Tarifrunde Nahverkehr 2024 – steht das Land still?

Valentin Lambert, Neue Internationale 281, April 2024

Über 87.000 Beschäftigte in kommunalen Nahverkehrsbetrieben befinden sich seit dem 05.12.2023 in Tarifverhandlungen. Davon betroffen sind über 130 kommunale Unternehmen in den Städten und Landkreisen. Jeder Tarifbereich hat im „Austausch mit den Beschäftigten“ eigenständige Forderungen entwickelt. Dies ist maßgeblich den Unterschieden der jeweiligen Tarifverträge geschuldet.

TV-N: ein Flickenteppich

Der größte Teil der kommunalen ÖPNV-Unternehmen ist den Tarifverträgen Nahverkehr angeschlossen, die in den Bundesländern (außer Hamburg) durch den jeweiligen kommunalen Arbeitgeberverband (VKA) jeweils auch vor Ort mit ver.di verhandelt werden. Die Tarifverträge regeln Arbeitsbedingungen (Mantel) und Entlohnung. In sieben TV-N ist die Entgeltentwicklung unmittelbar an die im TVöD gekoppelt. In den übrigen Bundesländern gibt es eigenständige TV-N-Entgelttarifverträge mit teilweise verschiedenen Laufzeiten.

In der letzten Tarifverhandlung 2020 stellten die Abschlüsse allesamt eine Niederlage dar. Und dabei wollte ver.di zum ersten Mal eine gemeinsame bundesweite Tarifrunde zur Vereinheitlichung des Flickenteppichs mit 16 Landestarifverträgen in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen angehen.

Die Herausforderungen für die diesjährige Tarifrunde sind vielfältig: lange Wartezeiten, überfüllte Busse, Fahrtausfälle oder fehlende Busverbindungen auf dem Land. Dem zu Grunde liegen unter anderem massiver Arbeitskräftemangel und fehlende Investitionen. Mit Blick auf die Klimakrise und die dafür unerlässliche Verkehrswende besteht dringender Handlungsbedarf.

Zu den Kernforderungen der Tarifrunde gehören Entlastungselemente wie die Verkürzung der Wochenarbeitszeit, Erhöhung des Urlaubsanspruchs und zusätzliche Entlastungstage für Schicht- und Nachtarbeit. So fordert die Gewerkschaft in NRW:

Entlastungstage für alle Beschäftigten im ÖPNV

  • Identischer Ort für Arbeitsbeginn und -ende
  • Zulage ab dem ersten Tag bei vorübergehender Übertragung höherwertiger Tätigkeiten
  • Schicht- und Wechselschichtzulage für den Fahrdienst
  • 100 Prozent Jahressonderzahlung
  • Überstunden ab der ersten Minute und in der individuellen Stufe ohne Abzug
  • Zulage für Vorhandwerker, Gruppenführer, Teamleiter nach individueller Stufe

Klimabewegung und Beschäftigte im ÖPNV

Die Gewerkschaft ver.di setzt bei der Erreichung ihrer Ziele neben den Beschäftigten auf die Klimabewegung und ÖPNV-Fahrgäste. Unter dem Motto #wirfahrenzusammen besteht das Bündnis bereits seit 2020. In den Tarifverhandlungen öffentlicher Dienst 2023 trat dieses erstmals medienwirksam für die Interessen der Beschäftigten im ÖPNV in Erscheinung. Das Potenzial ist groß, Unternehmensvertreter:innen wetterten zum Beispiel vom „Verbot politischer Streiks“. Die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung scheint eröffnet.

Bereits vor dem eigentlichen Start der 1. Verhandlungsrunde hatte ver.di mit der Kampagne #wirfahrenzusammen eine Petition an die Arbeit„geber“:innen im Nahverkehr und die politischen Verantwortlichen gestartet. Die Forderungen waren maximal aufgeweicht, von „besseren Arbeitsbedingungen, guter Bezahlung und massiven Investitionen“ ist die Rede. Durch Fahrgastgespräche und Stadtversammlungen konnten 202.000 Unterzeichner:innen mobilisiert werden. Die Petitionsübergabe erfolgte am 05.12.2023. Die Nachricht dabei: Die Fahrgäste stehen hinter den Forderungen der Beschäftigten.

Auch am 01.03.2024 streikten die Beschäftigten und FFF gemeinsam, Busse und Bahnen standen größtenteils still.

FFF kämpft in den letzten Jahren mit einem Schwund an Aktiven. Seine Demonstrationen haben an Mobilisierungspotenzial eingebüßt. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen vom Reformismus in den eigenen Reihen zu falschen Taktiken. Dass FFF seit 2023 in Arbeitskämpfen für echte politische Veränderung mitmischen will, begrüßen wir.

Die Grenzen einer hoffnungsvollen Beziehung

Es ist nämlich ein Fortschritt, sein Gesicht weg von Appellen an Staat, Regierung und „aufgeklärte“ Unternehmer:innen hin zur einzigen Klasse zu wenden, die aufgrund ihrer Stellung in Produktions- und Verwertungsprozess das Kapital nicht nur an seiner empfindlichsten Stelle treffen kann, sondern auch als allein über Wissen und Fähigkeit zur ökologischen Konversion verfügt.

Zu konstatieren gilt allerdings, dass die Bewegung hinter ihren Möglichkeiten zurück- und eine echte politische Perspektive ausbleibt. Die politische Sprengkraft kommt nämlich spätestens in dem Moment abhanden, in dem die Gewerkschaftsbürokratie und einige wenige aus FFF über Aktionsformen, Taktiken und Vorgehensweisen entscheiden: ver.di sagt, Bündnis #wirfahrenzusammen macht (bisher). Eine notwendige Kritik an der Gewerkschaftsführung wird in den einzelnen Ortsgruppen zwar toleriert, aber nicht weiter vorangetrieben. Führende Personen des Bündnisses, die „Organizer:innen“ sind bei Gewerkschaftssubunternehmen angestellt. Die Auseinandersetzung im TV-N zeigt zweierlei: zum einen gibt sich die Gewerkschaftsführung kämpferisch und progressiv – das ergibt sich aus ihrem ureigensten Zweck zur Selbsterhaltung. Zum anderen bleibt sie weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, scheut eine echte Auseinandersetzung mit den Unternehmen und wird letztlich ihrer Vermittlerrolle im Kapitalismus gerecht. Wir wissen allerdings, dass eine nachhaltige Transformation des Verkehrssektors nicht mit dessen Interessen vereinbar ist.

Politisches Potenzial

Neben den TV-N befinden sich derzeit auch Beschäftigte der Flughäfen und der DB AG in Tarifverhandlungen. Die unterschiedlichen Tarifrunden sollten und müssen eine gemeinsame Kampffront bilden, in der zu gemeinsamen Arbeitskampfmaßnahmen und Demonstrationen aufgerufen wird. Das wäre ein wahrhaftiger Stillstand der Bundesrepublik, welcher in Verbindung mit Massendemonstrationen Diskussionen um ein politisches Streikrecht wieder aufflammen lassen könnte. Dies ist umso notwendiger, als bereits jetzt Stimmen laut werden, die die Einschränkung des Streikrechts in relevanten Bereichen (z. B. Bahn) fordern, darunter auch aus der Regierungspartei FDP. Für die Verknüpfung der Tarifrunden braucht es gewerkschaftsübergreifende Streikkomitees, die auch eine politische Gegenwehr in Gestalt von Massenstreiks bis hin zum Generalstreik vorbereiten helfen können, wenn die Drohungen in die Tat umgesetzt werden. FFF ist darüber hinaus gut beraten, Solidaritätskomitees nicht nur zur Unterstützung der TV-N-Beschäftigten im Arbeitskampf, sondern auch zu den Lokführer:innen und zum Flughafenpersonal im Streik. Schließlich dient das nicht nur deren Erfolg, sondern schafft auch erst die Möglichkeit, ein breiteres Fundament für eine echte Verkehrswende innerhalb der Arbeiter:innenschaft zu legen, also für ein ureigenes Anliegen der Klimaaktivist:innen selbst!

Gemeinsam kämpfen!

Wie aus den vorgenannten Abschnitten hervorgeht, bildet die regionale Zersplitterung des TV-N eine große Schwäche im Kampf für „Klimagerechtigkeit“, welcher nicht vor Bundesländergrenzen haltmachen sollte. So wurde am 01.03.2024 im Rahmen eines Aktionstages zwar größtenteils zusammen gestreikt, für die weiteren Verhandlungsrunden ist dies aber nicht so sicher. Bei der Hamburger Hochbahn, in Brandenburg und im Saarland sind bereits Tarifeinigungen erzielt, während die Tarifkommission in NRW die Einleitung der Urabstimmung beschlossen hat.

Wir fordern:

  • Einen vereinheitlichten TV-N: Solange einzelne Tarifauseinandersetzungen noch laufen, darf kein Abschluss anderswo erfolgen. Vorbereitung der Urabstimmungen für unbefristete Streiks.
  • Klassenkämpferische Gewerkschaftsbasis:  Aufbau von Aktionskommitees aus Beschäftigten, welche Streiks planen, ausdiskutieren und über die nächsten Schritte in der Tarifauseinandersetzung entscheiden. Die Beschlüsse sind für die Tarifkommissionsmitglieder bindend.
  • Transparente Tarifverhandlungen: Rechenschaftspflichtige Mitglieder der Tarifkommission und bindende Beschlüsse bei Entscheidungen.
  • Solidaritätskomitees der Klimabewegung und Fahrgäste zur Streikunterstützung. Gewerkschaftsübergreifende Streikkomitees im ÖPNV, bei der Bundesbahn und an Flughäfen. Für eine einheitliche Logistikgewerkschaft, die alle Beschäftigten im Personen-, Güter- und Datentransport umfasst!
  • Politische Massenstreiks der gesamten Gewerkschaftsbewegung gegen die geplanten Angriffe aufs Streikrecht vorbereiten.
  • Einen kostenlosen ÖPNV für alle, finanziert durch die Gewinne der Konzerne in klimaschädlichen Industrien!



Stadtverwaltung Stuttgart: Der Streik ist legal!

Interview mit einer Beschäftigten der Stadtverwaltung, Infomail 1238, 11. Dezember 2023

Die Beschäftigten der Stuttgarter Stadtverwaltung kämpfen seit Wochen für Einkommensverbesserungen. Am 4. Dezember streikten sie für Einkommensverbesserungen im Rahmen der Altersteilzeit und eine Ballungsraumzulage. Das folgende Interview führten wir mit einer Streikenden.

Arbeiter:innenmacht (AM): Hallo, warum habt Ihr am 4. Dezember gestreikt? Der Tarifvertrag TVöD läuft doch noch?

Antwort: Das stimmt. Aber bei der letzten Tarifrunde zum TVöD wurde nicht über das Thema Altersteilzeit entschieden, da ein Abschluss dazu damit verbunden gewesen wäre, eine spätere Tabellenerhöhung zu bekommen. Dies wurde von der Tarifkommission damals abgelehnt.

Dadurch ist man rechtlich beim Thema Altersteilzeit außerhalb der Friedenspflicht und darf dafür streiken. Neben den Beschäftigten in Stuttgart machen auch die in Köln davon Gebrauch. Die Stadt Stuttgart ist gegen den ersten Streikaufruf rechtlich vorgegangen und hat vor Gericht verloren, was schon mal ein wichtiger Erfolg für uns Beschäftigte war.

AM: Es geht also um eine Regelung zur Altersteilzeit?

Antwort: Ja, und um eine Stuttgartzulage: Bei uns in der Betriebsgruppe (BG) ist das Thema Ballungsraumzulage schon länger präsent und es war klar, dass wir es nach der Tarifrunde angehen wollten. Die Stadt München hat ja schon jahrelang eine tarifierte Zulage. In der BG war uns deshalb immer klar, die Zulage wollen wir nur tarifiert. Die Höhe haben wir in der BG diskutiert und haben uns an der Zulage, welche sich die Bürgermeister:innen im März selbst gegeben haben, orientiert: 472,52 Euro im Monat für alle Beschäftigten mehr.

Nachdem wir ja für die Zulage nicht streiken dürfen, haben wir das Streikrecht für die Altersteilzeit genutzt, um das Thema Zulage zu platzieren. Seit Juli haben wir für eine Stuttgartzulage über 7.300 Unterschriften von 11.000 Beschäftigten gesammelt.

AM: Und dann habt ihr losgelegt?

Antwort: Im November war dann der erste Streiktag. Hier wurde der Tag der ersten Lesungen für die Haushaltsberatungen gewählt, da dort der Gemeinderat über das Thema diskutieren und beschließen sollte. Doch der Tagesordnungspunkt wurde verschoben auf den 4. Dezember, also haben wir gestern diesbezüglich nochmal gestreikt. Kurzerhand haben Sie das Thema auf den nächsten Tag, also heute, 5. Dezember, verschoben, was uns alle sehr aufgeregt hat, und wir fanden es auch sehr feige, weil man offensichtlich den Streikenden aus den Weg gehen wollte. Der Streik hat direkt vorm Rathaus und Sitzungssaal stattgefunden.

Doch ver.di hat dann direkt beschlossen, dass wir spontan am Dienstag auch streiken. Das haben wir heute auch getan und der Gemeinderat hat beschlossen, dass es eine Zulage in Höhe von 150 Euro ab 01.07.24 geben solle, aber nicht tarifiert, sondern im Rahmen der Haushaltsbeschlüsse. Das ist eine Klatsche ins Gesicht, da der OB schon vor einigen Monaten angekündigt hat, dass er sich höchstens eine untarifierte Zulage in Höhe von 150 Euro vorstellen kann. Das heißt, unser Streik hat hier an seinem Vorschlag nichts geändert. Ein Gewinn ist nur, dass im nächsten Jahr nochmal über die Tarifierung entschieden werden soll. Anscheinend kann über die Tarifierung nur alle 6 Monate entschieden werden, daher momentan nicht. Was jetzt bzgl. Altersteilzeit beschlossen wurde, weiß ich gar nicht. Ich glaube, über das Thema wurde heute gar nicht gesprochen.

AM: Wie geht es weiter?

Antwort: Die meisten Beschäftigten sind wütend auf den OB. Aufgrund des Ergebnisses treffen wir uns nächsten Montag, den 11.12., wieder in der Betriebsgruppe und diskutieren, wie es weitergeht und ob wir nochmal streiken und wann. Vielleicht im nächsten Jahr erst.

Frage: Kannst du noch was zum Ablauf des Streik sagen?

Antwort: Am Streiktag vom 4.12. gab es eine große Streikversammlung mit offenem Mikro. Das war super, das gab es so während der Tarifrunde TVöD nicht in dieser Form. Die Stimmung war auch sehr gut. Die Beschäftigten im Erziehungs-/Pflegebereich sind einfach komplett am Ende und verzweifelt wegen Überlastung. Die Beschäftigten der Gärtnerei sind komplett unterbezahlt und versuchen, sich mit Nebenjobs über Wasser zu halten. Sie fanden die 470 Euro Zulage im Monat zu wenig – verständlich!

Sonst kamen kaum politische Statements, obwohl bei dieser Versammlung auch politische Gruppen anwesend waren mit ein paar Plakaten oder Flyern.

AM: Was denkst du, wie der Konflikt erfolgreich gewonnen werden kann?

Antwort: Ich finde es schwierig, dieses Thema zuzuspitzen und weiterführende Forderungen zu finden. Es braucht mehr Geld, völlig klar, und ich denke, man könnte in dem Rahmen auch einfach mal Vorschläge machen, woher das Geld kommen soll. Cuno Burne-Hägele, Geschäftsführer von ver.di (Bezirk Stuttgar), ist z. B. auf Stuttgart 21 eingegangen, was ich auch ein gutes Beispiel finde, um zu zeigen, dass Geld da ist.

Wir müssen das auch in der Betriebsgruppe nächsten Montag diskutieren. Die Forderung einer Ballungsraumzulage spielt ja auch bei der Tarifrunde der Länder eine Rolle. Das Teuere in der Stadt sind ja v. a. die Mieten, die dazu führen, dass eine Zulage notwendig wird. Die Forderung, dass der/die Arbeit„geber“:in für die teueren Mieten aufkommen soll, finde ich nicht schlecht, aber eine solche Zulage schließt Personen in anderen Städten aus oder die Leute, die in Stuttgart leben, aber woanders arbeiten. Es braucht ja eigentlich auch eine Zulage wegen Inflation, aber das sollte eigentlich die Tarifrunde ausgleichen,was sie ja nicht getan hat.

Jetzt stellt sich mir die Frage, ob man mit der Forderung einer Zulage einfach dem schlechten Tarifergebnis aus dem Weg geht und versucht, anders an Lohnerhöhungen zu kommen, weil ver.di es in der Tarifrunde verkackt hat, die Reallöhne zu sichern.

AM: Danke Dir, Du hast da wichtige Fragen angeschnitten, die ja auch anderswo gestellt werden. Es braucht wohl noch einige Debatten dazu in ver.di und darüber hinaus. Für Euren Kampf viel Erfolg!




Tarifrunde öffentlicher Dienst der Länder 2023: Wie erfolgreich kämpfen?

Helga Müller, Neue Internationale 278, November 2023

Am 26. Oktober 2023 fand die erste Verhandlungsrunde für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten der Länder im öffentlichen Dienst – davon rund 1,2 Millionen Tarifbeschäftigte und 1,3 Millionen Beamt:innen – statt. Dass die Verhandlungsführung der Länder nicht von einer normalen Tarifrunde ausgeht, hat sie bereits vor Beginn der ersten Verhandlung klar gemacht. Ihre Vertreter:innen faseln von leeren Kassen, für die Forderungen der Kolleg:innen nach 10,5 % bzw. 500 Euro sei kein Geld da. Wie immer seien sie maßlos überzogen.

Gab es in der Tarifrunde von Bund und Kommunen noch eine unerwartet hohe Mobilisierung – sogar höher als in der Tarifrunde von 1992 unter Ägide der ÖTV –, versuchen die Arbeit„geber“:innen jetzt die Gunst der Stunde zu nutzen, um in der Ländertarifrunde einen noch höheren Lohnverlust durchzusetzen als den bei Bund und Kommunen – wohl wissend, dass ver.di und die anderen Gewerkschaften in diesem Bereich über weniger Kampfkraft verfügen als dort.

Kampfansage

Das ist eine Kampfansage an ver.di, GEW und Belegschaften. Sie wollen in dieser Runde einen Einbruch in die Gehaltsstrukturen erreichen. Das ist nichts anderes, als die Kolleg:innen für die Kosten der Milliardenausgaben für die Unterstützung der Unternehmen während der Pandemie und für die Hochrüstung zahlen zu lassen. Dagegen reicht ein Jammern der ver.di-Verhandlungsführerin Christine Behle, dass die Arbeit„geber“:innen der Länder noch nicht verstanden hätten, wie dramatisch die Arbeitssituation der Kolleg:innen ist, nicht. Nein, liebe Christine, die wissen das sehr genau und Du weißt das auch! Sie wollen tatsächlich diese Tarifrunde nutzen, um hier einen größeren Einbruch in das Lohngefüge der Kolleg:innen zu erreichen. Und da hilft kein Hoffen auf die Einsicht bei den Arbeit„geber“:innen. Es geht nicht um „Sachargumente“ im luftleeren Raum, sondern gegensätzliche Klasseninteressen, die auch im öffentlichen Dienst ausgetragen werden.

Die Beschwörung der „Einheit“ aller im öffentlichen Dienst, von Arbeit„geber“:innen und Beschäftigten, hat nie zu einem Erfolg geführt – auch nicht in der letzten Tarifrunde bei Bund und Kommunen mit einer gigantischen Mobilisierung, auf die gestützt ein Durchsetzungsstreik möglich gewesen wäre.

Im Gegenteil, es müssen die Klassenfronten aufgezeigt werden: Wir müssen unsere Existenz – dazu gehören Einkommenserhöhungen, die die Inflation wirklich ausgleichen und die Verluste der letzten Jahre wettmachen –, in einer kollektiven harten Auseinandersetzung mit einer Vollmobilisierung und Massenstreiks durchsetzen!

Das wäre sicherlich auch ein Mittel, um Kolleg:innen, die noch zögern und meinen, man könne den Abschluss des TVöD einfach auf die Tarifrunde der Länder übertragen, davon zu überzeugen, dass konsequente Streiks notwendig sind, um die Forderungen durchzusetzen.

Das Geschwätz von den leeren Kassen

Das Geschwätz von den leeren Kassen muss durchbrochen werden. Der gesellschaftliche Reichtum ist vorhanden: Allein die Automobilindustrie, die am meisten von den Kurzarbeiter:innengeldern und anderen staatlichen Millionensubventionen während der Pandemie profitiert hat, liegt weiterhin auf Gewinnkurs. Im Jahr 2022 erzielten die deutschen Autobauer trotz Krise einen Nettogewinn von 50 Mrd. Euro (Zahlen nach ntv, 5.9.2023). Politische Forderungen wie eine Vermögensabgabe, die Wiedereinführung der Vermögensteuer und vor allem eine progressive Besteuerung von Kapitalgewinnen sind jetzt nötig.

Dies ist umso dringender, weil die Bundesregierung derzeit dabei ist, einen Sparhaushalt durchzusetzen, der 30 Milliarden Einsparungen vor allem im sozialen Bereich vorsieht. Das betrifft auch die Länderhaushalte, die noch weniger abkriegen werden – wie jetzt schon. Gleichzeitig werden die 100 Mrd. an Sondervermögen und jährlichen Ausgaben für den Wehretat von mindestens 2 % des BIP für die Aufrüstung der deutschen Bundeswehr nicht in Frage gestellt. Dieser Sparhaushalt ist nichts anderes als die Umsetzung dessen, dass die Regierungen die Arbeiter:innenklasse – Arbeitende und Arbeitslose – Jugendliche, Rentner:innen und Geflüchtete für die Krise zahlen lassen wollen. Dazu gehört auch das Geschwätz von den angeblich leeren Kassen!

Deswegen ist es dringend notwendig, in dieser Tarifrunde auch diesen politischen Zusammenhang aufzuzeigen und es zu nutzen, um gegen Aufrüstung und Sparhaushalte zu mobilisieren. Die notwendigen Forderungen nach 10,5 % bzw. 500 Euro mehr müssen voll durchgesetzt werden und dies ist nur möglich, wenn eine Perspektive aufgezeigt wird, wer die Verantwortung für Krise und Aufrüstung hat und wer dafür zahlen soll!

Vorbereitung und Mobilisierung

Darauf müssen die Kolleg:innen in den Einrichtungen, Schulen, Krankenhäusern und Betrieben jetzt vorbereitet werden. Dafür ist es essentiell, flächendeckend in den Kampf zu gehen. Ver.di sagt selber immer wieder, dass die Kolleg:innen im öffentlichen Dienst der Länder einen Nachholbedarf haben sowohl gegenüber denen in Bund und Kommunen als auch – und vor allem – gegenüber denen in der Privatwirtschaft.

Dass es möglich ist, auch Kolleg:innen in Bereichen, die bisher nicht so kampfstark waren, in einen unbefristeten Durchsetzungsstreik zu führen, haben die Krankenhausbewegungen für einen Tarifvertrag Entlastung in Berlin und NRW aufgezeigt. Gerade Pflegekräfte galten ja immer als die Belegschaftsteile, die sehr schwer zu Streiks zu bewegen seien, weil sie ihre Patient:innen nicht im Stich lassen wollen. Doch sie haben gezeigt, dass das nicht stimmt.

Dieses Beispiel gilt es, auch im Bereich der Länder aufzugreifen. Sicherlich wurden auch hier Tarifbotschafter:innen bestimmt. Diese müssen aber auch auf ihre Rolle als Träger:innen der Mobilisierung für Streiks und öffentliche Aktionen und vor allem als diejenigen, die auch über die Vorgehensweise zusammen mit den Kolleg:innen in den Dienststellen, Einrichtungen und Betrieben diskutieren und entscheiden, vorbereitet werden. Die Kolleg:innen müssen den Kampf unter ihre Kontrolle bekommen und z. B. auf Streikversammlungen über die Verhandlungen transparent und regelmäßig informiert werden. Vor allem aber brauchen sie die Entscheidung und nicht die Bundestarifkommission, wie der Kampf fortgeführt werden kann. Dafür sind der Aufbau von Streikkomitees, die Delegierte aus den Abteilungen umfassen, die auch jederzeit abwählbar sind, wenn sie ihre Aufgabe nicht erfüllen, sinnvoll und notwendig.

Uns ist bewusst, dass es sehr schwer wird, die Forderungen im öffentlichen Dienst durchzusetzen. Warnstreiks und ein paar Verhandlungsrunden werden nicht ausreichen. Notwendig ist, dass wir unsere gesamte Kampfkraft in die Waagschale werden und so schnell wie möglich die Urabstimmung über einen Vollstreik einleiten. Gegen die mediale Hetze und das Märchen von den leeren Kassen müssen wir gemeinsame Aktionen mit anderen Gewerkschaften und Solidaritätskomitees im Kampf aufbauen. Wenn Geld für Kitas, Schulen, öffentliche Verwaltung angeblich nicht vorhanden ist, dann müssen wir es uns bei den Reichen, Großkonzernen und Banken holen.




Stimmen aus der Tarifrunde-Länder: Erwartungen drücken oder Perspektiven geben?

Ein ver.di-Mitglied aus Berlin, Neue Internationale 278, November 2023

Seit einigen Monaten bin ich als Tarifbeschäftigter im TV-L in der Vorbereitung der Tarifrunde der Länder aktiv. Ich gehe mit Kolleg:innen auf Veranstaltungen wie tarifpolitische Konferenzen, Branchenkonferenzen, regionale wie überregionale, Tarifbotschafter:innentreffen, Fachbereichskonferenzen und vieles mehr. Alle verlaufen nach einem gewissen Schema F., auch wenn diese partizipativer ablaufen mögen als viele andere Gewerkschaftsveranstaltungen, da mein Fachbereich in Berlin-Brandenburg, FB C, stark durch die Krankenhausbewegung geprägt wurde und Organizing hier beliebt ist. Das Schema F bleibt aber, um die Erwartungen auf einen erfolgreichen Arbeitskampf zu dämpfen.

Überall wird gesagt, dass wir zu schwach organisiert sind. Christine Behle, stellvertretende ver.di-Vorsitzende, sagte beim ersten bundesweiten Treffen der Tarifbotschafter:innen direkt, dass wir nicht sofort von tabellenwirksamen Entgelterhöhungen ausgehen dürfen. Frank Werneke setzte gleich noch nach und führte das neue Mantra ein, dass die Krise ausgeblieben sei. Was uns hiermit bedeutet werden soll, ist, dass wir schuld sind, wenn ein schlechtes Ergebnis herauskommt. Und dass die Teuerungen der letzten beiden Jahre, die im Durchschnitt bei über 14 % liegen, gar nicht so wild sind.

Nur eines fehlt mir bei diesen Analysen: die Perspektive! Es stimmt, wir brauchen eine bessere Streikfähigkeit. Es stimmt, die Länder sind wenig verhandlungswillig. Denn sie lügen sich die Taschen voll und damit die Kassen leer, während die Steuereinnahmen hochkorrigiert werden mussten. Und das stört mich. Ich erwarte, dass mir die Gewerkschaftsführung einen Plan vorlegt, wie die Schwäche gebrochen werden kann. Ich erwarte, dass ich in meiner Gewerkschaft einen Raum bekomme, gerne auch mit demokratischen Möglichkeiten, wo wir über eine Streikausrichtung diskutieren und beschließen können, die auch den Erfolg ermöglicht. So wäre die Bedingung von 12 Monaten Laufzeit des Vertrags eine, denn dann könnten wir im öffentlichen Dienst zusammen streiken mit den Tarifbeschäftigten des TVöD bei Bund und Kommunen oder auch mit den Kolleg:innen der GDL. Aber nein: Wer Verbündete wie den Gewerkschaftsapparat hat, braucht keine Gegner:innen.




TV-L: Richtig kämpfen statt alter Rituale!

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften Berlin, Flugblatt zur Tarifrunde Länder vom 26. Oktober, Infomail 1235, 30. Oktober 2023

Wir sind mitten drin: Der TV-L und damit verbunden der bundesweite Kampf um den TVStud haben angefangen. Doch bei Bund, Ländern und Kommunen heißt es: „Die öffentlichen Kassen sind leer!” Tarifforderungen der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst werden als „unrealistisch” abgebügelt. Doch während man von „leeren Kassen” redet, stehen für einen Rüstungshaus- halt 71 Milliarden bereit und Industriestrom wird subventioniert, während die Übergewinne der Energieriesen nicht angetastet werden. Geld ist also genug da. Die brennende Frage ist: Wie wird es tabellenwirksam?

Nicht klein reden lassen!

Der ver.di-Vorstand und die Spitzen der anderen Gewerkschaften im Öffentlichen Dienst setzen nicht auf Konfrontation, sondern auf Tarifrundenritual mit Verhandlungen. Zugleich soll dem Vor- gehen ein möglichst demokratischer Anstrich gegeben werden. Daher organisierte ver.di eine Umfrage zu den Forderungen unter den Mitgliedern, deren Fragestellungen jedoch vom Apparat vor- gegeben worden sind.

Statt großer gemeinsamer Mobilisierungen gibt es für jeden Teilbereich eigene Aktionstage – ganz so als ob man vermeiden möchte, dass man auf uns aufmerksam wird. Denn ausbrennen würden wir uns nicht, wenn wir mehrfach auf die Straße gehen. Vielmehr würde das den bisher nicht organisierten und unentschlossenen Kolleg:innen zeigen, dass wir wirklich bereit sind zu kämpfen.

Bei der Umfrage ist das rausgekommen, was die Gewerkschaften auch im TVÖD forderten. Überraschung. Weitergehende Forderungen, wie sie beispielsweise Kolleg:innen der ver.di-Betriebs- gruppe der FU Berlin aufgestellt haben, wurden ignoriert. Wichtig ist vor allem, dass sich der weit hinter den Forderungen zurück- bleibende Abschluss der Kolleg:innen des TVÖD nicht wiederholt. Konkret stehen wir deswegen vor allem für Folgendes ein:

1. Reallohn sichern!

Nach dem heftigen Reallohnverlust der vergangenen Jahre brauchen wir eine kräftige tabellenwirksame Entgelterhöhung, die das ausgleicht und insbesondere die überproportionale Belastung niedrigerer Einkommen durch Inflation, hohe Energiepreise sowie Mieten berücksichtigt. Am 11. Oktober hat die Große Tarifkommission von ver.di die Forderung von 10,5 % bei mindestens 500 Euro aufgestellt.

Wenn die ver.di-Spitze jetzt die gleiche Forderung für den TV-L

aufstellt, wie sie für den TVÖD aufgestellt wurde, kann man davon ausgehen, dass sie auch einen ähnlichen Abschluss anstrebt bzw. damit zufrieden sein wird. Angesichts des schlechteren Organisationsgrades bei den Ländern haben die Bürokrat:innen an der Spitze auch schon ein wohlfeiles Argument, um die Verantwortung für einen noch schlechteren Abschluss abzuwälzen.

2. Tabellenwirksam statt Einmalzahlungen!

Sozialversicherungsfreie Einmalzahlungen als „Ersatzlohn“ („Inflationsausgleichsprämie“) lehnen wir ab, da sie sich auf das Tabellenentgelt nicht auswirken und außerdem die Kolleg:innen benachteiligen, die z.B. über die Hausverträge an den TV-L nur „angedockt“ sind und diese Zahlungen nicht erhalten. Da die Höhe der in Zukunft zu erwartenden Inflation nicht vorherzusagen ist, fordern wir einen automatischen Inflationsausgleich (gleitende Lohnskala), damit der Reallohn mit den steigenden Preisen, die die Beschäftigten in „Echtzeit“ treffen, Schritt halten kann.

Erst recht dürfen wir uns auf keine Zugeständnisse bei der Laufzeit einlassen. 10,5 %/500,-Euro müssen auch wirklich 10,5%/500,- Euro sein. Außerdem bedeutet eine Laufzeit von einem Jahr auch, dass wir rascher auf veränderte Bedingungen reagieren können, ohne dass wir für zwei Jahre oder noch länger wehrlos in der Friedenspflicht hängen.

3. Schluss mit der prekären Beschäftigung Studierender!

Wir unterstützen zugleich die bundesweite TV-Stud-Kampagne für einen Tarifvertrag für die studentischen Beschäftigten an den Hochschulen. In Berlin gibt es zwar schon einen Tarifvertrag, nichtsdestotrotz ist die Lage der studentischen Beschäftigten prekär und sie sind gegenüber TV-L-Beschäftigten benachteiligt. Deshalb fordern wir die Überführung des TV-Stud in den TV-L bzw. TVÖD, um einer Spaltung der Beschäftigten entgegenzuwirken.

Umsetzung erkämpfen!

Wir müssen auch dafür kämpfen, dass die Umsetzung der Forderungen durchgesetzt wird und dass wir nicht wie unsere Kolleg:innen mit TVÖD mit faulen Kompromissen abgespeist werden, die für viele Beschäftigte einen weiteren Reallohnverlust bedeuten.

Dafür ist es notwendig, dass sich die Kolleg:innen, die dafür kämpfen wollen, über die Betriebe, Dienststellen, aber auch über die Bezirke und Länder hinweg enger zusammenschließen. Als Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften wollen wir dafür einen Rahmen bieten, also setzt euch mit uns in Verbindung!

Gleichzeitig müssen die streikenden Kolleg:innen die Möglichkeit erhalten, über Streikmaßnahmen zu diskutieren und zu entscheiden und zwar auf Streikversammlungen, in denen alle zusammengefasst werden. Um dies zu organisieren und damit die Kolleg:innen die Kontrolle über ihren Streik erhalten, ist der Aufbau von Streikkomitees notwendig. Diese sollten z. B. aus demokratisch gewählten Tarifbotschafter:innen der Abteilungen bestehen und auch wieder abgewählt werden können, wenn sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind. Darüber hinaus brauchen die Kolleg:innen die volle Transparenz über die Verhandlungen statt Geheimabsprachen der Bundestarifkommission mit den Arbeit„geber“:innen. Uns ist bewusst, dass es sehr schwer wird, die Forderungen im Öffentlichen Dienst durchzusetzen. Warnstreiks und ein paar Verhandlungsrunden werden nicht ausreichen. Notwendig ist es, dass wir unsere gesamte Kampfkraft in die Waagschale werfen und so schnell wie möglich die Urabstimmung über einen Vollstreik einleiten. Gegen die mediale Hetze und das Märchen von den leeren Kassen müssen wir gemeinsame Aktionen mit anderen Gewerkschaften und Solidaritätskomitees mit dem Kampf aufbauen. Wenn Geld für Kitas, Schulen, öffentliche Verwaltung angeblich nicht vorhanden ist, dann müssen wir es bei den Reichen, bei den großen Konzernen und Banken holen.




TV-L: Die Forderung von 10,5 % und was sie wirklich aussagt

Mattis Molde, Infomail 1233, 14. Oktober 2023

Am 11. Oktober hat die Große Tarifkommission von ver.di die Forderung von 10,5 %, mindestens 500 Euro, aufgestellt. Exakt die gleiche Forderung wie beim TVöD.

Eine echte Diskussion war im Vorfeld nicht zugelassen worden. Auf allen Versammlungen wurden Beiträge zur Höhe der Forderung unterbunden oder gleich gar keine Diskussion vorgesehen. Stattdessen erfolgte eine „Befragung“, in der die Mitglieder jeweils individuell  vorgegebene Fragen beantworten konnten. Keine Diskussion, keine eigenen Vorschläge machen dürfen – das ist „Demokratie“ nach Art der Bürokratie!

Eine solche Art von gesteuerter „Diskussion“ erlaubte es der Führung, eine Forderung aufzustellen, die sie offensichtlich von vorneherein beabsichtigt hatte. Warum aber haben die Spitzenbürokrat:innen nicht im Vorfeld offen für diese geworben? Die Argumente, die sie jetzt vorbringen, hätten auch schon vor 2 Monaten den gleichen Wert gehabt:

  • dass der Öffentliche Dienst doch eine Gemeinschaft sei, egal ob Bund, Länder oder Kommunen,
  • dass die wirtschaftliche Lage ähnlich sei, die Inflation vielleicht sogar etwas zurückgegangen.

Ganz offensichtlich sollte nicht nur eine innergewerkschaftliche Debatte um die soziale Lage, um die Politik der Regierung, die diese mitverursacht hat, um die TVöD-Runde, in der die Gegenseite mal wieder das berüchtigte Schlichtungsabkommen zog – an dem die Bürokratie aber festhält, obwohl es der Gewerkschaft immer nur Nachteile verschafft –, und um einen Abschluss, der ohne richtigen Streik zu einer fetten Niederlage führte, vermieden werden. Statt der geforderten 10,5 %, mindestens aber 500 Euro bei einem Jahr Laufzeit, wurde folgendes vereinbart:

  • Inflationsausgleich von insgesamt 3.000 Euro in Teilzahlungen.
  • 1.240 Euro davon sind bereits in diesem Juni geflossen, weitere 220 Euro dann jeweils in den Monaten von Juli bis Februar 2024.
  • Zum 1. März 2024 sollen die Entgelte in einem ersten Schritt um einen Betrag von 200 Euro angehoben werden.
  • In einem zweiten Schritt soll der dann erhöhte Betrag noch einmal linear um 5,5 Prozent steigen. Die Erhöhung soll allerdings in jedem Fall 340 Euro betragen.
  • Die Laufzeit beträgt 24 Monate.

Dieses Ergebnis war und ist vor allem durch 2-jährige Laufzeit ein herber Reallohnverlust.

Was bedeutet die Forderung konkret?

Wenn man von einer Inflationsrate für 2022 von 8 % und für 2023 von 6 % ausgeht, wie es die ver.di-Oberen z. B. auf der Tarifbotschafter:innen-Versammlung am 11. Oktober getan haben, dann sind das zusammen knapp 14,5 %. Die letzte Tariferhöhung von 2,8 % wurde also komplett aufgefressen, und selbst 10,5 % in 12 Monaten könnten das nicht mehr wettmachen.

Wenn die ver.di-Spitze jetzt die gleiche Forderung für den TV-L aufstellt,  kann man davon ausgehen, dass sie den gleichen oder einen sehr ähnlichen Abschluss anstrebt bzw. damit zufrieden ist. Angesichts des schlechteren Organisationsgrades bei den Ländern haben die Bürokrat:innen an der Spitze auch schon ein wohlfeiles Argument, um die Verantwortung für einen noch schlechteren Abschluss abzuwälzen.

Was bedeutet dieses Vorgehen?

Das antidemokratische Vorgehen der Führung hat eine klare Botschaft: Wir entscheiden, wie die Forderung aussieht, wir entscheiden, ob und wie gekämpft wird, und wir entscheiden, was abgeschlossen wird.

Es bekräftigt die Aussage des TVöD-Tarifkampfes: Ihr könnt die Forderung von unten hochdrücken, ihr könnt Euch und Eure Kolleg:innen besser mobilisieren als die letzen 15 Jahre, wir drücken trotzdem das durch, was wir für richtig halten, was wir mit der Regierung in der Konzertierten Aktion vor einem Jahr abgesprochen haben, und wir werden es schaffen, uns durch „Befragungen“ oder „Voten“ eine Legitimation zu holen.

Es bekräftigt die Gesamtaussage aller großen Tarifauseinandersetzungen des letzten Jahres, dass, egal wie hoch der Organisationsgrad und die Kampfbereitschaft sind, sie schützen nicht davor, in Tarifverhandlungen von der Führung ausverkauft zu werden. Im Verlauf des letzten Jahres haben Chemie, Metall, TVöD, Post und EVG sehr ähnliche Abschlüsse erzielt. Viele Gewerkschaften, aber eine Politik!

Was bedeutet dies für kämpferische Gewerkschafter:innen?

Es darf keinesfalls bedeuten, jetzt auf den Tarifkampf zu verzichten. Das würde gerade den rechten Bürokrat:innen in der Gewerkschaft entgegenkommen. Die verzichten gerne auf kämpferische Leute und stützen sich auf Trägheit und Gehorsam.

Zum Zweiten würde die Gegenseite eine Schwäche der Gewerkschaft sofort ausnutzen, einen noch schlechteren Abschluss durchzudrücken.

Für uns kommt es darauf an, den Kampf für ein gutes Ergebnis damit zu verbinden, die Kolleg:innen in unseren Betrieben zu aktivieren, zur Kritik an der Gewerkschaftsbürokratie anzuregen und diese auch in die Gewerkschaft gemeinsam hineinzutragen. Wir müssen in der Tarifrunde darum kämpfen, dass die Mobilisierung unter Kontrolle der Basis stattfindet, es keinen Abschluss ohne deren Zustimmung geben darf. Wir müssen uns klar vor Augen halten, dass wir nur dann die Forderungen durchsetzen können, wenn wir uns nicht auf Geheimverhandlungen einlassen, sondern möglichst rasch zur Urabstimmung und zu einem flächendeckenden Streik kommen. Natürlich wird das schwer, aber wir müssen dafür nicht nur breit im öffentlichen Dienst mobilisieren, sondern die Auseinandersetzung verbreitern und gemeinsam mit anderen Gewerkschaften führen.

Dazu ist nötig, dass wir uns auf allen Ebenen vernetzen und eine oppositionelle, klassenkämpferische Basisbewegung aufzubauen, so dass wir von kritischen Betriebsgruppen zu einer bundesweiten ver.di-Opposition z. B. im Rahmen der VKG kommen. Nur so können wir die Tricks und Manöver der Bürokratie erkennen und bekämpfen und einen wirklichen Kurswechsel in den Gewerkschaften herbeiführen.




Tarifrunde öffentlicher Dienst der Länder: Für die Durchsetzung eines realen Inflationsausgleichs!

Helga Müller, Neue Internationale 277, Oktober 2023

Am 11. Oktober 2023 entscheidet die Bundestarifkommission von ver.di über die Forderungen für die Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder. Derzeit läuft die Online-Mitgliederbefragung zu den Forderungen.

Auch einzelne betriebliche Organe wie die ver.di-Betriebsgruppe der FU-Berlin – diese hat eine Petition gestartet – haben ihre Forderungen aufgestellt. Inwieweit diese von der Bundestarifkommission aufgenommen werden, bleibt dabei völlig im Unklaren. In der letzten Tarifrunde im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen konnte aufgrund des Drucks von unten eine höhere Forderung als vom Bundesvorstand beabsichtigt durchgesetzt werden.

Im Unterschied zu den Ländern gibt es vor allem bei den Kommunen eine viel höhere gewerkschaftliche Organisierung und auch viel mehr Erfahrung mit Voll- und Warnstreiks. Aber auch bei den Ländern existieren wichtige Erfahrungen aus Kämpfen und, wie diese aufgebaut werden können, teilweise auch gegen den Willen der Gewerkschaftsverantwortlichen. Insbesondere die Krankenhausbewegungen von Berlin und NRW, die ja zum größten Teil Unikliniken umfassten, zeugen von dieser Erfahrung.

Zusätzlich zu den Länder- kämpfen auch die studentisch Beschäftigten für einen Tarifvertrag (TVStud). Ein solcher wurde bisher nur in Berlin durchgesetzt. Gerade studentische Hilfskräfte müssen unter äußerst prekären Bedingungen arbeiten: befristete Verträge, schlechte Bezahlung, die noch hinter der der Länderbeschäftigten hinterherhinkt, um ihr Studium zu finanzieren. Sinnvoll wäre es, die Forderungen der Studierenden direkt in den Katalog der Tarifrunde Länder aufzunehmen und den bisherigen TVStud zu einem Bestandteil des TV-L zu machen, um die gemeinsame Kampfkraft von studentischen und Länderbeschäftigten zusammenzuführen und damit durchsetzungsfähiger zu werden.

Und der Vorstand?

Auf Mobilisierung und Durchsetzungsstreiks scheint es der Vorstand von ver.di aber nicht anzulegen. Der Bundesvorstand hat bereits drei Verhandlungstermine festgelegt: Der erste findet am 26. Oktober, der zweite am 2./3. November und der dritte – nach der Regie des Bundesvorstands auch letzte Verhandlungstermin – am 7./8. Dezember statt.

In der Zwischenzeit erfolgen in der Regel einzelne Warn- und noch keine Durchsetzungsstreiks. Erst wenn es in der dritten Verhandlungsrunde zu keiner Einigung kommt, dann kann die Bundestarifkommission eine Urabstimmung über unbefristete Streiks durchführen. Aber auch das ist noch keine Garantie, dass es dazu kommt, wie die letzte Tarifrunde zum TVöD gezeigt hat.

Der ver.di-Vorstand und die Spitzen der anderen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst setzen nicht auf Konfrontation, sondern auf Tarifrundenritual mit Verhandlungen. Zugleich soll dem Vorgehen ein möglichst demokratischer Anstrich gegeben werden. Daher organisiert ver.di eine Umfrage zu den Forderungen unter den Mitgliedern, deren Fragestellungen jedoch vom Apparat vorgegeben werden. Hinzu kommt, dass die einzelnen Gewerkschafter:innen hier nicht nach einer demokratischen Diskussion z. B. in ihrer Betriebsgruppe abstimmen, sondern individualisiert online ihre Kreuzchen machen müssen. Eine wirkliche Debatte um Forderungen sieht anders aus.

Aber zunächst geht es einmal darum, für Forderungen zu kämpfen, die auch wirklich einen Inflationsausgleich für alle bedeuten. Wir schließen uns hier den meisten Forderungen, die die Kolleg:innen der ver.di-Betriebsgruppe der FU Berlin aufgestellt haben, an. Diese sollten, wie in der Petition vorgeschlagen, von möglichst vielen Betriebsgruppen, Vertrauensleutestrukturen, aber auch ver.di-Ortsvereinen, -Fachgruppen, -Landesfachbereichsvorständen diskutiert, beschlossen und an die Bundestarifkommission und den Bundesvorstand geschickt werden, um einen möglichst hohen Druck auf diese auszuüben:

  • 1.000 Euro für alle!
  • Automatische Anpassung an die Inflation!
  • Überführung TV Stud in TV-L!
  • Übernahme der Azubis in unbefristete Verträge!
  • Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
  • Laufzeit von einem Jahr – maximal bis Ende 2024!

Politische Rahmenbedingungen

Aber gerade in den Tarifrunden des öffentlichen Dienstes kommt es darauf an, auch den politischen Rahmen, in dem die Verhandlungen stattfinden, mit aufzunehmen: Derzeit laufen die Lesungen zum Bundeshaushalt. Hier hat die Ampelregierung deutlich gemacht, in wessen Interesse sie handelt: Einzig der Rüstungshaushalt soll massiv erhöht werden (100 Milliarden Euro Sondervermögen, in Zukunft sollen mindestens 2 % des BIP für den Rüstungsetat aufgewendet werden). Alle anderen Ressorts müssen sich auf Kürzungen gefasst machen. Insgesamt sollen 30 Milliarden Euro an Kürzungen umgesetzt werden. Gleichzeitig möchte FDP-Finanzminister Lindner die Schuldenbremse wieder in Kraft setzen. Wer dies zahlen soll, ist jetzt schon klar: wir Beschäftigten, ob in der Privatwirtschaft oder beim Land, Bund oder in den Kommunen, die Jugendlichen, Kinder, Rentner:innen, Arbeitslosen, Asylsuchende und Migrant:innen – die Mehrheit der Bevölkerung.

Den Länderbeschäftigten wird vorgehalten, dass kein Geld für höhere Löhne in den Kassen und von daher nicht viel zu erwarten sei.

Aber Geld ist da, vor allem die Energieunternehmen, aber auch die Autoindustrie haben trotz Krise und Pandemie Rekordgewinne erzielt, die abgeschöpft werden müssen durch eine Übergewinnsteuer und eine progressive Erhöhung der Steuerabgaben auf Kapitaleinkommen. Dann wäre genug Geld in den öffentlichen Kassen! Ein Inflationsausgleich ist machbar! Die Kolleginnen und Kollegen können auf eine kräftige Lohnerhöhung nicht verzichten! Zum einen sind die Preise gerade bei den Lebensmitteln, bei der Energie immer noch sehr hoch und zum anderen hat die letzte Tariferhöhung von 2021 nur eine bescheidene Erhöhung von 2,8 % gebracht. Schon von daher brauchen wir in dieser Tarifrunde einen wirklichen Inflationsausgleich! Mit Einmalzahlungen ist das nicht zu machen – was wir brauchen ist eine reale Erhöhung auf die Tariflöhne!

Nicht nur die Forderungen, wie oben vorgeschlagen, müssen gegen den Bundesvorstand durchgesetzt, sondern auch deren Umsetzung erzwungen werden – wie es auch schon die Tarifrunde im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen gezeigt hat. Dafür ist es notwendig, dass sich die Kolleg:innen, die dafür kämpfen wollen, über die Betriebe, Dienststellen, aber auch über die Bezirke und Länder hinweg enger zusammenschließen. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften und ihre lokalen Strukturen bieten dafür einen Rahmen. Setzt Euch mit diesen in Verbindung!

Gleichzeitig müssen die streikenden Kolleg:innen die Möglichkeit erhalten, über Streikmaßnahmen zu diskutieren und zu entscheiden, und zwar auf Streikversammlungen, in denen alle zusammengefasst werden. Um dies zu organisieren und damit die Kolleg:innen die Kontrolle über ihren Streik erhalten, ist der Aufbau von Streikkomitees, die z. B. aus demokratisch gewählten Tarifbotschafterinnen aus den Abteilungen bestehen sollten, die auch wieder abgewählt werden können, wenn sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind, notwendig. Darüber hinaus brauchen die Kolleg:innen die volle Transparenz über die Verhandlungen statt Geheimabsprachen der Bundestarifkommission mit den öffentlichen Arbeit„geber“:innen.




Schlechte Abschlüsse – nicht mit uns!

Was tun gegen Sozialpartner:innenschaft und Ausverkauf?

Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe Arbeiter:innenmacht, Mai 2023, Infomail 1222, 13. Mai 2023

Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst wie schon zuvor die bei Post und Metall haben Hoffnung gemacht. Hoffnung, dass nach Corona und trotz Krieg und Kriegshetze, trotz Krise oder gerade deswegen die Kampfbereitschaft an der Basis wieder steigt. Vor allem im Kampf um den TVöD hat sich gezeigt, dass eine Schicht neuer, junger und kämpferischer Kolleg:innen auf den Plan getreten ist. Es gab zehntausende Neueintritte.

Aber die Abschlüsse haben mehreres gemeinsam: Sie bringen einen massiven Reallohnverlust, das Kampfpotential wurde nicht ausgeschöpft und gerade die aktivsten Kolleg:innen wurden durch die Manöver der Gewerkschaftsspitzen frustiert. Ja, gerade dort, wo ungewohnte Aktionen wie der „Megastreiktag“ von ver.di und EVG das Mobilisierungs- und Machtpotential deutlich gemacht haben, ist der Frust am höchsten.

Wieso haben unsere Gewerkschaften solch nachteiligen Abschlüssen zugestimmt? An den historisch klammen Kassen der Bosse oder des Staates kann es nicht liegen, verzeichnen diese doch trotz Krisen starke Gewinne bzw. hohe Steuereinnahmen. Als klassenkämpferische Gewerkschafter:innen stellen wir uns die Frage, warum die Chancen nicht ergriffen worden sind, wirkliche Siege zu erringen und die Weichen für eine Umkehr des jahrzehntelangen Niedergangs zu stellen. Welche Rolle hat die Gewerkschaftsbürokratie bei diesen Abschlüssen gespielt und welche Lehren sollten wir für kommende Tarifauseinandersetzungen daraus ziehen?

Am Beispiel des öffentlichen Diensts können wir sehen, dass sich unsere Gewerkschafsführungen mit den Arbeit„geber“:innen aus Bund, Ländern und Kommunen auf unsere Kosten auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt haben: zahlreiche Nullmonate, überlange Laufzeit, steuerfreie Einmalzahlungen, obwohl diese lange und vehement als nicht akzeptabel abgelehnt wurden. Offiziell ist der Abschluss zwar nicht unterschrieben und die Gewerkschaftsmitglieder werden noch „befragt“. Dieses Votum ist aber nicht bindend, weder für den Vorstand noch für die Bundestarifkommission. Gleichzeitig findet es in einem Diskussionsklima statt, wo sich herbe Enttäuschung unter den Mitgliedern breitgemacht hat und unsere Führung ihre Positionen und Gesprächshoheit nutzt, um für die Annahme zu werben und den Abschluss als eine „historische Sensation“ darzustellen. Hierbei bedient sie sich auch billiger Rechentricks, um von ihrem Ausverkauf abzulenken.

Inflationsausgleich

Lange wurde uns gesagt, dass wir eine steuerfreie Inflationsausgleichszahlung nicht hinnehmen und nur tabellenwirksame Änderungen annehmen werden. Zwar hören sich für einige Kolleg:innen die 3.000 Euro gut an – vor allem in Verbindung mit der grassierenden, historisch hohen Inflation. Das Ergebnis bringt uns zwar kurzfristig mehr Geld, aber keine Punkte bei der Rente. Es gibt kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld darauf und diese Sonderzahlungen gehen nicht in die Berechnung von Arbeitslosen- und Elterngeld mit ein. Die Arbeit„geber“:innen sparen aber richtig und der Staat zahlt durch Steuerverzicht. Wen werden die daraus resultierenden Sparmaßnahmen treffen? Die Bundeswehr oder uns durch Streichungen von Sozialausgaben?

Konzertierte Aktion

Steuer- und abgabenfreie Lohnzahlungen sind eigentlich gesetzwidrig. Dass sie in den derzeit stattfindenden Tarifrunden überhaupt Anwendung finden können, haben wir den gemeinsamen Gesprächen zwischen Regierung, Gewerkschaften und Arbeit„geber“:innen im Sommer 2022 zu verdanken. Den Spitzen von ver.di, aber auch den restlichen DGB-Gewerkschaften war klar, auf was sie sich bei dieser Konzertierten Aktion eingelassen haben und wo die Haken sind. Sie wussten ebenfalls, dass dies nicht nur zum Spaß vereinbart wurde, sondern ihre Aufgabe darin bestand und besteht, es uns Kolleg:innen zu verkaufen oder zur Not am Ende durchzudrücken.

Warum wurden die Tarifrunden nun ausverkauft?

Ein eindrucksvolleres Bespiel für Sozialpartner:innenschaft kann es eigentlich nicht geben. Anstatt ihrer Mitgliedschaft voll und ganz den Rücken zu stärken und in ihrem Sinne die Verhandlungen zu führen und Tarifauseinandersetzungen mit der vollen Kampfkraft der Kolleg:innen zuzuspitzen, konzentrieren sich die Gewerkschaftsspitzen eher darauf, den „am ehesten machbaren“ Kompromiss herauszuholen. Dieser konzentriert sich dann darauf, was am ehesten für den Staat oder die Unternehmen zu verkraften ist und stellt somit die Interessen der Belegschaften hintenan. Hinzu kommt, dass in der aktuellen angespannten Weltlage eine monatelange Streikauseinandersetzung nicht nur den Arbeit„geber“:innen, sondern auch der Bundesregierung ein Dorn im Auge wäre.

Das heißt: Wie auch bei der Corona-Krise werden wir Beschäftigte nun aufgrund des Krieges mit Krümeln vertröstet. In Zeiten der Inflation, nach Kurzarbeit ist das für viele nicht mehr tragbar. Vor allem zeigt das aber eines: Es reicht nicht, nur kämpferischer zu sein und unsere Streikbereitschaft zu zeigen. Wenn wir nicht wollen, dass unsere Kämpfe mit Kompromissen beendet werden, dann müssen wir grundlegend in den Gewerkschaften selbst etwas ändern.

Dabei ist es zentral zu verstehen, dass es nicht ausreicht, einfach nur die Posten in der Bürokratie mit Träger:innen politisch linker Positionen zu besetzen oder andere Organisierungsmodelle einzusetzen. Denn auch wenn einige kämpferisch rangehen, muss es vielmehr unser Ziel sein, die Bürokratie als System abzuschaffen. Das Problem ist nämlich, dass sie durch ihre Funktion selbst – als Vermittlerin zwischen Lohnarbeit und Kapital – ein Eigeninteresse entwickelt hat, nicht „zu radikal“ aufzutreten. Auf der einen Seite muss das Interesse der Beschäftigten berücksichtigt werden, aber eben nur so weit, wie es den Arbeit„geber“:innen nicht wirklich wehtut. Erfüllt sie diese Rolle nicht, würde sie ihre eigene Lebensgrundlage verlieren. Deswegen ist es wichtig, dafür einzutreten, dass solche Posten zum einen immer rechenschaftspflichtig sind sowie wähl- und abwählbar und niemand mehr verdient als den Durchschnittslohn. Das allein ist keine Garantie für kämpferische Entscheidungen, jedoch bringt es uns Kontrolle darüber, wer beispielsweise Abläufe von Tarifrunden organisiert.

Kündigt die Schlichtungsvereinbarungen!

Einen ersten praktischen Schritt kann eine Kampagne gegen die Schlichtungsvereinbarung setzen. Schließlich müssen wir aus Fehlern lernen, um nicht noch mehr Kolleg:innen zu demotivieren. Denn dass es in der Tarifrunde für den öffentlichen Dienst zu einem Schlichtungsverfahren gekommen ist, ist nicht weiter verwunderlich. Ver.di und der VKA trafen eine Vereinbarung, die eine der beiden Seiten dazu verpflichtet, einer Schlichtung zuzustimmen, wenn es die andere wünscht. Wie schon bei der Konzertierten Aktion spielte diese Vereinbarung in den Köpfen der ver.di-Verhandlungsführer:innen eine Rolle bei ihrer „Taktikfindung“. Gleichzeitig ermöglichte sie ihnen auch, sich rhetorisch bis zur Schlichtung kämpferischer darzustellen, um dann durch die Schlichtung den sozialpartner:innenschaftlichen Kompromiss auszuhandeln.

Weiterhin erfüllte die Schlichtung auch die Funktion, die Mobilisierungen der Kolleg:innen zu bremsen und die Diskussionen aus den Streikversammlungen/-cafés hin in die Schlichtungskommission zu lenken. Anstatt das Schlichtungsabkommen als in Stein gemeißelt anzuerkennen, hätte ver.di das Abkommen fristgerecht für diese Tarifrunde kündigen können. Hierzu wurden auch in unterschiedlichen Städten, z. B. in Berlin, Anträge in Streikversammlungen eingebracht und mit großer Mehrheit angenommen. Auch wenn diese Anträge für die Tarifkommission nicht bindend waren, konnten sie als Gradmesser verwendet werden, um die Stimmung der Kolleg:innen abzubilden sowie Druck auf die Tarifkommission und die ver.di-Führung auszuüben. Des Weiteren hätten die Verhandlungen als gescheitert erklärt werden sollen, um die Urabstimmung für einen unbefristeten Erzwingungsstreik für unsere Forderungen vorzubereiten und diesen auf den Weg zu bringen. Jetzt gilt es, uns zu organisieren und unter anderem dagegen aufzustellen, sodass sich das nicht erneut wiederholt!

Urabstimmung = Erzwingungsstreik?

Eine Urabstimmung wäre also der richtige nächste Schritt für die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst gewesen. Diesen hätten wir entgegen der Taktik des Vorstands und der Verhandlungsführer:innen von unten durchsetzen müssen. Aber hätte ein positives Ergebnis auch gleichzeitig bedeutet, dass es zu einem Erzwingungsstreik gekommen wäre? Hier lohnt es, auf die Tarifverhandlungen bei der Post zu schauen. Auch hier war die Streikbeteiligung sehr hoch und kämpferisch, die Urabstimmung wurde von der ver.di-Führung eingeleitet, dann aber trotz breiter Zustimmung der Beschäftigten nicht als Mandat für einen Erzwingungsstreik verwendet, sondern ganz in sozialpartner:innenschaftlicher Manier als „Verhandlungsmasse“ angesehen. Es wurde nicht gemäß dem Wunsch der Kolleg:innen gehandelt, sondern nur der „Druck“ auf die Arbeit„geber“:innenseite forciert, um das Angebot zu verbessern. Dass dadurch der Abschluss in keinster Weise besser ausfiel als das letzte Angebot vor der Urabstimmung, störte die ver.di-Führung nicht. Sie verkaufte es dennoch als Gewinn für die Kolleg:innen, die ohne das klare Statement in der Urabstimmung nicht zustande gekommen wäre. Auch hier zeigt sich wieder, dass die Gewerkschaftsführung ihrem Charakter nach in erster Linie auf Kompromisse aus ist und nicht die Interessen der Beschäftigten vertreten kann und möchte. Das macht verständlicherweise wütend! Lasst uns diese Wut nutzen, um nachhaltig was zu verändern. Statt Geheimniskrämerei und Pseudointegration brauchen wir deswegen:

  • Nein zu allen Gesprächen hinter verschlossenen Türen, keine Geheimhaltungspflicht für die Tarifkomissionen! Verhandlungen sollen öffentlich über das Internet übertragen werden!
  • Keine Abschlüsse ohne vorherige Abstimmung unter den Mitgliedern! Rechenschaftspflicht und Wahl der Tarifkommission durch die Basis!
  • Regelmäßige Streikversammlungen in allen Betrieben und Abteilungen! Wähl- und Abwählbarkeit der Streikleitungen durch die Mitglieder!
  • Für den Aufbau einer klassenkämpferischen Basisopposition in den Gewerkschaften! 

Wut im Bauch? Aufbau einer Basisopposition statt Austritt!

Die Forderungen, für die wir mobilisiert wurden und für welche wir neue Kolleg:innen für die Gewerkschaften gewonnen haben, wurden erneut von ver.di nicht ernst genommen. Die Mobilisierungen wurden ausgebremst und die Argumente der Gegenseite übernommen. Es ist völlig verständlich, wenn sich viele nun verraten fühlen und sich ihre Mitgliedschaft nochmal durch den Kopf gehen lassen. Was wir aus diesen Erfahrungen jedoch lernen sollten, ist nicht, dass eine Mitgliedschaft in den Gewerkschaften sinnlos ist. Ganz im Gegenteil, sie zeigen, dass es eine organisierte Opposition gegen die Führungen innerhalb der Gewerkschaften braucht, um sich gemeinsam zu vernetzen und gegen die Argumente von oben zu bewaffnen und zu koordinieren. Dafür arbeiten wir als Gruppe Arbeiter:innenmacht in der „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG)“ mit und rufen alle Kolleg:innen und Strukturen mit dem gleichen Ziel dazu auf, sich daran zu beteiligen. (Werbung für Workshop der VKG auf der Konferenz)

Klassenkämpferische Basisbewegung und politische Alternative

Eine organisierte, antibürokratische Opposition in den Gewerkschaften muss unserer Meinung nach nicht nur, wie oben skizziert, für Arbeiter:innendemokratie und eine konsequente Tarifpolitik kämpfen. Sie muss auch eine politische Alternative zur Sozialpartner:innenschaft und zum Reformismus der Bürokratie verkörpern.

Das heißt, eine klassenkämpferische Opposition braucht ein Programm des Klassenkampfes, das nicht nur gewerkschaftliche und betriebliche Forderungen konsequent vertritt, sondern alle Fragen von Unterdrückung und Ausbeutung wie Krieg, Rassismus, Sexismus, Imperialismus und ökologische Zerstörung thematisiert. Es braucht ein Programm, das über den rein gewerkschaftlichen Rahmen hinausgeht, nicht nur für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten eintritt, sondern das System der Lohnarbeit, den Kapitalismus selbst in Frage stellt. Das heißt, wir müssen nicht nur den Aufbau eine Opposition in den Gewerkschaften diskutieren, sondern auch die Frage, welche politische Organisation wir brauchen, wie wir eine neue, revolutionären Arbeiter:innenpartei aufbauen können, welche Politik und welches Programm dazu notwendig sind.Mehr Demokratie?

Nach dem Streik ist vor dem Streik? Der TVöD/BK ist fast abgeschlossen und viele Kolleg:innen sind enttäuscht. Statt uns zu ärgern, den Kopf in den Sand zu stecken oder einfach auszutreten, wollen wir uns vernetzen und die Situation nutzen, um nachhaltig was zu verändern! Wenn du also Interesse hast, mit deinen Kolleg:innen die letzten Tarifrunden kritisch auszuwerten, dann komm vorbei! Unser Ziel ist, unsere Erfahrungen zu nutzen und unsere Kolleg:innen, bei denen Tarifverhandlungen direkt vor der Tür stehen, wie bei der EVG, direkt zu unterstützen. Denn die Probleme sind keinesfalls auf ver.di beschränkt, sondern haben System. Wenn wir also was verändern wollen, müssen wir uns zusammenschließen und gemeinsam für die Demokratisierung der Gewerkschaften kämpfen. Wie genau das aussehen kann und welche Initiative wir starten wollen, besprechen wir auf unserem Treffen!




TVöD: der 8. März als Streiktag?

Anne Moll/Resa Ludivien, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung 11, März 2023

Abgesehen von Berlin ist in keinem anderen Bundesland der Frauenkampftag ein Feiertag. Und zu feiern gibt’s auch nicht viel, schaut man sich die derzeitige TVöD-Runde an. Ein prädestinierter Streiktag also?

Was aus Clara Zetkins Frauentag wurde

Historisch gesehen ging es beim Kampf um die Gleichberechtigung der Frauen zuerst um das Wahlrecht, um das gleiche Recht, sich zu organisieren und Gewerkschafts- wie Parteimitglied zu werden, um Zugang zur Universität, Gesundheitsschutz der arbeitenden Frauen und um das Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen. Doch der Versuch seiner Vereinnahmung und Entpolitisierung ist auch nichts Neues. Immer wieder wird deutlich, dass die bürgerlichen Frauen, aber auch die Gewerkschaftsführung andere Forderungen im Sinn haben als Frauen aus der Arbeiter:innenklasse.

So versuchten 1994 Frauen in Stuttgart, den DGB von einem Frauenstreiktag zu überzeugen, bei dem auf die ungleiche Bezahlung und Doppelbelastung aufmerksam gemacht werden sollte. Trotz der Versuche des Vorstandes, die Aktionen als „Streittag“ zu verharmlosen, kam es zur Besetzung einer Kreuzung sowie zum Teil einer Teilnahme während der Arbeitszeit, sprich zu einem Streik. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, wie viel Mitverantwortung die Entschlossenheit der Basis trägt. Auch 29 Jahre später hat sich an der Situation von Frauen nur wenig geändert.

TVöD-Runde Bund und Kommunen: Wer streikt und was ist bis jetzt passiert?

Der 8. März 2023 fällt in Deutschland in eine spannende Zeit: Tarifauseinandersetzungen bei öffentlichen Betrieben, der Post, kommunalen Busunternehmen, im öffentlichen Dienst (TVöD-Runde), Streiks bei den Lehrer:innen in Berlin sind einige Beispiele dafür. Wir leben in Zeiten der Inflation. Sollten die geforderten 10,5 % durchgesetzt werden können, dann würden sie die aktuelle Preissteigerung wenigstens ausgleichen. Mindestens 500 Euro würden, vor allem für die Niedriglohngruppen, tatsächlich eine große Änderung bewirken und eine wichtige Signalwirkung ausstrahlen.

Das betrifft 1,6 Millionen Menschen, die nach TVöD bezahlt werden, d. h. diejenigen, die im öffentlichen Dienst bei Bund und Gemeinden tätig sind. Das sind beispielsweise Arbeiter:innen in kommunalen Kitas, in Altenpflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern. Es gab viel Applaus, dass sie während der Pandemie weitergearbeitet haben, viele schöne Worte von Politiker:innen, dass sich die Arbeitssituation für Pflege- und Erziehungsberufe verbessern muss. Passiert ist bisher wenig. Gleichzeitig existiert ein Vorbild, wie erfolgreiche Streiks aussehen können: 2021 und 2022 erkämpfte die nordrhein-westfälische Krankenhausbewegung in wochenlangen Streiks den Tarifvertrag Entlastung.

Federführend für die derzeitige Verhandlungsrunde innerhalb des DGB ist ver.di. Die Mobilisierung läuft bereits seit letztem Jahr in Form von Mitgliederversammlungen und Vorbereitungen in den Betrieben. In Gewerkschaftskreisen hatte man zeitweise den 8. März ins Auge gefasst, um zu streiken. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass es sich um Bereiche handelt, in denen sehr viele Frauen arbeiten. Neben einer dauerhaften Überlastung und Unterfinanzierung dieser Sektoren sind Frauen und Migrant:innen strukturell schlechter bezahlt oder gar ohne Tarifverträge outgesourct – in Zeiten der Inflation ein tägliches Spiel mit dem Feuer.

Schaut man sich die Bereiche, zu denen auch Reinigung oder Behörden zählen, nochmal genauer an, so verwundert es nicht, dass zu den ursprünglichen Forderungen der Beschäftigten auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen gehörte. Dazu zählen „utopische“ Wünsche wie Arbeitszeitverkürzung oder mehr Urlaub bei Dauerschichtdienst. Doch das war den Gewerkschaften zu heiß. Der 8. März als Streiktag ist auch weg vom Fenster und man konnte sich im Oktober lediglich auf einen versöhnlichen Forderungskatalog einigen, welcher sich lediglich auf die Löhne bezieht. Ebenso offensichtlich ist die gezielte Schwächung des Streikes durch eine Teilmobilisierung. Warum alle zusammen mobilisieren, wenn man auch nur einzelne Sektoren wie die BSR (Stadtreinigung) in Berlin aufrufen kann? Und das mit dem Wissen, dass die Kolleg:innen am Limit sind, alles immer teurer wird, sodass sogar Butter, geschweige denn Gas- oder Mietpreise ein Luxusprodukt darstellen. Und das, nachdem nach Corona vor allem im Krankenhaus viele mit dem Gedanken spielen, ganz auszusteigen, und die Arbeit„geber“:innenseite auch diese niedlichen Forderungen noch herunterhandeln wird. Das ist Politik gegen die Arbeiter:innenklasse!

Frage dich mal, was deine Gewerkschaft für dich tun kann

Am 24.01.2023 fand die erste Verhandlungsrunde zum TVöD statt. Eine der Teilnehmer:innen aufseiten der Arbeit„geber“:innen war Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Diese hat wieder einmal gezeigt, dass diese sich zwar auf ihre „guten alten Zeiten“ als Arbeiter:innenpartei stützt, aber keineswegs Politik für die Arbeiter:innenklasse betreibt. Ergebnis: nächste Runde, denn es gab nichts zu „verhandeln“. Dafür hätten die Gemeinden und Kommunen ein Angebot unterbreiten müssen. Besonders interessant ist, dass die minimalen Forderungen der Gewerkschaften zu hoch und unrealistisch angesichts leerer Kassen ausfallen sollen. Doch wo bleiben dann Forderungen nach einem höheren Spitzensteuersatz, sodass endlich mal die Reichen für die Krise bezahlen?

Diese Argumentation hat nicht nur etwas mit der aktuellen Situation zu tun: Sie hat System. Es gibt nur eine Möglichkeit, diesem zu entrinnen, nämlich, indem die Warn- in unbefristete Erzwingungsstreiks überführt werden. Daneben müssen Demonstrationen organisiert und Solidaritätsbündnisse geschlossen werden. Unsere Aufgabe als klassenkämpferische Gewerkschafter:innen und Revolutionär:innen liegt darin, dies voranzutreiben, Druck auf die Gewerkschaftsführung auszuüben, die Kämpfe zusammenzuführen und unter Kontrolle demokratisch gewählter, den Mitgliedern verantwortlicher Streikkomitees zu stellen.

Frauenkampftag, Streiktag – gemeinsam auf die Straße!

Es wird knapp in der Kasse. Schon allein, wenn wir nach dem Einkauf in unser Portemonnaie sehen. Die nächste Gasrechnung bereitet uns schlaflose Nächte. Wir sind es leid, dass alle die Krisen von Corona über Klima- und Energiekrise auf unseren Rücken ausgetragen werden! Lasst uns unseren Anteil zur Tilgung der Kosten und Ermöglichung eines anständigen Lebens erstreiken! Der Internationale Frauentag ist dafür wie geschaffen und ursprünglich als Kampftag gedacht. Diese Bedeutung müssen wir ihm zurückgeben. Bremen geht hier mit gutem Beispiel voran: Hier ist der Streik durch die ver.di-Mitglieder beschlossene Sache.

Dass er in Berlin zu einem Feiertag geriet, kann nur unter Berücksichtigung der wenigen Feiertage dort allgemein positiv bewertet werden. Es trägt parallel zur Entpolitisierung des Tages bei und das ist gewollt. Man mag es als Form der Transformation sehen, wenn sich die Regierenden eine zunächst kämpferische Thematik zu eigen machen und nach ihrem Gusto interpretieren. Dass es gerade von einer rot-rot-grünen Politik befürwortet wird, zeigt die tief verwurzelte Sozialpartnerschaft, die kein Interesse aufkommen lässt, tatsächlich an diesem Tag die Belange von Frauen wie schlechte Bezahlung, Sexismus am Arbeitsplatz oder geringere Aufstiegschancen zu thematisieren. Der Frauenkampftag ist kein Feiertag, kein Streittag, sondern Streiktag!

Es ist daher Aufgabe der Basis, die Gewerkschaftsführungen daran zu erinnern, wessen Interessen sie ursprünglich vertreten sollten, und dies zu erzwingen. Doch ein Streiktag reicht nicht. Die nordrhein-westfälische Krankenhausbewegung hat es vorgemacht. Es darf nicht nur um Geld, sondern muss auch um Entlastung und bessere Arbeitsbedingungen gehen. Dafür brauchen wir Streikkomitees in allen Betrieben.

  • Hinaus zum Frauenkampftag! Frauenkampftag ist Frauenstreiktag!

  • Regelmäßige Vollversammlungen, Wahl und Abwählbarkeit der Streikkomitees!

  • Volle Kampfkraft für 10,5 % jetzt und mindestens 500 Euro für alle!

  • Früheren Renteneintritt ermöglichen, Altersteilzeitregelung verlängern! Mehr Urlaub bei Dauerschichtdienst!

  • Für eine Arbeitszeitverkürzung mit paralleler Einstellungsoffensive unter Kontrolle der Beschäftigten!

  • Finanzierung der Maßnahmen durch massive Besteuerung der Unternehmensgewinne und Vermögen!



Volle Mobilisierung für 10,5 %/500 Euro! Erzwingungsstreik!

Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe Arbeiter:innenmacht zur Tarifrunde im Öffentlichen Dienst, Infomail 1214, 21. Februar 2023

Die „Arbeitgeber“verbände lehnen unsere Forderung ab. Angebot haben sie bis jetzt keines vorgelegt. Sie „wissen“ nur eins: unsere Forderung sei „wirtschaftlich nicht verkraftbar“. Wir sagen: 8 % Inflation und die Reallohnverluste der letzten Jahre sind für uns nicht verkraftbar!

Nach den Coronajahren, in denen wir mit Einmalzahlungen abgespeist wurden, stehen wir nun massiven Preissteigerungen gegenüber, die gerade bei Heizung, Energie und Lebensmitteln noch über der offiziellen Inflationsrate liegen. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht.

Wir dürfen uns aber auch nichts vormachen. Wenn wir unsere Forderungen durchsetzen, einen Abschluss wollen, der über der Inflationsrate liegt, dann werden Warnstreiks nicht reichen. Wir müssen uns auf eine politische Kraftprobe mit Bund und Kommunen einstellen, die nicht nur von den Regierungen, sondern auch von der bürgerlichen Presse und vom Kapital in allen Branchen unterstützt werden. Daher sollten wir uns nicht auf monatelange Rituale und Verhandlungen einlassen, sondern möglichst schnell die Urabstimmung einleiten und einen landesweiten Erzwingungsstreik aller Beschäftigten vorbereiten und durchführen.

Keine faulen Kompromisse! Nein zur Mogelpackung Einmalzahlung!

Unsere Gewerkschaften wie auch die Tarifkommission müssen Einmalzahlungen weiter eine Absage erteilen und unsere Forderungen nach 10,5 % mehr Lohn, aber mind. 500 Euro bei einer Laufzeit von 12 Monaten ohne Wenn und Aber vertreten.

Jedoch wenn wir die Tarifrunden der IG Metall oder IGBCE anschauen, müssen wir wachsam sein. Dort wurden Einmalzahlungen vereinbart. Im Gegenzug wurden die Lohnforderungen zurückgeschraubt sowie einer längeren Laufzeit zugestimmt. Bei der IG Metall wurde die hohe Streikbereitschaft nicht genutzt. Das Ergebnis für die Beschäftigten: schon wieder Reallohnverlust. Solche Mogelpackungen brauchen wir nicht.

Natürlich ist die Einmalzahlung für den Moment hilfreich. Aber der geht vorüber, die Inflation bleibt. Auch auf die Rente wird sie nicht angerechnet und die Arbeit„geber“:innen sparen die Krankenkassenbeiträge auf Kosten des Gesundheitswesens.

Tarifrunde von unten!

Eine der Lehren, die wir aus diesen Tarifrunden ableiten können: Wir können uns als Voraussetzung für einen Erfolg nicht auf den Gewerkschaftsapparat verlassen! Die Vorbereitungen rund um die Warnstreiks müssen genutzt werden, um Mitglieder zu gewinnen wie auch Mobilisierungsstrukturen in den Betrieben und Einrichtungen aufzubauen.

Die beiden Krankenhausbewegungen in Berlin und Nordrhein-Westfalen haben gezeigt, dass ein systematischer Gewinn von Mitgliedern wie auch erfolgreiche Tarifkämpfe selbst in Bereichen der Pflege möglich sind, die noch vor Jahren von ver.di als nicht streikfähig angesehen wurden.

Ob Gesundheitswesen, Bildung oder Verwaltung, ob Beschäftigte bei Bund oder Kommunen: Wir müssen alle zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen! Wie die Kolleg:innen in den Krankenhausbewegungen müssen wir unsere Forderungen selbst aufstellen und die Tarifkommission muss ständig die Mitglieder informieren. Dafür sind Streik- oder Streikdelegiertenversammlungen da!

Streikversammlungen als Kampfmittel!

Gute Beispiele stellen hier Anträge zur Aufkündigung der Schlichtungsvereinbarung dar. Ein solcher wurde auf einer Berliner Arbeitsstreikversammlung mit großer Mehrheit angenommen. Von der Aufstellung der Forderungen bis hin zur Streikführung und Entscheidung, wann der Streik zu Ende ist, müssen wir selbst bestimmen und kontrollieren. Die Uniklinik Essen kann hier als positives Beispiel für uns dienen. Dort wurden Delegierte aus allen Abteilungen in Streikkomitees gewählt und auf Streikversammlungen zusammengeführt. Diese diskutierten die jeweiligen Verhandlungen und beschlossen die weiteren Schritte des Arbeitskampfes wie auch seine Finanzierung. Die Delegierten waren gegenüber den Streikversammlungen rechenschaftspflichtig. Auf solchen regelmäßigen Streikversammlungen diskutieren dann die nach Tarif bezahlten Kolleg:innen den weiteren Weg zur Durchsetzung unserer Forderungen.

Weitergehende Forderungen

Hier können wir dann auch Forderungen diskutieren und beschließen, die über die derzeitigen Vorschläge für die Tarifrunde hinausgehen wie z. B. die starke Besteuerung großer Unternehmen und DAX-Konzerne, die auch während der Pandemie oder Energiekrise ihre Taschen gefüllt haben oder weiter füllen. Geld ist genug da! Deshalb können wir auch genauso gut die Wiedereinführung der Vermögens- wie Einführung einer Übergewinnsteuer in unsere Forderungen mit aufnehmen.

Ein Verweis wie in der ver.di-Tarifbroschüre, dass die finanzielle Situation der Kommunen gar nicht so schlecht sei, reicht hier nicht aus. Wichtiger ist hier, die Offenlegung der öffentlichen Finanzen und aller Verträge zur Auslagerung öffentlicher Dienste zu fordern. Nur so können wir und die Bevölkerung wirklich die Vorschläge der Gegenseite bewerten. Zusätzlich sollten wir auch jetzt schon Forderungen diskutieren, wie dem Personalmangel entgegengesteuert werden kann. Er ist in Krankenhäusern ebenso bekannt wie eklatant und stellt sich im Erzieher:innen- und Bildungsbereich sowie den sozialen Diensten nicht anders dar. Ein Element hierfür liefert sicherlich eine bessere Bezahlung. Wichtig ist darüber hinaus aber auch die Entlastung durch Einstellung zusätzlichen Personals. Der Kampf darf hier nicht auf einzelne Bundesländer und unabhängige Tarifverträge aufgeteilt werden. Hierfür benötigen wir unsere gesammelte Schlagkraft.

Vom Warnstreik zum unbefristeten Streik!

Diese wird von den Gewerkschaftsführungen auch in der derzeitigen Tarifrunde nicht ausgeschöpft. Die bisher durchgeführten Aktionen, Aktionstage und zeitlich versetzte Warnstreik können nur erste Schritte setzen. Aber sie reichen nicht. Wir müssen aber weitergehen und die volle Kampfkraft möglichst rasch entfalten.

Auch wenn es durchaus Sinn macht, einzelne Themen an unterschiedlichen Streikaktionstagen in den Vordergrund zu stellen, ist es unverständlich, warum nicht zu allen Warnstreiktagen die volle Belegschaft zum Streik mobilisiert werden soll. Dadurch kann in der breiten Mitgliedschaft darüber diskutiert werden, wie die unterschiedlichen Bereiche (Pflege, Bildung, Nahverkehr, Klimaschutz etc.) gemeinsam gedacht und verknüpft werden sollen.

  • Einzelne Streiktage reichen nicht! Schluss mit der Zersplitterung! Gemeinsame Aktionen mit Post, Bahn und allen anderen Kämpfen! Aufbau von Unterstützungskomitees, um die Öffentlichkeit zu informieren!

  • Wir brauchen einen Erzwingungsstreik! Vorbereitung und Einleitung der Urabstimmung anstatt monatelanger Verhandlungsrituale oder gar Schlichtung!

  • Für gläserne Tarifverhandlungen! Nein zu allen Gesprächen hinter verschlossenen Türen! Verhandlungen sollen öffentlich über das Internet übertragen werden, keine Abschlüsse ohne vorherige Abstimmung unter den Mitgliedern! Rechenschaftspflicht und Wahl der Tarifkommission durch die Basis!

  • Regelmäßige Streikversammlungen in allen Betrieben und Abteilungen! Wahl und Abwählbarkeit der Streikleitungen durch die Mitglieder!

Kündigt das Schlichtungsverfahren!

Wir dürfen darüber hinaus nicht zulassen, dass die Gegenseite über den Weg des Schlichtungsverfahrens den Streik aushebeln kann. Es gibt zwischen ver.di und dem Arbeit„geber“:innenverband ein Schlichtungsabkommen. Wenn eine der beiden Parteien eine Schlichtung einleiten will, ist das für beide Seiten zwingend. Während der Schlichtung herrscht Friedenspflicht. Nach dem Scheitern dieses Verfahrens könnte zwar die Urabstimmung eingeleitet werden. Aber aller Erfahrung zufolge ist nach einer längeren Phase der Friedenspflicht der Schwung raus und es wird kaum noch möglich sein, die Kolleg:innen zu mobilisieren.

Deswegen stellt in allen Gremien Anträge, dass dieses Schlichtungsabkommen, das nur der Arbeit„geber“:innenseite nützt, von ver.di sofort gekündigt werden muss! Anstatt Energie in ein Schlichtungsverfahren zu stecken, sollten wir diese lieber in die Organisierung eines flächendeckenden Vollstreiks aller Kolleg:innen investieren!

https://vernetzung.org/schlichtung-ist-kein-hebel-sondern-ein-knebel/