung. Wenn wir die Polizei abschaffen wollen, müssen wir den kapitalistischen Staat selbst zerschlagen.

Nur eine demokratisch rechenschaftspflichtige Verteidigungseinheit der Arbeiter:innenklasse kann sowohl die Polizeigewalt zurückdrängen als auch die Polizei selbst durch Einheiten ersetzen, die uns gegen die wahren Verbrecher:innen verteidigen – die Kapitalistenklasse, die Schläger wie Carrick und Couzens gegen uns einsetzt.