Anti-AfD-Proteste: Welche Rolle sollten Gewerkschaften spielen?

Christian Gebhardt, Neue Internationale 281, April 2024

Das Jahr 2024 fing ermutigend an: Jede Woche war von größeren Demonstrationen zu lesen. Gar von einer Protestewelle war die Rede, als in ca. 200 deutschen Städten am Wochenende Menschen auf die Straße gingen, um gegen die bekanntgewordenen Remigrationspläne der AfD und ihnen nahestehender rechter Strukturen zu demonstrieren – Pläne, die viele Menschen betreffen würden. So war es nicht verwunderlich, dass sich bis Ende Februar etwa 4 Millionen Menschen beteiligten, nicht nur in Großstädten, sondern auch im ländlichen Raum. Doch nun scheint der Protest abzuebben – und das liegt nicht daran, dass der Rechtsruck aufgehalten wurde. Woran also sonst? Und welche Rolle spielen dabei die Gewerkschaften?

Kern des Protests

Während die CORRECTIV-Recherchen über das Hinterzimmertreffen der AfD und die „Remigrationspläne“ zwar Auslöser für die Proteste waren, so lag deren Hauptimpuls jedoch nicht in der Besorgnis um den gesellschaftlichen Rechtsruck oder die massenhaften Abschiebungen, sondern die Gefahr, die daraus für den Status quo der herrschenden Ordnung und damit den parlamentarisch-demokratischen Teil des kapitalistischen Überbaus erwächst. Oder kurz: die Angst vor dem drohenden Faschismus, verkörpert durch die AfD, sowie drohende „Weimarer Verhältnisse“. Konkret, dass die AfD für Verfassungsfragen die Größe einer sogenannten Sperrminorität erreichen könnte und somit keine Beschlüsse mehr mit Zweidrittelmehrheit gefasst werden könnten. Dies ist wichtig zu verstehen, um den Protest entsprechend zu charakterisieren.

Das heißt nicht, dass Antirassismus keine Rolle gespielt hat und nicht für viele ebenfalls ein Beweggrund gewesen ist. Nur spielte dieser nicht die Hauptrolle. Das ist einer der Gründe, warum sich die aktuellen Regierungsparteien so einfach unter den Protest mischen konnten, ohne für ihre aktuelle Abschiebepraxis kritisiert zu werden. Dadurch wurde es FDP, CDU/CSU, Grünen, SPD und der LINKEN ermöglicht, mit dem Finger auf die AfD zu zeigen und für das kommenden Superwahljahr von ihrer menschenverachtenden Asylpolitik in Landes- und Bundesregierungen abzulenken.

Vertreten auf den Protesten waren jedoch nicht nur Regierungsparteien, sondern auch andere unterschiedliche Organisationen der „Zivilgesellschaft“, von NGOs über Kirchen bis hin zu den DGB-Gewerkschaften. Doch nach ein paar Wochen zeigte sich schnell ein bekanntes Mobilisierungsmuster aus den letzten Jahren, wie bei den #unteilbar- Demonstrationen: ein breites, buntes Bündnis soll dafür gewonnen werden, moralisch die Ideologie der extremen Rechten zu verunglimpfen. Doch nach den einzelnen Kundgebungen sowie Demonstrationen passierte nicht mehr viel. Das hilft wenig im Kampf gegen rechts, genauso wenig wie etwaige Verbotsdiskussionen. Damit der Protest nicht verpufft, könnte vieles getan werden. Insbesondere den Gewerkschaften fällt hier eine Schlüsselposition zu.

Eine der zentralen Fragen ist also: Wie kann so ein Protest zu einer Bewegung werden, die nicht nur gegen die AfD moralisiert, sondern dem Rechtsruck insgesamt etwas entgegenstellen kann?

Vom Protest zur Bewegung

Um gesellschaftliche Kräfteverhältnisse zu ändern, reicht es nicht aus, dass diejenigen, die eh schon gegen die AfD sind, einfach auf die Straße gehen. Das hat vor 10 Jahren recht wenig gebracht und bringt heute noch weniger. Vielmehr muss der Protest in den Alltag getragen werden, an Schulen, Universitäten – und in die Betriebe. Hier sitzen die Gewerkschaften in einer Schlüsselposition. Theoretisch könnten sie ihre Mitgliedschaft mobilisieren, tausende von Betriebsversammlungen organisieren und damit einer Bewegung massiven Anschub leisten. Auf solchen Versammlungen reicht es jedoch nicht, nur mit moralisierenden Argumenten oder leeren Floskeln wie „Humanität“ und „Toleranz“ zu kommen. Um wirklich etwas zu verändern, müssen konkrete Verbesserungen erkämpft werden. Auch dies wäre durch die Gewerkschaften möglich, schließlich spielen sie eine Schlüsselrolle und können so effektiv auf den Produktionsprozess Druck ausüben.

Warum ist das notwendig?

Die AfD ist nicht über Nacht erfolgreich geworden, sondern existiert seit 10 Jahren. Damit wird sie mittlerweile nicht mehr einfach nur aus Protest gewählt von jenen, die mal eben den etablierten Parteien eins auswischen wollen. Vielmehr ist sie Resultat der

immer offener auftretende Krisen, die Zukunftsängste erzeugen und für die die etablierten Parteien keine adäquaten Lösungsansätze bieten können. Schließlich sind sie doch selbst das Problem oder haben über Jahrzehnte hinweg die Auswirkungen dieser Krise in den Augen vieler verwaltet und mitverantwortet. In diesem Windschatten konnte sich die AfD erst hinter ihrer Anti-EU-, dann Anti-Geflüchteten- und nun ihrer Anti-Ampelpolitik immer weiter aufbauen, an Stimmen gewinnen und auch politische Themen bestimmen und diese nach rechts drängen. Anstatt die Politik der Rechten aktiv zu bekämpfen, konnten die „Verwalter:innen“ des Systems nicht anders, als deren Forderungen und darüber hinaus aufzunehmen und dabei die politische Landschaft insgesamt nach rechts zu verschieben.

Aber nicht nur die politischen Parteien, sondern auch die Gewerkschaften haben zu dieser Stimmung beigetragen. Durch ihre starke Verbindung mit der SPD und in gewissem Masse mit der LINKEN, bildeten sie stets einen Stabilisierungsaktor für die Regierungspolitik. Durch ihre sozialpartnerschaftliche Strategie sorgten sie nicht nur für das Abwälzen von Krisenlasten auf breite Teile der arbeitenden Gesellschaft (und somit auf ihre eigenen Mitglieder), sondern trugen auch durch ihre Positionen zum Ukrainekrieg und Nahostkonflikt dazu bei, dass sie als Teil des „Problems“ wahrgenommen werden und nicht als eine Organisation, von denen sich Menschen Lösungen für ihre Krisenängste erwarten.

Wer nun erfolgreich gegen rechts kämpfen will, muss mit dieser Politik brechen, konkreter: mit der Sozialpartner:innenschaft.

Fesseln der Sozialpartner:innenschaft

Diese Strategie stellt eine der größten Fesseln dar, die die Gewerkschaften, vermittelt durch ihre Bürokratie und die reformistischen Parteien, an das kapitalistische System bindet und sie dazu verdammt, die Sozial-, Migrations- oder Außenpolitik der Regierung zu verteidigen. Dies bedeutet, dass die Gewerkschaftsbürokratie die herrschende Politik samt ihrer Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse mittels ihrer Klassenversöhnungsstrategie und Führung ihrer Arbeitskämpfe abdeckt und unterstützt. Dies äußert sich derzeit vor allem in den geführten Tarifauseinanedersetzungen, die sich alle unabhängig von der Kampfkraft der Beschäftigten an der „Konzertierten Aktion“ orientieren. Diese wurde zusammen mit dem Kanzler, den Regierungsparteien und den DGB-Gewerkschaftsspitzen abgesprochen und vereinbart, um klare Haltelinien für die Tairfverhandlungen festzulegen. Diese sollen es einerseits der Regierung ermöglichen, ihre Programme zu verwirklichen und gleichzeitig der Gewerkschaftsbürokratie erlauben, ihren Stammbelegschaften Erleichterungen zu versprechen, kämpferische Töne anzuschlagen, ohne aber sie in für die Regierung gefährliche Richtung lenken zu müssen.

Was könnten die Gewerkschaften denn tun?

Mit Hinblick auf die Bewegung gegen rechts geht es vor allem darum, Antworten zu geben, wie an dieser angesetzt werden und ihr eine politische Stoßrichtung gegen die Politik der Regierung und der Abwälzung der unterschiedlichen Krisenlasten auf unsere Schultern gegeben werden kann. Diese Abwälzung muss verhindert werden. Sie verkörpert eine der realsten Zukunftsängste vieler Menschen. Es muss sich aktiv gegen die von der AfD (wie auch anderen konservativen Parteien) betriebene Sündenbockpolitik in Gestalt von „Ausländer:innen“, „Migrant:innen“, „Bürger:innengeldbezieher:innen“ oder „Arbeitslosen“ entgegenstellt werden, anstatt diese Erklärungsmuster wie beim BSW zu verinnerlichen. Die Probleme müssen klar angesprochen und offengelegt werden: Für die zunehmenden Krisen und Zukunftsängste ist das Kapital mit seinen internationalen Konkurrenzkämpfen, die sie auf unseren Rücken austrägt, verantwortlich, also wirklich Sündenbock.

Die Gewerkschaften könnten durch die Organisierung von Geflüchteten, Migrant:innen, Arbeiter:innen, Jugendlichen sowie Arbeitslosen und Rentner:innen Brücken schlagen zwischen diesen Menschen. Durch Massenmobilisierungen können diese zusammengeführt und unterschiedliche politische Themen angesprochen werden. Dadurch lässt sich zum Beispiel der Kampf gegen rechts im Betrieb mit dem gegen Lohnabbau und Sozialkürzungen gut verbinden. Hierbei kann doch aufgezeigt werden, dass nicht die Bezüge für Arbeitslose bzw. Migrant:innen schuld daran sind, dass es zu Reallohnverlusten während der Inflation kommt, sondern es daran liegt, dass das Kapital nicht mehr Geld lockermachen möchte, obwohl für Managerboni wie bei der Bahn die Millionen fließen können. Dies kann praktisch dadurch geschehen, dass wir für Verbesserungen für alle auf die Straße gehen – finanziert durch die Reichen – und dabei nicht zurückschrecken, klare antirassistische Positionen zu beziehen. Zentrale Forderungen für eine Kampagne, die unterschiedliche Proteste zusammenführen kann, könnten u. a. folgende sein:

  • Mehr für uns: Anhebung des Mindestlohns für alle und Mindesteinkommen gekoppelt an die Inflation! Für das Recht auf Arbeit und die gewerkschaftliche Organisierung aller Geflüchteten, keine Kompromisse bei Mindestlohn und Sozialleistungen!

  • Wohnraum muss bezahlbar bleiben: Nein zum menschenunwürdigen Lagersystem! Enteignung leerstehenden Wohnraums und Nutzbarmachung öffentlicher Immobilien zur dezentralen und selbstverwalteten Unterbringung von Geflüchteten und für massiven Ausbau des sozialen Wohnungsbaus statt Privatisierung! Nein zu Leerstand und Spekulation!



Koranverbrennung und Enhedslisten – ein vorläufiger Tiefpunkt

Jette Kromann, Dänemark, Neue Internationale 276, September 2023

Seit Monaten wetteifern kleine faschistische Gruppen wie die „Dänischen Patrioten“ und der „Stram Kurs“ (Strenger Kurs) darum, einzelne Mitglieder zu den türkischen und arabischen Botschaften in Kopenhagen – und in Stockholm – zu schicken, um unter Polizeischutz Speckscheiben in den Koran zu stecken, darauf herumzutrampeln und ihn anzuzünden. Alles im Namen der Redefreiheit. In Wirklichkeit handelt es sich um einen politischen Trick, um mit rassistischen Hasskampagnen gegen Muslime/a für sich zu werben.

Die Politik hat nicht auf deren Beschwerden reagiert. Erst nachdem die OIC (Organisation für Islamische Zusammenarbeit) kollektiv protestiert hat, haben die drei bürgerlichen Regierungsparteien versucht, sich auf der Grundlage der „neuen pragmatischen Linie in der Außenpolitik“ des von der Partei Die Moderaten (Moderaterne) gestellten Außenministers Lars Løkke Rasmussen dem internationalen Gegenwind Rechnung zu tragen.

Auf der anderen Seite stehen die bürgerlichen Oppositionsparteien der extremen parlamentarischen Rechten. Sie sind sich einig in der prinzipiellen „Verteidigung der Redefreiheit“ gegen das „Appeasement“ der Regierung.

Enhedslisten

Die Reaktion der parlamentarischen Fraktion der Enhedslisten (EL, Einheitsliste; Schwesterpartei der Linkspartei in Dänemark) ist peinlich und verrät die politische Mitte-Rechts-Haltung der Partei. Sie stellt die EL an die Seite der extremen parlamentarischen Rechten. Die Motive der EL unterscheiden sich natürlich von denen ihrer rassistischen Verbündeten zur „Verteidigung der Redefreiheit“. Die Fraktion will sich um jeden Preis als die beste Vertretung der bürgerlichen Demokratie erweisen – einschließlich der Einigkeit mit der extremen parlamentarischen Rechten.

Niemand, der/die Macht und Einfluss hat, sollte auch nur den geringsten Verdacht hegen, dass die EL in irgendeiner Weise ein Ziel jenseits des Rahmens der bürgerlichen Klassengesellschaft verfolgt. Selbst diese reaktionäre rassistische Verzerrung der Bürgerrechte symbolisiert für die Reformist:innen der EL einen Fetisch. Es ist der opportunistische Preis für die Aufrechterhaltung der Illusion, in der Hochburg der bürgerlichen politischen Knechtschaft „Einfluss zu gewinnen“.

Aber Sozialist:innen stehen auf keiner Seite – weder auf der des pragmatischen Opportunismus der Regierung angesichts des Drucks der reaktionären OIC-Führer:innen noch auf der des Beharrens der rechten Parteien auf ihrer rassistisch motivierten „Redefreiheit“. Die historische Strategie und das Ziel des Sozialismus – die Verteidigung und das Bündnis aller Unterdrückten und Ausgebeuteten unter der Führung der Arbeiter:innenklasse für ihre – und letztlich für die Befreiung der gesamten Menschheit – durch die sozialistische Revolution wird für einen rein illusorischen parlamentarischen „Einfluss“ „verkauft“. Sozialismus ist keine abstrakte Sonntagsrede, sondern konkret, auch wenn es darum geht, sich an die Seite der am meisten Unterdrückten zu stellen – der ethnischen Minderheiten muslimischen Hintergrunds, deren Leben seit Jahrzehnten und insbesondere in den letzten mehr als 20 Jahren als Opfer des Mainstream-Rassismus durch aufeinanderfolgende Regierungen zum Albtraum geriet.

Die Bücherverbrennung ist und war nie ein Ausdruck der freien Meinungsäußerung. Ganz im Gegenteil. In der Neuzeit ist sie mit den öffentlichen Bücherverbrennungen der Nazis zum Symbol für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit geworden.

Absurdität

Es ist im Grunde genommen absurd zu behaupten, dass es bei Koranverbrennungen um Meinungsfreiheit geht. Was liefert den Hintergrund der historischen revolutionären bürgerlichen Forderung nach Redefreiheit als Teil einer Reihe von bürgerlich-demokratischen Rechten, die durch die große bürgerliche französische Revolution von 1789 eingeführt wurden? Die Redefreiheit wurde als die Fähigkeit der Bürger:innen verstanden, sich frei gegen den Missbrauch der Macht durch die Herrschenden zu äußern (dass sie in der Praxis nie wie beabsichtigt funktioniert hat, ist eine andere Sache). Sozialist:innen sehen im Allgemeinen das Interesse der Arbeiter:innenklasse darin, die bürgerlichen demokratischen Rechte – einschließlich der Redefreiheit – mit den Methoden des Klassenkampfes zu verteidigen. Das ist auch der Grund, warum echte Sozialist:innen im Allgemeinen die Idee ablehnen, dass die bürgerliche Gesetzgebung Garantin gegen Rassismus sein sollte. Die Erfahrung zeigt, dass es zwischen bürgerlichem Parlamentarismus und faschistischer Politik keine unüberwindlichen Mauern gibt.

Das beweist sehr deutlich dieser Fall von Koranverbrennung. Die parlamentarische Rechte, einschließlich der drei Regierungsparteien hat die „Meinungsfreiheit“ der faschistoiden Kleingruppen dabei konsequent verteidigt, bis sie auf den internationalen Protest aus den muslimisch geführten OIC-Staaten traf. Seit mehreren Jahren werden große Polizeiressourcen für den Polizeischutz von Rasmus Paludans, Parteivorsitzender von „Stram Kurs“, rassistischen Ein-Mann-Demonstrationen sowie für die Verbrennungsexzesse der letzten Zeit aufgewandt.

Die Koranverbrennungen sind der jüngste Tiefpunkt eines Mainstream-Rassismus, der unter der Führung der konkurrierenden bürgerlichen Parteien entscheidend dazu beigetragen hat, das gesamte politische Spektrum stark nach rechts zu verschieben. Der neue pragmatische Vorschlag der Regierung, die Möglichkeit eines Verbots der Koranverbrennungen zu prüfen, ist ein Zeichen dafür, dass die Bourgeoisie erreicht hat, was sie in den fast 20 Jahren der Konzentration auf den antimuslimischen Mainstream-Rassismus erreichen konnte. Jetzt geht es um das große Ganze – die Beteiligung an der Aufrüstung und am internationalen Kalten Krieg. In dieser Perspektive ist es wichtig, die muslimischen reaktionären Staatsführer:innen nicht weiter von der westlichen USA/NATO-Front des imperialistischen Kalten Krieges zu entfremden.

Der gegenseitige Wettbewerb der bürgerlichen Parteien um die rassistische Politik gegen Geflüchtete und Minderheiten hat dazu beigetragen, das Kräfteverhältnis zwischen den Parteien der Bourgeoisie völlig neu zu ordnen. Von der zentralen politischen Partei der Bourgeoisie, Venstre, spalteten sich 2022 die pragmatischen Moderat:innen ab, die jetzt beide als Juniorpartnerinnen in der sozialdemokratisch geführten Regierung vertreten sind. Zu ihrer Rechten etablierte sich eine rechtspopulistische, antimuslimische, rassistische Partei – Støjbergs Dänemarkdemokrat:innen. Für die Arbeiter:innenbewegung haben die rund 20 Jahre des vorherrschenden Mainstream-Rassismus eine tiefgreifende Schwächung bedeutet. Die gesamte Gesellschaft hat sich politisch nach rechts gewandt, wobei die Gewerkschaftsführung und der parlamentarische linke Flügel – Enhedslisten – als passive oder direkt willfährige Zuschauer:innen dastehen.

Kalter Krieg

Der neue Kalte Krieg, insbesondere zwischen den USA und China, und der russische imperialistische Kriegsangriff auf die Ukraine haben dazu geführt, dass der Rassismus in der Politik der Bourgeoisie durch andere geostrategisch wichtigere Fragen modifiziert wird. Die dänische Bourgeoisie ist jetzt in völligem Gehorsam gegenüber den imperialistischen Interessen der USA gegen China mit der nationalen Aufrüstung beschäftigt. Ihr politisches Instrument – die von den Sozialdemokrat:innen geführte bürgerliche Drei-Parteien-Regierung – hat einen neuen Schwerpunkt mit neuen Aufgaben – nämlich die Arbeiter:innenklasse für die neuen Kriegsvorbereitungen und für die staatliche Finanzierung der Transformationskosten des Privatkapitals zur Bewältigung des Klimawandels zahlen zu lassen.

Ein sozialistisch geprägter Kampf gegen den politischen Mainstream-Rassismus der letzten Jahre hätte ein fortschrittliches Bündnis zwischen der Arbeiter:innenbewegung mit der Gewerkschaftsbewegung an der Spitze schaffen können. Eine solche Verteidigung ist der Weg zur Ermächtigung der Muslime/a in Dänemark. Nur so kann diese unterdrückte Bevölkerungsgruppe aus ihrer unfreiwilligen teilweisen Isolation herausgeführt werden und sich als Teil einer fortschrittlichen Bewegung behaupten. Sie ist auch ein wichtiger Teil des Weges zur Stärkung der gesamten Arbeiter:innenklasse in dem wichtigen bevorstehenden Kampf um die Macht in der Gesellschaft. Die Enhedslisten-Parlamentarier:innen werden offensichtlich nicht zu diesem Kampf beitragen. Es liegt an den anderen – den ernsthaften sozialistischen Antikapitalist:innen innerhalb und außerhalb der EL –, sich in dem Bemühen zu vereinen, diese Aufgabe zu erfüllen.




Ampel gegen Geflüchtete: bei Einreise rot, bei Ausreise grün

Jürgen Roth, Infomail 1229, 10. August 2023

Am 8. Juni 2023 hatten sich die EU-Innenminister:innen auf einen Kompromiss zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt. Zukünftig sollen Asylverfahren für Menschen mit geringen Aussichten (Einreise aus „sicheren“ Staaten wie der Türkei, Anerkennungsquote unter 20 % z. B. bei Herkunft aus Afghanistan) in grenznahen, haftähnlichen Lagern innerhalb von 12 Wochen abgewickelt werden können. Diese Inhaftierung gilt ebenfalls für Familien mit Kindern.

Zahlen

2022 verzeichnete das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR Rekordzahlen an Geflüchteten. 5,2 Millionen benötigten internationalen Schutz, weil sie gewaltsam vertrieben wurden, und gehörten nicht zu einer der im Weiteren genannten Gruppen. 5,4 Millionen ersuchten um Asyl. 5,9 Millionen palästinensische Flüchtlinge wurden vom UN-Hilfswerk UNRWA betreut. 29,4 Millionen waren unter UNHCR-Mandat ins Ausland geflohen. 62,5 Millionen suchten innerhalb ihres Heimatlandes Schutz.

Die ersten 5 Plätze bei den Herkunftsländern der ins Ausland Geflüchteten belegten in dieser Reihenfolge Syrien (6,55 Millionen), Ukraine (5,7 Millionen), Afghanistan (5,66 Millionen), Venezuela (3,45 Millionen) und Südsudan (2,4 Millionen). Bei den Aufnahmeländern waren die ersten Ränge vergeben an: Türkei (3,57 Millionen), Iran (3,43 Millionen), Kolumbien (2,46 Millionen), Deutschland (2,08 Millionen) und Pakistan (1,74 Millionen). Die meisten Binnenflüchtlinge gab es in: Kolumbien (6,8 Millionen), Syrien (6,8 Millionen), Ukraine 5,9 Millionen), Demokratische Republik Kongo (ehem. Zaire; 5,5 Millionen), Jemen (4,5 Millionen) und Sudan (3,6 Millionen).

Weitere Details fürs Trilogverfahren

Angesichts dieser erschreckenden Fakten wirkt das Gefeilsche des EU-Innenminister:innenrats um weitere Verschärfungen der Asylgesetzgebung geradezu bizarr und gibt zu Verzweiflung und Kopfschütteln Anlass. Im sogenannten Trilogverfahren, bei denen EU-Mitgliedstaaten, -Parlament und -Kommission verhandeln sollen, stehen weitere Details zur Debatte.

Die Einigung umfasst noch weitere Punkte. Eine Mehrheit im Rat stimmte für sog. verpflichtende Solidarität mit den Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der Festung EU. Länder wie Polen und Ungarn, die keine Geflüchteten aufnehmen (außer im Fall des Ersteren aus der Ukraine) wollen, sollen ein Kopfgeld (20.000 Euro pro Flüchtendem/r) zahlen. Mit Solidarität mit Geflüchteten hat das nun allerdings gar nichts zu tun. Staaten wie Griechenland oder Italien sollen so motiviert werden, Neuankömmlinge nicht einfach weiterziehen zu lassen, sondern sich an die Dublinverordnung halten, der zufolge Asylbewerber:innen dort registriert werden, wo sie zuerst die EU betreten haben. In der Praxis funktioniert dieses System schon lange nicht mehr, weshalb z. B. Deutschland und Österreich wieder Grenzkontrollen eingeführt haben, die dem Schengenabkommen eigentlich zuwiderlaufen.

Will die EU Rückführungen durchsetzen, wird sie z. B. der Türkei erneut Geld in die Hand geben müssen. Bisher können dorthin keine Abschiebungen erfolgen, so dass sich auf den griechischen Inseln, Kos, Samos und Leros Geflüchtete in von der EU finanzierten geschlossenen Zentren für den kontrollierten Zugang (CCAC) aufhalten müssen, in denen der Zugang zu Rechtsbeistand und medizinischer Hilfe stark eingeschränkt ist und menschenunwürdige Zustände herrschen. Diese Lager gelten als Versuchsballon für die geplanten Verschärfungen.

Im Gespräch ist beim in der BRD herrschenden Flughafenverfahren, dem zufolge schon jetzt Asylsuchende, die ohne gültigen Pass oder aus einem „sicheren“ Herkunftsland auf dem Luftweg eingereist sind, für 19 Tage inhaftiert werden können, diesen Zeitraum künftig auf 12 Wochen zu verlängern. Zudem könnten Menschen, die auf dem Landweg hierhergekommen sind und zuvor in  keinem anderen EU-Staat registriert wurden, im Grenzverfahren inhaftiert werden. Dies könnte auch für aus Seenot Gerettete gelten, die im sog. Relocationverfahren nach Deutschland gelangten.

Bei den verstärkter anfallenden Rückführungen soll die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) mehr als bisher schon einbezogen werden. Insgesamt nimmt die Zahl der unter ihrem Mandat Abgeschobenen stetig zu: 2020: 12.000, 2021: 18.000 und 2022: 25.000. Frontex hat extra dafür eine aus Begleit- und Unterstützungsbeamt:innen bestehende bewaffnete Eingreiftruppe unter der Bezeichnung „Ständige Reserve“ aufgebaut. Sie soll bis 2027 10.000 (!) Leute umfassen.

Krisenverordnungspläne …

Kaum hatten sich die EU-Innenminister:innen auf eine Verhandlungsposition geeinigt, karteten sie Anfang Juli nach. Eine Krisenverordnung soll Asylsuchende bedeutend länger an den Außengrenzen festhalten, bis zu 5 Monaten. Zudem sollen auch Flüchtende ohne gültigen Ausweis, aus Seenot Gerettete und solche, die widersprüchliche Angaben gemacht haben, in den „Genuss“ dieser Grenzverfahren kommen können.

Eine neue Screeningverordnung soll die Erfassung biometrischer Daten ermöglichen. Dabei wird so getan, als seien die Betroffenen noch nicht in die EU eingereist (fiktive Nicht-Einreise). Ein neues Asyl- und Migrationsmanagement soll die Dublin-III-Verordnung ersetzen. Demnach können Einreiseländer unter bestimmten Bedingungen einen erhöhten „Migrationsdruck“ ausrufen und andere Mitgliedstaaten zur Aufnahme der Schutzsuchenden und Bearbeitung ihrer Asylanträge auffordern. Alle 27 sollen der Kommission dazu jährlich ihre Kapazitäten mitteilen. In diesem Punkt sind sich die Innenminister:innen bereits einig, bei der Krisenverordnung noch nicht in allen Details (z. B. Verlängerung der Inhaftierungszeit). Erst dann können die Verhandlungen mit Kommission und Parlament beginnen. Bis zur Europawahl 2024 soll die Festung Europa noch  abgeschotteter sein.

Erste Vorschläge zur GEAS-Reform stammen aus dem Jahr 1999, nahmen ab 2015 deutlich an Fahrt auf, stockten jedoch wegen der harten Linie einiger Staaten (bspw. Polen und Ungarn). Ab 2020 hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, das Gesamtpaket Brüssels namens „Pakt zu Migration und Asyl“ in 9 einzelne Richtlinien aufzuteilen, deren Teile u. a. Krisen-, Screening- sowie Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung bilden.

… vorläufig gescheitert

Am 26. Juli konnte sich der Rat nicht auf weitere Verschärfungen einigen. Polen, der Slowakei, Tschechien und Ungarn gehen einerseits die Pläne nicht weit genug, andererseits sperren sie sich gegen die verpflichtende Umverteilung Schutzsuchender im Fall der Ausrufung eines „Massenzustroms“. Die BRD hatte sich enthalten, weil auch Minderjährige ins ausgedehnte Grenzverfahren gezwungen werden sollen. Die Enthaltung erfolgte aber auch aus dem Grund, weil die Bundesregierung eine Instrumentalisierung der Krisenverordnung befürchtet wie 2020 an den Außengrenzen zu Belarus und der Türkei. Deren Regierungen hatten die Weiterreise in die EU genehmigt und zum massiven Grenzübertritt ermutigt.

Da das EU-Parlament sich nur mit den einzelnen 9 Vorschlägen beschäftigen will, wenn sich der Europäische Rat der Mitgliedstaaten auf das Gesamtpaket geeinigt hat, ist z. B. die Screening-Verordnung ausgesetzt. Das Parlament blockiert auch die Eurodac-Verordnung, der zufolge auch Kinder ab 6 Jahren Fingerabdrücke und Gesichtsbilder abgeben müssen. Ebenfalls auf Eis liegt die Reform des  Schengener Grenzkodexes. In dessen Gefolge hätte im Fall eines „Migrationsdrucks“ die EU u. a. ihre Übergänge an den Außengrenzen schließen und die Einreise in ganzen Regionen verhindern sowie Grenzübergänge innerhalb des Schengenraums wieder in Betrieb nehmen können.

Druck auf Tunesien

Unmittelbar nach dem GEAS-Kompromiss im EU-Minister:innenrat reisten Kommissionschefin von der Leyen und die Regierungschef:innen Italiens und der Niederlande nach Tunis zur Beratung mit dem tunesischen Präsidenten Kais Saed. Ähnlich wie 2016 mit der Türkei sollte ein Abkommen festgezurrt werden, Boote mit Migrant:innen konsequent am Ablegen Richtung Italien zu hindern. So darf sich Tunesiens Regierung auf zunächst 255 Milliarden Euro freuen: 105 für Abschiebungen, 150 für „Grenzmanagement und Schmuggelbekämpfung“. Das Land ist auf Hilfe als Voraussetzung für neue IWF-Kredite angewiesen. Die EU-Regierungen fürchten bei einem Zusammenbruch der Staatsfinanzen, dass wieder vermehrt Tunesier:innen Kurs Richtung Europa übers Mittelmeer einschlagen werden. Ihr Anteil an den Angekommenen lag zuletzt bei nur 7 %. In vergangenen Jahren machten sie zeitweise die größte Gruppe aus.

Tunesien soll sich also auch in die Riege „sicherer Herkunftsstaaten“ einreihen. Die deutsche Innenminister:innenkonferenz nahm das gleich zum Anlass, diese Liste zusätzlich um Ägypten, Algerien, Indien, Marokko und die Republik Moldau zu erweitern. Dazu hat Tunesien als erstes afrikanisches Land Mitte Juli mit der EU-Kommission eine „Operative Partnerschaft zur Bekämpfung des Menschenschmuggels“ unterzeichnet. Ihr Vorgehen dabei verstößt eigentlich gegen die EU-Verträge, die die Zustimmung der 27 Mitgliedstaaten vorsehen. Doch wenn’s der Abschreckung dient …

Das Abkommen fußt auf den 5 Säulen zwischenmenschliche Beziehungen, wirtschaftliche Entwicklung, Investitionen und Handel, erneuerbare Energien und Migration. Tunesien darf zusätzlich zu den o. a. Zuwendungen auf günstige Darlehen in Höhe von 900 Millionen Euro hoffen. Erneuerbare Energien sind dabei nicht für das Land geplant. Sie sollen Europas Fabriken mit Strom beliefern, deren Produkte dann wieder in Nordafrika verkauft werden dürfen. Auch die Technologie stammt aus der EU. Es handelt sich also um ein Beispiel für Ökoimperialismus.

Eine neue Welle der Gewalt gegen schwarze Geflüchtete bis hin zu Pogromen erfolgt in einer Region, in der auch die BRD aktiv ist. Das Bundesverteidigungsministerium hat die tunesisch-libysche Grenze mit einer Überwachungsanlage eines deutschen Rüstungskonzerns aufgerüstet, die als gut geeignet gegen eine Welle „illegaler Einwanderer:innen“ bezeichnet wird. Die Vertreibung Geflüchteter in die andere Richtung zum Verdursten in der Sahara ist dagegen keine Überwachung wert!

Neuer Türsteher Ägypten

Ägypten kooperiert mit Italien seit 2007. 2008 wurde ein bilaterales Abkommen geschlossen. Seit 2017 gibt es den sog. Migrationsdialog des Militärregimes mit der EU, seit dem gleichen Jahr auch eine bilaterale Übereinkunft mit der BRD. Noch in diesem Jahr will die EU-Kommission mit ihm einen Deal nach tunesischem Muster abschließen.

Seine Küstenwache erhält dazu 2 neue Schiffe im Wert von 23 Millionen Euro geschenkt. Die Mittel stammen aus dem Fonds NDICI (Neighbourhood, Development and International Cooperation Instrument – Global Europe), aus dem die sog. Nachbarschaftshilfe finanziert wird. Außerdem erhält Ägypten Wärmebildkameras, Satellitenortungssysteme und anderes Überwachungsgerät. Es rüstet auch seine Landgrenzen mit EU-Mitteln auf. Der Finanzierungsplan 2022 sah 57 Millionen Euro aus EU-Töpfen vor. 2023 wurde das auf 87 Millionen aufgestockt. Zusätzlich erhält Kairo 23 Millionen zum „Schutz von Flüchtlingen, Asylbewerber:innen und Migrant:innen“ plus weitere 20 Millionen für die Aufnahme von Personen, die vor dem Bürgerkrieg aus dem Sudan geflohen sind. Für diese hatte die ägyptische Regierung vor 2 Monaten die Bedingungen drastisch verschärft. Sie müssen ein Visum für den Grenzübertritt beantragen. Seitdem sitzen Tausende unter katastrophalen Bedingungen an der Grenze fest.

Einer Stationierung von Frontex verschließt sie sich einstweilen noch, doch koordiniert diese „gemeinsame Rückführungsaktionen“ für abgelehnte Asylbewerber:innen. Auf Grundlage des „Gesetzes Nr. 82 zur Bekämpfung der illegalen Migration und der Schleusung von Migrant:innen“ aus dem Jahr 2016 verstärkte auch Ägypten seine Überwachung der libyschen Grenze deutlich.

Frontex und Vorverlagerung der Flüchtlingsabwehr

Frontex bekommt zusätzlich zum Jahresbudget (250 Millionen Euro) weitere 200 Millionen. EU-Außenstaaten dürfen 140 Millionen für neue Überwachungssysteme kassieren, Bulgarien und Rumänien – beide noch keine Schengen-Vollmitglieder – 56 Millionen für die Sicherung ihrer Grenzen zur Türkei und zu Serbien. Für die libysche „Küstenwache“ hat die Kommission bereits 50 Millionen Euro ausgegeben, Fortsetzung folgt. Allein dieses Jahr hat sie 7.562 Personen auf hoher See aufgegriffen. Libyen, Ägypten und Tunesien gehören zu den Staaten der „Europäischen Nachbarschaft“ und erhalten Zuwendungen über das dazugehörige Finanzprogramm.

Die EU-Kommission will die „Vorverlagerung“ der Migrationsabwehr aber auch auf Westafrika ausweiten. Frontex will zu diesem Zweck Grenzbeamt:innen nach Mauretanien und in den Senegal schicken, wenn entsprechende Statusabkommen ausgehandelt sind.

Innenminister:innenkonferenz (IMK)

Auf Initiative der Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD), turnusgemäß Chefin der IMK, trafen sich die obersten Sheriffs der Republik während der 3. Juniwoche in der Hauptstadt. Die IMK besteht seit 1954. Aufgaben der Gefahrenabwehr fallen nach dem Grundgesetz unter Länderhoheit. Was sie Riege so anstellt, entzieht sich weitgehend dem Blick der Öffentlichkeit. Beschlüsse werden einstimmig und durch die Länder getroffen; die Bundesinnenministerin ist nur Gast. Die Geheimbündelei erstreckt sich auch auf vorgelegte Berichte, Beschlussvorlagen und Beschlüsse. Erst seit 2015 herrscht eine Transparenz bei Dokumenten, deren Veröffentlichung die IMK einmütig beschließt. So viel zur bürgerlichen Demokratie!

Ein bestimmendes Thema bildeten Maßnahmen zur Verringerung der Zahl der Geflüchteten, die in die BRD kommen. An der deutsch-polnischen Grenze wurden seit März des Jahres doppelt so viel „irreguläre“ Einwander:innen festgestellt wie an der zu Österreich. An beiden ist das Schengenabkommen partiell ausgesetzt. Eine besonders makabre Note erhielt das Ansinnen der IMK, die Kosten für Schutzsuchende zu reduzieren, dadurch, dass gleichzeitig vor der griechischen Küste mehrere Hundert Menschen auf der Flucht nach Europa ertranken.

Erschwerte Seenotrettung

In diesem wie in vielen anderen Fällen wussten griechische Küstenwache und Frontex von der Seenot und haben die Menschen schlicht ersaufen lassen. In dieses Bild reihen sich die eskalierenden Schikanen gegen private Hilfsorganisationen ein. Früher wurden Schiffe wegen z. T. nur behaupteter erfundener Mängel tagelang festgesetzt. Heute werden sie nach einer Rettung sofort aus dem Mittelmeer abgezogen. Somit war die zivile Seenotrettung 2022 nur noch an 11 % der Ankünfte von Flüchtenden nach Europa beteiligt. Damit wird die Flucht noch gefährlicher, die Abschreckung noch größer. Im Vergleich zu 2014 gibt es heute sechsmal mehr Grenzbefestigungen, Fontex sei Dank.

Seit Jahren finanziert die EU die sog. libysche Küstenwache, die nichts weiter tut, als mittels Formen schwerer, darunter auch sexualisierte Gewalt Menschen an der Überfahrt in ein vermeintlich sicheres Europa zu hindern. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die rot-grün-gelbe Bundesregierung die Unterstützung für die zivile Seenotrettung festgeschrieben. So sollte das Bündnis „United 4 Recue“ 8 Millionen Euro über den Zeitraum von 4 Jahren erhalten. Bis Ende Juni war aber kein Cent geflossen. Eine Recherche des „Spiegel“ förderte zutage, dass die Nichtauszahlung politisch motiviert und nicht nur durch die Bürokratie bedingt sei. Es sollen nur Projekte an Land mitfinanziert werden.

Italien erließ am 24. Februar d. J. ein Gesetz, das Seenotrettung kriminalisiert. In einer 1. Phase des Dekrets wurde die „Sea-Eye 4“ 20 Tage in Verwaltungshaft genommen und mit 3.333 Euro bestraft. In der nächsten Phase wären 6 Monate und 50.000 Euro fällig, in der 3. Stufe ein Festsetzen auf Dauer.

Vorbild Großbritannien?

Zahlreiche Innenminister:innen jonglieren derzeit auch mit Gedanken, dem britischen „Vorbild“ nachzueifern. Die Regierung Rishi Sunaks hat den Stopp der Migration über den Ärmelkanal zur Priorität erhoben. Mittels des „Gesetzes gegen illegale Migration“ sollen alle, die auf irregulärem Weg auf die Insel gekommen sind, automatisch deportiert werden, ohne einen Asylantrag stellen zu können. Sie können bis zum Zeitpunkt der Deportation in ihr „sicheres“ Ursprungsland oder einen Drittstaat festgehalten werden.

Doch wohin mit ihnen? Seit dem Brexit gelten die Dublin-Bestimmungen nicht mehr und es gibt keine bilateralen Rückführungsabkommen mit EU-Staaten. Mit Ausnahme Ruandas hat London keine Überführungsverträge von Asylsuchenden geschlossen. 2022 einigten sich Großbritannien und Ruanda, dass Letzteres gegen finanzielle Hilfen Tausende Flüchtlinge aufnimmt, die eigentlich im Vereinigten Königreich Asyl beantragen wollen. Vor wenigen Wochen entschied allerdings das Londoner Berufungsgericht, dass es sich bei Ruanda um keinen sicheren Drittstaat handelt. Das Abkommen ist also rechtswidrig.

Scheinheiligkeit

Am 8. Juni hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) noch die Forderung zurückgewiesen, das deutsche Asylrecht unabhängig von jenem der EU weiter einzuschränken. Nur wenig später stimmte sie der „Reform“ des EU-Asylrechts in puncto Abschaffung des Anspruchs auf Einzelprüfung der Anträge zu, was bereits als Kompromiss gelten sollte.

Knapp 100 Delegierte des Länderrats, wie der kleine Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen heißt, trafen sich am 17. Juni im hessischen Bad Vilbel, um die dicke Kröte der geplanten EU-Asylrechtsverschärfung zu schlucken. Etwas anderes war bei diesem Funktionär:innengremium nicht zu erwarten. Ohne ernsthaftes Zerwürfnis, aber mit „viel Bauchschmerzen“ segnete der Länderrat das Vorhaben ab und stellte sich damit in der Schlange der Scheinheiligen an.

Bund und Länder: mehr Abschiebungen, weniger Asylrecht

Am 2. August legte das Bundesinnenministerium einen Entwurf vor, der mit den Ländern abgestimmt werden soll, bevor er ins Gesetzgebungsverfahren gehen kann. Die Rechte von Menschen in den Abschiebegefängnissen sollen eingeschränkt und die Befugnisse der Polizei ausgeweitet werden. Die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams wird von 10 auf 28 Tage verlängert. Die Polizei soll auf der Suche nach abzuschiebenden Ausländer:innen nicht nur die Räume der gesuchten Person, sondern auch alle anderen betreten dürfen.

Verbessern soll sich die Lage für Leute mit subsidiärem Schutz. Sie sollen Aufenthaltserlaubnis von 3 Jahren statt bisher einem bekommen. Ihre Rechtsstellung ist damit aber noch nicht völlig gleich mit der von Geflüchteten mit Schutzanerkennung gemäß Genfer Konvention bzw. Asylberechtigten. Sie erhalten z. B. keinen Reisepass für Geflüchtete.

Ferner geht es um verbesserten Datenaustausch zwischen Ausländer- und Sozialbehörden. Im  Ausländerzentralregister soll erfasst werden, wer existenzsichernde staatliche Leistungen erhält. Bundesinnenministerin Faeser schlägt u. a. auch vor, dass Widerspruch und Klage gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote zukünftig keine aufschiebende Wirkung mehr haben. Viele Neuerungen gehen auf den Druck der Bundesländer zurück.

2022 wurden knapp 13.000 ausreisepflichtige Personen aus Deutschland abgeschoben. 304.000 waren ausreisepflichtig, darunter 248.000 mit einer Duldung. Neben Asylbewerber:innen können auch Tourist:innen, Beschäftigte und Studierende ausreisepflichtig werden, wenn Visum bzw. Aufenthaltserlaubnis abgelaufen sind. Geduldete sind Ausreisepflichtige, die nicht abgeschoben werden dürfen.

Abschiebung auch ohne Straftat?

Die scheinheilige Hardlinerin Faeser gibt auch in einem anderen Punkt dem Druck einiger Bundesländer nach, die Regeln aus der Terrorismusbekämpfung gegen „Clankriminalität“ angewandt sehen wollen. Dafür soll das Aufenthaltsgesetz geändert werden. Die vermutete Zugehörigkeit zu kriminellen Vereinigungen, auch dann, wenn die Betroffenen keine Straftaten begangen haben, soll künftig für eine mögliche Abschiebung ausreichen.

Dies zielt auf einen Personenkreis, der im Polizeijargon „Gemeinschaften der Organisierten Kriminalität“ heißt. Unklar bleibt freilich, wie eine solche Zugehörigkeit festgestellt werden soll und ob hierfür Gerichte zuständig sind. Einige der als Clans bezeichneten Familien erhielten vor Jahrzehnten eine Duldung als Staatenlose, für deren Abschiebung es kein Zielland gibt. Das „Ruanda-Modell“ könnte sich hier anbieten.

Sicher ist nur: Unter dem Deckmantel einer Bekämpfung von „Clankriminalität“ werden Menschen allein aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit verfolgt. Razzien in Cafés, Shisha-Bars, Friseurläden und Wettbüros erfolgen häufig in Form von „Verbundeinsätzen“ von Ordnungsamt, Polizei und Zoll und enden nahezu ausschließlich höchstens in der „Aufdeckung“ von Bagatelldelikten. Für die Besitzer:innen, ihre Angestellten, Gäste und Kund:innen bedeuten sie jedoch rassistische Stigmatisierung, Rufmord und finanzielle Einbußen.

Dass die Grünen Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit anmeldeten, dürfte für sie wenig Trost bereiten. Betroffenheitsheuchelei und politische Bauchschmerzen gehören zu deren Grundausstattung. Wenn’s drauf ankommt, folgen sie stets den Wünschen der Herrschenden (siehe Bad Vilbel). Mehr Rückgrat in vergleichbaren Fällen zeigte sogar der Europäische Gerichtshof. In einem Urteil von Anfang Juli entschied er, dass Flüchtlingen, denen in ihren Herkunftsländern Verfolgung droht, nicht einfach ihr Schutzstatus genommen werden darf, auch dann nicht, wenn sie schwere Straftaten begangen haben. Es ist ganz einfach: Straftaten werden da verbüßt, wo sie begangen wurden – im Aufnahmeland!

Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Ende 2022 blieben in der BRD 1,8 Millionen Stellen unbesetzt. Bis 2035 werden lt. Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 7 Millionen Arbeitskräfte fehlen, besonders in Handwerk und Pflege. Auch wenn die Verantwortung der Kapitalbesitzer:innen für den hausgemachten Fachkräftemangel nicht geleugnet werden darf, so ist doch zu begrüßen, dass die Einwanderung von Arbeitskräften aus dem nichteuropäischen Ausland jetzt erleichtert werden soll. Ein Punktesystem vergleichbar dem kanadischen soll’s regeln: 3 Punkte gibt’s für ein im Heimatland absolviertes staatlich anerkanntes Studium oder 3 Jahre Berufserfahrung per Arbeitsvertrag. Für Deutschkenntnisse, eine in Deutschland lebende Bezugsperson oder Nichtüberschreitung eines Höchstalters gibt es weitere. Für mind. 6 Punkte erhalten Hochschulabsolvent:innen eine Blaue EU-Karte oder Fachkräfte eine nationale Aufenthaltserlaubnis.

Voraussetzung fürs Visum ist die Selbstfinanzierung des eigenen Lebensunterhalts. Wer nach 1 Jahr eine Festanstellung gefunden hat, soll seine Aufenthaltsgenehmigung unbürokratisch verlängern können. Bisher war die Anerkennung eines Berufsabschlusses nur möglich, wenn er in der BRD erfolgte. Das soll jetzt über einen einfachen Arbeitsvertrag auch im Ausland möglich sein. Eine niedrige Mindestgehaltsschwelle für Berufsanfänger:innen mit Hochschulabschluss soll die Arbeitsaufnahme erleichtern. Hier ist allerdings Vorsicht geboten, damit dadurch nicht Tarifabschlüsse und Mindestlohnregelungen in einer Art Ausländerklausel unterlaufen werden können. Vor dem 29. März 2023 eingereiste Asylbewerber:innen, die ihren Antrag zurückgezogen haben und eine Qualifikation und ein Arbeitsangebot vorweisen können, müssen jetzt nicht erst wieder ausreisen und sich vom Ausland her um ein Arbeitsvisum bemühen, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.

Laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) soll Migration besser „gesteuert und sortiert“ werden. Der FDP-Abgeordnete Johannes Vogel drückt es so aus: „Die irreguläre Migration muss runter, die reguläre Migration muss hoch“. „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“ könnte zur Ampeldevise werden. Gökay Akbulut, integrations- und migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, warnt zu Recht vor einer „Zwei-Klassen-Migrationspolitik“ und einer zu starken Ausrichtung des Gesetzentwurfs auf die Interessen derer, die sich ungestraft „die Wirtschaft“ nennen dürfen.

Chancen-Aufenthaltsgesetz

Seit gut einem halben Jahr ist das Gesetz in Kraft. Es sollte die Praxis der Kettenduldungen abschaffen und langjährig Geduldeten eine Bleibeperspektive weisen. Menschen, die zum Stichtag 31. Oktober 2022 5 Jahre lang geduldet in Deutschland leben und nicht straffällig geworden sind, erhalten 18 Monate Zeit, um die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zu schaffen. Dazu zählen Sprachkenntnisse, Ausweis und Bestreiten des eigenen Lebensunterhalts.

Im ersten halben Jahr seit Gültigkeit haben 49.000 Personen einen entsprechenden Antrag auf Chancen-Aufenthalt gestellt. Davon wurden 17.000 bewilligt, 2.100 abgelehnt. In Bayern gingen bis zum 18. April 9.980 Anträge ein, darunter 2.347 bewilligte und 658 abgelehnte. Häufiger Grund für die Ablehnung ist eine fehlende durchgängige Duldung (Kettenduldung). Die hohe Dunkelziffer in Bayern – mit über zwei Drittel ausbleibenden Bescheiden – führen der bayrische Flüchtlingsrat und der Republikanische Anwaltsverein (RAV) auf Machenschaften der Ausländerbehörden zurück. So erhalten Personen, die bereits einen Pass abgegeben haben, keine Duldung mehr; die, die noch keinen abgegeben haben, erhielten Strafanzeigen wegen Passlosigkeit. Duldungen würden ungültig gestempelt und Ausweisungsverfahren wegen minimaler ausländerrechtlicher Vergehen eingeleitet. Schon früher habe Bayern auf solchen Umwegen massiv Bleiberechtsregelungen unterwandert.

Auch wenn wir anerkennen müssen, dass es sich beim neuen Chancen-Aufenthaltsgesetz um eine bescheidene, aber echte Reform handelt, müssen wir Flüchtlingsrat und RAV Recht geben, die fordern, dass nicht nur Geduldete, sondern „alle vollziehbar Ausreisepflichtigen“ es in Anspruch nehmen können.

Für konsequenten Antirassismus!

Natürlich müssen wir alle Mobilisierungen gegen Migrationsrechtsverschärfungen, seien sie auch noch so zahm geraten, unterstützen. Die Arbeiter:innenklasse muss gemäß ihren ureigensten historischen Interessen auch das Feld der Migrationspolitik zu ihrem gestalten. Sie muss beginnen mit dem Eintreten für konsequente demokratische Reformen, die in der Forderung nach offenen Grenzen und vollen staatsbürgerlichen Rechten, nicht nur Bleiberecht und Duldung, gipfeln.

Darüber hinaus muss sie die legalen Voraussetzungen für ihre Klasseneinheit ergänzen durch soziale Forderungen wie Verteilung der Arbeit auf alle hier Lebenden, Mindestlohn, Anspruch auf volle Sozialhilfe, Reisefreiheit, gegen Arbeitsverbote und Residenzpflicht, für normales Wohnrecht statt Unterbringung in Lagern, Anerkennung der Berufsabschlüsse, kostenlosen Sprachunterricht usw.

Der Kampf gegen den Rassismus und die Abschottung der europäischen und deutschen Außengrenzen ist selbst Teil des Klassenkampfes und unerlässliche, wenn wir die Einheit im Kampf gegen Krieg, Krise und Umweltzerstörung wirklich herstellen wollen. Jedes Zugeständnis an die staatliche und rassistische Selektionspolitik verstärkt die Spaltung der Lohnabhängigen und den Sozial-Chauvinismus und ist Wasser auf den Mühlen der AfD.

Eine konsequente anti-rassistische Politik bildet letztlich eine Voraussetzung dafür, dass die Arbeiter:innenklasse überhaupt als von den bürgerlichen Parteien unabhängiges Subjekt in Erscheinung treten kann.




Wir sind alle linx: Rechte und staatliche Gewalt gemeinsam stoppen!

Jaqueline Katherina Singh, Infomail 1224, 5. Juni 2023

Am Mittwoch, dem 31. Mai, wurde die Antifaschistin Lina E. zu mehr als 5 Jahren Haft verurteilt. Weitere Angeklagte erhielten mehrjährige Haftstrafen. Das Urteil ist ein Hohn, der Prozess ein politischer Schauprozess. Er soll mahnen und zeigen, wer hier die Oberhand hat und was passiert, wenn man sich gegen die politische Rechte in Deutschland wehrt. Ähnlich rabiat wurde mit den Solidaritätsprotesten verfahren: Die Versammlungsfreiheit wurde einfach mal so eingeschränkt. Hunderte wurden gekesselt und werden nun des schweren Landfriedensbruchs beschuldigt. Handys wurden eingesackt und obendrauf gab’s noch Polizeigewalt und Repression, die nicht für alle kostenlos sein wird.

Die Frage der Selbstjustiz

Unter dem Hashtag #LinaE wurde tausendfach getwittert. Ganz vorne mit dabei: Liberale und Bürgerliche wie Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP, die uns erklären wollen, dass rechte Gewalt ja schlimm ist, die „Selbstjustiz“ von Lina aber gar nicht gehe. Und da sind dann eben solche Urteile gerecht. Dass die Verurteilung wesentlich auf der sog. „Kronzeugenregelung“ basiert, die weniger der „Wahrheitsfindung“ dient, wohl aber Denunziation durch Interessen geleitete und zweifelhafte Aussagen fördert, findet keine Erwähnung. Dass bei der Indizienlage das Prinzip „Im Zweifel für die Angeklagte“ keine große Rolle gespielt hat, wird halt unter den Tisch gekehrt. Im Verfahren reicht es mitunter, eine „weibliche“ Stimme zu haben, um als Täterin identifiziert zu werden.

Doch darüber hinaus stößt etwas auf. Man möchte in die unendlichen Weiten des Internets schreien, dass es alle Buchstaben durcheinanderwirbelt: Wer von Selbstjustiz gegen Faschist:innen redet, aber von rechter Gewalt sowie dem Unwillen des deutschen Staates, diese zu verurteilen, schweigt, sollte einfach mal die Fresse halten.

Was geschah, als der NSU mehr als 10 Menschen ermordet hat? Was war, als vor 2 Jahren der Faschist einen Journalisten angegriffen hat? Was passierte in Hanau? Das war rechte Selbstjustiz und der Spruch im Kopf hallt: „Wo, wo, wo wart ihr in Rostock? Wo, wo, wo wart ihr in Hanau?“

Wer also über Linas Selbstjustiz redet, aber sonst über rechte Gewalt schweigt, der macht klar, dass migrantische Leben weniger wert sind. Macht klar, dass die Wohnungslosen, die angezündet wurden, halt einfach Kollateralschäden sind. Wer glaubt, dass „linke“ Gewalt schlimmer ist als rechte, legitimiert Gewalt und Tod von uns, die wir nicht ins Weltbild der Faschist:innen passen. Und es ist auch irgendwo klar, warum gegen Lina E. gehetzt wird. Denn wer sich gegen rassistische Gewalt wehrt, wehrt sich irgendwann auch gegen die, die der bürgerliche Staat tagtäglich in Form von Abschiebungen, Arbeitsverboten, Racial Profiling und Armut ausübt. Und wo würden wir da nur hinkommen, wenn man aufhören würde, in Hufeisenform zu denken? Man würde sehr schnell zur Erkenntnis gelangen, dass der bürgerliche Staat schlichtweg wenig Interesse hat, rassistische Morde und rechte Gewalt zu bekämpfen – weil er selber Rassismus reproduziert.

Antifa ist Handarbeit: Was braucht es?

Nein, die Perspektive sollte nicht sein, dass wir alle in den Baumarkt rennen und Hämmer kaufen. Sie kann auch nicht darin bestehen, dass für jede weitere Haftstrafe, die im Zusammenhang mit den Tag-X-Protesten verhängt wird, noch mehr Sachschäden verursacht werden. Das hilft nicht gegen die rechte Gewalt und auch nicht gegenüber der Ohnmacht, die viele von uns erleben. Die Wut in Bahnen lenken, heißt, sich aktiv Gedanken zu machen, wie wir eine gesamtgesellschaftliche, eine Klassenperspektive aufwerfen können gegenüber Faschist:innen und staatlicher Gewalt.

Wenn wir schlagkräftig auftreten wollen, dann reicht es nicht nur, wenn diejenigen stellvertretend handeln, die sportlich, kräftig und mutig genug sind, Rechte in ihre Schranken zu weisen. Unsere Aufgabe muss es sein, demokratisch organisierte Selbstverteidigungskomitees aufzubauen, die flächendeckend agieren können. Das ist nur möglich, wenn es mit Rückhalt von breiteren Teilen der Bevölkerung – und das heißt vor allem der Lohnarbeiter:innen – passiert. Denn Einzelaktivist:innen, die machen natürlich einen Unterschied, können aber auf Dauer kein gesellschaftliches Kräftemessen gewinnen. Denn man muss ja nicht nur gegen Rechte, sondern auch gegen den bürgerlichen Staat kämpfen. Und vor allem heißt Antifaschismus und -rassismus, die Ursachen zu bekämpfen, die sie immer wieder hervorbringen.

Deswegen müssen wir uns fragen: Wie kommen wir aus der Situation der Schwäche, wo rechte Positionen spätestens seit 2015 salonfähig sind, heraus? Wie können wir die Debatte umdrehen und aus der Defensive kommen?

Perspektive: 2 Kampagnen, ein Weg

Die Kunst liegt darin, Forderungen aufzustellen, die eine/n aus der Defensive bringen und gleichzeitig unterschiedliche Kämpfe miteinander verbinden. Das bedeutet leider auch, dass man sich anschauen muss, was die aktuelle politische Lage prägt. Ich hätte gerne eine Kampagne für offene Grenzen, Staatsbürger:innenrechte für alle und Selbstverteidigungskomitees, weil dies schon mehr als notwendig ist, als es 2014/2015 war, als die Proteste gegen die Festung Europa und gegen die AfD noch Zehntausende auf die Straße gebracht haben, aber in Chemnitz Menschen von Faschist:innen gejagt wurden. Ich hätte sie gerne, denn ich bin mit den Schulstreiks gegen Rassismus politisiert worden, die in Solidarität mit den Geflüchteten des Oranienplatzes in Berlin oder der Gerhart-Hauptmann-Schule stattfanden. Doch die politische Lage ist vom Rechtsruck geprägt, aber nicht nur durch die zunehmende rechte Gewalt oder innere Militarisierung, sondern die Inflation und den Krieg. Aber was heißt das in der Praxis?

1. Kampf gegen Krise ist ein Kampf für uns alle

Entgegen manch populistischer Ansichten muss, ja darf man Antirassismus nicht aussparen oder gar explizit chauvinistische Hetze betreiben, um Leute für eine Bewegung zu begeistern. Für höhere Löhne, gegen Aufrüstung und Waffenlieferungen – all das geht, ohne bei der AfD fischen gehen zu müssen. Auf der anderen Seite darf man aber auch keine Angst haben und erst gar nicht zu Aktionen gehen, weil ja Rechte da sein könnten. Rechtspopulist:innen und Faschist:innen kann man aus Demos schmeißen und damit klar Stellung beziehen.

Darüber hinaus müssen wir beim Aufbau einer Antikriegs- und -krisenbewegung klar Stellung beziehen: Offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte sollten nicht nur für ukrainische Geflüchtete gelten, sondern für alle, die fliehen müssen. Sei es, weil Kriege Länder verwüsten oder die Inflation die Preise so hoch schießen lässt, dass man sich nichts mehr zu essen kaufen kann, oder seien es andere Gründe zu fliehen. Wir ziehen keine Trennlinie. Auch nicht im Kampf dafür, dass Löhne an die Inflation angepasst werden sollten. Bei Streiks oder sonstigen Protesten gegen die Inflation müssen wir dafür eintreten, dass Geflüchtete in die Gewerkschaft eintreten können, von unseren Kämpfen profitieren – und auch als Aktivist:innen eingebunden werden können. Nur wenn wir so gemeinsame Kämpfe schaffen mit den Beschäftigten, Aktivist:innen und Geflüchteten können wir existierende Vorurteile abbauen. Dabei machen es Klimaaktivist:innen vor, die zu den Beschäftigten in Betriebe gehen und das Gespräch suchen. Denn im Rahmen von solchen Bewegungen können Vollversammlungen an Schulen, Unis und in Betrieben stattfinden, wo wir in Debatten gemeinsam Verbindungen eingehen können.

Darüber hinaus muss die Linke in Deutschland sich einer weiteren Frage annehmen:

2. Gemeinsamer Kampf für demokratische Rechte

Was haben die Letzte Generation, Lina E. und die Palästinaproteste gemeinsam? Sie alle sind einer medialen Hetzkampagne sowie staatlicher Repression ausgesetzt worden. Die sonst so hochgelobten demokratischen Grundrechte wurden eingeschränkt. Man möchte fragen: Und das ist die angebliche Freiheit des Westens, die in Kiew verteidigt wird? Die Freiheit, die Klimaaktivist:innen in Präventivhaft schickt und in der Münchner Innenstadt das Mitführen von Sekundenklebern verbietet? Die Freiheit, die Antifaschist:innen zu 5 Jahren verurteilt, während Mithelfer:innen beim NSU, die mehrere Menschen ermordet haben, weniger bekommen haben? Die Freiheit, die einfach mal Tausend Menschen für rund 11 Stunden kesselt und versucht, politische Äußerungen zu unterbinden?

Da wird klar: Tolle Freiheit, aber definitiv nicht unsere. Denn ob beim Kampf gegen Umweltzerstörung, Faschismus oder die Interessen des deutschen Imperialismus: Sobald die eigene Ansicht nicht mehr deckungsgleich mit der des bürgerlichen Staats ist, kann es für Aktvist:innen unbequem werden. Das bedeutet für die Praxis: Die Verteidigung demokratischer Grundrechte wie das Demonstrations- und Versammlungsrecht – oder im Falle der EVG das zu streiken – wird in Zukunft eine größere und bedeutendere Rolle einnehmen. Und das heißt eben auch, dass man zwar auf Gerichtsurteile warten kann – aber viel Hoffnung sollte nicht reingesteckt werden, sondern vielmehr in den Willen, dass es auch Momente gibt, in denen sich Organisationen zusammenschließen und absprechen müssen, um gewisse Grundrechte praktisch durchzusetzen.

Organisation statt Einzelkampf

Antifaschismus, Antirassismus und Antikapitalismus können nur erfolgreich sein, wenn sie Hand in Hand gehen. Das heißt: Einzelkampagnen sind sinnvoll, um zu versuchen mehr Menschen zu erreichen und die Kräfte für ein Ziel zu bündeln, aber letzten Endes braucht es eine Organisation, die nicht nur unterschiedliche Kampagnen organisiert und dadurch miteinander verbindet, dass man Kampagne X bei Kampagne Y vorstellt und sich dann dafür feiert. Doof in Zeiten der Krise der Linkspartei und der radikalen Linken. Viele, die in den letzten Jahren aktiv gewesen sind, haben eher das Gefühl bekommen, dass alles wegbricht (weil auch alles ein bisschen eingebrochen ist). Statt also zu sagen, dass es weitergehen muss wie bisher (vielleicht mit ein bisschen mehr Methoden wie Mapping oder mit weniger Inhalt, um sich nicht noch mehr zu streiten), braucht es innerhalb der Linken eine politische und inhaltliche Diskussion darüber, was revolutionäre Klassenpolitik, revolutionäres Programm, revolutionäre Organisation heute bedeuten und wie wir sie konzipieren und aufbauen können. Es braucht, Mut neue Wege auszuprobieren, anstatt alte Fehler zu wiederholen. Ansonsten fehlt die Kraft, obige Bewegungen zu schaffen und mehr Teile der Bevölkerung anzusprechen.  Denn sowas fällt nicht vom Himmel oder passiert zur „richtigen Zeit“ von alleine, sondern wird auch durch Organisationen vorangetrieben und aufgebaut. Passiert das nicht, bleiben Wut und Ohnmacht zurück – und ein Staat, der voranschreitet, seine Meinung durchzusetzen, sowie eine Rechte, die immer aggressiver wird. Also lasst uns gemeinsam vorwärtsgehen!




Leipzig: Rassistischer Angriff auf Moschee

Dilara Lorin / Lukas Müller, Infomail 1173, 14. Dezember 2021

Am Abend des 13.12. gab es von Seiten der autonomen / antideutschen Szene in Leipzig eine unangemeldete Demonstration mit ca. 100 Personen auf der Eisenbahnstraße. Mit Parolen und Pyrotechnik zog die Menge durch die Straße und beschädigte dabei laut Bullen parkende Autos und zündete Müllcontainer an. Anlass war offenbar der „ACAB-Tag“. Soweit so normal für diese Strömung.

Grundsätzlich ist es gut und wichtig, auf die Straße zu gehen und auf den unterdrückerischen Charakter und die rassistischen Strukturen der Polizei aufmerksam zu machen – gerade auf der und um die Eisenbahnstraße, wo besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Dass man dabei, statt Transparente zu zeigen und Flugblätter an AnwohnerInnen zu verteilen, lieber vor der Haustür der Menschen randaliert, ist selbst schon eine politisch fragwürdige Sache. Unerträglich und ekelhaft wird es aber, wenn dabei angebliche „Linke“ Gebetsräume von muslimischen Menschen zum Ziel erklären und mit Steinen angreifen.

Die Moschee selbst gehört zur Diyanet Isler Türk Islam Birligi (DITIB), eine Organisation, die kritisiert werden muss, da die DITIP im engen Kontakt zur Erdogan-Regierung steht und die Führungen der Moscheen selbst das Regime sowie dessen Losungen unterstützen und auch verbreiten. Nichtsdestotrotz ist es ein Raum für viele Muslime und Muslima aus der Umgebung, die sonst keine andere Möglichkeit haben, in ihrer Nähe beten zu gehen. Viele von ihnen sind Geflüchtete aus Syrien oder anderen Ländern. Solche Räumlichkeiten anzugreifen während antimuslimische Hetze in jede Ritze der Gesellschaft salonfähig geworden ist, ist nicht nur falsch, sondern bedeutet auch das Geschäft der RassistInnen und FaschistInnen zu betreiben: Angst und Verunsicherung unter migrantischen Menschen zu verbreiten und die Gesellschaft anhand kultureller bzw. religiöser Linien zu spalten.

Während der NSU-Komplex, die Morde von Hanau und Halle, an Oury Jalloh, Amad Ahmad oder Giorgos Zantiotis noch immer nicht vollständig aufgeklärt sind, Angehörige, aber vor allem auch migrantische Gruppen um Gerechtigkeit und überhaupt um Gehör kämpfen müssen, gehen Antideutsche in Leipzig während einer Demonstration los und bewerfen eine Moschee mit Steinen und zertrümmern Fensterscheiben. Noch mal zur Klarstellung: An einem Tag, wo man um die Aufklärung der unzähligen Morde und gegen die Verstrickungen des Staates darin kämpfen sollte – und zwar Seite an Seite mit migrantischen Menschen! –  gehen vermeintliche „Linke“ in einer migrantisch geprägten Straße randalieren und greifen das Gebetshaus derjenigen an, die in Leipzig aber auch in Deutschland am meisten von Polizeigewalt, Racial Profiling etc. betroffen sind!

Einmal mehr haben sie unterstrichen, dass Antideutsche, auch wenn sie sich teilweise innerhalb der Linken bewegen, auf der anderen Seite der Barrikade stehen. Bundesweit fallen sie durch immer schärfere Stimmungsmache gegen arabische und muslimische Menschen auf. Viele ihrer Positionen sind von denen der AfD und anderen rechten Organisationen kaum zu unterscheiden. In den Augen extremer antideutsche Gruppen (siehe z.B.: http://raccoons.blogsport.de/2016/06/16/das-problem-heisst-islam/) ist jeder Mensch muslimischen Glaubens ein potentieller islamistischer Terrorist oder Anhänger Erdogans gegen den es die „westliche Zivilisation“ zu verteidigen gilt. Diese Aktion muss daher als das verurteilt werden, was sie ist: Ein antimuslimischer und somit rassistischer Angriff.




USA: Camp Bliss, ein Höllenlager

Dave Stockton, Infomail 1154, 25. Juni 2021

Mehr als 4.300 Kinder im Teenageralter sind derzeit in einer „Notunterkunft“ auf der Militärbasis Fort Bliss in El Paso, Texas, untergebracht. 12 riesige Zelte sind mit Hunderten von Schlafkojen in unmittelbarer Nähe gepackt. Jüngste Berichte, die von schockierten MitarbeiterInnen verdeckt an BBC-ReporterInnen gegeben und durch Berichte in der El Paso Times bestätigt wurden, offenbaren Bedingungen, die eine absolute Schande für die reichste Demokratie der Welt darstellen und die Realität der westlichen Werte offenbaren.

Unmenschliche Zustände

Das Camp liegt in heißem Wüstengelände, das regelmäßig von Sandstürmen heimgesucht wird, gegen die Zelte nur unzureichend schützen. Ein Mitarbeiter berichtet: „Am Ende des Tages sind wir alle nur noch von Kopf bis Fuß mit Staub bedeckt“.

Neben der gefährlichen Überbelegung, bei der Covid und Influenza grassieren, melden die InsassInnen, dass sie schlecht gekochtes Fleisch bekommen haben, das sie krank gemacht hat. Alle klagen über einen Mangel an sauberer Unterwäsche und lange Wartezeiten auf Duschen und medizinische Versorgung. Das Lager ist von Läusen befallen, aber Entlausungskits sind Mangelware.

Kein Wunder, dass sich viele der jungen Menschen in akuter psychischer Not befinden und viele sich selbst verletzen. Die Kinder werden unter diesen Bedingungen festgehalten, manchmal für mehr als einen Monat. Das Lager wird von privaten Subunternehmen betrieben und es gibt Berichte, dass nicht nur einigen MitarbeiterInnen jegliche Ausbildung fehlt, sondern dass Kinder rassistischen und sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind.

All dies steht im scharfen Kontrast zur Prahlerei der Biden-Administration, dass sie die Kinder aus den schockierenden Lagern der Grenzpatrouillen verlegt und die Vorschriften gelockert habe, die es unbegleiteten Kindern erlauben, zu bereits in den USA lebenden Verwandten zu ziehen, sofern diese gefunden werden können.

Das Ministerium für Gesundheit und Sozialdienste (HHS), das Privatunternehmen beauftragt, um das Lager zu betreiben, erklärt zwar, dass es zur Transparenz verpflichtet sei, aber der BBC wurde der Zugang zum Lager verweigert. Das HHS behauptet auch, dass es „die erforderlichen Standards für die Versorgung der Kinder bereitstellt, wie saubere und komfortable Schlafräume, Mahlzeiten, Toilettenartikel, Wäsche, Bildungs- und Freizeitaktivitäten und Zugang zu medizinischer Versorgung.“ Doch nach einem vierstündigen Besuch des Lagers erklärte die US-Abgeordnete Veronica Escobar (Demokratische Partei El Paso) gegenüber der El Paso Times:

„Als ich in das Zelt der Jungen ging, waren dort buchstäblich Hunderte von Jungen in diesen sehr niedrigen Kojen. Ich denke, so viele Menschen auf einem Fleck zu haben, ist ein Risiko für ihre Gesundheit und ihre Sicherheit. Ich glaube, es macht die Aufsicht und Kontrolle fast unmöglich.“

Und weiter: „Ein anderer Bereich, der mich sehr beunruhigt“, sagte sie, „ist die Tatsache, dass wir Kinder haben, die über einen längeren Zeitraum in dieser Einrichtung waren. Ich habe Kinder getroffen, die seit über 40 Tagen dort waren. Das ist absolut inakzeptabel, und es ist zutiefst alarmierend.“

Camp Bliss ist nur eines von mehr als 200 Unterkünften, die das Ministerium für Gesundheit und Sozialdienste landesweit betreibt, um Kinder vorübergehend unterzubringen, die die Grenze zwischen den USA und Mexiko ohne einen Elternteil oder Erziehungsberechtigten überquert haben.

Während die Kinder in den Lagern leiden, beschuldigen Fox News und die RepublikanerInnen Biden weiterhin, weich gegenüber MigrantInnen zu sein, und verbreiten die rassistische Lüge, dass seine politischen Reformen MenschenschmugglerInnen ermutigen würden, immer mehr unbegleitete Kinder an die Grenze zu bringen.

Ursache

Doch die eigentliche Ursache für die Flucht aus Lateinamerika, dem „Hinterhof“ der USA, sind die endemische Gewalt der militärisch-polizeilichen Regime, die sich gegen ländliche und indigene Gemeinschaften richtet, die kriminellen Banden, die in den Drogenhandel verwickelt sind, und die erdrückende Armut aufgrund jahrhundertelanger kolonialer und imperialistische Ausbeutung. In all diesen Ländern haben US-Konzerne und US-Regierungen eine wichtige Rolle bei der Ausbeutung ihrer Landwirtschaft und der Rohstoffindustrie gespielt, ihre Umwelt verwüstet und die repressiven Regime ihrer Eliten gestützt.

Wo immer Regierungen versucht haben, den miserablen Lebensstandard ihrer Bevölkerung zu heben, wurden sie destabilisiert und sogar militärisch gestürzt. Dieses Tyrannei und Blockade setzte sich sowohl unter Obama als auch unter Trump fort und wird auch unter Biden weitergehen.

Wenn Eltern versuchen, ihre Kinder vor den Drogenbanden oder der korrupten Polizei zu retten und sie zu Verwandten oder FreundInnen schicken, die es in das Land geschafft haben, dessen Freiheitsstatue den Müden, Armen und geknechteten Massen ein würdiges Leben verspricht, finden sich in einer Hölle namens Camp Bliss wieder.

SozialistInnen, GewerkschafterInnen, AntirassistInnen und FeministInnen müssen ihre Anstrengungen verdoppeln, um den grausamen Zuständen an den südlichen Grenzen des Landes ein Ende zu setzen, diese schrecklichen Lager zu schließen und ihren InsassInnen eine anständige und humane Betreuung und Unterbringung zu geben. Sie müssen auch materielle und personelle Unterstützung erhalten, um ihre Angehörigen zu finden. Wir müssen fordern, dass das Land seine Grenzen für alle Flüchtlinge öffnet und eine Politik wie den Krieg gegen Drogen und die Superausbeutung durch seine Riesenkonzerne beendet und die Handels- und Finanzblockaden gegenüber den Ländern stoppt, die versuchen, das die soziale Lage ihrer Bevölkerung zu verbessern.

Sich darauf zu verlassen, dass Biden und die Demokratische Partei so etwas tun, wäre äußerst naiv. Deshalb brauchen die USA eine sozialistische, antikapitalistische Partei der ArbeiterInnenklasse, die als integralen Bestandteil ihres Programms die Rechte der ImmigrantInnen verteidigt und den Menschen in Mittel- und Südamerika die Hand reicht für einen gemeinsamen Kampf gegen den US-Imperialismus.




Ein Jahr nach Hanau: kein Vergeben, kein Vergessen!

Jonathan Frühling, Infomail 1139, 19. März 2021

In der Nacht vom 19. auf den 20. Februar 2020 erschoss in Hanau ein faschistischer Attentäter neun Menschen, weitere wurden schwer verletzt. Dabei nahm der Rassist Tobias Rathjen gezielt MigrantInnen ins Visier. Nach den Anschlägen flüchtete er nach Hause, tötete seine Mutter und nahm sich selbst das Leben.

Rechtsruck und faschistischer Terror

Der Attentäter von Hanau war aller Wahrscheinlichkeit nach in einschlägigen Incel-Foren unterwegs, wo sich Männer austauschen, radikalisieren und gegenseitig zu (terroristischen) Gewalttaten anstacheln. (Incel: Abkürzung für „involuntary celibate“; „unfreiwilliges Zölibat“) Tiefer Hass auf Frauen, eliminatorischer Rassismus und wahnhafte Verschwörungstheorien, angetrieben von tiefem Narzissmus, waren Teil von Rathjens menschenfeindlicher Ideologie, die er vor der Tat im Internet ähnlich anderen Rechtsterroristen wie Breivik (Norwegen), Balliet (Halle a. d. Saale) oder Tarrant (Christchurch/Neuseeland) auslebte und propagierte.

Die etablierte Politik hatte natürlich sofort das Märchen vom psychisch kranken Einzeltäter bemüht. Ein verwahrloster und dissozialer Mann, der durch Frust auf die schiefe Bahn geraten und dann auf eigene Rechnung aktiv geworden sei. Dieser Ansatz greift aber viel zu kurz.

Das Massaker fand nicht unabhängig von der Gesellschaft im luftleeren Raum statt, sondern ist Teil eines nationalen und internationalen Rechtsrucks, der von faschistischen bis rechtspopulistischen Parteien und Organisationen, aber auch von Parteien der sogenannten „Mitte“ aktiv befördert wird. Dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, kriminelle AusländerInnen abzuschieben seien, Warnungen vor deutschem „Identitätsverlust“, all das wird auch immer wieder vom bürgerlichen Mainstream von Union über FDP bis Grüne vertreten. Dass die Migration kontrolliert werden müsse und die Geflüchteten nicht noch einmal in Massen nach Europa kommen dürften – dem widersprechen auch SPD, Gewerkschaftsführungen, ja selbst bedeutende Teile der Linkspartei nicht.

Antisemitismus feiert derzeit durch die CoronaleugnerInnen ein unheimliches Comeback. Dass geheime Mächte unsere Welt steuern und es einen Überlegenheitsanspruch einer sogenannten „weißen Rasse“ gibt, das sind nicht nur die Vorstellungen eines psychisch kranken Terroristen. Sie bilden auch das ideologische Futter einer neuen rechten Massenbewegung, die sich aus weiten Teilen des KleinbürgerInnentums und der Mittelschichten zusammensetzt, die, wirtschaftlich zunehmend entgleist und individualisiert, anfällig werden für Verschwörungstheorien, Rassismus und den Glauben an eine höhere Volksidentität.

Was tun?

Auf die Polizei können wir uns im Kampf gegen den Rechtsruck nicht verlassen. Das zeigt gerade der Anschlag von Hanau. Obwohl sie mehrmals gerufen wurde, kam der Notruf nicht durch. Auch andere Vorwürfe wurden ihr gegenüber laut. Zudem hatte der Täter bereits Ende 2019 einen Brief an die Hanauer Staatsanwaltschaft geschrieben, in dem er seine rechtsextremen Ansichten offenlegte. Seinen Waffenschein durfte er trotzdem behalten.

Außerdem ist die Polizei mit der Umsetzung der rassistischen Regierungspolitik betraut, setzt Abschiebungen, „racial profiling“ und das Abriegeln der Außengrenzen um. Zahlreiche FaschistInnen sind in der Polizei, wie das Auffliegen diverser rechter Netzwerke hier beweist. Folglich ist das Gerede von Einzelfällen genauso lächerlich wie gegenüber den Attentätern von Halle und Hanau.

Die Hinterbliebenen und Angehörigen der Opfer vom 19. Februar fordern Aufklärung, Konsequenzen und Gerechtigkeit, doch diese werden von Staat und Regierung wohl kaum kommen. Die Frage des Selbstschutzes und der Aufklärung gegen rechten Terror und Drangsalierung durch Polizei und Staat wird deshalb gerade seit Hanau vermehrt durch die nicht-weiße Community aufgeworfen. Wir halten dies für einen richtigen Schritt, aus dem dauerhafte antirassistische und antifaschistische Selbstverteidigungsstrukturen weiter entwickelt werden sollten.

Faschismus und Rassismus können geschlagen werden. Aber dazu braucht es einen politischen Kurswechsel in der Linken und ArbeiterInnenbewegung. Dass der Rechtspopulismus zu einer Massenkraft geworden ist und in seinem Schlepptau auch faschistische Organisationen und Terrorismus verstärkt ihr Unwesen treiben, resultiert auch daher, dass sich die reformistische ArbeiterInnenbewegung als bessere Systemverwalterin zu profilieren versucht. In Wirklichkeit frustriert sie mit ihrer Politik der Klassenzusammenarbeit nicht nur die eigene Basis, sie stößt auch jene Lohnabhängigen, die sie in den letzten Jahren verloren hat, weiter ab. GewerkschafterInnen wählten überdurchschnittlich die AfD. Wir setzen dem die Aktionseinheit der ArbeiterInnenbewegung, von SPD, der Linkspartei, der Gewerkschaften und der MigrantInnen gegen rechten Terror, Populismus und Rechtsruck, verbunden mit einem Kampf gegen die Auswirkungen der aktuellen Krise, für bessere Gesundheitsversorgung, Aufteilung der Arbeit auf alle hier Lebenden entgegen!

Wir rufen alle AntifaschistInnen auf, sich an den Gedenkkundgebungen zu beteiligen, um den Angehörigen unser Beileid und unsere Anteilnahme zu zeigen. Aber die Teilnahme muss auch eine Machtdemonstration von linken Kräften gegen die rechte Bedrohung beinhalten. Die große Anzahl an angemeldeten Demos zeigt, dass das gelingen kann. Lasst uns unsere Wut, Trauer, Zorn und Solidarität auf die Straße tragen!

Liste der Kundgebungen und Demos in Deutschland und Österreich




Staatlicher Rassismus hat Moria niedergebrannt

Robert Teller, Infomail 1117, 11. September 2020

Das Camp Moria ist abgebrannt. Die Brandherde breiteten sich in der Nacht auf den 9. September laut Berichten an verschiedenen Stellen des Camps aus. Dass es angesichts der miserablen Unterbringung keine Todesfälle gab, scheint wie ein Wunder. Die meisten der 12.700 BewohnerInnen lebten hinter Stacheldraht auf engem Raum in dem Lager, das nur für weniger als ein Viertel der Personen ausgelegt ist. Wer oder was auch immer das Feuer am 9. September ausgelöst hat: wir wissen, dass es dort schon seit Jahren brennt, und schuldig daran ist die Abschottungspolitik der europäischen Regierungen. Sie haben erst dafür gesorgt, dass es Lager gibt für Menschen, deren einziger „Fehler“ darin besteht, dass sie in Europa ankommen und leben wollen. Die Zustände in den „Hotspot“-Lagern auf den griechischen Inseln, wo Menschen seit Jahren unter hoffnungslosen und unwürdigen Bedingungen leben müssen, zeigen deutlich, was „Grenzsicherung“ in der Praxis bedeutet.

Hilfsorganisationen, die in der Nacht zum Camp gelangen wollten, wurden daran von der Polizei gehindert, die ihrerseits nichts dafür tat, die Lage zu entschärfen: Tausende BewohnerInnen flüchteten aus dem Camp, wurden aber bald von staatlichen Sicherheitskräften und teils auch von AnwohnerInnen aufgehalten. Am Mittwochabend brachen erneut Brände aus. Die Polizei setzte nun Tränengas gegen die Flüchtenden auf der Straße in Richtung der Stadt Mytilini ein. Die BewohnerInnen des Camps schlafen am Straßenrand oder in den Olivenhainen. Über die Insel wurde ein 4-monatiger Ausnahmezustand verhängt. Zunächst wurde angekündigt, dass in den unversehrt gebliebenen Teilen des Lagers weiterhin Menschen untergebracht werden könnten. Nun soll nach dem Willen der griechischen Regierung ein neues Camp auf der Insel für die obdachlos gewordenen BewohnerInnen errichtet werden.

Situation in Moria

Niemanden, der von den menschenunwürdigen Zuständen weiß, kann die Katastrophe überraschen. Moria ist heute ein Gefangenenlager, das in dieser Form auf den EU-Türkei-Deal von 2016 zurückgeht. Es wurde ursprünglich für 2.800 Menschen gebaut. Im regulären Camp lebten zuletzt 12.800. Wenn man den „Dschungel“ außerhalb des Zauns einschließt, sind es geschätzt 20.000.

Das Camp stand bereits seit März faktisch unter Quarantäne und konnte nur mit Genehmigung verlassen werden. Abgesehen von dieser schikanösen Maßnahme gab es keinen Infektionsschutz, keine angemessene medizinische Versorgung und keine Labortests, dafür regelmäßiges Gedränge beim Warten auf Essen, Toiletten oder Duschen. Anfang September wurden im Lager die ersten 35 Covid-19-Fälle entdeckt. Anstatt sofort zu evakuieren, um die weitere Ausbreitung zu stoppen, wurde das Lager vollständig abgeriegelt. Nicht einmal Personen aus Risikogruppen wurde eine sichere Unterbringung außerhalb des Geländes gewährt. Stattdessen wird die Pandemie als Rechtfertigung für weitere Angriffe auf Geflüchtete benutzt, wie die rechtswidrige Aussetzung der Annahme von Asylanträgen durch die griechische Regierung im März.

Grundlage für das Lagersystem auf den griechischen Inseln ist der EU-Türkei-Deal von 2016, wo vereinbart wurde, dass Flüchtlinge, die sich auf den Inseln aufhalten und deren Asylantrag abgelehnt wurde, in die Türkei abgeschoben werden können. Hierfür wurden die „Hotspot“-Zentren eingerichtet. Hier gilt für die InsassInnen Residenzpflicht bis zu einer Entscheidung, ob sie Anrecht auf ein Asylverfahren haben. Rechtsstaatliche Prozeduren wurden mit der Einführung von Schnellverfahren untergraben. 2019 wurden sie auf die Hälfte aller Neuankömmlinge angewandt. Dennoch wurden die Hotspots nicht wie ursprünglich beabsichtigt zu Abschiebedrehscheiben, sondern faktisch zu Gefangenenlagern, in denen Tausende unter provisorischen Bedingungen teils Jahre ausharren müssen. Sie bilden damit den zweiten Grenzwall der Europäischen Union. Moria ist die zynische Botschaft an alle Geflüchteten, dass sie an der EU-Außengrenze ihre Hoffnung auf Schutz und Sicherheit begraben müssen. Ein neues Asylrecht, das seit Anfang 2020 in Griechenland in Kraft ist, hat die Situation nochmals verschärft. Das Instrument der Administrativhaft wurde ausgeweitet, Schnellverfahren wurden zum Regelfall und die Auskunfts- und Einspruchsrechte der Betroffenen im Asylverfahren weiter beschnitten.

All das ist gemeint, wenn gesagt wird, dass den Geflüchteten keine „falschen Anreize“ gesetzt werden sollen. Es bedeutet, dass die Grenzen, die Lager und das Asylverfahren noch abschreckender sein müssen als die Umstände, unter denen Menschen flüchten. Damit das so bleibt, darf es „keine nationalen Alleingänge“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen geben. Abgesehen von der Diskussion über symbolische Maßnahmen wie der Verteilung von einigen hundert Minderjährigen sind sich die Regierungen und die EU-Kommission daher auch einig, dass niemand irgendetwas tun darf, um die unmenschlichen Zustände an den Außengrenzen zu entschärfen. Wortführer der Koalition der Unwilligen ist Bundesinnenminister Horst Seehofer. Für einige hunderte Menschen stellt er zwar gerne Unterbringung in Deutschland in Aussicht – freilich nur, wenn die EU und ihre Mitgliedsstaaten gemeinsam mitziehen. Und auf die rassistischen HardlinerInnen in Ungarn, Polen oder in Österreich kann sich Horst Seehofer verlassen und auch noch eine humanitäre Miene zum bösen Spiel machen. Faktisch blockieren er und die Bundesregierung damit sogar jene Soforthilfe und damit die Aufnahme einiger hundert Flüchtlinge, die eine Reihe von Städten in Aussicht gestellt hat.

Während Seehofer den verhinderten Möchtegernhelfer spielt, geben Rechtskonservative wie der österreichische Kanzler Kurz und RechtspopulistInnen die rassistischen EinpeitscherInnen. Sie hetzen gegen angeblich „kriminelle“ BrandstifterInnen, die mit der Aufnahme von Geflüchteten ins Land kämen, schüren Hass gegen MigrantInnen und Geflüchtete.

Dabei wird in der aktuellen Diskussion die Situation auf den Fluchtrouten nach Europa, die ebenfalls eine einkalkulierte Katastrophe für die Betroffenen darstellt, noch nicht einmal erwähnt. In der Türkei werden Flüchtlinge, die von Griechenland illegal und ohne Verfahren über den Grenzfluss Evros abgeschoben wurden, in Gefängnissen inhaftiert. Im Mittelmeer haben die Regierungen mit der Kriminalisierung der Hilfsorganisationen und der Festsetzung ihrer Schiffe dafür gesorgt, dass die zivile Seenotrettung mittlerweile fast unmöglich und die Überfahrt gefährlicher als je zuvor geworden ist. In Libyen vegetieren Tausende, die von der Küstenwache aufgegriffen wurden, in Internierungslagern. Um dabei „behilflich“ zu sein, gibt es die EUNAVFORMED-Unterstützungs- und Ausbildungsmission „Operation Sophia“ (EUNAVFORMED: europäische Marinestreitmacht Mittelmeer).

Schließt die Lager!

Wir dürfen nicht die Behörden, die für das europäische Grenzregime zuständig sind, darüber entscheiden lassen, wer Anrecht auf Asyl hat und wer nicht. Wird dürfen nicht zulassen, dass neue, etwas „humanere“ Lager gebaut werden, die der Festung Europa einen notdürftigen moralischen Anstrich geben. Stattdessen müssen wir das rassistische System bekämpfen, das MigrantInnen nach Nationalität und Fluchtgründen selektiert, um ihnen schließlich das Bleiberecht abzusprechen.

  • Es kann keine andere Lösung geben als die sofortige Schließung der Lager. Nicht nur Minderjährige und „Gefährdete“ – alle Geflüchteten müssen sofort die Inseln verlassen dürfen und in Wohnungen an einem Ort ihrer Wahl untergebracht werden!
  • Für kostenlose medizinische Versorgung und jederzeit freiwillige Labortests, gegen rassistische Schikanen wie anlasslose und kontraproduktive Quarantäne!
  • Zugang zu Bildung, Ausbildungs- und Arbeitsplätzen zu gleichen Bedingungen wie Einheimische!
  • Die europäischen Binnen- und Außengrenzen müssen bedingungslos für alle Geflüchteten geöffnet werden. Keine „Verteilung“ der Menschen, sondern Bewegungsfreiheit und StaatsbürgerInnenrechte für alle, Abschaffung der Dublin-Regeln!
  • Im Angesicht der Katastrophe in Moria gibt es in diesen Tagen bundesweit Aktionen von Seebrücke und anderen Gruppen. Beteiligt euch an den Kundgebungen!
  • Die Gewerkschaften, alle Organisationen der Linken und der ArbeiterInnenbewegung müssen in Deutschland und europaweit den Kampf um das Bleiberecht für alle, für gleiche Arbeitsbedingungen und soziale und politische Rechte für Geflüchtete in allen europäischen Ländern unterstützen!



6 Monate nach den Morden von Hanau: Kein Vergessen!

Martin Suchanek, Infomail 1115, 25. August 2020

Zehntausende solidarisierten sich am 19. und 22. August mit den 9 Opfern des rassistischen Mordes vom 19. Februar in Hanau. Damals wurden Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun, Said Nesar Hashemi, Fatih Saraçoğlu bei Anschlägen in einer Shisha-Bar in der Hanauer Innenstadt und rund um einen Kiosk mit angeschlossener Shisha-Bar im Stadtteil Kesselstadt brutal durch einen Akt faschistischer Barbarei aus dem Leben gerissen. Weitere Personen wurden verletzt. Schließlich erschoss der Mörder sich selbst und seine Mutter.

Sein Bekennerschreiben lässt keine Zweifel übrig. Er betrachtete sich als Teil eines erz-reaktionären, faschistischen „Krieges“, der das Blutbad – ähnlich wie der norwegische Attentäter Breivik oder der Massenmörder von Christchurch – als Fanal zum Pogrom an „fremden Rassen“ und „VolksverräterInnen“ betrachtete.

Die Aktionen und Demonstrationen am 19. August, die von breiten Bündnissen antirassistischer, migrantischer, linker und gewerkschaftlicher Organisationen getragen wurden, wie auch das Gedenken am 22. August setzten hier nicht nur ein Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls. Sie setzten vor allem auch ein Zeichen gegen den grassierenden, weit verbreiteten Rassismus in Deutschland. Dieser hat in den letzten Jahren im Zuge des Rechtsrucks weiter zugenommen – nicht bloß bei Nazis, Pegida oder AfD, sondern, wie wir an der Forderung nach härteren Grenzkontrollen und repressiver Flüchtlingspolitik sehen können – auch bis tief in die „Mitte der Gesellschaft“.

Allein am 19. August wurden in mindestens 40 Städten Demonstrationen und Kundgebungen organisiert, die größten mobilisierten mit mehrere tausend TeilnehmerInnen.

Am 22. August wurde die für Hanau geplante bundesweite Demonstration jedoch abgesagt, nachdem der SPD-Oberbürgermeister Claus Kaminsky am Abend des 21. August die Versammlung mit Verweis auf steigende Corona-Infektionen verbot.

Statt der Demonstration fand eine bewegende Kundgebung mit den Angehörigen, FreundInnen, Familien der Opfer und BewohnerInnen des Hanauer Stadtteils Kesselstadt statt. Diese wurde in 30 Städte als Stream übertragen. In vielen gab es mehrere solcher Live-Übertragungen gleichzeitig, so dass es bundesweit wohl an die 100 Kundgebungen gab. Darüber hinaus verfolgten wohl weit über 100.000 Menschen die Reden der Betroffenen online. Die gesamte Kundgebung und die ergreifenden Beiträge können auch weiter auf dem YouTube-Kanal der „Initiative 19. Februar“ gehört werden.

So wurde der 22. August trotz Demonstrationsverbots in Hanau zum deutlichen, ermutigenden politischen Zeichnen. Das ist vor allem den vielen lokalen UnterstützerInnen und AktivistInnen zu verdanken, die im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht die Technik, Infrastruktur und Bewegung für die Kundgebungen stellten.

Auf uns selbst vertrauen!

Wir müssen an dieser Stelle aber auch einen kritischen Punkt ansprechen, der uns und wohl auch Tausende andere, die nach Hanau fahren wollten und sich an den Kundgebungen im ganzen Bundesgebiet beteiligten, wütend gemacht und verärgert hat. Wie Tausende andere erfuhren wir am Abend vom 21. zum 22. August, dass der Hanauer SPD-Oberbürgermeister, der ursprünglich als Redner bei der Abschlusskundgebung vorgesehen war, die Demo kurzerhand verboten hatte.

Wir wollen die Gefahr einer 2. Corona-Welle keineswegs leugnen. Wir halten ein Demonstrationsverbot aber für absolut falsch und unangebracht. Es stellt eine inakzeptable und gefährliche Einschränkung demokratischer Rechte dar, auch wenn es mit dem Hinweis auf Schutz vor Corona begründet wurde. Erstens hatte das Demo-Bündnis über Wochen in Verhandlungen mit der Stadt Hanau ein Hygienekonzept ausgearbeitet. Zweitens ist es – anders als bei den rechten 20.000 – 30.000 Corona-SpinnerInnen, die am 1. August anstandslos durch Berlin marschieren durften – bei allen antirassistischen Demos und Kundgebungen üblich, dass die TeilnehmerInnen Masken tragen und auf gegenseitigen Schutz achten. Natürlich kann das Virus, wie bei jeder Begegnung von Menschen auch auf Demonstrationen übertragen werden. Aber es ist zynisch und verlogen, so zu tun, als gingen angesichts von brummender Party-Gastronomie, Besäufnissen, angesichts der vom Kapitalinteresse diktierten Öffnung der Betriebe – beispielhaft sei hier auf die Zustände in den Schlachthöfen verwiesen – und Schulen ausgerechnet von politischen Demonstrationen Ansteckungsgefahren aus.

Außerdem fragt sich doch, warum die Absage erst wenige Stunden vor Beginn erfolgte, also zu einem Zeitpunkt, der eine Durchsetzung der Aktion vor Gericht innerhalb kurzer Fristen extrem erschwerte.

Wir wollen dem SPD-Oberbürgermeister gar nicht absprechen, dass er ganz gerne vor tausenden Menschen gesprochen hätte und im Allgemeinen auch antirassistisch eingestellt ist. Doch was nützt das, wenn er in einer Nacht- und-Nebel-Aktion die Absage einer konkreten Demonstration erzwingt. Wahrscheinlich ist auch ihm klar, dass diese nicht der „Super-Spreader“ des Virus gewesen wäre.

Aber offenkundig hatte er vor der demagogischen „Kritik“ und Hetze aus rechten Kreisen Angst, die im Falle einer großen und kämpferischen Gedenkdemonstration unvermeidlich von der AfD und anderen offenen RassistInnen, aber auch von „respektablen“ Bürgerlichen wie CDU und FDP sowie von einigen Grünen und selbst sozialdemokratischen ParteifreundInnen gekommen wäre. Alle jene, die den Rassismus in der Gesellschaft, vor allem aber bei Polizei, Bundeswehr und staatlichen Behörden verharmlosen, die MörderInnen gern als „EinzeltäterInnen“ hinstellen, hätten sicher die „Gelegenheit“ ergriffen, allen, die zum Gedenken an 9 Ermordete und unzählige weitere Opfer rassistischer Anschläge auf die Straße gehen, „Verantwortungslosigkeit“ vorzuwerfen.

Dabei hätten solche rechten „KritikerInnen“ und ihre FreundInnen in der politischen Mitte allerdings nur getan, was sie immer tun: Die TäterInnen und den Nährboden des Rassismus relativieren, verharmlosen – und gleichzeitig die Trauer, Wut, Angst der Betroffenen ignorieren und die reale Gefahr für MigrantInnen herunterspielen. Die Absage der Demo hat unserer Meinung nach nichts mit Gesundheitsschutz zu tun, sondern stellt ein Einknicken vor der zu erwartenden Verleumdung durch Rechte und bürgerliche Kräfte dar. In Wirklichkeit wird die Kapitulation diese nicht beschwichtigen, sondern nur ermutigen, jeder anderen linken Großdemo „Verantwortungslosigkeit“ vorzuwerfen – schon allein in der Hoffnung, dass deren OrganisatorInnen ihre Aktionen gleich freiwillig absagen.

Mit dem Untersagen der Demonstration wurden zugleich die Rechte tausender Anti-RassistInnen beschnitten – eine Einschränkung, die uns auch bei anderen antifaschistischen, antirassistischen oder antikapitalistischen Mobilisierungen droht.

Wir halten daher auch das Akzeptieren des Demo-Verbotes durch das Hanauer Bündnis „Initiative 19. Februar“ für politisch falsch. In Zukunft sollten wir versuchen, unsere Aktionen auch gegen einknickende und feige sozialdemokratische Stadtoberen durchzusetzen. Die GenossInnen der Frankfurter internationalistischen und antirassistischen Linken, die nach der Übertragung der Gedenkkundgebung eine Spontandemonstration mit hunderten TeilnehmerInnen durchführten und durchsetzten, agierten in diese Situation vorbildlich. GenossInnen von ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION beteiligten sich an der Aktion. Vielen Dank an die OrganisatorInnen der Initiative! Hoch die internationale Solidarität! One solution – Revolution!

Link zum Flugblatt von ArbeiterInnenmacht und Revolution zu den Demos und Aktionen am 19. und 22. August:

Kein Vergessen! Beteiligt Euch an den Demonstrationen im Gedenken an die Ermordeten von Hanau!




Kein Vergessen! Beteiligt Euch an den Demonstrationen im Gedenken an die Ermordeten von Hanau!

Aufruf von Gruppe ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION

Gerade sechs Monate liegen die rassistischen Morde vom 19. Februar  zurück. Die Erinnerung an den barbarischen Anschlag eines rechtsextremen, völkischen und neo-nazistischen Terroristen erschüttert bis heute.

Wie viele andere AntirassistInnen und AntifaschistInnen rufen wir zur Teilnahme an den Aktionen am 19. August und an der bundesweiten Demonstration am 22. August in Hanau auf. Wir wollen damit den Familien, den Angehörigen und FreundInnen der Getöteten unsere Anteilnahme, unser Mitgefühl zeigen, sie in ihrem Schmerz, ihrer Wut, ihrer Verzweiflung nicht alleine lassen. Wir wollen damit ein Zeichen der Solidarität mit allen Opfern rassistischer und faschistischer Anschläge, Angriffe und Morde setzen, ein Zeichen der Solidarität mit allen Abgeschobenen, mit den Opfern der mörderischen EU-Grenzpolitik sowie allen Formen staatlicher und institutioneller rassistischer Gewalt, Diskriminierung und Unterdrückung.

Damit aus Wut und Trauer, Zorn und Angst Widerstand gegen den rassistischen Terror und Rechtsextremismus wird, müssen wir uns bemühen, die Ursachen, die sozialen Wurzeln der barbarischen Morde zu verstehen.

Rechtsruck

Der Todesschütze von Hanau war darauf aus, möglichst viele migrantische Menschen zu töten. 9 riss er in den Tod. Über seine Motive besteht kein Zweifel. Seine Bekennerschreiben und Videos lesen sich wie Manifeste neo-faschistischer und völkischer Barbarei, sind Aufrufe zum Pogrom, zur Vernichtung „bestimmter Völker“! War sein Hass auch mit obskuren Verschwörungstheorien verbunden, so richtete er sich vor allem gegen MigrantInnen aus der Türkei und arabischen Ländern.

Er reiht sich damit in eine ganze Serie erschreckender rassistischer Morde und Anschläge der letzten 30 Jahre ein. Seit 1990 sind Untersuchungen der Amadeu Antonio Stiftung zufolge über 200 Menschen Opfer rechter, rassistischer und faschistischer Gewalt geworden. Menschen, die aus der Türkei und arabischen Ländern stammen oder als MuslimInnen wahrgenommen werden, stehen besonders stark im Visier dieser Angriffe, die von Schlägertrupps bis zu organisierten terroristischen Zellen wie NSU reichen.

Die Zunahme rechter Anschläge wie die Bildung terroristischer Gruppierungen, Zellen und Netzwerke stellt den zugespitzten Ausdruck eines internationalen wie bundesdeutschen Rechtsrucks dar. Dieser umfasst den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien wie der AfD, faschistischer Organisationen wie der „Identitären Bewegung“ und klandestiner Terroreinheiten. Tobias R., der Killer von Hanau, erinnert unmittelbar an den Attentäter von Christchurch oder an den norwegischen Massenmörder Breivik.

Rassistischer Wahn

Die faschistischen, neo-faschistischen, aber auch zahlreiche rechtspopulistische Organisationen stellen ein irrationales völkisches Wahngebilde zunehmend ins Zentrum  ihrer Ideologie, eine Mischung aus Verschwörungstheorie, Rassismus, Antisemitismus und allen möglichen Formen reaktionären Gedankenguts wie z. B. des Antifeminismus. So bizarr und wirklichkeitsfremd, ja die Realität auf den Kopf stellend diese Ergüsse auch wirken (und sind), knüpfen sie doch an die Vorstellungswelt eines viel breiteren rechten Spektrums an, das bis tief in bürgerliche und kleinbürgerlich-reaktionäre Schichten  reicht (und natürlich auch unter politisch rückständigen ArbeiterInnen Gehör finden kann.

Und diese Gefahr sollten wir nicht unterschätzen. Der zunehmende individuelle Terrorismus auf Seiten der Rechten signalisiert einen grundsätzlichen Stimmungsumschwung unter weiten Teilen des KleinbürgerInnentums und der Mittelschichten (samt demoralisierter ArbeiterInnen). Das drückt sich auch in der Herkunft vieler AttentäterInnen aus. Tobias R. war, den Informationen der Medien zufolge, ein „gebildeter Mensch“, veröffentlichte seine Gesinnung auf Deutsch und Englisch, studierte Betriebswirtschaftslehre.

Viele andere rechte TerroristInnen entpuppten sich als Menschen mit klassischen kleinbürgerlichen Karrieren, besonders häufig im Polizei- und Sicherheitsapparat. Über alle jeweiligen biographischen Besonderheiten hinweg verdeutlicht die Gemeinsamkeit der sozialen Herkunft, dass sich die gegenwärtige Krise im KleinbürgerInnentum, in den Mittelschichten ideologisch nicht nur als Angst vor Deklassierung, sondern auch als zunehmendes Misstrauen und Ablehnung gegenüber der traditionellen bürgerlichen Führung und dem Staat manifestiert. Es bedarf eines rechten Aufstandes, einer Pseudorevolution, der Entlarvung von „Verschwörungen, eines Pogroms an den „fremden Rassen“ und „VolksverräterInnen“, was im individuellen terroristischen Akt, im Mord an möglichst vielen schon exemplarisch vorgeführt wird.

Wie bekämpfen?

Wie der Mord am Regierungspräsidenten Lübcke gezeigt hat, kann sich der rechte Terrorismus auch gegen RepräsentantInnen des bürgerlichen Staats und Parlamentarismus richten. Die Masse seiner Opfer findet er jedoch – und darin gleicht er dem Terror faschistischer Massenbewegungen – unter der ArbeiterInnenklasse, MigrantInnen, rassistisch Unterdrückten, linken AktivistInnen oder dem Subproletariat (z. B. Obdachlose). Darüber hinaus drückt sich die reaktionäre Radikalität dieser Form des Terrorismus auch darin aus, dass ihre Anschläge den eigenen Tod mit einkalkulieren, ihn als ein Fanal inszenieren.

So wichtig es daher ist, rechte terroristische Zellen und EinzeltäterInnen schon im Vorfeld zu stoppen, so zeigt die Erfahrung jedoch auch zweierlei: Erstens können wir uns dabei – wie im Kampf gegen den Faschismus insgesamt – nicht auf den bürgerlichen Staat und seine Polizei verlassen. Auch die Forderung nach verschärfter Repression und Überwachung geht dabei nicht nur ins Leere, sondern letztlich in eine falsche Richtung, weil sie einem bürgerlichen, repressiven, rassistischen Staatsapparat mehr Machtmittel in die Hand gibt, die in der Regel gegen uns eingesetzt werden.

Zweitens können aber auch der Selbstschutz, der Aufbau von Selbstverteidigungseinheiten, antifaschistische Recherche – so wichtig sie im Einzelnen auch sind – gegen klandestine Terrorzellen oder Individuen nur begrenzt Schutz bieten.

Das Hauptgewicht des Kampfes muss daher auf dem gegen die gesellschaftlichen Wurzeln liegen, und zwar nicht nur, indem der Kapitalismus als Ursache von Faschismus, zunehmender Reaktion, Rechtsruck, Krise identifiziert und benannt wird. Es kommt vor allem darauf an, dass die ArbeiterInnenklasse als jene soziale Kraft in Erscheinung tritt, die einen fortschrittlichen Ausweg aus der aktuellen gesellschaftlichen Krise zu weisen vermag. Der Zustrom zur AfD, die Mobilisierungskraft von Corona-LeugnerInnen und VerschwörungstheoretikerInnen, also der gesellschaftliche Rechtsruck und Irrationalismus, stellen keine unvermeidliche, automatische Reaktion auf eine Krisensituation dar.

Dass der Rechtspopulismus zu einer Massenkraft geworden ist und in seinem Schlepptau auch faschistische Organisationen und Terrorismus verstärkt ihr Unwesen treiben, resultiert auch, ja vor allem daher, dass sich die reformistische ArbeiterInnenbewegung nicht als anti-kapitalistische Kraft, sondern als bessere Systemverwalterin zu profilieren versucht. SPD und die Gewerkschaften machen auf Bundesebene der Großen Koalition die Mauer und üben den nationalen Schulterschluss mit dem Kapital. Die Linkspartei, wie immer hoffnungsfroh, setzt abwechselnd auf die „Einheit der DemokratInnen“ (bis hin zu CDU und FDP, wenn es gegen die AfD geht) und auf eine „Reformkoalition“ mit SPD und Grünen.

In Wirklichkeit frustrieren die Spitzen von SPD, Gewerkschaften und auch der Linkspartei mit ihrer Politik der Klassenzusammenarbeit nicht nur die eigene Basis, diese stößt auch jene Lohnabhängigen, die sie in den letzten Jahren verloren haben, weiter ab. Die größte ökonomische Krise seit fast einem Jahrhundert, die sich vor unseren Augen entfaltet, wird nicht durch die „gemeinsamen Anstrengungen“ aller Klassen, nicht durch eine imaginäre „gerechte Verteilung“ der Kosten der Krise überwunden werden können. Das ist auf Grundlage des Kapitalismus, von Marktwirtschaft und Privateigentum an Produktionsmitteln, unmöglich.

Faschismus, Rassismus und Rechtspopulismus können geschlagen werden. Aber dazu braucht es einen politischen Kurswechsel, ein Programm, eine Strategie, die die Mobilisierung gegen diese Kräfte als Teil des Klassenkampfes versteht. Nur so kann dem Rechtsruck sein Nährboden entzogen werden. Nicht Einheit über alle Klassengrenzen hinweg, sondern Einheit der ArbeiterInnenbewegung, der Linken, der MigrantInnen gegen rechten Terror, Populismus und Rechtsruck ist das Gebot der Stunde.

Lasst uns unsere Wut, Trauer, Zorn und Solidarität in den nächsten Tagen auf die Straße tragen! Schaffen wir eine breite Aktionseinheit der ArbeiterInnenbewegung, der Linken, der migrantischen, antirassistischen und antifaschistischen Organisationen! Lasst uns den Kampf gegen Rassismus und Faschismus mit dem Aufbau einer Anti-Krisenbewegung verbinden!

Bundesweite Aktionen und Demonstration

Gedenken am 19. August: Übersicht über Demonstrationen, Kundgebungen, Aktionen: Initiative 19. Februar Hanau

Samstag, 22. August 2020, 13.00, Kurt-Schumacher Platz: Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen. Bundesweite Demonstration in Hanau