G7-Proteste – eine nüchterne Bilanz ist nötig

Wilhelm Schulz / Jaqueline Katharina Singh, Infomail 1162, 1. Juli 2022

Olaf Scholz und Co. feierten den G7-Gipfel der westlichen Staats- und Regierungschefs als harmonische, geradezu weltoffene Veranstaltung für Demokratie, Menschenrechte, soziale und ökologische Vorsorge. Ganz zu offen war es dann natürlich doch nicht. Knapp 18.000 Polizist:innen wurden zum Schutz des G7-Gipfels in der Region Werdenfelser Land (Oberbayern) stationiert. Es glich einem Belagerungszustand. Mit Maschinenpistolen ausgestattete Polizist:innen standen hinter Nato-Stacheldrahtzäunen, ständig erfolgten Polizeikontrollen, Geschäfte mussten für den Protest schließen, Autobahnabsperrungen wurden verfügt. Mindestens 170.000.000 Euro soll allein der Polizeieinsatz gekostet haben.

Dessen Umfang entspricht dem von 2015, dem letzten G7-Gipfel in Elmau. Trotz ähnlicher Anzahl erschien die Polizeipräsenz angesichts der schwachen Mobilisierung stärker.

Allerdings besaß die Präsenz eine größere Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Schon während der Pandemie wurde polizeiliche Überwachung zunehmend und weit über deren Bekämpfungsmaßnahmen hinaus verstärkt. Der Krieg in der Ukraine dient zusätzlich als Rechtfertigung dieses Zustandes, zumal die Politik von G7 und NATO zu einem „demokratischen“ Eingreifen verklärt wird.

Eine verschärftes Polizeiaufgabengesetz, ständige Kontrollen, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit bis hin zu abstrusen Fahnenregeln, Flyerverboten, Angriff wegen Verknüpfung von Transparenten, Polizeipräsenz bei linken Veranstaltungen im Vorfeld gehören mittlerweile schon fast zum „Normalzustand“ der deutschen Demokratie, und zwar nicht nur in Bayern oder bei G7-Gipfeln.

Sicherlich schüchterte die schon im Vorfeld angedrohte massive Repression Menschen ein und wirkte demobilisierend. Das erklärt aber keineswegs die enttäuschend geringe Beteiligung an allen Aktionen. Im Folgenden wollen wir auf einzelne eingehen, um am Ende die Frage zu beantworten, worin die zentralen Gründe für die schwache Mobilisierung lagen.

Großdemo mit 6.000 Teilnehmer:innen?

Die von den NGOs angekündigte „Großdemo“ mit Start und Ziel auf der Münchener Theresienwiese blieb am Samstag, den 25. Juni, weit unter den Erwartungen. Die Mehrheit der rund 6.000 Teilnehmer:innen wurde von verschiedenen antikapitalistischen, antiimperialistischen, sozialistischen und kommunistischen Gruppierungen mobilisiert. Die Masse der NGOs blieb aus.

Dabei hatten diese im Vorfeld die politische Ausrichtung der Demonstration am 25. Juni an sich gerissen, alle politischen Parteien und radikaleren Gruppierungen aus dem Träger:innenkreis, der Festlegung des Aufrufes und auch weitestgehend aus der Mobilisierung zur Demo gedrängt.

Dieses bürokratische und undemokratische Manöver hatte nicht nur die Gesamtmobilisierung erheblich geschwächt und behindert. Der Verzicht auf eine grundlegende Ablehnung der G7, das Ausweichen vor der Kriegsfrage und die Anbiederung an die Mächte der Welt, die im Aufruf deutlich wurde, erwiesen sich als politischer Rohrkrepierer.

Einige der NGOs und Gruppen der sog. Zivilgesellschaft dürften schon im Vorfeld ihre Mobilisierung faktisch eingestellt haben. Andere wie Fridays For Future scheinen sich selbst im Spannungsverhältnis zwischen Pressuregroup der grünen Regierungspartei und sozialem Faktor auf der Straße zu zerlegen. So konzentrierte sich FFF auf eine Kleinstdemo am Freitag mit einigen 100 Teilnehmer:innen, die unabhängig von anderen Protesten stattfand, und war kaum sichtbar auf der Großdemo.

FFF mutierte von einer Streikbewegung zu einer Eventorganisation. Obwohl es auf dem Papier Unterstützer:in der Gegenproteste war, konnte kaum von einer öffentlichen Mobilisierung die Rede sein. Bis auf einzelne bekannte Gesichter am Samstag und eine kleine eigene Aktion am Freitag mit knapp 300 Teilnehmer:innen war FFF nicht präsent. Scheinbar liegt der Fokus aktuell auf einer Unterstützung der Embargos gegen den russischen Imperialismus, anstatt die eigene Regierung und ihre zerstörerische Umweltpolitik anzugreifen.

Auffällig war nicht nur, dass die NGOs zahlenmäßig gering vertreten waren, sondern auch die Abwesenheit anderer Parteien, die sonst auf solchen Protesten anzutreffen waren. Während bei den letzten Gipfelprotesten auch Teile der Grünen und sogar der SPD teilnahmen, so ist ihr Fernbleiben einfach durch die Einbeziehung in die Ampelkoalition sowie die Unterstützung deren Kurses zu erklären. Ähnliches gilt auch für die Gewerkschaften. Der sozialpartner:innenschaftlichen Anbindung an die SPD wurde durch die Pandemie kein Abbruch getan und auch jetzt werden die Kosten des Krieges auf dem Rücken der Lohnabhängigen stumm mitgetragen. Vereinzelt sah man ver.di- und GEW-Mitglieder aus München, aber eigene Blöcke oder gar Lautsprecherwagen waren nicht zu finden. Dies ist nicht verwunderlich, da diese bereits während der Vorbereitung mit Abwesenheit glänzten.

Die NGOs haben in diesem Jahr die Spaltung der Gegenproteste erreicht. Sie weigerten sich mit fadenscheinigen Argumenten, gemeinsam mit sämtlichen Parteien und allen subjektiv revolutionären Organisationen sie zu organisieren. Als NGOs dürften sie keinen Widerstand gegen den Staat organisieren. Solche Argumente tauchen inmitten einer Krise der Linken und Arbeiter:innenbewegung auf!

Warum galten diese Einwände bei vergangenen Gipfelprotesten nicht? Sie stellen nichts anderes dar als den Versuch, den Widerstand konform zu lenken und jene, die nach einer Perspektive gegen und nicht mit den G7 suchen, ruhigzustellen. Gesagt, getan. Das Ergebnis war ein doppeltes. Einerseits wurde die Desorganisation der Linken dadurch befeuert, andererseits die Aussicht auf eine größere Mobilisierung bewusst aufs Spiel gesetzt. Die Entscheidung, dass die G7 zu beraten statt zu bekämpfen sind, liefert die Erklärung für diese Entwicklung. Die NGOs haben sich so als Erfüllungsgehilfinnen einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklungstendenz präsentiert. Die „Zivilgesellschaft“, für die sie einzustehen versuchen, stellt eben nichts weiter als einen Hofstaat jener Klassengesellschaft voller sozialer Gegensätzlichkeiten dar. Ebenjene ist es, die im letzten Jahrzehnt nach rechts rückte. Sich in ihrer Mitte zu positionieren, erzwingt die Bekämpfung oder zumindest das Ausbremsen radikaler Kräfte. Der Fördertropf an dem sie hängen, bildet die materielle Hintergrundfolie einer ideologischen Kapitulation.

Wie verliefen die Aktionen?

Während die Hoffnungen im Vorhinein nicht allzu groß waren, so geriet die Realität mit nur 6.000 Teilnehmer:innen noch bitterer. Als positives Moment bleibt zu bemerken, dass sich die Demonstrierenden trotz ihrer inhaltlichen Differenzen gegenüber der Polizeirepression solidarisch verhielten. Als die Cops ohne ernsthaften Grund bei der Abschlusskundgebung den antikapitalistischen Block angriffen, solidarisierten sich die Sprecher:innen von der Bühne dagegen und riefen die Polizei auf, sich zurückzuziehen. Sie akzeptierten die Spaltung in „gute“ und „schlechte“ Demonstrierende nicht.

Man würde sich an der Stelle mehr wünschen, aber viel Besseres gibt es auch nicht zu berichten.

Leider blieben auch die Aktionen in Garmisch selbst deutlich hinter jenen von 2015 zurück. Dabei haben viele Genoss:innen und Aktivist:innen ihre gesamte Energie dafür aufgebracht, ein Camp mit geringsten Ressourcen auf die Beine zu stellen. Sie haben gekocht, Nachtwachen afgestellt, ein Workshop- und Kulturprogramm organisiert und einiges mehr. Doch leider blieben Tausende fern. Das Camp trug eher den Charakter eines alpinen Urlaubsprogramms als einer Koordinationszentrale des Kampfes gegen den G7-Gipfel. Wenige hundert Menschen übernachteten vor Ort.

Die größte Aktion, die von ihm ausging, war die Demonstration am 26. Juni. Das Bündnis „Stopp G7 Elmau“ rief dazu auf. Etwa 1.500 Teilnehmer:innen folgten dem Aufruf. Dominiert wurde die Demonstration von verschiedensten antiimperialistischen Kräften. Ihre Überrepräsentanz ist dabei nicht in erster Linie Ausdruck ihrer Stärke, sondern, wie beschrieben, einer allgemeinen Defensive. Teile der Demonstration wurden von der Polizei durchgehend im Spalier „begleitet“. Bereits vor Beginn wurde deutlich, dass der Protest zu nicht viel mehr als einem Ausdruck symbolischen Widerstands gegen den Gipfel des Kapitals geraten würde.

Noch deutlicher wurde dieser rein symbolische Charakter am Montag, dem 27. Juni. An dem Tag nahmen zusätzlich 50 Personen unter Polizeigeleit an einer kleinen Protestkundgebung außerhalb der Hör- und Sichtweite des Gipfels statt. Die Polizei führte erniedrigende Leibesvisitationen bei den Teilnehmer:innen durch und agierte dabei übergriffig, konfiszierte Gegenstände wie Marker, die mit Sicherheit keinerlei Bewaffnungen oder Ähnliches darstellen. Ebenso fand ein Sternmarsch statt. Aufgeteilt auf eine Wanderroute und Fahrradtour nahmen 100 Teilnehmer:innen den Marsch in die oberbayrischen Alpen auf.

Linke, Krise Globalisierung

Doch die zahlenmäßig schwachen Proteste gegen den G7-Gipfel sind freilich nur die Spitze des Eisbergs. Unter dem Wasserspiegel verbirgt sich der desaströse Zustand der Linken und Arbeiter:innenbewegung in der heutigen Zeit, die enorm zugespitzte proletarische Führungskrise eben.

Dieser wurde mittels Fokussierung auf Eventmobilsierungen wie „Blockupy“, „Castor schottern“ oder „Tag X“ versucht zu überdecken. Angesichts der heutigen Lage waren dies reine Heerschauen und Selbstbeweihräucherung linker Organisationen, die sich in Stärkeposition wähnten. Sie waren reine Symbolproteste. Aktivist:innen konnten sich an ihren Symbolen stärken oder scheitern, aber sie erkämpften keine realen Verbesserungen für die Klasse und schafften es nicht, inhaltliche Differenzen innerhalb der Radikalen Linken zu klären. Vielmehr formten diese Stunts eine Fassade, die den Zustand der Ratlosigkeit zu überdecken versuchte. Prominente Beispiele dafür bilden Interventionistische Linke und vor allem die Linkspartei.

Über Jahre blieben in der Deutschen Linken ernsthafte programmatisch-strategische Debatten zu den Aufgaben gegen den vorherrschenden Rechtsruck, den erstarkenden Nationalismus angesichts des aufkochenden Kampfes um die Neuaufteilung der Welt und der Krise aus. So wie viele während der Pandemie darauf hofften, dass diese an ihnen vorbeiginge, ohne darauf eine politische Antwort geben zu müssen, so flehen andere wiederum, dass der Krieg um die Neuaufteilung der Welt bald vorbei sein möge.

Fast schon folgerichtig war die Interventionistische Linke auf keiner einzigen Blockade oder Demonstration als Kraft sichtbar. Die Linkspartei schaffte es, ihren Krisenparteitag parallel zum Gipfel stattfinden zu lassen und nur in kleinster Form ihres bayrischen Landesverbandes aufzutreten. Selbst dieser war ein Schatten seiner selbst.

Während manche Kräfte das Fernbleiben dieser Akteur:innen als Fortschritt feiern, das den Protest „radikal“ erscheinen lasse, ist die Realität doch eine andere. Durch die geringe Mobilisierung droht der Gegenprotest, in die Bedeutungslosigkeit zu schwinden und mit ihr die Debatte um den Inhalt.

Für eine Strategie- und Aktionskonferenz

Das Fernbleiben dieser Kräfte ist dabei Resultat ihrer eigenen Schwäche. Die unzählbaren Krisen, die Veränderung unserer Kampfbedingungen in Zeiten der Pandemie und Kriegseuphorie zeigen auf, dass die reine Fokussierung auf einzelne Aspekte reine Feuerwehrpolitik bleibt. Sie weicht der Frage aus, wie dieser Totalität des Elends ein Ende gesetzt werden kann. Noch schlimmer: Sie leugnet deren Notwendigkeit. Somit kam und kommt es zum Unterordnen unter die jeweiligen Führungen der Bewegungen, seien es bürgerliche Kräfte bei der Umweltbewegung bzw. gegen Rechtsruck oder ökonomistische Nachtrabpolitik bei gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen.

Damit wurde nicht nur verpasst, Kämpfe erfolgreich zu führen, sondern auch aus Niederlagen zu lernen.

Angesichts dieser schwachen Mobilisierung ist zu diskutieren, welche Aufgaben sich Internationalist:innen, Antiimperialist:innen und Antikapitalist:innen in dieser Zeitenwende stellen, um zumindest größere Teile der Avantgarde der Arbeiter:innenklasse gegen die Neuorientierung der westlichen Imperialismen im Kampf gegen die russischen und chinesischen Widersacher programmatisch und praktisch in Stellung zu bringen. Es ist Aufgabe der teilnehmenden Organisationen, einen offenen Austausch um die Kampfperspektive inmitten der Defensive zu führen. Wir brauchen eine Strategie- und Aktionskonferenz im kommenden Herbst. Wir richten diesen Appell insbesondere, aber natürlich nicht nur an jene Kräfte, die an der Demonstration teilgenommen haben: DKP, SDAJ, MLPD, REBELL, Föderation klassenkämpferischer Organisationen, Zora, Perspektive Kommunismus, Atik, Young Struggle, Neue Demokratische Jugend, Partizan, Atif, Kuhle Wampe, Karawane, Klasse gegen Klasse, die Sozialistische Alternative.




Palästina-Solidarität: Berlin trotzt der Repression!

Erklärung linker und internationalistischer Organisationen gegen das Verbot von Demonstrationen in Solidarität mit Palästina in Berlin, Infomail 1188, 17. Mai 2022

Gestern, am 15. Mai, dem Tag der Nakba, wurde aus den Straßen und Plätzen Berlins ein starkes Zeichen entsendet. Zahlreiche organisierte Gruppen setzten den Einschüchterungsversuchen der Behörden ihre lautstarken Rufe nach Freiheit für Palästina und internationaler Solidarität entgegen. Trotz der Repression, trotz der Demonstrationsverbote im Vorfeld, trotz der Zensur und trotz des Rassismus der deutschen Behörden, allen voran der deutschen Polizei: Unsere Rufe verstummen nicht. Wir lassen uns unser Gedenken nicht nehmen, wir lassen uns den Widerstand nicht nehmen!

Bereits in den vergangenen Wochen wurden von den Straßen Berlins Zeichen der Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf gesendet. Und bereits Ende April wurden Palästina-Demonstrationen für mehrere Tage pauschal verboten. Der deutsche Staat schreckt in seiner grenzenlosen Unterstützung des zionistischen Kolonialstaates Israel vor keiner noch so drastischen Maßnahme zurück. Unter dem fadenscheinigen Argument, dass alle pro-palästinensischen Demonstrationen pauschal antisemitisch seien und die öffentliche Sicherheit gefährden würden, verbot die Polizei auch mehrere Demonstrationen und Kundgebungen verschiedener Organisationen am Wochenende rund um den Nakba-Tag.

Diese Verbote wurden nicht hingenommen. Stattdessen regte sich überall in Berlin die gemeinsame Solidarität gegen die Repression. Eine Demonstration durch den Berliner Stadtteil Neukölln gegen Umweltzerstörung im Globalen Süden forderte nicht nur Klimagerechtigkeit und das Ende der imperialistischen Ambitionen des deutschen Staates auf der ganzen Welt. Immer wieder wurden lautstark und gemeinsam Rufe für die Freiheit des palästinensischen Volkes angestimmt. Auf der Sonnenallee, also auf der Straße, die immer wieder im Visier der deutschen Repression steht, wurde die Demonstration daraufhin von aggressiven Polizeitrupps ausgebremst, in eine Seitenstraße gelenkt und dort zum Stehen gebracht. Zahlreiche Anwohner*innen und Passant*innen zeigten sich spontan solidarisch mit der Demonstration und stimmten in die Rufe ein. Die Polizei drang gewaltsam in die Demonstration ein und nahm einige Personen fest. Von ausnahmslos allen Demonstrierenden wurden die Personalien festgestellt, es wurden Bußgelder und Gewahrsamnahmen angedroht sowie weiträumige Platzverweise ausgesprochen.

Nur wenige Hundert Meter entfernt kam es fast zeitgleich bei einer spontanen pro-palästinensischen Kundgebung ebenfalls zu massiven Repressionen.

Überall auf den Straßen Neuköllns zeigten die Menschen deutlich, auf welcher Seite sie stehen: Sie traten mit Kufiya und Fahnen auf die Straßen und bekundeten von Balkonen und Fenstern aus ihre Solidarität!

Als Bündnis zahlreicher Gruppen gegen die Repressionen und für Freiheit und Gerechtigkeit stehen wir an der Seite von allen, die von den Angriffen auf die palästinensiche und palästinasolidarische Bewegung betroffen sind.

Für uns steht auch fest: Es geht bei diesen Angriffen nicht nur um den Tag der Nakba und nicht nur um den Kampf des palästinensischen Volkes. Der deutsche Staat fürchtet eine breite anti-imperialistische Bewegung, die über die Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf hinaus die Mittäterschaft Deutschlands und seine imperialistischen Interessen in den Mittelpunkt rückt. Die Angriffe gelten deshalb allen denjenigen Kräften, die sich gegen diese Interessen stellen.

Die gestrigen Aktionen rissen dem deutschen Staat die Maske vom Gesicht und entblößten seinen wahren Charakter. Und mehr noch: Es zeigte sich deutlich, dass der Tag der Nakba nicht nur ein Tag des palästinensischen Kampfes und des palästinensischen Gedenkens an den über 100-jährigen Kolonialismus ist. Der Tag der Nakba ist ein Tag des Kampfes gegen jede Unterdrückung, ein Tag des Kampfes für die Freiheit aller Völker und ein Tag des Kampfes für Gerechtigkeit.

Unser Bündnis wird diese Kämpfe weiterführen! Gemeinsam gegen Repression und gemeinsam für Freiheit und Gerechtigkeit! An jedem Tag!

Unterzeichnende

Samidoun Palestinian Prisoners Solidarity Network

F.O.R. PALESTINE

Kommunistischer Aufbau

Young Struggle

Zora Berlin

Anti-imperialist struggle committee

Internationalistisches Bündnis Nordberlin [IBN] Internationale Jugend Berlin

Migrantifa Berlin

SDAJ Berlin

Gruppe Arbeiter:innenmacht

REVOLUTION

linksjugend solid Nord-Berlin

Acciones

Klasse gegen Klasse

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen Berlin

Offenes Treffen

Hast du am Nakba-Tag demonstriert? Wurdest du von der Polizei eingeschüchtert, angegriffen, festgenommen? Droht dir eine Strafe? Hast du Probleme, weil du dich offen für die Freiheit des palästinensischen Volkes einsetzt?

Wir, das Bündnis mehrerer Organisationen gegen Repression, stehen fest an der Seite von allen, die am Wochenende rund um den Nakba-Tag von Repression, Polizeigewalt und Einschüchterung betroffen waren.

Kommt zu unserem offenen Treffen!

Freitag, 20.05., 18 Uhr, Kommtreff, Jonasstraße 29, (U8 Leinestraße/S-Hermannstraße)

Wir werden uns austauschen, versuchen uns gegenseitig zu unterstützen und bieten eine Beratung zum weiteren Vorgehen an.




DGB am Ersten Mai 2022 – Proteste gegen nationalen Schulterschluss

Susanne Kühn, Infomail 1187, 3. Mai 2022

203.500 Menschen beteiligten sich lt. DGB an den Demonstrationen und Kundgebungen der Gewerkschaften am 1. Mai 2022. Nach zwei Jahren Corona-Pause fällt auf, dass die Mobilisierung weit unter den Zahlen von 2019 liegt, als der DGB von 381.500 sprach.

Allein diese Zahlen sollten in den Gewerkschaftszentralen Anlass zur Sorge – und auch zur politischen Selbstkritik – bieten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Spitzen der DGB-Einzelgewerkschaften und deren Redner:innen loben sich vor allem selbst.

Die Botschaft des DGB

Während der Pandemie hätten sie für Gesundheitsschutz gesorgt und für fairen Lastenausgleich. Kein Wort davon, dass sie gegen mangelnde Schutzmaßnahmen und den Notstand im Gesundheitswesen nicht gekämpft, vielmehr Streiks, Aktionen und ganze Tarifrunden abbliesen und verschoben haben. Kein Wort davon, dass die Arbeiter:innenklasse in den letzten Jahren massive reale Einkommensverluste hinnehmen musste, während die Preis z. B. am Wohnungsmarkt weiter anzogen. Kein Wort davon, dass sie alles getan haben, um vorübergehenden Schließungen in der Großindustrie zu verhindern, die Interessen der Lohnabhängigen und den Gesundheitsschutz über zwei Jahre den kurzfristigen Profitinteressen des Kapitals untergeordnet haben.

Auf den nationalen Schulterschluss während der Pandemie soll nun offenbar der Burgfrieden während des Kriegs um die Ukraine folgen. So stimmt DGB-Chef Hoffmann in das bürgerliche Narrativ ein. Der reaktionäre Angriff des russischen Imperialismus auf die Ukraine wird nicht als Teil eines größeren, globalen Kampfes um die Neuaufteilung der Welt begriffen, sondern als einer auf „unsere“ Werte: „Dieser menschenverachtende Krieg ist ein Angriff auf die europäische Friedensordnung und auf unsere Demokratie.“

Nachdem der eigenen herrschenden Klasse eine grundsätzliche Unterstützung versichert wurde, dürfen natürlich einige „friedenspolitische“ Phrasen nicht fehlen: „Wir sagen Nein zu Militarisierung und massiver Aufrüstung. Wir brauchen dieses Geld für Zukunftsinvestitionen in die Transformation. Und wir brauchen es für die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats. Militärische Friedenssicherung darf niemals zulasten des sozialen Friedens erkauft werden.“

Daher soll die Anhebung des Rüstungsetats nicht dauerhaft erfolgen, sondern nach dem Waffengang mit Russland beendet werden. Solange der aber noch nicht zu „unseren“ Gunsten entschieden ist, geht die Aufrüstung in Ordnung, sofern sie nicht „zulasten des sozialen Friedens“ erkauft würde. Der Verweis darf keinesfalls als Kritik an der Regierung missverstanden werden. Vielmehr soll er daran erinnern, dass die Gewerkschaftsführung für die Burgfriedenspolitik auch Entgegenkommen, also einen sozialchauvinistischen Bonus, erwartet.

Pfiffe und Eier für SPD-Prominenz

Um die Nähe zur Regierung und damit zum Staat des Kapitals auch am Ersten Mai zu demonstrieren, durften neben der DGB-Prominenz die Redner:innen aus der „Politik“, vornehmlich aus der SPD, nicht fehlen. So hatte Kanzler Scholz seinen Auftritt in Düsseldorf, in München war Oberbürgermeister Reiter, in Berlin Franziska Giffey geladen.

Dass führende SPD-Politiker:innen, zumal solche mit Regierungsfunktionen, auf den Ersten-Mai-Kundgebungen als zentrale Redner:innen auftreten dürfen, gehört zum üblichen Ritual einer Gewerkschaft, die sozialdemokratisch geprägt und dominiert ist.

Neu – und positiv – war jedoch, dass die Teilnehmer:innen wichtiger Kundgebungen wie in Düsseldorf, Berlin und München das Gedöns der sozialdemokratischen Regierungsleute nicht einfach über sich ergehen ließen, sondern mit Sprechchören, Pfeifkonzerten, Buhrufen ihre Kritik und Ablehnung der Kriegspolitik der Regierung und der klassenfeindlichen Politik in Bund, Ländern und Kommunen zum Ausdruck brachten.

Olaf Scholz wurde zu Recht für seine Milliardenaufrüstung, Sanktionen und Waffenlieferungen angegriffen, die Deutschland als NATO-Staat faktisch zu einer Kriegspartei in der Ukraine machen.

In München wurde Oberbürgermeister Reiter ausgepfiffen, weil sich der SPD-Politiker gegen den Erzieher:innenstreik in seiner Stadt gestellt hatte. Linke Gewerkschafter:innen enthüllten Schilder gegen den Krieg.

Berlin

Einen Höhepunkt der Aktionen erlebten wir in Berlin. Schon DGB-Chef Hoffmann wurde bei seiner Rede immer da von Sprechchören unterbrochen, wo er offen oder implizit die Kriegs- und Rüstungspläne der NATO, der EU oder der Bundesregierung unterstützte.

Eine gebührenden Empfang bereiteten mehrere Hundert Unterstützer:innen des klassenkämpferischen Blocks bei der Abschlusskundgebung in Berlin der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey. Sie kann auf eine lange unrühmliche Geschichte zurückblicken, sei es als Unterstützerin rassistischer Abschiebungen, von Privatisierungen und zahlreichen anderen arbeiter:innenfeindlichen Maßnahmen.

In den letzten Jahren und als Regierungschefin eines angeblich linken rot-grün-roten Senats steht die Verhinderung der Enteignung der Immobilienkonzerne ganz oben auf ihrer Agenda. Statt dem Votum einer klaren Mehrheit von über einer Millionen Berliner:innen, die für die Enteignung von Deutsche Wohnen und Co. gestimmt haben, zu folgen, will Giffey dieses zur Zeit in einer sog. Expert:innenkommission politisch entsorgen.

Dennoch sollte sie als eine Hauptrednerin die Leute mit leeren Phrasen einseifen. Doch dazu kam es nicht. Nicht nur die Genoss:innen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften und der Klassenkämpferische Block, den auch die Gruppe Arbeiter:innenmacht und REVOLUTION mitorganisierten, sorgten für lautstarken Protest und intonierten Sprechchöre wie „Volksentscheid – umsetzen“ und „Enteignung – jetzt!“ Auch viele andere Gewerkschafter:innen unterstützten die Rufe und das Pfeifkonzert. Als schließlich ein Ei Richtung Giffey flog, brach sie ihre Rede ab.

Nachträglich entrüstet sich Giffey über dieses „undemokratische“ Vorgehen und den „tätlichen Angriff“. Dabei sollte doch eher die Frage gestellt werden, was der Wurf eines Eis im Vergleich zum Rauswurf all der Mieter:innen, die nach Zwangsräumungen ihre Wohnung verloren, darstellt.

Ver.di Berlin entrüstet sich in einer Pressemitteilung vom 2. Mai über den „verabscheuenswürdigen“ Angriff. Schließlich sei der „Dialog mit demokratischen Parteien und der politischen Führung der Stadt sehr wertvoll.“

Dass eine Person, die einen Volksentscheid zur Enteignung der Immobilienkonzerne hintertreibt, Geflüchtete abschieben lässt, die S-Bahn privatisieren will und auch ansonsten dem Kapital den roten Teppich ausrollt, ausgerecht bei der Mai-Demonstration der Gewerkschaften eine zentrale Rede halten sollte, verdeutlicht die Krise der Gewerkschaften in Deutschland.

Klassenkämpferische Basisbewegung

Die Krise hat gleich mehrere Namen: Sozialpartner:innenschaft und nationale Einheit mit der Regierung sind nur zwei davon. Diese Politik der Klassenzusammenarbeit dient nicht den Lohnabhängigen, sondern dem Kapital und seiner Regierung. Die schrumpfenden Demonstrationen sind nur ein numerischer, alarmierender Ausdruck einer Politik, die seit Jahren zum weiteren Niedergang der Gewerkschaften geführt hat und diese an die herrschende Klasse und die Regierung kettet.

Die Proteste gegen Scholz, Reiter, Giffey verdeutlichen jedoch, dass sich Widerstand, Opposition gegen den sozialpartnerschaftlichen Kurs und die Unterstützung der Kriegspolitik der Regierung regt. Die Tatsache, dass sie nirgendwo ernsthaft vom Apparat verhindert werden konnten, sondern bei vielen Gewerkschafter:innen, darunter auch Kolleg:innen aus der Sozialdemokratie, auf ein positives Echo stießen, zeigt, dass die reformistischen Apparate in Zeiten der Krise, der „Zeitenwende“ auch Risse bekommen, Risse, die wir vertiefen müssen.

Wir brauchen keine Politik der falschen Toleranz gegenüber Leuten wie Giffey. Wir brauchen keinen Kuschelkurs mit den politischen Vertreter:innen des Kapitals, selbst wenn sie sich „arbeiter:innenfreundlich“ geben. Stattdessen benötigen wir einen Bruch mit der Politik der Unterordnung unter das „nationale“ Interesse, unter die imperialistische Politik des deutschen Staates und unter die Wettbewerbsfähigkeit des Kapitals. Wir brauchen keine Politik des „sozialen Friedens“, sondern eines des Klassenkampfes.

Das heißt aber auch, dass wir in den Betrieben und Gewerkschaften eine oppositionelle, antibürokratische Kraft aufbauen müssen, die eine politische Alternative zum Apparat und zur reformistischen Führung liefert – eine klassenkämpferische Basisbewegung. Der Aufbau der VKG in den einzelnen Städten, die Gewinnung weiterer Strömungen in den Gewerkschaften und von kämpferischen Aktivist:innen stellen einen nächsten wichtigen Schritt in diese Richtung dar.




Nein zum Krieg! Gegen die Aufrüstung! Weder Putin noch NATO!

Aufruf zum klassenkämpferischen und antiimperialistischen Block auf der Demo „No War but Class War!“ am 9. April um 14 Uhr in Berlin (U Unter den Linden), Infomail 1184, 2. April 2022

Über einen Monat dauert der reaktionäre Angriff der russischen Streitkräfte auf ukrainische Städte und Dörfer an. Schon jetzt mussten als Folge des Krieges Millionen von Menschen fliehen, Städte wurden in Schutt und Asche gelegt und es gibt zahlreiche Tote. Die NATO-Mächte, darunter Deutschland, rüsten ihrerseits auf und entsenden Waffen in die Ukraine und Truppen, Kriegsschiffe und Flugzeuge in Nachbarländer Russlands.

Wir stellen uns klar gegen Putins reaktionären Krieg und fordern den Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine! Die russische Armee kämpft keineswegs für „Entnazifizierung“ oder im Interesse der Unterdrückten gegen den Einfluss der westlichen Imperialismen. Das Putin-Regime versucht vielmehr mit brutalen Mitteln, verlorenen Einfluss in der Region wieder zurückzuerlangen.

Doch der Kampf um die Ukraine wird nicht nur von Russland geführt. NATO, USA, EU wollen ihrerseits das Land unter ökonomische und politische Kontrolle bringen und in die westliche militärische Ordnung einbinden. Die Länder Osteuropas dienen schon jetzt insbesondere für das deutsche Kapital als Niedriglohngebiete und Absatzmärkte, während der Internationale Währungsfonds die Ukraine zu Sparmaßnahmen und Privatisierungen zwingt. Die ukrainische Selenskyj-Regierung steht für die Politik der völligen Unterordnung unter die Interessen der westlichen Imperialismen. Das ist kein Ausweg für die Arbeiter:innen und Massen in der Ukraine!

Deswegen treten wir hier auch gegen jede Intervention der NATO und Deutschlands ein. Der Krieg ist keiner zwischen Diktatur und Demokratie, sondern ein Ringen um kapitalistische Einflusssphären.

Der Charakter der NATO als imperialistisches Bündnis zur Sicherung der geostrategischen Interessen der an ihm beteiligten Militärmächte zeigt sich auch am medial völlig ignorierten Krieg der Türkei gegen die kurdische Selbstverwaltung. Im Schatten des Ukrainekriegs begeht die Türkei schreckliche Kriegsverbrechen und bombardiert quasi täglich die Zivilbevölkerung. Während Außenministerin Baerbock (Grüne) mit einer angeblich „feministischen Außenpolitik“ Kriegshetze in Richtung Ukraine betreibt und die Regierung immer weiter gegen Russland aufrüstet, exportiert Deutschland in massivem Umfang Waffen in die Türkei und betont die guten zwischenstaatlichen Beziehungen.

Wir lehnen entschieden den neuen Kurs der deutschen Außenpolitik ab, der eine massive Aufrüstung der Bundeswehr und stärkere deutsche Beteiligung an internationalen Konflikten und Kriegen bedeutet. Als Gewerkschafter:innen und Linke sind wir der Meinung, dass wir dem deutschen Militarismus nicht einmal den kleinen Finger geben dürfen. Nichts Gutes kann für die Menschen in der Ukraine und Völker der Welt dabei herauskommen, wenn der deutsche Imperialismus aufrüstet. Nein zum 100-Milliarden-Euro-Sonderhaushalt, nein zur Erhöhung der Militärausgaben auf das NATO-2-Prozent-Ziel!

Der Krieg fordert nicht nur Opfer in der Ukraine. In Russland leiden die Arbeiter:innen unter den massiven Sanktionen, die die imperialistischen Mächte gegen seine Wirtschaft verhängt haben. Massive Preissteigerungen und Entlassungen sind die Folge. Die russischen Soldat:innen werden als Kanonenfutter verheizt. Die Opposition gegen den Krieg wird von der russischen Regierung mit harter Repression überzogen. Deshalb fordern wir auch die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen in Russland!

Auch weltweit sind die Folgen des Krieges zu spüren: Überall steigen Energie- und Weizenpreise massiv, es drohen Nahrungsmittelengpässe insbesondere in den halbkolonialen Ländern. Im Jemen wurden beispielsweise schon jetzt die UN-Rationen um die Hälfte gekürzt.

Gerade kommen viele Menschen in Deutschland an, weil sie die Ukraine verlassen müssen. Wir begrüßen die große Solidarität und die vielen ehrenamtlichen Unterstützungsangebote, die gerade entstehen. Gleichzeitig müssen wir auch die Bedingungen kritisieren, unter denen geflüchtete Menschen in Deutschland leben müssen. Statt leerstehende Immobilien für die Unterbringung zu nutzen, werden Plätze in inhumanen und unsicheren Lagern geschaffen, an denen seit vielen Jahren Kritik geübt wird. Wir sind für deren Abschaffung und für zwar ALLE Geflüchteten. Es darf kein Unterschied gemacht werden zwischen Menschen aus der Ukraine und geflüchteten Menschen aus anderen Ländern. Wir fordern auch das sofortige Bleibe- und Arbeitsrecht, Bewegungsfreiheit, bedarfsgerechte medizinische und psychologische Betreuung und das Recht auf politische Organisierung für alle Geflüchteten.

Die Arbeiter:innen und Massen in der Ukraine, in Russland und den westlichen Ländern wie Deutschland hegen aus all diesen Gründen ein Interesse daran, den Krieg zu stoppen. Wenn wir Frieden wollen, dann müssen wir uns hierzulande gegen die massive Aufrüstung und Kriegstreiberei stellen. Wenn wir Frieden wollen, dann müssen wir die Antikriegsproteste und Streiks gegen die Auswirkungen des Kriegs und der Sanktionen in Russland unterstützen. Wenn wir Frieden wollen, dann muss uns klar sein, dass wir Arbeiter:innen diejenigen sind, die ihn schaffen – wie die Arbeiter:innen in Italien und Belarus gezeigt haben: Statt sich ihren jeweiligen Regierungen unterzuordnen, haben sie einerseits italienische Waffenlieferungen an die Ukraine blockiert und andererseits die Versorgung der russischen Truppen in der Ukraine unterbrochen. So kann internationaler Widerstand der Arbeiter:innen aussehen!

Inspiriert von diesen Beispielen wollen wir hierzulande eine Antikriegsbewegung aufbauen, die diese Aktionen verbreitet, verallgemeinert und eine „dritte Position“ vertritt. Erste Beispiele wie die Positionierung der Berliner Krankenhausbewegung gegen Krieg und Aufrüstung oder die gleichgerichtete Aktion von Eisenbahner:innen in Berlin hat es schon gegeben. Wir wollen uns weder der NATO-Politik unterordnen noch durch den Verweis auf die „Sicherheitsinteressen“ Russlands den Angriffskrieg legitimieren.

Wir begrüßen, dass Gewerkschaften und Linkspartei schon zu Mobilisierungen gegen den Krieg aufgerufen haben. Jedoch nehmen die Führungen der Gewerkschaften und der Partei DIE LINKE zu Fragen der Sanktionen eine falsche Haltung ein. Sie zerstören nicht nur die Lebensbedingungen der russischen Bevölkerung, sondern sind Teil der wirtschaftlichen Kriegsführung und eskalieren die Situation weiter.

Selbst wenn der 100 Mrd. Euro starke Sonderetat zur Aufrüstung der Bundeswehr und das Zwei-Prozent-Ziel für die jährlichen Militärausgaben in den NATO-Mitgliederstaaten abgelehnt werden, muss der Kampf gegen alle Formen der Kriegsführung und Aufrüstung, offen oder verdeckt, ökonomisch, politisch oder militärisch durch die Mobilisierung ihrer Mitgliedschaft geführt werden. Jede unklare Haltung oder gar Unterstützung der Politik der NATO, EU oder Deutschlands dient letztendlich dem deutschen Imperialismus, gegen den sich der DGB und DIE LINKE stellen müssen.

Eine tatsächliche Perspektive für eine unabhängige Ukraine, in der die ukrainisch- und russischsprachigen Teile der Bevölkerung und alle verschiedenen Ethnien ihr Recht auf Selbstbestimmung – einschließlich des Rechts auf Lostrennung – verwirklichen und geschwisterlich miteinander zusammenleben können, ist weder unter der Herrschaft des russischen noch des westlichen Kapitals möglich, sondern nur in der Perspektive einer sozialistischen Arbeiter:innenukraine.

Wir fordern die Gewerkschaften, die Linkspartei und die Teile der SPD auf, die sich als antimilitaristisch verstehen, dazu auf, nicht nur zu Antikriegsdemonstrationen aufzurufen. Es braucht Aktionskomitees und Vollversammlungen in Betrieben, an Universitäten und Schulen, die die Diskussion an die Orte tragen, wo wir uns tagtäglich bewegen.

Lasst uns eine starke Kampagne gegen Krieg und Aufrüstung aufbauen, die in den Betrieben, an Schulen und Unis und auf der Straße eine klassenkämpferische und antiimperialistische Antwort auf die Politik der Regierung und der Bosse liefert. Komm mit uns auf die Demonstration am 9. April um 14 Uhr in Berlin (U Unter den Linden)!

  • Russische Truppen raus aus der Ukraine!
  • Schluss mit NATO-Kriegsvorbereitungen! Nieder mit der NATO!
  • Keine Aufrüstung der Bundeswehr! Milliarden für die Pflege, Bildung und Klima statt für Kriege!
  • Keine Waffenlieferungen oder Sanktionen durch EU und USA!
  • Für die Aufnahme ALLER Geflüchteten! Für volle demokratische, soziale und Arbeitsrechte für alle Geflüchteten!
  • Solidarität mit den Protesten in Russland gegen den Krieg! Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Aufrufende Gruppen

Antikapitalistische Linke Berlin

Gruppe Arbeiter:innenmacht (GAM)

Klasse gegen Klasse / Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO)

REVOLUTION – kommunistische Jugendorganisation

Revolutionäre Sozialistische Organisation (RSO)

[’solid] Nord Berlin

Sozialistische Organisation Solidarität (SOL)

Sozialistische Alternative SAV




Antikriegsbewegung aufbauen: Klassenkrieg dem Krieg!

Martin Suchanek, Neue Internationale 263, April 2022

Die Invasion des russischen Imperialismus in die Ukraine hat eine neue Phase der Weltpolitik eingeläutet. Der Krieg offenbart nicht nur den reaktionären Charakter von Putins Regime, dessen barbarischer Kriegsführung Tausende zum Opfer gefallen sind – und täglich zum Opfer fallen werden.

Millionen Menschen fragen sich: Wie kann das Morden gestoppt werden? Millionen tragen ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine Woche für Woche auf die Straße.

Die Unterstützung der Opfer der russischen Invasion ist ein Gebot der Stunde. Doch zugleich droht der sich seit Jahren verschärfende Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen den „alten“ imperialistischen Mächten, den USA und jenen in Westeuropa, einerseits sowie den „neuen“ wie China und Russland andererseits, zu einem heißen Krieg zu eskalieren.

Eine internationale Antikriegsbewegung muss daher sowohl ihre Solidarität mit den Opfern von Putins barbarischem Krieg zum Ausdruck bringen wie auch der akuten globalen Kriegsgefahr Rechnung tragen.

In den westlichen Ländern – so auch in Deutschland – kommt es darauf an zu verhindern, dass die NATO von der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Unterstützerin der ukrainischen Regierung zu einer direkten Kriegspartei wird, der globale Konflikt zum offenen, Dritten Weltkrieg ausartet.

Die Gefahr ist real. Die Politik der USA, der NATO-Mächte und der Bundesregierung, die extremen ökonomischen Sanktionen gegen Russland und die massive Aufrüstung sind kein Akt der „Verteidigung der Demokratie“ und Menschenrechte, wie es die Regierung und Opposition im Bundestag predigen. Vielmehr werden so nur die imperialistischen Interessen im Kampf um die Ukraine verkleidet.

Für eine Antikriegsbewegung ergeben sich daher mehrere wichtige Schlussfolgerungen.

1. Aufdecken der Interessen des „eigenen“ Kapitalismus – Ablehnung jeder Form des nationalen Schulterschlusses

Deutschland und der Westen verteidigen nicht das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine, sondern verfolgen vielmehr das Ziel, Russland als imperialistischen Konkurrenten auszuschalten und die Ukraine dauerhaft zu ihrer Halbkolonie zu machen. Die Behauptung, dass es den herrschenden Klassen Deutschlands oder seiner NATO-Verbündeten um einen Kampf zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Willkür und Menschenrechten ginge, ist eine Lüge. Sie soll nur die Bevölkerung auf Aufrüstung, NATO-Expansion nach Osten, Unterstützung der Sanktionen und ggf. ein direktes militärisches Eingreifen ideologisch vorbereiten und einstimmen.

  • Nein zu jeder NATO-Intervention! Gegen alle Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen und Waffenlieferungen! Gegen NATO-Ausweitung, sofortiger Austritt aus der NATO!

2. Keinen Cent für die imperialistische Politik

Auf den neuen Kurs, auf die „Zeitenwende“ eines Olaf Scholz sollen die Lohnabhängigen nicht nur ideologisch eingeschworen werden. Sie sollen auch dafür zahlen – sei es durch höhere Preise infolge der Sanktionen, sei es durch zukünftigen Sozialabbau, Kürzungen und Steuererhöhungen, um die Aufrüstung der Bundeswehr zu finanzieren.

  • Keinen Cent für die imperialistische Politik, für die Bundeswehr! Nein zum 100-Milliarden-Programm der Ampel-Koalition!
  • Die Kosten der Preissteigerung müssen die Herrschenden zahlen! Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber:innen unter Arbeiter:innenkontrolle! Übernahme gestiegener Lebenshaltungskosten der Arbeiter:innenklasse, der Rentner:innen, von Erwerbslosen durch Besteuerung des Kapitals! Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Konversion unter Arbeiter:innenkontrolle!

3. Nein zu Putins Angriffskrieg! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und Antikriegsbewegung in Russland!

Eine Antikriegsbewegung, die diesen Namen verdient, muss die Invasion in der Ukraine verurteilen, den sofortigen Abzug der Truppen und die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Ukraine fordern (genauso wie von der Ukraine jenes der Krim und des Donbass zu verlangen ist). Eine Bewegung, die glaubwürdig gegen die Politik der NATO-Mächte kämpfen will, darf zum russischen Imperialismus nicht schweigen.

  • Sofortiger Abzug der russischen Armee! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, Anerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung gegen die Invasion!
  • Solidarität mit der Antikriegsbewegung und der Arbeiter:innenklasse in Russland; Verbreitung der Aktionen gegen den Krieg; Freilassung aller Festgenommen!
  • Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger:innenrechte für alle – finanziert durch den Staat; Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!

4. Politischer Massenstreik und Massendemonstrationen gegen jede direkte NATO-Intervention!

Sollten die NATO-Länder zu einer direkten militärischen Intervention z. B. durch die Errichtung von Flugverbotszonen schreiten, muss die Arbeiter:innenklasse unmittelbar gegen diese Eskalation hin zum direkten Krieg imperialistischer Mächte mobilisiert werden, um mit einem politischen Streik bis hin zum Generalstreik die gefährliche Katastrophe zu verhindern, um die Kriegstreiberei durch den Klassenkrieg zu stoppen!

Die Ablehnung jeder Klassenzusammenarbeit, jeder Unterstützung der Regierung und ihrer militärischen und wirtschaftlichen Interessen ist nicht nur unerlässlich im Kampf gegen den „eigenen“ Imperialismus, den Hauptfeind im eigenen Land. Sie schafft zugleich auch die besten Voraussetzungen für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung – insbesondere auch in Russland und in der Ukraine. Wenn sich die Lohnabhängigen in Deutschland und anderen westlichen Ländern gegen ihre eigene Regierung stellen, so untergräbt das auch den reaktionären völkisch-nationalistischen großrussischen Nationalismus.

Antikriegsbündnis aufbauen!

Die Gruppe Arbeiter:innenmacht und REVOLUTION beteiligen sich gemeinsam mit anderen internationalistischen, sozialistischen, klassenkämpferischen und gewerkschaftsoppositionellen Strömungen aktiv am Aufbau einer Antikriegsbewegung unter den Losungen „Gegen die Aufrüstung! Nein zum Krieg! Weder Putin noch NATO!“

Gemeinsam intervenierten wir auf den großen Ukraine-Solidaritätsdemonstrationen wie z. B. am 13. März in Berlin. Zugleich organisieren wir eigene Antikriegsdemonstrationen und Kundgebungen wie z. B. am 9. April in Berlin, 14.00 Uhr vor der russischen Botschaft (Unter den Linden/Ecke Friedrichstraße). Wir versuchen, dafür Lohnabhängige und Gewerkschafter:innen, Schüler:innen, Studierende dort zu organisieren, wo sie arbeiten oder lernen. Wir halten dies für strategisch notwendig, wenn wir eine Antikriegsbewegung aufbauen wollen, die sich auf die Arbeiter:innenklasse stützt, Kriegstreiber:innen, Kapital und Kabinett durch ihre Aktionen wirklich stoppen kann, um die Kräfte für einen Kurswechsel in den Gewerkschaften, aber auch in den reformistischen Parteien zu sammeln.

Um eine Antikriegsbewegung aufzubauen, brauchen wir Aktion und Diskussion. Daher schlagen wir eine Aktionskonferenz Anfang Mai vor, um gemeinsam darüber zu diskutieren, wie wir die Bewegung voranbringen können. Eine solche muss zugleich auch grundlegende Fragen des Kampfes gegen Imperialismus und Krieg diskutieren, um die politische Klärung innerhalb der Bewegung und der Linken voranzubringen. Es gilt, jene Kräfte zu formieren, die nicht nur eine Bewegung, ein Bündnis aufbauen, sondern auch eine revolutionäre Organisation und Internationale bilden wollen – mit dem Ziel, den drohenden imperialistischen Krieg zum Klassenkrieg gegen den Kapitalismus zu transformieren.




Belarus: Eisenbahnverbindungen zur Ukraine gekappt

Martin Suchanek, Neue Internationale 263, April 2022

Am 20. März schlossen Eisenbahner:innen aus Belarus die Bahnverbindungen in die Ukraine, um den Nachschub der russischen Invasionstruppen zu blockieren. Auch wenn die Informationsquellen zu diesen Aktionen bisher schwer überprüfbar sind, so scheinen sich die Nachrichten zu bestätigen, auch wenn sich die von Putin und Lukaschenko kontrollierten Medien dazu ausschweigen.

Die Bedeutung dieser Streiks und der Sabotage des Schienennetzes in die Ukraine, die neben Eisenbahner:innen auch von anderen Oppositionellen durchgeführt werden, ist schwer zu überschätzen. Erstens trifft es den Nachschub einer ohnedies ins Stocken geratenen russischen Militärmaschinerie direkt und schwächt somit weiter den reaktionären Angriff. Zweitens treffen die Aktionen direkt einen der wichtigsten Vasallen von Putins Regime und erschweren einen offenen Kriegseintritt von Belarus, der für die Arbeiter:innenklasse eine weitere Katastrophe darstellen würde. Drittens verdeutlicht die Aktion, dass die Lohnabhängigen den Kriegstreiber:innen und der Militärmaschinerie in den Arm fallen können. Dass diese Blockade in Belarus und nicht in Russland selbst stattfindet, ist sicher kein Zufall. Das Regime Lukaschenko verzeichnet in der Bevölkerung bestimmt weitaus weniger Verankerung als jenes von Putin. Die Lügen der staatlich kontrollierten belarussischen Medien glaubt allenfalls eine Minderheit. Zu lebendig sind noch die Erinnerungen an die Massenbewegung gegen das Regime.

Doch diese Aktionen sind auch eine Warnung an Putin selbst. Sie zeigen, von welcher Seite ihm wirklich Gefahr droht – von einer Arbeiter:innenklasse, die seine reaktionären Kriegslügen satt hat, von jungen Rekrut:innen, die als Kanonenfutter des russischen Imperialismus verheizt werden und nicht mehr für einen reaktionären Krieg sterben wollen. Die Lähmung der russischen Kriegsmaschinerie hilft dabei nicht nur den Menschen in der Ukraine – sie unterminiert auch Gefolgschaft, Gehorsam und Disziplin der einfachen Soldat:innen in der russischen Armee, auf dass sie ihre Gewehre umdrehen!




Kundgebung: Eisenbahner:innen gegen den Krieg

Aufruf von Bahn-Gewerkschafter*innen zu einer Antikriegskundgebung in Berlin, Infomail 1182, 16. März 2022

Die russische Invasion der Ukraine und der Krieg haben uns überrascht und erschrocken. Er hat das schon seit Jahren drehende Rad der Konkurrenz und Eskalation zwischen den großen Mächten unfassbar beschleunigt. Wie sonst nichts bestimmt dieser Krieg nun unsere Welt. Jeder Meldung über Leid und Zerstörung in der Ukraine folgen neue Erklärungen, Drohungen, Sanktionen. Es wird weiter eskaliert – was bis zu einem Dritten Weltkrieg führen kann.

Denn der Krieg ist einer um die Neuaufteilung der Welt zwischen Russland einerseits und den USA und den europäischen Mächten, vertreten durch die Ukraine, andererseits.

Wir stehen daher auf der Seite unserer Kolleg:innen in der Ukraine, die ihr Zuhause, Familien und sogar ihr Leben verlieren und am meisten unter dem Krieg leiden.

Wir stehen aber auch auf der Seite unserer russischen Kolleg:innen, die die Zeche für den Krieg und Sanktionen aufgedrückt bekommen und deren Angehörige in Putins Feldzug fallen.

Und wir stehen auf der Seite aller unserer Kolleg:innen hierzulande, denn wir werden die Folgen des Krieges in unserer aller Taschen spüren – wir sollen die 100 Milliarden-Aufrüstung der Bundeswehr finanzieren und die explodierenden Preise für Lebensmittel, Gas, Strom und Sprit bezahlen!

Zu all dem sagen wir: NEIN, No, いいえ, Нет, 아니요, Hayır, Ні, Non, Όχι, 不, !

Vergessen wir nicht, dass Osteuropa seit Jahren auf dem Schienenweg bereits militarisiert und aufgerüstet wurde. Die Deutsche Bahn hat an diesen Rüstungstransporten und der Kriegsspirale ganz mies mitverdient! Wir Eisenbahner:innen haben es in der Hand, dem Krieg das Futter zu entziehen: „Halt“ für Panzerzüge, „Fahrt“ für Flüchtlingszüge und Hilfsgüter – in ganz Europa und Russland!

Als Eisenbahner:innen und Gewerkschafter:innen der EVG und GDL fordern wir:

  • Ein Ende der Militäroffensive der russischen Armee: sofortiger Abzug der Truppen und Ende der Bombardierungen!
  • Keine Unterdrückung und Einschränkungen der Presse- und der Meinungsfreiheit in Russland, der Ukraine und EU! Sofortige Freilassung aller Kriegsgegner:innen! Keine Zwangrekrutierung in Russland und der Ukraine! Keine Verfolgung von Menschen, die den Kriegsdienst verweigern oder desertieren! Unterstützung des Aufbaus unabhängiger Gewerkschaften in Russland und in der Ukraine!
  • Aufnahme aller Menschen, die fliehen, in die EU – nicht nur, wenn sie einen ukrainischen Pass haben!
  • Rückzug von NATO-Truppen und Nein zur NATO-Osterweiterung, Auflösung der NATO!
  • Brechen wir das zustimmende Schweigen bzw. die Zustimmung für Sanktionen gegen die Bevölkerung durch unsere Gewerkschaften! Keine Sanktionen, keine Waffenexporte, keine Aufrüstung, keine Preiserhöhung! Stattdessen sollen EVG und GDL zusammen eine starke internationale Antikriegsbewegung mit aufbauen und diese global ausweiten – das heißt notfalls auch: Arbeitsniederlegung und Streik gegen Waffenlieferungen, Truppentransporte Aufrüstung und Krieg!
  • Rücknahme der 100 Milliarden-Aufrüstung der Bundeswehr – stattdessen: Geld für unsere Daseinsversorgung wie z. B. eine echte Verkehrswende hin auf die Schiene!
  • Kontrolle aller Güterzüge Richtung Osteuropa – kein Transport von weiteren Waffen! Keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen für Kollegen:innen, die sich weigern, Rüstungstransporte zu beladen, wagentechnisch zu behandeln, oder diese stehenlassen! EVG und GDL müssen ihre Mitglieder dazu ermutigen und aufrufen, die Kriegsmaschine zu stoppen.
  • Gegen den Krieg – für die internationale Solidarität unter Kolleg:innen! Kommt zur Kundgebung Eisenbahner:innen gegen den Krieg – eingeladen sind alle!

21.03.2022 / 16:00 Uhr, Berlin-Hauptbahnhof – Europaplatz

Initiative zur gewerkschaftsübergreifenden Vernetzung von Eisenbahner:innen: bahnvernetzung.de




Musterantrag: Gewerkschafter*innen gegen Krieg und Aufrüstung!

Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, 7. März 2022, Infomail 1181, 10. März 2022

Als aktiver Teil der Gewerkschaftsbewegung verurteilen wir den Angriff der russischen Armee auf die Ukraine auf das Schärfste. Der Krieg bringt den Tod von vielen unschuldigen Zivilist*innen und massive Zerstörung und Leid für die Arbeiter*innenklasse mit sich. Die Gefahr wächst, dass er in unabsehbarem Maße eskaliert, mit furchtbaren Folgen für die Arbeiter*innen international. Wirtschaftssanktionen werden bereits jetzt von der arbeitenden Bevölkerung in der EU und Russland mit massiv steigenden Lebenshaltungskosten und wachsender Armut bezahlt.

Wir fordern

  • Ein Ende der russischen Militäroffensive: sofortiger Abzug der Truppen und ein Ende der Bombardierungen!
  • Keine Waffenexporte aus Deutschland in den Krieg – keine Exportgenehmigung für Waffen deutscher Herkunft aus Drittländern in den Krieg!
  • Keine Intervention der NATO! Nein zur NATO-Osterweiterung!

Insbesondere fordern wir unsere Gewerkschaft dazu auf, gemäß einer guten alten, aber höchstaktuellen gewerkschaftlichen Tradition, sich gegen alle kriegsfördernden Maßnahmen zu stellen, also:

  1. gegen das 100 Milliarden Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung und
  2. gegen die Erhöhung des Wehretats auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts.

Die Gewerkschaften müssen sich mit allen gewerkschaftlichen Mitteln, bis hin zum Streik gegen die Umsetzung dieser Maßnahmen wehren, um sie zu verhindern!

Stattdessen ist es notwendig, dass sich die Gewerkschaften für massive Investitionen in die Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge (Bildung, Gesundheit, Umwelt usw.) und für die Unterstützung aller Geflüchteten einsetzen.

Begründung:

Zu 1. Die Einrichtung eines Sonderetats von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr wird über Neuverschuldung finanziert. Finanzminister Lindner hat klar gemacht, dass das von uns, den Lohnabhängigen, bezahlt werden soll! Aufrüsten bedeutet Vorbereitung darauf, Krieg führen zu können. Sie ist kein Mittel, Krieg zu verhindern, sondern führt nur zu weiterem Wettrüsten und zur Eskalation bestehender Konflikte.

Zu 2. Die Erhöhung des laufenden Haushalts der Bundeswehr auf zwei Prozent des BIP wird die Finanzierung in anderen Bereichen der Daseinsfürsorge wie dem Gesundheitswesen infrage stellen.

Es gibt eine große Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung in Deutschland, die von der Bundesregierung genutzt wird, um ihren neuen außenpolitischen Kurs durchzusetzen. Damit üben sie Druck auf die Gewerkschaften aus, ihre bisherigen antimilitaristischen Positionen aufzugeben und sind damit teilweise bereits erfolgreich. Inzwischen sprechen die Vorstände von ver.di und IGM ‒ wie auch der DGB ‒ von einer „Neubewertung der Situation“ und haben über Nacht Forderungen wie ein Nein zu Waffenexporten fallengelassen. Es fehlt auch ein klares Nein zu dem gigantischen Aufrüstungsprogramm.

Wir brauchen eine starke internationale Anti-Kriegsbewegung, maßgeblich angeführt von Gewerkschaften – bis hin zu Mobilisierungen und notfalls Arbeitsniederlegungen (wie z.B. gegen Waffen- und Truppentransporte wie Kolleg*innen in anderen Ländern es bereits in der Vergangenheit gemacht haben)!




Ukrainekrieg: Härtetest für die deutsche Linke und Friedensbewegung

Jürgen Roth, Infomail 1181, 9. März 2022

Unsere Eindrücke und Einschätzungen beziehen sich im Folgenden auf die zahlreichen Aktionen Ende Februar und Anfang März in Berlin. Dort war am Sonntag, den 27. Februar, laut Veranstalter:innen eine halbe Millionen Menschen auf der Straße. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen, Initiativen, Umweltschutzorganisationen und Friedensgruppen hatte aufgerufen unter dem Motto „Stoppt den Krieg. Frieden für die Ukraine und ganz Europa“. Der Härtetest ergab hier eindeutig Blau-Gelb, die Farben der ukrainischen Nationalflagge. Das war nur zu verständlich angesichts des barbarischen Überfalls Russlands und der unverschämten Lügen über seine Kriegsziele. Es hat uns nicht gehindert, mit vielen Leuten ins Gespräch zu kommen, auch wenn wir mit dem Titel unserer Zeitung „Keine Person, keinen Cent für den NATO-Aufmarsch“ bei den meisten aneckten. Sie legte nämlich den Schwerpunkt auf die Aufrüstung der NATO und blieb damit Karl Liebknechts Motto aus dem 1. Weltkrieg treu: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“. Schließlich hätte Letzterer sich gerade in der vorangegangenen Sondersitzung des Bundestages vehementer gegen die Seite „seines“ Militärbündnisses gestellt.

Alle Reden beklagten das entsetzliche Leid, welches dieser Krieg v. a. über die Zivilbevölkerung mit sich bringt. In diesen Tenor möchten wir auch ausdrücklich einstimmen. Doch erheben sich bei uns auch die Fragen, warum angesichts des bislang viel grausameren Krieges des US-Verbündeten Saudi-Arabien gegen die Republik Jemen kein Klageton seitens der Mainstreampolitik zu hören war und ist.

Hunderttausende für „den Frieden“ – Pazifismus und (Sozial-)Chauvinismus

Alle Redner:innen befürworteten Sanktionen seitens der Bundesregierung. Eine Sprecherin aus der Ukraine forderte, ganz im Einklang mit der Linie ihrer Regierung, Waffen. Diesem Wunsch kommt die Bundesregierung momentan gerade gerne nach, durch Waffenlieferungen in Krisengebiete! Die beiden Sprecher von Campact und Greenpeace entblödeten sich nicht, dem Boykott Russlands noch einen Anschub für die erneuerbaren Energien abzugewinnen. Als ob die sog. Energiewende in ihrer planlosen Stümperei (mangelhafter Netzausbau, fehlende Speicherkapazität, Subvention durch Kleinverbraucher:innen) nicht Anfang 2021 in der 2. Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes etwas Sinnvolles zustande gebracht hätte, außer noch mehr Industriefirmen von der EEG-Umlage zu befreien. Bei Bezug von 40 % Primärenergie aus Russland in Gestalt der drei fossilen Energieträger freut’s denn auch die USA, dass sie jetzt ihr Frackinggas (LNG) teurer verkaufen dürfen ohne lästige russische Konkurrenz, aber dafür mit mehr CO2-Emissionen! Das ist genauso ökologisch, wie die jüngste EU-Taxonomie, die den Investitionen in fossiles Erdgas und Kernspaltung grünes Licht gibt. Die Bezeichnung NGOs (Nichtregierungsorganisationen) entpuppte sich am Beispiel von Campact und Greenpeace gleich in doppelter Hinsicht als Blödsinn. Wie viele andere ihresgleichen leben sie zum Großteil von Staatsknete. In der jetzigen Lage heulen erstere allerdings „Wessen Brot ich ess’, dessen Lied ich sing’“ als proimperialistische Kettenhunde.

Viel interessanter war, was in allen Reden nicht einmal benannt wurde. Es fiel kein Wort über die just zuvor beschlossene massive Aufrüstung der Bundeswehr, die Osterweiterung der NATO und ihre Manöver an der belarussischen und ukrainischen Grenze. Auch die jüngere ukrainische Geschichte seit den Euromaidanprotesten war keine Erwähnung wert.

Sanktionen für den Frieden?

Alle Redner:innen forderten einhellig Sanktionen gegen Russland. Dafür bekamen sie deutlich mehr Applaus als die ukrainische Sprecherin in ihrer Forderung nach (mehr) Waffen. Den Ruf nach Sanktionen schluckte die Mehrzahl der Friedensbewegten also bereits. Damit meinte sie, sich offensichtlich genug vom Militarismus weiterhin abgrenzen zu können, schließlich stand sie dem Ruf nach Waffen (und deutscher Kriegsbeteiligung) und somit ihrem pazifistischen Image förderlich entgegen – einstweilen!

Doch wer vom Staat Sanktionen fordert, muss auch für die Mittel zu deren Durchsetzung eintreten, sie schlagen notwendig in Kanonenbootpolitik um, falls Russland seine Waren exportieren bzw. die anderer Länder importieren möchte. Etwas völlig anderes dagegen ist der Aufruf an die Gewerkschaften zum Boykott im Kriegsfall wie z. B. der US-amerikanischen, trotzkistischen Sektion SWP im Fall des Überfalls Japans auf das restliche China außerhalb der bereits von Japan besetzten Mandschurei 1937: Boykott japanischer Importe, aber kein Embargo Chinas, sondern vollständige Belieferung, darunter auch mit Waffen. Wir sehen daran, dass der Pazifismus in letzter Konsequenz gegen sein eigenes Mantra verstoßen muss, sobald der erste Schuss fällt.

Weitere Proteste

Am Donnerstagabend, dem 24.2.2022, hatten sich Hunderte Menschen vor dem in ukrainischen Nationalfarben erleuchteten Brandenburger Tor zusammengefunden, darunter hier lebende Ukrainer:innen, aber auch Kriegsgegner:innen aus Russland und anderen osteuropäischen Staaten. Sie forderten einen sofortigen Rückzug Russlands, Sanktionen und mehr Unterstützung für die Ukraine. Eine Gruppe von Anarchist:innen verteilte Flugblätter, in denen sie ihre Solidarität mit ukrainischen Gesinnungsgenoss:innen ausdrückten und einen umfassenden, sofortigen Waffenstillstand forderten. Sie wandten sich gegen ein Wiederaufleben des Friedenswinters, ein kurzzeitiges, rechts offenes und intern umstrittenes Intermezzo der deutschen Friedensbewegung 2014 angeführt von Lars Mährholz, Ken Jebsen und Jürgen Elsässer. Diese Gefahr besteht in der jetzigen Situation nicht. Sie heraufzubeschwören und gleichzeitig kein Wort zum Charakter des aktuellen Konflikts zu verlieren, spricht Bände und erweist sich als bestenfalls hilflos, allenfalls perspektivlos.

Am Tag darauf versammelten sich etwa 400 Menschen vor der Volksbühne. Der Vorstand der Linkspartei, Linksjugend [‘solid] und Studierendenverband DIE LINKE.SDS hatten unter dem Motto „Die Waffen nieder“ aufgerufen. Kurze Reden hielten u. a. die Parteivorsitzende Janine Wissler und Bundestagsfraktionschefin Amira Mohamed Ali. Ihre Statements drückten Trauer und Besorgnis über den Krieg aus, ließen schon erahnen, dass die Partei sich bzgl. Putins Kriegsgelüsten „geirrt“ hatte und bezogen keine Stellung gegen Sanktionen. Staatsfromm wie ihr großer reformistischer Zwilling, die SPD, gingen die Führungsfiguren dieser bürgerlichen Arbeiter:innenpartei erst gar nicht auf die Aufgaben der Arbeiter:innenklasse ein – weder in Deutschland oder Russland noch in der Ukraine.

Einen Tag später hörten etwa 230 Personen einer dreistündigen digitalen Aktionskonferenz zu, zu der langjährige Aktivist:innen der Friedensbewegung eingeladen hatten. An verschiedenen Punkten brachen Differenzen auf. Viele wandten sich gegen Sanktionen gegen Russland. Die Mehrheit stimmte zu, sich an der oben geschilderten, von Campact organisierten Friedensdemo zu beteiligen. Eine Minderheit ging mit dem Leipziger Aktivisten Mike Nagler konform, der eine Beteiligung ablehnte mit dem Verweis, der Aufruf blende die Aufrüstungspolitik der NATO in den osteuropäischen Staaten aus.

Die Friedensbewegung wie auch DIE LINKE werden durch die Ereignisse gründlich durchgemischt werden. Schon jetzt bewegt sich der Großteil nach rechts in Richtung offenen Chauvinismus’ zu Unterstützer:innen des Vaterlandes und ihrer Verbündeten. Daraus kann sich auch eine Chance für revolutionäre und internationalistische Linke ergeben. Doch kann konsequenter Pazifismus wirksam gegensteuern?

Dilemma des Pazifismus

Pazifist:innen teilen alles Bürgerliche – außer Kriegsgewalt. Diese erscheint ihnen nicht als Fortführung der Politik mit anderen Mitteln, als aus den Widersprüchen der Klassengesellschaft erwachsen, sondern als unerklärlicher Betriebsunfall der Geschichte, Sieg des Bösen über das Gute im Menschen. Darum sind solche Bewegungen auch Tummelplatz aller Sorten sich als Gutmenschen gebender, die in Krisenzeiten schnell zu Kriegsbefürworter:innen werden.

Doch darf uns das nicht hindern, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, teilen wir doch mit der überwältigenden Mehrheit die Sorge um das dadurch verursachte Elend. Allerdings müssen wir zwischen dem ehrlichen, berechtigten Pazifismus, ja sogar Patriotismus eines/r Arbeiter:in und anderer Werktätiger aus Angst vor Verlust von Heimat und Leben und dem heuchlerischen der Kirchenfürst:innen, Politiker:innen und Journalist:innen unterscheiden. Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil wir unter ihnen unsere Verbündeten im Kampf gegen die Kriegsgräuel suchen müssen, nicht in Parlamenten, Amtsstuben und Militär.

Zweitens müssen wir zwischen fortschrittlichen und reaktionären Kriegen unterscheiden. So ist der Bürger:innenkrieg zur Erringung der Herrschaft der Lohnabhängigen, also der Diktatur des Proletariats wie ihrer Verteidigung ebenso zu unterstützen, wie der Kampf einer unterdrückten Nation um Selbstbestimmung einschließlich des Rechts auf Abtrennung von Gebieten, wenn deren Bevölkerungsmehrheit das will. Im imperialistischen Krieg treten wir dagegen für den revolutionären Defätismus ein, den Klassenkampf ohne Rücksicht auf die Niederlage der „eigenen“ Regierungen.

Aber sollten die Arbeiter:innen nicht einen reaktionären Krieg verhindern? Ja, unbedingt! Aber mit eigenen Mitteln, nicht Appellen an die Regierungen wie die pazifistische Friedensbewegung! So beschloss der Baseler Kongress der zweiten Internationale 1913, im Fall eines europäischen imperialistischen Krieges zum Generalstreik zu dessen Verhinderung aufzurufen. Davon sind Gewerkschaften, Sozialdemokratie, DIE LINKE und Friedensbewegung heute leider Lichtjahre entfernt. Aber auch die zweite Internationale überließ damals dem Sozialchauvinismus das Ruder, als sie am 4. August angesichts der Stimmung der Massen für die Kriegskredite und den sozialen Burgfrieden im Inneren stimmte.

Für die Haltung zum Krieg ist also nicht entscheidend, wer den ersten Schuss abfeuert, welches Land eine demokratischere Verfassung hat oder größer ist, sondern einzig und allein der Klassencharakter des Konflikts, der sich aus der Analyse seiner Stellung innerhalb des Weltsystems ergibt, was nicht notwendigerweise mit dem der beteiligten einzelnen Länder zusammenfällt.

Viele Argumente gegen unsere internationalistisch-revolutionäre Haltung lauteten in der vergangenen Woche zusammengefasst so: Ist der Kampf der Halbkolonie Ukraine gegen das imperialistische Russland nicht etwa auch nach euren Kriterien ein Gerechter? Nein, man muss auf vielmehr den Gesamtkontext des Kampfes betrachten. Die ukrainische Bourgeoisie hat ähnlich wie die herrschenden Nationalist:innen der serbischen Halbkolonie am Vorabend des Ersten Weltkriegs ihr Schicksal an das einer imperialistischen Großmacht – hier USA/EU, dort Russland – gekettet hat, damit nichts weiter als ein Bauer auf dem reaktionären Kriegsschachbrett darstellt.

Der nach wie vor legitime Kampf um nationale Selbstbestimmung gegen die russische Okkupation heute muss politisch unabhängig von der Regierung und unabhängig von der herrschenden ukrainischen Klasse geführt werden. Gäbe es revolutionäre Abgeordnete in der russischen Staatsduma, müssten sie gegen alle Kriegskredite stimmen. Auch im Fall der halbkolonialen Ukraine sollten sie dem Beispiel der beiden Sozialisten im serbischen Parlament von 1914 folgen und mit Nein stimmen, um so zum Ausdruck zu bringen, dass sie der Regierung keine politische Unterstützung geben (1). Außerdem muss das Recht auf nationale Selbstbestimmung dort auch für die Ostrepubliken gelten.

Ist Russland nicht eine undemokratische Oligarch:innenrepublik? Zweifellos! Doch abgesehen davon, dass das für die Haltung zum Krieg nicht ausschlaggebend ist, ist die Ukraine keinen Deut demokratischer (Ostrepubliken, Krim) oder weniger oligarchisch. Ihr Gini-Koeffizient (ein statistisches Maß zur Messung ungleicher Vermögensverteilung) ist der niedrigste in ganz Europa. Den Vorläuferinnen der jetzigen Regierung verhalf zudem ein Putsch mit faschistischer Beteiligung (Euromaidan) in den Sattel und löste einen Bürgerkrieg aus, in dem wir anfangs Seite für die Ostrepubliken bezogen haben, die sich gegen die von EU und IWF verhängten Sparmaßnahmen wandten. Diese Kräfte sind in den letzten Jahren jedoch marginalisiert worden, heute lässt sich im Osten des Landes nur noch von Stellvertreter:innen sprechen.

Macht es nicht einen entscheidenden Unterschied aus, ob Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen droht? In der Tat doch wie kann man sich ins Lager der NATO unter ihrer Führungsmacht USA begeben, die damit nicht nur gedroht haben, sondern sie auch einsetzten (Hiroshima, Nagasaki)? Welche deeskalative Bedeutung hat in dem Sinne die Forderung einiger Ideolog:innen des deutschen Kapitals, Deutschland zu einer Atommacht hochzurüsten?

Sind die NATO-Länder nicht demokratischer als Russland? Formal mag das bei etlichen stimmen, doch heißt das keineswegs, dass sie ihre Verbündeten allein unter bürgerlichen Demokratien suchen (Saudi-Arabien) oder für Demokratie und Menschenrechte kämpfen. Auch die Türkei ist NATO-Mitglied und hat sich in den letzten Jahren immer stärker zum Bonapartismus und Autokratie entwickelt.

Frieden, Frieden über alles: Eisberg im Klimawandel!

In Zeiten verschärften Konflikts um die Neuaufteilung der Welt geraten halbkoloniale Länder zusehends ins Gravitationsfeld der einen oder anderen imperialistischen Machtkonstellation. Das gilt leider auch für den (Sozial-)Pazifismus. Kann ein Generalstreik den Ausbruch eines reaktionären Kriegs nicht verhindern oder kommt – noch schlimmer, wie 1914 in Europa, heute in Russland und der Ukraine – gar nicht erst zustande, ist das Friedenslatein schnell am Ende. Jetzt ist der Klassenkampf noch unmöglicher als zuvor geworden, scheint es ihm. Sind nicht die jungen Arbeiter:innen an der Front? Gebietet nicht der Krieg die Einstellung aller unabhängigen Klassenaktivität? Denn diese könnte doch die Niederlage der „eigenen“ Regierung heraufbeschwören? Und wäre das nicht gleichbedeutend, einseitig das Werk der Kriegsgegner:innen zu verrichten?

Da Imperialismus die Konzentration des Kapitals und herrschende Politik konzentriertester Ausdruck gesamtkapitalistischer nationaler Interessen bedeuten, spitzt der Krieg alle Widersprüche zu. Das ist der Hintergrund, warum Pazifist:innen ins (sozial-)chauvinistische Lager überlaufen müssen, wenn sie nicht die Niederlage der „eigenen“ Regierung in Kauf nehmen wollen! Wer nicht für mich ist, ist gegen mich! Wer im Frieden nichts als ein:e gute Bürger:in sein will, muss so auf diese reale Erpressung reagieren: hic Rhodos, hic salta! (Sinnhaft: Zeig hier, beweise, was du kannst.) Du musst dich für oder gegen uns entscheiden!

Das Milieu, aus dem sich Friedens- wie manch andere humanitäre Bewegung (Seebrücke, NGOs) vorrangig rekrutieren, einschließlich der Linkspartei wird ein Erdbeben erleben. Die von der außerordentlichen Bundestagssitzung verkündete „Zeitenwende“ bricht auch für sie an. Die Auseinandersetzung mit Übertritten ins Lager des imperialistischen Burgfriedens wird zu einer zentralen Aufgabe des ideologischen Klassenkampfes in den kommenden Wochen!

  • Nieder mit dem imperialistischen Krieg! Nieder mit dem imperialistischen Frieden!

Endnote

(1) In der ursprünglichen Fassung hieß es irrtümlich, dass sich die serbischen Sozialisten enthalten hätten. Wir entschuldigen uns für diesen Fehler.




Nein zur russischen Invasion, nein zur NATO-Intervention!

Jaqueline Katharina Singh, Rede bei der Antikriegskundgebung am 26. Februar, Infomail 1179, 6. März 2022

Wir sind heute hier, weil Menschen ihre Wohnungen, ihre Zukunft, ihr Leben genommen werden.

Wir sind heute hier, weil die Politik der Durchsetzung der eigenen Interessen ohne Rücksicht auf Verluste ALLER imperialistischen Staaten ERNEUT zu einem Krieg in Europa geführt hat.

Wir sind heute hier, weil wir ein Zeichen setzen MÜSSEN gegen Krieg, Nationalismus und Imperialismus!

Wir sind hier, um klarzumachen, dass wir in klarer Opposition zum russischen Imperialismus stehen – aber genauso gegen die NATO-Mächte, darunter auch Deutschland.  Deswegen haben wir zusammen als Gruppe ArbeiterInnenmacht mit Klasse gegen Klasse, Hände weg vom Wedding!, der MLPD Mitte-Spandau, der kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION und Liedermacher Karl Nümmes diese Kundgebung organisiert.

Wir sind hier, um gegen den Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine zu demonstrieren. Denn wir verurteilen den russischen Angriff und fordern den Abzug der Truppen. Diese Situation stellt eine weitere Eskalation im Kampf um die Neuordnung der Ukraine dar. Und sie bringt vor allem die Gefahr mit sich, weiter zu eskalieren, zu einem größeren Krieg auszuarten.

Gleichzeitig verurteilen wir die Rolle der NATO. Unter der Flagge der Demokratie, der Menschenrechte und der Selbstbestimmung der Völker versucht diese, sich als „die Guten“ zu inszenieren.  Doch davon dürfen wir uns nicht täuschen lassen: Unter Führung der USA und der NATO haben die westlichen imperialistischen Mächte seit dem Ende des Kalten Krieges systematisch den Einfluss ihres russischen Rivalen zurückgedrängt und versuchen das auch weiter. Der Regime-Wechsel 2013/14 hat die Ukraine zu einem ökonomischen Anhängsel der EU gemacht und dafür gesorgt, dass diese zu einem billigen Ausbeutungsgebiet wird. Zugleich rüsten die NATO-Staaten die Ukraine militärisch auf und haben einen neuen Kalten Krieg vom Zaun gebrochen – gegen den russischen Imperialismus, aber auch gegen den weitaus stärkeren globalen Konkurrenten China. Die angebliche Verteidigung der „Demokratie“, der „Menschenrechte“ und der „Selbstbestimmung“ sind nichts als Phrasen, um von den eigentlichen Zielen abzulenken. Sie sind also keinesfalls besser als Russland. Und wie die anderen seiner westlichen Verbündeten verfolgt auch Deutschland geostrategische und ökonomische Interessen – zu Lasten der ukrainischen Bevölkerung.

Im Folgenden wird es Redebeiträge geben, die genauer auf die Situation eingehen. Hier nur einige Aspekte:

1. Wir brauchen eine Antikriegsbewegung!

Wie bereits gesagt worden ist, brauchen wir eine Antikriegsbewegung. Wir unterstützen Proteste in Russland, die sich gegen die militärische Intervention richten, und treten dafür ein, dass wir nicht nur gegen den russischen Imperialismus, sondern hier auch gegen die Aufrüstung des eigenen Imperialismus kämpfen. So wird es längerfristig sehr viel schwerer für Putin, die Antikriegsbewegung als antirussische hinzustellen. Lasst uns gemeinsam kämpfen für den sofortigen Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine! Für die Anerkennung der ukrainischen Unabhängigkeit und Staatlichkeit durch Moskau!

  • Hoch die internationale Solidarität!
  • The workers united will never be defeated!

2. Offene Grenzen für alle!

Der Angriff der russischen Armee hat Hunderttausende zur Flucht gezwungen. Diese Menschen sind Opfer der barbarischen Politik und der Konkurrenz der Großmächte geworden. Wir fordern: Offene Grenzen und volle Staatsbürger:innenrechte für alle, die vertrieben werden. Heute geben sich die EU-Mächte hilfsbereit. Doch wir wissen, was das mörderische Flüchtlingsregime an den Außengrenzen der Festung Europa bedeutet. Wir fordern: offene Grenzen für alle, ob sie aus der Ukraine, aus Syrien oder aus Afrika flüchten mussten! Lasst uns gemeinsam die Festung Europa einreißen!

  • Say it loud, say it clear, refugees are welcome here!

3. Militarismus bekämpfen!

Es muss unsere Aufgabe sein, hier gegen die Kriegstreiberei und Aufrüstung zu kämpfen. Denn Teile der herrschenden Klasse in Deutschland sehen die Gelegenheit dazu, unter dem Deckmantel der „nationalen Sicherheit“ für die Aufrüstung des deutschen Imperialismus mobilzumachen.

Wie Karl Liebknecht sagen wir: Kein Cent, kein Mensch für diesen Krieg, für die NATO und die Bundeswehr! Nein zu allen Sanktionen gegen Russland! Nein zur Aufrüstung der Ukraine, zu Waffenlieferungen und zu Truppenverlegungen in andere NATO-Staaten wie in die baltischen Länder! Abzug aller NATO- und Bundeswehrtruppen!

  • Karl Liebknecht hat es schon erkannt: Der Hauptfeind steht im eignen Land!

4. Antikapitalistische Bewegung!

Wir brauchen eine internationalistische Antikriegsbewegung. Statt nationalem Schulterschluss mit Kapital und Kabinett, mit Bundeswehr und NATO brauchen wir eine Antikriegsbewegung, die sich dem drohenden Krieg entgegenstellt, statt mit dem „eigenen“ Kapital, mit dem „eigenen“ Imperialismus auf eine Katastrophe zuzusteuern.

Deswegen fordern wir von den Gewerkschaften, von der Linkspartei, von allen Kriegsgegner:innen in der SPD: Schluss mit dem Schulterschluss und dem Wegducken vor Kriegstreiberei und Hochrüstung! Um den Krieg in der Ukraine zu stoppen, dürfen wir uns nicht auf kapitalistische Regierungen verlassen – ob despotisch oder „demokratisch“. Ein Ende des Krieges und die Selbstbestimmung für die Menschen in der Ukraine und im Donbass können nur wir Lohnabhängige, wir Ausgebeuteten und Unterdrückten in den NATO-Staaten wie Deutschland und in Russland durch gemeinsame Aktionen durchsetzen! Gewerkschaften und Linkspartei müssen in den Betrieben Vollversammlungen organisieren und Aktionskomitees aufbauen, die gegen den Krieg mobilisieren und sich gegen Aufrüstung und Rüstungsexporte stellen!

  • Krieg dem Krieg! Nein zur imperialistischen Aggression!
  • Für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung!