Frauenbefreiung: Welche Organisation brauchen wir?

Anne Moll, Frauenzeitung Nr. 3, Arbeitermacht/REVOLUTION, März 2015

Frauen, die gegen Kapitalismus und Unterdrückung politisch aktiv sind, sind oft besonders sensibel für die besondere Unterdrückung von Frauen. Viele haben nicht nur einmal diese Mechanismen selbst zu spüren bekommen. So z.B. in der Familie, wo der Vater das letzte Wort hat – und dies „letzte Wort“ auch nicht selten körperlich zu spüren ist. Mädchen stehen oft unter dem „besonderen  Schutz“ ihrer Eltern. Sie müssen früher zu Hause sein oder dürfen erst gar nicht nach 20.00 Uhr aus dem Haus, im Unterschied zu Jungen. Ihre Freunde, besonders die des anderen Geschlechts, werden viel genauer überprüft und den Mädchen oft nahegelegt, sich nicht auf „falsche“ Freunde einzulassen.

So geht es weiter: in der Schule, in der Ausbildung, im Studium. Im Freizeitbereich und in der Lohnarbeit sind wir Frauen immer wieder mit Diskriminierung, Abwertung, Sexismus und männlicher Gewalt konfrontiert.

Frauen werden daher oft v.a. aus diesen Gründen politisch aktiv. Nicht mehr Opfer sein, sondern aktiver Teil im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft, in der eine Auseinandersetzung über Geschlechterunterschiede und der Kampf gegen die Abwertung von Frauen (gesellschaftlich verankerter Chauvinismus) mehr nötig sein werden.

Linke Organisationen

Leider verschwinden frauenunterdrückerische Strukturen nicht automatisch in linken Gruppen und Organisationen, selbst wenn sich diese der Emanzipation verpflichten. Und so kommt zu den alltäglichen Angriffen manchmal auch noch die Auseinandersetzung mit den eigenen männlichen Genossen hinzu. Dass auch in der ArbeiterInnenbewegung und linken Organisationen sexistisches und frauenfeindliches Verhalten oder Stereotype anzutreffen sind, ist an sich nicht verwunderlich, schließlich leben auch die „kritischsten“ oder „revolutionärsten“ Gruppierungen nicht außerhalb der Gesellschaft und die vorherrschenden Ideen dieser Gesellschaft haben auch auf sie einen Einfluss – v.a., wenn dieser nicht bewusst bekämpft wird.

Die Antworten auf diese Anfeindungen von Frauen, sexistisches oder diskriminierendes Verhalten sind vielfältig, führen aber oft auch zu einer Abwendung von den Strukturen der männlich dominierten Organisationen. Das ist ein wichtiger Grund, warum in den 80er Jahren die Frauenbewegung völlig unabhängig von Männern ihre eigenen Gruppen und Treffen organisierte. Aber anstatt sich das Ziel zu setzen, den Chauvinismus in den linken Organisationen zu überwinden, gab es eine Gesamtverurteilung aller Männer und eine Abwendung von Strukturen, die diesen Chauvinismus reproduzieren, hin zu einem „alle Männer sind frauenfeindlich“ und die einzige Lösung ist, sich von ihnen zu distanzieren.

Das führte vordergründig zu mehr Selbstbewusstsein ganzer Generationen von Frauen, und es wurden auch viele Fortschritte erkämpft. Bis heute ist die Enttabuisierung von Themen wie selbstbestimmte Sexualität, Gewalt in der Ehe und Abtreibung eine wesentliche Errungenschaft dieser Periode. Aber wir müssen auch sehen, dass sich die gesellschaftliche Realität insgesamt kaum geändert hat. Diskriminierung, Sexismus und Gewalt sind nach wie vor Alltag von Mädchen und Frauen. Die ökonomische Abhängigkeit hat sogar seit den Hartz-Gesetzen und der globalen Krise stark zugenommen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit und die Aufteilung der Reproduktionsarbeit auf beide Geschlechter liegen nach wie vor in weiter Ferne.

Frauenunterdrückung und Kapitalismus

Wir, das Frauenkollektiv der Gruppe Arbeitermacht, betrachten deshalb die struktuellen Unterdrückungsmechanismen der Gesellschaft als das zentrale Problem. Die tieferen Ursachen der Frauenunterdrückung liegen im Kapitalismus und früheren Klassengesellschaften. Im Kapitalismus können zwar durch den Druck des Klassenkampfes einzelne Verbesserungen erreicht werden, er wird aber niemals eine vollständige Gleichberechtigung der Geschlechter ermöglichen. Der Kapitalismus braucht die Spaltungen in der Gesellschaft zwingend, um sein System aufrecht zu erhalten. Wir könnten viele Beispiele nennen, in denen fortschrittliche Gesetze, Maßnahmen und struktuelle Änderungen immer sofort wieder in Frage gestellt werden und Gegenmaßnahmen erfolgen, die mehr Gleichberechtigung wieder einschränken oder verhindern.

Das war z.B. so beim Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Als Antwort darauf haben die regierenden Parteien, welche die Interessen des Kapitals vertreten, das Elterngeld, durchgesetzt, was nichts anderes als eine „Herdprämie“ ist. Frauen werden damit motiviert, zu Hause zu bleiben und für Kinder, Küche und Ehemann die Pflege- und Versorgungsarbeit zu übernehmen.

Ebenso steht es um die Diskussion des Mindestlohns. Besonders Frauen profitieren vom Mindestlohn und haben dadurch bis zu 100% Lohnerhöhung. Dieser auf den ersten Blick beeindruckende Anstieg ist allerdings nur die Kehrseite extremer Hungerlöhne von tw. Nur 3-4 Euro. Auch der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde deckt aber letztlich nicht die aktuellen Reproduktionskosten.

Wir sind der Meinung, dass bei den derzeitigen Lebenskosten der Mindestlohn bei 1.600 Euro/Monat liegen muss. Es ist ein großer Unterschied für die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit für Frauen, ob sie z.B. 800 Euro im Monat erhalten, 1.360 Euro oder 1.600! Für Unternehmen ist das oft nicht nur ökonomisch ein Problem, weil ihre Profite geschmälert werden. Ein deutlicher Anstieg des Mindestlohns würde auch die Spaltung unter den Lohnabhängigen verringern und damit ihre Widerstandskraft erhöhen.

Etwas länger zurück liegt der Kampf um die selbstbestimmte und bedingungslose straffreie Abtreibung. Bis heute kämpfen reaktionäre Parteien sogar für eine Einschränkung der sowieso weit von wirklicher Selbstbestimmung entfernten Abtreibungsgesetze. Dazu gehört ganz aktuell die Einschränkung für die freie Verfügbarkeit der „Pille danach“.

Auch die Einführung des Rechts auf Teilzeitarbeit zählt dazu. Ursprünglich wurde sie eingeführt, um v.a. Frauen zu ermöglichen, in ihren erlernten Berufen trotz Mutterschaft zu bleiben – aber eben nicht mehr in Vollzeit, sondern in Teilzeit, damit sie die Doppelbelastung von Lohnarbeit und Reproduktionsarbeit schaffen können. Diese neue „Freiheit“ (die wir durchaus kritisch sehen) wurde so „populär“, dass etliche Eltern das Modell auch nutzen, um gleichberechtigt Lohnarbeit und Reproduktionsarbeit aufzuteilen. In den 90er Jahren waren die Zeitschriften voll von Artikeln über die neue Emanzipation und v.a. über Männer, die gleichberechtigt auf Lohn verzichten, um für ihre Kinder mehr Zeit zu haben.

Erstaunlich schnell wurde von den Unternehmen gegengesteuert. Als erstes ideologisch: „Mit Teilzeitarbeit ist eine Karriere nicht mehr möglich!“, tönte es landauf, landab. Entsprechende Gesetzesänderungen folgten. Das Gesetz berechtigt heute die Arbeit“geber“, darüber zu entscheiden, wer Teilzeit arbeiten darf oder ausschließlich Teilzeitarbeit bekommt. Die Firma hat jederzeit das Recht, Teilzeitarbeit abzulehnen, geforderte Begründungen, wie zu hohe Kosten oder Probleme bei der Arbeitsorganisation wirken immer und können kaum überprüft werden. Die Lohnabhängigen haben kaum Möglichkeiten, ihre Arbeitszeit-Wünsche gegen den Willen der Unternehmer durchzusetzen. So ist das Teilzeitarbeit-Gesetz heute ein Mittel, um die Schlechterstellung der Frauen zu verfestigen. Etwa 60% aller berufstätigen Frauen arbeiten in einem oder mehreren Teilzeitarbeitsverhältnissen, weil sie gar keine Vollzeitstellen mehr angeboten bekommen (vgl. dazu http://www.arbeitermacht.de/ni/ ni192/frauenundkrise.htm).

Warum sind diese Beispiele so wichtig? Weil sie zeigen, dass die Ursachen der Frauenunterdrückung wesentlich struktueller Natur sind und letztlich in den Eigentumsverhältnissen wurzeln. Daher kann im Kapitalismus niemals volle Gleichberechtigung erreicht werden. Diese Beispiele zeigen deutlich, dass der Kapitalismus selbst die kleinsten Fortschritte zu wirklicher Emanzipation mit viel Aufwand rückgängig zu machen versucht, weil er nur durch Unterdrückung und die Spaltung der Arbeiterklasse überleben kann. Daraus entwickeln sich patriachale Strukturen bzw. verfestigen sich – nicht umgekehrt, wie große Teile des bürgerlichen Feminismus behaupten.

Wir halten deshalb den gemeinsamen Kampf aller Lohnabhängigen, männlich wie weiblich, für wesentlich. Nur gemeinsam können wir den Kapitalismus bekämpfen und schließlich stürzen. Wir unterstützen den Versuch unserer Organisationen, der Gruppe Arbeitermacht (GAM) und der Jugendorganisation REVOLUTION, eine neue antikapitalistische Organisation aufzubauen und denken, dass das Potential für den Kampf gegen Frauenunterdrückung damit größer wird. Deshalb halten wir die Diskussion darüber, wie ein gemeinsamer Kampf aussieht und auf welcher Grundlage er geführt wird für wesentlich.

Im Manifest für eine „Neue antikapitalistische Organisation“ (NaO) gibt es zwei Versionen zum  Thema „Frauenbefreiung“. Eines kommt von der GAM und eines von der SIB, weil die NaO sich nicht auf eine Position einigen konnten. Wie ist das zu erklären?

Worin bestehen die grundlegenden Unterschiede?

Der Vorschlag der SIB geht davon aus, dass neben der Klassenunterdrückung mit dem Patriarchat eine zweites fundamentales Unterdrückungsverhältnis die gegenwärtige Gesellschaft prägt – eine Art „dual oppression“-Theorie.

Auch wir von der Gruppe Arbeitermacht gehen davon aus, dass der Kapitalismus andere, oft sehr viel ältere Unterdrückungsverhältnisse einschließt – allerdings nicht als ein weiteres, „separates“ Verhältnis neben der kapitalistischen Ausbeutung -, sondern vielmehr der Frauenunterdrückung eine historisch spezifische Form aufprägt.

Wir sehen die Grundlage der Frauenunterdrückung in der geschlechtspezifischen Arbeitsteilung, die der Kapitalismus von früheren Gesellschaftsformationen übernommen hat. Die Hausarbeit, die Reproduktion der Arbeitskraft erscheint als Privatarbeit, den Kapitalisten „geht sie nichts an“, er findet sie als „Naturbedingung“ vor. Zugleich zeigt sich dabei auch, warum eine Vergesellschaftung der Hausarbeit im Rahmen des Kapitalismus letztlich unmöglich ist. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung stellt unserer Auffassung nach die materielle Basis der Frauenunterdrückung im Kapitalismus dar.

Für die SIB hingegen sind partriarchale Herrschaftsverhältnisse bestimmt durch die Zweiteilung der Geschlechter und deren Organisation in einer Rangordnung. Ihr zufolge werden sie durch geschlechter-hierarchische Arbeitsteilung und vielfältige geschlechter-stereotype Zuschreibungen immer wieder reproduziert.

Die SIB stellt unserer Meinung nach das wirkliche Verhältnis von Frauenunterdrückung und reaktionären Stereotypen, die auf ihr aufbauen, auf den Kopf, vertritt letztlich eine idealistische, keine materialistische Erklärung.

Wir halten das für ein Zugeständnis an den Feminismus. Wir halten es für notwendig, dass diesen Gruppen, die durchaus subjektiv und praktisch sehr ernsthaft gegen Frauenunterdrückung kämpfen, eine klare Position des Klassenstandpunkts entgegen gestellt wird.

So wichtig der Kampf gegen reaktionäre Ideologien ist – so ist es letztlich unzureichend, den Schwerpunkt des Kampfes auf den Kampf um richtige oder falsche Denkweisen über „Geschlechterverhältnisse“ zu konzentrieren. Wir brauchen eine Diskussion über die realen Unterdrückungsursachen in der kapitalistischen Gesellschaft – und einen gemeinsamen Kampf dagegen.

Aktiv gegen Frauenunterdrückung

Die NaO Berlin hat eine Arbeitsgruppe speziell für Frauenarbeit initiiert, was wir sehr begrüßen. In dieser sind auch Männer aktiv, denen die Frauenbefreiung nicht nur als Lippenbekenntnis ein Anliegen ist, sondern die sich aktiv daran beteiligen. Das ist gut und richtig.

Wir sind aber der Meinung, dass diese Zusammenarbeit verbindliche Strukturen braucht, die sich gegen  sexistische Verhaltensweisen aussprechen, Frauen besondere Förderung zukommen lassen und die Frauen in ihrer Selbstbestimmung unterstützen. Es braucht ganz praktische Vorgehensweisen: Frauen als Demoleitung, als Autorinnen für politische Statements und als Referentinnen bei Veranstaltungen.

Außerdem braucht es das festgeschriebene Recht, dass Frauen sich ohne Männer treffen dürfen, um Kritik gegenüber chauvinistischem Verhalten zu äußern, ohne dadurch Nachteile zu erfahren, und Vorschläge zu entwickeln, wie die Aktivität der Organisation verbessert werden kann. Daran muss sich jede linke, emanzipatorische Organisation messen lassen!

Denn nur konkrete Maßnahmen hier und jetzt zur Stärkung der Frauen in linken Organisationen fördern emanzipatorisches Verhalten und werden helfen, die  Spaltung der Arbeiterklasse zu überwinden, und den Weg für Solidarität und gemeinsamen Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung frei machen!




CSD 2017 – Buntes Treiben oder Kampftag?

Leonie Schmidt, Revolution, Neue Internationale 221, Juli/August 2017

Laute Technomusik, viele bunt geschminkte Menschen und über ihnen wehen Fahnen, meist im Spektrum des Regenbogens. Ebenso sieht man Wagen von Initiativen sowie Ländern und Konzernen. Alle zusammen feiern eine riesige Party für LGBTIA-Rechte. Die Rede ist vom Christopher Street Day.

Der Ursprung

Häufig ist der Ursprung des CSD nur noch wenigen DemonstrationsteilnehmerInnen wirklich bewusst. In den 1960er Jahren hatte es in New York immer wieder übermäßige Razzien in Bars für Trans- und Homosexuelle gegeben. Afro- und LateinamerikanerInnen traf die Schikane der PolizistInnen am heftigsten. So auch im Stonewall Inn, in der New Yorker Christopher Street, wo eine Polizeikontrolle durchgeführt wurde und auch Anwesende verhaftet worden sind. Doch zum ersten Mal in der Geschichte der LGBTIA-Bewegung ließen sich die sexuell Unterdrückten die Prozedur nicht gefallen – dies ist als Stonewall-Aufstand in die Geschichte eingegangen.

Vornehmlich afro- und lateinamerikanische Drags, Transmenschen und Homosexuelle wehrten sich. Sie konnten die Polizei vertreiben, aber dafür griff diese im Laufe der Nacht einige Drags und Transmenschen auf und misshandelte sie. Daraufhin kam es in den nächsten Tagen zu größeren Demonstrationen und kämpferischen Auseinandersetzungen rund um das Stonewall Inn. Der CSD wurde als eine Art Gedenktag angesetzt und wird heutzutage hauptsächlich als „Gay Pride“ begangen.

Dabei geht es vor allem darum, die eigene sexuelle und geschlechtliche „Identität“ nach außen zu tragen. Das an sich soll hier nicht kritisiert werden. Was aber scheinheilig ist, ist, dass auch Parteien und Konzerne mitlaufen, obwohl ihre Politik oftmals zu Ungunsten der LGBTIA-Community geartet ist, und gleichzeitig eine Entpolitisierung des Protestes stattfindet. Zudem ist die Ignoranz der DemonstrationsteilnehmerInnen gegenüber der weiter reichenden sexuellen Unterdrückung anzumerken. Denn diese ist nicht nur im Alltag vorhanden, wie oft von RednerInnen auf dem CSD beschrieben wird (wenngleich diese natürlich auch äußerst unangenehm und zu bekämpfen ist), sondern hauptsächlich strukturell angesiedelt.

Die Situation heutzutage

Auch Deutschland ist nicht so offen gegenüber einem Leben fernab der heterosexuellen Norm, wie es gerne vorgibt zu sein. So ist es zu bemängeln, dass mensch im Aufklärungsunterricht in der Schule nie wirklich etwas über queeren Sex hört oder gar erklärt bekommt, wie beispielsweise Safer Sex aussieht, wenn man sich nicht vor Schwangerschaften schützen muss und auch kein Kondom zum Einsatz kommen kann. In vielen Ländern sind LGBTIA auch staatlichen Gewalttaten ausgesetzt, unter anderem in Russland, wo in den letzten Jahren eine regelrechte Hetzjagd auf Homosexuelle durchgeführt wurde. Zurzeit werden besonders in Tschetschenien, vom dortigen Ministerpräsidenten Kadyrow unterstützt, Schwule verschleppt, misshandelt und letztendlich in Lagern ermordet. Auch in den USA geht es für LGBTIA nicht gerade lustig zu: alleine im Jahr 2017 gab es bisher 9 Morde, vornehmlich an Trans-Frauen of Color.

Gleichzeitig werden aber auch Länder glorifiziert, bei denen es angeblich ganz fortschrittliche und tolle Rechte für sexuell Unterdrückte gibt. In Teilen der deutschen Linken und der liberalen LGBTIA-Bewegung ist es nämlich nichts Ungewöhnliches, wenn Israel für sein tolles Engagement im queeren Bereich verehrt wird. Pinkwashing nennt sich das. Es soll aufzeigen, wie modern und progressiv ein Staat ist, und wie im Fall Israels davon ablenken, dass gleichzeitig die Menschenrechte der PalästinenserInnen, und seien sie noch so queer, mit Füßen getreten werden, und soll außerdem die queeren Menschen von anderen, ebenfalls unterdrückten Gruppen isolieren. Auch wird der direkte Vergleich zu angeblich barbarischen und homophoben Gruppen gezogen, um diese weiterhin zu unterdrücken. Somit kann eben zum Beispiel die israelische Regierung ihren Kolonialismus vorantreiben und die Islamophobie propagandistisch ausnutzen. Sicher, in der arabischen Welt gibt es immer noch Homophobie, aber genauso ist es überall auf der ganzen Welt, weil es leider nach wie vor ein universelles Problem ist. Pinkwashing ist und bleibt also ein Instrument zur Spaltung.

Für uns ist klar, dass es im Kapitalismus nicht möglich sein wird, sich von sexueller Unterdrückung, genau wie von Sexismus, vollständig zu befreien. Durch die Notwendigkeit der bürgerlichen Familie im kapitalistischen System wird auch diese immer die Norm bleiben und besonders geschützt werden, während LGBTIA-Familien oder Beziehungen immer als „unnatürlich“ bezeichnet werden. Erst auf dem Weg zum Kommunismus über den Sozialismus kann sich dieser gesellschaftliche Widerspruch auflösen.

Was tun?

Aufgrund der strukturellen Unterdrückung von LGBTIA ist es aber gerade wichtig, dagegen anzukämpfen und auf dem CSD nicht nur zu feiern, dass man „anders“ ist. Es reicht eben nicht aus, ein paar Regenbogenfahnen zu schwingen und durch die Straßen zu tanzen. Nein, für die Rechte der LGBTIA muss aktiv und zur Not auch militant eingetreten werden – auch und besonders von Seiten der heteronormativen Gesellschaft.

Der CSD muss wieder kämpferisch werden! Trotzdem muss der Kampf gegen sexuelle Unterdrückung als ein täglicher Kampf gelten, der nicht nur einmal jährlich, sondern bei allen politischen Fragen, egal ob Flucht, Armut oder Bildung, geführt werden muss. Gleichzeitig kann er auch nur gewonnen werden, wenn er eingebettet ist in den gemeinsamen Kampf aller Unterdrückten weltweit.

  • Volle Legalisierung von LGBTIA weltweit und gleiche Rechte in ihren Beziehungen wie die von Heterosexuellen (finanzielle Gleichstellung, Adoptionsrecht)!
  • Gleichwertige Darstellung von LGBTIA-Beziehungen mit Heterosexualität im Aufklärungsunterricht!
  • Selbstverteidigungskomitees für LGBTIA gegen Übergriffe und das Recht auf gesonderte Treffen (Caucus) in der ArbeiterInnenbewegung!



Debatte im NAO-Prozess: Zur Frage der „Überwindung des Geschlechterverhältnisses“

Helga Müller / Markus Lehner, Neue Internationale Frauenzeitung, März 2013

Seit Mitte 2012 beteiligt sich die Gruppe Arbeitermacht aktiv an der Formierung einer „Neuen Antikapitalistischen Organisation“ (NAO). In der Diskussion um deren politische Grundlagen nimmt die Frage des Geschlechterverhältnisses zu recht einen zentralen Stellenwert ein. Einigkeit besteht darin, dass der Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen wie gegen Sexismus und die Zuschreibung reaktionärer Geschlechterrollen eine zentrale Frage jeder Organisation bilden muss, die ernsthaft als antikapitalistisch, revolutionär und emanzipatorisch gelten will.

Aber zugleich zeigt sich, dass es im NAO große Differenzen bezüglich des Verständnisses der Ursachen der Frauenunterdrückung gibt. Im folgenden wollen wir anhand einzelner Fragestellungen unsere Haltung genauer darstellen, tw. in bewusster Abgrenzung zu „de-konstruktivistischen“ Theoriesträngen oder Grundannahmen.

Wie kann sexistisches Verhalten überwunden werden – allein durch ständige Aufklärungsarbeit und entsprechende Verhaltensänderung von Männern?

Sexistisches Verhalten ist auch nach Dekaden von „Aufklärungsarbeit“, kritischer „Dekonstruktion“ verschiedenster noch so versteckter Naturalisierungs-Ideologien in Bezug auf Geschlechterrollen, selbstkritischer Überwindung von „Identitätspolitik“ etc. nicht im Abnehmen begriffen – weder gesellschaftlich, noch in linken Organisationen. Tatsächlich sind reaktionäre Frauenbilder und Rollenzuschreibungen in den letzten Jahren (und speziell mit der Verschärfung der kapitalistischen Krise) auch in den Metropolen wieder auf dem Vormarsch. Um das zu sehen, bedurfte es nicht erst der Brüderle-Episode.

Die Vorstellung, durch bloße „Dekonstruktion“ und Analyse der versteckt sexistischen Einstellungen, der Entlarvung von scheinbar natürlichen Geschlechterverhältnissen als „gesellschaftliche Konstrukte“ ließe sich praktisch etwas verändern, ist letztlich eine zutiefst idealistische Illusion. Die dialektische Analyse von „naturwüchsigen“ oder sich als „natürlich“ verschleiernden gesellschaftlichen Verhältnissen kann nicht bei der Aufdeckung dieser ideologischen Täuschung stehen bleiben – sie muss auch die materielle Gewalt dieser Illusion, die Notwendigkeit, mit der sich diese Täuschung den Subjekten aufzwingt, darstellen.

So reichte es Marx nicht, mit dem Warenfetisch offenzulegen, dass die Warenform zur Verkleidung eines gesellschaftlichen Verhältnisses als sachliches, scheinbar „naturgesetzlich“ bestimmtes dient. Er zeigte zugleich die objektiven Bedingungen (die ungeplante unmittelbare Gleichsetzung von abstrakt-allgemeiner Arbeit mit gesellschaftlicher Arbeit in einer Gesellschaft verallgemeinerter Warenproduktion), die diese Illusion nicht nur hervorbringen, sondern auch im täglichen Verhalten als immer schon vorausgesetzt notwendig machen. Im Alltag kapitalistischer Gesellschaften werden selbst noch so große Kritiker des Warenfetischs wie selbstverständlich sich so verhalten, als sei Geld mit einem sachlichen Anspruch auf „absolute Wahlfreiheit“ auf alles und jedes (die Ware an sich)  verbunden. Die Illusionen über das Kapitalverhältnis, ob sie sich auf Waren, Lohn, Zinsen oder sonstiges beziehen, verschwinden eben nicht durch noch so gute Kritik oder „Dekonstruktion“.

Sie werden durch die immanenten Widersprüche im Kapitalverhältnis immer wieder erschüttert, können durch den Kampf zur Überwindung des Kapitalverhältnisses schrittweise zu Bewusstsein gebracht werden – zum Verschwinden aber nur, durch seine Aufhebung und die Überwindung ihrer materiellen Ursachen durch die geplant/bewusste Wiederherstellung des Zusammenhangs von konkretem und gesamtgesellschaftlichem Arbeitsprozess.

Ähnlich sind sexistische Verhaltensweisen, die Missachtung von Frauen, reaktionäre Rollenbilder, die Naturalisierung von Geschlechterverhältnissen etc. nicht durch deren kritische Aufdeckung und Entlarvung ihrer „Falschheit“ zu überwinden, oder durch moralische Appelle an Verhaltensänderung. So wenig wie der Warenfetisch als falsches Bewusstsein, das die Menschen zu absurden warenfetischistischen Verhaltensweisen bringt, das Kapitalverhältnis erzeugt, so wenig ist der Sexismus eine Ideologie, die erst die Frauenunterdrückung hervorbringt.

Umgekehrt: das bestehende Geschlechterverhältnis beruht auf objektiven, materiellen Vorteilen eines Teils der Gesellschaft und erst auf dieser Basis entsteht sexistische Ideologie und Verhaltensweise und wird dann zum wesentlichen Transmissionsriemen der Frauenunterdrückung.

Die objektive gesellschaftliche Unterdrückung von Frauen zumindest seit der Entstehung von Klassengesellschaften ist eine zweifache: eine Beherrschung der weiblichen Sexualität als Eigentum des Familienvaters oder Patriarchen zwecks eindeutiger Vererbung des angeeigneten Reichtums. Die Einschränkung der sexuellen Promiskuität wird dabei nur für Männer durch Institutionen wie die Prostitution relativiert (Doppelrolle Mutter/Hure). Die Funktion in der patriarchalen Familie der jeweils herrschenden Klasse strahlt mehr oder weniger auf die anderen Schichten der Gesellschaft aus. Zweitens beruht das Unterdrückungsverhältnis auf dem Kommando über die den Frauen zugeordnete Reproduktionsarbeit; auf ein Herr/Magd-Verhältnis, das sich besonders seit dem Feudalismus auch in den unterdrückten Klassen ausgeprägt hat (Hausfrau/Magd-Rolle).

Diese grundlegenden Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse bestimmen die gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung, führen aber auch in nur indirekt betroffenen Gebieten zu einem Machtgefälle in der Arbeitswelt. Schließlich setzt sich dies auch im gesellschaftlichen Überbau (Recht, Ideologie, Kultur, Wissenschaft, Politik) durch und wurde über Jahrhunderte verfestigt, verfeinert und institutionalisiert.

Da es sich um ein gesellschaftliches Machtverhältnis handelt, das sich auch auf das Gebiet der menschlichen Sexualität unmittelbar auswirkt, wirkt es auch prägend auf die Persönlichkeitsentwicklung der nachfolgenden Generationen. Wie die Psychoanalyse gezeigt hat, sind die gesellschaftlichen Prägungen der frühkindlichen bis jugendlichen Sexualität derart stark, dass auch noch so bewusst-bemühtes Entgegensteuern die „naturalisierten“ Geschlechterverhaltensweisen kaum verändern kann und selbst eine tiefgehende Therapie bloß pathologische Extremausschläge abmildern kann. Von daher sind sexistische Verhaltensweisen wie auch viel schlimmere Formen der Gewalt gegen Frauen Bestätigungs- und Befestigungsakte für das bestehende Machtgefälle zwischen Männern und Frauen.

Dies heißt nicht, dass dieses Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnis bruchlos funktioniert und nicht auch im bestehenden Gesellschaftssystem Änderungen erzwungen werden könnten. Sowohl das Herr/Magd-Verhältnis wie auch die sexuelle Beherrschung von Frauen führen zu Entfremdungs- und Abhängigkeitsverhältnissen, die auch für Männer letztlich nicht befriedigend und für ein gutes Leben Grundlage sein können. Dazu kommt, dass verschiedene Klassengesellschaften unterschiedliche Bedingungen für die Entwicklung der Frauenunterdrückung bedeuten und auch Unterschiede derselben je nach sozialer Lage hervorbringen.

Es ist richtig, dass das abstrakte Kapitalverhältnis an sich nicht unmittelbar mit Frauenunterdrückung verbunden ist. Sicher ergreift die Verallgemeinerung der Warenform auch die sexuell verdinglichten Frauenrollen, um sie in der Porno-, Werbe- oder Prostitutions- Industrie profitabel verwerten zu können. Wesentlicher ist jedoch, dass das Kapital die kostenlose, nicht-vergesellschaftete Reproduktionsarbeit, die es als „traditionelle Frauenarbeit“ geerbt hat, aufgegriffen hat, und ganz zentral zur Senkung der notwendigen Arbeitszeit (Reproduktion der Ware Arbeitskraft) und damit zur Gewinnung von Mehrwert benötigt. Insofern wird der Druck auf das Arbeitseinkommen im Sinne der nur teilweisen monetären Begleichung der Reproduktionskosten in den Familien der Lohnabhängigen speziell zum Druck auf Frauen – entweder ganz zu Hause zu bleiben oder der Doppelbelastung von Familie und Arbeit ausgesetzt zu werden. Diese Feststellung hat nichts mit einer Akzeptanz von traditionellen Frauenrollen zu tun, sondern erklärt den für lohnabhängige Frauen scheinbar objektiven Zwang, durch den sie wiederum in diese Rollen gedrängt zu sein scheinen.

Diese Verhältnisse sind auch insofern brüchig, als Frauen ihnen tatsächlich Widerstand entgegensetzen können.

Warum Frauen aufgrund der Prägung der Männer bzw. der daraus folgenden „Machtgefälle“ sich notwendigerweise in bestimmten Formen unabhängig organisieren müssen (und nicht den Männern auch noch die Frauenbefreiung überlassen können)

Sexismus ist eine männliche Verhaltensweise, die sich über tausende von Jahren verfestigt hat, dieser ist in allen Klassen präsent, auch in der Arbeiterklasse. De facto dienen der Sexismus und die Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft insgesamt dazu, die Arbeiterklasse entlang der Geschlechterlinien zu spalten. Trotzdem ist aber die Arbeiterklasse die einzige Klasse, die kein objektives Interesse daran hat, dass die Unterdrückung und Diskriminierung der Frau weiter bestehen bleibt. Die Möglichkeit des Sturzes des Systems, das alle ArbeiterInnen ausbeutet und zugleich die Frauen gesellschaftlich unterdrückt, wird durch diese Spaltungen behindert. Insofern haben die männlichen Arbeiter ein historisches Interesse am Sturz des Kapitalismus und daran, dabei die Grundlage für die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau zu überwinden. Sie sind daher die wirklichen strategischen Verbündeten der Frauen der Arbeiterklasse im Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung.

Diese Spaltung führte in der Vergangenheit, aber auch noch heute zu Privilegien, die auch viele männliche Arbeiter aktiv verteidigen.

Auf der anderen Seite erhalten Frauen noch heute, obwohl sie oft schon gleich oder sogar besser qualifiziert sind als ihre männlichen Kollegen, für die gleiche Arbeit weniger Lohn und Gehalt.

Die soziale Unterdrückung der Frau hat auch eine „psychologische“ Seite: die schlechtere Stellung von Frauen in den sozialen Hierarchien schadet auch ihrem sozialen Selbstwertgefühl und befördert damit auch wiederum eine Sicht von Männern, Frauen nicht als gleichwertige Subjekte anzusehen, sondern als „Objekte“.

Damit dies durchbrochen werden kann und Frauen auch in der Arbeiterbewegung vollständig und gleichberechtigt teilnehmen können, werden sie selbst darum kämpfen müssen, dass ihre Stimme gehört wird, damit ihre Teilnahme ernst genommen wird, damit die Klasse insgesamt die Forderungen der Frauen aufgreift.

Zum zweiten müssen sich Frauen der Arbeiterklasse selbständig organisieren können, um Frauen zu erreichen, die in der Familie und außerhalb der gesellschaftlichen Produktion gefangen sind und daher leichter für rückständige Ideen gewonnen werden können.

Drittens ist eine eigenständige Organisation von Arbeiterfrauen notwendig, weil Frauen bei Aufständen oder gar revolutionären Bewegungen oft an vorderster Front gegen ihre Unterdrückung kämpfen, nicht zuletzt in der arabischen Revolution und häufig – oft neben der Jugend – die militantesten KämpferInnen innerhalb der Reihen der Ausgebeuteten bilden. Dabei haben sie schon oft die Tendenz gezeigt, eigene Organisationen zu bilden, sei es in existierenden Organisationen wie den Gewerkschaften, seien es eigene Organisationen/Komitees zur Durchsetzung ihrer Forderungen wie die Möglichkeit zur Abtreibung oder gleiche Bezahlung. Oder sie bildeten Frauenorganisationen zur Unterstützung der kämpfenden männlichen Arbeiter wie z.B. in England während des großen Bergarbeiterstreiks in den 80iger Jahren. Diese leisteten immer einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der Spaltung innerhalb der Arbeiterklasse und fördert die Klasseneinheit und Klassensolidarität. Gleichzeitig stärken die Schaffung solcher Unterstützergruppen die Fähigkeiten von Frauen zur Teilnahme am Kampf und sogar dann, wenn sie auf sexistische Ablehnung trafen.

Dies schließt auch die Notwendigkeit des Aufbaus von Frauengruppen in den Gewerkschaften mit ein, damit Frauen gerade in diesen Organisationen der Arbeiterbewegung ihre besondere Unterdrückung diskutieren und ihr Selbstvertrauen im Kampf stärken können, um mehr Frauen in die Gewerkschaften zu bringen, Klassenbewusstsein zu entwickeln und in der Praxis und Theorie zu erkennen, dass der Kampf um vollständige Emanzipation nur mit der Arbeiterbewegung möglich ist.

Warum die Frauenbewegung im 20. Jahrhundert tatsächlich wesentliche Fortschritte erzielt hat und auch gewisse soziale Umwälzungen erzielen konnte

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist auch eine Geschichte des Kampfes für die politischen und sozialen Rechte von Frauen. Das Frauenwahlrecht existierte selbst für die Frauen aus dem Bürgertum noch nicht und musste erst in zähen Kämpfen errungen werden. Auch heute ist die rechtliche Gleichstellung der Frauen in vielen Ländern der Erde noch Zukunftsmusik.

Auch die soziale Stellung der Frauen, Beschränkungen im Arbeitsleben, Fehlen von Kinderbetreuung und sexistische Ausgrenzung konnten eingeschränkt werden. Aber diese Fortschritte waren – selbst wenn sie wie z.B. die Ausdehnung der Erwerbsarbeit der Frauen auch mit veränderten Erfordernissen der Kapitalverwertung einhergingen – immer auch das Resultat von gesellschaftlichen Kämpfen.

Die Ausweitung des Wahlrechts war in vielen Ländern ein Resultat der revolutionären Entwicklungen nach dem Ersten Weltkrieg. Dabei ist auch bezeichnend, dass die meisten substantiellen Veränderungen als Resultat von Kämpfen herbeigeführt wurden, an deren Spitze die Arbeiterklasse stand, in der die Arbeiterinnen eine zentrale Rolle spielten.

Es ist kein Zufall, dass die russische Revolution 1917 auch ein Meilenstein für die Emanzipation der Frauen war. Das trifft nicht nur auf die Einführung des Wahlrechts, sondern auch auf die massive Erleichterung des Scheidungsrechts, den Aufbau einer proletarischen Frauenbewegung oder Schritte zur Vergesellschaftung der Hausarbeit zu. Selbst in der Roten Armee wurden Frauen als Kämpferinnen und Kommandeurinnen integriert.

Zugleich markierte der Beginn des 20. Jahrhunderts auch einen Meilenstein bei der Herausbildung einer proletarischen, einer sozialistischen und kommunistischen Frauenbewegung.

Doch diese fiel nicht von ungefähr einer inneren Konterrevolution in der Arbeiterbewegung zum Opfer. Der reformistischen Sozialdemokratie war die sozialistische Frauenbewegung einer Clara Zetkin immer schon ein Dorn im Auge – nicht zuletzt, weil sie den Kampf gegen Frauenunterdrückung mit dem Kampf gegen Kapitalismus und imperialistischen Krieg verband. Im Stalinismus wurden die politischen und sozialen Errungenschaften der Oktoberrevolution praktisch rückgängig gemacht. Die „sozialistische Familie“ wurde wieder in ihr Recht gesetzt, die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und die Mutterrolle der (Ehe)frau ideologisch und rechtlich wieder gefestigt.

Es ist kein Wunder, dass die radikal-feministische, die autonome und auch die sozialistisch-feministische Bewegung der 1960er bis 80er Jahre ein distanziertes bis ablehnendes Verhältnis zum Marxismus hatte angesichts einer durch und durch reformistischen Frauenpolitik von Sozialdemokratie und Stalinismus, aber auch großer Teile der „radikalen Linken“, die den Kampf um Frauenbefreiung nicht nur theoretisch, sondern v.a. praktisch als Nebensache verstanden.

Ohne Zweifel kommt dieser Phase der Frauenbewegung der Verdienst zu, die männlich dominierte Linke „aufgeweckt“, ihr ihren Spiegel vorgehalten zu haben, sie hat zweifellos auch erzwungen, dass sich linke Organisationen ernsthafter zur Frauenfrage verhalten mussten.

Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die radikalen und selbst die sozialistisch-feministischen Strömungen zu falschen Vorstellungen fanden, dass die Gesellschaft von zwei nebeneinander stehenden Widerspruchsverhältnissen – dem Kapitalverhältnis und dem Patriarchat – durchzogen wären, dass somit im Extremfall die Frauen aller Klassen den Männer aller Klassen als Unterdrücker gegenüberstünden.

Hier fand also ein Bruch statt mit der Tradition der sozialistischen Frauenbewegung, die korrekterweise davon ausging, dass sich die proletarischen Frauen unabhängig von der bürgerlichen Frauenbewegung politisch organisieren müssen, da die bürgerlichen Frauen (nicht unbedingt einzelne AktivistInnen) in ihrer Gesamtheit notwendigerweise ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Klassenunterdrückung und daher auch an der Spaltung des Proletariats haben mussten und müssen.

Heute stehen wir vor dem Problem, dass wir nicht von einer Massenbewegung der Frauen  sprechen können. Die feministische „Bewegung“ ist weitgehend zu einer akademischen Veranstaltung geworden.

Dabei ist der Aufbau einer kämpferischen Massenbewegung der Frauen aus der Arbeiterklasse angesichts der verschärften Angriffe in der Krise eine strategische Notwendigkeit. Nur so können die bestehenden Rechte der Frauen gesichert oder neue errungen werden.

Dabei stehen wir auch vor einer offenkundig widersprüchlichen Entwicklung. Noch nie waren so viele Frauen erwerbstätig, Frauen leisten den Großteil der Arbeit der Menschheit. In Ländern wie Indien oder in den arabischen Revolutionen treten Frauen in Massen als Kämpferinnen und Aktivistinnen in Erscheinung. Aber um ihr soziales Gewicht, ihre Masse zur vollständigen Wirksamkeit zu bringen, ist es notwendig, eine proletarische Frauenbewegung neu aufzubauen; eine Bewegung, in der alle politischen Strömungen der Arbeiterklasse vertreten sein sollen und in der revolutionäre, kommunistische Frauen um die politische Führung kämpfen müssen.

Warum viele dieser Fortschritte heute wieder in Gefahr sind, auch wenn sehr viel mehr Frauen aus der Reproduktions- in die Produktionsarbeit gewechselt sind

Auch wenn eine der Errungenschaften der Frauenbewegung der 1970er und 80er Jahre darin besteht, dass Frauen heute sehr gut qualifiziert sind, oft besser als ihre männlichen Kollegen, hat dies an ihrer grundsätzlichen gesellschaftlichen Unterdrückung nichts geändert.

Die soziale Unterdrückung der Frau hat ihre Ursache letztlich in einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der Bindung der Frau an die private Hausarbeit. D.h. dass Frauen nach wie vor die Hauptlast der Hausarbeit und der Kinderbetreuung zu tragen haben. Daran konnte auch die Frauenbewegung nichts ändern.

Die bürgerliche Familie hat für Frauen immer noch eine doppelte Unterdrückungsfunktion: Sie führt nicht nur zu einer zeitlichen und nervlichen Doppelbelastung für berufstätige Frauen, sondern dadurch werden Frauen phasenweise aus dem Berufsleben, tw. sogar aus dem gesellschaftlichen Leben überhaupt herausgerissen.

Zum anderen – und eng mit ihrer „Hausfrauenrolle“ verbunden – sind die Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten von Frauen deutlich schlechter als die der Männer.

In Krisenzeiten – wie wir sie gerade erleben – wird diese gesellschaftliche Unterdrückung der Frau auch noch durch eine reaktionäre „Frauen- und Familienpolitik“ verstärkt und alle erkämpften Errungenschaften wieder grundsätzlich in Frage gestellt. Um nur einige Beispiele zu nennen:

  • Die Kommunen sparen an sozialen Ausgaben. Als eine der ersten kommunalen Versorgungspflichten wird an der Kinderbetreuung oder bei Kinder- und Jugendeinrichtungen gespart. Bis heute kann der Anspruch auf einen Kindergartenplatz nicht umgesetzt werden. Frauen aus der Mittelschicht oder mit gut bezahlten Jobs können sich eine private Kinderbetreuung durch Tagesmütter z.B. noch leisten, Frauen aus der Arbeiterklasse weniger. Was wiederum gerade Frauen aus der Arbeiterklasse zwingt, zu Hause zu bleiben oder sich mit prekären Jobs wie z.B. als Tagesmutter durchzuschlagen.
  • Die Einführung der „Herdprämie“ gerade zur jetzigen Zeit hat zum Ziel berufstätige, Frauen wieder zurück in die Familie zu zwingen oder Frauen, die in die Berufstätigkeit drängen, zumindest zeitweilig davon abzuhalten und zementiert damit wieder die alte Rollenverteilung in der Familie.

Warum es trotz der gesellschaftlichen Prägung richtig ist, über Verhaltensregeln, Änderungen von Diskussionskultur, positive Diskriminierung etc. in verschiedensten Bereichen und speziell in linken Organisationen um Verbesserungen zu kämpfen und sexistisches Verhalten zu bekämpfen

Wie bereits erwähnt, wirkt der Sexismus auch in die Arbeiterbewegung hinein. Auch linke Organisationen sind nicht von Sexismus oder sexistischem Verhalten der männlichen Mitglieder frei, auch wenn diese Organisationen in ihrem Programm die Emanzipation der Frauen zum Ziel haben. Sexistisches Verhalten ist nicht allein durch Analyse und ein „anderes“ Bewusstsein zu überwinden, es kann immer wieder – auch unbewusst – auch in diesen Organisationen zu sexistischem Fehlverhalten kommen. Letztendlich kann die Unterdrückung der Frau nur durch den Kampf gegen deren gesellschaftlichen Ursachen überwunden werden.

Gerade weil linke Organisationen sich auf die Befreiung der Frau berufen und sich diese ernsthaft zum Ziel setzen, müssen sie den Sexismus auch in ihren eigenen Reihen bekämpfen – nicht nur innerhalb der Arbeiterklasse. Um dies zu leisten, müssen sie spezielle Maßnahmen ergreifen, um Frauen innerhalb der Partei/Organisation – und in der Klasse – zu stärken und zu unterstützen.

Sie müssen das Recht auf gesonderte Treffen von Frauen haben, bei denen sie sich z.B auf bestimmte Treffen aller Mitglieder vorbereiten oder bei denen sie besondere Maßnahmen für die Förderung von Frauen besprechen, um auch Führungs- oder verantwortliche Positionen übernehmen zu können oder sexistisches Verhalten zu überprüfen und Maßnahmen dagegen zu diskutieren etc.

Die Organisation muss eine Kinderbetreuung organisieren, um auch Müttern die Teilnahme an politischen Veranstaltungen zu ermöglichen. Solange die Hausarbeit und das Aufziehen von Kindern nicht vergesellschaftet sind, sind Männer politisch und moralisch verpflichtet, sich an diesen Tätigkeiten entsprechend zu beteiligen.

Auch wenn Frauen diese Rechte garantiert sein müssen, geht es nicht darum, dass die Frauen gesondert und ausschließlich „ihren Kampf“ organisieren müssten, da sie allein die subjektive Erfahrung ihrer Unterdrückung hätten. Die Unterdrückung der Frauen und ihr Verhältnis zur Klassengesellschaft wird nicht durch subjektive Erfahrung allein entdeckt (ebenso wenig wie die Ausbeutung der Arbeiterklasse), sondern erst durch eine bewusste politische Aneignung dessen, was die Ursachen dieser Unterdrückung sind. Dafür müssen sie den Kampf um Befreiung auch innerhalb einer revolutionären Organisation führen.




Sexismus-Debatte: Nur ein Ausrutscher?

Rex Rotmann, Neue Internationale 176, Februar 2013

Es ist wohl kein Zufall, dass die Sexismus-Vorwürfe einer Stern-Journalistin gegen FDP-Fraktionschef Brüderle in Politik und Medien zu einer heftigen Debatte führten. Unabhängig davon, was Brüderle nun tatsächlich gesagt hat, zeigt allein seine und die Reaktion seiner Parteifreunde, dass sie sexistisches Verhalten nur als Kavaliersdelikt ansehen und keinesfalls als gesellschaftliches Problem.

Brüderle selbst schweigt, sein Parteifreund Kubicki meint, er werde künftig keine Journalistinnen mehr als Wahlkampfbegleitung in seinem Fahrzeug mitnehmen. Zudem wolle er künftig Gespräche an der Hotelbar vermeiden, wenn Journalistinnen anwesend sind. „Denn natürlich“, so Kubicki weiter, „rutscht einem da schon mal eine lockere und nicht gelungene Bemerkung heraus.“

Dass diese „Liberalen“ sich noch nicht einmal dazu durchringen können, einzuräumen, dass da etwas nicht in Ordnung ist; dass sie noch nicht einmal, wie sonst üblich, eine Entschuldigung medienpolitisch eindrucksvoll lancieren – dieses Verhalten zeigt deutlich, dass für diese „Freiheitler“ Sexismus kein Thema ist, dass es dieses Problem von Frauen – also von 50% der Bevölkerung – nicht gibt oder man(n) sich zumindest damit nicht ernsthaft beschäftigen muss.

Natürlich geht es nicht, zumindest nicht in erster Linie, um ein paar „flapsige“ Bemerkungen; es geht um wesentlich ernstere Dinge. Es geht darum, dass Frauen permanent sexistischen Bemerkungen und Übergriffen ausgesetzt sind, die im extremsten – aber leider keineswegs seltenen – Fall mit offener sexueller Gewalt verbunden sind. Untersuchungen belegen, dass ca. die Hälfte aller Frauen schon konkrete Erfahrungen mit Sexismus gemacht haben, wobei hier eher die drastischeren Fälle gemeint sind, weil sich ansonsten die Zahl der betroffenen Frauen den 100 Prozent nähern dürfte.

Keine gute neue Zeit

Dabei wollte uns die Bundesregierung glauben machen, dass Diskriminierung, Benachteiligung und Unterdrückung von Frauen entweder einer längst vergangenen Zeit angehörten oder jedenfalls immer mehr abnehmen würden. Frau Schröder veröffentlichte gar ein ganzes Buch gegen den „Feminismus“, der nunmehr zum Hauptproblem für die Frauen (!) geworden wäre. Als Gegenpart versuchte Frau von der Leyen, die sich in der Regierung als „Frauenrechtlerin“ zu profilieren sucht, Quotenregelungen für Chefetagen und ähnliches zu Hauptaufgaben im Kampf um „Gleichberechtigung“ zu stilisieren.

Gemäß dieser in sich schon verlogenen Gegenüberstellung, erschien der altbackene Chauvi als Relikt vergangener Zeiten, das zumindest in der „besseren Gesellschaft“ nicht mehr oder nur noch am Rande vorkam. Offener Sexismus erschien so als zurückgehendes Phänomen, das allenfalls noch bei den „Unterschichten“, bei ArbeiterInnen, Arbeitslosen, Deklassierten, MigrantInnen häufig vorkommt.

Damit freilich hängt ein Phänomen zusammen, das auch in der gegenwärtigen Debatte sichtbar wird. Sexismus bzw. sexistische Äußerungen erscheinen primär als ein individuelles Verhaltensproblem. Wären die FDPler – letztlich die gesamte (männliche) Gesellschaft – doch nur „reflektierter“ und „aufgeklärter“, wäre mit sexistischen Äußerungen bald Schluss. Der Kampf gegen Sexismus wird hier zu einer Frage von Bildung und Aufklärung – und damit zu einem Kampf gegen Windmühlen.

Die Tatsache, dass Frauen in der kapitalistischen Gesellschaft (wie auch in allen früheren Klassengesellschaften) eine untergeordnete Rolle spielen und die Funktionsträger und Chefs fast immer Männer sind, erklärt auch, dass Frauen häufig dazu gezwungen oder animiert sind, gesellschaftlichen Aufstieg oder überhaupt den Lebensunterhalt dadurch zu sichern, dass sie sich den Wünschen „der Männer“ anpassen oder unterwerfen. Dass das so sein kann, setzt natürlich eine sozial benachteiligte Stellung der Frau voraus.

Aktuell wird in diesem Zusammenhang – durchaus zu recht – auf die besondere Unterdrückung und Entrechtung von Frauen durch den islamischen Fundamentalismus verwiesen. Doch zugleich lenkt diese Betrachtung davon ab, dass hierzulande, wo die materiellen Möglichkeiten und kulturellen Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am gesellschaftlichen Leben grundsätzlich besser sind,  Frauen auch unterdrückt und sozial benachteiligt sind – trotz weitgehender rechtlicher Gleichstellung. Diese soziale Unterdrückung der Frau, die letztlich in einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der Bindung der Frau an die private Hausarbeit wurzelt, ist auch die Grundlage des Sexismus in der Gesellschaft, von geschlechtsspezifischen Rollenbildern, Stereotypen oder auch der Bestimmung vorgeblich „weiblicher“ oder „männlicher“ Eigenschaften.

Worin besteht die soziale Unterdrückung der Frau in hoch entwickelten Industrieländern wie Deutschland?

Zum einen darin, dass Frauen nach wie vor die Hauptlast der Hausarbeit und der Kinderbetreuung tragen. Die bürgerliche Familie erweist sich für Frauen oft nicht als Idylle, sondern als Gefängnis, für das sie das Plüschsofa selbst aussuchen können. Familie bedeutet nicht nur zeitliche und nervliche Doppelbelastung für berufstätige Frauen. Es bedeutet auch, dass Frauen phasenweise aus dem Berufsleben, ja tw. aus dem gesellschaftlichen Leben überhaupt herausgerissen werden.

Zum anderen – und eng mit ihrer „Hausfrauenrolle“ verbunden – sind die Aufstiegs- und  Verdienstmöglichkeiten von Frauen deutlich schlechter als die der Männer. In Deutschland verdienen Frauen ca. 23% weniger als Männer, ihr Anteil an der Altersarmut ist deutlich höher und  bei prekären Jobs sind sie überproportional vertreten.

Ohne Frage schadet diese schlechtere Stellung von Frauen in den sozialen Hierarchien auch ihrem sozialen Selbstwertgefühl und befördert damit auch eine Sicht von Männern, Frauen nicht als gleichwertige Subjekte anzusehen sondern als „Objekte“.

Diese Umstände werden dann durch reaktionäre „Frauen- und Familienpolitik“ wie z.B. der „Herdprämie“ und mehr noch durch fehlende oder teure Kita-Plätze verstärkt.

Frauenbefreiung und Arbeiterbewegung

Sexismus ist eine männliche Verhaltensweise, die sich über tausende Jahre verfestigt hat. Sie ist in allen Klassen präsent, auch in der Arbeiterklasse. Trotzdem ist aber die Arbeiterklasse die einzige Klasse, die kein objektives Interesse daran hat, dass die Unterdrückung und Diskriminierung der Frau weiter bestehen bleibt. Im Gegenteil: die Geschichte des Marxismus und der Arbeiterbewegung beweisen, dass sie von Anfang an die Unterdrückung der Frau nicht nur als besonderes und zentrales Element der gesamten Unterdrückungsverhältnisse in Klassengesellschaften erkannt hat. Mehr noch: anders als der (bürgerliche) Feminismus haben sie immer auch betont, dass die Frauenunterdrückung untertrennbar mit der Klassenfrage verbunden und von dieser selbst geprägt wird. Proletarische Frauen sind natürlich stärker von Sexismus und v.a. von sozialer Unterdrückung und Diskriminierung betroffen, als „begüterte“ Frauen.

Ohne die Verdienste des Feminismus schmälern zu wollen, war es aber nur im Klassenkampf der  Arbeiterklasse für proletarische Frauen möglich, ihre spezifischen Probleme und Interessen zu artikulieren und sich – vor allen Dingen – dafür auch zu organisieren und zu kämpfen. Viele – tendenziell alle – großen sozialen Bewegungen des Proletariats waren auch davon geprägt, dass Frauen ein eigenständiger, selbstbewusster und oft genug besonders kühner Teil der Bewegung waren: so z.B. in der Pariser Kommune oder in der russischen Revolution und selbst bei den 68ern. Wirkliche Verbesserungen der sozialen Lage von Frauen und demokratische Errungenschaften waren Folge von Revolutionen, tw. sogar von gescheiterten. Es ist kein Zufall, dass die kühnsten und zugleich praktischsten Vorstöße zur Gleichberechtigung und Befreiung der Frau im ersten ArbeiterInnenstaat der Welt – der Sowjetunion – zu beobachten waren; es war genauso wenig ein Zufall, dass dieser Prozess fast komplett gestoppt wurde, als der konterrevolutionäre Stalinismus  sich durchsetzte.

Nur die Arbeiterbewegung hat die Befreiung der Frau mit der Idee einer anderen Gesellschaft, des Sozialismus, verbunden. Diese gesellschaftliche, ja menschheitliche Perspektive ist die einzig angemessene Perspektive, unter der auch der Kampf gegen die Unterdrückung der Frau betrachtet werden muss!

Die aktuelle Sexismus-Debatte hingegen, wie sie in Talksshows und Polit-Runden geführt wird, wird allenfalls dazu, dem jeweiligen parteipolitischen Gegner eins auszuwischen. Sie wird nichts, aber auch gar nichts an den realen Verhältnissen ändern – schon deshalb nicht, weil sie nicht über den Horizont des „Geschlechterverhältnisses“ hinaus schaut, weil sie die Gesamtheit der sozialen Verhältnisse, die eben in ihrer Gesamtheit auch mit der Unterdrückung der Frau verbunden sind, nicht sehen will. Das zu sehen würde nämlich bedeuten, zu verstehen, dass es ohne die Überwindung des Kapitalismus auch keine Frauenbefreiung geben kann.

Bis dahin ist unseren Schwestern zu wünschen, dass sie mutig genug sind, den Brüderles bei Bedarf kräftig vors Schienbein zu hauen. Im übertragenen Sinn sollten Frauen – und natürlich auch Männer – auch die Gewerkschaften und linken Organisationen vors Schienbein treten, wenn sie den Kampf für die Befreiung der Frau als Nebenfrage betrachten oder sich mit der Einführung von Gleichstellungsbeauftragten zufrieden geben.

Wie nötig das ist, wird z. B. an der Äußerung Gregor Gysis klar, dem nichts weiter einfiel, als den Medien kundzutun, die Vorwürfe gegen Brüderle seien „übertrieben“. Als ob es nur um Brüderle ginge! Doch eines zeigt diese Äußerung Gysis: dass sein geistiger Horizont im Lauf der Jahre immer mehr dem Durchmesser der Reichstagskuppel entspricht.