Zehntausende bei LQM-Bewegung für Arbeiter:innenrechte – Vorwärts zu einer Arbeiter:innenpartei in Pakistan!

Khaliq Ahmad, Infomail 1228, 24. Juli 2023

Die pakistanische Regierung hat die gesamte Last auf die Arbeiter:innenklasse und die Armen in Stadt und Land abgewälzt, um das Programm des Internationalen Währungsfonds (IWF) wiederzubeleben. Die Verbraucher:innenpreisinflation in Pakistan hat derzeit den höchsten Stand in der Geschichte erreicht. Nach offiziellen Angaben stieg sie im März auf 35,4 %, was vor allem auf die in die Höhe geschnellten Kosten für Lebensmittel, Strom, Getränke und Transport zurückzuführen ist.

Die Lohnerhöhungen im jüngsten Haushalt liegen unter dem aktuellen Inflationsniveau,

Die Unternehmen in der Privatwirtschaft weigern sich sogar, diese zu erhöhen, und die Arbeiter:innen müssen jedes Jahr einen organisierten Kampf führen, um wenigstens ihre Verluste auszugleichen. Das jüngste IWF-Abkommen im Wert von 3 Milliarden US-Dollar wird die Situation für die Lohnabhängingen, die Bäuer:innen und die Armen noch verschlimmern, da es Kürzungen der Subventionen für grundlegende Konsumgüter, weitere Privatisierungen und Senkungen der öffentlichen Ausgaben fordert.

Kampagne

Als Reaktion auf diese Situation startete die LQM (Labour Qaumi Movement) Anfang Juni eine Kampagne für höhere Löhne und zu den Problemen am Arbeitsplatz. Vor der Konferenz für Rechte der arbeitenden Bevölkerung am 18. Juni fanden zehn Kundgebungen und zahlreiche Versammlungen unter freiem Himmel in den Arbeiter:innenvierteln und an Arbeitsplätzen statt.

Im Rahmen dieser Kampagne sprach die LQM Zehntausende von Arbeiter:innen an und organisierte sie, darunter eine große Zahl von Heimarbeiter:innen. Auf den Kundgebungen und an den Straßenecken sprachen sie über die Probleme, vor denen Millionen stehen. Sie luden sie ein, sich der LQM anzuschließen, um gemeinsam gegen Inflation, Kürzungen und das IWF-Paket zu kämpfen und zu erklären, warum nicht nur Gewerkschaften und lokale Aktionskomitees braucht, sondern auch eine eigene Partei der Arbeiter:innenklasse. Eine Partei, die sich in die täglichen Kämpfe einmischt, die Wahlen nutzt, um die unabhängige Stimme der Lohnabhängigen zu erheben, und die ihre gesamte Tätigkeit mit dem Kampf gegen das System verbindet. Die Haltung der Arbeiter:Innen gegenüber dem Aufbau der LQM und ihrer 2022 gestarteten Initiative zum Aufbau einer Partei der Arbeiter:innenklasse ist sehr positiv.

Diese Kampagne ist insofern von Bedeutung, als sie sich nicht nur auf eine für Lohnerhöhungen beschränkt, sondern auch die Fragen der Politik und der Partei der Arbeiter:innenklasse in den Vordergrund rückt, mit denen sie  seit Jahrzehnten konfrontiert ist. In Ermangelung einer nennenswerten politischen Organisation, die unter den Lohnabhängigen verwurzelt ist, waren die Klasse und ihre potenziellen Verbündeten – Kleinbäuer:innen, städtische und ländliche Arme, Student:innen und Unterdrückte – den verschiedenen Parteien der herrschenden Klasse oder des Kleinbürger:innentums politisch untergeordnet. Diese politische Schwäche wird in Zeiten der Krise und intensiver Klassenkämpfe besonders deutlich.

Die LQM hat mit dem Aufbau einer solchen Partei begonnen und kämpft auf der Grundlage eines Programms mit Forderungen der Arbeiter:innenklasse. Sie wehrt sich gegen die gegenwärtige Wirtschaftskrise, in der die Regierung im Rahmen des IWF-Programms der Arbeiter:innenklasse und den Armen in Stadt und Land alle Lasten aufgebürdet hat. Die unterdrückten Nationen, die Frauen und die Studierenden sind hiervon besonders betroffen. Und gleichzeitig wächst der obszöne Reichtum der pakistanischen herrschenden Klasse.

Nach Angaben der Behörde für nationale menschliche Entwicklung schüttet die Regierung jährlich 17,4 Milliarden US-Dollar an die Elite aus. Darunter fallen nicht nur, ja nicht einmal hauptsächlich Boni und Einkommen für hochrangige Beamt:innen. Dazu gehören auch Vergünstigungen und Subventionen für die landbesitzende Elite. Exporthändler:innen und Industrielle erhalten ebenfalls mehr Unterstützung im Namen der nationalen Wirtschaft. Gleichzeitig setzt die Regierung die Masse der Bevölkerung unter Druck und belastet es, für das es schwierig geworden ist, zwei Mahlzeiten am Tag zu bekommen.

Konferenz

Tausende von Arbeiter:innen aus ganz Faisalabad nahmen an der Konferenz vom 18. Juni unter der Schirmherrschaft der LQM teil und hissten mit großen Märschen und Kundgebungen rote Fahnen. Auch eine große Zahl von proletarischen Frauen beteiligte sich an dieser Konferenz. Neben den Lohnabhängigen aus Faisalabad kamen auch Vertreter:innen verschiedener Gewerkschaften, linker Organisationen und Studierendenorganisationen aus dem ganzen Land.

Auf der Konferenz für Rechte der Arbeiter:innen sagten die Redner:innen, es sei klar, dass die Ursache für die bestehende Krise und die Probleme die Prioritäten der herrschenden Klasse seien. Sie benutzen ihren Staat für ihr kapitalistisches System und bieten keine Lösung für die Arbeiter:innen und die Armen. Unter diesen Umständen ist die LQM die einzige Partei, die aus der Arbeiter:innenklasse besteht, die in ihr und bei den Armen verwurzelt ist. Sie sind das Rückgrat des Kampfes, um dieses auf Ausbeutung und Zwang basierende System zu beenden. Aber sie müssen vernetzt, organisiert und politisch geeint werden, um den Kampf der Arbeiter:innenklasse anzuführen.

Der Kampf der LQM, so erklärten die Redner:innen, richtet sich gegen das kapitalistische System, und ihr wichtigstes Kampfziel ist die Schaffung einer Regierung der Arbeiter:innenklasse. Deshalb ist die LQM mit keiner kapitalistischen Partei verbunden, organisatorisch und politisch unabhängig und eine Partei des Klassenkampfes. Und der Redner fuhr fort: „Wir hegen keine Hoffnung in dieses Parlament. Der Zweck der Teilnahme an der Wahl wird sein, den Arbeiter:innenkampf zu verstärken, Themen aus der Arbeitswelt ins Parlament zu bringen und den Kampf außerhalb des Parlaments damit zu verbinden und für die Macht der Arbeiter:innenklasse zu kämpfen“. Die LQM unterscheidet sich auch deshalb von anderen Parteien, weil sie sich auf die Arbeiter:innenklasse stützt und die Mehrheit ihrer Führung aus Arbeiter:innen besteht. Sie sind stolz darauf, dass dies ihre Partei ist – also schließt euch ihr an und organisiert einen gemeinsamen Kampf gegen die Unterdrückung und Ausbeutung dieses Systems!

Forderungen

Auf der Arbeitsrechtskonferenz wurde angekündigt, den Kampf um die folgenden Forderungen auf nationaler Ebene zu organisieren und alle anderen Gewerkschaften und Arbeiter:innenorganisationen aufzurufen, sich dem gemeinsamen Ringen gegen Preiserhöhungen, das IWF-Paket und für die Grundbedürfnisse der Arbeiter:innenklasse anzuschließen.

  • Senkung der Preise für Strom, Gas und Benzin. Mehl, Fett, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst sollten billig gemacht und Preiskontrollausschüsse eingerichtet werden.

  • Der Entwicklungshaushalt sollte durch Besteuerung der Reichen und Kapitalist:innen erhöht werden, damit die grundlegende Infrastruktur aufgebaut werden kann.

  • Die Gehälter sollten im Verhältnis zur Inflation erhöht werden.

  • Das Akkord- und Vertragssystem sollte abgeschafft werden. Das Tagelohnvertragssystem sollte beseitigt und die Arbeiter:innen regulär eingestellt werden.

  • Arbeiter:innen sollten ohne Unterschied des Geschlechts den gleichen Lohn und die gleiche wirtschaftliche und soziale Sicherheit erhalten.

  • Die Umsetzung des Mindestlohns sollte sichergestellt werden.

  • Jede/r Arbeiter:in sollte bei der Sozialversicherung und der Altersrentenanstalt gemeldet sein.

  • Kostenlose und qualitativ hochwertige Bildung und Behandlung sollten bereitgestellt werden.

  • Arbeit und Wohnung sollten garantiert, Arbeitslosengeld sollte allen Arbeitslosen gewährt werden.

  • Es sollten Sozialwohnungen gebaut werden, in denen alle grundlegenden Einrichtungen vorhanden sind.

  • Die gewerkschaftliche Organisierung ist das Recht der Arbeiter:innen und alle diesbezüglichen Beschränkungen sollten aufgehoben werden, die Studierendengewerkschaft wieder operieren dürfen.

  • Es sollten Agrarreformen durchgeführt und den Bauern und Bäuerinnen billiges Saatgut, Dünger, Strom und Wasser zur Verfügung gestellt werden.

  • Das Recht der unterdrückten Nationen auf Selbstbestimmung, ihr Recht auf ihre Ressourcen sollten anerkannt werden.

  • Die Schulden sollten gestrichen werden.

Solche Forderungen können nur durch einen Massenkampf der gesamten Arbeiter:innenbewegung, durch Massenstreiks, Besetzungen und Massenkundgebungen durchgesetzt werden. Und das kann nicht nur durch Absprachen zwischen den Führer:innen der Organisationen entstehen, sondern muss von unten durch Massenkundgebungen, wie wir sie in Faisalabad gesehen haben, durch die Wahl von Aktionskomitees an den Arbeitsplätzen, in den Arbeiter:innenbezirken oder auf dem Lande erfolgen, die sich zu einer nationalen Kampfkoordination zusammenschließen. Eine solche Massenbewegung muss demokratisch, aber auch effektiv sein und sich auf einen Aktionsplan für die Bewegung einigen. Und sie muss auch Organe der Selbstverteidigung schaffen, um sich gegen Provokationen zu schützen.

Sollte sich eine solche Bewegung etablieren und Forderungen durchsetzen, wäre das natürlich nicht das Ende des Kampfes. Die herrschende Klasse und ihr Staat würden nach allen Mitteln suchen, um selbst kleine Erfolge anzugreifen. Der Kampf muss also dauerhaft sein und zu einem revolutionären Ringen um die Macht führen, für die Schaffung einer Regierung der Arbeiter:innen- und Kleinbäuerinnen auf der Grundlage von Arbeiter:innenräten und einer Miliz – einer Regierung, die nicht nur dem Diktat des IWF und der neoliberalen Politik ein Ende setzen würde, sondern auch dem kapitalistischen System, indem sie einen demokratischen Plan aufstellt. Und eine solche Regierung darf sich nicht auf Pakistan beschränken, sie kann und muss zu einem Sammelpunkt für die Ausbreitung der Revolution auf die gesamte Region werden und zu einer Föderation von Arbeiter:innenstaaten führen.




Workers „RE-WOLT“ against Wolt

Minerwa Tahir, Infomail 1226, 21. Juni 2023

Deutsche Übersetzung: https://arbeiterinnenmacht.de/2023/06/21/arbeiterinnen-re-wolt-gegen-wolt/

Berlin: Fifty Wolt workers and sympathisers took to the square in fron of Zentrum Kreuzberg at U Kottbusser Tor on Monday, 19th June 2023, to protest against non-payment of wages, deprivation from paid sickness leave and other labour law provisions. Their banner read “Wolt owes us money and rights” followed by the logo of the protest campaign, called “ReWolt” – a play on the company’s name and the word “revolt”.

The protest was organised by the Wolt Workers Collective, which is a network of Wolt workers in Berlin who had earlier organised a protest on April 13 this year. Monday’s protest was a continuation of the series of protests that workers have planned to organise until they are given their basic rights. The recent protest movement in Berlin began when a fleet of 120 migrant workers were denied payment for several months, amounting to several thousands of euros in unpaid wages. They had been hired by Wolt through a subcontractor who goes by the name Ali and runs a mobile phone accessories shop in Neukölln on Karl Marx Straße by the name Mobile World. At the last protest, workers cycled their way from U Karl Marx Straße to the Wolt headquarters in Friedrichshain where they had intended to deliver a written charter of their demands for the unpaid wages to Wolt management. Members of Gruppe Arbeiterinnenmacht were present there and we witnessed how management refused to even come out of their offices and receive the charter of demands. When Muhammad, the leader of the protest, tried to put the charter in the mailbox of the enterprise, he was told that Wolt did not have a mailbox.

What began as a campaign of unpaid employees being denied wages under the farce of a subcontractor excuse has now evolved and grown into a collective struggle that also involves directly hired employees of Wolt. Together, these workers demand their rightful payment of wages, occupational safety, workers‘ compensation, an end to the super-exploitative and illegal subcontracting system, and paid sickness leave among other rights. To make their voice heard, they organised a protest on Monday, where a number of workers and their friends and sympathisers spoke against the injustices they have been facing.

Workers accuse

“I am a migrant student and struggle to live here in Germany with my family,” said Muhammad, the leader of the protest. “My wife and I work odd jobs to make ends meet. Wolt has stolen three months of my wages. And I am not alone. We are many migrant students facing the same situation at the hands of this company. Because we are migrants, many students are even afraid of protesting. I went to the Wolt store in person eight times to claim my wages. However, the manager, whom everyone only knows as Ali from Mobile World GmbH, repeatedly refused and finally said that he has not been paid by Wolt to pay our wages. When we have delivered orders on time and with honest dedication, the least we deserve is to be paid! All labour has dignity. It is a crime for people to live in this rich nation and receive starving wages.”

His colleague, Shiwani Sharma, who has also not been paid her wages, spoke about the hardships these workers have been facing as a result of the wage theft. “I am a student in a private university in Berlin and it is already very difficult to cope with the challenges of high rent and high tuition fees,” she said. “I joined Wolt as a rider in the month of December. It was freezing cold weather but we would go door to door to deliver food to customers. On some days, we would get severe pain in our hands because the weather was so cold. All the while, the Wolt management sat in their comfortably heated offices. They get the money to heat their offices due to our hard work but then they deprive us of even our meagre wages. We deserve to be paid! And we deserve at least a minimum wage per hour instead of the per order payments. This per order payment system must be abolished!”

Another rider of Indian background, Abhay, described his experience with Wolt as a roller coaster ride. According to him, these workers worked eight to ten hours in the freezing months of December and January, thinking that they might be paid to be able to afford their university fees and other expenses. “What do I get after this work? Wolt denied to pay me. I thought they will pay me next month. But I have not been paid for November, December and January. The HR department of Wolt has even denied before that we are their workers. We have everything to prove that we worked for Wolt. We want to be paid.”

Janno, a friend of the workers from the Welcome United campaign, said that illegal business practices such as wage theft must be stopped. “Many of the delivery services violate basic rights and laws on the backs of their riders on a daily basis,” he said. “It’s not a coincidence. It’s not an accident. It’s their business model.”

Delivery riders from Gorillas, Lieferando, and other such companies were also present to make their case regarding precarious work. Joey from Workers Centre, who is also a Gorillas rider, spoke about the plight of migrant workers in Germany’s gig economy and situated it in the larger European context of structural racism. They condemned Greek authorities’ inaction and European apathy in general towards the Pakistani, Syrian and other victims of the recent drowning of an overcrowded boat in the Mediterranean.

At the end, Theater X performed a theatrical sketch on the plight of affected delivery workers.

Capitalism and superexploitation

Germany’s cost of living crisis is already becoming more and more unbearable with each passing day. It is already so difficult for us workers to make ends meet even on minimum wage. Workers employed in the precarious sector are now deprived of even that wage. It is absolutely shameful that this practice of wage theft can happen in a so-called democratic state like Germany. But what it also shows is that the state is always representative of the interests of the capitalist class. And that is why we as workers have to unite ourselves and make the trade unions collective fighting organisations that represents us but also that we need a workers’ party that in reality represents us and our interests.

Our comrade, Martin, gave a moving speech at the protest. He said he was a member of IG Metall (the largest industrial union in Germany and Europe), and even though his union belongs to a different trade, it is important that we see ourselves as waging a struggle together. “This is something that the trade unions in Germany do not do at all or do not do sufficiently. This is something that we need to change in the next years together. Your struggle, your courage, your fight against outsourcing, against subcontracting, against the robbing of your wages shows not only what kind of measures Wolt and other criminal capitalists are undertaking in order to secure their profits. It also shows that you are not victims and you can fight back and you have proven that you can organise and that we can organise ourselves. Therefore, it is important that we demand solidarity and a common struggle with the trade unions in the same sector like the NGG, Ver.di and all others because the struggle you wage is not only important for you, it will also be important for the whole working class. The more the precarious sector expands, the more it will undercut wages everywhere! This is why it is not just a question of solidarity but rather a question of self-interest of every worker to support this struggle. We have to buy food and pay rent irrespective of the weather and that is why we have to question the system that is behind stealing of a wage that is itself insufficient to pay for basic needs. Hundreds of millions of migrant workers, women and the most disadvantaged and oppressed sections of the working class are driven into these conditions by the expansion of gig economy. If we want an end to this system, we also have to question the right to the profits which Lieferando, Wolt, Flink and all the others are making for themselves. If they are not prepared to pay the wages on time, if they are not prepared to pay wages sufficient for a living, then those companies should be expropriated without compensation! We need to make history out of a system which stands on exploitation, on racism, on war and oppression!”

This is not the first time that the question of expropriation has been raised in the streets of Berlin. In 2021, the Deutsche Wohnen Enteignen (Expropriate Deutsche Wohnen) referendum was successful, even if lawmakers have failed to act on the will of the Berlin population who voted in favour of expropriating the real estate company, Deutsche Wohnen, in light of the housing and rent crisis. “We are no longer willing to finance the profits of the shareholders with our excessive rents!” reads their website. Profits of companies enjoying the privileges offered to the capitalist class through precarious gig work are now increasingly coming under question. Some German school students had also come to the protest to express solidarity with the unpaid migrant workers. “The fact that the management is not willing to pay you is an insolence,” said Kai, who is also a member of communist youth group Revolution. “As youth interested in our future, we see the necessity to unite with your current struggle and with the struggle of all around the world. We are students or trainees today and we will be workers one day. Your struggle now is also a struggle for our future. We are also being oppressed by the same system that oppresses you.” As he ended his speech, the crowd shouted in unison, “Students and workers, unite and fight!”

A solidarity message received from the speaker of the Vernetzung für kämpfersiche Gewerkschaften read: “I express my solidarity with your struggle. As an active trade unionist for many decades, I have to say that it is a shame that the non-payment of workers is possible again in this country. That the minimum right of wage-labour, that the wage is paid, is not respected! The trade unions of the DGB, the parties that claim to represent the working people, SPD and the Left Party, have to be criticised for allowing the laws for temporary work and platform economy that have eroded workers’ rights. It’s their duty to fight for re-establishment of these rights and for the defence of the workers concerned.”

It was positive that Ferat Kocak of Die Linke Neukölln responded to our call for solidarity and sent Comrade Daniel in his stead to express solidarity with the workers. We call upon all left forces and trade unions to respond alike and help build this movement as an active struggle. After all, it is in the self-interest of all workers to prevent the expansion of precarious work and to collectively fight for the application of minimum wage and other basic labour rights on all! Therefore, as a first step, we call on everyone to come to the court hearing on 27 July, so that the courts also know that we stand together.

Hoch die Internationale Solidarität!




TVStud: Bald Lohnkampf an den Unis?

Jaqueline Katherina Singh, Neue Internationale 274, Juni 2023

Frischer Wind weht durch die Uniflure in der Bundesrepublik. Seit Semesterstart ist die Initiative TVStud für einen Tarifvertrag für studentisch Beschäftigte unterwegs und versucht studentische Hilfskräfte zu organisieren. Das Ziel: Im Herbst diesen Jahres soll zusammen mit den Beschäftigten von TV-L gestreikt werden. Denn die Arbeitsbedingungen sind mehr als schlecht, wie das Forschungsprojekt „Jung, akademisch, prekär?“ vom Institut für Arbeit und Wirtschaft Bremen in Kooperation mit ver.di und GEW belegt. Insgesamt wurden im Zeitraum vom 30. Januar 2022 bis zum 22. Juli 2022 über 11.000 studentische/wissenschaftliche Hilfskräfte und Tutor:innen zu ihren Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitsbedingungen befragt.

Damit ist die Studie die erste ihrer Art und aktuell die umfassendste. Kernerkenntnisse sind dabei, dass: 77,8% der studentisch Beschäftigten als armutsgefährdet gelten, da sie über weniger als 1.250€ monatliches Gesamteinkommen verfügten. Dies liege daran, dass sich die Löhne an den TdL-Richtlinien orientieren und nur knapp über dem Mindestlohnniveau lägen. Der Stundenlohn von studentischen Hilfskräften (SHK), also denjenigen ohne Bachelorabschluss, läge im Erhebungszeitraum zwischen 10 € (Thüringen und Bayern) und 12,96 € (Berlin). Hinzu kämen kurze Vertragslaufzeiten, im Durchschnitt bei 6,1 Monaten, häufig als Kettenbefristung. Seien studentische Hilfskräfte und Tutor:innen mehr als einmal an einer Hochschule beschäftigt, arbeiteten sie im Durchschnitt zum dritten Mal in Folge auf derselben Stelle. Für knapp 90% der studentischen Beschäftigten sei die Lebensfinanzierung ein (wesentliches) Erwerbsmotiv.

Kurzum: Befristung und schlechte Bezahlung sind hier als Spiegel der Arbeit im deutschen Wissenschaftsbetrieb der Universitäten zu verstehen. Die schlechten Anstellungsbedingungen der studentisch Beschäftigten dienen quasi als Vorbereitung zu den Arbeitsbedingungen im Wissenschaftsbetrieb. Darüber hinaus ist in den letzten Jahren eine massive Ausweitung dieser Anstellungsart zu beobachten, die auch genutzt wird um Stellen im universitären Bereich zu ersetzen und so Tarifflucht zu begehen.

Herausforderungen

Hier mit einem Tarifvertrag TVStud entgegen zu wirken in richtig und notwendig! Einfach wird  das Vorhaben aber nicht. Die Aktivist:innen stehen vor mehreren Problemen:

1. Die kurze Beschäftigungsdauer

Während andere Arbeitskämpfe den Vorteil haben, dass die Belegschaft Erfahrungen im Rahmen unterschiedlicher Auseinandersetzungen sammeln kann, ist das bei den SHKs weniger der Fall. Das liegt in der Natur des Studiums an sich, das im Idealfall drei Jahre dauert. Dementsprechend begrenzt sind auch die Anstellungsdauer der SHKs, verstärkt wird das ganze durch die Kettenbefristung. Das heißt in der Praxis: Studierende, die man im Sommersemester für den Streik motiviert, arbeiten vielleicht im Wintersemester nicht mehr in ihrer Anstellung.

2. Willkür und persönliche Abhängigkeit

Nur 36,7% der befragten SHKs haben sich auf eine Stellenausschreibung beworben; 41,4% wurden persönlich angesprochen, insgesamt 60,3% so oder auf einem anderen informellen Weg rekrutiert. Das bedeutet eine verstärkte Abhängigkeit gegenüber den Vorgesetzten, die häufig auch an die Studierenden Noten im „normalen“ Unialltag vergeben. Das in Kombination mit der Kettenbefristung kann die Bereitschaft senken für die eigenen Interessen und bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße zu gehen.

3. Fehlende Klarheit

Bisher ist unklar, für welche Form des Tarifvertrags man die SHKs eigentlich organisieren möchte. Berlin ist das einzige Bundesland in dem ein Tarifvertrag für studentische Beschäftigte existiert. Der Tarifvertrag ist ein Relikt aus den 80er Jahren, dient aber als Vorbild für die Initiative. Die Verbesserungen sind merklich: die durchschnittliche Anstellungszeit in Berlin liegt bei 14,1 Monaten und auch das Lohnniveau ist im Vergleich höher (auch wenn seit Juni 2022 der Berliner Landesmindestlohn den Abschluss überholt hat).

Was braucht es?

Um Erfolg zu haben, braucht es eine Strategiedebatte.

Die Frage, die auf dem Tisch liegt, ist, wofür eigentlich gestreikt werden soll. Ein bundesweiter TV-Stud? Oder eine Anbindung an den TV-L? Letzteres hat definitiv Vorteile wenn es darum geht, die Kampfkraft zu erhöhen. Statt alleine zu streiken, wären die studentischen Beschäftigten mit weiteren Kolleg:innen auf der Straße, beispielsweise auch mit wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen an den Universitäten.

Auf der anderen Seite gerät man dabei Gefahr, dass man seitens der Gewerkschaften ausverkauft und bei den Abschlüssen nicht genügend beachtet wird. Dieses Szenario ließe sich durch Streikversammlungen mit allen TV-L Beschäftigten bekämpfen, indem diese über die Fortführung des Streiks bestimmen, sowie direkte Wähl- und Abwählbarkeit für die Mitglieder der Tarifkommission. Das würde in der Praxis bedeuten, dass die Mitglieder der Tarifkommissionen die Entscheidungen der Streikenden von den Versammlungen umsetzten müssten. Damit das nachvollziehbar ist, sollten die Verhandlungen selbst auch öffentlich geführt werden.

Was sich nach Utopie anhört, hat in der Praxis mehrere Vorteile: Die Streikenden würden die Kontrolle über ihren Streik erhalten und selber in die Lage versetzt werden, politische Diskussionen zu führen, was notwendig wäre um die gewünschten Ergebnisse zu erhalten. Darüber hinaus fällt der Frust weg, seitens der Gewerkschaft ausverkauft zu werden, wie es beispielsweise Teile der Kolleg:innen mit dem Abschluss im TVöD erleben.

Doch das ist nicht alles: Darüber hinaus braucht es eine Bewegung an den Universitäten, die nicht nur die studentischen Beschäftigten erfasst. Für die Studierenden muss klar sein: Gute Lernbedingungen entstehen nur durch gute Arbeitsbedingungen. Es ist also im Interesse aller Studierenden die Streiks zu unterstützen. Ebenso bieten sie den Rahmen längst überfällige Forderungen zur Verbesserungen der eigenen Situation aufzustellen.




Erneuerung der Gewerkschaften – oder des Apparats?

Mattis Molde, Neue Internationale 274, Juni 2023

Es war die fünfte Konferenz dieser Reihe und von der Teilnehmer:innenzahl, die bei weitem größte. “Gewerkschaftliche Erneuerung“ ist ihr Titel. Die erste dieser Art 2011 in Stuttgart hatte noch „Erneuerung durch Streik“ als Perspektive. Das wäre aber etwas zu dick aufgetragen gewesen, angesichts der Tatsache, dass die IG Metall in der Metall- und Elektroindustrie, ver.di bei der Post und im Öffentlichen Dienst mit aller Macht Streiks verhinderten und Reallohnverluste für die nächsten Jahre vereinbart haben.

Abfeiern der Tarifrunden

1700 Teilnehmer:innen in Bochum belegen, dass ein Interesse am Austausch und an einer Diskussion der Zukunft der Gewerkschaften angesichts von Inflation, Krieg und Klimakatastrophe besteht.

Streiks, die mit Erfolgen enden, hätten die Gewerkschaften in Deutschland aber definitiv mehr in Bewegung gebracht, als diese Konferenz.

Bei den großen Tarifrunden im letzten halben Jahr waren Hunderttausende in Warnstreiks und ähnlichen Aktionen beteiligt. Erkämpfte Erfolge gegen die Inflation und Siege gegen Angriffe auf das Streikrecht wären eine reale „better practice“ der Gewerkschaften gewesen, als die vielen kleinen Beispiele von best practice, die in Bochum verklärt wurden. Eine realistische Bilanz der Tarifrunden kam mit ihren zentralen Fragestellungen in Bochum nicht oder kaum vor.

Beim Eröffnungsplenum kam weder bei Hans-Jürgen Urban vom IGM Vorstand, noch bei Heinz Bierbaum, dem Vorsitzenden der Rosa Luxemburg Stiftung (RLS), das Wort Reallohnverlust oder – entwicklung vor. Eine „völlige Kompensation der Inflation“ sei zwar nicht gelungen, so zitierte Bierbaum in dem Beitrag „Gewerkschaftliche Kämpfe im Aufwind“ vor der Konferenz Kritiker:innen aus der IGM. Der folgenden Lobeshymne tat das aber keinen Abbruch:

„Die Resultate, die bislang in den Tarifrunden erreicht wurden, können sich sehen lassen. Den Anfang machte die IG BCE im Oktober letzten Jahres mit einem Abschluss von 6,5 Prozent und einer Ausgleichszahlung von 3.000 Euro mit einer Laufzeit von zwei Jahren. Etwas höher war der Abschluss der IG Metall im November 2022 mit einer Erhöhung von 8,5 Prozent bei einer zweijährigen Laufzeit und einer Zahlung von 3.000 Euro netto zum Ausgleich der Inflation. Allerdings gab es auch erheblich Kritik an diesem Abschluss. Trotz der massiven Warnstreiks sei die Mobilisierung unzureichend gewesen, so dass auch keine völlige Kompensation der Inflation gelungen sei. Auf der anderen Seite ist der Abschluss auf einen breiten Konsens der Beschäftigten gestoßen. Und man muss auch berücksichtigen, dass die Lage in der Metallindustrie äußerst schwierig ist, verursacht nicht nur durch die schwache Konjunktur, sondern besonders auch durch die tiefgreifenden Transformationsprozesse. Sehr bemerkenswert ist der Abschluss bei der Post, die bei einer Forderung von 15 Prozent neben beträchtlichen Einmalzahlungen mit einer Lohnerhöhung von 340 Euro im Schnitt eine Erhöhung um 11 Prozent erreicht hat, die sogar bei den untersten Lohngruppen noch deutlich höher ausfällt. Offensichtlich haben die erfolgreiche Urabstimmung und die Entschlossenheit, auch zu streiken, ausgereicht, um zu diesem Abschluss zu kommen.“

Dasselbe Abfeiern der Tarifergebnisse gab es auch aus dem Munde von Thorsten Schulten vom WSI, dem Institut der Hans-Böckler-Stiftung in der AG „Tarifrunden in Zeiten von Inflation, sozialem Protest und konzertierter Aktion“. Auch die anderen Redner:innen bemühten sich darum, die Tarifergebnisse schönzureden, einzig Jana Kamischke, Vertrauensfrau und Betriebsrätin am Hamburger Hafen vertrat eine kritischere Position.

In einem solchen politischen Rahmen erhalten die an sich richtigen Aussagen, dass es in Tarifrunden insbesondere bei der Post und im Öffentlichen Dienst eine bemerkenswerte Beteiligung von neuen und jungen Kolleg:innen gegeben hatte, eine andere Bedeutung.

Denn das kritiklose Abfeiern der gestiegenen Aktivitäten bedeutet nichts weiter als eine politische Flankendeckung des Apparates. Und die weitgehende Akzeptanz dieser Politik auf der Bochumer Konferenz verdeutlichen leider, dass es bislang gelungen ist, auch diese gestiegene Kampfbereitschaft in die Bahnen der Kontrolle durch den Apparat zu halten. Die Organisator:innen der Konferenz, die selbst aus dem linken Apparat stammen und politisch den Gewerkschaftsflügel der Linkspartei ausmachen, vergaßen dabei nicht zu erwähnen, dass dies ihren „innovativen“ Methoden geschuldet sei und dass es folglich nötig sei, dass diese linken Apparatschiks eine größere Rolle brauchen für die Umsetzung der gemeinsamen Ziele mit rechten Bürokrat:innen.

Die „gewerkschaftliche Erneuerung“, so ließen viele Vertreter:innen der RLS und der verschiedenen Organizing-Initiativen verlauten, das sind „wir“. Und mit dem „wir“ meinen sie nicht die gewerkschaftliche Basis, sondern die hauptamtlichen Kräfte und die als Organizer:innen Angestellten, die letztlich den linken Flügel des Apparates, aber keine antibürokratische Kraft bilden.

Kritik an der Gewerkschaftsführung?

Nur in wenigen Beiträgen von den Podien schimmerte eine Kritik an der derzeitigen Orientierung der Gewerkschaften und ihrer Führung durch.

So kritisierte Frank Deppe im Themenseminar „Die Waffen nieder! Gewerkschaften in Kriegszeiten gestern und heute“ die sozialpatriotische Politik der Gewerkschaften und ihre faktische Unterstützung von NATO-Erweiterung und Aufrüstung offen und eine Reihe von Redner:innen forderte unter Applaus, dass diese Konferenz eine klare Positionierung gegen die Politik wie überhaupt eine Abschlussresolution verabschieden solle, die sich gegen Sozialpartner:innenschaft und nationalen Schulterschluss mit der Regierung wendet. Doch dabei blieb es auch. Die Organisator:innen der Konferenz hatten nie vorgesehen, dass am Ende der Veranstaltung eine politische Resolution stehen solle, die sie zu einem politischen Handeln verpflichten könnte.

Einigermaßen kritische Töne gegen den Apparat und dessen Legalismus gab es nach Abschluss der Konferenz durch Wolfgang Däubler, der auf die Notwendigkeit des Generalstreiks als politische Waffe gegen die aktuellen Angriffe hinwies.

Bezeichnenderweise hielten diese Beiträge nicht Vertreter:innen der Gewerkschaften, sondern emeritierte Professoren. Sie bildeten letztlich nicht mehr als die kritische Filmmusik zum selbstgefälligen Abfeiern der eigenen „Erneuerung“. So werden Beiträge, die eigentlich konkretisiert und gegen die Bürokratie gerichtet werden müssten, noch zum Beleg für die „Offenheit“ und „Selbstkritik“ der gesamten Veranstaltung.

Kritik an den Apparaten fand insgesamt kaum statt. Wurde in irgendeiner der vielen AGen die Aussage der DGB-Vorsitzenden Fahimi angesprochen, die vor einem halben Jahr gefordert hatte, dass auch Betriebe, die Staatsknete als Energie-Beihilfen erhalten, Boni und Dividenden ausschütten dürfen? Wurde der „Aktionstag“ von IGM, IGBCE und IGBAU skandalisiert, an dem die „bezahlbare Energie“ von der Regierung gefordert wurde – nicht für die Arbeitenden, sondern für die Großunternehmen der Stahl-, Alu und Chemieindustrie? Wo wurde die „Konzertierte Aktion“ angegriffen, als Ausdruck der prinzipiell falschen Sozialpartnerschaft, deren verhängnisvolle Rolle sich gerade in den Tarifkämpfen gezeigt hatte?

Schönreden der Klimapolitik

In der AG 4 „Abseits des Fossilen Pfades“, der tatsächlich noch eine Autobahn, eine Highway to hell ist, bemühte sich Stefan Lehndorf, auch noch jede Alibi-Aktion von Unternehmen, Regierung und IGM schönzureden. So gäbe es „Transformations.Workshops“ in den Betrieben, die durch die Produktumstellung von Arbeitsplatzabbau bedroht seien. Ist Transformation – oder Konversion, wie eine Vertreter der „Initiative Klassenkampf und Klimaschutz“ forderte – der Produktion ein gesellschaftliches Problem oder ein betriebliches? Müssten gerade Gewerkschaften, die sich als „Treiber der Transformation“ sehen (Lehndorf) nicht betriebsübergreifend eine Programmatik und Aktionsplanung haben, anstatt nur betrieblich dem Kapital alternative Produkte vorzuschlagen und es seiner Willkür zu überlassen, ob und wo diese produziert werden?

In dieser AG war immerhin – im Unterschied zu vielen anderen – Diskussion zugelassen, nicht nur Fragen, wie z. B. in der AG 16 (Gegen Betriebsschließungen) oder ergänzende Berichte, wie im Forum zu Tarifrunde Nahverkehr. Wo es mal Kritik gab, wurde diese mit Selbstzensur vortragen oder von den Adressat:innen übergangen.

Beispiel Borbet Solingen: Rund 15 Beschäftigte waren zur Konferenz nach Bochum gekommen und zeigten mit Sprechchören ihre Empörung. Auf dem Podium aber saß neben den neuen Belegschaftsvertretern und Aktivisten Alakus und Cankaya der Geschäftsführer der IGM Solingen-Remscheid, Röhrig, der nichts dazu sagte, warum die IG Metall den früheren Betriebsratsvorsitzenden unterstützt hatte, warum sie ein Jahr lang fruchtlose Verhandlungen mitgemacht hatte, ohne einen betrieblichen Widerstand aufzubauen.

„Lösung“ im Kleinformat

Grundsätzlich lag das politische Problem der Konferenz aber darin, dass der Blick auf die Probleme – und somit auf die möglichen Lösungen – selbst im voraus verengt wurde. Und dies ist kein Betriebsunfalls, sondern gewollt, ja erscheint geradezu als Erfolgsgarant. So heißt es im Artikel „Durch Erneuerung in die Offensive“ von Fanny Zeise und Florian Wilde:

„Zu den Erfolgsrezepten der Konferenzen gehört, dass sie nicht ideologisch-programmatische Fragen zum Ausgangspunkt nehmen, sondern die Herausforderungen der tagtäglichen Gewerkschaftsarbeit und das breit geteilte Bedürfnis nach einer Erneuerung der Gewerkschaften. Dadurch kann sie Anschlussfähigkeit über die klassischen linksgewerkschaftlichen Milieus hinaus erreichen sowie eine gewerkschafts- und generationenübergreifende Ausstrahlung entfalten. Wichtig ist dabei auch, dass kritische Positionen nicht sektiererisch und rückwärtsgewandt, sondern solidarisch, vorwärtsgewandt und im Sinne einer Stärkung der Gewerkschaften formuliert werden.“

Das aktive Verdrängen der „ideologisch-programmatischen“ Fragen ist nichts anderes als ein Codewort dafür, die Kritik an der Gewerkschaftsführung und das Herausarbeiten ihrer Ursachen zu tabuisieren. Die Abgrenzung von angeblichem Sektierer:innentum und Rückwärtsgewandtheit ist nur ein Codewort dafür, keine offene Bilanz der Tarifabschlüsse, von Sozialpartner:innenschaft, Standortpolitik und Klassenkollaboration zu ziehen. Die Gewerkschaftsbürokratie erscheint natürlich längst nicht mehr als Agent der herrschenden Klasse in der Arbeiter:innenbewegung, sondern allenfalls als etwas trägerer Mitstreiter.

Mit der Fokussierung auf „tägliche Gewerkschaftsarbeit“ wird die Praxis nicht nur verengt, die reale Politik, die reale Praxis der Gewerkschaften gerät aus dem Blick. Die gesamtgesellschaftlichten, internationalen politischen und ökonomischen Voraussetzungen des eigenen Handeln, aller betrieblichen wie gewerkschaftlichen Fragen erscheinen allenfalls Nebenfragen. Die Krise der Gewerkschaften erscheint im Grund nur noch als Frage der „kreativen“, dynamischen Umsetzung einer eigentlich richtigen Politik. Die Politik und Strategie der Bürokratie bildet kein zentrale Problem gewerkschaftlicher Erneuerung, sondern vielmehr deren Kritiker:innen, deren angebliches Sektierer:innentum und deren Insistierung politisch-ideologischen Fragen wie Krieg und Wirtschaftskrise, auf Kritik der Bürokratie und der Klassenzusammenarbeit.

Damit stehen die Protagonist:innen und die Organisator:innen der Konferenz real – unabhängig davon, was immer sie von sich glauben – fest auf dem Boden des Reformismus der Linkspartei, irgendwo zwischen Bewegungslinke und Regierungssozialist:innen. Politisch wurden die ganzen Trugbilder neu belebt, dass im Kapitalismus „Gute Arbeit-gutes Leben“ möglich bleibt, dass die „Transformation sozial und ökologisch“ vonstattengehen könne, und dass die Gewerkschaften wieder stärker werden, wenn sie nur besser „organized“ werden. Und das angesichts der „Polykrise des Kapitalismus“ (Urban).

Kämpferische Gewerkschaften wird es letztlich nur im Bruch mit Bürokratie und ihrer Politik zu haben geben. Das bleibt offensichtlich die Aufgabe von Linken Gewerkschafter:innen, die mit der Veranstaltung der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften einen der wenigen politischen Lichtblicke in Bochum veranstaltet haben.




Solidarität mit russischen Linken: Gemeinsam gegen die staatliche Repression und Verhaftung von Michail Lobanow!

Jaqueline Katherina Singh, Infomail 1223, 18. Mai 2023

Heute Morgen hat der russische Staat den linken Aktivisten und Gewerkschafter Michail Lobanow in Moskau verhaftet. Bereits in der Vergangenheit hatte er, Mathematikprofessor an der Moscow State Universitiy, Repression erdulden müssen: So wurde er am  am 7. Juni 2022  von der Polizei verhaftet, weil er ein Antikriegstransparent mit der Aufschrift „No War“ trug, und am 24. Juni 2022 wurde er von der russischen Polizei fünfzehn Tage lang festgehalten und zu einer Geldstrafe von 40.000 Rubel (ca. 464 Euro) verurteilt, weil er sich in den sozialen Medien gegen den russischen Einmarsch in die Ukraine im Jahr ausgesprochen hatte.

Diese Verhaftung reiht sich ein in die massive Repression, die seit Beginn des Einmarschs alle trifft, die sich gegen den russischen Angriffskrieg stellen. Laut OVD-Info (1) gab es für das gesamte Jahr 2022 mehr als 21.000 Festnahmen sowie mindestens 370 Angeklagte in Strafverfahren wegen Antikriegsäußerungen und -reden. Mehr als 200.000 Internetressourcen wurden gesperrt und 11 Urteile wegen Staatsverrats verhängt. Darüber hinaus haben Behörden bestätigt, dass bisher 141 Personen wegen Teilnahme an Antikriegsprotesten mittels Gesichtserkennungssystemen (z. B. in der Moskauer U-Bahn) ermittelt wurden.

Mit der massiven Repression hatte das Putin-Regime bisher Erfolg. Die Proteste wurden klein gehalten, große Teile der Bevölkerung eingeschüchtert und wichtige Aktivist:innen für den Widerstand haben mit Repression zu kämpfen oder mussten fliehen. Die Oppositionsgruppen haben in dieser Situation Aufrufe zu öffentlichen Kundgebungen eingestellt, weil sie beim aktuellen Kräfteverhältnis nur zum Verheizen ihrer Anhänger:innen führen würden.

Schluss mit staatlicher Repression!

Eines ist klar: Effektiver als alle Verhandlungen an Tischen der herrschenden Klassen kann eine breite, antikapitalistische Antikriegsbewegung in Russland diesen Krieg beenden. Das weiß auch das Regime Putin selbst, weswegen versucht wird, jede Form des Widerstands und der Kritik direkt zu unterbinden. Deswegen ist es unsere Aufgabe, uns mit den russischen Linken zu solidarisieren, die gegen den Krieg einstehen. Statt alle Bande mit russischen Einrichtungen zu kappen, brauchen wir international eine Solidaritätsbewegung mit den Linken und allen Kräften der Arbeiter:innenbewegung, die sich gegen den Krieg und Putins Regime stellen, sowie eine gemeinsame Debatte über deren Charakter und den nötigen Widerstand. Lasst uns also gemeinsam vorangehen, um den Krieg zu unseren Gunsten zu beenden!

  • Freiheit für Lobanow und alle anderen politischen Gefangenen! Schluss mit staatlicher Repression: für grundlegende demokratische Rechte wie Meinungs- und Pressefreiheit!

  • Für die Niederlage der russischen Aggression! Für den sofortigen Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine!

  • Nein zu allen Sanktionen und zur westlichen NATO-Intervention! Stattdessen Streiks zur Beendigung des Kriegs und für das Ende des Regime Putins!

  • Für die Umwandlung des Krieges in den Kampf um soziale Befreiung unter Führung einer unabhängigen Arbeiter:innenbewegung!

Endnote

(1) OVD-Info ist eine NGO, anlässlich der Proteste nach den Parlamentswahlen 2011 gegründet, und  betreibt eine Website, auf der politisch motivierte Verhaftungen dokumentiert werden. Die Abkürzung OVD leitet sich vom russischen Wort für Polizeistation her.

Mehr zum Krieg um die Ukraine und zur Antikriegsbewegung in Russland auf unserer Homepage

Ukraine: Auf dem Weg zum endlosen Stellungskrieg?

Antikriegsbewegung in Russland

Die verschiedenen Ebenen des Ukrainekriegs




Österreich: Solidarität mit den Streikenden in den privaten Bildungseinrichtungen

Flo Kovacs, Infomail 1222, 8. Mai 2022

Im Innenhof eines Unterrichtsstandorts sind Transparente aufgehängt, die allesamt eine zu schlechte Bezahlung beklagen. Beinahe alle der etwa 150 Anwesenden haben entweder eine Ratsche oder eine Trillerpfeife in der Hand, um ein paar Hälse hängen auch selbst zusammengeschweißte Blechtrommeln. Die Stimmung ist ausgelassen. Auf der provisorischen Bühne schwingt der Betriebsrat kämpferische Reden, bevor gemeinsam in die Etagen der Streikbrecher:innen zum Lärm Machen aufgebrochen wird. Zumindest an einem der Betriebe, die am Mittwoch und Donnerstag gestreikt haben, hat es so ausgesehen. Eines unserer Mitglieder war selbst als Streikender vor Ort.

Diese Woche, am 3. und 4. Mai, haben die Betriebsräte in den privaten Bildungseinrichtungen zum ersten Mal in der österreichischen Geschichte zum Warnstreik gerufen. Hier möchten wir uns kurz mit den Hintergründen und Forderungen auseinandersetzen, bevor wir unsere Einschätzung abgeben.

Den freiwilligen Zusammenschluss der „Berufsvereinigung der Arbeitgeber:innen privater Bildungseinrichtungen“ (BABE) gibt es seit 1999, ein gemeinsamer Kollektivvertrag (KV) für diese Vereinigung wird seit 2005 jährlich verhandelt. Wer nicht viel mit der Erwachsenenbildung zu tun hat, wird von den eingeschlossenen Betrieben nur wenige kennen. Hervorzuheben sind die einzelnen Berufsförderungsinstitute (BFI) der Bundesländer, die zur Gänze der Arbeiterkammer und dem Gewerkschaftsbund gehören und einen großen Teil der AMS-Kurse veranstalten, sowie der Verband der österreichischen Volkshochschulen.

Dass ansonsten noch eine hohe Zahl an mittelgroßen bis kleinen Bildungsbetrieben beteiligt ist, hilft nicht bei der Organisierungsrate. Generell ist durch die Zugehörigkeit zu Bildungssektor und Sozialbereich eine schwach ausgeprägte Streikkultur erwartbar. Außerdem befinden wir uns in Österreich, wo es eine solche ohnehin nicht gibt. Das beklagen auch kämpferische Betriebsräte, bevor sie zum Eintritt in die Gewerkschaften aufrufen. Eine weitere Schwäche stellt die Verteilung des Sektors über mehrere Gewerkschaften dar. Zwar deckt die GPA einen großen Teil der Beschäftigten ab, je nach Bereich der Ausbildung – etwa von Deutschkursen bis zu Schweißausbildungen – kann das aber variieren. Deswegen sitzt auch die vida am Verhandlungstisch, während wieder weitere, wie die Gewerkschaft Bau Holz, nur zu den einzelnen Betriebsversammlungen kommen (können).

Diese Aufteilung bildet sich auch in der Streikbereitschaft der einzelnen Betriebe ab. Da steht auf der einen Seite mit dem BFI Wien ein kämpferisches, größeres Haus, das die kompletten zwei Tage ausnützt, für die der ÖGB seine Streikfreigabe erteilt hat. Auf der anderen Seite gibt es Einrichtungen wie die Wiener Volkshochschulen, deren Kurse hauptsächlich am Abend stattfinden, die nur an einem Tag von 11 bis 14 Uhr die Arbeit niederlegen. Der Wille zum Aufbau von Druck durch die Basis ist also nicht durchgängig gegeben.

Ziele und Probleme

Die Betriebsräte fordern eine Lohnerhöhung von 15 % im Vergleich zum Vorjahr. Der damalige Abschluss wird von jenen Betriebsrät:innen, die ihm wohl selbst auch zugestimmt haben, rückblickend als eine Frechheit bezeichnet, als lächerlich niedrig im Vergleich zu den anderen aus dem letzten Jahr. Das überrascht nicht, immerhin ist das alljährliche Theaterspiel zu den KV-Verhandlungen ein fixer Teil der Sozialpartner:innenschaft. Sieht man sich die Vertragsabschlüsse verschiedener Industrien, die letztes Frühjahr getroffen worden sind, an, dann liegen die auch konsequent über den 3,4 % der BABE. Einzelne andere Branchen schlossen noch deutlich schlechter ab, aber daran soll man sich ja besser nicht orientieren.

Neben dem schwachen Abschluss 2022 kämpft die Branche mit zwei weiteren Problemen. Erstens sind gerade die größeren Häuser von den Bildungsmaßnahmen abhängig, die sie für das AMS oder den Integrationsfonds durchführen. Diese sind aber zu nennenswerten Teilen zeitlich begrenzt und bieten keine Möglichkeit mehr zur Vollzeitanstellung, weil die Stundenanzahl schlicht nicht ausreicht. Das bedeutet zwar eine geringere Arbeitszeit, was für manche Lebenslagen sicher gut passt. Wer allerdings noch auf eine Pension hofft, ist nach langer Teilzeitarbeit deutlich stärker von Altersarmut betroffen. Außerdem bietet eine derart befristete Arbeitsweise immer die Gefahr einer Prekarisierung, wie sie gerade bei vielen privaten Sprachbildungsinstituten vorherrscht.

Zweitens wurde im Zuge des KV-Abschlusses 2010 eine neue Gehaltsstufe eingeführt, die für die meisten der seither eingestellten Trainer:innen ein niedrigeres Gehalt bedeutet. In die bis dahin für Trainer:innen (das sind in der Erwachsenenbildung alle, die unterrichten) allgemein geltende Stufe 5 kommen nun bestenfalls solche, die neue Kurse konzipieren und einführen. Für alle anderen gibt es seither die Stufe 4a, deren Einstiegsgehalt bei Vollzeitanstellung aktuell gut 200 Euro darunter liegt. Das bietet eine willkommene Einsparungsmöglichkeit für die Bosse, die nicht alle, aber viele von ihnen natürlich nutzen.

Inspiration

Die Forderung nach 15 % Lohnerhöhung kommt nicht von ungefähr. Die aktuell in den BABE-Einrichtungen geführten Kämpfe orientieren sich stark an den Arbeitskämpfen der letzten Jahre im Sozialbereich. Dieser ist eine ähnlich schwach und kleinteilig organisierte Branche mit historisch nicht vorhandener Streikkultur, die deswegen immer stärker in Richtung Prekarität gerutscht ist. Nachdem über die vergangenen Jahre hinweg immer mehr Streikhandlungen gesetzt wurden, im Zuge derer sich die Branche untereinander vernetzte, gegenseitig stärkte und ein solidarisches Bewusstsein aufbaute, erreichte sie dieses Jahr einen Abschluss mit knapp über 10 % Lohnerhöhung. Der stellt immer noch keine Lösung für die gravierenden Probleme im österreichischen Sozialbereich dar, ist aber zumindest im Vergleich zu anderen Branchen trotzdem eher im oberen Bereich angesiedelt. Und etwas Ähnliches erhoffen sich die Verhandler:innen auch vom nächsten BABE-Abschluss. Dabei bekommen sie auch moralische Unterstützung von den Betriebsrät:innen aus dem Sozialbereich, von denen auch zwei auf der branchenweiten öffentlichen Betriebsversammlung gesprochen haben. Dementsprechend verkünden die Vertreter:innen: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Was die Verhandlungen bei den BABE etwas interessanter macht, ist auch die andere Seite am Verhandlungstisch. Denn während diese anderswo aus Größen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung besetzt wird, sitzen hier auch alteingesessene Gewerkschaftsbürokrat:innen auf der Gegenseite. Das ergibt sich aus der Größe der einzelnen BFIs, die allein dadurch innerhalb der Berufsvereinigung nennenswerte Macht haben. Die rekrutieren, wie es ihre Besitzverhältnisse anbieten, die Führungsetage auch aus den Reihen von ÖGB und AK. Das führt dann dazu, dass Personen, die sich in ihrem eigenen Leitbild als fester Teil der Gewerkschaftsbewegung verstehen, sich gleichzeitig gegen Lohnerhöhungen in der eigenen Branche stemmen.

Und das tun sie bisher sehr erfolgreich. Vom Einstiegsangebot von 9 % Erhöhung hat man sich in den größten Gehaltsgruppen noch kein halbes Prozent hinaufbewegt. In ihren Aussendungen versichern die Betriebsräte, dass sie auf keinen Fall mit einem Abschluss unter 10 % in die Betriebe zurückgehen werden. Ob sie diese Ankündigung wahrmachen, wird sich zeigen. Ein Blick auf die anderen, kürzlich abgeschlossenen KVs stimmt nicht sonderlich zuversichtlich. Da kommt neben dem SWÖ-Kollektivvertag nämlich gerade einmal die Papierindustrie auf ein zweistelliges Ergebnis.

Was können wir erwarten?

Generell offenbaren diese Verhandlungen die doppelte Unzulänglichkeit der modernen Sozialpartner:innenschaft. Zu tatsächlichen Lohnerhöhungen kommt sie nicht, die Reallöhne stagnieren in Österreich seit Jahrzehnten. Außerdem stellt dieser Warnstreik eine Ausnahme dar in einem Sektor, der dieses Mittel wahrscheinlich bisher noch nie in Erwägung gezogen hat. Es ist also schon positiv hervorzuheben, wenn der ÖGB einmal eine Streikfreigabe erteilt und nicht noch schnell ein Abschluss hermuss, um den Warnstreik dann doch zu verhindern. Außerdem fehlt mittlerweile auch in den traditionell starken Branchen, wie der Metallindustrie, die Vorbildwirkung, die dann die anderen Bereiche nachziehen kann. Es müssen also nun andere aufstehen, um in Zeiten der Hochinflation keine starken Reallohnverluste einstecken zu müssen. Ohne eine kämpferische Gewerkschaft, die den Kapitalismus auch angreift, statt ihn entspannt bürokratisch mitzuverwalten, werden tatsächliche Verbesserungen für Lohnabhängige weiterhin unerreichbar bleiben. Es braucht außerdem eine automatische Anpassung der Löhne an die tatsächlich spürbare Inflation, damit Arbeitskämpfe endlich aus der Abwehrhaltung in den Angriff übergehen können.

Direkte demokratische Kontrolle über die Streiks in den einzelnen Betrieben sollte von demokratischen Streikkomitees der Beschäftigten der Standorte ausgeübt werden. Um den öffentlichen Druck zu erhöhen und auch die Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen, braucht es bei zukünftigen Streikmaßnahmen Streikkundgebungen im öffentlichen Raum. Auch hier hat der Sozialbereich mit tausenden Menschen starken Demonstrationen gezeigt, wie einerseits die Solidarität innerhalb der Beschäftigten auch über Standorte hinaus gestärkt und gleichzeitig breite Solidarität und Aufmerksamkeit in der Bevölkerung geschaffen werden können. Wenn sich die Verhandlungsteams auf einen Kollektivvertrag geeinigt haben, braucht es als Mindestmaß der demokratischen Mitbestimmung eine Urabstimmung darüber.

Obwohl also leider von keinen großen Gewinnen auszugehen ist, gilt unsere Solidarität den Streikenden in den privaten Bildungseinrichtungen. Denn sie sind es, die durch ihre Berufs- und Weiterbildungen zehntausenden Beschäftigten Chance auf bessere Arbeit geben, die migrierten und geflüchteten Personen durch Sprachkurse eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen und auch die einzigen, die durch massenhafte Umschulungen eine ökologische Transformation in der Industrie ermöglichen könnten. 15 Prozent Lohnerhöhung sind dafür das Mindeste!




Schweden: Sieg für den Eisenbahner:innenstreik!

Arbetarmakt, Stockholm, Infomail 1222, 6. Mai 2023

Vor der Wahl versprach die Sozialdemokratische Partei in der Region Stockholm, die Abschaffung von Zugbegleiter:innen in Pendler:innenzügen zu stoppen, ein Vorschlag, den sie als „verheerend“ und „moderat gescheitert“ bezeichnete. Nach der Regierungsübernahme hat sie gemeinsam mit der Zentrumspartei und der Grünen Partei und mit Unterstützung der Linkspartei diesen Beschluss umgesetzt.

Aus Protest haben die Lokführer:innen im Nahverkehr in diesem Frühjahr Proteste organisiert, die Zahl der Krankmeldungen wurde erhöht, und am Montag traten sie in einen wilden Streik. In einem Flugblatt, das sich an die Öffentlichkeit wendet, erklären die Lokführer:innen, dass sie seit fast zwei Jahren protestieren, aber alle Einwände ignoriert wurden. Die Forderung ist klar: Zugbegleiter:innen zurück in den Führerstand und zum Sicherheitsdienst!

Ihnen stehen Drohungen mit rechtlichen Schritten seitens der gierigen Kapitalist:innen der Privatbahn MTR entgegen. Außerdem sind sie mit der Passivität der Seko, Gewerkschaft der Beschäftigten im Kommunikations- und Dienstleistungsbereich, und der Heuchelei der politischen Führung konfrontierte. Aber die Lokführer:innen verfügen, wie in den bisherigen zwei Streiktagen deutlich wurde, über etwas viel Wichtigeres und Stärkeres: die massive Unterstützung all derer, die die Pendler:innenzüge in der Region Stockholm nutzen und eine sichere Verkehrssituation wollen.

Am Dienstag, den 2. Mai, besuchten die Genoss:innen von Arbetarmakt die Kundgebung der Streikenden vor dem Stockholmer Hauptbahnhof und verteilten anschließend in der Nähe Plakate zur Unterstützung des Streiks. Wir haben natürlich auch zum Streikfonds der kämpfenden Arbeiter:innen beigetragen der zu diesem Zeitpunkt (2. Mai) erstaunliche 1,3 Millionen SEK gesammelt hat.

Wir fordern alle, die diesen wichtigen Kampf unterstützen, auf, die Kundgebung vor dem Hauptbahnhof zu besuchen, um ihre Unterstützung zum Ausdruck zu bringen, mit Arbeitskolleg:innen, Freund:innen und Gewerkschaftskolleg:innen über den Streik zu sprechen, Geld in den Streikfonds zu spenden und bereit zu sein, den völlig berechtigten Arbeitskampf weiter zu unterstützen. Die Website des Streikkomitees findet Ihr hier: https://vildstrejkpendeln.blogg.se/, und der Streikfonds (organisiert von der Workers‘ Solidarity Association) hat eine Swish-Nummer 123 699 29 52 oder ein Bankkonto 418-6482, auf dem der Vermerk „train host“ steht.

Sicherheit vor Profit! Sieg für den Pendler:innenstreik! #rörintemintågvärd




Gewerkschaften und die sozialistische Revolution – Redebeitrag am 1. Mai in Leipzig

Arbeiter:innenmacht-Rede am 1. Mai in Leipzig, Infomail 1222, 3. Mai 2023

Ich bin Lukas, ich bin Sozialpädagoge in JH, bei ver.di, aktiv in Gruppe Arbeiter:innenmacht.

Aktuell arbeiten wir als Gruppe auch im Bündnis „Wir-fahren-zusammen“ mit, welches hier in Leipzig versucht, eine Brücke zwischen der Umwelt- und der Gewerkschaftsbewegung zu schlagen und in beide eine antikapitalistische Perspektive zu tragen.

Der Lebensstandard von Lohnabhängigen in Deutschland ist seit Corona und Inflation immer weiter gesunken, während die Konzerne gleichzeitig an die Aktionär:innen für das vergangene Jahr Gewinne in Rekordhöhen auszahlen wollen. Die 100 größten Unternehmen sollen zusammen ca. 62 Milliarden an Dividenden an ihre Anteilseigner:innen ausschütten. Und diese Anteileigner:innen sind in erster Linie natürlich eine Handvoll Kapitalist:innen. Die Konzerne konnten ihre Gewinne um mehr als 10 % im Vergleich zum vergangenen Jahr steigern, allen Krisen zum Trotz. Gewinne, die durch die Arbeitskraft von uns Lohnabhängigen erwirtschaftet werden. Und wie immer wird natürlich das Märchen verbreitet, es sei nicht genug für Lohnerhöhungen da. Es sind die üblichen dreisten Lügen unser Klassenfeind:innen.

Als Antwort darauf sehen wir aber auch einen Aufschwung von Arbeitskämpfen und Streiks seit vergangenem Jahr. Auch die Lohnforderungen der Gewerkschaftsführungen sind dieses Jahr deutlich höher ausgefallen als üblich. Beschäftigte strömen entgegen den vorherigen jahrzehntelangen Trends wieder in die Gewerkschaften und organisieren sich in ihrem Betrieb. Zehntausende haben sich alleine bei ver.di seit Anfang des Jahres neu organisiert. In vielen Betrieben ist die Organisierung sprunghaft angestiegen. Eine halbe Millionen haben sich an den Warnstreiks im öffentlichen Dienst beteiligt. Beim gemeinsamen Streik von ver.di und EVG, an dem sich Busse, Straßenbahnen, U- und S- Bahnen, Fernzüge, Flughäfen und Hafenarbeiter:innen beteiligt haben, wurde ganz Deutschland lahngelegt. Das hat es seit ca. 20 Jahren nicht mehr gegeben.

Der zunehmende Organisationsgrad und die Kampfbereitschaft der Belegschaften spiegeln sich allerdings wenig bis gar nicht in den Tarifabschlüssen wider. Bei der Post hat sich die Gewerkschaftsführung auf einen von Konzernseite in letzter Sekunde vorgelegten Vorschlag eingelassen, während die Urabstimmung zum Streik schon längst gelaufen war und sich gezeigt hatte, dass über 85 % der Beschäftigten kampfbereit für einen unbefristeten Streik waren. Der Abschluss ist eine Katastrophe und bedeutet abermals massive Reallohnverluste für die Beschäftigten, während der Konzern im vergangen Jahr einen neuen Rekordgewinn von 8,4 Milliarden eingefahren hat. Das Ergebnis im TVöD fällt zwar nicht ganz so katastrophal aus, bleibt mit seinen 24 Monaten Laufzeit aber auch weit hinter den Forderungen zurück und geht kaum über den faulen Schlichtungskompromiss hinaus.

Das sind keine Einzelfälle, sondern das hat System. Wenn wir uns die Struktur der Gewerkschaften im Allgemeinen und der Tarifkommissionen im Besonderen anschauen, dann fällt schnell auf, dass es ein massives Machtgefälle zwischen der Basis und dem Apparat aus hauptamtlichen Funktionär:innen, der Bürokratie, gibt. In den Tarifverhandlungen geben nicht Vertreter:innen aus den Belegschaften selbst den Ton an, sondern die Funktionär:innen, die vom Ergebnis gar nicht betroffen sind. Die Richtlinien der Tarifkommissionen werden nicht in der Satzung geregelt, sodass diese nicht von der Basis auf dem Gewerkschaftstag mitbestimmt werden können. Sie werden vom Vorstand oder Beirat festgelegt. Es gibt eine Pflicht zur Verschwiegenheit über die Verhandlungen. Die Gewerkschaftsbürokratie verheimlicht also gegenüber den Belegschaften, was genau diskutiert wurde, ob es Gegenvorschläge gab und wer wie abgestimmt hat. Und am Ende haben die Beschäftigten keinerlei Einfluss darauf, ob das Verhandlungsergebnis angenommen wird oder nicht, denn die Befragungen sind nicht mehr als ein Stimmungsbild, ohne bindende Kraft. Die Bürokratie entzieht sich weitestgehend der Kontrolle der Basis. Bis auf einige Funktionär:innen als Mitglieder eines Gremiums sind die Hauptamtlichen für die Basis weder wähl- noch abwählbar.

Gewerkschaftsfunktionär:innen verdienen Gehälter, die jene der Beschäftigten um ein Vielfaches übersteigen, von den Gewerkschaftsbossen mit ihren Jahresgehältern in Höhe von teilweise mehreren 100.000 Euro ganz zu schweigen. Die Bürokratie hat ihren Frieden mit dem Kapitalismus und der Ausbeutung der Lohnarbeit längst geschlossen. Die Gewerkschaftsbosse sitzen mit den Kapitalist:innen in den großen Aufsichtsräten und betrachten sich als Mitverwalter:innen der Konzerne. So saß ver.di-Chef Frank Werneke bis letztes Jahr z B. im Aufsichtsrat von RWE und der Deutschen Bank. Die Bürokratie hat ihre eigene soziale Frage vorerst gelöst. Dadurch hat sie ein ganz eigenes soziales Interesse: Sie will die Arbeiter:innenklasse mit den Konzernen im Sinne der sogenannten „Sozialpartnerschaft“ und des „Interessensausgleichs“  versöhnen. Aber mit den Kapitalist:innen und ihrem System der Ausbeutung kann es keine Versöhnung geben!

Das Bestehen einer versöhnlerischen Bürokratie ist keineswegs eine neuere Entwicklung der heutigen Gewerkschaften. Bereits zur Zeit von Rosa Luxemburg und Lenin war dies der Fall. Lenin bezeichnet die Gewerkschaftsführungen in seiner wichtigen Schrift „Der ,Linke Radikalismus’ – die Kinderkrankheit im Kommunismus“ (1920) als reaktionär, als Agentinnen der Kapitalist:innen innerhalb der Arbeiter:innenklasse. Und auch Rosa Luxemburg lieferte sich mit den deutschen Gewerkschaftsspitzen einen heftigen Schlagabtausch und verfasste im Zuge dessen ihr viel beachtetes Buch „Massenstreik, Partei und Gewerkschaften“ (1906). Heißt das also, dass sich Lenin und Luxemburg gegen die Gewerkschaften richteten? Im Gegenteil. Beide erklärten es für ein zentrales Ziel von Marxist:innen, innerhalb der Gewerkschaften aktiv zu sein, dort ihre Ideen zu verbreiten und die Kontrolle über die Gewerkschaften in die Hände der Arbeiter:innenklasse selbst zu legen. Kräfte, die die Arbeit in den Gewerkschaften ablehnten, überzog Lenin in besagter Schrift mit beißendem Spott.

Historisch gesehen sind die Gewerkschaften spontan aus dem Kampf heraus entstanden, aus der bitteren Notwendigkeit, sich gegen die unmittelbarsten Angriffe der Kapitalist:innen verteidigen zu müssen. Und auch heute noch treten Lohnabhängige unabhängig von ihren politischen Vorerfahrungen oder Ansichten in die Gewerkschaften ein, um sich zur Wehr zu setzen. Sie bilden die ersten Sammelpunkte des Widerstandes, wie Friedrich Engels schrieb, sie sind eine Schule des Klassenbewusstseins und legen die Grundlage für die Vereinigung der gesamten Arbeiter:innenklasse. Über 5 Millionen Arbeiter:innen sind in den Gewerkschaften des DGB in Deutschland organisiert. Es sind jene Teile der Klasse, die bereits jetzt ein rudimentäres Klassenbewusstsein besitzen. Nicht in den Gewerkschaften arbeiten zu wollen, würde bedeuten, den Kampf gegen die Bürokratie aufzugeben und diese ersten Sammelpunkte des Widerstands mit ihren aktuell 5 Millionen fortschrittlichen Arbeiter:innen ihr kampflos zu überlassen. Das ist genauso falsch wie, sich der Bürokratie und ihrer Sozialpartnerschaft kritiklos unterzuordnen.

 Für Marxist:innen besteht eine zentrale Aufgabe darin, innerhalb der Gewerkschaften und der von ihr geführten Tarifkämpfe an vorderster Front mitzukämpfen. Diese sind ein wichtiger Ansatzpunkt, um Kämpfe zuzuspitzen und ökonomische mit politischen Fragen zu verbinden. Sie sind ein Ansatzpunkt der Selbstermächtigung und -organisation der Arbeiter:innenklasse und damit auch ein Ansatzpunkt, die Macht der Bürokratie zu zerbrechen. Marxist:innen sollten innerhalb der Gewerkschaften offen als solche auftreten und ehrlich darlegen, für welche politischen Positionen und Taktiken sie einstehen. Wir sollten zu Wahlen in den Gewerkschaften und Betrieben kandidieren. Wir müssen für das Recht eintreten, dass innerhalb der Gewerkschaften jede/r die Möglichkeit erhält, mit Flugblättern, Zeitungen, Veranstaltungen usw. um Positionen zu kämpfen, was sich nach wie vor die Bürokratie vorbehält. Um ihr die Macht aus den Händen zu nehmen, ist es zentral, lokale Komitees in den Fabriken aufzubauen, in denen die Arbeiter:innen ihre Kämpfe selbst organisieren und Perspektiven diskutieren. Weiter müssen wir für die Demokratisierung des Gewerkschaftsapparats unter Kontrolle der Basis kämpfen. Dieser Kampf bedeutet, dass sämtliche politischen Funktionär:innen auf lokalen, regionalen oder bundesweiten Versammlungen gewählt und jederzeit wieder abgewählt werden können. Es bedeutet, dass Entscheidungen über Streiks von der Basis mit einfacher Mehrheit gefällt werden. Es bedeutet, dass der Rahmen, in dem Tarifverhandlungen geführt werden, vorher von den Arbeiter:innen abgesteckt wird und das Ergebnis zustimmungsbedürftig ist. Außerdem sollten wir dafür kämpfen, dass die Gehälter der Funktionär:innen den durchschnittlichen Lohn eines/r Facharbeiter:in nicht übersteigen.

Für all das ist eine organisierte Basisopposition mit eigenen Strukturen in den Gewerkschaften nötig. Gemeinsam mit einer Reihe anderer marxistischer Gruppen wie der DKP, Klasse gegen Klasse, SAV, SoL und weiteren haben wir vor ca. 3 Jahren die VKG (Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften) gegründet, an deren Gründungskongress ich beteiligt war. Die VKG kann die Keimzelle einer solchen organisierten Basisopposition verkörpern, wenn wir sie als solche gemeinsam weiter aufbauen. Die Klasse für sich gewinnen können wir Marxist:innen nur, wenn wie lernen, „im Wirtschaftskampf nicht nur Verkünder:innen der Ideen des Kommunismus zu sein, sondern die entschlossensten Führer:innen des Wirtschaftskampfes und der Gewerkschaften zu werden. Nur auf diese Weise wird es möglich sein, aus den Gewerkschaften die opportunistischen Führer:innen zu entfernen. Nur auf diese Weise können die Kommunist:innen an die Spitze der Gewerkschaftsbewegung treten und sie zu einem Organ des revolutionären Kampfes für den Kommunismus machen.“ (2. Kongress der Kommunistischen [III.] Internationale, 1920)

Wenn euch das Thema interessiert, dann kommt zu unserer Veranstaltung am kommenden Donnerstag, den 4. Mai, um 19 Uhr in der Bäckerei, Josephstraße 12, in Lindenau.

Dankeschön!




Revolutionäre Grüße der Labour Qaumi Movement zum Ersten Mai

Labour Qaumi Movement, Infomail 1222, 3. Mai 2023

Lal Salam (rote Grüße), Genoss:innen!

Die Labour Qaumi Movement Pakistan beglückwünscht die Genossinnen und Genossen zur Organisierung des klassenkämpferischen Blocks am 1. Mai. Die globale kapitalistische Krise, die Umweltkatastrophe und der Krieg in der Ukraine haben den Lebensstandard der Arbeiter:innen auf der ganzen Welt zerstört. Inflation, Arbeitslosigkeit und extreme Armut sind für die Arbeiter.innenklasse zur Normalität geworden.

Dies ist auf das kapitalistische System und seine interne Logik der Profitmaximierung zurückzuführen, die von den Arbeiter:innen und den Armen bezahlt werden, nicht nur im globalen Süden, sondern auch in Europa und Amerika. Aber wir sind nicht bereit, diese Situation zu akzeptieren und kämpfen dagegen. In einer solchen Lage ist es sehr wichtig, von Seiten der revolutionären Sozialist:innen einzugreifen und sich zu organisieren, damit dieser Kampf in einen gegen das kapitalistische System umgewandelt werden kann.

In Pakistan haben die Umweltzerstörung und die kapitalistische Krise das Leben der Arbeiter:innenklasse elendig gemacht. Millionen von Menschen sind aufgrund von Überschwemmungen obdachlos und es ist für sie schwierig geworden, sich zwei Mahlzeiten am Tag zu leisten. Aufgrund der Wirtschaftskrise gibt es Inflation, Arbeitslosigkeit und Armut, die durch die Kapitalist:innen und ihre Profitgier verursacht wird. Unter diesen Umständen üben der IWF und die imperialistischen Länder immer mehr Druck auf die Regierung aus, das Haushaltsdefizit zu reduzieren und die Kredite zu bezahlen, die die Inflation anheizen, die derzeit den höchsten Stand in der Geschichte erreicht hat.

Wir lehnen das IWF-Programm ab und setzen uns für ein „Nein zu den Schulden“ ein und appellieren an die Genoss:innen in Berlin und die Arbeiter:innenbewegung, Druck auf die herrschende Klasse in Deutschland auszuüben, um die Schulden zu streichen. Diese Bewegung muss in Europa und Amerika etabliert werden, damit wir eine koordinierte Bewegung aufbauen können.

An diesem 1. Mai bringen wir unsere Solidarität mit den Genossinnen und Genossen des klassenkämpferischen Blocks und der Arbeiter:innenklasse in Berlin zum Ausdruck. Unsere Botschaft zum 1. Mai ist die gleiche für die Arbeiter:innen auf der ganzen Welt: Wir brauchen einen organisierten Kampf gegen den globalen Kapitalismus. Wenn die Angriffe gestoppt werden sollen, brauchen wir einen systematischen Kampf gegen das kapitalistische Weltsystem, eine neue Weltpartei der Arbeiter:innenklasse, eine neue Internationale.

Revolutionäre Grüße

Labour Qaumi Movement, Pakistan




Krieg und Krise – und die Gewerkschaften?

Martin Suchanek, Neue Internationale 273, Mai 2023

Der Beginn des Ukrainekriegs markiert eine neue weltpolitische Lage. Die wachsenden innerimperialistischen Rivalitäten – der Niedergang der US-Hegemonie, der Aufstieg Chinas als neuer Großmacht, die Krise der EU, aber auch Russlands – prägen das Weltgeschehen. Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt hat längst begonnen, nicht nur um die Ukraine, sondern in praktisch allen Regionen des Globus, ob nun um Taiwan oder im Nahen Osten.

Ökonomie und Geopolitik

All dies findet vor dem Hintergrund einer veritablen, tiefen ökonomischen Krise statt, einer weltwirtschaftlichen Lage, die von Stagflation, einer Kombination aus hoher Inflation und Stagnation, geprägt sein wird. Auch die bürgerlichen Augur:innen der globalen Ökonomie, die Wirtschaftsweisen von IWF, Weltbank, OECD oder der Bundesrepublik sprechen das offen aus.

Beim Krieg um die Ukraine zeichnen sich nach einem Jahr zwei mögliche Perspektiven ab. Entweder wird er zu einem länger andauernden Stellungskrieg werden oder wir erleben im Laufe des Jahres – natürlich auf Kosten der Ukraine – diplomatische Initiativen zur Befriedung, so dass auf die imperialistische Konfrontation ein nicht minder reaktionärer, imperialistischer Frieden folgt.

An den ökonomischen und geostrategischen Konflikten wird das aber nichts grundlegend ändern. Die Tendenz zur Fragmentierung des Weltmarktes wird zunehmen. Blockbildung und verschärfte Konkurrenz werden die Folge sein. Die Überakkumulationskrise und fallende Profitraten, die die Ursache der stagnativen Tendenzen bilden, werden sich verschärfen. Es geht nicht einfach darum, eine Wirtschaftskrise zu lösen. Es geht darum, welche Großmacht, welche imperialistischen Staaten oder Staatengruppen die Krise zu ihren Gunsten – und das heißt auf Kosten der anderen – lösen können.

Nationaler Schulterschluss

Daher ertönt überall der Ruf nach dem „nationalen Schulterschluss“ – sei es im Namen der „nationalen Rettung“ wie in Putins Despotie, sei es im Namen von „Freiheit und Demokratie“, die Bundesregierung und der gesamte Westen für sich reklamieren.

Schließlich macht es sich immer besser, wenn es gelingt, der Masse der Bevölkerung – und das heißt vor allem den Arbeiter:innenklassen – die imperialistischen Interessen des „eigenen“ Staates und die Profitinteressen des „eigenen Kapitals“ als Missionen für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte zu verkaufen. Schließlich lassen sich so die Kosten eines Wirtschaftskrieges, von gigantischen Preissteigerungen und einer „ökologischen“ Wende vom russischen Gas zum LNG-Terminal leichter verkaufen.

Und schließlich müssen die Lohnabhängigen auch dafür zahlen (und gegebenenfalls auch als Soldat:innen bereitstehen). Für ihre imperialen Interessen nehmen die NATO-Staaten, die USA, aber auch die Bundesregierung nicht nur Inflationsraten von 10 % in den eigenen Ländern, sondern auch gleich die Verarmung der Ärmsten der Welt, Hyperinflation von 30, 40 oder gar 100 % und drohende Pleiten in Ländern wie Argentinien und Pakistan, der Türkei und Sri Lanka in Kauf.

Der Kampf gegen die Klimakatastrophe ist zu einer reinen Farce geworden. Flutkatastrophen und Dürren, Schmelzen der Gletscher – ob nun an den Polen oder in den Alpen – und damit Hunger, Not, Vertreibung von hunderten Millionen sind der Kollateralschaden, sind Opfer des gegenwärtigen Kampfes um die Neuaufteilung der Welt und des neuen Kalten Krieges zwischen alten und neuen imperialistischen Mächten.

Millionen und Abermillionen werden zu Flüchtlingen, zur Migration gezwungen – aufgrund von Kriegen, Klimakatastrophe oder einfach von Armut und Ausplünderung der Länder des globalen Südens. Und diesen Millionen und Abermillionen verwehren die kapitalistischen Großmächte die Einreise. Migration soll stattfinden – aber nur selektiv, im direkten Interesse des Kapitals. Die anderen werden in menschenunwürdigen Lagern an den Außengrenzen der EU oder den USA „abgefangen“ oder finden beim Versuch, „illegal“ die Grenzen zu überschreiten, gar den Tod.

Soziale Lage

Keines der Probleme der Welt – und auch keines der großen Probleme in Deutschland – wird von den Herrschenden dieser Welt angegangen, geschweige denn gelöst. Im Gegenteil: gigantische Preissteigerungen, vor allem bei Energie, Lebensmitteln und Wohnen, erhöhte Arbeitshetze, wachsender Billiglohnsektor, Kürzungen, Bildungs- und Gesundheitsnotstand prägen unser Leben. Und zwar das von allen Lohnabhängigen. Besonders betroffen sind dabei die Migrant:innen und Geflüchtete, Frauen und sexuell Unterdrückte, ungelernte Arbeiter:innen, Jugendliche und Rentner:innen.

Die Reallöhne sanken 2022 das dritte Jahr in Folge. Im Durchschnitt betrug der Einkommensverlust der Lohnabhängigen im letzten Jahr 4,1 %. Für 2023 ist mit keinem nennenswerten Rückgang der Verbraucher:innenpreise zu rechnen.

Praktisch alle Lohnabschlüsse blieben also in den letzten drei Jahren unter dem Niveau, das nötig wäre, die Einbußen infolge von Pandemie, Rezession oder Inflation auszugleichen. Von einer Abgeltung von Produktivitätszuwächsen, gesteigerter Intensität der Arbeit oder höherer Flexibilisierung ist hier noch gar nicht die Rede.

Praktisch alle Tarifabschlüsse 2023 folgen diesem Muster – ob nun von IG Metall, IG Bergbau, Chemie, Energie oder bei der Post. Im öffentlichen Dienst und bei der Bahn drohen ähnliche Resultate.

All das ist Teil einer Regierungs-, aber auch einer Gewerkschaftspolitik, die auf eine sozialpartnerschaftliche Verwaltung der Krise, auf den nationalen Schulterschluss setzt. Das war während der Coronakrise so – und diese Linie wird während des Kriegs und angesichts der Preissteigerungen fortgesetzt. Lohn- und Gehaltsforderungen werden nicht gestellt, um dem Trend der ständigen Verschlechterung der Einkommen entgegenzuwirken, sondern um noch Schlimmeres zu verhindern.

Keine Frage, einer ganzen Reihe von Unternehmen sind selbst die kleinen Zugeständnisse schon zu viel. Selbst die bald schon von der Inflation aufgefressene Erhöhung des Mindestlohns bringt die Fans der freien Marktwirtschaft auf die Palme. Selbst die Kindergrundsicherung soll, geht es nach FDP und Unionsparteien, mit allen Mitteln verhindert oder zumindest gänzlich verwässert werden. So droht wie schon bei der Umwandlung von Hartz IV ins Bürger:innengeld eine weitere zahnlose „Reform“, die nur der Armutsverwaltung einen anderen Namen  gibt.

Wir alle wissen, dass sich unsere Lebenslage in den letzten Jahren gewaltig verschlechtert hat. Und wir wissen, dass noch viel mehr droht, wenn wir die Schulden, die in den letzten Jahren zur Rettung der Konzerne und zur Aufrüstung aufgenommen wurden, durch Kürzungen, Einkommensverluste oder Privatisierungen begleichen sollen.

Und der DGB?

Doch von einer solch simplen Wahrheit wollen die DGB-Gewerkschaften im Aufruf zum Ersten Mai, der unter dem Titel „Ungebrochen solidarisch“ veröffentlicht wurde, nichts wissen. Natürlich erkennt auch der Gewerkschaftsbund an, dass sich die Welt im „Krisendauermodus“ befindet. Warum das so ist und das womöglich etwas mit Imperialismus und Kapitalismus zu tun hat, erfahren wir allerdings nicht.

Dafür gibt es eine frohe Botschaft für alle, die drei Jahre lang Realeinkommensverluste erlitten haben: „Unser Kampf für Entlastung war erfolgreich. Die Energiepreisbremse oder Einmalzahlungen an Beschäftigte, Rentner*innen und Studierende gäbe es ohne uns nicht. Mit der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro und dem Bürgergeld haben wir dafür gekämpft, dass Menschen mit geringem Einkommen besser dastehen. Vor allem aber haben die Gewerkschaften in vielen Tarifverhandlungen für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld im Portemonnaie von Millionen Beschäftigten gesorgt.“

Bei diesen vom DGB herbeigeschriebenen Erfolgen fragt man sich unwillkürlich, wie Niederlagen und Verschlechterungen aussehen.

Dafür verspricht – oder droht? – der DGB im Aufruf, weiter mitzuwirken, dass die Energiewende zum Erfolg, im Rahmen der Mitbestimmung kräftig mitgestaltet wird. Er fordert außerdem auch Umverteilung und eine Vermögenssteuer, denn schließlich fahren „einige Konzerne ( … ) überhöhte Gewinne“ ein. „Es darf nicht sein, dass die Hauptlasten der Krise den Beschäftigten aufgebürdet werden, während sich die Reichen aus der Verantwortung stehlen“, empört sich der DGB und man fragt sich unwillkürlich, was er unter einer gerechten „Lastenverteilung“ versteht. Sollen die Lohnarbeiter:innen weiter 4 % Einkommensverlust hinnehmen, wenn die Kapitalist:innen 4 % weniger Gewinn einfahren?

Schließlich versichert die Gewerkschaftsführung auch noch NATO und Bundesregierung ihre Solidarität, und beschwört wie beim Wort zum Sonntag auch noch Abrüstung und Frieden: „Als Gewerkschaften treten wir für weltweite kontrollierte Abrüstung, für Rüstungskontrolle und für die Verwirklichung von Frieden und Freiheit im Geiste der Völkerverständigung ein.“

Damit rundet der DGB seine frohe Botschaft ab. Trotz „Krisendauermodus“ haben wir viel erreicht und der Frieden wäre auch in Sicht, wenn sich UNO und Großmächte nur darauf verständigen würden. Der Aufruf zum Ersten Mai ist so beschönigend, dass es schon wieder lächerlich wird. Aber dessen unbenommen bringt er die Weltsicht und die politische Strategie der Gewerkschaftsbürokratie – und damit ein Hauptproblem der Arbeiter:innenklasse – zum Ausdruck. Wozu, so die implizite Botschaft, brauchen wir den Klassenkampf, wenn es die Sozialpartner:innenschaft auch tut? Tarifkämpfe, Aktionen, Demos braucht es, dieser Logik zufolge, allenfalls, um die Kapitalseite an die Vorzüge der Zusammenarbeit für das nationale Interesse zu erinnern.

Tarifliche Mobilisierungen und neue Schichten

Zweifellos tragen die DGB-Spitzen wie die gesamte Gewerkschaftsbürokratie und die reformistischen Parteien eine politische Hauptverantwortung für das Ausbleiben eines massenhaften und organisierten Widerstandes gegen Inflation, Aufrüstung, Bildungs- und Gesundheitsmisere. Hinzu kommt, dass auch die Bundesregierung – anders als z. B. Macron in Frankreich oder die britische Regierung – auf eine Politik der Einbindung der Gewerkschaften und die, wenn auch völlig ungenügende Abfederung der Krise setzte.

Das erschwerte, ja blockierte nicht nur die Entstehung einer Antikrisenbewegung, sondern es bremste den Widerstand auf allen Ebenen. Das „Demokratie“narrativ lähmte und schwächte den Kampf gegen die imperialistische Außenpolitik, den neuen Kalten Krieg und die Aufrüstung. Hinzu kommt, dass jene Teile der Linken, die zum russischen (oder auch chinesischen) Imperialismus schweigen, die die reaktionäre und verbrecherische Politik Russlands in der Ukraine schönreden, ungewollt der bürgerlich-demokratischen Ideologie in die Hände spielen und zu Recht von vielen Arbeiter:innen nicht ernst genommen werden.

Doch das Problem des bremsenden Einflusses von reformistischen, bürokratischen oder linksbürgerlichen Kräften finden wir auch bei der Klimabewegung in Gestalt der Grünen.

Und schließlich fungiert auch die Linkspartei – wenn auch deutlich geschwächt und der Spaltung nahe – als Mittel zur Integration in die reformistischen Apparate, z. B. in den Gewerkschaften.

Doch trotz all dieser Hindernisse entwickelten sich in den letzten Monaten auch wichtige Bewegungen und innerhalb ihrer Kämpfe neue Schichten von Aktiven.

Das betrifft zum einen die Klimabewegung, die z. B. im Kampf gegen den Braunkohleabbau Zehntausende nach Lützerath mobilisierte. Diese und andere Auseinandersetzungen beförderten zugleich einen politischen Differenzierungs- und Radikalisierungsprozess, in den Revolutionär:innen eingreifen müssen.

Einen womöglich noch wichtigeren Prozess können wir aber auch in den Tarifkämpfen der letzten Monate, vor allem im Kampf um den TVöD beobachten. In Sektoren wie den Krankenhäusern entstand und entsteht auch aufgrund der Kämpfe der letzten Jahre eine neue Schicht von Kämpfer:innen, die nach eine radikaleren, konfrontativen und klassenkämpferischen Politik der Gewerkschaften verlangen. Auch wenn diese Klassenkämpfe letztlich ökonomische und keine politischen waren, so entwickelt sich hier ein kritisches Bewusstsein, das sowohl den Kapitalismus als Gegner wie auch den Gewerkschaftsapparat und die Bürokratie als Hindernis zu begreifen beginnt.

In den nächsten Monaten und Jahren wird es entscheidend sein, diese Kräfte als klassenkämpferische Opposition nicht nur gegen die aktuellen, sozialdemokratischen Vorstände der Gewerkschaften und deren Apparat, sondern auch gegen den linken Flügel der Bürokratie zu organisieren. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) kann und muss dabei trotz ihrer noch geringen Zahl eine Schlüsselrolle spielen.

Wir halten es für strategisch notwendig, diese Ansätze im Kampf gegen Klimazerstörung, Imperialismus und für die Verteidigung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen zu einer Kraft zu verbinden, die Kapital und Kabinett wirklich stoppen kann.

Um eine solche Bewegung aufzubauen, brauchen wir neben der Aktion auch Diskussion und programmatische Klärung. Dafür gilt es, die Kräfte zu formieren, die nicht nur eine Bewegung, sondern auch eine revolutionäre Organisation und Internationale aufbauen wollen – mit dem Ziel, diese Kämpfe mit dem für den revolutionären Sturz des Kapitalismus zu verbinden.