Gewerkschaften und Lohnabhängige in die Offensive! Gegen Krieg, Kürzungspolitik und rechte Hetze

Aufruf des Klassenkämpferischen Block Berlin zum 1. Mai, Infomail 1251, 16. April 2024

In den letzten Wochen fanden bundesweit zahlreiche Streiks statt, zum Beispiel im Rahmen der Tarifrunde im kommunalen Nahverkehr oder bei der Bahn. Mit der Kampagne „Wir fahren zusammen“ wurde der Kampf gegen die Klimakrise mit dem Kampf für bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV verbunden. Die Verbindung von betrieblichen Kämpfen und politischen Bewegungen ist ein richtiger Schritt hin zu einer kämpferischen Gewerkschaftsbewegung. Mit koordinierten Streikaktionen kann ein viel stärkerer Druck auf die Unternehmen und den Staat ausgeübt werden.

Das ist nötiger denn je: Die Bundesregierung setzt den neoliberalen Kurs mit der Schuldenbremse trotz Rezession weiter durch. Unsoziale Haushaltskürzungen sind die Folgen. Die Forderungen der Unternehmerverbände an die Politik werden immer dreister, sie wollen unter anderem: Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche, die Rente kapitalisieren und Einschränkungen des Streikrechts in der kritischen Infrastruktur. Immer häufiger ertönt der Ruf nach einer Neuauflage der Agenda-Politik. Wir schlagen deshalb Alarm: Die Gewerkschaften und Lohnabhängigen müssen den Widerstand gegen die Kürzungen aufnehmen und sich unmittelbar auf größere Angriffe vorbereiten.

Gewerkschaften wie die IG Metall und die GDL haben eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich in den Tarifkämpfen gefordert. Die GDL konnte nach mehreren kämpferischen Streiks die 35-Stunden-Woche für Schichtarbeitende durchsetzen, allerdings erfolgt die Umsetzung erst schrittweise bis 2029. Der Acht-Stunden-Tag wurde hierzulande nach harten gewerkschaftlichen Kämpfen am 1. Januar 1919 eingeführt. Mehr als 100 Jahre später arbeiten wir immer noch acht Stunden pro Tag, obwohl die Produktivität längst viel kürzere Arbeitszeiten ermöglichen würde. Dem entgegen stehen die Interessen des Kapitals, die stattdessen die tägliche Höchstarbeitszeit oder Ruhezeiten abschaffen wollen.

Stress, Belastung und Druck am Arbeitsplatz sind massiv gestiegen. Besonders Frauen sind davon betroffen, da sie vermehrt in Bereichen arbeiten, die schlecht bezahlt, ohne Tarifbindung und von miesen Arbeitsbedingungen geprägt sind, wie die Pflege, Reinigung oder Erziehung. Hinzu kommt, dass Frauen nach wie vor den größten Teil der Sorgearbeit übernehmen und Kürzungen im Sozialbereich von ihnen aufgefangen werden müssen.

Auch die Lage von Jugendlichen weltweit hat sich drastisch verschlechtert, denn sie sind den vielfachen Krisen am unmittelbarsten ausgesetzt. Sei es der Verlust einer Perspektive eines Planeten der für alle Menschen, auch in Zukunft noch ein belebbares zu Hause bieten kann, oder dem immer weiter zunehmenden Leistungs- und Konkurrenzdruck, dem sie ausgesetzt sind. Auch Schulen werden dabei zum Schauplatz politischer Kämpfe, wenn Vertreter*innen der Bundeswehr, ihr Podium nutzen um Werbung für sich zu machen. Bundeswehr-Offizier*innen sollen die Militarisierung verstärkt an Schulen tragen. All das darf nicht unbeantwortet bleiben. Jugendliche müssen Seite an Seite mit Gewerkschafter*innen gegen diese Krisen kämpfen.

Bei der Rüstung sind sie fix, für die Bildung tun sie nix

Der ÖPNV, die Krankenhäuser und die Schulen werden seit Jahren kaputtgespart. Gleichzeitig fließen Milliarden in die Rüstung. Vorletztes Jahr wurde bereits ein 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr beschlossen. Die Militärausgaben sollen noch weiter erhöht werden, auf Kosten von Ausgaben für Soziales und Bildung. Clemens Fuest, der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo hat dazu kürzlich gesagt: „Kanonen und Butter – das wäre schön, wenn das ginge. Aber das ist Schlaraffenland. Das geht nicht. Sondern Kanonen ohne Butter.“ Wir wollen nicht für Krieg und Krise der Regierenden bezahlen und stellen uns der Aufrüstung und den Kriegstreiber*innen entgegen!

Für den sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen!

2023 hat Deutschland einen neuen Rekord aufgestellt und Rüstungsexporte im Wert von 11,7 Milliarden Euro genehmigt. Die Waffenlieferungen an Israel haben sich verzehnfacht. Der israelische Staat führt Krieg gegen die Bevölkerung von Gaza. Die israelische Armee hat Zehntausende Zivilist*innen getötet und Städte dem Erdboden gleichgemacht. Schulen, Moscheen und Krankenhäuser wurden bombardiert. Gegen diesen Krieg und die Besatzung ist die internationale Solidarität der Arbeiter*innen notwendig.

Palästinensische Gewerkschaften haben die Arbeiter*innen weltweit dazu aufgerufen Waffenlieferungen an Israel zu stoppen. Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen besetzten ein Werk im südenglischen Kent, das zu Instro Precision gehört, der Tochtergesellschaft eines der größten israelischen Waffenhersteller Elbit Systems. Die belgischen Transportarbeitergewerkschaften haben ihre Mitglieder aufgerufen, sich zu weigern, militärisches Gerät zu transportieren, das nach Israel geschickt wird. Die italienischen Basisgewerkschaften USB und SI Cobas blockierten zeitweise die Abfertigung eines Kriegsschiffes im Hafen von Genua. Die Kampfaktionen zeigen welche Bedeutung die Arbeiter*innenkontrolle über die Produktion gerade für die internationale Klassensolidarität hätte. Während sich der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) klar für einen Waffenstillstand, für die Menschen- und Arbeiterrechte in den besetzten Gebieten einsetzt und die palästinensischen Schwestergewerkschaften stärkt, schweigt der DGB zu den Menschenrechtsverletzungen dort. Wir setzen uns für einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand ein!

Gemeinsam gegen AfD und rechte Regierungspolitik!

Es besteht die Gefahr, dass die AfD im Herbst in drei Bundesländern mit jeweils über 30 Prozent stärkste Kraft werden kann. In den letzten Wochen haben bundesweit große Proteste gegen Rechts stattgefunden. Teilweise haben sich daran auch Politiker*innen von SPD und Grünen beteiligt, die sich bei den Protesten als antifaschistisch inszenieren, aber selbst zum Teil für eine Politik im Sinne der AfD stehen. Die regierenden Parteien in Bund und Ländern betreiben eine rechte Politik indem sie „im großen Stil abschieben“ (Olaf Scholz) wollen, die zivile Seenotrettung kriminalisieren, Haft-Zentren an den EU-Außengrenzen anstreben und den Schutzstatus geflüchteter Menschen weitgehend abschaffen wollen. Aber auch indem sie mit regressiven Gesetzen und transfeindlicher Hetze, die queerfeindliche AfD kaum unterbieten. Wir kämpfen gegen die AfD, aber genauso stellen wir uns gegen die Parteien der Kriegstreiber*innen und Verantwortlichen für rassistische Gesetze, Abschiebungen und Kürzungen bei Bildung, Gesundheit und Sozialem. Der Kampf gegen das Erstarken der AfD kann nur erfolgreich sein, wenn wir die Proteste gegen die AfD mit dem Kampf gegen die Ampel-Regierung und ihrer neoliberalen Politik verbinden und linke und klassenkämpferische Positionen in der Gesellschaft stärken.

Klimaschutz heißt Klassenkampf!

Hitzewellen, Flut, Trockenheit: Die Klimakrise ist immer deutlicher zu spüren. Doch Im globalen Süden sind die Auswirkungen noch viel gravierender. Millionen Menschen verlieren dort ihre Lebensgrundlage. Die Wachstumslogik der kapitalistischen Wirtschaft, die Konkurrenz und das Streben nach Profit führen zur Klimakatastrophe. Energiekonzerne und die Auto- und Stahlindustrie verursachen einen großen Anteil der Treibhausgas-Emissionen. Um die Zerstörung des Planeten durch die kapitalistische Produktionsweise wirksam aufzuhalten, müssen die Kämpfe der Klimabewegung mit den Arbeitskämpfen der Beschäftigten verbunden werden. Große Unternehmen müssen in Gemeineigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung überführt werden, um alle Arbeitsplätze zu retten und die Produktion auf gesellschaftlich sinnvolle und ökologisch nachhaltige Güter umzustellen. Wir müssen den Kapitalismus überwinden, um Klima und Umwelt zu retten!

Heraus zum 1. Mai 2024!

Gegen die Angriffe auf unsere Arbeits- und Lebensbedingungen können wir nur zusammen und organsiert erfolgreich sein. Dafür brauchen wir eine klassenkämpferische Gewerkschaftsbewegung, die der kapitalistischen Krise solidarische Antworten im Interesse der Lohnabhängigen entgegensetzt. Statt Sozialpartnerschaft und Zugeständnisse an die Unternehmen, brauchen wir kämpferische Gewerkschaften und Widerstand im Betrieb und auf der Straße! Deshalb müssen wir uns als kämpferische Kolleg*innen gegen diesen Kurs in den Gewerkschaften und Betrieben vernetzen und organisieren.

Am 1. Mai wollen wir auch zeigen, dass das Erkämpfen von besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen im Hier und Jetzt wichtig ist, aber nicht ausreicht. Unsere Perspektive ist eine befreite Gesellschaft, die nur mit der Überwindung des Kapitalismus verwirklicht werden kann. Das Ziel ist eine sozialistische Gesellschaft, in der die Produktionsmittel nicht länger das Eigentum Einzelner sind und der Profitmaximierung dienen. Wir kämpfen für eine Welt ohne Ausbeutung, Kriege, Umweltzerstörung und Armut.

Erster Mai in Berlin

1. Mai 2024 | 10 Uhr | U Weberwiese (Karl-Marx-Allee/Pariser Kommune)| Klassenkämpferischer Block auf der DGB-Demo

30. April 2024 | 18 Uhr | Leopoldplatz | Demo „Für Frieden und soziale Gerechtigkeit“

1. Mai 2024 | 16:30 Uhr | Südstern | Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration




Gewerkschaften und die sozialistische Revolution – Redebeitrag am 1. Mai in Leipzig

Arbeiter:innenmacht-Rede am 1. Mai in Leipzig, Infomail 1222, 3. Mai 2023

Ich bin Lukas, ich bin Sozialpädagoge in JH, bei ver.di, aktiv in Gruppe Arbeiter:innenmacht.

Aktuell arbeiten wir als Gruppe auch im Bündnis „Wir-fahren-zusammen“ mit, welches hier in Leipzig versucht, eine Brücke zwischen der Umwelt- und der Gewerkschaftsbewegung zu schlagen und in beide eine antikapitalistische Perspektive zu tragen.

Der Lebensstandard von Lohnabhängigen in Deutschland ist seit Corona und Inflation immer weiter gesunken, während die Konzerne gleichzeitig an die Aktionär:innen für das vergangene Jahr Gewinne in Rekordhöhen auszahlen wollen. Die 100 größten Unternehmen sollen zusammen ca. 62 Milliarden an Dividenden an ihre Anteilseigner:innen ausschütten. Und diese Anteileigner:innen sind in erster Linie natürlich eine Handvoll Kapitalist:innen. Die Konzerne konnten ihre Gewinne um mehr als 10 % im Vergleich zum vergangenen Jahr steigern, allen Krisen zum Trotz. Gewinne, die durch die Arbeitskraft von uns Lohnabhängigen erwirtschaftet werden. Und wie immer wird natürlich das Märchen verbreitet, es sei nicht genug für Lohnerhöhungen da. Es sind die üblichen dreisten Lügen unser Klassenfeind:innen.

Als Antwort darauf sehen wir aber auch einen Aufschwung von Arbeitskämpfen und Streiks seit vergangenem Jahr. Auch die Lohnforderungen der Gewerkschaftsführungen sind dieses Jahr deutlich höher ausgefallen als üblich. Beschäftigte strömen entgegen den vorherigen jahrzehntelangen Trends wieder in die Gewerkschaften und organisieren sich in ihrem Betrieb. Zehntausende haben sich alleine bei ver.di seit Anfang des Jahres neu organisiert. In vielen Betrieben ist die Organisierung sprunghaft angestiegen. Eine halbe Millionen haben sich an den Warnstreiks im öffentlichen Dienst beteiligt. Beim gemeinsamen Streik von ver.di und EVG, an dem sich Busse, Straßenbahnen, U- und S- Bahnen, Fernzüge, Flughäfen und Hafenarbeiter:innen beteiligt haben, wurde ganz Deutschland lahngelegt. Das hat es seit ca. 20 Jahren nicht mehr gegeben.

Der zunehmende Organisationsgrad und die Kampfbereitschaft der Belegschaften spiegeln sich allerdings wenig bis gar nicht in den Tarifabschlüssen wider. Bei der Post hat sich die Gewerkschaftsführung auf einen von Konzernseite in letzter Sekunde vorgelegten Vorschlag eingelassen, während die Urabstimmung zum Streik schon längst gelaufen war und sich gezeigt hatte, dass über 85 % der Beschäftigten kampfbereit für einen unbefristeten Streik waren. Der Abschluss ist eine Katastrophe und bedeutet abermals massive Reallohnverluste für die Beschäftigten, während der Konzern im vergangen Jahr einen neuen Rekordgewinn von 8,4 Milliarden eingefahren hat. Das Ergebnis im TVöD fällt zwar nicht ganz so katastrophal aus, bleibt mit seinen 24 Monaten Laufzeit aber auch weit hinter den Forderungen zurück und geht kaum über den faulen Schlichtungskompromiss hinaus.

Das sind keine Einzelfälle, sondern das hat System. Wenn wir uns die Struktur der Gewerkschaften im Allgemeinen und der Tarifkommissionen im Besonderen anschauen, dann fällt schnell auf, dass es ein massives Machtgefälle zwischen der Basis und dem Apparat aus hauptamtlichen Funktionär:innen, der Bürokratie, gibt. In den Tarifverhandlungen geben nicht Vertreter:innen aus den Belegschaften selbst den Ton an, sondern die Funktionär:innen, die vom Ergebnis gar nicht betroffen sind. Die Richtlinien der Tarifkommissionen werden nicht in der Satzung geregelt, sodass diese nicht von der Basis auf dem Gewerkschaftstag mitbestimmt werden können. Sie werden vom Vorstand oder Beirat festgelegt. Es gibt eine Pflicht zur Verschwiegenheit über die Verhandlungen. Die Gewerkschaftsbürokratie verheimlicht also gegenüber den Belegschaften, was genau diskutiert wurde, ob es Gegenvorschläge gab und wer wie abgestimmt hat. Und am Ende haben die Beschäftigten keinerlei Einfluss darauf, ob das Verhandlungsergebnis angenommen wird oder nicht, denn die Befragungen sind nicht mehr als ein Stimmungsbild, ohne bindende Kraft. Die Bürokratie entzieht sich weitestgehend der Kontrolle der Basis. Bis auf einige Funktionär:innen als Mitglieder eines Gremiums sind die Hauptamtlichen für die Basis weder wähl- noch abwählbar.

Gewerkschaftsfunktionär:innen verdienen Gehälter, die jene der Beschäftigten um ein Vielfaches übersteigen, von den Gewerkschaftsbossen mit ihren Jahresgehältern in Höhe von teilweise mehreren 100.000 Euro ganz zu schweigen. Die Bürokratie hat ihren Frieden mit dem Kapitalismus und der Ausbeutung der Lohnarbeit längst geschlossen. Die Gewerkschaftsbosse sitzen mit den Kapitalist:innen in den großen Aufsichtsräten und betrachten sich als Mitverwalter:innen der Konzerne. So saß ver.di-Chef Frank Werneke bis letztes Jahr z B. im Aufsichtsrat von RWE und der Deutschen Bank. Die Bürokratie hat ihre eigene soziale Frage vorerst gelöst. Dadurch hat sie ein ganz eigenes soziales Interesse: Sie will die Arbeiter:innenklasse mit den Konzernen im Sinne der sogenannten „Sozialpartnerschaft“ und des „Interessensausgleichs“  versöhnen. Aber mit den Kapitalist:innen und ihrem System der Ausbeutung kann es keine Versöhnung geben!

Das Bestehen einer versöhnlerischen Bürokratie ist keineswegs eine neuere Entwicklung der heutigen Gewerkschaften. Bereits zur Zeit von Rosa Luxemburg und Lenin war dies der Fall. Lenin bezeichnet die Gewerkschaftsführungen in seiner wichtigen Schrift „Der ,Linke Radikalismus’ – die Kinderkrankheit im Kommunismus“ (1920) als reaktionär, als Agentinnen der Kapitalist:innen innerhalb der Arbeiter:innenklasse. Und auch Rosa Luxemburg lieferte sich mit den deutschen Gewerkschaftsspitzen einen heftigen Schlagabtausch und verfasste im Zuge dessen ihr viel beachtetes Buch „Massenstreik, Partei und Gewerkschaften“ (1906). Heißt das also, dass sich Lenin und Luxemburg gegen die Gewerkschaften richteten? Im Gegenteil. Beide erklärten es für ein zentrales Ziel von Marxist:innen, innerhalb der Gewerkschaften aktiv zu sein, dort ihre Ideen zu verbreiten und die Kontrolle über die Gewerkschaften in die Hände der Arbeiter:innenklasse selbst zu legen. Kräfte, die die Arbeit in den Gewerkschaften ablehnten, überzog Lenin in besagter Schrift mit beißendem Spott.

Historisch gesehen sind die Gewerkschaften spontan aus dem Kampf heraus entstanden, aus der bitteren Notwendigkeit, sich gegen die unmittelbarsten Angriffe der Kapitalist:innen verteidigen zu müssen. Und auch heute noch treten Lohnabhängige unabhängig von ihren politischen Vorerfahrungen oder Ansichten in die Gewerkschaften ein, um sich zur Wehr zu setzen. Sie bilden die ersten Sammelpunkte des Widerstandes, wie Friedrich Engels schrieb, sie sind eine Schule des Klassenbewusstseins und legen die Grundlage für die Vereinigung der gesamten Arbeiter:innenklasse. Über 5 Millionen Arbeiter:innen sind in den Gewerkschaften des DGB in Deutschland organisiert. Es sind jene Teile der Klasse, die bereits jetzt ein rudimentäres Klassenbewusstsein besitzen. Nicht in den Gewerkschaften arbeiten zu wollen, würde bedeuten, den Kampf gegen die Bürokratie aufzugeben und diese ersten Sammelpunkte des Widerstands mit ihren aktuell 5 Millionen fortschrittlichen Arbeiter:innen ihr kampflos zu überlassen. Das ist genauso falsch wie, sich der Bürokratie und ihrer Sozialpartnerschaft kritiklos unterzuordnen.

 Für Marxist:innen besteht eine zentrale Aufgabe darin, innerhalb der Gewerkschaften und der von ihr geführten Tarifkämpfe an vorderster Front mitzukämpfen. Diese sind ein wichtiger Ansatzpunkt, um Kämpfe zuzuspitzen und ökonomische mit politischen Fragen zu verbinden. Sie sind ein Ansatzpunkt der Selbstermächtigung und -organisation der Arbeiter:innenklasse und damit auch ein Ansatzpunkt, die Macht der Bürokratie zu zerbrechen. Marxist:innen sollten innerhalb der Gewerkschaften offen als solche auftreten und ehrlich darlegen, für welche politischen Positionen und Taktiken sie einstehen. Wir sollten zu Wahlen in den Gewerkschaften und Betrieben kandidieren. Wir müssen für das Recht eintreten, dass innerhalb der Gewerkschaften jede/r die Möglichkeit erhält, mit Flugblättern, Zeitungen, Veranstaltungen usw. um Positionen zu kämpfen, was sich nach wie vor die Bürokratie vorbehält. Um ihr die Macht aus den Händen zu nehmen, ist es zentral, lokale Komitees in den Fabriken aufzubauen, in denen die Arbeiter:innen ihre Kämpfe selbst organisieren und Perspektiven diskutieren. Weiter müssen wir für die Demokratisierung des Gewerkschaftsapparats unter Kontrolle der Basis kämpfen. Dieser Kampf bedeutet, dass sämtliche politischen Funktionär:innen auf lokalen, regionalen oder bundesweiten Versammlungen gewählt und jederzeit wieder abgewählt werden können. Es bedeutet, dass Entscheidungen über Streiks von der Basis mit einfacher Mehrheit gefällt werden. Es bedeutet, dass der Rahmen, in dem Tarifverhandlungen geführt werden, vorher von den Arbeiter:innen abgesteckt wird und das Ergebnis zustimmungsbedürftig ist. Außerdem sollten wir dafür kämpfen, dass die Gehälter der Funktionär:innen den durchschnittlichen Lohn eines/r Facharbeiter:in nicht übersteigen.

Für all das ist eine organisierte Basisopposition mit eigenen Strukturen in den Gewerkschaften nötig. Gemeinsam mit einer Reihe anderer marxistischer Gruppen wie der DKP, Klasse gegen Klasse, SAV, SoL und weiteren haben wir vor ca. 3 Jahren die VKG (Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften) gegründet, an deren Gründungskongress ich beteiligt war. Die VKG kann die Keimzelle einer solchen organisierten Basisopposition verkörpern, wenn wir sie als solche gemeinsam weiter aufbauen. Die Klasse für sich gewinnen können wir Marxist:innen nur, wenn wie lernen, „im Wirtschaftskampf nicht nur Verkünder:innen der Ideen des Kommunismus zu sein, sondern die entschlossensten Führer:innen des Wirtschaftskampfes und der Gewerkschaften zu werden. Nur auf diese Weise wird es möglich sein, aus den Gewerkschaften die opportunistischen Führer:innen zu entfernen. Nur auf diese Weise können die Kommunist:innen an die Spitze der Gewerkschaftsbewegung treten und sie zu einem Organ des revolutionären Kampfes für den Kommunismus machen.“ (2. Kongress der Kommunistischen [III.] Internationale, 1920)

Wenn euch das Thema interessiert, dann kommt zu unserer Veranstaltung am kommenden Donnerstag, den 4. Mai, um 19 Uhr in der Bäckerei, Josephstraße 12, in Lindenau.

Dankeschön!




Revolutionäre Grüße der Labour Qaumi Movement zum Ersten Mai

Labour Qaumi Movement, Infomail 1222, 3. Mai 2023

Lal Salam (rote Grüße), Genoss:innen!

Die Labour Qaumi Movement Pakistan beglückwünscht die Genossinnen und Genossen zur Organisierung des klassenkämpferischen Blocks am 1. Mai. Die globale kapitalistische Krise, die Umweltkatastrophe und der Krieg in der Ukraine haben den Lebensstandard der Arbeiter:innen auf der ganzen Welt zerstört. Inflation, Arbeitslosigkeit und extreme Armut sind für die Arbeiter.innenklasse zur Normalität geworden.

Dies ist auf das kapitalistische System und seine interne Logik der Profitmaximierung zurückzuführen, die von den Arbeiter:innen und den Armen bezahlt werden, nicht nur im globalen Süden, sondern auch in Europa und Amerika. Aber wir sind nicht bereit, diese Situation zu akzeptieren und kämpfen dagegen. In einer solchen Lage ist es sehr wichtig, von Seiten der revolutionären Sozialist:innen einzugreifen und sich zu organisieren, damit dieser Kampf in einen gegen das kapitalistische System umgewandelt werden kann.

In Pakistan haben die Umweltzerstörung und die kapitalistische Krise das Leben der Arbeiter:innenklasse elendig gemacht. Millionen von Menschen sind aufgrund von Überschwemmungen obdachlos und es ist für sie schwierig geworden, sich zwei Mahlzeiten am Tag zu leisten. Aufgrund der Wirtschaftskrise gibt es Inflation, Arbeitslosigkeit und Armut, die durch die Kapitalist:innen und ihre Profitgier verursacht wird. Unter diesen Umständen üben der IWF und die imperialistischen Länder immer mehr Druck auf die Regierung aus, das Haushaltsdefizit zu reduzieren und die Kredite zu bezahlen, die die Inflation anheizen, die derzeit den höchsten Stand in der Geschichte erreicht hat.

Wir lehnen das IWF-Programm ab und setzen uns für ein „Nein zu den Schulden“ ein und appellieren an die Genoss:innen in Berlin und die Arbeiter:innenbewegung, Druck auf die herrschende Klasse in Deutschland auszuüben, um die Schulden zu streichen. Diese Bewegung muss in Europa und Amerika etabliert werden, damit wir eine koordinierte Bewegung aufbauen können.

An diesem 1. Mai bringen wir unsere Solidarität mit den Genossinnen und Genossen des klassenkämpferischen Blocks und der Arbeiter:innenklasse in Berlin zum Ausdruck. Unsere Botschaft zum 1. Mai ist die gleiche für die Arbeiter:innen auf der ganzen Welt: Wir brauchen einen organisierten Kampf gegen den globalen Kapitalismus. Wenn die Angriffe gestoppt werden sollen, brauchen wir einen systematischen Kampf gegen das kapitalistische Weltsystem, eine neue Weltpartei der Arbeiter:innenklasse, eine neue Internationale.

Revolutionäre Grüße

Labour Qaumi Movement, Pakistan




Krieg und Krise – und die Gewerkschaften?

Martin Suchanek, Neue Internationale 273, Mai 2023

Der Beginn des Ukrainekriegs markiert eine neue weltpolitische Lage. Die wachsenden innerimperialistischen Rivalitäten – der Niedergang der US-Hegemonie, der Aufstieg Chinas als neuer Großmacht, die Krise der EU, aber auch Russlands – prägen das Weltgeschehen. Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt hat längst begonnen, nicht nur um die Ukraine, sondern in praktisch allen Regionen des Globus, ob nun um Taiwan oder im Nahen Osten.

Ökonomie und Geopolitik

All dies findet vor dem Hintergrund einer veritablen, tiefen ökonomischen Krise statt, einer weltwirtschaftlichen Lage, die von Stagflation, einer Kombination aus hoher Inflation und Stagnation, geprägt sein wird. Auch die bürgerlichen Augur:innen der globalen Ökonomie, die Wirtschaftsweisen von IWF, Weltbank, OECD oder der Bundesrepublik sprechen das offen aus.

Beim Krieg um die Ukraine zeichnen sich nach einem Jahr zwei mögliche Perspektiven ab. Entweder wird er zu einem länger andauernden Stellungskrieg werden oder wir erleben im Laufe des Jahres – natürlich auf Kosten der Ukraine – diplomatische Initiativen zur Befriedung, so dass auf die imperialistische Konfrontation ein nicht minder reaktionärer, imperialistischer Frieden folgt.

An den ökonomischen und geostrategischen Konflikten wird das aber nichts grundlegend ändern. Die Tendenz zur Fragmentierung des Weltmarktes wird zunehmen. Blockbildung und verschärfte Konkurrenz werden die Folge sein. Die Überakkumulationskrise und fallende Profitraten, die die Ursache der stagnativen Tendenzen bilden, werden sich verschärfen. Es geht nicht einfach darum, eine Wirtschaftskrise zu lösen. Es geht darum, welche Großmacht, welche imperialistischen Staaten oder Staatengruppen die Krise zu ihren Gunsten – und das heißt auf Kosten der anderen – lösen können.

Nationaler Schulterschluss

Daher ertönt überall der Ruf nach dem „nationalen Schulterschluss“ – sei es im Namen der „nationalen Rettung“ wie in Putins Despotie, sei es im Namen von „Freiheit und Demokratie“, die Bundesregierung und der gesamte Westen für sich reklamieren.

Schließlich macht es sich immer besser, wenn es gelingt, der Masse der Bevölkerung – und das heißt vor allem den Arbeiter:innenklassen – die imperialistischen Interessen des „eigenen“ Staates und die Profitinteressen des „eigenen Kapitals“ als Missionen für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte zu verkaufen. Schließlich lassen sich so die Kosten eines Wirtschaftskrieges, von gigantischen Preissteigerungen und einer „ökologischen“ Wende vom russischen Gas zum LNG-Terminal leichter verkaufen.

Und schließlich müssen die Lohnabhängigen auch dafür zahlen (und gegebenenfalls auch als Soldat:innen bereitstehen). Für ihre imperialen Interessen nehmen die NATO-Staaten, die USA, aber auch die Bundesregierung nicht nur Inflationsraten von 10 % in den eigenen Ländern, sondern auch gleich die Verarmung der Ärmsten der Welt, Hyperinflation von 30, 40 oder gar 100 % und drohende Pleiten in Ländern wie Argentinien und Pakistan, der Türkei und Sri Lanka in Kauf.

Der Kampf gegen die Klimakatastrophe ist zu einer reinen Farce geworden. Flutkatastrophen und Dürren, Schmelzen der Gletscher – ob nun an den Polen oder in den Alpen – und damit Hunger, Not, Vertreibung von hunderten Millionen sind der Kollateralschaden, sind Opfer des gegenwärtigen Kampfes um die Neuaufteilung der Welt und des neuen Kalten Krieges zwischen alten und neuen imperialistischen Mächten.

Millionen und Abermillionen werden zu Flüchtlingen, zur Migration gezwungen – aufgrund von Kriegen, Klimakatastrophe oder einfach von Armut und Ausplünderung der Länder des globalen Südens. Und diesen Millionen und Abermillionen verwehren die kapitalistischen Großmächte die Einreise. Migration soll stattfinden – aber nur selektiv, im direkten Interesse des Kapitals. Die anderen werden in menschenunwürdigen Lagern an den Außengrenzen der EU oder den USA „abgefangen“ oder finden beim Versuch, „illegal“ die Grenzen zu überschreiten, gar den Tod.

Soziale Lage

Keines der Probleme der Welt – und auch keines der großen Probleme in Deutschland – wird von den Herrschenden dieser Welt angegangen, geschweige denn gelöst. Im Gegenteil: gigantische Preissteigerungen, vor allem bei Energie, Lebensmitteln und Wohnen, erhöhte Arbeitshetze, wachsender Billiglohnsektor, Kürzungen, Bildungs- und Gesundheitsnotstand prägen unser Leben. Und zwar das von allen Lohnabhängigen. Besonders betroffen sind dabei die Migrant:innen und Geflüchtete, Frauen und sexuell Unterdrückte, ungelernte Arbeiter:innen, Jugendliche und Rentner:innen.

Die Reallöhne sanken 2022 das dritte Jahr in Folge. Im Durchschnitt betrug der Einkommensverlust der Lohnabhängigen im letzten Jahr 4,1 %. Für 2023 ist mit keinem nennenswerten Rückgang der Verbraucher:innenpreise zu rechnen.

Praktisch alle Lohnabschlüsse blieben also in den letzten drei Jahren unter dem Niveau, das nötig wäre, die Einbußen infolge von Pandemie, Rezession oder Inflation auszugleichen. Von einer Abgeltung von Produktivitätszuwächsen, gesteigerter Intensität der Arbeit oder höherer Flexibilisierung ist hier noch gar nicht die Rede.

Praktisch alle Tarifabschlüsse 2023 folgen diesem Muster – ob nun von IG Metall, IG Bergbau, Chemie, Energie oder bei der Post. Im öffentlichen Dienst und bei der Bahn drohen ähnliche Resultate.

All das ist Teil einer Regierungs-, aber auch einer Gewerkschaftspolitik, die auf eine sozialpartnerschaftliche Verwaltung der Krise, auf den nationalen Schulterschluss setzt. Das war während der Coronakrise so – und diese Linie wird während des Kriegs und angesichts der Preissteigerungen fortgesetzt. Lohn- und Gehaltsforderungen werden nicht gestellt, um dem Trend der ständigen Verschlechterung der Einkommen entgegenzuwirken, sondern um noch Schlimmeres zu verhindern.

Keine Frage, einer ganzen Reihe von Unternehmen sind selbst die kleinen Zugeständnisse schon zu viel. Selbst die bald schon von der Inflation aufgefressene Erhöhung des Mindestlohns bringt die Fans der freien Marktwirtschaft auf die Palme. Selbst die Kindergrundsicherung soll, geht es nach FDP und Unionsparteien, mit allen Mitteln verhindert oder zumindest gänzlich verwässert werden. So droht wie schon bei der Umwandlung von Hartz IV ins Bürger:innengeld eine weitere zahnlose „Reform“, die nur der Armutsverwaltung einen anderen Namen  gibt.

Wir alle wissen, dass sich unsere Lebenslage in den letzten Jahren gewaltig verschlechtert hat. Und wir wissen, dass noch viel mehr droht, wenn wir die Schulden, die in den letzten Jahren zur Rettung der Konzerne und zur Aufrüstung aufgenommen wurden, durch Kürzungen, Einkommensverluste oder Privatisierungen begleichen sollen.

Und der DGB?

Doch von einer solch simplen Wahrheit wollen die DGB-Gewerkschaften im Aufruf zum Ersten Mai, der unter dem Titel „Ungebrochen solidarisch“ veröffentlicht wurde, nichts wissen. Natürlich erkennt auch der Gewerkschaftsbund an, dass sich die Welt im „Krisendauermodus“ befindet. Warum das so ist und das womöglich etwas mit Imperialismus und Kapitalismus zu tun hat, erfahren wir allerdings nicht.

Dafür gibt es eine frohe Botschaft für alle, die drei Jahre lang Realeinkommensverluste erlitten haben: „Unser Kampf für Entlastung war erfolgreich. Die Energiepreisbremse oder Einmalzahlungen an Beschäftigte, Rentner*innen und Studierende gäbe es ohne uns nicht. Mit der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro und dem Bürgergeld haben wir dafür gekämpft, dass Menschen mit geringem Einkommen besser dastehen. Vor allem aber haben die Gewerkschaften in vielen Tarifverhandlungen für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld im Portemonnaie von Millionen Beschäftigten gesorgt.“

Bei diesen vom DGB herbeigeschriebenen Erfolgen fragt man sich unwillkürlich, wie Niederlagen und Verschlechterungen aussehen.

Dafür verspricht – oder droht? – der DGB im Aufruf, weiter mitzuwirken, dass die Energiewende zum Erfolg, im Rahmen der Mitbestimmung kräftig mitgestaltet wird. Er fordert außerdem auch Umverteilung und eine Vermögenssteuer, denn schließlich fahren „einige Konzerne ( … ) überhöhte Gewinne“ ein. „Es darf nicht sein, dass die Hauptlasten der Krise den Beschäftigten aufgebürdet werden, während sich die Reichen aus der Verantwortung stehlen“, empört sich der DGB und man fragt sich unwillkürlich, was er unter einer gerechten „Lastenverteilung“ versteht. Sollen die Lohnarbeiter:innen weiter 4 % Einkommensverlust hinnehmen, wenn die Kapitalist:innen 4 % weniger Gewinn einfahren?

Schließlich versichert die Gewerkschaftsführung auch noch NATO und Bundesregierung ihre Solidarität, und beschwört wie beim Wort zum Sonntag auch noch Abrüstung und Frieden: „Als Gewerkschaften treten wir für weltweite kontrollierte Abrüstung, für Rüstungskontrolle und für die Verwirklichung von Frieden und Freiheit im Geiste der Völkerverständigung ein.“

Damit rundet der DGB seine frohe Botschaft ab. Trotz „Krisendauermodus“ haben wir viel erreicht und der Frieden wäre auch in Sicht, wenn sich UNO und Großmächte nur darauf verständigen würden. Der Aufruf zum Ersten Mai ist so beschönigend, dass es schon wieder lächerlich wird. Aber dessen unbenommen bringt er die Weltsicht und die politische Strategie der Gewerkschaftsbürokratie – und damit ein Hauptproblem der Arbeiter:innenklasse – zum Ausdruck. Wozu, so die implizite Botschaft, brauchen wir den Klassenkampf, wenn es die Sozialpartner:innenschaft auch tut? Tarifkämpfe, Aktionen, Demos braucht es, dieser Logik zufolge, allenfalls, um die Kapitalseite an die Vorzüge der Zusammenarbeit für das nationale Interesse zu erinnern.

Tarifliche Mobilisierungen und neue Schichten

Zweifellos tragen die DGB-Spitzen wie die gesamte Gewerkschaftsbürokratie und die reformistischen Parteien eine politische Hauptverantwortung für das Ausbleiben eines massenhaften und organisierten Widerstandes gegen Inflation, Aufrüstung, Bildungs- und Gesundheitsmisere. Hinzu kommt, dass auch die Bundesregierung – anders als z. B. Macron in Frankreich oder die britische Regierung – auf eine Politik der Einbindung der Gewerkschaften und die, wenn auch völlig ungenügende Abfederung der Krise setzte.

Das erschwerte, ja blockierte nicht nur die Entstehung einer Antikrisenbewegung, sondern es bremste den Widerstand auf allen Ebenen. Das „Demokratie“narrativ lähmte und schwächte den Kampf gegen die imperialistische Außenpolitik, den neuen Kalten Krieg und die Aufrüstung. Hinzu kommt, dass jene Teile der Linken, die zum russischen (oder auch chinesischen) Imperialismus schweigen, die die reaktionäre und verbrecherische Politik Russlands in der Ukraine schönreden, ungewollt der bürgerlich-demokratischen Ideologie in die Hände spielen und zu Recht von vielen Arbeiter:innen nicht ernst genommen werden.

Doch das Problem des bremsenden Einflusses von reformistischen, bürokratischen oder linksbürgerlichen Kräften finden wir auch bei der Klimabewegung in Gestalt der Grünen.

Und schließlich fungiert auch die Linkspartei – wenn auch deutlich geschwächt und der Spaltung nahe – als Mittel zur Integration in die reformistischen Apparate, z. B. in den Gewerkschaften.

Doch trotz all dieser Hindernisse entwickelten sich in den letzten Monaten auch wichtige Bewegungen und innerhalb ihrer Kämpfe neue Schichten von Aktiven.

Das betrifft zum einen die Klimabewegung, die z. B. im Kampf gegen den Braunkohleabbau Zehntausende nach Lützerath mobilisierte. Diese und andere Auseinandersetzungen beförderten zugleich einen politischen Differenzierungs- und Radikalisierungsprozess, in den Revolutionär:innen eingreifen müssen.

Einen womöglich noch wichtigeren Prozess können wir aber auch in den Tarifkämpfen der letzten Monate, vor allem im Kampf um den TVöD beobachten. In Sektoren wie den Krankenhäusern entstand und entsteht auch aufgrund der Kämpfe der letzten Jahre eine neue Schicht von Kämpfer:innen, die nach eine radikaleren, konfrontativen und klassenkämpferischen Politik der Gewerkschaften verlangen. Auch wenn diese Klassenkämpfe letztlich ökonomische und keine politischen waren, so entwickelt sich hier ein kritisches Bewusstsein, das sowohl den Kapitalismus als Gegner wie auch den Gewerkschaftsapparat und die Bürokratie als Hindernis zu begreifen beginnt.

In den nächsten Monaten und Jahren wird es entscheidend sein, diese Kräfte als klassenkämpferische Opposition nicht nur gegen die aktuellen, sozialdemokratischen Vorstände der Gewerkschaften und deren Apparat, sondern auch gegen den linken Flügel der Bürokratie zu organisieren. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) kann und muss dabei trotz ihrer noch geringen Zahl eine Schlüsselrolle spielen.

Wir halten es für strategisch notwendig, diese Ansätze im Kampf gegen Klimazerstörung, Imperialismus und für die Verteidigung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen zu einer Kraft zu verbinden, die Kapital und Kabinett wirklich stoppen kann.

Um eine solche Bewegung aufzubauen, brauchen wir neben der Aktion auch Diskussion und programmatische Klärung. Dafür gilt es, die Kräfte zu formieren, die nicht nur eine Bewegung, sondern auch eine revolutionäre Organisation und Internationale aufbauen wollen – mit dem Ziel, diese Kämpfe mit dem für den revolutionären Sturz des Kapitalismus zu verbinden.




DGB am Ersten Mai 2022 – Proteste gegen nationalen Schulterschluss

Susanne Kühn, Infomail 1187, 3. Mai 2022

203.500 Menschen beteiligten sich lt. DGB an den Demonstrationen und Kundgebungen der Gewerkschaften am 1. Mai 2022. Nach zwei Jahren Corona-Pause fällt auf, dass die Mobilisierung weit unter den Zahlen von 2019 liegt, als der DGB von 381.500 sprach.

Allein diese Zahlen sollten in den Gewerkschaftszentralen Anlass zur Sorge – und auch zur politischen Selbstkritik – bieten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Spitzen der DGB-Einzelgewerkschaften und deren Redner:innen loben sich vor allem selbst.

Die Botschaft des DGB

Während der Pandemie hätten sie für Gesundheitsschutz gesorgt und für fairen Lastenausgleich. Kein Wort davon, dass sie gegen mangelnde Schutzmaßnahmen und den Notstand im Gesundheitswesen nicht gekämpft, vielmehr Streiks, Aktionen und ganze Tarifrunden abbliesen und verschoben haben. Kein Wort davon, dass die Arbeiter:innenklasse in den letzten Jahren massive reale Einkommensverluste hinnehmen musste, während die Preis z. B. am Wohnungsmarkt weiter anzogen. Kein Wort davon, dass sie alles getan haben, um vorübergehenden Schließungen in der Großindustrie zu verhindern, die Interessen der Lohnabhängigen und den Gesundheitsschutz über zwei Jahre den kurzfristigen Profitinteressen des Kapitals untergeordnet haben.

Auf den nationalen Schulterschluss während der Pandemie soll nun offenbar der Burgfrieden während des Kriegs um die Ukraine folgen. So stimmt DGB-Chef Hoffmann in das bürgerliche Narrativ ein. Der reaktionäre Angriff des russischen Imperialismus auf die Ukraine wird nicht als Teil eines größeren, globalen Kampfes um die Neuaufteilung der Welt begriffen, sondern als einer auf „unsere“ Werte: „Dieser menschenverachtende Krieg ist ein Angriff auf die europäische Friedensordnung und auf unsere Demokratie.“

Nachdem der eigenen herrschenden Klasse eine grundsätzliche Unterstützung versichert wurde, dürfen natürlich einige „friedenspolitische“ Phrasen nicht fehlen: „Wir sagen Nein zu Militarisierung und massiver Aufrüstung. Wir brauchen dieses Geld für Zukunftsinvestitionen in die Transformation. Und wir brauchen es für die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats. Militärische Friedenssicherung darf niemals zulasten des sozialen Friedens erkauft werden.“

Daher soll die Anhebung des Rüstungsetats nicht dauerhaft erfolgen, sondern nach dem Waffengang mit Russland beendet werden. Solange der aber noch nicht zu „unseren“ Gunsten entschieden ist, geht die Aufrüstung in Ordnung, sofern sie nicht „zulasten des sozialen Friedens“ erkauft würde. Der Verweis darf keinesfalls als Kritik an der Regierung missverstanden werden. Vielmehr soll er daran erinnern, dass die Gewerkschaftsführung für die Burgfriedenspolitik auch Entgegenkommen, also einen sozialchauvinistischen Bonus, erwartet.

Pfiffe und Eier für SPD-Prominenz

Um die Nähe zur Regierung und damit zum Staat des Kapitals auch am Ersten Mai zu demonstrieren, durften neben der DGB-Prominenz die Redner:innen aus der „Politik“, vornehmlich aus der SPD, nicht fehlen. So hatte Kanzler Scholz seinen Auftritt in Düsseldorf, in München war Oberbürgermeister Reiter, in Berlin Franziska Giffey geladen.

Dass führende SPD-Politiker:innen, zumal solche mit Regierungsfunktionen, auf den Ersten-Mai-Kundgebungen als zentrale Redner:innen auftreten dürfen, gehört zum üblichen Ritual einer Gewerkschaft, die sozialdemokratisch geprägt und dominiert ist.

Neu – und positiv – war jedoch, dass die Teilnehmer:innen wichtiger Kundgebungen wie in Düsseldorf, Berlin und München das Gedöns der sozialdemokratischen Regierungsleute nicht einfach über sich ergehen ließen, sondern mit Sprechchören, Pfeifkonzerten, Buhrufen ihre Kritik und Ablehnung der Kriegspolitik der Regierung und der klassenfeindlichen Politik in Bund, Ländern und Kommunen zum Ausdruck brachten.

Olaf Scholz wurde zu Recht für seine Milliardenaufrüstung, Sanktionen und Waffenlieferungen angegriffen, die Deutschland als NATO-Staat faktisch zu einer Kriegspartei in der Ukraine machen.

In München wurde Oberbürgermeister Reiter ausgepfiffen, weil sich der SPD-Politiker gegen den Erzieher:innenstreik in seiner Stadt gestellt hatte. Linke Gewerkschafter:innen enthüllten Schilder gegen den Krieg.

Berlin

Einen Höhepunkt der Aktionen erlebten wir in Berlin. Schon DGB-Chef Hoffmann wurde bei seiner Rede immer da von Sprechchören unterbrochen, wo er offen oder implizit die Kriegs- und Rüstungspläne der NATO, der EU oder der Bundesregierung unterstützte.

Eine gebührenden Empfang bereiteten mehrere Hundert Unterstützer:innen des klassenkämpferischen Blocks bei der Abschlusskundgebung in Berlin der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey. Sie kann auf eine lange unrühmliche Geschichte zurückblicken, sei es als Unterstützerin rassistischer Abschiebungen, von Privatisierungen und zahlreichen anderen arbeiter:innenfeindlichen Maßnahmen.

In den letzten Jahren und als Regierungschefin eines angeblich linken rot-grün-roten Senats steht die Verhinderung der Enteignung der Immobilienkonzerne ganz oben auf ihrer Agenda. Statt dem Votum einer klaren Mehrheit von über einer Millionen Berliner:innen, die für die Enteignung von Deutsche Wohnen und Co. gestimmt haben, zu folgen, will Giffey dieses zur Zeit in einer sog. Expert:innenkommission politisch entsorgen.

Dennoch sollte sie als eine Hauptrednerin die Leute mit leeren Phrasen einseifen. Doch dazu kam es nicht. Nicht nur die Genoss:innen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften und der Klassenkämpferische Block, den auch die Gruppe Arbeiter:innenmacht und REVOLUTION mitorganisierten, sorgten für lautstarken Protest und intonierten Sprechchöre wie „Volksentscheid – umsetzen“ und „Enteignung – jetzt!“ Auch viele andere Gewerkschafter:innen unterstützten die Rufe und das Pfeifkonzert. Als schließlich ein Ei Richtung Giffey flog, brach sie ihre Rede ab.

Nachträglich entrüstet sich Giffey über dieses „undemokratische“ Vorgehen und den „tätlichen Angriff“. Dabei sollte doch eher die Frage gestellt werden, was der Wurf eines Eis im Vergleich zum Rauswurf all der Mieter:innen, die nach Zwangsräumungen ihre Wohnung verloren, darstellt.

Ver.di Berlin entrüstet sich in einer Pressemitteilung vom 2. Mai über den „verabscheuenswürdigen“ Angriff. Schließlich sei der „Dialog mit demokratischen Parteien und der politischen Führung der Stadt sehr wertvoll.“

Dass eine Person, die einen Volksentscheid zur Enteignung der Immobilienkonzerne hintertreibt, Geflüchtete abschieben lässt, die S-Bahn privatisieren will und auch ansonsten dem Kapital den roten Teppich ausrollt, ausgerecht bei der Mai-Demonstration der Gewerkschaften eine zentrale Rede halten sollte, verdeutlicht die Krise der Gewerkschaften in Deutschland.

Klassenkämpferische Basisbewegung

Die Krise hat gleich mehrere Namen: Sozialpartner:innenschaft und nationale Einheit mit der Regierung sind nur zwei davon. Diese Politik der Klassenzusammenarbeit dient nicht den Lohnabhängigen, sondern dem Kapital und seiner Regierung. Die schrumpfenden Demonstrationen sind nur ein numerischer, alarmierender Ausdruck einer Politik, die seit Jahren zum weiteren Niedergang der Gewerkschaften geführt hat und diese an die herrschende Klasse und die Regierung kettet.

Die Proteste gegen Scholz, Reiter, Giffey verdeutlichen jedoch, dass sich Widerstand, Opposition gegen den sozialpartnerschaftlichen Kurs und die Unterstützung der Kriegspolitik der Regierung regt. Die Tatsache, dass sie nirgendwo ernsthaft vom Apparat verhindert werden konnten, sondern bei vielen Gewerkschafter:innen, darunter auch Kolleg:innen aus der Sozialdemokratie, auf ein positives Echo stießen, zeigt, dass die reformistischen Apparate in Zeiten der Krise, der „Zeitenwende“ auch Risse bekommen, Risse, die wir vertiefen müssen.

Wir brauchen keine Politik der falschen Toleranz gegenüber Leuten wie Giffey. Wir brauchen keinen Kuschelkurs mit den politischen Vertreter:innen des Kapitals, selbst wenn sie sich „arbeiter:innenfreundlich“ geben. Stattdessen benötigen wir einen Bruch mit der Politik der Unterordnung unter das „nationale“ Interesse, unter die imperialistische Politik des deutschen Staates und unter die Wettbewerbsfähigkeit des Kapitals. Wir brauchen keine Politik des „sozialen Friedens“, sondern eines des Klassenkampfes.

Das heißt aber auch, dass wir in den Betrieben und Gewerkschaften eine oppositionelle, antibürokratische Kraft aufbauen müssen, die eine politische Alternative zum Apparat und zur reformistischen Führung liefert – eine klassenkämpferische Basisbewegung. Der Aufbau der VKG in den einzelnen Städten, die Gewinnung weiterer Strömungen in den Gewerkschaften und von kämpferischen Aktivist:innen stellen einen nächsten wichtigen Schritt in diese Richtung dar.




Der Erste Mai und die Linke: Neue Periode, neue Aufgaben

Martin Suchanek, Neue Internationale 264, Mai 2022

Gegen Krieg und Krise gehen antikapitalistische Linke und klassenkämpferische Arbeiter:innen jedes Jahr auf die Straße. Oft bezogen sie sich dabei darauf, was droht oder drohen könnte. Auch fand für die meisten Krieg fernab des eigenen Landes im globalen Süden statt. Ein Großteil der Linken hatte sich faktisch an die Auslandsinterventionen des deutschen Imperialismus gewöhnt und damit abgefunden. Seit Februar 2022 findet der Krieg aber  vor der eigenen Haustür statt.

Krieg

Er ist eine Realität – und rückt mit jeder weiteren Sanktionsrunde gegen Russland, mit jeder weiteren Konferenz zur Unterstützung der Ukraine, mit jedem weiteren „Dreiecksgeschäft“ näher. Deutschland, die USA, die NATO – der Westen – sind faktisch Parteien im Kampf um die Ukraine.

Wo der Krieg immer näher rückt, suchen und organisieren SPD und Gewerkschaftsführungen einmal mehr den „nationalen Schulterschluss“. Wenn auch mehr als Getriebene denn Treibende, wollen und können sich Scholz und Co. dem Dienst am Vaterland nicht verweigern, bringen Milliardenpakete für die Rüstung auf den Weg – natürlich im Namen von Demokratie, Menschenrechten und „westlichen“ Werten, deren Überlegenheit nicht nur auf dem Weltmarkt, sondern auch mit überlegener Feuerkraft auf dem Schlachtfeld Nachdruck verliehen werden soll.

Während sich Gewerkschaftsapparat und SPD als treue Vertreter:innen Deutschlands, als nationale Mitspieler:innen beim Ringen um globale Vorherrschaft erweisen, droht DIE LINKE zum Kollateralschaden des Krieges zu geraten. Der rechte Flügel verfolgt einen, wenn auch vorsichtigen Kurs der Anpassung an die Koalitionsregierung, unterstützt Sanktionen gegen Russland und zeigt Verständnis für die NATO-Erweiterung. Ein anderer Teil beschwört verzweifelt den „Frieden“ und die „Abrüstung“ – und schweigt zur chauvinistischen Putin-Diktatur und ihren Kriegsverbrechen.

Die „radikale“ Linke traf der Krieg unvorbereitet. Wie sie sich angesichts des interimperialistischen Großkonflikts verhalten soll, der zur Zeit zwischen Russland mit China im Hintergrund einerseits und den NATO-Mächten andererseits um die Ukraine ausgetragen wird, kann sie nicht  beantworten. Die Frage nach dem Verhältnis von imperialistischem Konflikt und nationalem Selbstbestimmungsrecht der Ukraine will sie sich in der Regel erst gar nicht stellen. Die durchaus richtige Feststellung, dass der Hauptfeind im eigenen Land steht, verkommt so leider oft zur Floskel, um den aktuellen globalen Fragen, der Einschätzung der Lage in Russland und in der Ukraine ausweichen zu können.

Es würde jedoch zu kurz greifen, die Schwierigkeiten für das Entstehen einer breiten Antikriegsbewegung, die zugleich mit der Arbeiter:innenklasse in Russland und der Ukraine solidarisch ist und eine internationalistische Antwort vertritt, allein auf das Versagen der Arbeiter:innenbewegung und der Linken zurückzuführen.

Der Krieg wird zurzeit von Seiten der herrschenden Klasse, der bürgerlichen Medien und Institutionen erfolgreich als einer für Demokratie, Menschenrechte, Freiheit verkauft. Dabei hilft es ihr, dass die barbarische russische Kriegsführung und die russischen Massaker an der Zivilbevölkerung dieses Narrativ, diese Ideologie stützen. Auch wenn jeder Vorbehalt gegen die westliche und Kiewer Propaganda in diesem Zusammenhang berechtigt ist, so gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln, dass der Tod von Zehntausenden Zivilist:innen wie auch das Verheizen der eigenen Soldat:innen als Kanonenfutter folgerichtiges, einkalkuliertes Resultat der russischen Kriegsführung sind. Darin unterscheidet sich Putin von seinen Gegner:innen in den USA oder der EU um nichts, wie die zahlreichen humanitären Interventionen des Westens von Afghanistan über Libyen bis Mali zeigen.

Demokratisch-imperialistische Ideologie

Das ändert jedoch nichts daran, dass zurzeit in der Bevölkerung – und das heißt auch bei der Mehrheit der Arbeiter:innenklasse – die demokratisch-imperialistische Ideologie der Herrschenden fruchtet. Sie stellt eine zentrale Grundlage für die gegenwärtige Unterstützung der NATO-Politik in der Ukraine, für Sanktionen und Waffenlieferungen dar. Solange dieses „Narrativ“ das Bewusstsein von Millionen Arbeiter:innen und Gewerkschafter:innen bestimmt, solange Millionen die Kriegsziele der Bundesregierung und das Niederringen der russischen Konkurrenz im Namen der Verteidigung der Ukraine für gerechtfertigt und notwendig halten, wird die Politik der „nationalen“ Einheit nicht wirklich zu knacken sein.

Dazu ist es unbedingt erforderlich, dass Revolutionär:innen die wirklichen Kriegsziele der Regierung und ihrer Verbündeten, den imperialistischen Charakter der NATO-Politik erklären und plastisch darlegen. Diese theoretische, propagandistische und agitatorische Aufgabe ist unerlässlich. Sie alleine reicht jedoch nicht. Um die Unterordnung der Arbeiter:innenklasse unter Regierung und Kapital aufzubrechen und die Rolle der reformistischen Apparate der Gewerkschaften, der SPD, aber auch der Linkspartei vorzuführen, müssen wir auch an den Widersprüchen der Kriegspolitik von Regierung und NATO praktisch anknüpfen.

Krise

Und davon gibt es jede Menge. Täglich werden Lebensmittel, Wohnung, Heizkosten teurer. Die Preissteigerung trifft alle Lohnabhängigen, vor allem „natürlich“ die ärmsten Schichten unserer Klasse.

In vielen Betrieben ist die Produktion am Stocken, teilweise sogar rückläufig – und nicht erst seit dem Krieg. Pandemie und Lieferengpässe stören schon lange international integrierte Wertschöpfungsketten. Vor allem die Automobilindustrie, aber auch die Bauwirtschaft trifft es hart. Eine Erholung der Weltwirtschaft rückt in weitere Ferne. Stagnation und Inflation prägen das Bild – und werden es weiter prägen. Heute bilden die Preissteigerungen das unmittelbare, spürbare, allgemeine Feld der Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse. Früher oder später werden große Angriffe auf die Arbeitsplätze folgen.

Die Politik des billigen Geldes hat zu einer massiven Ausweitung der Schulden von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen geführt. Die Aufrüstungsprogramme werden das Problem verschärfen, zumal sie, geht es nach Finanzminister Lindner, zu keinen Budgeterhöhungen führen, also die Mittel dafür anderswo eingespart werden sollen.

Hier wird ein weiterer, schlagender Zweck der aktuellen Politik der nationalen Einheit deutlich. Es geht nicht nur darum, die Politik von BRD und NATO zu rechtfertigen – es geht auch darum, die Massen mit humanitären, demokratischen Phrasen darauf einzuschwören, „ihren“, also den Großteil der Kosten für Krieg und Krise zu tragen.

Das politische Verbrechen der Gewerkschaftsführungen, der SPD-Spitzen und auch des rechten Flügels der Linkspartei – von den grünen Kriegstreiber:innen wollen wir hier gar nicht reden – besteht darin, diese „demokratischen“ Lügen in der Arbeiter:innenklasse zu verbreiten, den Krieg so darzustellen, als ginge es der BRD, der NATO, den USA wirklich – und sei es auch nur „ausnahmsweise“ – um Frieden, Freiheit, Unabhängigkeit. In Wahrheit geht es ihnen, Russland nicht unähnlich, darum, ihre eigenen politischen, wirtschaftlichen und geostrategischen Ziele durchzusetzen. Und nur diesen dient die Unterstützung der Ukraine!

Praktischer Weise werden hier die Ursachen für die ökonomische Krise und die Kosten der Sanktionspolitik auch gleich Putin und Russland in die Schuhe geschoben und als notwendige Kosten von Demokratie, Freiheit und Solidarität mit den vertriebenen Ukrainer:innen verkauft. Solange diese ideologische Verknüpfung funktioniert, wird nicht nur der Kampf gegen Krieg und Militarismus massiv erschwert, sondern auch jener gegen die Kosten von Krieg und Krise. Wer über höhere Energiepreise meckert, wer für die Kosten der Sanktionen nicht zahlen will, erscheint als egozentrische/r, vaterlandslose/r Gesell:in, als Feind:in von Demokratie, Freiheit, Selbstbestimmung.

Gegen Krieg und Krise!

Dieser Zusammenhang verdeutlicht auch, warum eine vom Kampf gegen den Kapitalismus, gegen ökonomische und soziale Angriffe losgelöste, „reine“ Antikriegsbewegung, „reine“ Friedenspolitik letztlich eine bürgerliche Fiktion darstellen. Das trifft umgekehrt auch auf gewerkschaftliche und ökonomische Kämpfe zu. Die Angriffe auf Löhne und Lebensbedingungen, auf demokratische und soziale Errungenschaften werden nur schwer abzuwehren sein, wenn sie nicht im Kontext der globalen Ziele des deutschen Kapitals und der imperialistischen Weltordnung begriffen werden.

Das heißt natürlich nicht, dass eine antikapitalistische Ausrichtung eine Vorbedingung für jede gemeinsame Aktivität oder Aktionseinheit gegen Krieg oder Aufrüstung darstellt oder umgekehrt eine Antikriegsposition Voraussetzung für gemeinsame betriebliche oder gewerkschaftliche Abwehrkämpfe wäre. Eine solche Politik wäre ein sektiererischer Ultimatismus, der Revolutionär:innen zur Passivität verurteilen würde – sei es zum bloßen Kommentieren oder durch die Beschränkung auf Pseudoeinheitsfronten kleiner linker Gruppen. Letztere lehnen wir zwar nicht kategorisch ab, sie haben aber nur dann einen Wert, wenn sie versuchen, Massenorganisationen und -kräfte in die Bewegung zu ziehen, und nicht bloß die politische Selbstbefriedigung einer linken Szene darstellen.

Wir sollten stattdessen jeden Schritt der Lohnabhängigen, jede reale Bewegung und Mobilisierung unterstützen, die sich gegen die Angriffe der Regierung, Preissteigerungen, Aufrüstung und Krieg wendet. Wir sollten nicht darauf warten, bis die Gewerkschaftsführungen selbst mehr oder weniger halbherzige Aktionen starten. Nein – wir müssen die Gewerkschaftsbosse auffordern, mit der Unterordnung unter die Regierung zu brechen. Dasselbe gilt für die Linkspartei oder auch für die SPD, vorzugsweise für den Flügel, der sich gegenüber Aufrüstung und Kriegstreiberei skeptisch gibt.

Eine solche Politik ist notwendig nicht, weil wir Illusionen in die Tatkraft dieser Führungen hegen und schüren wollen, sondern weil sie, ob wir das wollen oder nicht, über eine soziale Basis unter den Lohnabhängigen verfügen, weil sie – vor allem die Gewerkschaftsführungen – an der Spitze von Millionen organisierten Arbeiter:innen stehen.

Ansätze

Damit wir den Druck auf diese Führungen aufbauen können, müssen sich linke und kämpferische Strömungen in den Betrieben und Gewerkschaften zu einem klassenkämpferischen Pol zusammenschließen. Die VKG (Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften) stellt zur Zeit den wichtigsten Ansatz für eine solche Strömung in den Betrieben und Gewerkschaften dar, die wir gemeinsam mit anderen zu einer klassenkämpferischen Basisbewegung weiterentwickeln wollen.

In der Antikriegsbewegung stellt das „klassenkämpferische und antiimperialistische Bündnis“, das unter dem Motto „Weder Putin noch NATO“ zu etlichen Aktionen mobilisierte, einen ersten Ansatz dar.

Diese Initiativen wollen wir gemeinsam mit anderen Gruppierungen in den kommenden Wochen und Monaten vorantreiben – nicht, um eine selbstbeschränkte „Einheitsfront“ der radikalen Linken zu bilden, sondern um klassenkämpferische Kräfte so weit zu sammeln, dass sie überhaupt erst in der Lage sind, sichtbar zu werden und die Apparate zur Aktion zu zwingen.

Wir halten das für strategisch notwendig, um eine Bewegung gegen Krieg und Krise aufzubauen, die sich auf die Arbeiter:innenklasse stützt und durch sie Kriegstreiber:innen, Kapital und Kabinett wirklich stoppen kann. Es müssen jetzt die Kräfte für einen Kurswechsel in den Gewerkschaften, aber auch in den reformistischen Parteien gesammelt werden.

Um eine solche Bewegung aufzubauen, brauchen wir neben der Aktion auch Diskussion und Klärung. Dafür gilt es, die Kräfte zu formieren, die nicht nur eine Bewegung, sondern auch eine revolutionäre Organisation und Internationale aufbauen wollen – mit dem Ziel, den drohenden imperialistischen Krieg zum Klassenkrieg gegen den Kapitalismus zu wenden.




Deutscher Militarismus: Aufrüstung, Krieg und der DGB

Helga Müller, Neue Internationale 264, Mai 2022

Drei Tage nach dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine beschloss die Bundesregierung mit Hilfe der CDU und CSU ein sogenanntes Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr! Zusätzlich sollen zukünftig über 2 % des BIP für Aufrüstungsausgaben jährlich zur Verfügung stehen.

Es gibt dafür weder eine Vermögenssteuer oder -abgabe noch eine Erhöhung der Kapitalsteuern für die Banken und Konzerne. Laut Lindner soll dies aus dem laufenden Bundeshaushalt bewältigt werden, der noch dazu unter dem Damoklesschwert des Wiederinkrafttretens der Schuldenbremse steht. D. h. also nichts anderes, als dass die Finanzierung mit einem gigantischen Sozialabbau, der allein die Kolleg:innen, Rentner:innen, Jugendlichen, Geflüchteten und Frauen trifft, verbunden sein wird. Nichts – außer ein paar Almosen in Form von einmaligen Prämien – für die Pflegekräfte in den Kliniken, die Kolleg:innen in den Schulen, Kindertagesstätten oder Jugendfreizeitstätten, die Bus- und Straßenbahnfahrer:innen, die Kolleg:innen im Einzelhandel, die seit über 2 Jahren trotz Pandemie und schlechter werdenden Bedingungen alles am Laufen gehalten haben.

Aufschrei der Gewerkschaften?

Schon dies alleine hätte beim DGB und seinen Gewerkschaften zu einem sofortigen Aufschrei führen müssen. Stattdessen Unterstützung des Regierungskurses für Sanktionen gegen Russland, bei denen auch der DGB weiß, dass diese nicht in erster Linie die Oligarch:innen treffen werden, die hinter Putins Kriegskurs stehen, sondern die arbeitende Bevölkerung, Arbeitslose und RentnerInnen. Dann zarte Kritik an den 100 Milliarden Sondervermögen, die doch besser im sozialen Bereich hätten investiert werden sollen, und gerade mal eine kritische Haltung, aber nicht Ablehnung des Ziels, den Rüstungsetat auf über 2 % des BIP jährlich zu erhöhen.

Werneke, Chef von ver.di, die ja immer als eine sehr politische und kritische Gewerkschaft galt, äußerte sich wenige Tage nach dem Bundestagsbeschluss in einem Interview dazu. Er nimmt hier eine mehr als zweideutige Haltung gegenüber dem sog. Sondervermögen für Aufrüstung ein:

„Richtig ist, dass der Zustand der Bundeswehr in Teilen wirklich schlecht ist, trotz der vielen Milliarden, die jetzt schon im System sind. Das betrifft die Ausrüstung, den Zustand von Kasernen, aber auch die Attraktivität als Arbeitgeber. …  Ich will eine Bundeswehr, die als Verteidigungsarmee funktioniert und die auch ein guter Arbeitgeber ist. … Eine Rechtfertigung für einen dauerhaft höheren Militärhaushalt ergibt sich daraus für mich nicht. …“ Weiter: „Ich sehe allerdings die dringlichsten Handlungsbedarfe nicht bei den Ausrüstungsdefiziten in der Bundeswehr. Wir stehen in Deutschland vor der größten Flüchtlingswelle seit dem zweiten Weltkrieg.“

Erst nachdem es mehrere Beschlüsse von verschiedenen ver.di-Gremien gab, die sich gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete und vor allem gegen das Aufrüstungsprogramm insgesamt richteten, wie z. B. die Resolution der ver.di-Mitgliederversammlung der Beschäftigten bei Vivantes, Charité und Vivantes-Töchtern oder die Entschließung des geschäftsführenden Bezirksvorstandes ver.di-Südhessen vom 13. März, lehnte der Gewerkschaftsrat in einer Resolution  „die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf einen dauerhaften Anteil von zwei Prozent am Bruttoinlandsprodukt, wie es das NATO-Ziel vorsieht“, ab. Jedoch bleibt diese bzgl. des 100 Milliarden Sondervermögens genauso vage wie Werneke.

Halbherzig – bestenfalls

Alles halbherzige Bekenntnisse, mit denen sich die Gewerkschaftsverantwortlichen noch stärker als jemals zuvor den wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der deutschen Konzerne und Banken mitsamt ihrer Regierung unterordnen. Dies spiegelt sich auch in der diesjährigen Tarifpolitik: durch die Bank weg haben die Gewerkschaften bei den Tarifrunden in der Druckindustrie, Chemie und bei den öffentlichen Banken mehrjährige Entgelttarifverträge abgeschlossen, die alle einen Reallohnverlust für lange Zeit verankern!

Wir wissen aber, dass die Kolleginnen und Kollegen, um die Zeche für Deutschlands Wettrüsten mit anderen Weltmächten finanzieren zu können, zahlen müssen. Die Heizungs-, Energie- und Lebensmittelpreise werden weiter in die Höhe schnellen je länger der Krieg dauert. Obendrauf kommen dann noch die Kosten für die Aufrüstung!

Angeblich soll damit die Sicherheit der Bundesrepublik garantiert werden. In Wirklichkeit geht es um die Sicherung der wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der deutschen Banken und Konzerne im Kampf um die Neuaufteilung der Welt.

Was tun?

Angesichts dieser höchst gefährlichen Situation kommt auf unsere Gewerkschaften eine große Verantwortung zu! Sie verlangt von ihnen, sich eindeutig von den Beschlüssen der Bundesregierung zu distanzieren und vor allem den Kampf dagegen aufzunehmen. Erfreulicherweise gibt es mittlerweile sowohl in ver.di als auch in der IG-Metall Beschlüsse, die sich eindeutig gegen das Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung richten.

Diese Resolutionen sind wichtig und richtig, aber wir brauchen kämpferische Aktionen – wie Demonstrationen bis hin zu Streiks. Dies wäre ein wichtiger Beitrag der deutschen Gewerkschaften zum notwendigen Aufbau einer starken internationalen Antikriegsbewegung, die in der Lage ist, diesen Krieg zu beenden und weitere zu verhindern!

Ein erster Schritt wären massive Protestdemonstrationen und Arbeitsniederlegungen gegen das 100 Milliarden Programm zur Aufrüstung an dem Tag, wenn die Verfassungsänderung im Parlament diskutiert und beschlossen werden soll.




Revolutionärer Erster Mai in Berlin – Neuköllner Bezirksbürgermeister greift in die Trickkiste, um Demonstrationsrecht einzuschränken

Pressemitteilung vom 28. April zur Repression gegen Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration durch „Straßenfeste“, Infomail 1186, 28. April 2022

Das Bezirksamt Neukölln hat kurzfristig mehrere Straßenfeste organisiert, um die geplante Route der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration zu blockieren. Die Veranstaltungen des Bezirks sind nicht in der Bevölkerung Neuköllns verankert. Sie wurden an der BVV vorbei, maßgeblich von Bezirksbürgermeister Martin Hikel organisiert. Sie behindern eine traditionsreiche, große und politisch vielfältige Demonstration und schränken damit das Versammlungsrecht ein.

Auf der Sonnenallee soll um 19 Uhr ein öffentliches Fastenbrechen stattfinden. Von Martin Hikel heißt es dazu: „Die Idee wird mit Organisationen unserer muslimischen Bevölkerung gemeinsam vorbereitet und umgesetzt und erfährt großen Zuspruch.“ Tatsächlich wurden muslimische Communities an der Sonnenallee nicht einbezogen, sondern erst nach vollendeter Planung informiert. Stattdessen organisiert der Bezirk die Veranstaltung zusammen mit dem Deutsch-Arabischen Zentrum, welches nicht muslimisch, sondern ein Projekt des Evangelischen Jugend und Fürsorgewerks (EJF) ist. Der Leiter dieses Zentrums, Nader Khalil, kandidierte in Neukölln für die CDU im Bundestag.

Die Bündnissprecherin der Demonstration, Aicha Jamal nimmt Stellung: „Es ist ein Skandal und eine Unverschämtheit, wie von staatlichen Behörden das Fastenbrechen instrumentalisiert wird und unsere Demonstration dadurch eingeschränkt wird. Es ist lächerlich, dass ausgerechnet Martin Hikel, der mit seiner Politik der Razzien gegen migrantisches Gewerbe für Rassismus und Stigmatisierung von Migrant:innen verantwortlich ist, sich am 1. Mai als weltoffen und tolerant inszenieren will. Die tatsächliche Ignoranz gegenüber muslimischen Communities auf der Sonnenallee und dass es sich bei der Veranstaltung ausschließlich um einen Versuch handelt, die Durchführung der Demonstration zu behindern, zeigen sich ebenfalls daran, dass das Fastenbrechen bereits um 19 Uhr und nicht zum Sonnenuntergang um 20:33 Uhr angesetzt worden ist.“

Eine weitere Veranstaltung vom Bezirk ist der Flohmarkt und das Konzert am Hermannplatz, welches vom Verein Spotlight organisiert wird. Laut Hikel werden: „(…) sich Neuköllner Akteure der Öffentlichkeit präsentieren, die seit Jahren mit Herzblut und Kraft dem Personenkreis zur Seite stehen, der seine Heimat wegen Krieg und Verfolgung verlassen musste.“ Spotlight ist Partner von Immobilienunternehmen wie Signa und Ziegert. Dazu Bündnissprecher Martin Suchanek: „René Benko ist nicht nur ein milliardenschwerer Immobilienmogul mit Verbindungen in extrem rechte Kreise, ihm gehört auch die Signa Firma, die sich mit Herzblut für die Verdrängung armer Bevölkerungsteile aus Neukölln einsetzt. Sie planen Luxusbauten am Hermannplatz, gegen die verschiedene Initiativen in Neukölln seit langem protestieren. Dass diese Akteure jetzt auch noch für eine Behinderung unserer Demo-Route instrumentalisiert werden, ist perfide und undemokratisch, da durch derartige Veranstaltungen unser Recht auf Versammlung beschnitten werden soll.“

Christian Berg, der Pressesprecher des Bezirksamts diffamierte die letztjährige Revolutionäre 1.-Mai-Demo öffentlich. Durch seine Äußerungen legitimierte er die gewaltsame und undemokratische Auflösung der Demonstration durch die Polizei. In diesem Jahr soll ebenfalls ein Straßenfest dazu dienen, den politischen Protest in Neukölln zu verhindern. Besonders provokant ist seine Aussage, dass „mit den Veranstaltungen am 1. Mai gezeigt werden soll, dass Neukölln gerade kein Ort für Gewalt und Antisemitismus ist.“

Dazu Aicha Jamal: „Das beste Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus war die Spitze der letztjährigen Revolutionären 1.-Mai-Demonstration, in der palästinensische und jüdische Aktivist:innen Seite an Seite gegen Diskriminierung und Unterdrückung protestierten. Es waren im Besonderen diese Aktivist:innen, die von Polizeigewalt betroffen waren. Herrn Bergs Verleumdung der Demonstration und seiner Rechtfertigung der letztjährigen Polizeigewalt ist zynisch. Es ist auch der Versuch progressive Jüd:innen und Palästinenser:innen in Berlin mundtot zu machen.“

Das Bündnis verweist in diesem Sinne auf die »Jerusalem Declaration on Antisemitism«. Die aufrufenden Organisationen kämpfen entschieden gegen Antisemitismus. Allerdings lehnen wir die in Deutschland als Staatsräson verstandene bedingungslose Solidarität mit dem israelischen Apartheidsregime ab. Wir stellen dem die Forderung nach gleichen und vollen demokratischen und sozialen Rechten aller Menschen entgegen.

Die Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration wird von Polizei und Bezirk eingeschränkt. Auch in vielen Medien findet schon im Vorfeld eine Diffamierung der Demonstration statt, indem Demonstrant:innen als Gewalttäter:innen dargestellt und die Artikel nahezu ausschließlich mit der immer gleichen brennenden Mülltonne bebildert werden. Dazu Sprecherin Aicha Jamal: „Im vergangenen Jahr ging die Gewalt am 1. Mai von der Berliner Polizei aus, die unsere Demonstration brutal angegriffen und aufgelöst hat. Ähnliches ist auch in diesem Jahr zu befürchten; es werden für Sonntag über 5000 gewaltbereite Polizist:innen in der Stadt zusammengezogen, um gemeinsam mit dem Bezirksamt einen als Straßenfest getarnten Polizeikessel aufzubauen. Wir sehen insbesondere in der Verlegung der Route durch kleinere Straßen, wie beispielsweise die Weserstraße, die Gefahr, dass die Polizei die Demonstration an dieser Stelle – vorsätzlicherweise – angreifen und auflösen könnte.“

Martin Suchanek ergänzt: „In den letzten beiden Jahren haben wir die Demonstration angemeldet und mussten die Erfahrung machen, dass unsere Versammlung in 2021 von der Polizei unter dem Vorwand der Corona-Maßnahmen angegriffen wurde, und dass dieses Jahr schon im Vorfeld in unsere Route eingegriffen wird. Inwieweit unter diesen Umständen eine Anmeldung der Demonstration im kommenden Jahr noch sinnvoll ist, müssen wir diskutieren. Unser Ziel in diesem Jahr ist es, gemeinsam vom Hertzbergplatz zum Oranienplatz zu ziehen. Wir werden uns nicht spalten lassen.“

Die Revolutionäre 1. Mai-Demonstration wird von einem breiten Bündnis getragen, an dem sich zahlreiche internationalistische Initiativen und Gruppen beteiligen. Auf der Auftaktkundgebung ab 16:30 Uhr am Hertzbergplatz wird unter anderem die Revolutionäre Vereinigung der Frauen Afghanistans (RAWA) sprechen. Außerdem wird Duygu Kaya, eine Beschäftigte des Lieferdienstes Gorillas, die aufgrund von Streiks gekündigt wurde, eine Rede halten.

Bündnis Revolutionärer 1. Mai Berlin, 28. April 2022




Neues und Altbekanntes: Was bleibt vom revolutionären 1. Mai(-Bündnis) in Frankfurt/Main?

Richard Vries, Infomail 1152, 29. Mai 2021

Vieles verändert sich in den Jahren der Corona-Krise. Und doch bleibt es bei ganz Grundsätzlichem. Etwa, wenn der DGB in der Mainmetropole am 1. Mai ‘21 zur Demo mit abschließender Kundgebung aufruft und dabei seine FunktionärInnen in Einklang mit SPD-Oberbürgermeister Feldmann die Solidarität und Einheit der Gesellschaft fordern, obwohl die Bosse und KapitalistInnen von so was schon lang nichts mehr wissen wollen. Sie lassen uns die Krise zahlen. Immerhin ging der Frankfurter DGB überhaupt auf die Straße. 4.000 AktivistInnen und GewerkschafterInnen folgten dem Aufruf. Das zumindest ist ein Fortschritt zu ausgebliebenen 1. Mai-Gewerkschaftsaktionen des letzten Jahres.

Doch betrachten wir den diesjährigen Aufzug von der Hauptwache zum Opernplatz genauer. Den kleineren Teil an der Spitze der Demo stellten Mitgliedergewerkschaften des DGB wie z. B. die IG Metall, den absoluten Großteil der Demo aber Gruppen und AktivistInnen der radikalen Linken sowie migrantischer ArbeiterInnenorganisationen. Ohne ihr Erscheinen bliebe von der Demo nicht viel mehr als eine Versammlung von FunktionärInnen und Apparatschiks übrig. Die offiziellen Reden dieser hörten sich dann auch an, als seien es Regierungserklärungen. Im Namen deutscher Standortpolitik wird nimmer endend die nationale Einheit beschworen, wenn nicht direkt, so doch um so deutlicher zwischen den Zeilen. Und so passt der Frankfurter 1. Mai dann auch gut ins Gesamtbild des DGB in der Krise. Kein Aufruf zum Kampf gegen Arbeitsplatzstreichung, für bessere Bedingungen in Krankenhäusern, für deutlich höhere Löhne und schon gar keine Streiks oder gar Betriebsbesetzungen gegen das Abwälzen der Krisenkosten auf Lohnabhängige oder für einen Lockdown in der Produktion mit drei Wochen bezahltem Urlaub. Kapitulation total, dem Kapital stets loyal, mit verräterischen Grüßen, ihre DGB-Führung.

Der revolutionäre 1. Mai (und die Polizei)

Neu war am diesjährigen Ersten Mai am Main, dass ein Bündnis linker Gruppen für einen „Revolutionären 1. Mai Frankfurt“, zum „Tag der Arbeiter:innen. Tag unserer Klasse. Tag der Wut.“ aufrief – als bewusster Alternative zur beschriebenen DGB-Demo. Und so versammelten sich dann am Abend erneut an die 4.000 auf dem Opernplatz, begleitet von einem Polizeigroßaufgebot.

Die Stimmung war entsprechend eine ganz andere als am Vormittag, wie auch die Gesichter zu einem guten Teil andere waren. Kräfte der radikalen Linken, viel mehr Jugendliche und Menschen, die sich vom DGB nicht in der Krise unterstützt sehen, anstelle von Apparat und Bürokratie.

Drei Blöcke – der des Ersten-Mai-Bündnisses an der Spitze, gefolgt von den Blöcken von „Wer hat, der gibt“ (Enteignungsblock) und des F*streikbündnisses (FLINTA-Block) setzten sich in Bewegung, liefen am Hauptbahnhof vorbei ins Gallus, die Mainzer Landstraße stadtauswärts, die Frankenallee wieder stadteinwärts, begleitet von mehreren Drangsalierungen und Angriffen der Cops. Kurz vor dem Bahnhof Galluswarte war dann Schluss. Die Polizei griff die Demo massiv an und löste sie auf. Ergebnis: viele Festnahmen und schwerste Verletzungen wie Platzwunden und gebrochene Knochen, darunter Schädelbasisbrüche. Begleitet und legitimiert wurde die Polizeigewalt dann von Medien wie der FAZ oder der Bild, die die diffamierende Darstellung der Polizei übernahmen. Staat und bürgerliche Medien lieferten am neuen revolutionären Frankfurter Ersten Mai in diesem Sinne also Altbekanntes. Zu keinem Zeitpunkt ging ein Angriff auf die Polizei von der Demo aus. Erst als diese mit Schlagstöcken brutal reinging, versuchten TeilnehmerInnen der Demo, dies abzuwehren und zurückzuschlagen. Dass der Angriff just dann erfolgte, als Pyrotechnik eingesetzt wurde, ist freilich nur ein bequemer Vorwand für die Staatsmacht. Letztlich ging es darum, die Bilder zu liefern, die eine revolutionäre Alternative zur bestehenden Regierungs- (und DGB-Politik) delegitimieren und in der Öffentlichkeit von antikapitalistischen Inhalten ablenken.

Bilanz und Bündnis

Angesichts der Krise und des Stillhaltens des DGB war das Abhalten einer revolutionären Abenddemo in Frankfurt politisch richtig. Es ist der Grund, warum wir uns an der Bündnisarbeit beteiligten – trotz aller Schwächen des Bündnisses. Darauf und die aktuellen Entwicklungen werden wir weiter unten eingehen.

Aber zuvorderst ist zu bilanzieren, dass in Frankfurt, in einer Stadt mit vielen Verwerfungen in der radikalen Linken, eine Demo mit revolutionärem Anspruch 4.000 ArbeiterInnen, Jugendliche und gesellschaftlich besonders Unterdrückte wie FLINTA-Menschen oder von Rassismus Betroffene aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet mobilisieren konnte. Dies stellt einen großen Erfolg dar und ist Ausdruck eines wachsenden Bedürfnisses nach fortschrittlichen Antworten auf die Krise, die jenseits der Regierungspolitik oder dem Irrationalismus der CoronaleugnerInnen liegt. Völlig richtig war z. B. die skandierte Parole „Lockdown für die Produktion – Betriebe dicht bei vollem Lohn“. Ebenso war es richtig, dass sich die Demo nicht an der Gewaltfrage, schon gar nicht im Zusammenhang von Pyro, spalten ließ. Natürlich lief bei dieser nicht alles perfekt, auch hätte sie lauter und gleichzeitig ihre Spitze offener wirken können. Das Bündnis hat über vielerlei die Demo Betreffendes reflektiert und versuchte, Selbstkritik zu üben. Positiv ist auch, dass in der Nachbereitung von Verletzungen und Repression Betroffene nicht im Stich gelassen werden.

Wir wollen nun auf zwei Aspekte bezüglich des Bündnisses eingehen. Der erste Kritikpunkt betrifft den Aufruf. Dieser glich einem bunten Sammelsurium von Dingen, die derzeit mies laufen, wie z. B. dass die Autoindustrie Milliardengewinne gemacht hat und für Pflege das Geld fehlt. Das ist an sich natürlich richtig. Problematisch ist unserer Ansicht nach zweierlei, nämlich, dass diesen eine Oben-vs.-Unten-Rhetorik auszeichnete, die auch einen leicht populistischen Beigeschmack hatte, was durch eine fehlende konkrete Perspektive ergänzt wurde. Besser wäre es gewesen, sich auf einige wenige konkretere Forderungen zu einigen, wie z. B. die entschädigungslose Enteignung von Immobilienkonzernen, Verkehrsindustrien und Krankenhäusern oder auch die internationale Freigabe von Impfpatenten usw. Und ja, wir wissen, dass wir mit in dem Bündnis waren und somit auch unter dem Aufruf standen. Letzteres gefällt uns weniger, aber wir erachteten es als sinnvoll, die Debatte im Bündnis weiter zu begleiten und somit darin zu verbleiben – und natürlich auch Kritik zu üben, was die Selbstkritik inkludiert. Überhaupt liegt die Leistung des Bündnisses weniger in seinem Aufruf, sondern vielmehr darin, dass es eine geeinte Aktion organisierte und trotzdem die Diskussion und Debatte suchte (in der hiesigen Linken ist dies keine Selbstverständlichkeit) und austrug – jedenfalls im Vorfeld des Ersten Mai, aber auch auf dem Auswertungstreffen danach.

Von angeblichen Fahnenverboten, …

Eine jener, bisweilen hart geführten Debatten drehte sich um das Verbot von Partei- und Nationalfahnen auf der Demo. Die Überschrift dieses Artikels kündigte ja bereits von Altbekanntem – in diesem Fall Debatten in der deutschen Linken.

Die Position für das erlaubte Tragen von Parteifahnen, ein Element der Propagandafreiheit, konnten wir leider nicht durchsetzen. Problematisch bei jenem Verbot ist, dass es nicht nur als Partei organisierte Kräfte der radikaleren Linken ausschließt, sondern auch Mitglieder großer reformistischer Massenparteien wie Linke oder SPD. Natürlich betreiben Letztere kapitalistische Politik in Landes- oder Bundesregierungen, setzten soziale Angriffe durch. Aber wir werden ihre einfache Mitgliedschaft nicht von diesen Parteien gewinnen, wenn wir ihnen von vornherein verbieten, sich unserer Demo anzuschließen und ihre Fahne zu zeigen. Und klar, eine AfD-Fahne hätte keinen Platz in unseren Reihen, aber damit, dass offen bürgerliche Parteien bei der revolutionären Maidemo auftauchen, ging im Bündnis ja ohnedies keine/r aus.

Anders verhielt es sich in der Debatte zum Nationalfahnenverbot – genauer gesagt jener Kurdistans und Palästinas. Während die kurdische Flagge unstrittig erlaubt war, gab es eine verschärfte Diskussion zur palästinensischen Fahne, auch wenn dies von vorneherein keinen logischen Sinn ergibt. Beides sind vom Imperialismus und lokalen Staaten unterdrückte Nationalitäten. Somit sollte das Zeigen beider Fahnen als solidarisches Zeichen mit ihrem Kampf kein Thema sein. Doch weit gefehlt, denn keine deutsche Linke ohne jene antideutsche Infragestellung internationaler Solidarität mit Palästina. Hauptverantwortlich dafür war die Linke Liste. Es ist die Ironie der Geschichte, dass sich die Unterdrückung durch den israelischen Staat keine zwei Wochen nach dem Frankfurter Ersten Mai wieder allzu deutlich zeigte.

Letztlich setzten die internationalistischen Kräfte des Bündnisses den politisch leicht angefaulten – immerhin – Kompromiss durch, dass Nationalfahnen zwar nicht erwünscht, aber auch nicht verboten seien und der Frontblock nur aus roten Fahnen bestehen solle. Aber: Es gab definitiv kein Verbot von Palästina-Fahnen.

 … sektiererischen Angriffen …

Nun kommt eine Kraft ins Spiel, die nicht im Bündnis war, aber auf der Demo: FreePalestineFFM, seines Zeichens verbunden mit der Kommunistischen Organisation und Aitak Barani. Diese stellten uns in sozialen Medien die Frage, ob wir dahin gewirkt hätten, die Linke Liste aufgrund ihrer antideutschen Gesinnung aus dem Bündnis zu drängen als Auswirkung dessen, dass sie in der einige Jahre zurückliegenden Vergangenheit einen Palästina-Solistand an der Uni angegriffen hat. Damit konfrontiert brachte die Linke Liste im Bündnis vor, dass jene, die dies taten, nicht mehr in der Liste seien und sie selbst, die im Bündnis für die Linke Liste anwesend waren, dies nicht tun würden. Eine eindeutige Distanzierung sieht anders aus. Aber da es bei der Demo im Kern um den Ersten Mai und nicht um eine Palästinasolidarität ging, war dies für uns auch kein Grund, das Bündnis zu verlassen oder auf einen Rausschmiss der Linken Liste hin zu eskalieren.

Auf der Demo selbst war FreePalestineFFM dann auch anwesend, mit Palästinafahnen – finden wir gut. Die Ironie dabei ist, dass sie, anstatt es den internationalistischen Kräften im Bündnis zu danken, dass sie überhaupt so auftreten konnten, da andere und wir dafür sorgten, dass Palästinafahnen eben erlaubt waren, sie weiter Vorwürfe und Angriffe gegen eben jene Kräfte erhoben, schlicht weil wir im Bündnis die Debatte führten, die eine internationalistische Position vorantreibt. Eine Debatte, der FreePalestineFFM wie KO sektiererisch ausweichen, womit sie antideutschen Kräften von vorneherein das Feld in der Linken überlassen und somit dem palästinensischen Befreiungskampf in hiesigen Gefilden mehr schaden denn nutzen, ganz davon abgesehen, dass sie es sich mit internationalistischen Kräften verderben und selbige spalten.

 … und angeblichen Vetorechten

Ein Vorwurf, der weiterhin erhoben wurde, ist, dass Menschen mit Palästinafahnen auf der Demo angegriffen wurden. Als dies auf dem Auswertungstreffen auf den Tisch kam und neben uns andere InternationalistInnen wie Young Struggle einforderten, dies – so es denn geschah – in einem Statement als Verstoß gegen den Demokonsens zu brandmarken, blockierte die Linke Liste mit einem Veto und Verzögerungen wie z. B. der Forderung, zunächst eine letztlich umfassende Klärung des Imperialismusbegriff vorauszusetzen.

Das Veto selbst hat unserer Ansicht nach keine Gültigkeit, da sich das Bündnis unserer Ansicht nach nie für die Gestattung undemokratischer Vetorechte entschieden hatte, das Gegenteil wurde uns nicht belegt. Zudem schickte sich mit der Linken Liste eine Gruppe eher gesellschaftlich Privilegierter an, mit Vetos zu hantieren, was die Sache gewiss nicht richtiger macht. Es bleibt ein blockierendes und sabotierendes Unding, dieses Verhalten der Linken Liste, die sich nach dem Ersten Mai den Beschluss zu Palästinafahnen malt, wie es ihr gefällt, und beraubt das revolutionäre Erste-Mai-Bündnis so jeglicher Glaubwürdigkeit und Verbindlichkeit. Wir haben daher das Bündnis aufgefordert, die Linke Liste von weiterer Zusammenarbeit auszuschließen.

Fazit

Der erste Revolutionäre Erste Mai in Frankfurt am Main war ein Mobilisierungs- und als Alternative zum DGB-Stillhalten auch ein großer politischer Erfolg. Doch am Rande dessen begegnete uns allerlei Altbekanntes der deutschen Linken – von antideutschen Manövern hin zu sektiererischen Angriffen. Was wir mitnehmen ist, dass uns der Boden für eine weitere Diskussion mit den Kräften, die nicht unter diese Muster fallen, fruchtbar erscheint. Wir würden uns freuen, die begonnene Debatte mit Euch fortzuführen!




Der Erste Mai 2021: Die klassenkämpferische und revolutionäre Linke muss ihre Chance ergreifen!

Martin Suchanek, Infomail 1148, 4. Mai 2021

Der Erste Mai 2021 könnte der Auftakt zu einem Game Changer für die radikale, klassenpolitische, migrantische und internationalistische Linke in Deutschland werden. In vielen Städten schlossen sich Tausende klassenkämpferischen und revolutionären Demonstrationen und Blöcken bei den Gewerkschaftsdemos an. Noch weit mehr beteiligten sich an Kundgebungen, Fahrradkorsos und anderen vielfältigen Aktionen gegen Mietwucher und Umweltzerstörung. Den bundesweiten Höhepunkt des Tages bildete zweifellos die Berliner revolutionäre Erster-Mai-Demonstration mit 25.000 TeilnehmerInnen.

Trotz Einschüchterungen und medialer Hetze, trotz Provokationen und brutaler Angriffe, trotz einer geplanten und gezielten gewaltsamen Auflösung der Demonstration durch die Polizei stellt sie einen politischen Erfolg nicht nur des Bündnisses, sondern für die gesamte radikale, klassenkämpferische und internationalistische Linke dar.

1. Breite Mobilisierung

Erstens mobilisierte die Demonstration gut 25.000 Menschen, die dem Ruf nach Einheit im Kampf gefolgt sind. Die Rednerinnen und Redner sowie Sprechchöre brachten immer wieder eines zum Ausdruck: Ob im Krankenhaus oder in der Autofabrik, ob in der Geflüchtetenunterkunft oder im Jobcenter, ob in der Schule oder im Haushalt, überall stehen wir Lohnabhängige, unabhängig von Nationalität, Alter, Geschlecht und sexueller Orientierung vor denselben Problemen. Wir sollen für die Kosten von Krise und Pandemie zahlen!

Die Aufhebung des Mietendeckels durch das Bundesverfassungsgericht mobilisierte viele weitere Menschen. Angesichts dieses Skandalurteils drohen 1,5 Millionen Berlinerinnen und Berlinern Mieterhöhungen, Nachzahlungen oder Räumungen.

Auf den Straßen Berlins und auch in vielen anderen Städten formierte sich praktisch die Einheit von migrantischen ArbeiterInnen, von prekär Beschäftigten aus den Lieferdiensten, von KrankenpflegerInnen und MieterInnen, von SchülerInnen und Studierenden.

Der Revolutionäre Erste Mai in Berlin stellt dabei natürlich kein singuläres Ereignis dar. Schon in den letzten Monaten häuften sich Massendemonstration nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Städten. Auch revolutionäre Erster-Mai-Mobilisierungen wie in Frankfurt/Main zogen Tausende Menschen an. Die Berliner Demonstration bündelte sichtbarer, größer und deutlicher eine Wut und eine Veränderung der Stimmung und teilweise auch des Bewusstseins unter breiteren Schichten der ArbeiterInnenklasse und der sozial Unterdrückten.

2. Antikapitalismus und Internationalismus

Die Demonstration zog diese Vielfalt, die im Grunde die Vielschichtigkeit der ArbeiterInnenklasse selbst widerspiegelt, an, weil sie inhaltlich radikal war. Revolutionäre Parolen, Kritik am Kapitalismus, die Forderungen nach Enteignung von Immobilienhaien wie Deutsche Wohnen, der KrisengewinnerInnen in der Exportindustrie, der Pharmakonzerne und privater Krankenhäuser stellten kein Hindernis für die Mobilisierung dar, sondern stärkten diese. Die Forderungen der am stärksten ausgebeuteten migrantischen ArbeiterInnen, von geschlechtlich und sexuell Unterdrückten, der marginalisierten Teile der Lohnabhängigen und der Jugend stellen ganz um Gegensatz zur populistischen und chauvinistischen Vorstellungswelt einer Sahra Wagenknecht keine „Marotten“ oder Hindernisse für die Einheit der Klasse dar, sondern bilden vielmehr einen integralen und unverzichtbaren Bestandteil des Befreiungskampfes der ArbeiterInnenklasse selbst.

Das Verbindende bildet eben die Kritik am Kapitalismus als globalem, umfassenden System, das revolutionär überwunden werden muss. Diese Kritik wurde natürlich am Ersten Mai nicht neu erfunden, aber die Verhältnisse selbst drängen immer mehr Menschen genau in diese Richtung.

Die riesige revolutionäre Erster-Mai-Demonstration in Berlin, aber auch die vielen gut besuchten klassenkämpferischen und revolutionären Demonstrationen oder Kundgebungen verdeutlichen dieses Potential.

Es handelt sich dabei zwar noch um eine Minderheit unserer Klasse, aber zugleich um eine wachsende, dynamische Strömung, die es zu einer Einheit in der Aktion, im Kampf gegen Pandemie und Krise, gegen Rassismus und Imperialismus zusammenzuführen gilt. Diese Menschen können die gesellschaftliche Basis für eine breite, schlagkräftige Massenbewegung gegen die Krise in ihren vielfältigen Ausformungen werden.

3. Breites Bündnis

Auf den Straßen Berlins formierten sich Wut und Widerstand in einem breiten Bündnis, das der migrantisch-internationalistische Block anführte. Dahinter folgten der Enteignungsblock, den Gruppe ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION mit organisierten, der klassenkämpferische Block und jener der Interkiezionale.

Die Mobilisierung von 25.000 Menschen spiegelt auch die Breite eines Bündnisses wider, das im Grunde alle Strömungen der radikalen Linken Berlins, also aller links von Linkspartei und Gewerkschaftsapparaten umfasste. Diese Einheit und dieser Erfolg stellen keine Selbstverständlichkeit dar. Dass sie zustande kamen, ist ein Verdienst aller beteiligten Gruppierungen. Besondere Anerkennung verdienen dabei aber die GenossInnen von Migrantifa Berlin, ohne deren Initiative und Wirken die Demonstration nicht so groß und stark gewesen wäre.

Zweifellos haben wir im Bündnis auch Fehler gemacht. Aber, wer erfolgreich so viele Menschen trotz der Gegnerschaft von Kapital, Senat, Abgeordnetenhaus und Polizei auf die Straße bringt, muss auch einiges richtig gemacht haben und dies gilt es fortzusetzen und zu verallgemeinern.

Ein wichtiger Faktor für die Solidarität unter den beteiligten Gruppen stellte erstens der Konsens dar, dass wir die lohnabhängige Bevölkerung, insbesondere die migrantischen ArbeiterInnen mit unserer Mobilisierung erreichen und gewinnen wollen. Zweitens die Solidarität gegen jede Provokation und Spaltungsversuche von Seiten der Polizei, der bürgerlichen Politik und Medien, gegen Verleumdungsversuche aller Art. Diese Solidarität müssen wir unbedingt beibehalten.

Die Einheit in der Aktion und die Breite des Bündnisses müssen und wollen wir über den 1. Mai hinaus praktisch fortsetzen und auch in anderen Städten verbreitern. Das beinhaltet einerseits eine Schwerpunktsetzung auf gemeinsame Aktivitäten und klare Forderungen zu politischen und sozialen Kernproblemen unserer Klasse. Andererseits müssen wir auch eine engere Zusammenarbeit mit bestehenden Initiativen und Kämpfen insbesondere auf gewerkschaftlicher und betrieblicher Ebene herbeiführen. Dass es auch hier Bewegung und viele Überschneidungen der teilnehmenden Gruppierungen und Demonstrierenden gibt, wurde z. B. in Berlin bei der Demonstration „Nicht auf unserem Rücken – Gewerkschaften und Lohnabhängige in die Offensive!“ ebenso sichtbar wie bei „Von der Krise zur Enteignung!“ oder auch bei MyGruni deutlich.

Um diese Einheit auf der Straße, im Betrieb, im Stadtteil weiterzuführen oder überhaupt erst zu schaffen, brauchen wir in Berlin, aber auch in vielen anderen Städten eine Diskussion über die Grundlagen einer Antikrisenbewegung, ihre Forderungen, ihren Aktionsplan. Dazu schlagen wir eine Diskussion in verschiedenen Bündnissen oder gewerkschaftsoppositionellen Strukturen wie der VKG, in Kampagnen wie #ZeroCovid und die Durchführung eine bundesweiten Aktionskonferenz vor.

4. Politischer Gradmesser

Die Haltung zur Berliner Erster-Mai-Demonstration bildet auch einen Gradmesser dafür, wo welche politische Kraft steht.

Dass die Berliner Polizei von Beginn an plante, die Demonstration anzugreifen, zu spalten und aufzulösen, wird mit jedem Tag klarer. Unter dem Vorwand des Infektionsschutzgesetzes trotz Masken aller Teilnehmenden und trotz des Bemühens der OrdnerInnen, Abstände einzuhalten, erzeugte die Polizei selbst jene Lage, die sie angeblich zu verhindern suchte. In einem Interview in der Berliner Abendschau rechtfertigte der Berliner-SPD-Innensenator Geisel nicht nur den Einsatz und die Gewaltexzesse der Polizei. Er selbst verteidigte den Zeitpunkt des Angriffs auf die Demonstration auch damit, dass polizeilich Aktionen bei Tageslicht leichter durchzuführen wären als bei Dunkelheit. Dann wäre – von wegen Infektionsschutz – die „taktische Herausforderung“ noch größer gewesen.

Für CDU, FDP und auch AfD war selbst das brutale Vorgehen der Polizei nicht genug und sie kritisieren Geisel von rechts, fordern noch mehr Bullen und noch repressiveres Vorgehen gegen DemonstrantInnen – QuerdenkerInnen und Corona-LeugnerInnen natürlich, vor allem von der AfD, ausgenommen. Dabei zeigten Parties von Corona-LeugnerInnen am 1. Mai einmal mehr, dass die Bullen – ähnlich wie bei den QuerdenkerInnen in Kassel und Stuttgart – keinen Finger rühren, wenn es darum geht, das Infektionsschutzgesetz gegen die Rechten durchzusetzen. Der Chef der Berliner Abgeordnetenhausfraktion der CDU, Burkard Dregger, will gar einen „Kuschelkurs mit der linken Szene“ beim Senat ausmachen.

Das – nicht die brutale Einschränkung demokratischer Rechte – empört die SPD-Oberen wie Innensenator Geisel und Bürgermeister Müller. Dabei werden die Mini-Noskes aus der Sozialdemokratie nicht müde, sich hinter „ihre“ Polizei zu stellen und jede Schweinerei zu rechtfertigen. Doch Undank ist bekanntlich der herrschende Klasse und der „echten“ Konservativen und Liberalen Lohn.

Der innenpolitische Sprecher der Berliner Grünen, Benedikt Lux, steht voll auf Geisel-Linie. Die Spitzenkandidatin der Partei, Annalena Baerbock, stimmt in den Chor der ScharfmacherInnen ein und diffamiert die Demonstration gar als „kriminell“.

Niklas Schrader von der Linkspartei kritisiert das Verhalten der Polizei als taktisch „nicht gelungen“ und zeigt damit, aus welcher Perspektive aus er die Sache beurteilt – nämlich nicht von Seiten der DemostrantInnen, sondern der Regierung, die den Polizeieinsatz mitzuverantworten hat. Schließlich sind die SenatorInnenposten der Linkspartei allemal wichtiger als 25.000 Menschen, die von einer Polizei angegriffen werden, die zumindest auf dem Papier ihrer Koalition untersteht. Dieses Rumlavieren der Linkspartei zeigt mal wieder, dass der Kurs der Partei, sich als Freundin der sozialen Bewegungen zu präsentieren aber gleichzeitig mitregieren zu wollen, in Momenten der Krise nicht funktioniert.

Im Windschatten der großen Politik und der bürgerlichen Medien kochen schließlich auch sog. Antideutsche wie die Zeitung Jungle World und andere ihr rassistisches Süppchen.

Diese „Linken“ bewiesen damit erneut, dass sie nicht auf der Seite der Protestierenden stehen, sondern auf der von Regierung und Polizei. Alle gemeinsam blasen sie ins selbe Horn und unterstellen der Demonstration Antisemitismus, weil sie sich mit dem palästinensischen Widerstand und der antizionistischen Linken in Israel solidarisierte. Die Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus wird bekanntlich durch ständige Wiederholung nicht weniger falsch und reaktionär und führt nur dazu, den deutschen Imperialismus von „links“ zu flankieren.

Die Haltung zur revolutionären Erster-Mai-Demonstration zeigt freilich, wo welche politische Kraft steht. Die skandalöse Haltung der Spitzen der Grünen und der SPD sollte uns ebenso wenig wundern wie das halbherzige Rumeiern der Linkspartei, die letztlich ebenfalls, wenn auch „kritisch“ hinter dem Polizeieinsatz steht.

Wo bleibt der DGB?

Wie schon 2020 verlagerte der DGB seine „Aktionen“ vor allem ins Internet. Auch wenn in etlichen Städten Demonstrationen oder Kundgebungen stattfanden, so trugen sie zum Teil reinen Alibicharakter oder wurden von linkeren Gruppierungen und vielen migrantischen Organisationen zahlenmäßig dominiert. Die hohe Präsenz dieser Strömungen stellt ein positives Zeichen dar.

Die Haltung der Gewerkschaftsführungen hingegen kommt einem weiteren politischen Skandal gleich, wenn auch keinem verwunderlichen. Die Tarifrunden und Auseinandersetzungen wurden von der Bürokratie vor allem befriedet und ausverkauft. Klar, bei dieser Bilanz ist auch am Ersten Mai wenig zu erwarten. Die Pandemie bot so sicher Gewerkschaftsvorständen und Apparat einen Vorwand, erst gar nicht zu versuchen, die Masse der ArbeiterInnen zu mobilisieren. Zieht man die linken und migrantischen Organisationen ab, so stellen viele DGB-Kundgebungen am 1. Mai ein Funktionärstreffen unter freiem Himmel dar, bei denen staatstragende Reden gehalten werden und die GewerkschaftsfunktionärInnen kaum von den Spitzen aus SPD, Grünen oder selbst CDU, die als GastrednerInnen eingeladen wurden, unterscheidbar sind.

Das Fazit gestaltet sich also sehr einfach. Von den Gewerkschaftsführungen und ihrem bürokratischen Apparat ist eine Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse, ein Kampf gegen Kapital und Regierung in den kommenden Monaten nicht zu erwarten. Ebensowenig von den Spitzen der SPD, die bis zum Ende der Großen Koalition die Treue hält und im Wahlkampf vielleicht so tun wird, als wäre sie nicht dabei gewesen. Und die Führung der Linkspartei versucht die Quadratur des Kreises – nicht nur am Ersten Mai. Einerseits hängt sie in den Landesregierungen in Berlin, Thüringen und Bremen fest, betreibt dort bürgerliche Politik und garniert sie mit etwas gebremstem Sozialschaum. Andererseits will sie sich im Bund als Opposition zur kommenden Regierung präsentieren, da eine grün-rot-rote Koalition auf Bundesebene aufgrund der Haltung der Grünen, aber auch der SPD wohl ausgeschlossen ist.

Aufgaben der revolutionären und klassenkämpferischen Linken

Für RevolutionärInnen und für die klassenkämpferische Linke, die am Ersten Mai sichtbar wurde, stellen die Passivität der Gewerkschaftsführungen, die bürgerliche Politik von SPD und Linkspartei eine Chance, aber auch eine politische Herausforderung dar.

Die Chance besteht darin, dass die Passivität der Apparate Menschen nicht automatisch zu kleinbürgerlich-reaktionären Kräften wie den Corona-LeugnerInnen treibt, sondern auch ein politisches Vakuum auf der Linke schafft, Raum für eine Bewegung und Mobilisierung, die Lohnabhängige und Unterdrückte anziehen und zu einer politischen und gesellschaftlichen Kraft formieren können. Dass z. B. etliche Menschen an den linksradikalen, klassenkämpferischen und revolutionären Demonstrationen am 1. Mai teilnahmen, die bisher unorganisiert waren und sind, verdeutlicht das.

Umgekehrt stellt die Blockade durch die reformistischen und vor allem gewerkschaftlichen Apparate aber auch ein Problem dar. Vor allem die Kontrolle der Bürokratie über die organisierte ArbeiterInnenklasse in den Betrieben gerät zu einem effektiven Mittel, den Klassenfrieden in den Unternehmen zu sichern, die Menschen ruhigzustellen und diejenigen zu isolieren, die dagegen ankämpfen wollen.

Wenn die klassenkämpferische Minderheit, die am Ersten Mai sichtbar wurde, zu einer Massenkraft werden soll, die die Mehrheit unserer Klasse mobilisieren kann, muss sie einen Weg finden, diese Blockade zu überwinden. Dazu ist es nötig, Forderungen aufzustellen, um die Mitglieder, AnhängerInnen und WählerInnen der „linken“ Parteien zu mobilisieren und die der Gewerkschaften in die Aktion zu bringen. Das heißt, sie muss eine Politik der Einheitsfront gegenüber den Millionen Mitgliedern, WählerInnen und UnterstützerInnen dieser Organisationen verfolgen, die sich an die Basis, aber auch an die Führungen der reformistischen Organisationen richtet – nicht, weil wir in letztere politische Illusionen hätten, sondern weil wir die Hoffnungen und Illusionen ihrer Basis dem Test der Praxis unterziehen müssen. Da die objektive Lage den Spielraum für Kompromisse zwischen den Klassen einschränkt, vergrößert sich auch die Kluft zwischen Basis und Führung und damit auch die Möglichkeit für RevolutionärInnen, diese taktisch zu nutzen.

Dies erfordert nicht nur ein Verständnis von Einheitsfrontpolitik. Es erfordert auch, die strategische, politische und programmatische Schwäche der „radikalen“ Linken anzugehen, die mit großen Mobilisierungen noch längst nicht gelöst ist und allein aus diesen heraus auch nicht zu lösen sein wird.

Kurzum, es fehlt an einer Strategie in der Linken. Eine solche müsste nämlich von einem Verständnis der Totalität, der Gesamtheit der aktuellen Krise und Problemstellungen ausgehen. Politisch-programmatisch müsste sie dabei jedoch eine Methode verfolgen, die objektive Situation mit ihren aktuellen, konkreten Problemen und Ansätzen von Widerstand mit einer revolutionären Antwort darauf zu verbinden. Kurz sie braucht ein Aktionsprogramm, das der gegenwärtigen Lage entspricht. Die Aufgabe der antikapitalistischen und klassenkämpferischen Linken bestände darin, eine weiterführende Perspektive aufzuzeigen, die nicht nur die unmittelbare Not, sondern auch ihren wesentlichen Kern aufzeigt und Tageskämpfe mit dem für eine andere, sozialistische Gesellschaft strategisch vermittelt.

Was die Berliner Linke mit Blick auf den Ersten Mai geschafft hat, gilt es nun auf die nächste Ebene zu heben. Es braucht eine Aktionskonferenz, auf der die verschiedenen Programme und Strategien der radikalen Linken diskutiert und konkrete Aktionen geplant werden, um den Angriffen des Kapitals eine antikapitalistische und internationalistische Anti-Krisenbewegung entgegenzustellen.