Unterschriftensammlung und Offener Brief an den DGB: Stimme erheben und einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg fordern

„Gewerkschafter*innen sagen Nein zum Krieg! Nein zum sozialen Krieg!“, veröffentlicht von Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, Infomail 1245, 14. Februar 2024

Im Folgenden veröffentlichen wir den offenen Brief an den DGB und rufen zur Unterzeichnung des Briefes auf.

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter fordern vom DGB und seinen Einzelgewerkschaften zum Gaza-Krieg:

„Es ist an der Reihe der Arbeiterbewegung, ihre Stimme zu erheben und einen Waffenstillstand zu fordern“ (aus dem Aufruf von über 40 US-Gewerkschaften, unter ihnen die Internationale Automobilgewerkschaft UAW mit 600.000 Mitgliedern).

Nach 3 Monaten mörderischen Bombardierungen der palästinensischen Bevölkerung mit über 28.000 Toten und der gewaltsamen militärischen Besetzung des Gaza-Streifens durch die israelische Armee mit all ihren Folgen der Zerstörung von Krankenhäusern und Schulen, von Hunger und der Obdachlosigkeit, sehen wir unsere Verantwortung als deutsche Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter darin, uns an unsere Gewerkschaften, den DGB und seine Einzelgewerkschaften zu wenden, damit sie sich aktiv und sofort einsetzen für:

  • Für den sofortigen Abzug der israelischen Truppen!

  • Sofortiger Waffenstillstand! Stopp des Genozids an der palästinensischen Bevölkerung!

  • Sofortige Beendigung der Bombardierungen!

  • Sofortige Aufhebung der Blockade von Gaza – d.h. der Lieferungen von Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff!

Wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter erklären uns solidarisch mit dem „Offenen Brief von Gewerkschaftsjugendlichen an den DGB-Bundesjugendausschuss“, gegen die einseitige Unterstützung Israels und für einen sofortigen Waffenstillstand einzutreten.

Der DGB fordert in seinem Aufruf vom 22.10.2023 „Aufstehen gegen Hass, Terror und Antisemitismus – in Solidarität mit Israel“: „…weil jüdisches Leben angegriffen und gefährdet ist, stellen wir uns an die Seite von Israel“ (DGB). Was ist mit den über 20.000 Leben der palästinensischen Bevölkerung, die durch die Bombardierung und den Einmarsch der israelischen Truppen im Gaza vernichtet wurden?

Wir Gewerkschafter lehnen jede Form von Völkermord und ethnischen Säuberungen ab!!

Warum fordern unsere Gewerkschaften, der DGB und seine Einzelgewerkschaften, nicht ein sofortiges Ende der Bombardierungen, der Blockade und der Besatzung Palästinas?

Der DGB spricht davon, „extremes und radikalfundamentalistische Gedankengut nehmen wir nicht hin“ (DGB). Aber gleichzeitig wird –  unter dem Vorwand der Vernichtung der Hamas durch die israelische Regierung – der arabische Teil der Bevölkerung Israels und im Westjordanland durch ultraorthodoxe Siedlermilizen und ihre Parteien, verstärkt vertrieben!

Wo ist die Stellungnahme des DGB gegen die Verbote von Solidaritätsaktionen mit dem palästinensischen Volk durch die Regierungen, die von Gerichten als verfassungswidrig aufgehoben werden?

Erstunterzeichner: Britta Brandau (Mitglied ver.di Gewerkschaftsrat), Michael Altmann (Mitglied ver.di Landesbezirksvorstand Hessen), Sabine Pitz (ver.di Bezirksvorstand), Hemmati-O. (ver.d Bezirksfachbereichsvorstand), Karsten Drumm (ver.di UKF), Silvana Errico (ver.di BR BVZ), Mayumi LeaH Milanes (ver.di BVZ), Cornelia Omosigno (ver.di), Samina Syed (ver.di) Elisabeth Lutz (ver.di), Aksa Bayram (ver.di), Narges Yelayhi (ver.di), Lukas Hof (SDS.Linke), Friedhelm Winkel (ver.di, Friedensplattform Hanau), Steven Payne (GEW BVZ), Heiner Becker, (GEW Senioren Hessen), Lothar Ott (GEW AK Internationales), Jürgen Klausenitzer (GEW), Christiane Treffert (GEW), Friedhelm Spatz (IG Metall), Azimi Abul Hassan (IG Metall), Alexander Botte (Naturfreunde), Brigitte Klein-Schuster (GEW)  u.a..

Udo Eisner (IG Metall), Mario Kunze (ver.di, Betriebsrat), Britta Schubert (ver.di, Landesvorstand der Fachgruppe Bildende Kunst Berlin), Elisabeth Wissel (Fraktionsvorsitzende Die Linke in der BVV Tempelhof-Schöneberg), Carla Boulboullé (GEW), Sascha Kraft (ver.di, Betriebsrat), Charlotte Rutz-Sperling (ver.di, Mitglied im Landesbezirks-FB-Vorstand C Berlin-Brandenburg), Volker Prasuhn (ver.di, Mitglied im Bezirksvorstand), Gotthard Krupp (ver.di, Mitglied im Landesbezirksvorstand Berlin-Brandenburg), Wolfgang Mix (GEW); Detlef Bahr (ver.di); Birgit Schöller (ver.di); Axel Zutz (GEW) u.a.

Dunja DiMatteo-Görg (verdi), Sascha Görg (verdi), Birgit Simon, Maria Zohtes, Paola Niccolaioni (GEW), Francesca Casale (GEW), Henning Frey (Erw. Vorstand GEW Köln), Julian Gürster (Erw. Vorstand GEW Köln), Resi Maschke-Firmenich (verdi), Francis Byrne (verdi VL), Lino Krevert, Manfred Kern (IGM), Volkmar Kramkowski (verdi), Annette Harder (verdi), Leila Buron, Wolfgang Quambusch (verdi), Sophie Burgmann, Claus Ludwig (verdi, BR-Vors.), Riem Varieg, Reinhard Berkholz (GEW), Conrad Gocking, Eva Schröder, Mirko Oettershagen (verdi VL), Samuell Legall, Christiane Krause (IGBCE), Walburga Fichtner (verdi), Babara Skerath, Silvana Garafalo (verdi VL), Alaa Alshibli (verdi), Yassier Abu Nidhal, Thilo Nicklas (IG Bau), Axel Droppelmann (IG Bau), Peter Rohleder (verdi), Isabelle Casel (DFG-VK), Michael Kellner (Städtepartnerschaft Köln Bethlehem), B. Overdiek (verdi), Amira Zayed, Amal Hamad, Rebekka Thies (verdi), Friedrich Kullmann (verdi), Achim Lebrun (verdi), Jonas Kaltenbach, Ben Köchert, Songül Schlürscheid, Vera Homberger-Rachid (verdi VL), Jessica Engelen (verdi), Ina Fahl, Eva Gürster (verdi OV Köln Vorstandsmitglied), Ellen Engstfeld (verdi OV Köln Vorstand)

Gaza: Ich unterstütze den Offenen Brief an den DGB und seine Einzelgewerkschaften:

„Es ist an der Arbeiterbewegung, ihre Stimme zu erheben und einen Waffenstillstand zu fordern.“

Name:                                    Gewerkschaft/Funktion:                                     E-Mail-Adresse

Kontakt: michael.altmann@gmx.net, im Namen der „Gewerkschafter*innen sagen Nein zum Krieg! Nein zum sozialen Krieg!“ Frankfurt/Main, 7. Jan. 2024

Unterschriftenliste zum Ausdrucken:

USS Gew fordern zu Gaza-Krieg




Palestine will never die: Wie weiter mit der Palästinasolidarität in Deutschland?

Jaqueline Katherina Singh, Neue Internationale 280, Februar 2024

Ob Münster, Hamburg, Leipzig, Dresden, Düsseldorf: Seit Beginn der Bombardierungen Gazas gibt es in Deutschland zahlreiche Proteste. Mancherorts wie in Berlin, Frankfurt am Main oder Hamburg konnten sogar aufgrund des stetigen Drucks Demonstrations- und Versammlungsverbote durchbrochen werden. Seit Monaten organisieren Aktivist:innen Aktionen gegen die Vertreibung und den drohenden Genozid an Gazas Bevölkerung. Kurzum: Es ist das erste Mal seit Jahren, dass es eine massenhafte Palästinasolidarität gibt, die versucht, sich Gehör zu schaffen – angesichts des Kräfteverhältnisses und der politischen Lage in Deutschland ein mehr als schweres Anliegen.

Denn die Bundesregierung hat mehr als klargemacht, dass sie kein Interesse hat, das Morden zu verhindern. Sie ist vielmehr aktive Unterstützerin durch die diversen Waffenlieferungen, die sich seit Oktober 2023 verzehnfacht haben und hat mit ihrer Enthaltung bei UN-Resolutionen sowie der Leugnung des Genozids beim Internationalen Gerichtshof deutlich gemacht, dass sie die Angriffe und Vertreibung der Palästinenser:innen unterstützt. Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson und anders als in Britannien, den Niederlanden oder Belgien sind die Gewerkschaften nicht in die Mobilisierungen eingebunden. Prozionistische Positionen, die letzten Endes die Unterdrückung der Palästinenser:innen legitimieren, sind nicht nur Regierungssache, sondern auch in bedeutenden Teilen der Arbeiter:innenbewegung und Linken verbreitet.

Was ist das Ziel?

Auch deswegen ist es kein Wunder, dass viele Aktivist:innen müde sind, erschöpft, ausgelaugt. Denn trotz aller Anstrengungen und Proteste ist es bisher nicht gelungen, den Krieg zu beenden, die Bombardierungen zu stoppen. Stattdessen werden stetig neue Nachrichten über das Elend und Leiden von Gazas Bevölkerung in die Social Media Feeds gespült.

Doch es gibt etwas Antreibendes: Es ist unsere Aufgabe, nicht nur für die Menschen zu kämpfen, die in diesem Moment sterben, sondern auch für jene, die als Nächste dran sein könnten. Denn es gibt keine Sicherheit für die Bevölkerung in der Westbank. Deswegen müssen wir nicht nur gegen die Bombardierung Gazas kämpfen, sondern für Palästinenser:innen in der Westbank, den Camps, allen von Israel besetzen Gebieten. Für uns geht es also um alle, die jetzt vom israelischen Staat ermordet werden – und alle, die drohen, ermordet und vertrieben zu werden – und für alle, die bereits vertrieben worden sind. Denn sie haben das Recht zurückzukehren. Es geht uns nicht nur um einen Waffenstillstand, sondern darum, die Unterdrückung der Palästinenser:innen zu beenden, und dieser Kampf ist nicht verloren.

In Deutschland ist dieser Weg steinig und schwer. Aber die Anstrengungen der Aktivist:innen in den vergangenen Monaten haben es geschafft, eine Grundlage zu errichten, auf der man einen Teil des Kräfteverhältnisses in Deutschland dauerhaft ändern kann – und propalästinensische, antizionistische Positionen besser in der Linken zu verankern, um so den Kampf weiterzuführen. Doch wie schaffen wir das konkret?

Was also tun?

Einer der essenziellen Schritte ist es, mehr Leute in die Bewegung hereinzuziehen. Aktivist:innen, die innerhalb der Bewegung aktiv sind, wissen, dass das leichter geschrieben ist als getan. Mit einfacher Überzeugungsarbeit ist es nicht möglich, denn eigentlich sprechen die Zahlen der getöteten Palästinenser:innen sowie die Geschichte der Besatzung für sich. Doch selten bringen reine Fakten Menschen zur Einsicht, wie wir am Beispiel des Klimawandels sehr gut wissen. Eines der Kernprobleme liegt darin, dass es in Deutschland nicht nur eine organisierte mediale Kampagne gegen die Palästinasolidaritätsproteste gibt, sondern der ganze Konflikt rund um Besatzung und Krieg aus Perspektive des zionistischen Regimes medial dargestellt wird, kombiniert mit dem Rechtsruck und der Zunahme des antimuslimischen Rassismus vor allem nach dem 7. Oktober. Deswegen müssen wir uns fragen, wie wir dies aufbrechen können.

1. Bundesweite Vernetzung und Koordinierung

Um dem Protest mehr Ausdruck zu verleihen, braucht es eine bundesweite Koordinierung. Gemeinsame Slogans, Forderungen und bundesweite (de)zentrale Aktionstage können zum einen helfen, die Isolierung an manchen Orten zu durchbrechen, und Mobilisierungen erleichtern. Vor allem hilft ein kollektiver Auftritt dabei, mehr Menschen außerhalb der Bewegung anzusprechen. Er verdeutlicht: Wir sind nicht alleine, wir sind Teil einer Bewegung – in Deutschland und international. Um dies zu ermöglichen, bietet sich eine Strategie- und Aktionskonferenz an, an der sich Aktivist:innen und Organisationen aus der Bewegung beteiligen können, bei der ein gemeinsamer Austausch sowie die Planung künftiger, gemeinsamer Aktivitäten stattfindet. Insbesondere das Datum 14. Mai – der Nakba-Tag – bietet sich an, bundesweit einen kollektiven Massenprotest zu organisieren. Dabei ist es besonders relevant, Deutschlands Rolle offen herauszustellen. Nicht nur dass Palästinenser:innen und antizionistische Juden und Jüdinnen mit Repression überzogen werden, auch die Finanzierung des Völkermordes sowie Lieferung von Waffen sollten angesprochen werden. Mögliche Forderungen können beispielsweise sein:

  • Nein zu allen Waffenlieferungen an Israel, Schluss mit allen Rüstungs-, Wirtschafts- und Geheimdienstkooperationen!

  • Nein zu weiteren autoritären Einschränkungen der Meinungsfreiheit, des Versammlungsrechts, des Asyl- und Staatsbürger:innenschaftsrechts! Für die Aufnahme von Vertriebenen aus Gaza und Unterstützung der medizinischen Versorgung!

  • Für ein Ende des Verbots palästinensischer Organisationen und Slogans für Befreiung und Gleichheit.

2. Aufbau von Basisstrukturen an Schulen, Unis und in Betrieben

Ob in München oder Berlin: In manchen Städten haben sich vor allem an Universitäten bereits Solidaritätskomitees gebildet. Den Protest an Orte zu bringen, an denen sich Menschen tagtäglich aufhalten müssen, ist ein zentraler Schritt, wenn man Bewegungen verankern sowie ausweiten will. Denn es geht darum, die Orte an denen wir sein müssen, zu politisieren und jene zu erreichen, die unsicher sind oder schlichtweg keine Ahnung haben (wollen), sie in die Konfrontation zu bringen.

Dabei ist wichtig, allgemeine Forderungen der Bewegungen mit solchen vor Ort zu verbinden um so die Auseinandersetzung greifbarer zu machen für jene, die noch nicht Teil ihrer sind. Konkret kann das beispielsweise heißen, dass Projekte, die den israelischen Staat unterstützen oder in Kooperation mit ihm stattfinden, ausgesetzt oder beendet werden; dass einseitige Solidarisierungsstatements zurückgenommen werden; dass die jeweilige Schule sich dazu entschließt, Verbote wie das der Kufiya nicht umzusetzen. Es kann auch bedeuten, für konkrete Forderungen zu kämpfen wie beispielsweise Solidaritätserklärungen gegen Kündigungen, die Übernahme von Ausstellungen, die gecancelt worden sind, oder die Schaffung neuer Projekte und offener Solidarisierung mit den Palästinenser:innen.

3. Druck ausüben, Opposition organisieren – die Arbeiter:innenklasse gewinnen

Wie andere Länder zeigen, ist es für wirksame Proteste notwendig, die Gewerkschaften auf unsere Seite zu ziehen. Ob Belgien oder Italien: Hier haben Arbeiter:innen Waffensendungen blockiert. Ähnliches wäre beispielsweise möglich, wenn es darum geht, Waffen an Israel zu blockieren und deren Transport zu stoppen. In Deutschland gestaltet sich das Ganze jedoch nicht einfach. Sowohl der DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) als auch die DGB-Jugend haben sowohl in der Vergangenheit wie auch jetzt einseitige Stellungnahmen in Solidarität mit dem israelischen Staat – und somit auch der mörderischen Offensive – verfasst.

Überraschend ist das nicht, schließlich tragen sie auch an anderen Stellen die Politik der Regierung mit. Abschreiben dürfen wir diese Massenorganisationen deswegen jedoch nicht. Ein Solidaritätsstreik, organisiert durch diese Verbände, wäre um ein Vielfaches größer und effektiver als alles, was wir aktuell aus den Aktionen selbst heraus organisieren können. Das heißt: Die Gewerkschaften in Bewegung zu bringen, klappt nicht, indem man einfache Appelle verfasst, an ihnen vorbei Proteste organisiert oder die Hoffnung in Bürokrat:innen setzt. Nur im Rahmen einer politischen Bewegung, die a) die deutschen Gewerkschaften klar auffordert, es ihren Geschwisterorganisationen in anderen Ländern gleichzutun, und b) aktiv auf die Gliederungen zugeht und sie versucht, in eine Kampagne mit einzubeziehen, können wir erfolgreich sein. Kleine Lichtblicke sind hier beispielsweise auch der Offene Brief an den DBG-Jugendbundesausschuss, unterzeichnet von mehr als 500 Gewerkschaftsmitgliedern, die sich gegen die einseitige Positionierung stellen. (https://www.change.org/p/offener-brief-den-dgb-bundesjugendausschuss) Dies kann ein erster Ansatz sein, um weitere Aktivität anzustoßen: Seien es Anträge in Gewerkschaftsgliederungen selbst, die eine klare Verurteilung der israelischen Offensive benennen, verbunden mit der Teilnahme an lokalen Protesten. Damit wir die Gewerkschaften und generell die reformistische Arbeiter:innenbewegung von der Unterstützung der Regierung und für Solidarität mit Palästina gewinnen können, brauchen wir eine massenhafte Aufklärungskampagne über den wirklichen Charakter des Krieges gegen die Palästinenser:innen und die imperialistischen Interessen im Nahen Osten. Nur Lohnabhängige, die die Lügen der Herrschenden durchschauen, indem wir sie geduldig überzeugen, können für Solidaritätsaktionen und den Aufbau einer Bewegung gewonnen werden, die in der Arbeiter:innenklasse verankert ist.

Zweifache Aufgabe

Das heißt, für uns als Revolutionär:innen stellen sich zwei Aufgaben. Wenn wir – ähnlich wie in Britannien – Hunderttausende von Menschen auf die Straße bringen wollen, dann müssen wir mehr Kräfte integrieren als jene, die es bereits gibt, und existierende Strukturen bündeln. Und so eine Bewegung ist notwendig, um Repression, Desinformation und der Regierungspolitik etwas entgegenzustellen. Zum einen geht es also um den Aufbau einer breiten, palästinasolidarischen Bewegung, an der sich mehr Kräfte beteiligen – vor allem die Organisationen der Arbeiter:innenklasse.

Zum anderen müssen wir in solch einer Bewegung für ein revolutionäres, internationalistisches Programm eintreten. Dabei machen wir unsere Position nicht zur Vorbedingung für alle, die sich am Aufbau einer Protestbewegung gegen das Morden und die Vertreibung einsetzen wollen, sondern kämpfen in dieser dafür. Denn Bewegung alleine hilft nicht, wenn man nicht an den entscheidenden Punkten mit entsprechenden Mitteln Druck ausübt und ziellos vor sich hin demonstriert oder zwar abstrakt die richtigen Forderungen aufwirft, aber nicht die Massen hinter sich weiß, diese durchzusetzen.

Unserer Meinung nach kann die Befreiung Palästinas nur möglich sein, wenn wir in den imperialistischen Ländern die Komplizenschaft mit der israelischen Regierung beenden. Dazu bräuchte es massenhafte, längere Streikwellen sowie Blockaden gegen die Waffenlieferungen, wie es in Italien oder Belgien bereits passiert ist. Gleichzeitig braucht es in den Ländern des Nahen Ostens eine Massenbewegung wie den Arabischen Frühling. Denn die aktuellen Regime haben mehr als klargemacht, dass ihnen nicht nur der Lebensstandard ihrer eigenen Bevölkerung egal ist, sondern sie maximal bereit sind, die israelische Regierung in Worten zu kritisieren. Taten sind mehr als sparsam wie Erdogans oder Assads Praxis zeigen, die weiter Krieg gegen die Kurd:innen und ihre eigenes Volk führen. Ihnen geht es darum, ihre eigene Stellung zu erhalten. Es bräuchte aber eine Bewegung, die die Despot:innen aus ihren Ämtern fegt und im Interesse der Arbeiter:innenklasse handelt. Lasst uns die Anstrengungen der vergangenen Monate nutzen und den Protest voranbringen! In dem Sinne: Stoppt das Morden, stoppt den Krieg, Intifada bis zum Sieg!




Nahost: Mittelentzug für UN-Hilfsorganisation UNRWA stützt Israels genozidalen Angriff

Dave Stockton, Infomail 1244, 2. Februar 2024

Die Entscheidung von neun westlichen Staaten – USA, Großbritannien, Deutschland, Italien, Kanada, Australien, Niederlande, Schweiz und Finnland –, dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) den Geldhahn zuzudrehen, zeigt, dass diese Länder den von Israel betriebenen Genozid offen billigen und unterstützen.

Die Arbeiter:innenbewegung und alle fortschrittlichen Kräfte in diesen Ländern sollten sofort alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihre Regierungen zu zwingen, diese abscheuliche Kompliz:innenschaft zu beenden, einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern und die Lieferung von Waffen und Material für den Vernichtungskrieg der zionistischen Aggressor:innen einzustellen.

Vorwand ist, dass „einige“ UNWRA-Mitarbeiter:innen an dem Ausbruch der Hamas und anderer Widerstandskräfte am 7. Oktober teilgenommen oder ihn gefeiert hätten, als sie die Nachricht davon hörten. Niemand erwähnt die Tatsache, dass die israelischen Sicherheitskräfte IDF seit dem 7. Oktober 152 UNRWA-Mitarbeiter:innen getötet haben.

Bedeutung der UNRWA

Die Hilfsorganisation beschäftigt rund 13.000 Personen im Gazastreifen und leistet Gesundheits- und Bildungsarbeit sowie andere humanitäre Hilfe einschließlich Wasserentsalzung, Abwasserentsorgung und Hygiene, auf die die Bevölkerung angewiesen ist. Während der Bombardierung suchten Tausende von Menschen Schutz in den Einrichtungen der UNRWA, in der Hoffnung, dass sie dort in Sicherheit seien. Auch diese Orte wurden gezielt angegriffen, darunter ein riesiges Lagerhaus für Lebensmittel und Medikamente, das in Gaza-Stadt bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurde. Nur vier der 22 Gesundheitszentren sind noch in Betrieb, 145 Einrichtungen wurden durch die Angriffe der IDF beschädigt.

Die Arbeit des UNWRA-Personals zu stoppen oder ernsthaft einzuschränken, ist nicht nur ein Akt barbarischer Grausamkeit, ein Kriegsverbrechen nach internationalem Recht, sondern auch eine implizite Billigung von Israels eklatantem Versuch eines  Genozids an den 2,3 Millionen Einwohner:innen des Gazastreifens und der gleichzeitigen Besiedlung und ethnischen Säuberung von Bezirken in Jerusalem und dem Westjordanland.

Die Streichung der Mittel für das UNRWA, die wichtigste und einzig wirksame Hilfsorganisation für Palästina, ist ein absichtlicher Schlag ins Gesicht des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag, der nur zwei Tage zuvor entschieden hatte, dass Israel „die Bereitstellung dringend benötigter grundlegender Dienstleistungen und humanitärer Hilfe ermöglichen müsse, um die schlechten Bedingungen der Palästinenser:innen im Gazastreifen zu verbessern“ (vorläufige Maßnahme 4). So viel zu diesen „gesetzestreuen“ westlichen Mächten!

Rechtsextreme Konferenz

Viele Palästinenser:innen haben wiederholt darauf hingewiesen, dass eine zweite Nakba im Gange, eine Wiederholung der „Katastrophe“ von 1948. Die faschistischen Minister in Netanjahus Regierung, wie Itamar Ben-Gvir, sagen offen, dass dies das Ziel Israels sein sollte. Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich gehörten zu den neun Minister:innen der Regierung, die an der „Konferenz für den Sieg Israels – Siedlung bringt Sicherheit: Rückkehr in den Gazastreifen und nach Nordsamarien“ der rechtsextremen Siedler:innen teilnahmen, die am Sonntag, den 28. Januar, stattfand. (Mit Nordsamarien ist der nördliche Teil des Westjordanlandes gemeint; d. Red.) Die israelische Zeitung Haaretz berichtete von der Konferenz.

„Wir müssen einen legalen Weg finden, um [Palästinenser:innen] freiwillig auswandern zu lassen“, sagte Israels rechtsextremer Minister für Nationale Sicherheit, bevor ein Likud-Abgeordneter erklärte, dass im Krieg „Freiwilligkeit ein Zustand ist, den man jemandem aufzwingt, bis er/sie seine/ihre Zustimmung gibt“.

Diese Konferenz der Pogromist:innen rief offen zum Wiederaufbau von Siedlungen im Gazastreifen und zum weiteren Raub palästinensischen Landes im Norden des Westjordanlandes auf. Der IGH warnte erneut davor und entschied, dass „der Staat Israel alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen ergreifen muss, um die direkte und öffentliche Aufforderung zum Völkermord [an den Palästinenser:innen im Gazastreifen] zu verhindern und zu bestrafen“ (vorläufige Maßnahme 3).

Es wird weder eine solche Strafe geben noch werden die Westmächte eine solche fordern. Netanjahu wird sich einfach hinter der in Den Haag zynisch verwendeten Formulierung verstecken, dass es sich dabei nur um die Überlegungen von einzelnen Minister:innen und nicht um staatliche Politik handelt.

Imperialistischer Zynismus

Die USA, Deutschland, Großbritannien usw., die so lautstark die Menschenrechte verteidigen und humanitäre Motive für ihre eigenen blutigen Kriege im Irak, in Afghanistan, Libyen und Syrien geltend machen, weigern sich nun schon seit über drei Monaten dreist, einen Stopp des erbarmungslosen israelischen Angriffs auf Gaza zu fordern. Sie haben mehrere UN-Resolutionsentwürfe zu diesem Zweck blockiert.

Sie haben zugesehen und im Falle der USA, Großbritanniens und Deutschlands die Waffen und Munition geliefert, mit denen Israel 26.000 Menschen, darunter 8.000 Kinder, getötet und 70 % der Häuser zerstört hat. 390 Schulen und 20 von 22 Krankenhäusern in Gaza wurden verwüstet oder schwer beschädigt. Die Kanalisation und die Wasserversorgung sind zerstört und in weiten Teilen des Gebiets verseucht.

Darüber hinaus wurden 1.900.000 Menschen (85 % der Bevölkerung) vertrieben (viele von ihnen mehrfach) und in Zeltstädte rund um Chan Yunis gepfercht, und nun sollen sie nach Rafah umziehen. Hier sind durch Wasser übertragene Krankheiten wie Durchfall und Amöbenmeningitis epidemisch. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat davor gewarnt, dass ein Ausbruch der Cholera wahrscheinlich ist, wenn nichts unternommen wird, um die grundlegenden sanitären Einrichtungen und sauberes Wasser wiederherzustellen.

Weltweit demonstrieren seit Monaten Millionen Menschen und fordern einen vollständigen und dauerhaften Waffenstillstand. Trotzdem haben sich die Regierungen der westlichen Demokratien hartnäckig geweigert, dies zu verlangen. Noch beschämender ist, dass Parteien, die im Namen ihrer Arbeiter:innenbewegungen sprechen, diese Verweigerung voll und ganz unterstützen und diejenigen, die sich dem widersetzen, als Antisemit:innen beschimpfen.

Auch in der arabischen und muslimischen Welt ist, abgesehen von den Huthis im Jemen, wenig über Worte hinausgegangen. Israel versucht, die mehr als 100.000 palästinensischen Arbeiter:innen aus dem Westjordanland, denen es seit dem 7. Oktober die Einreise verweigert, durch Arbeitskräfte aus Indien zu ersetzen, was von Modi befürwortet, aber von den dortigen Gewerkschaften verurteilt wird und auf Widerstand stößt.

Arbeiter:innenklasse

Es ist jetzt höchste Zeit für die Arbeiter:innenbewegung, direkte Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich des Boykotts der israelischen Schifffahrt, des Luft- und Schienenverkehrs und der Verweigerung aller Tätigkeiten, die zu den israelischen Kriegsanstrengungen in Fabriken, Forschungseinrichtungen, Büros usw. beitragen. Sozialist:innen sollten dafür werben, dass sich Belegschaften und Gewerkschaftsgliederungen mit ihren Bannern an Protesten beteiligen und, wo möglich, auch streiken, beginnend in Großbritannien am 7. Februar, dem Tag der betrieblichen Aktionen für Palästina, zu dem die Stop the War Coalition (Koalition für die Beendigung des Krieges) und andere aufgerufen haben.

Medienschaffende, Akademiker:innen und Lehrer:innen sollten ein Ende der verlogenen Propaganda ihrer Arbeit„geber“:innen fordern, die behaupten, dass Palästinabefürworter:innen Antisemit:innen seien oder das jüdische Volk im Allgemeinen bedrohen. Sie sollten sich den Verboten ihrer Bosse und Regierungen widersetzen, Ansichten zur Unterstützung der Palästinenser:innen zu verbreiten. Die wachsende Zahl antizionistischer Jüdinnen und Juden, die mit dem Slogan „Nicht in meinem Namen“ demonstrieren, beweist, dass es durchaus möglich ist, sich dem echten Antisemitismus entgegenzustellen und gleichzeitig gegen den zionistischen Genozid zu sein, der im Namen „aller Juden/Jüdinnen“ verlogen verfolgt wird.

Den Labour- und sozialdemokratischen Parteien Europas, die derzeit Israels Krieg gegen den Gazastreifen unterstützen, sollten wir sagen: „Ihr verdient keine einzige Stimme der Arbeiter:innen“. Aber wir können diejenigen Parlamentarier:innen  und anderen Vertreter:innen unterstützen, die sich unmissverständlich für die Freigabe der UNRWA-Mittel und einen dauerhaften und vollständigen Waffenstillstand aussprechen.

Wir müssen weiterhin für eine massive Aufstockung der Hilfe für Gaza und den Abzug aller israelischen Land-, See- und Luftstreitkräfte demonstrieren – in der Tat für ein vollständiges Ende der 17-jährigen Belagerung des Gazastreifens und ein Ende der Tötungen durch IDF und bewaffnete Siedler:innen im Westjordanland (330 seit dem 7. Oktober).

Wir sind sicher, dass die Verbrechen Israels im den Jahren 2023 und 2024 in die lange Liste derjenigen gegen die Menschlichkeit aufgenommen werden, und dass trotzdem die Forderung nach einem freien, demokratischen, säkularen und sozialistischen Palästina, in dem sowohl für seine jüdischen als auch für seine palästinensischen Bürger:innen gleichberechtigt leben, zu einem immer lauteren Losung für Millionen von Arbeiter:innen und Unterdrückten weltweit werden wird.




Trotz alledem – warum und wie wir uns an den Anti-AfD-Protesten beteiligen

Georg Ismael, Infomail 1244, 2. Januar 2024

Mit Bestürzung, Schmerz und Wut haben wir die rassistischen Übergriffe auf Palästinenser:innen auf Demonstrationen gegen die AfD erlebt. Den tragischen Tiefpunkt bildeten körperliche und verbale Übergriffe am Sonntag, den 21. Januar, auf der Reichstagswiese in Berlin.

Hier wurde deutlich, wie tief der Rassismus gegen Geflüchtete, Muslim:innen und Araber:innen auch in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen ist. Dieser Rassismus wird heute im Besonderen durch antipalästinensischen Rassismus befeuert.

Antipalästinensischer Rassismus

Während der Internationale Gerichtshof Anzeichen für einen Genozid in Gaza sieht, liefert die deutsche Regierung Waffen an die rechtsradikale israelische Regierung, stellt humanitäre Hilfe für die Palästinenser:innen ein, schiebt ab, kriminalisiert kritische Stimmen und hebelt Grundrechte aus. Zur gleichen Zeit werden auf Initiative der CDU Gesetze, die die Ausbürgerung von Staatsbürger:innen erlauben und eine massive Einschränkung des Organisations- und Versammlungsrechtes nach sich ziehen würden, im Bundestag diskutiert.

Deutschland unterstützt einen Genozid und sichert diese Politik mit Repression im Inland ab. Von dieser waren neben Palästinenser:innen besonders Muslim:innen, Araber:innen und migrantisierte Menschen betroffen, die trotz ihrer besonders prekären Lage in den vergangenen Monaten ihre Solidarität mit den Menschen Gazas auf Deutschlands Straßen zum Ausdruck brachten.

Wir müssen anerkennen, dass die Bundesregierung, aber auch Landesregierungen mit Billigung der meisten Parlamentarier:innen und Abgeordneten gegen Palästinenser:innen vieles von dem umsetzen, was die AfD für die gesamte Gesellschaft fordert.

Gerade weil wir die Unterdrückung, die Gewalt und die Apartheid gegen die Palästinenser:innen durch den ethnonationalistischen israelischen Staat und die rechtsradikale israelische Regierung kennen, haben wir eine besondere Verpflichtung uns gegen die ethnonationalistische und rechtsradikale AfD in Deutschland zu stellen.

Wir tun dies in Solidarität mit den Palästinenser:innen und in internationalistischer Verpflichtung, nicht für das gute Gewissen deutscher Biedermeier:innen. Wir denken nicht, dass die Anti-AfD-Proteste in ihrer heutigen Form die multiethnische, religionsübergreifende, antikoloniale und antiimperialistische Solidarität der Palästinenser:innen verdient hätten. Aber wir sind es uns politisch schuldig, unsere Stimmen und unsere Körper auf diesen Protesten zu präsentieren.

Wir beteiligen uns an diesen Protesten, weil es hier auch um uns geht. Wir sind es uns schuldig, gegen die AfD zu kämpfen, und wir sind es den Menschen in Palästina schuldig, ihre Stimmen den selbsternannten antirassistischen Protesten in Deutschland gegenüber sichtbar zu machen.

Es waren nicht einheimische, sondern migrantisierte Menschen, die seit Oktober auf den Straßen Berlins und Deutschlands geschlagen, gedemütigt und kriminalisiert wurden. Wir wissen, dass deutsche Medien und deutsche Regierungspolitiker:innen über uns und den Genozid in Gaza lügen.

Daher wollen wir den vorrangig weißen Menschen auf diesen Protesten eine Chance geben, uns und unsere Perspektiven kennenzulernen und unsere Erfahrungen zu teilen. Wir wollen daran glauben, dass unter ihnen etliche der mehr als 60 Prozent Deutschen sind, die das Vorgehen Israels in Gaza ablehnen. Wir sind es den Menschen in Gaza schuldig, durch direkten Dialog diese stille Ablehnung in praktische Solidarität zu verwandeln.

Daher haben wir den für uns emotional äußerst schmerzlichen und für viele in der Palästinasolidarität vielleicht nicht intuitiven Weg gewählt und den Austausch mit den Organisator:innen von „Hand in Hand“ in Berlin gesucht.

Forderungen

Wir hatten diese drei Forderungen gemeinsam mit Genoss:innen von „Palestinians and Allies“ und REVOLUTION erarbeitet und vorgetragen:

  1. Ordner:innen schützen Palästinenser:innen und ihre Verbündeten konsequent gegen rassistische Übergriffe. Rassistische Individuen oder Gruppen werden unverzüglich gebeten, den Protest zu verlassen. Bei Missachtung werden Rassist:innen aktiv vom Protest entfernt. Hierzu gehört neben körperlichen Attacken und ungewollten Berührungen beispielsweise auch die rassistische Diffamierung von Muslim:innen, Araber:innen und Palästinenser:innen als „Terrorist:innen“, „Terrorunterstützer:innen“ oder „Mörder:innen“. Systematische Übergriffe werden auch von der Bühne aus verurteilt.
  2. Es wird ein deutliches Willkommen explizit an palästinensische Teilnehmer:innen geäußert. Darüber hinaus ist es notwendig, deutlich zu Beginn der Demonstration von der Bühne aus  die rassistischen Übergriffe gegen Palästinenser:innen auf der vergangenen Demonstration zu verurteilen und anzukündigen, dass derartige Übergriffe nicht erneut erduldet und unverzüglich geahndet werden.
  3. Die stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Stimme und anerkannte Psychologin Iris Hefets und die palästinensische Rechtsanwältin Nadija Samour halten eine gemeinsame Rede gegen antipalästinensischen und antimuslimischen Rassismus, Antisemitismus und Krieg. Sie zeigen auf, wie im konkreten gemeinsamen Kampf gegen Unterdrückung und Entrechtung die gemeinsame Menschlichkeit unabhängig von Religion oder Herkunft hervortritt.

Reaktion

Die erste Forderung wurde weitestgehend angenommen. Wir werden ihre Umsetzung genau beobachten, denn auch das ist traurige Wahrheit: Niemand wollte bestreiten, dass es zu erneuten Übergriffen kommen könnte. Die zweite Forderung wurde nur insofern aufgenommen, dass Palästinenser:innen in einer Aufzählung begrüßt werden. Dies ist zwar ein Entgegenkommen, letztlich aber vollkommen unzulänglich. Es waren ausschließlich Palästinenser:innen und ihre Verbündeten, die auf vergangenen Protesten systematisch verbal und körperlich angegriffen und von der Polizei kriminalisiert wurden. Zu einem Zeitpunkt, an dem eine bestimmte Gruppe eine spezielle Diskriminierung auf den eigens organisierten Protesten erfährt, diese nicht besonders zu verurteilen, stellt unseres Erachtens nach einen politischen Skandal dar, weil man sich so vor dem konkreten Problem drückt.

Unsere dritte Forderung wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt. Dies ist uns unverständlich. Es wurde an uns herangetragen, dass es von Gegensprecher:innen die „Befürchtung“ gab, dass „problematische Aussagen“ wie „Genozid“ getätigt werden könnten. Es zeigt, dass hier, freundlich formuliert, ein unerhörter Selbstbildungsbedarf besteht. Unfreundlich formuliert, handelt es sich um das Verharmlosen eines drohenden Völkermordes.

Gleichzeitig ist zentrale Gastrednerin, Frau Düzen Tekkal, die noch vor Kurzem als solche auf einer von der Springerpresse und der Jerusalem Post, beides rechte Medienhäuser, ausgerichteten Konferenz namens „Joint Perspectives“ sprechen sollte. Neben Justizminister Marco Buschmann war unter anderem auch der rechtsradikale israelische Minister Amichai Chikli geladen. Chikli hatte vor Kurzem an einer Konferenz zur „Umsiedlung“ (man könnte auch im AfD-Jargon Remigration sagen) der Palästinenser:innen aus Gaza teilgenommen. Dass Herr Chikli mittlerweile ausgeladen wurde und Frau Tekkals Name nicht mehr auf der Redner:innenliste der Konferenz erscheint, kann dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Proisraelische Stimmen, die den Genozid in Gaza aktiv leugnen, die zu Konferenzen gehen, an denen auch Rechtsradikale Interesse zeigen, werden als Redner:innen in Erwägung gezogen, während anerkannte linke palästinensische und jüdische Stimmen von hoher moralischer Autorität nicht akzeptabel für eine aktuelle Mehrheit des „Hand in Hand“-Bündnisses zu sein scheinen.

Diese Personen sollten tief in sich gehen, nach ihrer Menschlichkeit suchen und falls sie sie finden sollten, beginnen, sich selbst zu bilden. Wir schlagen vor, mit der Lektüre der Anklageschrift Südafrikas gegen Israel und dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes zu beginnen. Diese Selbstbildung sollte dadurch fortgesetzt werden, endlich mit anstatt über Palästinenser:innen zu reden. Dies beinhaltet auch, sie auf Bühnen antirassistischer Proteste in Deutschland einzuladen. Nicht wir, sondern diese Gegensprecher:innen haben einen Bedarf an antirassistischer Bildung vonnöten. Wir formulieren dies in jener Schärfe, weil wir die zu erwartende Argumentation nicht anerkennen, dass unsere Forderungen „zu kurzfristig“ formuliert wurden.

Der brutale und genozidale Krieg gegen die Palästinenser:innen hält mit deutscher Unterstützung seit vier Monaten an. Die Nakba und seitdem andauernde Entrechtung der Palästinenser:innen dauern nun fast 80 Jahre. Wir haben uns darüber nicht erst kurzfristig informiert. Diese Gegensprecher:innen haben es seit Langem nicht zur Kenntnis genommen. Es handelt sich hier auch nicht um „irgendeinen Krieg“, von denen es „ja etliche gäbe“, wie ein Gegensprecher meinte. Es handelt sich aktuell um den Krieg mit den meisten zivilen Opfern, einen genozidalen, der maßgeblich von Deutschland unterstützt wird. Wer auch nach physischen Übergriffen auf Palästinenser:innen während antirassistischer Proteste die Warnsignale noch nicht gehört hat, ist so verroht, dass man die Dinge in aller Deutlichkeit formulieren muss.

Wir nehmen aber auch zur Kenntnis, dass es eine relevante Minderheit in der Diskussion und Abstimmung gab, die unsere Anliegen unterstützen möchte. Wir gehen daher davon aus, dass dies auch auf viele Teilnehmer:innen des Protestes zutrifft.

Beteiligt Euch an der Solidaritätsdelegation am 3. Februar!

Unter diesen Gesichtspunkten und auch angesichts der Notwendigkeit einer möglichst großen Aktionseinheit gegen die AfD haben wir uns dazu entschieden, als Teil einer Solidaritätsdelegation an dem „Hand in Hand“-Protest vor der Reichstagswiese teilzunehmen. Der gemeinsame Treffpunkt ist um 12 Uhr an dem U5-Ausgang „Bundestag“. Wir laden euch ein, euch uns anzuschließen. Diese Einladung schließt auch die Möglichkeit für Interessierte ein, uns ernsthaft gemeinte Fragen zu stellen, in eine gemeinsame, auch kontroverse Diskussion zu treten. Wir erwarten allerdings, dass dies mit grundlegendem Respekt und ohne eine rassistische oder stereotype Einordnung geschieht.

Solange palästinensische und propalästinensische Stimmen allerdings kein Gehör auf den Bühnen der Anti-AfD-Proteste finden, können wir die eigenständigen Proteste der Palästinasolidarität nicht vernachlässigen, geschweige denn absagen. Wir rufen daher alle dazu auf, sich ab 14 Uhr am Potsdamer Platz in Solidarität mit Palästina zu versammeln. Dies ist auch ein Aufruf an jene, die gegen die AfD und jede rassistische Politik in Deutschland kämpfen wollen, verunsichert sind oder Fragen haben. Kommt auf unsere Proteste, stellt Fragen, bildet euch, ob am Samstag, den 03.02., oder in der Zukunft! Erlebt und seht mit eigenen Augen die Polizeigewalt, die wir seit vier Monaten erleiden! Hört euch die diversen Reden an! Seht, wie Palästinenser:innen, Juden und Jüd:innen so wie Menschen unterschiedlichster Herkunft auf Kundgebungen und Demonstrationen, die von linken Slogans und Inhalten geprägt sind, gemeinsam tatsächlich „Hand in Hand“, trotz Verleumdung und Polizeigewalt seit vier Monaten protestieren!

Wir verbleiben in der Hoffnung, dass wir den Tag sehen werden, an dem getrennte, parallele Proteste der Vergangenheit angehören. Die Verantwortung hierfür liegt allerdings nicht in unserer Hand. Wir haben zum aktuellen Zeitpunkt unser Bestes, viele von uns, insbesondere unsere palästinensischen Genoss:innen, auch emotional mehr als das gegeben, um ihre Anliegen erst an Fridays for Future Berlin, dann „Hand in Hand“ zu tragen.

Dass wir diese Zeilen schreiben, das muss noch einmal deutlich gesagt werden, ist daher kein Zeichen der Spaltung. Es ist ein Zeichen, dass wir trotz alledem, trotz unseres eigenen Schmerzes, der häufig auch aus dem Verlust von Geliebten und Familie herrührt, die Hoffnung nicht aufgeben wollen, dass ein Antirassismus, der sich wirklich gegen jede Unterdrückung richtet, in Zukunft möglich sein kann.

Die Verantwortung hierfür liegt nun aber in der Hand insbesondere der weißen, deutschen Organisator:innen der Anti-AfD-Proteste. Ihnen stellt sich die dringende Aufgabe, sich mit Kolonialismus und Imperialismus als Triebfedern des Rassismus in Deutschland und international auseinanderzusetzen. Sie stehen in der Verpflichtung, nicht nur die Rolle der deutschen Regierung in diesen Prozessen anzukreiden, sondern auch aktiv zu bekämpfen. Gaza steht unserer Einschätzung nach heute im Zentrum dieser Fragen, sowohl innen- als auch außenpolitisch. Wer zu Ausbürgerungsgesetzen aus der „Mitte“, Kolonialismus, Apartheid und Genozid, vom deutschen Imperialismus schweigt, der wird den Rassismus nie vernichten können.




Offener Brief an die Klimabewegung in Deutschland

Erstunterzeichnende Organisationen, Infomail 1243, 25. Januar 2024

Wir veröffentlichen und unterstützen den folgenden offenen Brief. Wir rufen alle linken, internationalistischen und klassenkämpferischen Organisation sowie gewerkschaftliche Linke und Gliederungen auch, diesen Brief zu unterstützen und weiter zu verbreiten. Eine englischsprachige Fassung findet ihr am Ende des Posts.

Erstunterzeichnende/First signatories

Organisationen/Organisations: End Fossil International, REVOLUTION Germany, palestine speaks, pa_allies, MigrAntifa Braunschweig, Jüdische stimme für gerechten Frieden im nahen Osten, Ende Gelände Düsseldorf , FightforFalastin, Gruppe Arbeiter:innenmacht

Einzelpersonen/Persons: Betül Çınar,  Georg Ismael,  Hasan Özbay(@migrantischewut), Ela Sommer

Wer den Brief unterzeichnen will, unterzeichnet hier: Offener Brief an die Klimabewegung

Liebe deutsche Klimabewegung,

hiermit distanzieren wir uns von Fridays for Future Deutschland. Unter dem Deckmantel einer Stellungnahme gegen Antisemitismus hat FFF-Deutschland in den vergangenen Wochen mehrmals die Sache eines gemeinsamen, globalen Kampfes gegen die Klimakrise und für Gerechtigkeit & Freiheit verraten. Sie brechen dadurch nicht nur das Vertrauen der anderen FFF-Sektionen, die sich seit dessen Beginn gegen einen genozidalen Krieg in Gaza gestellt haben. Sie lassen auch herzlos die Menschen Palästinas im Stich und damit nicht nur von Krieg und Besatzung, sondern auch von der Klimakrise „most affected people and areas“. Wir sind der Meinung, dass Klima-Aktivismus ohne Internationalismus nicht funktionieren kann! Imperialistische Länder wie Deutschland oder USA exportieren Klimaschäden in die Länder des Globalen Südens, die in künstlicher Abhängigkeit gehalten werden. Dies geschieht z.B. indem besonders umweltschädigende Abschnitte von Produktionsketten in diese Länder verlegt werden oder indem direkt Müll und giftige Abfälle dort abgeladen werden. Es sind auch diejenigen, die am härtesten durch Dürren und Überschwemmungen, das Artensterben oder den steigenden Meeresspiegel bedroht sind, während ihnen die Mittel, sich dagegen zu schützen, verwehrt bleiben. Die Antwort darauf kann nur in einer internationalen Bewegung bestehen. Wir dürfen nicht auf die Taschenspielertricks der deutschen Regierung reinfallen, wenn sie uns ihren Green New Deal verkaufen wollen. Und genauso wenig, wenn sie über das „Selbstverteidigungsrechts Israels“ reden, es in Wirklichkeit jedoch nur um geopolitische und wirtschaftliche Interessen geht. FFF International veröffentlichte schon im Oktober ein Statement, in welchem sie sich solidarisch mit dem palästinensischen Kampf, dem Widerstand, der Befreiung und der Selbstverteidigung erklären. Sie schreiben sehr deutlich, dass sie im Angesicht von Aggression, Genozid und Faschismus nicht neutral bleiben können. Sie benennen die Besatzung als Resultat eines kolonialen Prozesses, angestoßen durch die westlichen Imperialmächte, damit diese ihre geopolitischen Interessen umzusetzen. FFF international schreibt deutlich, dass sie nicht schweigen werden, während die westlichen Mächte den Genozid in Palästina beklatschen. Wir unterstützen dieses klare Statement der internationalen Strukturen und lehnen die Position des deutschen Verbands und die unfundierte und politisch nicht begründete Abgrenzung von den internationalen Strukturen ganz klar ab. Außerdem solidarisieren wir uns mit dem Aktivisten Hasan, der für die Internationalen Statements verantwortlich gemacht wurde und dann von diesen Medien angegriffen wurde. Diese Hetzkampagne unterstützt Fridays for Future Deutschland. Wir sehen, wie FFF Deutschland Hand in Hand mit dem Deutschen Staat für Israel kämpft.

Nachdem FFF Deutschland schon seit Jahren linke oder antikapitalistische Kräfte systematisch aus der Bewegung drängt, zeigen sie mit diesen Statements erneut, dass antikapitalistische und antiimperialistische Positionen in dieser Bewegung nicht zur Diskussion stehen. Die Nutzlosigkeit von fünf Jahren Appellen an die Politik und das Nachlassen der Mobilisierungen in Folge dessen führen offenbar nicht zu einem radikalen Bruch mit dem deutschen Klimaimperialismus, sondern zu fortgesetzter Anbiederung an Grüne & Co.

Wir rufen alle linken Kräfte in der Klimabewegung, die dieser Kritik zustimmen, auf, den offenen Brief zu unterstützen und zu teilen. Tretet mit uns in Kontakt und lasst uns gemeinsam in Diskussion treten, wie die Klimabewegung mit antikolonialen Kämpfen weltweit verbunden werden kann und wie wir vom Kuschelkurs mit dem Grünen Kapitalismus hin zu einem vereinten Kampf für Klimagerechtigkeit und Befreiung international kommen.

Dafür wollen wir uns schon am 24.02.24 um 10 Uhr in Berlin treffen, um darüber gemeinsam zu diskutieren und uns zu vernetzen! Wenn ihr kommen wollt, gebt uns Bescheid.

Wann: 24.02.24 // 10 Uhr

Wo: Rungestr. 20, 10179 Berlin

Brief unterschreiben?! Hier.

Open letter to the climate movement in Germany

Dear German climate movement,

We hereby distance ourselves from Fridays for Future Germany. Under the guise of a statement against antisemitism FFF Germany has repeatedly betrayed the cause of a common, global fight against the climate crisis and for justice & freedom. In doing so, they are not only breaking the trust of the other FFF sections, which have fought against a genocidal war in Gaza since its inception. They also heartlessly abandon the Palestinian people and thus not only the people most affected by war and occupation, but also the people most affected by the climate crisis.

We are of the opinion that climate activism cannot work without internationalism!

Imperialist countries like Germany or the USA export climate damage to the countries of the Global South, which are kept in artificial dependency. This happens, for example, by transferring particularly environmentally damaging sections of production to these countries or by dumping waste and toxic waste there directly. It is also these countries which are hit hardest by droughts and floods, the extinction of species or rising sea sea levels, while at the same time they are denied the means to protect themselves against these catastrophes. The answer to this can only be an international movement. We must not fall for the not fall for the sleight of hand of the German government when they try to sell us their Green New Deal. And just as little when they talk about Israel’s „right to self-defense“, while in reality it’s all about geopolitical and economic interests. FFF International published a statement back in October in which it expressed its solidarity with the Palestinian struggle, resistance, liberation and self-defense. They write very clearly that they cannot remain neutral in the face of aggression, genocide and fascism. They name the occupation as the result of a colonial process, initiated by the Western imperial powers to realize their geopolitical interests. FFF international writes clearly that they will not remain silent while the Western powers applaud the genocide in Palestine.

We support this clear statement by the international structures and reject the position and the politically unfounded distancing from the international structures by FFF Germany. We also show our solidarity with the activist Hasan, who was made responsible for the international statements by the German media and was then attacked by this same media. A smear campaign is supported by Fridays for Future Germany. We see how FFF Germany fights hand in hand with the German state for Israel.

FFF Germany has been systematically pushing left-wing or anti-capitalist forces out of the movement for years. They show once again with these statements that anti-capitalist and anti-imperialist positions are not up for discussion in this movement. The uselessness of five years of appeals to politicians and the decline in mobilizations as a result of this are obviously not leading to a radical break with German climate imperialism, but to continued pandering to the Greens etc.

We call on all left forces in the climate movement who agree with this criticism to support and share the open letter. Get in touch with us and let’s get together to discuss how the climate movement can be linked to anti-colonial struggles worldwide and how we can move from cuddling up to green capitalism to a united struggle for climate justice and liberation internationally.

For this we want to meet on February 24th at 10am in Berlin to discuss this together and to network! If you want to come, let us know.

When: 24.02.24 // 10:00

Where: Rungestr. 20, 10179 Berlin

Wanna sign the letter? Here.




Gemeinsame Erklärung zu Palästina

Internationale Trotzkistische Opposition (ITO) und Liga für die Fünfte Internationale (LFI), 4. Januar 2024, Infomail 1241, 4. Januar 2024

Die Internationale Trotzkistische Opposition (ITO), die Liga für die Fünfte Internationale (LFI) und die Revolutionary Workers Party (RRP) of Russia, die sich über revolutionäre Perspektiven für Palästina einig sind, haben diese gemeinsame Erklärung verabschiedet.

Die ständige Unterdrückung, Vertreibung und Ermordung von Palästinenser:innen in Israel, im Westjordanland und im Gazastreifen haben durch den Gegenangriff der Hamas und anderer Widerstandskämpfer:innen am 7. Oktober und die brutale Antwort Israels auf die gesamte Bevölkerung im Gazastreifen, die größer ist als seine früheren Angriffe dort, erneut die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit erregt. Dies hat Millionen von Menschen auf der ganzen Welt empört und gegen den zionistischen Staat und die uneingeschränkte Unterstützung, die er von seinen imperialistischen und rassistischen Unterstützer:innen erhält, mobilisiert.

Es ist die dringende Pflicht aller Revolutionär:innen, diese weltweite Bewegung maximal zu unterstützen und gleichzeitig eine klare revolutionäre antikapitalistische Perspektive für ihre Entwicklung aufzuzeigen. Zu diesem Zweck legen wir die folgende Erklärung vor und rufen alle, die die Situation so sehen wie wir, auf, sich uns in diesem Bemühen anzuschließen.

Zionismus und Imperialismus

Der Zionismus ist seit seinen Anfängen ein Siedlungskolonialprojekt. Sein Ziel ist es, die einheimische arabische Bevölkerung Palästinas zu vertreiben, um Platz für jüdische Siedler:innen zu schaffen. Eine zionistische Kolonie in Palästina schien weit hergeholt, bis der Holocaust sechs Millionen europäische Juden und Jüdinnen ermordete und viele der übrigen drei Millionen verzweifelt nach einem Zufluchtsort suchten. Der Antisemitismus hinderte die meisten Juden und Jüdinnen an der Auswanderung in die USA und nach Westeuropa. Zionistische Organisationen brachten viele nach Palästina.

In einer der größten Tragödien des zwanzigsten Jahrhunderts fügte ein schrecklich unterdrücktes Volk, die europäischen Juden/Jüdinnen, einem anderen unterdrückten Volk, den palästinensischen Araber:innen, schreckliche Unterdrückung zu. In der Nakba von 1948 eroberten die Zionist:innen 78 Prozent des Mandatsgebiets Palästina und erklärten es zu Israel. Zionistische Milizen und die israelische Armee vertrieben 750.000 Palästinenser:innen und viele Tausende mehr flohen. Durch die Nakba verringerte sich die arabische Bevölkerung in dem von Israel beanspruchten Gebiet von 1.324.000 im Jahr 1947 auf 156.000 im Jahr 1948.

Der US-amerikanische und europäische Imperialismus, Israels Verbündete, verfolgen zwei Hauptinteressen im Nahen Osten: seine strategische Lage an der Schnittstelle zwischen Asien, Europa und Afrika sowie sein Öl und Gas. Seit mehr als einem Jahrhundert versuchen sie, die Region durch eine Kombination aus Gewalt und dem Ausspielen von Teilen der Bevölkerung gegeneinander zu beherrschen.

Im Laufe der 1950er und 1960er Jahre verdrängten die USA Großbritannien und Frankreich als dominierende imperialistische Mächte in der Region und diese wurden zu Juniorpartnerinnen. Das Trio unterstützte Monarchien und Militärdiktaturen von Marokko bis Iran und fand Wege, nationalistische Regierungen wie die von Algerien, Ägypten, Syrien und Irak in ihre neokoloniale Weltordnung einzubinden.

Israel erwies sich bei der Schaffung der neokolonialen imperialen Ordnung als äußerst nützlich, insbesondere nachdem es Ägypten, Syrien und Jordanien im arabisch-israelischen Krieg von 1967 besiegt hatte. Die USA haben Milliarden von Dollar an Hilfe und Waffen geschickt, um Israel als Gendarm im Zentrum der arabischen Welt aufzubauen. Israel hat auch eine politische Funktion, denn es ermöglicht den USA, ihre militärischen Operationen zu verschleiern, und hilft den reaktionären arabischen Kompradorenregierungen, die Aufmerksamkeit von ihrer eigenen Misswirtschaft auf einen äußeren Feind, Israel, zu lenken.

Intifada

Im Krieg von 1967 eroberte Israel den Gazastreifen, das Westjordanland und die Golanhöhen und schloss damit die Besetzung Palästinas vom Jordan bis zum Mittelmeer ab. Außerdem besetzte es die ägyptische Sinaihalbinsel. Im Krieg von 1973 kämpften Ägypten und Syrien gegen Israel bis zum völligen Stillstand. Ägypten gewann den Sinai zurück und erkannte Israel 1979 an.

Seitdem hat sich ein Muster herausgebildet: Israel, unterstützt von den USA und seinen europäischen Verbündeten, besetzt Palästina; die arabischen Staaten protestieren, tun aber nichts; und die Palästinenser:innen erheben sich in regelmäßigen Abständen, um ihre Marginalisierung anzufechten.

Die erste Intifada von 1987 – 1993 führte zu den Osloer Verträgen, mit denen die Palästinensische Nationalbehörde (PNA) zur Verwaltung des Westjordanlands und des Gazastreifens gegründet wurde. Die Abkommen sahen eine Zwei-Staaten-Lösung für den arabisch-israelischen Konflikt in Palästina vor, aber Israel stimmte weder dieser Lösung noch einer Teilung zu, mit der die Palästinenser:innen leben könnten.

Die Zweite Intifada von 2000 – 2005 zwang Israel zum „Rückzug“ aus dem Gazastreifen, indem es seine Truppen abzog und die israelischen Siedlungen dort auflöste. Bei den palästinensischen Parlamentswahlen 2006 traten die im Westjordanland ansässige Fatah und die im Gazastreifen ansässige Hamas gegeneinander an. Die Hamas gewann eine Mehrheit, was die Fatah zur Spaltung der PNA veranlasste. Nach einem kurzen Bürgerkrieg festigte die Fatah ihre Position im Westjordanland, während die Hamas die Kontrolle über den Gazastreifen übernahm.

Israelische Expansion

Israel unterdrückt die Palästinenser:innen in allen drei Sektoren seiner Apartheidbesatzung: im Westjordanland, im Gazastreifen und in Israel selbst.

Seit 2007 hat sich Israel im Westjordanland und auf den Golanhöhen weiter ausgebreitet. 450.000 israelische Siedler:innen sind in das Westjordanland (außer Ostjerusalem), 220.000 in Ostjerusalem und 25.000 in die Golanhöhen gezogen. Die Siedler:innen sind eine bewaffnete paramilitärische Kraft. Unterstützt von der israelischen Armee mit Begünstigung durch die Polizei der Palästinensischen Autonomiebehörde terrorisieren sie ihre palästinensischen Nachbar:innen und rauben ihnen ihr Land.

Im Gazastreifen gibt es keine Siedler:innen, aber Israel kontrolliert den Luftraum, die Küste und sechs der sieben Landübergänge des Gebiets. Es kontrolliert die Wasserversorgung, die Elektrizität und die Telekommunikation in Gaza. Das israelische Militär hält innerhalb des Gazastreifens eine No-go-Zone aufrecht und betritt das Gebiet nach Belieben. Israel führte 2008 – 2009 und 2014 große Kriege gegen den Gazastreifen und griff gewaltlose Demonstrant:innen während des Großen Marsches der Rückkehr 2018 – 2019 an.

Israel behauptet, eine Demokratie zu sein, aber es verweigert nicht nur den 5,5 Millionen Palästinenser:innen, die im Westjordanland und im Gazastreifen leben, und einer ähnlichen Anzahl, die als Flüchtlinge außerhalb Palästinas leben, demokratische Rechte, sondern auch den 2,1 Millionen Palästinenser:innen, die in Israel leben. Juden und Jüdinnen, die irgendwo auf der Welt leben, können nach Israel ziehen und die volle Staatsbürger:innenschaft erlangen. Palästinenser:innen, deren Familien schon lange vor der Existenz Israels in Palästina gelebt haben, können niemals die volle Staatsbürger:innenschaft erlangen. Sie werden systematisch diskriminiert, wirtschaftlich und politisch ausgegrenzt und als Feind:innen behandelt.

7. Oktober

Seit den Camp-David-Vereinbarungen von 1978 haben die USA versucht, die Regierungen der arabischen Staaten dazu zu bewegen, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren, trotz der Behandlung der Palästinenser:innen durch Israel und des Hasses, den dies in der arabischen Bevölkerung hervorruft. Im Jahr 2020 vermittelten die USA Abkommen, die die Beziehungen Israels zu Bahrain, Marokko, Sudan und den Vereinigten Arabischen Emiraten normalisierten. Saudi-Arabien nahm Gespräche auf, um das Gleiche zu tun.

Der Anschlag vom 7. Oktober ließ die israelischen und imperialistischen Pläne platzen. Nach einem Jahr sorgfältiger Planung, die von den israelischen Sicherheitskräften unterschätzt wurde, überrannten palästinensische Kämpfer:innen unter Führung der Hamas die israelische Grenzverteidigung und griffen Dutzende von militärischen sowie einige zivile Ziele an. Sie nahmen Hunderte von Geiseln, bevor sie über die Grenze zurückgedrängt wurden.

Die Misshandlung, Folter und Tötung von unbewaffneten Zivilist:innen, insbesondere jenen, die nicht im wehrfähigen Alter sind, muss ohne Umschweife verurteilt werden, auch wenn wir anerkennen, dass dies zum Teil Ausdruck der Wut der Palästinenser:innen über die israelischen Massaker und die Enteignung ihres Volkes war. Es spielte der zionistischen Propagandamaschinerie in die Hände, die Palästinenser:innen zu entmenschlichen und ihre eigenen Kriegsverbrechen zu „rechtfertigen“, die ein größeres Ausmaß annehmen als die der Hamas oder der anderen Widerstandskräfte. Der größte Teil der Operation war jedoch militärisch legitim.

Der Angriff stoppte den von den USA geförderten Prozess der „Normalisierung“ der Beziehungen Israels zu arabischen und muslimischen Staaten, enthüllte den zugrundeliegenden Siedlerkolonialkrieg Israels gegen das palästinensische Volk und brachte Palästina wieder auf die Tagesordnung der Weltöffentlichkeit.

In den darauffolgenden Wochen hat Israel einen völkermörderischen Krieg gegen den Gazastreifen begonnen. Das israelische Militär hat Häuser, Krankenhäuser, Schulen und Gemeindezentren bombardiert und dabei ein Vielfaches der Zahl der Opfer des Angriffs vom 7. Oktober getötet. Die Hälfte der Opfer waren Kinder, ein weitaus größerer Anteil als bei dem Angriff am 7. Oktober. Das israelische Militär stimmte einem kurzen Waffenstillstand zu, um Gefangene auszutauschen, und hat danach seinen völkermörderischen Angriff wieder aufgenommen, der die 2,3 Millionen Einwohner:innen in einen immer kleiner werdenden Winkel des Gazastreifens drängt und eine neue Nakba androht.

Solidarität

Die Kühnheit des palästinensischen Widerstands und die Grausamkeit des israelischen Gegenangriffs haben die weltweite Palästina-Solidaritätsbewegung wieder in Gang gebracht. Überall in der arabischen Welt, aber auch in Europa, den USA und anderswo kam es zu großen Demonstrationen. Die Solidaritätsbewegung war durch die langsame Strangulierung Palästinas und die Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und vier weiteren arabischen Staaten eingeschläfert worden. Der 7. Oktober hat die Bewegung wieder zum Leben erweckt.

Revolutionäre Marxist:innen sollten sich an Solidaritätsaktionen aller Art beteiligen. Ein Waffenstillstand in Gaza und der Rückzug der israelischen Verteidigungskräfte (IDF), um den Völkermord zu stoppen, ist die dringendste Priorität, aber die Solidaritätsbewegung sollte auch humanitäre Hilfe für Gaza, die Eindämmung der israelischen Siedler:innen im Westjordanland, den Schutz der Rechte der israelischen Araber:innen und der antizionistischen Juden und Jüdinnen in Israel, das Rückkehrrecht der Flüchtlinge und den Abbruch der militärischen Beziehungen zu Israel fordern.

Zu den laufenden Aktionen gehören bereits Demonstrationen, ziviler Ungehorsam, öffentliche Veranstaltungen, Medienpräsenz und Kampagnen für Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) gegen Israel. Gewerkschaften und andere Organisationen nehmen Entschließungen an, in denen sie einen Waffenstillstand und die Einstellung der Militärhilfe fordern. An einigen Orten folgen die Beschäftigten dem Aufruf der Palestinian General Federation of Trade Unions (PGFTU), die Produktion und Lieferung von Waffen an Israel zu unterbrechen.

Perspektive

Revolutionäre Marxist:innen sollten sich zwar an Solidaritätsaktionen beteiligen, wo immer wir können, aber unsere einzigartige Aufgabe besteht darin, das Verständnis der Arbeiter:innenklasse für die Krise und die Lösung zu fördern.

Dies beginnt damit, die Wahrheit auszusprechen. Ein Waffenstillstand in Gaza ist notwendig, aber nicht ausreichend, da die Zionist:innen ihre Kampagne zur Vertreibung der Nicht-Jüd:innen aus Palästina fortsetzen werden. Eine Verhandlungslösung ist unmöglich, da Israel nicht genug Land für einen lebensfähigen palästinensischen Staat abtreten wird, und es wird die zionistische Vorherrschaft nicht für eine säkulare Demokratie in einem binationalen Staat aufgeben. Der US-amerikanische und der europäische Imperialismus werden Israel weder zu einer Zwei-Staaten- noch zu einer Ein-Staaten-Lösung zwingen, da sie es brauchen, um ihre Vorherrschaft in der Region zu sichern.

Der Kapitalismus bietet keine Lösung für Palästina. Die Alternativen sind entweder die Abschlachtung und Enteignung der Palästinenser:innen oder das Eingreifen der Arbeiter:innenklasse in die Geschichte.

Die Arbeiter:innen in Israel könnten die israelische Gesellschaft zum Stillstand bringen, die Armee spalten und die Zionist:innen daran hindern, ihre Atomwaffen einzusetzen. Aber im Moment ist die große Mehrheit der israelischen Arbeiter:innenklasse dem Zionismus ergeben und hält Ausbeutung mit zionistischer Vorherrschaft für besser als Ausbeutung ohne zionistische Vorherrschaft, eine alte Geschichte in Siedlerkolonialstaaten. Nur die Aussicht auf ein demokratisches, säkulares, sozialistisches Palästina könnte ihnen einen Grund geben, mit ihren herrschenden Klasse zu brechen.

Die Lohnabhängigen in den USA und Europa könnten Israel die wirtschaftliche und militärische Unterstützung entziehen, die es braucht, um seine völkermörderische Politik fortzusetzen. Die Sympathie für die Palästinenser:innen wächst, da sie nicht nur leiden, sondern auch Widerstand leisten. Sie könnte das Ausmaß der Opposition gegen den Vietnamkrieg Ende der 1960er Jahre erreichen, die eine Fortsetzung des Krieges unmöglich machte. Revolutionäre Marxist:innen und andere Aktivist:innen der Palästina-Solidarität – einschließlich Zehntausender antizionistischer Juden/Jüdinnen und Zehntausender Gewerkschafter:innen – sollten alles in ihrer Macht Stehende tun, damit dies geschieht.

Die Arbeiter:innen in den arabischen Ländern könnten ihre kollaborierenden Regierungen stürzen, die US-amerikanischen und europäischen Imperialist:innen zwingen, Israel aufzugeben, und der israelischen Arbeiter:innenklasse die Aussicht auf eine säkulare, demokratische Zukunft frei von kapitalistischer Herrschaft und endlosem Krieg bieten. Der Arabische Frühling hat das Potenzial gezeigt.

Wir können nicht wissen, wie die Ungerechtigkeit der zionistischen Herrschaft über Palästina enden wird, oder ob sie überhaupt endet, bevor der Kapitalismus die Welt in eine ökologische Katastrophe oder einen Atomkrieg stürzt. Was wir tun können, ist, ein Aktionsprogramm vorzuschlagen und dafür zu kämpfen, das von unmittelbaren Forderungen ausgeht und in der einzigen wirklichen Lösung gipfelt: der Arbeiter:innenrevolution in der gesamten Region. Hier ist unser Vorschlag:

  • Beendet den völkermörderischen Angriff auf Gaza. Waffenstillstand jetzt. Abzug der israelischen Truppen. Beendet die Blockade. Öffnet die Grenzübergänge.

  • Wiederaufbau der zerstörten Häuser, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten und Infrastruktur von Gaza auf Kosten Israels und seiner imperialistischen Unterstützer:innen.

  • Beendigung der zionistischen Besetzung des Westjordanlandes. Abzug des israelischen Militärs und der Siedler:innen.

  • Freilassung aller palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen. Volle Gleichberechtigung für Palästinenser:innen im israelischen Staat.

  • Beendigung der US-amerikanischen und anderen imperialistischen Hilfe und Waffenlieferungen an Israel. Unterstützung von Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) gegen Israel.

  • Solidarität mit dem palästinensischen und arabischen Volk. Kein Frieden mit Zionismus und Imperialismus.

  • Für die revolutionäre Überwindung des zionistischen Staates. Für ein säkulares, demokratisches, sozialistisches Palästina.

  • Für das Recht auf Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge. Gleiche Rechte für die arabische Mehrheit und die jüdische Minderheit in Palästina.

  • Nieder mit den arabischen Kapitalist:innen, Grundbesitzer:innen, Monarchien und Staaten, den Agent:innen des Imperialismus. Für die revolutionäre Einheit des arabischen Volkes.

  • Für die Arbeiter:innenrevolution im Nahen Osten und in Nordafrika. Für eine sozialistische Föderation in der Region.



Heute ist kein Tag zum Feiern!

Arbeiter:innenmacht-Rede auf der Solidaritätsdemonstration mit Palästina am 31. Dezember in Berlin, Infomail 1240, 1. Januar 2024

Für die Menschen in Gaza und in der Westbank, für alle, die mit der palästinensischen Bevölkerung solidarisch sind, für alle, die für das sofortige Ende der israelischen Angriffe und der Besatzung, für alle, die für einen gerechten Frieden eintreten, ist heute kein Feiertag.

Wir sind hier versammelt, weil wir an diesem Tag unsere Trauer, unser Mitgefühl, unsere Wut über die Massaker und den genozidalen Angriff auf Gaza zum Aufdruck bringen wollen.

Wir sind hier versammelt, weil wir gegen die Diffamierung unserer Solidaritätsbewegung, gegen die tagtägliche rassistische Hetze und Demonstrationsverbote auf die Straße gehen.

In seiner Neujahrsansprache spricht der Berliner Regierende Bürgermeister, Kai Wegner, davon, dass wir „gemeinsam die Stimme erheben, wenn sich Hass, Spaltung und Hetze breitmachen.“

Das sind die Worte eines Brandstifters, der sich als Biedermann verkleidet. So spricht ein Spalter, der die Hetze und den Hass unter den Teppich kehren will, die SPD, Grüne, FPD, CDU/CSU und AfD verbreiten.

Seit Monaten werden palästinensische, arabische, muslimische Mitbürger und Mitbürgerinnen unter Generalverdacht gestellt, terroristisch, antisemitisch, kriminell zu sein. Seit Monaten werden palästinensische Organisationen verfolgt und verboten. Über Wochen wurden Solidaritätsdemonstrationen verboten – und Verbote erleben wir auch heute in Neukölln, aber auch in anderen Bundesländern.

All das zeigt: Die Herrschenden und Regierenden scheuen auch im ach so demokratischen Deutschland nicht davor zurück, demokratische Rechte einzuschränken oder gar abzuschaffen, wenn es ihre wirtschaftlichen, politischen und geostrategischen Interessen erfordern. Sie erklären ihre bedingungslose Solidarität mit Israel, weil es die imperialistische Ordnung – und damit auch deutsche Interessen – verteidigt.

Daher weigert sich die Regierung, völkerrechtswidrige Bombardements und Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Gaza offen zu verurteilen. Daher liefert sie Waffen für das Morden.

Die Angriffe auf demokratische Rechte und die rassistische Hetze stellen die Fortsetzung dieser Politik im Inneren dar. Sie geht einher mit Angriffen auf das Asylrecht, mit Abschiebungen in immer mehr sog. sichere Drittstaaten, der rassistischen Abschottung der EU-Außengrenzen, an denen schon in den letzten Jahren Zehntausende gestorben sind.

Doch uns werfen ausgerechnet die Wegners, die Giffeys und andere „Spaltung“ und Hetze vor. Die deutschen Biedermänner und -frauen präsentieren sich als Verteidiger:innen der Demokratie, die sie selbst mit Füßen treten.

Dabei treten wir seit Jahren für einen demokratischen, säkularen und sozialistischen Staat Palästina ein, in dem alle, Juden/Jüdinnen und Palästinenser:innen gleichberechtigt leben können. Sie werfen uns im Grunde vor, für einen Frieden einzutreten, der auf Gerechtigkeit und Gleichheit beruht, einen Frieden, der mit einem Apartheidstaat und der imperialen Ordnung unvereinbar ist, die sie verteidigen.

Sie werfen uns vor, das Morden an unschuldigen Zivilist:innen nicht zu verurteilen. Dabei haben wir unsere Anteilnahme am 7. Oktober und seither unzählige Male zum Ausdruck gebracht. Aber wir haben auch nicht zum Mord an Tausenden und Abertausenden Palästinenser:innen in Gaza geschwiegen, die für die israelischer Regierung und ihre Unterstützer:innen noch als Tote Menschen zweiter Klasse darstellen.

Diese Politik ist rassistisch, imperialistisch und barbarisch. Die falsche und reaktionäre Gleichsetzung von Antizionismus mit Antisemitismus dient zur Rechtfertigung dieser Barbarei, der imperialistischen Politik nach außen und des Rassismus nach innen. Und sie verharmlost damit auch den wirklichen Antisemitismus, der zum industriellen Massenmord an 6 Millionen Juden und Jüdinnen führte und der in der Rechten in Deutschland weiter wächst und gedeiht.

Die Lügen und Hetze der Herrschenden laufen bei Lichte betrachtet auf Folgendes hinaus: Sie werfen uns vor, dass wir jene Demokratie und Freiheit, die der große Masse der Weltbevölkerung vorenthalten wird, für alle Menschen, für alle Ausgebeuteten und Unterdrückten fordern. Sie werfen uns vor, dass wir für eine Welt kämpfen, in der Freiheit und Gleichheit für alle Menschen gilt. Denn wir werden selbst nur frei sein, wenn Palästina frei ist, wenn jede Ausbeutung und Unterdrückung beseitigt ist.

Wenn sie gegen uns hetzen, dann tun sie das, weil wir gegen ein politisches und wirtschaftliches System kämpfen, das auf Ausbeutung und Unterdrückung beruht. Und sie hetzen gegen uns, weil es uns trotz der Repression und Verbote gelungen ist, eine Solidaritätsbewegung aufzubauen. Eine Bewegung, die Teil einer viel größeren in den arabischen Staaten, in den Ländern des globalen Südens, aber auch in Britannien oder den USA ist.

2023 war für uns kein Jahr zum Feiern, aber wir sind hier, weil wir 2024 unseren Kampf, unseren Widerstand weiterführen werden. Wir sind hier, weil wir uns 2024 bundesweit und international besser koordinieren und effektiver werden wollen. Wir sind hier, weil wir uns vermehrt darum bemühen wollen und werden, die Masse der Bevölkerung, die Lohnabhängigen zu erreichen und für eine Solidaritätsbewegung zu gewinnen, die den Waffenlieferungen an Israel und der Unterstützung des Krieges ein Ende bereiten kann.

Wir sind hier, weil es für uns heute nichts zu feiern gibt. Aber wir können und werden 2024 zu einem Jahr des Kampfes machen für eine andere, für eine gerechte Welt, für eine Welt ohne Kapitalismus und Imperialismus, ohne Rassismus und Ausbeutung – für eine sozialistische Welt.

Hoch die internationale Solidarität!




Neujahrserklärung der Chinesischen Revolutionären Sozialist:innen (Trotzkist:innen)

Chinesische Revolutionäre Sozialist:innen (Trotzkist:innen), 30. Dezember 2023, Infomail 1240, 1. Januar 2024

Wir veröffentlichen die folgende Erklärung in Solidarität mit ihren Verfasser:innen und als Beitrag zur Entwicklung revolutionärer Gruppen in China.

Das Jahr 2023 geht zu Ende und die Welt steht vor einer Krise, die möglicherweise tiefer ist als die Finanzkrise von 2008. Der russisch-ukrainische Krieg ist noch nicht beendet. Der Lebensstandard der Arbeiter:innenklasse in den europäischen und amerikanischen Ländern ist von der höchsten Inflation seit Jahrzehnten betroffen. Der palästinensisch-israelische Konflikt droht den gesamten Nahen Osten in einen Krieg zu stürzen, während die ohnehin schon schwachen Volkswirtschaften der meisten Länder der Dritten Welt unter dem Doppelschlag von Pandemien und geopolitischen Rivalitäten am Rande des Bankrotts stehen.

In China verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage, und das parteistaatliche System steuert stetig auf Instabilität zu. Die zwangsläufig ungleiche Entwicklung des Kapitals innerhalb Chinas in Verbindung mit den Verzerrungen der bürokratischen Kontrolle haben nicht nur zu sinkenden Wachstumsraten, sondern auch zu Spaltungen innerhalb der herrschenden bürokratischen Kaste geführt. Zu einem solchen historischen Zeitpunkt ist es nach Ansicht der chinesischen Trotzkist:innen an der Zeit, ihre Ansichten, Grundsätze und Positionen zur chinesischen Revolution öffentlich zu machen, sich von den Programmen der Maoist:innen (Mao-Linken) und der Liberalen abzugrenzen und die Strategie und Taktik für die bevorstehende Massenbewegung zu klären.

Als aufrichtige Marxist:innen-Leninist:innen halten wir diese Wahrheit für selbstverständlich, dass aufeinanderfolgende Produktionsweisen die menschliche Produktivität bis zu dem Punkt gesteigert haben, an dem ihre eigenen sozialen Strukturen eine weitere Entwicklung unmöglich machten. Damit die Produktion ein höheres Niveau erreichen konnte, mussten diese sozialen Strukturen in einer sozialen Revolution umgestürzt werden. Der Kapitalismus, der die Produktivkräfte bis zu einem globalen System der wirtschaftlichen Produktion entwickelt hat, hat nun den Punkt erreicht, an dem seine soziale Struktur die Gesellschaft vor die Alternative Sozialismus oder Barbarei stellt. Das Ziel des Sozialismus ist Freiheit, Gleichheit und die nachhaltige Entwicklung der Menschheit, und um diesem Ziel zu dienen, soll die Arbeiter:innenklasse, die selbst das Produkt des modernen Kapitalismus ist, die bürgerliche Staatsmaschinerie zerschlagen und durch einen Arbeiter:innenstaat ersetzen, um das kapitalistische System zur Erzielung von Profit zu stürzen und es durch eine Planwirtschaft zur Befriedigung der Bedürfnisse zu ersetzen, die den Weg zu einer staatenlosen und klassenlosen kommunistischen Gesellschaft ebnet.

Die Herrschaft von demokratisch rechenschaftspflichtigen Arbeiter:innenräten ist das entscheidende Merkmal eines Arbeiter:innenstaates, der den Weg zum Sozialismus und Kommunismus eröffnen kann. Dieses grundlegende Axiom des Marxismus wurde erstmals aus den Erfahrungen der Pariser Kommune von 1871 formuliert und von den Bolschewiki in der Russischen Revolution von 1917 weiterentwickelt. Es wurde durch die Erfahrungen der Sowjetunion, Chinas und der anderen degenerierten Arbeiter:innenstaaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind und von denen keiner in der Lage war, seine Wirtschaft auf ein höheres Niveau als die fortgeschrittenen imperialistischen Staaten zu entwickeln, auf der negativen Seite bestätigt.

Die Kommunistische Partei Chinas (im Folgenden KPCh) war bei ihrer Gründung 1921 eine echte revolutionäre Arbeiter:innenpartei. Dennoch sah sich die KPCh infolge der falschen Führung durch die stalinistische Dritte Internationale und der historischen Niederlage des chinesischen Proletariats im Jahr 1927 mit ungeheuer harten Bedingungen konfrontiert, als alle städtischen Arbeiter:innenorganisationen und die Vorhut vernichtet wurden. Weit davon entfernt, ihre soziale Basis in der Arbeiter:innenklasse aufrechtzuerhalten, war die KPCh gezwungen, auf dem konservativen und rückständigen Land zu überleben, und rekrutierte ihre Soldat:innen aus der revolutionären Bauern- und Bäuerinnenschaft. Der Klassencharakter der Partei änderte sich allmählich in qualitativer Hinsicht. Als Mao Zedong und die Rote Armee 1936 in Yan’an (Yenan) eintrafen, war die KPCh bereits zu einer konterrevolutionären Partei einer militärisch-bürokratischen Kaste geworden, die bereit war, ihre Macht um jeden Preis zu verteidigen. Hier entstand der Maoismus, der „Stalinismus mit chinesischen Merkmalen“.

1949 kam die KPCh an der Spitze einer Volksfront an die Macht, deren ursprüngliches Programm eine längere Periode der kapitalistischen Entwicklung vorsah. Als sich dies als unmöglich erwies, stürzte die KPCh, die in der Staatsbürokratie verwurzelt war, die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse und schuf einen degenerierten Arbeiter:innenstaat. Obwohl die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse durch bürokratische Maßnahmen umgestürzt worden waren, wurde der Fortschritt hin zu qualitativ höheren Produktionsniveaus und sozialer Gleichheit durch die Herrschaft einer bürokratischen Kaste verhindert. Der Übergang zum Sozialismus erforderte daher den Sturz der KPCh durch eine politische Revolution.

Heute, 30 Jahre nach dem Beschluss der KPCh von 1992, den Kapitalismus wiederherzustellen, hat sich der Klassencharakter Chinas von einem kapitalistischen Land zu einem imperialistischen kapitalistischen Land mit globalen Ambitionen entwickelt. Die Aufgabe des chinesischen Proletariats ist daher nicht mehr die politische Revolution, sondern die soziale Revolution – mit anderen Worten, die proletarische Revolution müsste sowohl der Einparteiendiktatur als auch den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen, die vom Parteistaat verteidigt und gefördert werden, ein Ende setzen.

In der Epoche des Imperialismus – dem höchsten und letzten Stadium des Kapitalismus – sind die objektiven Voraussetzungen für eine proletarische Revolution überall auf der Welt reif. Die Geschichte zeigt jedoch immer wieder, dass die subjektiven Bedingungen für eine Revolution ebenso wichtig sind wie die objektiven. Deshalb verkünden wir, die chinesischen Trotzkist:innen, auf der Grundlage der Prinzipien und Erfahrungen des Bundes der Kommunist:innen, der Ersten Internationale, des linken Flügels der Zweiten Internationale, der Dritten Internationale in der Ära Lenins und der Vierten Internationale in der Ära Trotzkis den Bürger:innen in China und der Welt die folgenden 10 Punkte als unsere Haltung:

1. Nieder mit der bürokratischen Diktatur! Abschaffung der „führenden Rolle“ der KPCh.

China ist ein kapitalistisches Land, wir fordern die sofortige Anerkennung aller demokratischen Forderungen, die mit dem Kapitalismus vereinbar sind, wie Vereinigungs-, Rede-, Bewegungsfreiheit, das Recht, unabhängige Gewerkschaften und Parteien zu bilden. Die öffentliche Verwaltung ist notwendig, aber die bürokratische Herrschaft ist es nicht: Alle Parteikomitees und Posten der KPCh in allen Bereichen des Lebens, in der Wirtschaft, in der Politik und im sozialen Bereich müssen aufgelöst werden. Die bürokratische Herrschaft hat die grundlegende Spaltung der Gesellschaft zwischen den Arbeiter:innen und der Kapitalist:innenklasse verschleiert, die die bürokratische Herrschaft unterstützt, solange sie die Kapitalakkumulation garantiert. Kein Vertrauen in die Kapitalist:innen und ihre Verbündeten im Kampf für die Rechte der Arbeiter:innen.

2. Für die Wahl von Betriebsausschüssen, die dann als Grundlage für Arbeiter:innenräte sich aus abwählbaren Delegierten zusammensetzen.

Aufgrund des Charakters des stalinistischen Regimes würde jede unabhängige Organisierung der Arbeiter:innenklasse sofort in Konflikt mit dem Staatsapparat geraten, welches Problem auch immer ihre Mobilisierung auslösen mag. In allen Betrieben und Fabriken sind die demokratisch gewählten betrieblichen Ausschüsse aller Arbeiter:innen die oberste Instanz. Die im Betriebsrat sitzenden Abgeordneten müssen jederzeit von einer Vollversammlung abberufen werden können. Abschaffung des Geschäftsgeheimnisses, Offenlegung aller Management-Informationssysteme, Bücher und Konten zur Kontrolle durch die Arbeiter:innendeputierten.

Fabrikausschüsse sollen die Arbeiter:innenkontrolle in allen Aspekten der Produktion durchsetzen, einschließlich der Gewährleistung des Streikrechts und des Vetorechts gegen Entscheidungen der Unternehmensleitung – ob es um Löhne, Arbeitsbedingungen oder Entlassungen geht. Gegen die Privatisierung des Bankwesens und der staatlichen Monopolindustrien! Für Arbeiter:innenkontrolle über die People’s Bank of China (Chinesische Zentralbank), die Enteignung aller Geschäftsbanken und ihre Zusammenlegung zu einer einzigen Staatsbank, ein wesentlicher Schritt zur Einführung einer demokratischen Planung, die von einem staatlichen Planungsrat überwacht wird, wie es sowohl Lenin als auch die sowjetische linke Opposition in den frühen 1920er Jahren vorschlugen! Für Arbeiter:innenkontrolle über die staatlichen Industrien, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Energie, Wasser, Elektrizität, Telekommunikation, Eisenbahn, Luftfahrt und Mineralien.

3. Außerhalb des Arbeitsplatzes muss das Proletariat unabhängige Gewerkschaften als zentrales Element seiner Klassenorganisation haben.

Entweder durch die Umgestaltung der bestehenden „staatlichen“ Gewerkschaften oder Schaffung neuer Gewerkschaften in der demokratischen Bewegung müssen unabhängige Gewerkschaften ihren Mitgliedern gegenüber rechenschaftspflichtig sein und von ihnen kontrolliert werden. Gewerkschaftsfunktionär:innen müssen von den Gewerkschaftsmitgliedern direkt gewählt und abwählbar sein; die „führende Rolle der Partei“ wird abgeschafft; Gewerkschaftsfunktionär:innen erhalten das Durchschnittsgehalt ihrer Mitglieder.

4. Gegen die Zensurgesetze der KPCh-Bürokratie sollten die Lohnabhängigen selbst entscheiden, was sie veröffentlichen wollen.

Unterstützung der freien Verbreitung aller literarischen und künstlerischen Werke. Öffnung des Zugangs zu Presse, Zeitungen, Radio und Fernsehen für alle Arbeiter:innenorganisationen und unabhängigen Gewerkschaften. Beseitigung der Zensur in den sozialen Medien und Abschaffung der Internetzensur Great Firewall. Die Arbeiter:innen sollen das Recht haben, ohne staatliche Einmischung über jede Art von Gesetzgebung zu diskutieren. Wahl von Richter:innen und Prozessen an Arbeiter:innengerichten.

5. Die Freiheit aller werktätigen Schichten, politische Parteien zu gründen, das Recht jeder Gruppe von Arbeiter:innen und Klein:bäuerinnen, bei jeder Wahl ihre eigenen Kandidat:innen aufzustellen.

Alle Einwohnner:innen haben das Recht, politische Parteien zu gründen, die die demokratischen Rechte respektieren (und damit die Faschist:innen ausschließen). Transparente Wahl der jederzeit abberufbaren Dorfbevollmächtigten. Offenlegung der Buchführung und Konten jedes Dorfes. Vollständige Entschädigung der Opfer von Landbeschlagnahmungen und illegalen Landverkäufen. Wahl ländlicher Räte, die von einer bäuerlichen Miliz bewacht werden und die über die Nutzung der kollektiven Landressourcen, das Verkehrswesen, den Betrieb öffentlicher Einrichtungen und den Umweltschutz entscheiden werden. Widerstand gegen die Privatisierung von Grund und Boden in den Städten und auf dem Land. Forderung nach kostenlosen Krediten für Landwirt:innen zum Kauf von Maschinen und Düngemitteln sowie nach Anreizen für einzelne Bewirtschafter:innen, sich Genossenschaften sowie Versorgungs- und Vermarktungsgemeinschaften anzuschließen. Kontrolle großer kapitalisierter Unternehmen durch die Beschäftigten, die sich seit der Privatisierung der Kolchosen und Produktionsgenossenschaften im Zuge der Reform von Deng Xiaoping entwickelt haben. Aufbau moderner staatlicher Großbetriebe als Modell für die freiwillige Umstellung der individuellen/familiären Landwirtschaft. Massive Investitionen zur Verbesserung der kostenlosen Gesundheitsversorgung, des Verkehrswesens und der kulturellen Dienstleistungen in ländlichen Gebieten. Bereitstellung von kostenlosem öffentlichem Wohnraum für Landlose. Schrittweise Beseitigung des Stadt-Land-Gefälles durch die „Kombination von Land- und Industriearbeit“. Abschaffung des Systems der „Landfinanzierung“ und entschädigungslose Verstaatlichung des Immobiliensektors. Bereitstellung von angemessenem und kostenlosem öffentlichem Wohnraum für Familien mit geringem Einkommen.

6. Im Zuge der Revolution werden die Polizei, die bewaffnete Polizei und die nationale Sicherheitsbehörde aufgelöst und durch ein Komitee für öffentliche Sicherheit nach dem Vorbild der Tscheka in der frühen Sowjetära ersetzt.

Wie die Erfahrungen des Arabischen Frühlings zeigen, werden Revolutionen in autoritären Ländern mit demokratischen Forderungen beginnen, können aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie über das demokratische Stadium hinausgehen, die Soldat:innen von ihrem Oberkommando lösen und Teile von ihnen für die Revolution gewinnen. Das Massaker von Tian’anmen hat auch gezeigt, dass selbst bei einer Spaltung innerhalb der Bürokratie, wenn die dominierende Fraktion noch immer die Streitkräfte kontrolliert, diese zur Abwehr von Volksaufständen eingesetzt werden. In dieser Hinsicht besteht der Kern des revolutionären Programms daher darin, die Versammlungs-, Organisations- und Meinungsfreiheit der Soldat:innen zu unterstützen und ihre eigenen Befehlshaber:innen in Soldat:innenausschüsse zu wählen, die dann zum Soldat:innenrat werden.

Alle Arbeiter:innen erhalten eine militärische Ausbildung, bewaffnen sich und organisieren sich in betriebseigenen Milizen als Hüter:innen von Arbeiter:innenräten. Aufhebung des Gesetzes über die nationale Sicherheit in Hongkong. Sofortige Einführung des allgemeinen Wahlrechts. Einberufung verfassunggebender Versammlungen sowohl auf Provinz- als auch auf nationaler Ebene. Die Bestimmungen des Grundgesetzes über die Beziehungen zwischen der Region Hongkong und den Zentralbehörden werden der verfassunggebenden Nationalversammlung zur Überprüfung oder Änderung vorgelegt. Abschaffung der Todesstrafe. Für die bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen.

7. Für die Rätedemokratie.

Um die bürokratische Diktatur zu stürzen, muss die Arbeiter:innenklasse ihre eigenen Mittel zur Ausübung der Staatsgewalt schaffen. Die unabhängigen Organisationen, die im Kampf gegen die Bürokratie entstanden sind, die Fabrikkomitees, müssen zu Arbeiter:innenräten (Sowjets) zusammengefasst werden. Die Sowjets werden die Arbeiter:innenklasse und ihre Verbündeten aus der armen Landbevölkerung organisieren, um einen Massenaufstand gegen den bürgerlichen Staat durchzuführen. Der Arbeiter:innenrat hat sowohl exekutive als auch legislative Funktionen. Der Arbeiter:innenrat und der Soldat:innenrat werden zusammengelegt, um die Sowjetregierung (Arbeiter:innen- und Bäuer:innenregierung) als Form der proletarischen Diktatur zu bilden. Die Sowjetregierung setzt ein Preisüberwachungskomitee ein, das die Qualität und die Preise von Konsumgütern überwacht und die gleitende Skala der Löhne sicherstellt. Schaffung einer landesweiten Arbeitslosengewerkschaft, um den Arbeitslosen eine Berufsausbildung zu ermöglichen und die vorhandenen Arbeitsplätze anteilig auf die gesamte Erwerbsbevölkerung aufzuteilen.

8. Nieder mit jeder Art von sozialer Unterdrückung.

Ein typisches Merkmal der stalinistischen Regime ist, dass die Frauenbewegung und die Bewegung zur Befreiung der Homosexuellen tagtäglich von der Bürokratie unterdrückt und sogar verfolgt werden. In der Sowjetunion bedeutete die politische Konterrevolution der 1920er Jahre nicht nur die Errichtung einer bürokratischen Diktatur über Wirtschaft und Politik, sondern auch die Rückgängigmachung der nach 1917 eingeführten Reformen zur Bekämpfung der sozialen Unterdrückung. Der enorme Beitrag der Oktoberrevolution zur Befreiung der Homosexuellen und Frauen ist seit langem völlig zunichtegemacht worden. Reaktionäre Gesetze und Moralvorstellungen wurden wieder eingeführt. Überall in China verstärkte die stalinistische Bürokratie das bürgerliche Familienkonzept und diktierte weiterhin die Größe der Familie nach den unmittelbaren wirtschaftlichen Bedürfnissen. Die Restauration des Kapitalismus und die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen seit den 1990er Jahren haben die Unterdrückung der Frauen erheblich verschärft, und die chinesischen Frauen sind gezwungen, die dreifache Last von Arbeit, Haushalt und Kindererziehung zu tragen. Gleichzeitig wird die Jugend in Schulen und Klassenzimmern mit dem „Sozialismus mit chinesischen Merkmalen in der neuen Ära von Xi Jinping“ indoktriniert, und sie wird nicht nur durch eine reaktionäre patriotische Moral getäuscht, sondern auch ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung beraubt. In diesem Zusammenhang sollten wir die folgenden Forderungen aufstellen:

  • Sozialisierung der Hausarbeit und Einrichtung von 24-Stunden-Kinderkrippen. Verbot der geschlechtsspezifischen Diskriminierung bei Einstellungen und Zulassungen. Kampf für eine unabhängige proletarische Frauenliga. Umfangreiche Investitionen und Ausbau von Frauenhäusern, Waisenhäusern, öffentlichen Kantinen und Wäschereien, kostenlosen Kliniken usw.

  • Aufhebung aller aufgezwungenen Familienpläne. Abschaffung der „Bedenkzeit für die Scheidung“ und vollständige Freigabe des Scheidungsrechts. Härtere Strafen für Unzucht mit Kindern, Frauen- und Kinderhandel und Vergewaltigung.

  • Gleichstellung von LGBTIAQ-Personen. Gegen Belästigung und Gewalt aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Ausrichtung.

  • Unterstützung der demokratischen Kontrolle von Schulen und Bildungssystemen durch Schüler:innen, Eltern, Lehrer:innen und Psycholog:innen. Erhöhung der Investitionen in die Bildung durch Erlass aller Studiengebühren, Honorare und Kosten für Unterkunft und Verpflegung von der Grundschule bis zur Universität, unabhängig von der Nationalität. Jugendverbände werden von keiner politischen Partei reguliert und üben die Kontrolle über ihre eigenen Kultur-, Verlags- und Verbreitungsorgane aus.

  • Abschaffung der Zensur, die der Jugend den Zugang zum bestehenden kulturellen Erbe der Welt verwehrt. Dies wird nur ihren Intellekt und ihren Kampfgeist schwächen und sie zum Opfer reaktionärer Ideen machen.

  • Abschaffung der Diskriminierung junger Menschen in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit für Auszubildende, Zeitarbeiter:innen und Festangestellte.

9. Das Recht der unterdrückten Völker auf Selbstbestimmung ist ein absolutes und unbedingtes demokratisches Recht, das die Stalin-Maoist:innen jedoch ständig leugneten.

Trotz des föderalen Charakters Sowjetrusslands seit seiner Gründung behielt der Stalinismus, wie auch bezüglich anderer Aspekte der politischen Praxis der bolschewistischen Partei, die Form bei und beraubte sie ihres revolutionären Inhalts. In der Sowjetunion und in allen degenerierten Arbeiterstaaten, die folgten, waren weder der föderale Charakter (UdSSR und Jugoslawien) noch der Einheitsstaat (China) unter dem Deckmantel der „autonomen Regionen“ eine freiwillige Föderation der Völker, sondern ein gemeinsames Gefängnis für alle Völker.

Der Marxismus vertritt die Auffassung, dass die Nation ein neuzeitliches politisches Konzept ist, das aus der Bildung eines gemeinsamen Marktes im Prozess der kapitalistischen Entwicklung unter Berücksichtigung einer Reihe von Faktoren wie Geographie, Sprache, religiöse Überzeugungen usw. hervorgegangen ist. Daher bildet das Territorium Chinas während der dynastischen Periode ungeachtet seiner Grenzstreitigkeiten und historischen Veränderungen keine Quelle der Legitimität für den Anspruch auf „souveräne Integrität“. Im 19. und 20. Jahrhundert, in dieser kritischen Phase der nationalen Formierung in der kapitalistischen Entwicklung, haben Xinjiang (Sinkiang), Tibet und Taiwan entweder ihre Unabhängigkeit erklärt oder sich für lange Zeit von China abgespalten und sollten unter den Bedingungen der nationalen Formierung das Recht auf Selbstbestimmung genießen.

Nachdem die KPCh 1949 an die Macht gekommen war, marschierte die Volksbefreiungsarmee in Xinjiang und Tibet ein und beraubte die beiden ethnischen Gruppen ihres Selbstbestimmungsrechts. Seit den 1990er Jahren erlebten die Gebiete der ethnischen Minderheiten aufgrund der sozialen Konterrevolution, die durch die Restauration des Kapitalismus ausgelöst wurde, den Aufstieg religiöser Ideologien und Nationalismen. Wie die sozialen Gegenrevolutionen, die in anderen Bereichen des nationalen Lebens stattfanden, führte die Wiederherstellung des Kapitalismus einerseits zu separatistischen Gefühlen und andererseits zu eskalierenden Konflikten zwischen der von der KPCh unterstützten Han-Bevölkerung und den ethnischen Minderheiten. In den letzten Jahren ist Xinjiang zum typischsten Fall geworden.

Die proletarische Revolution muss zunächst das Selbstbestimmungsrecht der indigenen Bevölkerung in Xinjiang und Tibet anerkennen, was das Recht auf Abspaltung durch ein Referendum einschließt. Vor allem, welche Form der Selbstbestimmung das sein könnte und ob sie dieses Recht ausüben wollen, hängt vom Willen der Indigenen ab. Dies ist nicht nur prinzipiell richtig, sondern auch in der Praxis die einzige Möglichkeit, die Spannungen zwischen der Han-Mehrheit und ethnischen Minderheiten aufgrund staatlicher Unterdrückung abzubauen. Daher ist die nationale Selbstbestimmung der einzige Weg, um die Unterstützung des Proletariats der nationalen Minderheiten für die chinesische Revolution zu gewinnen.

In der Zwischenzeit müssen alle Sozialist:innen, ob Han-Chines:innen oder ethnische Minderheiten, die Bildung einer sozialistischen Föderation Asiens fordern, der die Mitgliedsstaaten freiwillig beitreten und wieder austreten können, und dass Han-Chines:innen, die sich im Rahmen des staatlichen Kolonialprogramms in Xinjiang und Tibet niedergelassen haben, das Recht haben zu wählen, ob sie bleiben und sich gemeinsam mit den ethnischen Minderheiten entwickeln oder in ihre Heimat im chinesischen Stammland zurückkehren wollen, unabhängig von der Zukunft von Xinjiang und Tibet.

Die Forderungen der Sozialist:innen lauten:

  • Auflösung des Produktions- und Baukorps von Xinjiang.

  • Abzug der in Tibet stationierten Truppen.

  • Freilassung aller Uigur:innen und Abschaffung der „Umerziehungslager“.

  • Für Religionsfreiheit, Freiheit der einheimischen Sprachen und Kultur.

  • Für das Recht auf nationale Selbstbestimmung.

  • Lang lebe eine Föderation der asiatischen Arbeiter:innenstaaten!

10. Eine Rückkehr zum proletarischen Internationalismus von Lenin und Trotzki.

Westliche Sozialist:innen haben die Auflösung der NATO, der Weltbank und des IWF gefordert, während chinesische Sozialist:innen die Auflösung der Asiatischen Infrastrukturinvestitionsbank (AIIB), den Erlass aller Schulden der Entwicklungsländer, die Abschaffung der Gürtel- und Straßeninitiative (Neue Seidenstraße) und die kostenlose Schenkung von Infrastrukturprojekten in Afrika und Südostasien an die lokale Bevölkerung fordern. In Ländern, die zu Halbkolonien des chinesischen Imperialismus geworden sind (z. B. Pakistan), sollten alle Truppen von den Militärbasen in Übersee abgezogen, alle ungleichen Privilegien abgeschafft und ein Plan zur Kompensation der durch die Verlagerung von Produktionskapazitäten verursachten Umweltschäden angekündigt werden. Anerkennung der Souveränität eines Arbeiter:innenstaates bei der Festlegung der Kontrolle und Entwicklung der chinesischen Unternehmen in Übersee. Abschaffung der Geheimdiplomatie. Offenlegung aller mit dem Ausland abgeschlossenen Geheimverträge. Verurteilung des vom russischen Imperialismus geführten Krieges in der Ukraine. Hände weg von Taiwan. Aufhebung aller Sanktionen oder Gegensanktionen. Ablehnung aller Militärausgaben des Parteienstaates. Verurteilung des israelischen Siedlerkolonialismus und Unterstützung eines einheitlichen, säkularen und sozialistischen Staats in Palästina. Stopp der offiziellen Fremdenfeindlichkeitspropaganda und der militärischen Aufrüstung mit nuklearen oder konventionellen Waffen. Volle und gleiche Rechte für ausländische Einwohner:innen. Abgabe der revolutionären Erklärung an die Regierungen aller Länder und Aufruf zur Weltrevolution.

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Am Vorabend der Amerikanischen Revolution im Jahr 1776 schrieb Thomas Paine: „Die Sache Amerikas ist in hohem Maße die Sache der gesamten Menschheit. Viele Umstände sind eingetreten und werden eintreten, die nicht lokal, sondern universell sind und durch die die Prinzipien aller Menschenfreund:innen betroffen werden und an deren Zustandekommen ihre Zuneigung interessiert ist.“ Heute ist die Sache des chinesischen Proletariats in erster Linie auch die Sache der gesamten Menschheit, weil der internationale Charakter einer proletarischen Revolution natürlich die Grenzen des bürgerlichen Nationalstaates überwindet und die chinesische Revolution ein Glied in der Weltrevolution und im Übergang zu einer sozialistischen Weltföderation sein wird. Obwohl die chinesische Bourgeoisie derzeit ihre eigenen Gründe hat, sich dem Parteistaat zu widersetzen, und die Republik China als Banner für eine „demokratische Revolution“ benutzen kann, kann die chinesische Revolution eine echte Revolution sein, wenn und nur wenn sie in einer Machtergreifung durch das Proletariat endet.

Trotzki hat bei der Erläuterung des philosophischen Denkens von Marx und Engels einmal darauf hingewiesen: „Die Menschheit hat die dunklen spontanen Kräfte aus der Sphäre der Produktion und der Ideologie vertrieben und die barbarischen Konventionen durch Wissenschaft und Technik ersetzt. Die Ersetzung der Religion durch die Wissenschaft, die zur Renaissance und Reformation des 15. und 16. Jahrhunderts führte, war das Streben nach intellektueller Rationalität; und dann vertrieb die Menschheit das Unbewusste aus der Politik und stürzte die Monarchie und die Hierarchie durch ein demokratisches, rein rationalistisches parlamentarisches System und dann ein völlig transparentes Sowjetsystem. Es war das Streben nach politischer Rationalität, das mit den bürgerlichen Revolutionen des 17. und 18. Jahrhunderts begann und in der Oktoberrevolution kulminierte; und schließlich schlugen die blinden, spontanen Kräfte die tiefsten Wurzeln in den wirtschaftlichen Verhältnissen – aber dort trieb die Menschheit diese mit der sozialistischen Wirtschaftsorganisation aus, was alles ermöglichte, die wirtschaftliche Rationalität zu erreichen.“

Das Besondere an China ist, dass es ein Land ist, in dem keine der drei Rationalitäten – ideologisch, politisch, wirtschaftlich – verwirklicht wurde, und daher muss die Mission der proletarischen Revolution die Kombination aller drei sein.

Folglich müssen alle Revolutionär:innen, die die oben genannten Forderungen unterstützen, zunächst in einer einzigen Partei organisiert werden. Eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei muss demokratischen Zentralismus praktizieren – „ein Mitglied – eine Stimme“ für ihre Mitglieder und volle Freiheit in der Diskussion, wobei die Minderheit der Mehrheit gehorchen muss, Demokratie in der Entscheidungsfindung und absolute Disziplin in der Durchführung von Aktionen. Wie Lenin betonte, muss eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei als Vorhut der Arbeiter:innenklasse den Organisationsgrad, die Moral und das Bewusstsein des Proletariats durch jeden einzelnen Kampf anheben, bis sie in der Lage ist, die gesamte Klasse durch einen Aufstand zum Sturz des bürgerlichen Staates zu führen und eine Arbeiter:innen- und Bauern-/Bäuerinnenregierung einzusetzen. Jede Arbeiter:innenpartei darf daher ihre Regierung nur durch die Erringung der Mehrheit der Sitze im Arbeiter:innen- und Soldat:innenrat bilden und niemals den Parteiapparat selbst als Regierungsmacht betrachten. Um die revolutionären Bewegungen jenseits der Grenzen zu fördern, zu koordinieren und zu vereinigen, rufen wir schließlich zu einer neuen Revolutionären Internationale auf, die auf dem demokratischen Zentralismus basiert, als Weltpartei für die sozialistische Revolution.

Obwohl wir derzeit eine winzige Minderheit innerhalb des chinesischen Proletariats von insgesamt 400 Millionen sind, obwohl wir der Feindschaft der zweitgrößten imperialistischen Macht und eines völlig totalitären KPCh-Staates gegenüberstehen, glauben wir, dass das chinesische Proletariat in seiner gerechten Macht den absoluten Sieg davontragen wird. Am Vorabend des Neujahrs 2024 bitten wir die kämpferischen Arbeiter:innen zu Hause und in der ganzen Welt, unseren Forderungen Gehör zu schenken und unseren Aktionen zu folgen.

  • Arbeiter :innen und Unterdrückte aller Länder, vereinigt euch!

  • Lang lebe die chinesische Revolution!

  • Lang lebe die Weltrevolution!



Pakistan: Solidarität mit dem langen Marsch der Belutsch:innen!

Shahzad Arshad, Infomail 1240, 26. Dezember 2023

In der Nacht zum 21. Dezember wurden die Teilnehmer:innen des Langen Marsches der Belutsch:innen gegen das Verschwindenlassen und außergerichtliche Tötungen in Islamabad von den staatlichen Kräften gnadenlos angegriffen, als sie die Hauptstadt erreichten. Eine große Zahl von Student:innen, darunter Frauen und ältere Menschen, wurde verhaftet. Die Regierung setzte alles daran, die verhafteten Frauen mit Gewalt nach Quetta (Provinzhauptstadt Belutschistans) zu bringen. Die Belutschinnen, die den Marsch angeführt hatten, leisteten trotz aller Gewalt und Drohungen Widerstand. In Belutschistan, aber auch in anderen Gebieten mit Belutsch:innen, begannen Proteste und Sitzstreiks gegen die Gewalt auf dem Langen Marsch, die sich in Radblockaden und Streiks an den Türen entluden.

Im ganzen Land, auch in Belutschistan, fanden in Städten und Distrikten wie Turbat, Panjgur (Pangor), Gwadar, Khuzdar, Mastung, Dalbandin, Quetta, Kohlu, Dera Bugti, Sibi, Rakhni, Barkhan, Logistikzentrum Awaran, Karatschi, Bela, Taunsa, Dera Ghazi Khan, Lahore, Islamabad, Bahawalpur, Multan und vielen anderen Proteste aus Solidarität mit den Angegriffenen statt.

Diese Gewalt in Belutschistan hat die Proteste nicht gebrochen, sondern vielmehr den Geist und den Mut des Kampfes der Bevölkerung gestärkt und die Angst allmählich überwunden. In diesen Gebieten entsteht eine neue politische Realität, die die bestehende so genannte politische Ordnung ins Wanken bringt. In dieser Situation hat das Gericht die Freilassung einiger verhafteter Personen angeordnet. Auch die Regierung hat Verhandlungen aufgenommen, und deshalb wird die Jirga (Versammlung der traditionellen Anführer:innen der Community) auch dazu benutzt, den politischen Kampf zu kontrollieren, der sich in allen Gebieten der Belutsch:innen ausgebreitet hat.

Am Beginn dieses Kampfes stand die brutale Ermordung von Balach Baloch in Turbat unter Gewahrsam der CTD (Counter Terrorism Department = Abteilung zur Terrorismusabwehr). Aber diese Bewegung ist auch das Ergebnis und die Fortsetzung vieler ähnlicher Bewegungen, die in den letzten Jahren immer wieder von belutschischen Student:innen und Frauen in verschiedenen Städten organisiert worden sind. Es wurden auch Solidaritätskomitees gebildet. Dadurch konnte die Angst in der belutschischen Bevölkerung überwunden werden, die der Staat durch schwere Zwangsgewalt, Verhaftungen, gewaltsames Verschwindenlassen und verstümmelte Leichen erzeugt hatte.

Es wurde eine Untersuchung gegen diejenigen eingeleitet, die der Ermordung von Balach Baloch beschuldigt werden, und anscheinend ist eine der Forderungen des Langen Marsches akzeptiert worden, aber die Hauptforderung des Langen Marsches ist derzeit die Beendigung der staatlichen Politik des gewaltsamen Verschwindenlassens und die Wiederkehr der so Verschwundenen. Dies ist eine legitime Forderung, die die gesamte Bevölkerung unterstützt und für die sie kämpft und die derzeit vom Langen Marsch unter der Schirmherrschaft des Belutsch:innen-Solidaritätskomitees unter der Leitung von Mahrang Baloch und anderen Aktivistinnen vertreten wird.

Die Haltung der staatlichen Institutionen gegenüber dem Langen Marsch hat die Politik des Staates gegenüber der Nation der Belutsch:innen verdeutlicht. Die Struktur des pakistanischen Staates basiert auf internem Kolonialismus, der diesem seine elementaren demokratischen Rechte verweigert hat. Was den Marsch angeht, hat sich der Staat verkalkuliert. Die Behörden wussten nicht, dass dieser eine so große Bewegung unter den Belutsch:innen auslösen würde, die trotz aller Gewalt, Verhaftungen und Einschränkungen nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte. Mit brutaler Gewalt wurde versucht zu verhindern, dass sich immer mehr Menschen dem Langen Marsch anchließen, bei dem auch belutschische Frauen, Mädchen und ältere Menschen verhaftet wurden.

Darüber hinaus wurden mehr als dreihundert Student:innen verhaftet, von denen bisher nur 167 wieder freigelassen wurden. Darüber hinaus sind mehrere Studierende bei der Niederschlagung des Langen Marsches gewaltsam „verschwunden“. Die Teilnehmer:innen des Langen Marsches protestieren derzeit vor dem Nationalen Presseclub in Islamabad. Sie haben deutlich gemacht, dass sie zu noch entschlosseneren Maßnahmen gezwungen sein werden, wenn die Student:innen nicht freigelassen werden oder noch mehr von ihnen gewaltsam verschwinden.

Der Lange Marsch, der vom Belutsch:innen-Solidaritätskomitee initiiert wurde, kam nach Islamabad in der Hoffnung, dass er den Staat unter dem Druck ihres Kampfes zwingen würde, seine Politik zu ändern und mehr vorgetäuschte Zusammenstöße und gewaltsames Verschwindenlassen zu beenden. Diese sollten gestoppt werden und die Nation der  Belutsch:innen sollte ihre demokratischen Rechte erhalten, damit sie über ihr eigenes Schicksal entscheiden kann. In diesem Sinne sollte der Lange Marsch einen erfolgreichen Kampf für seine Ziele fortsetzen.

Der Lange Marsch wird in großem Umfang von anderen unterdrückten Nationen unterstützt, darunter die PTM (Paschtunische Tahafuz-Bewegung) und andere Organisationen unterdrückter Ethnien. Zum ersten Mal hat der Lange Marsch in begrenztem Umfang Unterstützung im Punjab erhalten, und das Leiden des belutschischen Volkes und sein Schmerz sind spürbar. PTM, das Belutsch:innen-Solidaritätskomitee und die Parteien und Organisationen der Linken haben die Verantwortung, den Kampf der Belutsch:innen nicht nur zu unterstützen, sondern eine Einheitsfront zu bilden und diesen Kampf zur Arbeiter:innenklasse zu tragen. Es gilt, diesen demokratischen Kampf zu verbreiten und den Staat zu zwingen, die Serie des Verschwindenlassens und des Völkermordes zu beenden und dem Volk der Belutsch:innen volle demokratische Rechte zu gewähren.




Widerstand gegen Israels Unterdrückung und Krieg! Solidarität mit den Palästinenser:innen!

Erklärung einer Gruppe von Revolutionären Kommunist:innen in China, 15. November 2023, Infomail 1240, 22. Dezember 2023

Wir veröffentlichen die folgende Erklärung in Solidarität mit ihren Verfasser:innen und als Beitrag zur Entwicklung revolutionärer Gruppen in China und um deren internationalistische Positionen bekannt zu machen.

Das Jahr 2023 ist geprägt von einer Eskalation des Konflikts zwischen Israel und Palästina. Israel ist ständig in Konflikte mit Palästinenser:innen im Westjordanland und Gazastreifen verwickelt, die am 7. Oktober 2023 zu einem ausgewachsenen Krieg führten. Dieser von Israel angezettelte Krieg hat zu brutalen und unmenschlichen Aktionen gegen die Zivilbevölkerung geführt und über zehntausend Tote im Gazastreifen gefordert. Wir verurteilen den Krieg Israels gegen das palästinensische Volk auf das Schärfste und sind mit ihm solidarisch.

Der unmittelbare Auslöser für diesen Krieg waren zwar die bewaffneten Angriffe der Hamas auf Israel, doch die eigentlichen Ursachen liegen in der britischen Kolonialzeit, die zionistische Bewegungen förderte, um antikoloniale Bewegungen unter den Palästinenser:innen zu unterdrücken. Seit der Gründung Israels im Jahr 1948 ist die kontinuierliche Unterdrückung des palästinensischen Volkes offensichtlich. Israel hat in ganz Palästina Siedlungen errichtet, die arabischen Bewohner:innen vertrieben, den (auch friedlichen) palästinensischen Widerstand gezielt bekämpft, Kriege gegen Palästina geführt und eine Politik der rassistischen Segregation betrieben. Diese Maßnahmen haben viele Palästinenser:innen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, was dazu führte, dass ein erheblicher Teil der palästinensischen Bevölkerung in andere Länder abwanderte. Die israelische Politik der rassistischen Segregation hat zu massiver Armut geführt und den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt in Palästina behindert. Die anhaltende Unterdrückung hat zum bewaffneten Widerstand des palästinensischen Volkes geführt. Wir unterstützen das palästinensische Volk in seinem Kampf gegen den Siedlerkolonialismus und das rassistische Regime Israels.

Die Unterstützung des Widerstands des palästinensischen Volkes gegen Israel bedeutet jedoch nicht, die Hamas zu unterstützen. Wir sind dagegen, dass Israel und die westlichen imperialistischen Regierungen die Hamas unter der Bezeichnung „Terrorismus“ angreifen. Dennoch erkennen wir die Hamas als eine ultrarechte, obskurantistische Organisation an, die eine korrupte, arbeiter:innen und geschlechterfeindliche Politik in Gaza fördert. Sie leistet zwar aktiven Widerstand gegen die israelische Invasion, aber ihre wahllosen Angriffe auf israelische Zivilist:innen und ihr Festhalten am islamischen Fundamentalismus behindern die Sache der palästinensischen Befreiung. Wir unterstützen auch nicht die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO-Fatah), da das Fatah-Regime, das die Osloer Abkommen akzeptiert hat, zu einem von Israel geförderten Marionettenregime in Palästina geworden ist, das Israel die „friedliche“ Hand reicht, während es eine repressive Faust gegen das palästinensische Volk schwingt.

Imperialistische Regierungen wie die der Vereinigten Staaten, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und Deutschlands behaupten heuchlerisch „Humanität“, während sie Israels Kolonialherrschaft standhaft unterstützen. Sie schieben die Hauptverantwortung für diesen Krieg auf die Schultern Palästinas und der Hamas, indem sie Israels uneingeschränkte Bombardierung des Gazastreifens zulassen und damit zu den Hauptverursacher:innen der humanitären Krise in Palästina gehören. Ihr Engagement in Palästina zielt darauf ab, ihre imperialistische Hegemonie im Nahen Osten aufrechtzuerhalten. Unter dem Deckmantel der „Bekämpfung des Antisemitismus“ schränken sie nun die Freiheit und die demokratischen Rechte in ihren eigenen Ländern ein, um Israel zu unterstützen. China und Russland unterstützen Palästina vorgeblich, weil sie nicht wollen, dass der Nahe Osten vollständig vom westlichen Imperialismus kontrolliert wird, was ihre regionale hegemoniale Expansion beeinträchtigen könnte. Unter seinem monopolkapitalistischen System unterstützt China jedoch nicht mehr die Befreiung Palästinas. Mit der Anerkennung der Grenzen von 1967 zwischen Israel und Palästina erkennt die chinesische Regierung im Wesentlichen die israelische Kolonisierung Palästinas als legitim an. Solange Kolonisierung und Besatzung andauern, kann es keinen dauerhaften Frieden in Palästina geben. Daher ist der von China vorgeschlagene „Frieden zwischen Israel und Palästina“ äußerst heuchlerisch, da er auf regionale Stabilität abzielt, um Kapital besser nach Palästina und in andere Länder des Nahen Ostens zu exportieren und kapitalistische Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit Israel zu entwickeln. Sich auf irgendeine imperialistische Macht zu verlassen, wird daher weder die Befreiung des palästinensischen Volkes noch den Frieden in Palästina bringen. Der Kampf des palästinensischen Volkes muss jede Abhängigkeit von imperialistischen Kräften zurückweisen und ablehnen. Darüber hinaus unterstützen wir weltweit Bewegungen, die sich gegen Israel und für das palästinensische Volk einsetzen, sich mit den Kämpfen zur Verteidigung und Durchsetzung der Freiheit und demokratischen Rechte der Länder verbünden, die gegen Rassismus kämpfen und die Antikriegsbewegung der Arbeiter:innen unterstützen.

Viele reaktionäre Kräfte, einschließlich konservativer Liberaler in China, preisen Israel als Vertreter der Zivilisation und des Friedens und benutzen Islamophobie, um palästinensische Araber:innen als „Terrorist:innen“ zu bezeichnen. Dies ist eine völlige Verzerrung. Der Zionismus opfert die Interessen der einheimischen Palästinenser:innen, um einen rassistischen jüdischen Staat von Siedler:innen zu errichten. Viele chinesische Nationalist:innen unterstützen zwar oberflächlich betrachtet Palästina, aber im Grunde stehen sie auf einer Linie mit den geopolitischen Interessen Chinas und Russlands. Einige sind sogar antisemitisch eingestellt und sympathisieren mit Hitlers Judenvernichtung. Unterdrückung sollte niemals eine Rechtfertigung für noch mehr Unterdrückung sein. Wir wenden uns gegen alle Formen des Rassismus, nicht nur gegen bestimmte Rassen und Ethnien.

Seit über siebzig Jahren leidet das palästinensische Volk unter der israelischen Unterdrückung, die vom Weltimperialismus unterstützt wird. Diesmal haben wir jedoch den Verrat der arabischen herrschenden Klassen am palästinensischen Volk erlebt: die ägyptische Regierung, die mit Israel zusammenarbeitet, um Mauern um den Gazastreifen zu errichten, Syrien und Jordanien, die palästinensische Flüchtlinge und Andersdenkende unterdrücken, der Iran, der in erster Linie die Hamas fördert, um seinen Einfluss in Palästina auszuweiten, und der Libanon, der linke Organisationen unter palästinensischen Flüchtlingen unterdrückt. Sich allein auf lokale palästinensische Bemühungen zu verlassen, reicht nicht aus, um Israels Kolonialismus und Apartheid zu beenden. Das palästinensische Volk braucht die Unterstützung von Massenbewegungen im Nahen Osten und in der ganzen Welt. Die Welle der Revolte gegen reaktionäre Kräfte in Westasien und Nordafrika sowie gegen die iranische Theokratie wird den Weg für den autonomen Widerstand des palästinensischen Volkes ebnen. Die Sache der Befreiung Palästinas ist die der Arbeiter:innenklasse und unterdrückten Völker auf der ganzen Welt.

Die Kämpfe der Arbeiter:innen im Nahen Osten und der palästinensischen Flüchtlinge, die in verschiedenen Ländern leben, sind oft miteinander verflochten. Ein solcher Widerstand darf sich keinesfalls für eine Seite der verschiedenen imperialistischen oder regionalen Mächte entscheiden, sondern stützt sich auf Kämpfe, die von der Selbstorganisation der Arbeiter:innenklasse unabhängig geführt werden, mit dem Ziel der gemeinsamen Niederlage aller imperialistischen Mächte. Verschiedene selbstorganisierte Basiskomitees in der syrischen Revolution, Volksvertretungen in der algerischen Volksbewegung, Arbeiter:innenbewegungen in Tunesien, Frauenproteste und Arbeiter:innenstreiks im Iran, der sudanesische Berufsverband, der den Kampf der Arbeiter:innenklasse gegen die Militärdiktatur im Sudan vertritt, sie alle dienen als notwendiger Ausgangspunkt für künftige Kämpfe, die schließlich die Macht der bürgerlichen Staaten im Nahen Osten brechen, dem israelischen Zionismus die Grundlage entziehen und die Errichtung eines multiethnischen, gleichberechtigten, demokratischen, säkularen und sozialistischen Palästinas ermöglichen werden, das Araber:innen, Juden, Jüdinnen und andere einschließt. Um die Befreiung Palästinas zu erreichen und zu verhindern, dass die Früchte des Kampfes von reaktionären Kräften wie der Muslimbruderschaft oder der Hamas ausgebeutet werden, plädieren wir für die Gründung von revolutionären Arbeiter:innenparteien in der Region und darüber hinaus.

Wir schlagen hiermit folgende Forderungen vor:

  • Schluss mit der zionistischen Herrschaft in Israel!

  • Nieder mit Kolonialismus und Rassismus!

  • Widersetzt euch der Einmischung der imperialistischen Kräfte in Palästina!

  • Freiheit für ganz Palästina!

  • Strebt nach der Errichtung eines säkularen, ethnisch gleichberechtigten, demokratischen und sozialistischen palästinensischen Staates!

  • Arbeiter:innen und Menschen in Westasien und Nordafrika vereinigt euch!