Omikron – zurück auf Los?

Jaqueline Katherina Singh, Infomail 1171, 30. November 2021

B.1.1.529 oder Omikron steht für eine Variante des Corona-Virus, die derzeit die gesamte Welt den Atem anhalten lässt. Der Ursprung scheint im südlichen Afrika zu liegen und wurde zuerst in Südafrika entdeckt. Dort sei laut FAZ die Mutante aufgefallen, als Corona-Infizierte nicht über Geschmacksverlust, sondern unfassbare Müdigkeit klagten. Untersuchungen folgten und führten zur Feststellung: Die Delta-Variante scheint von einer ansteckenderen abgelöst zu werden. Omikron enthält mehr als dreißig Mutationen allein an den Virus-„Stacheln“, also den Spike-Proteinen an der Oberfläche, mit denen sich der Erreger Zugang zum menschlichen Körper verschafft und auf das die meisten derzeit verwendeten Impfstoffe ausgerichtet sind. In der südafrikanischen Provinz Gauteng mit den Städten Pretoria und Johannesburg ist die Zahl der neu registrierten Infektionen exponentiell gestiegen und macht schon neunzig Prozent der zuletzt entdeckten Viren aus. Dazu muss allerdings auch angemerkt werden, dass die vorherige Zahl der Infektionen recht gering gewesen ist. Es könnte sich demnach also auch um einen „Gründereffekt“ handeln – also, dass sich die Viren bislang vor allem in Gegenden mit wenig geimpften Menschen ausbreiten.

Doch die Probleme, welche die neue Mutante mit sich bringen könnte, liegen auf der Hand: Das Virus könnte infektiöser sein und sich dadurch schneller und leichter verbreiten. Es könnte sich aggressiver im Körper ausbreiten und beispielsweise Organe stärker befallen oder – das größte Schreckgespenst von allen – es könnte die derzeit verbreiteten Impfstoffwirkungen umgehen und die erste wirkliche „Escape-Mutante“ darstellen, gegen die die Impfstoffe nicht mehr oder in einer stark geschwächten Form wirken.

Isolation statt Lösung

Angesichts dieser Aussichten ist es nicht verwunderlich, dass von der Leyen am Freitag bekannt gab, dass durch Fluggesellschaften „nur noch deutsche Staatsbürger nach Deutschland befördert“ werden dürfen. Außerdem müssten alle Eingereisten – auch vollständig Geimpfte – für 14 Tage in Quarantäne. Die EU hat darüber hinaus auch Flugreisen von anderen Ländern im südlichen Afrika unterbunden. Die erste Reaktion gleicht jener beim Auftreten der ersten Virusvariante 2019. Es wird versucht sich zu isolieren, um sich zu schützen. Was als hartes Durchgreifen und starke Schutzmaßnahme wirken soll, ist allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Zwar wurde der Flugverkehr eingestellt, aber die ersten Fälle sind schon angekommen unter anderem in Großbritannien, Dänemark, Tschechien, Deutschland. In den Niederlanden strandeten am Amsterdamer Flughafen Passagiere aus Südafrika. Laut der niederländischen Gesundheitsbehörde GGD gab es 61 positive PCR-Tests, 13 dieser positiv getesteten Personen wurden anschließend positiv auf Omikron getestet. Darüber hinaus wurden nun auch in Schottland  die ersten Fälle von potentiellen Omikron-Infektionen bekannt, die nicht mit einer Reise in das südliche Afrika in Verbindung gebracht werden können. Eine schon stärkere Verbreitung des Virus in der schottischen Gesellschaft wird dadurch nahegelegt.

Die Ausweitung in Europa wird als „hoch bis sehr hoch“ eingeschätzt. Wundert das? Eigentlich nicht. Schließlich können die aktuellen Regelungen nicht mal der Delta-Variante Einhalt gebieten. Vielmehr platzen aktuell in Deutschland die Intensivstationen aus allen Nähten, sodass an manchen Orten die Triage beginnt. Gründe dafür sind unter anderem: eine ungenügende Impfkampagne, die es nicht geschafft hat, die Zahl der Impfungen rechtzeitig zu erhöhen.

Notwendig wäre ein solidarischer Lockdown, der nicht nur den Freizeitbereich, sondern auch alle gesellschaftlich nicht notwendige Arbeit betreffen müsste, verbunden mit einer internationalen Zero-Covid- Strategie sowie einem massiven sozialen Schutzschirm, finanziert durch eine Besteuerung der großen Kapitale und Vermögen. Das heißt unter anderem auch 100 % Lohnfortzahlung für alle, die nicht arbeiten gehen können, das Verbot von Mietpreissteigerungen, Zwangsräumungen und Wohnungskündigungen. Ebenso eine massiven Ausbau und Investitionen in das Gesundheitssystem, eine  Einkommenserhöhung von mindestens 500 Euro/Monat für alle in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Beschäftigten. Stattdessen gibt es mal wieder halbgare Lösungen: unterschiedliche 3G-, 2G-, 2G+-Regelungen, um die Wirtschaft nicht zu stark zu belasten.

Gebt die verdammten Patente frei!

Noch ist unklar, welche praktischen Folgen die Mutationen von Omikron genau haben werden und wie wirksam die Impfstoffe sind. Die bisher gemeldeten Fälle scheinen zumindest keinen schwereren Krankheitsverlauf mit sich zu bringen. Insgesamt ist es auch wenig vermeidbar, dass Mutationen an sich entstehen. Allerdings hätte man die Wahrscheinlichkeit absenken können.

In Südafrika sind bisher 26 % der Bevölkerung geimpft. Mit dieser Quote steht es im afrikanischen Vergleich noch gut da. Länder mit höheren Quoten auf dem Kontinent sind nur Botswana (36 %, Marokko 65,6 % und Tunesien 50,7 %). Es folgen Länder wie Algerien, Angola, Lesotho, deren Impfquoten zwischen 10 % und 25 % liegen. Alle anderen liegen darunter. Ende November 2021 sind laut Al Jazeera erst 6,6 % der Bevölkerung des Kontinents geimpft, obwohl die afrikanische Gesamtbevölkerung rund 16 % der Weltbevölkerung ausmacht. Eine Folge der Impfunwilligkeit? Wohl kaum.

Bei der Sicherung der Impfstoffe hieß es von Anfang an: Wer zahlt, kann seine Bevölkerung schützen. Die imperialistischen Länder werden davon also begünstigt. Jene wie Deutschland, die Biontech beherbergen, profitieren von dieser Regelung auch noch.

Der Kontinent leidet also unter einem Mangel an Impfstoffen, der durch die fehlenden Lieferungen von Covax, der globalen Initiative zur gemeinsamen Nutzung von Impfstoffen, noch verschlimmert wird. Das Problem wurde dadurch zusätzlich verschärft, dass imperialistische Länder, die sich zur Unterstützung der Initiative verpflichtet haben, nur einen Bruchteil der versprochenen Dosen lieferten oder aber Länder wie Deutschland Impfstoffdosen nicht an andere Länder verschicken können, da in den Kaufverträgen mit den HerstellerInnen (z. B. Moderna) ein Weitergabeverbot verankert wurde. Anstatt überschüssige Dosen spenden zu dürfen, möchten die Impfstoffhersteller lieber ein weiteres Geschäft in den afrikanischen Ländern machen. Einen großen Rückschlag erlebte Covax, als Indien in Folge seiner katastrophalen Pandemie-Lage am 22. April 2021 alle Impfstoff-Exporte einstellte. Um diesen Ausfall auszugleichen, sagte die EU bis Jahresende Spenden von mindestens 100 Millionen Impfdosen zu, Deutschland soll davon 30 Millionen Dosen stellen. Doch die für Dezember geplante Abgabe von 5,8 Millionen Dosen Biontech-Impfstoff wurde auf Grund der gestiegenen Nachfrage aber verschoben. Die Booster-Impfungen in den kommenden Monaten werden jedoch auch nicht dafür sorgen, dass sich diese Lage rasch verändert.

Zwar haben die Impfstofflieferungen in den letzten drei Monaten zugenommen. Seit Februar 2021 hat Afrika 330 Millionen Dosen aus der Covax-Fazilität, dem African Vaccine Acquisition Task Team und bilateralen Abkommen erhalten. Allerdings wurde der Großteil davon, rund 83 %, erst seit August geliefert.

Insgesamt zeigt das auf: Auch hier sind die Profite wichtiger als Menschenleben. Das hat nicht nur fatale Folgen in halbkolonialen Ländern, sondern für die gesamte Welt, wie uns das Auftreten der neuen Omikron-Variante deutlich vor Augen führt. Daher sollten wir alle für eine Aufhebung der Patente und eine globale Ausweitung der Produktionskapazitäten der Vakzine eintreten. Genauso wichtig ist aus bereits genannten Gründen die Forderung nach einem umfassenden Technologie- und Wissenstransfer sowie Bereitstellung von personellen Ressourcen, um die weltweiten Produktionskapazitäten für diese Art von Impfstoff stark auszubauen. Um global einen gerechten Zugang zu Impfstoffen durchzusetzen, muss zusätzlich auch die weitreichendere Forderung nach vollständiger Enteignung der Pharmakonzerne sowie des gesamten Gesundheitssektors unter Kontrolle der Lohnabhängigen auf die Tagesordnung gesetzt werden. Denn es herrscht nicht nur eine ungleiche Verteilung von Impfstoffen, sondern auch von Arzneimitteln und medizinischer Ausrüstung insgesamt.

Was braucht es, damit das Realität wird?

Bloßes Bitten wird nicht reichen, diese Forderungen umzusetzen. Auch einzelne Proteste oder Schreiben von ÄrztInnen reichen nicht aus, die bürgerlichen Regierungen dazu zu bringen, die Profite der Pharmaindustrie zu schröpfen. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, braucht es einen solidarischen Kampf der gesamten ArbeiterInnenklasse und ihrer Organisationen, allen voran den Gewerkschaften, der nicht nur auf Demonstrationen setzt, sondern auch auf Streiks und betriebliche Aktionen. In der aktuellen Lage, in der es Kampagnen wie #ZeroCovid nicht geschafft haben, eine breite Masse für sich zu gewinnen, und sich die radikale Linke zum Großteil in Passivität wiegt, scheint auch das fast unmöglich. Darüber hinaus haben die widersprüchliche und konzeptlose Politik der bürgerlichen Regierung und die faktisch Aufgabe einer eigenen Politik durch Gewerkschaften, Sozialdemokratie, linke Parteien und eines Großteils der radikalen Linken auch das Wachstum der reaktionären QuerdenkerInnen und der Rechten, die sich als „FreiheitskämpferInnen“ gerieren, gestärkt.

Deshalb bedarf es eines Kurswechsels, mag er auch schwer zu bewerkstelligen sein. Es ist die Aufgabe von RevolutionärInnen, ja allen klassenkämpferischen Kräften, Forderungen in aktuelle Auseinandersetzungen wie Streiks reinzutragen. Der Gesundheitssektor steht in vielen Regionen faktisch vor dem Zusammenbruch, die Lage an den Schulen ist aberwitzig. Allein das wären unmittelbare Anknüpfungspunkte. Ein solidarischer, rascher Lockdown ist notwendig, um die Zahl der Neuinfektionen zu senken. Um das durchzusetzen, reichen Sharepics nicht, sondern es müssen Betriebsversammlungen organisiert werden, bei denen auch die Frage eines solidarischen Lockdowns, die Forcierung einer Impfkampagne sowie die Freigabe der Patente diskutiert und gefordert werden. Um die Beschäftigten für betriebliche Aktionen bis hin zu Streiks zu gewinnen und eine breite gesellschaftliche Bewegung aufzubauen, müssen wir jedoch auch organisiert und gemeinsam gegen die zu erwartende Hinhaltetaktik der Gewerkschaftsapparate vorgehen. Das politische Versteckspiel während der Pandemie, das illusorische Hoffen auf die „SozialpartnerInnenschaft“ mit Kapital und Kabinett hat mit dazu beigetragen, dass die Lohnabhängigen, die ArbeiterInnenklasse im Kampf gegen das Virus nicht als politische und soziale Kraft in Erscheinung tritt. Es ist die Aufgabe oppositioneller GewerkschafterInnen, diese Auseinandersetzung zu forcieren – im Interesse der gesamten Klasse.




Stoppt den Putsch im Sudan!

Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 1168, 26. Oktober 2021

Am Morgen des 25. Oktober kam es in Khartum zu einem Staatsstreich. General Abdel Fattah Abdelrahman Burhan, Vorsitzender des Souveränen Rates, der die Macht zwischen Militär und ZivilistInnen teilt, kündigte die Verhaftung von Premierminister Abdalla Hamdok und seines Kabinetts an. Hamdok, ein Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger hoher UN-Beamter, der 2019 zum technokratischen Premierminister ernannt wurde, befindet sich derzeit an einem unbekannten Ort, nachdem er sich geweigert hatte, den Putschversuch zu unterstützen.

Widerstand

Tausende von DemonstrantInnen gingen sofort auf die Straße, wie bei der Revolution 2019. Sie marschierten, um das Hauptquartier des Militärs in der Hauptstadt zu belagern, wurden aber von den SoldatInnen unter Beschuss genommen. Zur Speerspitze der Konterrevolution gehören die Truppen der Rapid Support Forces (Schnelle Unterstützungskräfte; RSF), einer Einheit, die aus den Milizen hervorgegangen ist, die während des Krieges in Darfur und später während der Revolution 2019 mörderische Verbrechen verübt haben.

Unterdessen rief die Sudanese Professionals Association (Sudanesische Vereinigung der professionellen Berufe; SPA), eine der HauptorganisatorInnen der Revolution 2019, zum Widerstand auf:

„Wir rufen die Massen auf, auf die Straße zu gehen und sie zu besetzen, alle Straßen mit Barrikaden zu sperren, einen allgemeinen Arbeitsstreik durchzuführen und nicht mit den Putschisten zu kooperieren und ihnen mit zivilem Ungehorsam entgegenzutreten.“

Auch die Sudanesische Kommunistische Partei rief die ArbeiterInnen zum Streik und zum massenhaften zivilen Ungehorsam gegen den Putsch auf. Die KP hatte seit einem gescheiterten Putsch am 21. September vor der drohenden Gefahr gewarnt, als sie erklärte: „Wir brauchen ernsthaftere Maßnahmen, um die Säulen des früheren Regimes zu beseitigen, insbesondere in den Streitkräften, dem Sicherheitsdienst und der Polizei.“

Bei dieser Gelegenheit eilten Hemeti (Mohammed Hamdan Dagalo; Vizechef des Militärrates und Oberbefehlshaber der RSF) und Abdel Fattah Burhan in die Kasernen, die damit beschäftigt waren, den Putsch zu unterdrücken, und letzterer beruhigte die Soldaten: „Die Streitkräfte führen den Wandel an und bringen ihn dorthin, wo sie wollen“. Jetzt wissen wir genau, wohin sie wollen.

Die Machtübernahme durch das Militär erfolgte nach einem Putschversuch im September und einer Blockade der Häfen des Landes am Roten Meer, die von Kräften geschürt wurde, die der ehemaligen Diktatur von Umar al-Baschir treu ergeben sind.

Darüber hinaus hatten in den letzten Wochen knüppelschwingende Banden von AnhängerInnen des früheren Regimes mobilisiert und LoyalistInnen unter dem Schutz des Militärs zu einem Sitzstreik aufgerufen, bei dem sie offen einen Staatsstreich forderten. Diese wurden von Zehntausenden von DemonstrantInnen beantwortet, die das Primat ziviler Herrschaft verteidigen wollen, was von der Polizei mit Gewalt beantwortet wurde.

Es ist wahrscheinlich, dass die ominösen Ereignisse der letzten Wochen eine Vorbereitung der Generäle und konterrevolutionären Rebellen auf einen Staatsstreich darstellten. Gleichzeitig geriet die amtierende Regierung unter zunehmenden Druck der Bevölkerung, Schritte in Richtung einer stärkeren zivilen Kontrolle zu unternehmen, verbunden mit Frustrationen über die wirtschaftliche und soziale Leistung des Regimes.

In den Städten kam es zu einer zunehmenden Lebensmittelknappheit, die durch die Zustimmung der Hamdok-Regierung zu Preiserhöhungen bei Treibstoff und anderen lebenswichtigen Gütern, die der IWF als Bedingung für einen Schuldenerlass für den Sudan gestellt hatte, noch verstärkt wurde und zu einer galoppierenden Inflation führte. Aus Angst vor einer fortschrittlichen Lösung der gegenwärtigen Krise durch eine Welle sozialer Mobilisierungen haben sich die Militärs offenbar zum Handeln entschlossen.

Inzwischen haben die EU und die USA den Putsch verurteilt und sich für die Demokratie ausgesprochen. Aber es waren Institutionen unter ihrer Kontrolle, die zu dieser Situation beigetragen haben, sei es durch die Finanzierung der schnellen Eingreiftruppen im Rahmen des Khartum-Prozesses der EU, der darauf abzielt, Flüchtlinge zu stoppen, oder durch die Wirtschaftspolitik des IWF.

Dies zeigt die Gefahr der imperialistischen Mächte als Verbündete im Streben nach Demokratie. Ihre Demokratie fordert immer einen hohen Preis von den ArbeiterInnen und Armen. Ein Drittel der Bevölkerung leidet bereits unter schwerer Nahrungsmittelknappheit. Da die Regierung in ihrem Sinne gehandelt hat, haben die USA und die EU den Staatsstreich in diesem Fall scharf verurteilt. Ein US-Gesandter hatte Hamdok sogar gerade besucht.

Revolutionäre Aufgaben

Die Zukunft der 2019 errungenen begrenzten Demokratie hängt nun von der Macht der ArbeiterInnenklasse und der Jugend ab, um das Land zum Stillstand zu bringen, die einfachen SoldatInnen für sich zu gewinnen und die Revolution, die durch die Vereinbarung mit dem Militär über ein gemeinsames Regime bis zu den Wahlen im Jahr 2023 gestoppt wurde, fortzuführen. Die 2019 gebildeten Widerstandskomitees bestehen weiter und müssen zu Räten gestärkt werden, die alle ArbeiterInnen, Frauen, StudentInnen und SoldatInnen vertreten, die auf die Seite der Massen übergehen. Der Putsch beweist, dass die Teilung der Macht mit den Generälen des alten Regimes eine gefährliche Illusion war und bestätigt den Ausspruch des französischen revolutionären Jakobiners Saint Just: „Wer die Revolution nur halb macht, schaufelt sich sein eigenes Grab“.

Wir haben immer argumentiert, dass jedes stehende Heer – solange es unter dem Kommando der Generäle und des Offizierskorps steht – eine tödliche Waffe gegen das Volk bildet. Eine wesentliche frühe Aufgabe jeder echten Volksrevolution ist es, ihnen die Herrschaft über den Repressionsapparat zu entreißen, die einfachen SoldatInnen vom Kommando der Offiziere zu brechen und sie auf die Seite der Massen, insbesondere der ArbeiterInnen, zu bringen und ein revolutionäre Selbstverteidigungskräfte unter der demokratischen Kontrolle der ArbeiterInnen- und Volksräte zu bilden.

Entscheidend ist, dass der Generalstreik und der Massenwiderstand auf der Straße wirksam sind und die einfachen SoldatInnen sowie die UnteroffizierInnen und niederen Offiziersränge dazu bringen, zum Volk überzulaufen. Die aktuelle Widerstandsbewegung muss sich insbesondere auf die Stärke der revolutionären Frauen und Jugendlichen stützen, die bei der Revolution 2019 eine führende Rolle gespielt haben. Und wenn dies geschieht, darf die Revolution dieses Mal nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Sie darf sich auch nicht mit einer Regierung aus zivilen TechnokratInnen zufrieden geben, die Hand in Hand mit dem IWF, den USA, der EU und den anderen imperialistischen Mächten arbeiten.

Was die gegenwärtige Krise auf soziale, demokratische und nachhaltige Weise lösen kann, ist eine Regierung, die sich voll und ganz der Revolution verschrieben hat, eine Regierung, die sich auf ArbeiterInnen- und Volksräte stützt und in der Lage ist, sozialistische Maßnahmen zu ergreifen, um die dringenden Bedürfnisse der Land- und Stadtbevölkerung zu erfüllen.

In anderen Ländern müssen sich SozialistInnen und GewerkschafterInnen mit den Exil-SudanesInnen zusammentun, um gegen den Putsch zu demonstrieren und Nahrungsmittel- und medizinische Hilfe zur Bekämpfung von COVID und der Wirtschaftskrise sowie ein Ende des Diktats des IWF zu fordern.




Völkermord an Ovaherero und Nama: Selbstgerechtes Land der Täter

Robert Teller, Neue Internationale 256, Juni 2021

Die Bundesrepublik Deutschland übernimmt wieder Verantwortung in der Welt. Das tat auch bereits ihr völkerrechtlicher Vorläufer, das Deutsche Reich. 1884-1885 hielt Otto von Bismarck die „Berliner Konferenz“, auch Kongokonferenz genannt, ab. Eingeladen waren jene Mächte, die sich an der „Zivilisierung Afrikas“ beteiligen wollten oder dies bereits taten. Bekannt ist, dass der deutsche Imperialismus dabei keine nachhaltigen Erfolge feiern konnte. Nach der militärischen Niederlage im Ersten Weltkrieg wurde im Versailler Vertrag 1919 nicht nur das deutsche Kolonialreich vollständig unter die Siegermächte aufgeteilt, sondern auch „Deutschlands Versagen auf dem Gebiet der kolonialen Zivilisation“ vertraglich festgehalten. Als moralische Instanz kam Deutschland auch in den folgenden 100 Jahren nicht wieder auf die Beine.

Die etwa 3 Jahrzehnte deutscher Kolonialherrschaft in Afrika waren von zahllosen Aufständen und blutigster Repression durch die deutschen Truppen geprägt. Im damals „Deutsch-Südwestafrika“ genannten heutigen Namibia gipfelte dies in der Ermordung der Mehrheit der Ovaherero (auch als „Herero“ bezeichnet) und einer enormen Zahl von Angehörigen der Nama und anderer Bevölkerungsgruppen. Zu den berüchtigtsten deutschen Gräueltaten in Afrika gehört die „Schlacht am Waterberg“ ab dem 11. August 1904. Etwa 60.000 Ovaherero wurden von Einheiten der deutschen „Schutztruppe“ unter Befehl von Generalleutnant Lothar von Trotha umzingelt. Den Ovaherero gelang der Ausbruch aus dem Kessel und damit zunächst die Flucht. Die deutschen Truppen verfehlten den von der militärischen Führung erwarteten „vollständigen Sieg“ über die Aufständischen und die bei ihnen versammelten unbewaffneten Angehörigen. Unvorbereitet auf einen längeren Kampf in der unwirtlichen Landschaft entschied sich von Trotha, die Ovaherero in der Wüste Omaheke zu isolieren und ihnen den Zugang zu Wasserstellen zu verwehren. Wenigen gelang die Flucht ins britische Kolonialgebiet, viele verdursteten. Die Ermordung der flüchtenden Ovaherero ordnete von Trotha explizit am 2. Oktober in seiner als „Vernichtungsbefehl“ berüchtigt gewordenen Bekanntmachung an. Später im Leben bilanzierte jener wie folgt: „Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme in Strömen von Blut und Strömen von Geld. Nur auf dieser Aussaat kann etwas Neues entstehen.“

Moral und Recht

Moral ist, wenn man moralisch ist, aber damit tut sich der deutsche Imperialismus schwer. Nachfahren der damals Ermordeten fordern seit Jahrzehnten eine offizielle deutsche Anerkennung der Verantwortung für den Völkermord, eine Entschuldigung und direkte Reparationszahlungen an Organisationen, die die damals betroffenen Bevölkerungsgruppen heute repräsentieren. Das kürzlich beschlossene Abkommen wird von den Betroffenenverbänden einhellig abgelehnt. Ein Hauptargument ist dabei die Weigerung der deutschen Regierung, sowohl ein Verhandlungsmandat dieser Organisationen als auch deren kollektiven Anspruch auf Entschädigung anzuerkennen. Verhandelt wurde von deutscher Seite aus mit VertreterInnen der namibischen Regierung, die ihrerseits ein Mitspracherecht der Verbände ablehnte. Wie der Kolonialstaat damals erfüllt insoweit auch der halbkoloniale Staat heute als historisches Erbe die Funktion, den Bevölkerungsgruppen ihre kollektiven Rechte zu verweigern.

Wünschenswert wäre vom Standpunkt des deutschen Imperialismus sicherlich eine moralische Reinwaschung. Problematisch hingehen wäre es, dabei Tür und Tor zu öffnen für die Geister der Vergangenheit, die an anderen Ecken des Kontinents noch lauern. Daher hatte sich die damalige Schröder-Bundesregierung zum runden Jubiläum 2004 entschlossen, in warmen Worten die „geteilte Geschichte“ zu bedauern und Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul (SPD) zum Bußgang an den Waterberg zu schicken. In ihrer Rede vor dem gespanntem Publikum verhaspelte sie sich. Das Wort „Völkermord“ war gefallen und die Büchse der Pandora geöffnet. Seither sind die Bemühungen dieser und aller nachfolgenden bundesdeutschen Regierungen darauf gerichtet gewesen zu begründen, dass es einen kleinen, aber feinen Unterschied gibt zwischen einem Völkermord in einem historischen oder auch moralischen Sinne einerseits und im juristischen andererseits. Juristisch wurde der Völkermord nämlich erst 1948 in der UNO-Völkermordkonvention definiert und geächtet. Heißt: Von Trotha und das Kaiserreich hätten ja nicht ahnen können, dass sich ihr Völkermord einmal an derartigen Rechtsnormen würde messen lassen müssen, und somit seien sie unschuldig im Sinne der Anklage. Die Konvention zur Verhinderung des Völkermordes wird hier kurzerhand zur Grundlage seiner juristischen Rechtfertigung.

„Aussöhnung“

Hieraus ergab sich im angestrebten Aussöhnungsprozess erheblicher Gesprächsbedarf, der seit 2015 mehr als fünf Jahre Geheimverhandlungen zwischen der deutschen und namibischen Regierung erforderte. Kürzlich wurde die Einigung auf ein Aussöhnungsabkommen mit der namibischen Regierung verkündet, präsentiert von einem sich moralisch schuldbewusst gebenden Außenminister Heiko Maas. Der genaue Inhalt des Abkommens ist allerdings so gut, dass er nach wie vor von offizieller Seite geheimgehalten wird.

Laut Süddeutscher Zeitung ist jedoch bekannt, dass Punkt 10 dessen wie folgt lautet: „Die Bundesregierung erkennt an, dass die in Phasen des Kolonialkrieges verübten abscheulichen Gräueltaten in Ereignissen gipfelten, die aus heutiger Perspektive als Völkermord bezeichnet würden.“ So hat es die mit Worten jonglierende Diplomatie also doch vollbracht, einen Völkermord aus Sicht der TäterInnen moralisch anzuerkennen, ohne jedoch juristisch dafür belangt zu werden.

Opfer

Die Ovaherero Traditional Authorities (OTA) und die Nama Traditional Leaders Association (NTLA) erklärten zu dem Abkommen:

„Das sogenannte Versöhnungsabkommen […] ist ein deutscher PR-Coup und ein Verrat durch die namibische Regierung. […] Offensichtlich hat Deutschland noch immer keine Absicht, anzuerkennen, dass von Trotha einen Völkermord im Sinne des Völkerrechts verübt hat – folglich habe Deutschland kein Verbrechen gegen die Menschheit begangen und beabsichtigt nicht, sich für irgendein Verbrechen des Völkermords zu entschuldigen – insbesondere nicht gegenüber den Nachfahren der Opfergemeinschaften!  […]

Hinter der sogenannten ,Kompensation‘ zugunsten von ,sozialen Projekten‘ verbirgt sich nur die fortgesetzte deutsche Finanzierung namibischer Regierungsprojekte wie NDP5 (Nationaler Entwicklungsplan 5) und ,Vision 2030′, wie es der Premierminister im namibischen Parlament am 16. März 2021 dargestellt hat.“

Auch das Bündnis „Völkermord verjährt nicht“ weist das Abkommen zurück und fordert eine völkerrechtliche Anerkennung des Genozids und hiermit verbundene Reparationsleistungen. Die jetzt verkündete sogenannte Entschädigung ist am Ende doch nichts anderes als die Finanzierung lokaler StatthalterInnen des Imperialismus, keine Reparation gegenüber Betroffenen.

Was bleibt, ist die Frage, warum sich die BRD überhaupt diese Blöße gibt, wenn doch die kaiserlichen Methoden des Kolonialkriegs eigentlich rechtlich unangreifbar sind. Liegt es am Ende nicht vielleicht doch eher daran, dass auch heute wieder imperiale Interessen auf dem afrikanischen Kontinent aneinandergeraten und ein schuldbewusstes „friendly face“ dabei im Wettlauf mit dem chinesischen und US-Imperialismus von Vorteil sein kann?




Nigeria: Jugend erhebt sich im #END SARS-Aufstand

Bernie McAdam, Infomail 1126, 14. November 2020

Am 7. Oktober löste ein in Umlauf gebrachtes Video eine Massenrevolte der nigerianischen Jugend aus, auf dem zu sehen ist, wie PolizeibeamtInnen der „Special Anti-Robbery Squad“ (SARS; Sondereinheit zur Bekämpfung von Raubüberfällen) einen Teenager töten. Der Mann, der das Video aufgenommen hatte, wurde festgenommen und es kam unter dem Hashtag #END SARS zu Massenmobilisierungen auf den Straßen. Die Polizei setzte Tränengas ein, um die Proteste aufzulösen. Stattdessen weiteten diese sich jedoch auf alle Ballungsräume Nigerias aus, insbesondere auf die größte Stadt Lagos sowie die Hauptstadt Abuja.

Ein solcher Aufstand zeichnete sich schon lange ab. Die Ermordung des Teenagers in Ughelli war kein einmaliger Akt der Brutalität, sondern der Wendepunkt für Jugendliche, die seit vielen Jahren unter den Schikanen und dem Terror der SARS gelitten hatten. Ihre BeamtInnen hatten sich für Morde, Erpressungen, Entführungen und Vergewaltigungen einen berüchtigten Ruf erworben, wobei die Jugend am häufigsten in der Schusslinie stand. Amnesty International hat in den letzten drei Jahren über mindestens 82 Fälle von Folter, Misshandlung und Mord durch SARS berichtet. Diese Zahl dürfte eine gewaltige Untertreibung sein.

Am 11. Oktober löste Präsident Muhammadu Buhari die SARS-Einheit auf und gründete eine neue namens „Special Weapons and Tactics“ (SWAT; Spezialwaffen und -taktiken). Im Grunde war es dieselbe Einheit unter einem anderen Namen. Doch niemand ließ sich von diesem Trick täuschen, war es doch bereits das fünfte Mal in fünf Jahren, dass sie „reformiert“ wurde. Es folgten mehr und größere Proteste und #END SARS wurde zu #END SWAT. Buhari reagierte mit noch mehr Repression und versuchte am 20. Oktober, eine 24-stündige Ausgangssperre in Lagos durchzusetzen. Lagos ist mit 14,5 Millionen Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt Afrikas, einige Schätzungen gehen sogar von 23 Millionen in der gesamten Metropolregion aus.

In der Nacht setzten sich die DemonstrantInnen über die Ausgangssperre hinweg. An der Mautstation Lekki in Lagos eröffnete das Militär das Feuer, wobei mindestens zwölf Menschen getötet und viele weitere verwundet wurden. Ursprünglich leugneten sie es, aber Reuters berichtete, dass an diesem Tag in ganz Nigeria 46 Menschen getötet wurden. Die Revolte weitete sich aus und verstärkte sich durch Straßensperren und Angriffe auf Polizeistationen und Mautstellen. Es kam auch zu Plünderungen, was angesichts der weit verbreiteten extremen Armut nicht überrascht. Bewaffnete Schlägertrupps griffen in mehreren Gebieten friedliche DemonstrantInnen an, zweifellos orchestriert von der Polizei.

Die internationale Solidarität war groß und kam einerseits von prominenten MusikerInnen wie Rihanna, Beyoncé (Knowles-Carter), Noname (Fatimah Nyeema Warner), Drake (Graham), Diddy (Sean Combs), Trey Songz und Jack (Patrick) Dorsey (Mitgründer von Twitter), die die Jugend unterstützen, sowie durch Demonstrationen in den USA und in London. Auch in Nigeria hat der Sohn des verstorbenen Afrobeatpioniers Fela Kuti, Seun Kuti, der selbst Musiker ist, die Regierung und die Polizei verurteilt. Felas Familie ist seit langem Ziel des Militärs. Seun steht in dieser Tradition und war versessen, darauf hinzudeuten: „Wenn die Reichen plündern können, dann können es die Armen auch“, ein Hinweis auf den Diebstahl nigerianischer Ressourcen durch den Imperialismus und seine AuftraggeberInnen.

Auf der Kippe

Die Jugendrevolte findet vor dem Hintergrund einer großen Krise der nigerianischen Wirtschaft statt. Tatsächlich machen Jugendliche unter 18 Jahren die Hälfte der Bevölkerung aus und Arbeitslosigkeit hat sie besonders hart getroffen. Die nigerianische Arbeitslosenquote für das zweite Quartal 2020 liegt bei 27,1 Prozent, was 21,7 Millionen Menschen ohne Arbeit bedeutet. Weitere 28,6 Prozent sind unterbeschäftigt. Bei den 15- bis 34-Jährigen sind 13,9 Millionen Menschen arbeitslos.

Zwischen 2000 und 2014 wuchs Nigerias BIP um durchschnittlich 7 Prozent pro Jahr. Nach dem Verfall des Ölpreises in den Jahren 2014 – 2016 sank das BIP-Wachstum auf 2,7 Prozent im Jahr 2015. Das Land ist der größte Ölexporteur Afrikas. Im Jahr 2016 erlebte die Wirtschaft die erste Rezession seit 25 Jahren. Seither lebt die Hälfte der Bevölkerung weiter in Armut.

Die Auswirkungen der Pandemie werden sich als katastrophal erweisen. Die Weltbank berichtet, dass der Einbruch des Ölpreises die Wirtschaft voraussichtlich in eine schwere Rezession stürzen wird, die schlimmste seit den 1980er Jahren. Öl macht mehr als 80 Prozent der nigerianischen Exporte, 30 Prozent der Kredite des nigerianischen Bankensektors und 50 Prozent der gesamten Staatseinnahmen aus. Mit dem Rückgang des Ölpreises werden die Einnahmen voraussichtlich von bereits niedrigen 8 Prozent des BIP im Jahr 2019 auf voraussichtlich 5 Prozent im Jahr 2020 sinken.

In der Zwischenzeit frisst die Pandemie private Investitionen auf und verringert die Geldüberweisungen aus der Diaspora an nigerianische Haushalte. Dies ist von besonderer Wichtigkeit für die Wirtschaft, so machten die Überweisungen im Jahr 2012 beispielsweise 5 Prozent des BIP aus. Die nigerianische Gemeinschaft in den USA trägt wesentlich dazu bei, da sie die am besten ausgebildete und professionellste aller MigrantInnengemeinschaften dort verkörpert. Trump konnte seinen Dank dafür, dass er dem Land seine Talente entzogen hat, nur durch ein Reiseverbot für NigerianerInnen (aus vermeintlichen Sicherheitsgründen!) zum Ausdruck bringen.

Es gibt natürlich noch andere Probleme, mit denen Nigeria konfrontiert ist, nicht zuletzt der islamistische Boko-Haram-Aufstand im Nordosten, der über 20.000 Tote und 2 Millionen Vertriebene gefordert und 6 Millionen Menschen durch die Verschärfung der Armut in Mitleidenschaft gezogen hat. Die Weltbank hat die fürstliche Summe von 200 Millionen US-Dollar Kredit zur Unterstützung dieser Krise im Nordosten zur Verfügung gestellt, ein Tropfen auf den heißen Stein, der jedoch zu den zahlreichen Darlehen und Krediten hinzukommt, die das Land seit 1958 angehäuft hat.

Nigeria ist durch seine Schulden sehr stark an den Weltimperialismus gebunden, der in Gestalt der multinationalen Öl- und Gaskonzerne seine Ressourcen erbarmungslos ausbeutet und im Nigerdelta eine Umweltverschmutzung epischen Ausmaßes verursacht. Hinzu kommen Finanzinstitutionen wie die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF), die die Zinsen für Kredite einstreichen und die Sparagenda für die Regierungen festlegen. Der IWF hat vor kurzem einen Notfallkredit in Höhe von 3,4 Milliarden US-Dollar bewilligt, um den Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft entgegenzuwirken.

Schon vor diesem Darlehen gab es unter Buhari eine Steigerung der Staatsverschuldung um 73 Milliarden US-Dollar. Seine Reaktion darauf war, selbst mitten in der Pandemie zu kürzen. In diesem Jahr wurde eine ganze Reihe von Sparmaßnahmen umgesetzt, darunter Erhöhungen der Preise, der Mehrwertsteuer, der Brennstoff- und Strompreise usw. Die beiden Gewerkschaftsverbände, National Labour Congress (NLC) und Trades Union Congress (TUC), riefen im September zu einem unbefristeten Generalstreik auf, um die Benzin- und Strompreiserhöhungen zu stoppen.

Am Vorabend des Streiks gaben die GewerkschaftsführerInnen jedoch nach und brachen ihn ab, ohne irgendwelche Zugeständnisse von der Regierung zu erhalten. Es hatte großen Druck von der Basis gegeben, die unbedingt Aktionen durchführen wollte, weshalb es in der Folge einen Sturm von Denunziationen aus Gewerkschaftsgrundeinheiten und Straßenproteste gegen diesen Ausverkauf gab. Dies veranschaulicht die Notwendigkeit einer alternativen kämpfenden Führung in den Gewerkschaften und einer, die in der Lage ist, sich zu organisieren und eine breite Basisopposition in der gesamten Bewegung aufzubauen, die sich auf die Perspektive stützt, auch ohne die Führung zu handeln, wo nötig.

Von der Rebellion zur Revolution

Das Ausmaß des #END SARS-Aufstands zeigt, dass es hier nicht nur um SARS ging, sondern vielmehr um eine tief sitzende Entfremdung der Jugend von der endemischen Korruption und Armut, die Nigeria befallen hat. Die Bewegung war spontan und führerlos. Frühe Mobilisierungen beanspruchten keine politische Führung und verteilten keine Flugblätter. Die Militanz verstärkte sich parallel zum Ausmaß der Angriffe der Polizei und des Militärs, als die DemonstrantInnen begannen, den Sturz der Regierung zu fordern.

Diese fünf Forderungen sind aus der Bewegung hervorgegangen:

  • Die sofortige Freilassung aller verhafteten DemonstrantInnen.
  • Gerechtigkeit für alle verstorbenen Opfer von Polizeibrutalität und angemessene Entschädigung für ihre Familien.
  • Die Einrichtung eines unabhängigen Gremiums, das die Untersuchung und Strafverfolgung aller Berichte über polizeiliches Fehlverhalten beaufsichtigt (innerhalb von 10 Tagen).
  • Psychologische Beurteilung und Umschulung (die von einem unabhängigen Gremium bestätigt werden muss) aller entlassenen SARS-BeamtInnen, bevor sie wieder eingesetzt werden können, im Einklang mit dem neuen Polizeigesetz.
  • Ein erhöhtes Polizeigehalt, damit sie für den Schutz von Leben und Eigentum der BürgerInnen angemessen entlohnt werden.

Die Forderungen fassen den berechtigten Ruf nach einem Ende der Repression perfekt zusammen, aber der „Mangel an Politik“ oder, genauer gesagt, die Illusionen in den Staat, kommen in den letzten beiden Forderungen klar zum Ausdruck. Die Polizei ist, ebenso wie die Streitkräfte und die Justiz, ein integraler Bestandteil der Kontrolle des kapitalistischen Staates über die Ausgebeuteten und Unterdrückten. Ihre repressive Rolle wird sich nicht dadurch ändern, dass man ihnen mehr Geld gibt! Revolutionäre SozialistInnen müssen klar benennen, dass es keine friedliche Reformierung dieser Organe gibt, solange der Kapitalismus bestehen bleibt.

Es ist jedoch noch verblüffender, dass einige SozialistInnen inmitten eines Massenkampfes gegen die Polizei fordern, eine korrupte und brutale Polizeieinheit mit einer Gehaltserhöhung zu belohnen. Diese Forderung wurde von zwei der sogenannten revolutionären Gruppen in Nigeria aufgegriffen. Die dem kürzlich gespaltenen Committee for a Workers‘ International (CWI) angehörige Democratic Socialist Movement (DSM) und seiner ehemaligen Mehrheit und Abspaltung (International Socialist Alternative) zugehörige Movement for a Socialist Alternative (MSA) plädieren beide dafür, dass Polizeigewerkschaften neben Gemeindekomitees die Polizei kontrollieren sollten.

Es ist sicherlich notwendig, Forderungen zur Polizei in Bezug auf ihre Entwaffnung und Schwächung ihrer repressiven Rolle zu stellen, aber dies kann nicht außerhalb eines Kampfes zur Zerschlagung des kapitalistischen Staates und zum Aufbau neuer Selbstverteidigungsorgane für ArbeiterInnen und die Jugend stattfinden. Die Polizei beschäftigt keine „ArbeiterInnen in Uniform“, sondern die AgentInnen an vorderster Front des Staates, deren Existenzgrund hauptsächlich auf der Niederschlagung des Kampfes der ArbeiterInnenklasse beruht. Wir sollten die Polizeigewerkschaften aus den Gewerkschaftsverbänden hinauswerfen, so wie wir alle StreikbrecherInnen ausschließen würden.

Dieselben Gruppen haben zu Recht dafür plädiert, dass sich die organisierte ArbeiterInnenklasse solidarisch zeigt, aber sie haben kein zielgerichtetes Aktionsprogramm skizziert, das den derzeit begrenzten in einen allgemeinen Kampf um die Macht der ArbeiterInnen verwandeln könnte. Die Liga für die Fünfte Internationale ist der Ansicht, dass ein solches Programm die Hauptwaffe einer revolutionären Partei zur Bereitstellung einer Übergangsstrategie zum Sozialismus sein sollte. Die Hauptachsen eines solchen Programms wären: Bildung von Aktionsräten und einer ArbeiterInnenmiliz mit dem Ziel einer ArbeiterInnenregierung, die diesen Organen gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Das Versäumnis dieser Gruppen, diese Schlüsselforderungen für eine revolutionäre Organisation aufzustellen, steht im Einklang mit ihrem Nachtraben hinter der Bewegung und ihrem Unverständnis der marxistischen Staatstheorie.

Wie weiter?

Die #END SARS-Bewegung befindet sich derzeit an einem Scheideweg. Die „Koalition der Protestgruppen“ sagt: „Wir werden die physischen Proteste depriorisieren“, „aufräumen“ und online gehen und, noch bedenklicher: „Wir haben eine vielfältige Gruppe vorgeschlagen, die die verschiedenen Koalitionen repräsentieren soll; von Prominenten bis AktivistInnen, von JuristInnen bis StrategInnen, von JournalistInnen bis UnternehmerInnen.“ Wohl kaum eine Ansprache an die ArbeiterInnen und Armen! Wer trifft eigentlich diese Entscheidungen, wenn immer behauptet wird, es gäbe keine AnführerInnen?

Die anfängliche Spontaneität und Dynamik der Rebellion dürfen nicht zerstreut, sondern müssen in einer Bewegung gebündelte werden, die sich demokratisch treffen, vorwärtsweisende Forderungen formulieren und über eine politische Richtung entscheiden kann. Demokratie ist von wesentlicher Bedeutung. „Führungslose“ Bewegungen haben nämlich durchaus AnführerInnen, die jedoch niemandem Rechenschaft schuldig sind. Ohne klares Ziel riskieren sie, dass die Bewegung sich ohne klaren Weg nach vorn zerstreuen, wenn nicht gar auflösen könnte und Präsident Buhari auf diese Weise seinen Kopf aus der Schlinge zöge.

Aus diesem Grund sollten demokratische Massenversammlungen der Jugend organisiert werden, um die Kontrolle über die Bewegung zu übernehmen. Diese Gremien könnten zu embryonalen Aktionsräten mutieren, organisiert in allen Regionen. Sie sollten sich vernetzen und auf nationaler Ebene koordiniert werden. Sie sollten versuchen, ArbeiterInnenorganisationen, StudentInnen, Frauen, Arbeitslose und natürlich die Jugend einzubeziehen. Die Räte sollten die standhaftesten Verteidiger demokratischer Rechte sein, aber es ist entscheidend, dass auch ein Kampf gegen die Sparpolitik und Korruption Buharis und des Imperialismus aufgenommen wird. Sie sollten einen Generalstreik organisieren, um die Regierung Buhari zu stürzen.

Der Kampf gegen SARS hat Hunderttausende von Jugendlichen gegen den Staat zusammengebracht, einen Staat, der für Korruption, endemische Armut, Umweltverschmutzung und Kollaboration mit dem Imperialismus steht. Die radikalisierte Jugend muss politische Antworten und Lösungen für die sich entfaltende Wirtschaftskrise in Nigeria fordern und die Einheit mit der organisierten ArbeiterInnenklasse anstreben. Es ist unerlässlich, dass die nigerianische ArbeiterInnenklasse ihre Solidarität mit der Jugend zeigt. NLC und TUC haben die Jugend verbal unterstützt, zeigen aber keine Anzeichen für Aktion. Anstatt also auf diese BürokratInnen des Ausverkaufs der Gewerkschaftsverbände zu warten, muss die Basis in den Betrieben und in den Gewerkschaftsgruppen unabhängig innerhalb der Gewerkschaften mobilisieren und zur Unterstützung der Jugend und zur Verteidigung ihres Lebensstandards streiken.

Wie wir bereits gesehen haben, wird jede gegen den Staat gerichtete Bewegung physisch angegriffen werden. Das gilt für Demonstrationen ebenso wie für Streiks. Die Frage der Selbstverteidigung gegen die Streitkräfte und staatlich geförderte Schlägertrupps ist von entscheidender Bedeutung. Sie kann nicht durch Aufrufe zur Reform der Polizei weggewischt werden. Demokratische Versammlungen, die auf Massenorganisationen der ArbeiterInnenklasse und der Jugend basieren, sollten nicht nur Ordnerdienste für Demos leisten, sondern disziplinierte und bewaffnete Einheiten organisieren, die eine wirksame Form der Verteidigung am Arbeitsplatz wie auch in der Wohngemeinde darstellen.

Die Entwicklung von Aktionsräten und ihre Verteidigung wird auf konkrete Weise die Frage aufwerfen, wer in der Gesellschaft regiert. Wir fordern alle FührerInnen der ArbeiterInnenklasse auf, mit dem Kapitalismus zu brechen und eine ArbeiterInnenregierung auf der Grundlage demokratischer ArbeiterInnenräte zu bilden, um die Krise im Interesse der ArbeiterInnenklasse zu lösen. Das bedeutet, die Schulden bei IWF/Weltbank zu streichen, die Industrie und die Banken zu enteignen und die Kontrolle der ArbeiterInnen über sie anzuerkennen. Es bedeutet auch, die ernsten Landprobleme in Nigeria wie im Konflikt zwischen Bauern/Bäuerinnen und HirtInnen anzugehen und die Unterstützung der armen Landbevölkerung zu gewinnen.

Schließlich wird diese Perspektive ohne eine revolutionäre Partei nicht verwirklicht werden können. Seit dem Ende der Militärherrschaft 1999 wurde Nigeria durch einen doppelten Fluch in Gestalt zweier korrupter offen bürgerlicher Parteien, dem „All Progressives Congress“ und der „People‘s Democratic Party“ gebeutelt. Die NLC-BürokratInnen haben halbherzige Versuche unternommen, eine kleine nigerianische ArbeiterInnenpartei zu gründen. Die Notwendigkeit einer neuen ArbeiterInnenmassenpartei wird von Tag zu Tag offensichtlicher, und RevolutionärInnen würden in ihr für einen vollständigen politischen Bruch mit den Bossen und dem Kapitalismus und für ein revolutionäres sozialistisches Programm eintreten.

Die Linke in Nigeria wie die DSM und die MSA, die beide anscheinend die „Sozialistische Partei Nigerias“ aufbauen, sowie die „Campaign for a Workers‘ and Youth Alternative“ (CWA; Kampagne für eine ArbeiterInnen- und Jugendalternative) der Internationalen Marxistischen Tendenz und die „Joint Action Front“ (Gemeinsame Aktionsfront, Koalition von ArbeiterInnen- und BürgerInnengruppen) sollten eine neue MassenarbeiterInnenpartei fordern. Parallel dazu sollten sie für ein revolutionäres Programm kämpfen, das unmissverständlich zur Zerschlagung des kapitalistischen Staates durch ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen in Nigeria aufruft. Ein ArbeiterInnenstaat, der sich auf Delegiertenräte von Arbeitsplätzen, Schulen, Universitäten, Gemeinden usw. stützt und von einer ArbeiterInnenmiliz verteidigt wird, muss sich an die Aufgabe machen, einheimisches und ausländisches Kapital zu enteignen und die nigerianische herrschende Klasse auf den Müllhaufen der Geschichte zu entsorgen.




Zimbabwe: Zanu-PF hält an der Macht fest

Jeremy Dewar, Infomail 1027, 30. Oktober 2018

Im August gelang es Emmerson Mnangagwa gerade genug Stimmen auf sich zu vereinigen, 50,8 Prozent, um die Präsidentschaftswahlen in Zimbabwe zu gewinnen und damit den Posten zu sichern, den er im November 2017 mit Gewalt beim Militärputsch errungen hatte, der Robert Mugabe verdrängte. Diese knappe Mehrheit bedeutet, dass der Kandidat der regierenden ZANU-PF (Zimbabwe African National Union-Patriotische Front) nicht mehr in der zweiten Runde gegen seinen Rivalen Nelson Chamisa von der oppositionellen „Movement for Democratic Change“ (MDC) antreten musste, der 44,3 Prozent gewann.

Oppositionsparteien gewannen Mehrheiten in fast allen städtischen Zentren, einschließlich der Hauptstadt Harare, und unter unterdrückten ethnischen Gruppen wie dem Volk der Ndebele. Sie entdeckten bald, was Mnangagwa, genannt „das Krokodil“, für sie bereithält, als die Polizei und andere staatliche Kräfte die Büros des MDC überfielen, seine AnführerInnen verhafteten, Kundgebungen nach den Wahlen physisch angriffen und mindestens sechs Menschen töteten.

Chamisa legte gegen das Ergebnis Berufung ein, verlor aber seinen Fall, wenn auch anscheinend ohne viele Beweise für einen tatsächlichen Wahlbetrug vorzubringen. Tatsächlich hat die ZANU-PF 144 der 210 angefochtenen Parlamentssitze gewonnen, was zeigt, dass sie immer noch über eine echte Wahlbasis verfügt.

Verschiedenen Ländern, darunter den USA, China und der EU entsandten WahlbeobachterInnen, die zwar über geringfügige Unregelmäßigkeiten bereichten, das Ergebnis aber nicht in Frage stellten. Die Ironie, dass Chinas eine Autorität in Wahlfragen sei, wird natürlich weder dem chinesischen Volk noch der Bevölkerung Zimbabwes entgangen sein, da Mnangagwa einige Tage vor seinem Putsch gegen Mugabe nach Peking geflogen ist, um die Zustimmung der chinesischen Regierung zu suchen.

Alternative zum Neoliberalismus?

Offensichtlich hat sich ein Teil von Mnangagwas Unterstützung aus seiner Rolle bei der Beseitigung eines gehassten Diktators ergeben. Ein Militärputsch mag es gewesen sein, aber er wurde auch von großen Feiern auf den Straßen begleitet.

Dieser Jubel hat sich jedoch seither in den Städten und auch in den Landesteilen weitgehend gelegt, in denen die Erinnerung an die Rolle des Krokodils als Sicherheitschef der ZANU-PF, der zwischen 1982 und 1987 das Völkermord-Massaker an über 20.000 Ndebele in Matabeleland beaufsichtigte, noch immer vorhanden ist. Aber in weiten Teilen des Landes, in denen zwei Drittel der Bevölkerung leben, verkörpert eine ZANU-PF unter neuer Leitung weiterhin den Geist des antikolonialen Widerstands.

Natürlich könnte diese Illusion nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Das „Volksmanifest“ von ZANU-PF lautet schönfärberisch:

„Wir befinden uns jetzt in einer neuen Befreiung unter der Leitung von ZANU-PF, wo der Schwerpunkt und die Sorge der neuen Regierung darin bestehen, das Land für Unternehmen zu öffnen, Korruption zu bekämpfen, Arbeitsplätze zu schaffen, den öffentlichen Sektor zu modernisieren und Investitionen zu fördern, die wirtschaftliche Eigenverantwortung wieder auf einen investorenfreundlichen Kurs auszurichten, der zu Wirtschaftswachstum und Beschäftigung führt.“

Löhne, Gewerkschafts- und demokratische Rechte, wichtige öffentliche Dienstleistungen und Steuervergünstigungen werden nun alle „neu ausgerichtet“ auf die Bedürfnisse ausländischer imperialistischer Investoren. Der einzige wirkliche Unterschied zur Mugabe-Ära besteht darin, dass Mnangagwa nun sowohl US-amerikanischen und britischen als auch chinesischen Investoren den Hof machen wird, um ein imperialistisches Lager gegen das andere auszuspielen. Theresa Mays Handelsreise durch das südliche Afrika im August unterstrich die Bereitschaft Großbritanniens, dieses Angebot anzunehmen.

Um den Weg für den bald zu erwartenden Wegfall der Wirtschaftssanktionen in Großbritannien zu ebnen, hat Mnangagwa versprochen, vertriebene weiße ehemalige Grundbesitzer zu entschädigen, den Verbleibenden 99-Jahres-Pachtverträge angeboten und sogar Anreize zur Rückkehr für diejenigen vorgeschlagen, die nach Sambia und anderswo ausgewandert sind. Kein Wunder, dass die Rede des Krokodils im Januar im Alpenort Davos ein Hit wurde, als er als erster zimbabwischer Präsident zum Weltwirtschaftsforum eingeladen wurde.

Es ist Zeit, sich vom MDC zu lösen

Ein weiterer Faktor für den Sieg von ZANU-PF liegt jedoch darin, dass das, was die Opposition anbot, wenig besser und in vielerlei Hinsicht sogar viel schlechter war. Das Manifest der MDC versprach eine „Agrarreform“, indem es einen freien Markt für Ackerland öffnete. Dies konnte nur dazu führen, dass der Landhunger und die Monopolisierung des Landes zunehmen, indem umverteiltes Land an ihre (weißen) ehemaligen Besitzer zurückgeht.

Die MDC ging sogar noch weiter als ZANU-PF, indem sie ausländischen Investoren „geschäftserleichternde“ Reformen anbot. Darüber hinaus wurde sie auch durch ihre jahrelange loyale Verabschiedung von Gesetzen gegen die ArbeiterInnenklasse belastet, als sie 2009 – 2013 Juniorpartnerin von Mugabe war.

Die MDC begann zwar als ArbeiterInnenpartei, die 1999 von der Gewerkschaftsbürokratie gegründet wurde. Deswegen wird sie weiterhin massenhaft von großen Teilen der Lohnabhängigen unterstützt. Ihr erster Vorsitzender Morgan Tsvangirai war Generalsekretär des Zimbabwischen Gewerkschaftsbundes (ZCTU).

Trotz ihrer Ursprünge hat die MDC jedoch von Anfang an Unterstützung vom westlichen Imperialismus und von weißen LandbesitzerInnen erhalten und sogar zugesagt, das Strukturanpassungsprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) vollständig umzusetzen. Das weiße kapitalistische Agrargeschäft kam schnell, um viele der Hebel innerhalb der Partei zu kontrollieren, und in diesem Jahr stand die MDC im Bündnis mit sechs kleineren kapitalistischen Parteien. Anstatt eine neue Partei zu fordern, hat die ZCTU-Führung jedoch opportunistisch und prinzipienlos das MDC-geführte Bündnis weiterhin unterstützt.

Neue ArbeiterInnenpartei

Was wir brauchen, ist eine neue ArbeiterInnenpartei. Die Gewerkschaftsbewegung Zimbabwes, die in den letzten Jahren Niederlagen und Rückschritte erlitten hat, ist immer noch eine mit einer stolzen Bilanz von Militanz.

Aber die Basis der Gewerkschaften muss sich in einem Bündnis mit den städtischen und ländlichen Armen aus der Kontrolle der etablierten Gewerkschaftsführung befreien. Sie können damit beginnen, indem sie Widerstand gegen das Vorgehen und die Offensive der UnternehmerInnen organisieren, die sicherlich nach den Wahlen stattfinden wird. Sie können lokale und nationale Konferenzen einberufen, um die Lehren aus dem Scheitern und Verrat der MDC zu diskutieren, und Schritte zur Gründung einer neuen Partei unternehmen, unter der Kontrolle der ArbeiterInnen und mit einem revolutionären antikapitalistischen und antikolonialen Programm.

Diese neue Partei sollte sich auch in internationaler Solidarität engagieren und nach Verbindungen zu ähnlichen Aktionen insbesondere im benachbarten Südafrika suchen. Das Ziel einer neuen Partei sollte es sein, den Kampf um die nationale Unabhängigkeit so weit wie möglich zu beenden, indem sie für eine Sozialistische Föderation Afrikas als Teil einer sozialistischen Welt kämpft.




Revolutionen in Nahost und Nordafrika – Frauen in der ersten Reihe

Irene Zelano, Neue Internationale Frauenzeitung, März 2013 (Aktualisierte Version des Textes aus Neue Internationale 158, April 2011

Frauen sind in islamisch geprägten Ländern tief verschleiert und dürfen das Haus nie verlassen“, „Frauen nehmen dort nicht am politischen Leben teil“ und „die Revolution ist gänzlich in den Händen islamistischer Spinner“ etc. Solche Stammtischparolen – die Aufzählung ließe sich unendlich fortführen – wurden im Zuge der nordafrikanischen Revolutionen gründlich durchgerüttelt. Nicht nur die Bilder, die am Beginn der arabischen Revolutionen erreichten, widersprechen diesen sorgfältig gehegten Vorurteilen.

Islamische Gruppen sind natürlich Teil der Aufständischen, doch stellen sie bei weitem nicht den Großteil der DemonstrantInnen. Gerade in Ägypten und Tunesien konnten wir beobachten, dass diese Kräfte erst dann stärker in den Vordergrund traten, als es darum ging, die Früchte der Revolution zu ernten. Selbst die Freitagsgebete dienten ursprünglich oft als legaler Sammelpunkte für Demonstrationen.

Und die Frauen? Bleiben sie brav im Haus und schauen zu, wie ihre Männer kämpfen? Nein! Wir erleben ein unheimlich starkes Auftreten von Frauen, die in den ersten Reihen der Demonstrationen stehen und auch, aber nicht nur für Frauenrechte kämpfen.

Saudi-Arabien

„Keine Schiiten, keine Sunniten, Einheit, Einheit des Islam“ hieß die Parole, mit der Anfang März 2010 hunderte DemonstrantInnen in Saudi Arabien auf die Straße gingen. Auch in diesem Land, in dem Frauen nach wie vor kein Wahlrecht haben, nicht Autofahren dürfen und mit der Polygamie ihrer Männer leben müssen, kamen die Proteste der nordafrikanischen Revolution langsam an.

Mit Losungen wie „Für eine konstitutionelle Monarchie“ und „Gegen das Verbot verschiedener islamischer Strömungen“ beginnen hier die Proteste. Auch mutige Frauen sind im saudischen Königreich dieser Tage auf der Straße. Trotz Demonstrationsverbot versammelten sich in der ersten Märzwoche 40 Frauen für die Freilassung ihrer Söhne, welche nach einem Anschlag auf einen US-Stützpunkt seit 1996 ohne Gerichtsverhandlung inhaftiert sind. Am 11. und 20. März 2010 fanden in Saudi Arabien weitere Demonstrationen statt.

Tunesien

Eigene Frauendemonstrationen gaben den Protesten in Tunesien ein geschlechtlich durchmischtes Gesicht. Tunesien steht wohl bezüglich der emanzipatorischen Rolle der Frauen in der Revolution im arabischen Raum an der Spitze.

Schon kurz nach der Unabhängigkeit wurden Frauen den Männern vor dem Gesetz gleichgestellt. 1957 erhielten sie das Wahlrecht, müssen ihre Zustimmung zur Eheschließung geben, dürfen sich scheiden lassen und Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Der Zugang zu höherer Bildung steht auch Frauen offen, sie dürfen sich in der Öffentlichkeit zeigen und selbst einen Beruf ergreifen. So die Gesetzeslage. Doch wie sieht die Realität aus?

Trotz der vergleichsweise fortschrittlichen Frauenrechte ist die Lage der Frau in der Gesellschaft nicht allzu rosig. Patriarchale Strukturen prägen das tägliche Leben. So muss die Frau zwar der Eheschließung zustimmen, doch kann sie sich aufgrund der Familienstrukturen ihrem Vater nur in seltenen Fällen widersetzen. Mangelnde Jungfräulichkeit kann zu Eheannullierung führen, was häufig zu ärztlichen Eingriffen zur künstlichen „Wiederherstellung der Jungfräulichkeit“ führt. Zwar dürfen sich Frauen scheiden lassen, doch ist der Mann nur drei Monate unterhaltspflichtig und eine Wiederheirat zwar erlaubt, doch in der Realität in den meisten Fällen nur möglich, wenn die Frau darauf verzichtet, ihre Kinder in die neue Ehe mitzubringen und diese an die Verwandtschaft abgibt.

Im Arbeitsleben stellen Frauen in Tunesien 50% der Erwerbstätigen. In einem Land, in dem 42% der Arbeitsplätze auf die Textilindustrie entfallen, nicht allzu verwunderlich. Doch die Textilbranche, wo überwiegend Frauen arbeiten, wird weit schlechter entlohnt als andere Industrien. Auch im Dienstleistungsbereich sind Frauen stark vertreten und stellen z.B. 30% der AnwältInnen des Landes.

Die Hausarbeit ist traditionell noch immer Frauensache – ob als in Doppelbelastung neben dem Job oder indem ein Hausmädchen bezahlt wird: der Haushalt bleibt in Frauenhand.

Ägypten

„Die Revolution findet nicht nur auf dem Tahrir-Platz statt, sie ist in jedem ägyptischen Haus“, sagt eine ägyptische Kämpferin auf dem Tahrir-Platz und zielt damit auf die eben beschriebenen, auch in Ägypten herrschenden häuslichen patriarchalen Strukturen ab. Wie viele andere Frauen, die auf dem Tahrir-Platz eine wichtige Rolle gespielt haben, musste sie sich zu Hause gegen das Verbot durchsetzen, an den Demonstrationen teilzunehmen, und lief so Gefahr, bestraft oder verstoßen zu werden. Vielen Frauen ging es so – und doch haben die ägyptischen Frauen an vorderster Front mitgekämpft und aktiv zum Sturz Mubaraks beigetragen.

Im mit 80 Millionen EinwohnerInnen bevölkerungsreichsten Land Nordafrikas ist der Dienstleistungssektor mit 50% der Wirtschaftsleistung der stärkste. 2006 stellte die Tourismusbranche 20% der Deviseneinnahmen und 10% der Arbeitsplätze, die umfangreiche Schwarzarbeit in diesem Sektor nicht mitgerechnet. Frauen machen in den prekären wie in den offiziellen Arbeitsverhältnissen im Tourismus einen Teil der Beschäftigten aus.

Bei der Bildung sieht es für Frauen in Ägypten vergleichsweise gut aus. An den Universitäten stellen Frauen inzwischen 50% der AbsolventInnen. Schon 1962 zog die erste Frau ins Parlament ein, das Wahlrecht für Frauen wurde schon 1956 erkämpft. Das alles spiegelt die Tatsache wider, dass Ägypten schon auf eine verhältnismäßig lange Geschichte der Frauenbewegung zurückblicken kann.

Säkularisierte Feministinnen stehen hierbei islamischen Frauenbewegungen gegenüber, welche mehr Rechte für Frauen erkämpfen möchten, aber zugleich Werte wie Moral, Religion und Familienleben erhalten wollen.

Für die säkularisierte Frauenbewegung ist besonders Hoda Shaarawi, die sich in den 20er Jahren mit der Gründung der „Egyptian Feminist Union“ an die Spitze der dortigen Frauenbewegung stellte, zum Symbol geworden. 1923 erstaunte sie die Massen, als sie von einem Frauenkongress aus Rom zurückkehrte und in einem symbolischen Akt ihren Schleier von sich warf und die anfangs atemlose Menge zum Jubeln brachte. In den 50er und 60er Jahren führte sie im Namen der Frauenrechte zwei Hungerstreiks und eine Belagerung des Parlaments durch. Sie kämpfte ihr Leben lang gegen die Unterdrückung der Frau in der arabischen Welt.

Entscheidend für die weitere Entwicklung – und oft von den westlichen Medien unbeachtet – wird freilich die Rolle der Frauen in der Arbeiterbewegung sein. Die Krise hat v.a. junge Frauen dramatisch getroffen. Etwa 50 Prozent sind arbeitslos, während es unter den männlichen Jugendlichen „nur“ 17 Prozent sind.

Ähnlich wie in Tunesien spielten Frauen auch in der Gewerkschaftsbewegung und den sich entwickelten Streiks eine enorme Rolle. Schon in den Jahren 2004-08 standen Frauen in der vordersten Front der Kämpfe der TextilarbeiterInnen in Städten wie Mahalla al-Kurba. Bei Streiks und Besetzungen kämpfen sie Seite an Seite mit ihren Kollegen, übernachten in den Fabriken, führen Kämpfe und durchbrechen so praktisch, wenn auch durchaus nicht ohne Konflikte mit den Männern die traditionelle Rollenverteilung.

Dies verdeutlicht zugleich, dass die Entstehung einer Frauenbewegung untrennbar mit der politischen Entwicklung der Arbeiterklasse verbunden ist.

Fazit

Entgegen allen westlichen Vorurteilen gegenüber der Beteiligung von Frauen an den Veränderungen in der arabischen Welt, haben Frauen dort oft eine wichtige Rolle gespielt und spielen sie noch. Doch letztlich wird die Frage der weiteren Rolle von Frauen in den sozialen Veränderungen v.a. davon abhängen, ob und wie der revolutionäre Prozess weiter geht.

Um den Kampf für eine wirkliche Gleichberechtigung der Frauen zu gewinnen, müssen die Frauen der arabischen Welt Seite an Seite mit den ArbeiterInnen für die Fortführung der Revolution bis hin zur Erlangung der Staatsmacht durch die ArbeiterInnenklasse und die Etablierung rätedemokratischer Strukturen kämpfen.

Eine neue Diktatur oder eine bloße Neubesetzung des Parlaments wird an den Lebensverhältnissen der verarmten Bevölkerungen genauso wenig ändern, wie an den systematisch beschnittenen Rechten der Frauen und an deren realer sozialer Benachteiligung und Unterdrückung.

Genauso, wie es der Führung durch die Arbeiterklasse bedarf, um die Revolutionen zum Erfolg zu führen, bedarf es auch einer proletarischen Frauenbewegung, welche sich in diesem Kampf für die Rechte der Frauen in allen Lebensbereichen bis hin zum Erreichen des Sozialismus einsetzt.




G20-Partnerschaft mit Afrika – Der Lange Schatten des Kolonialismus

Tobi Hansen, Neue Internationale 220, Juni 2017

Der G20-Gipfel in Hamburg rückt näher und dementsprechend gibt es Vorkonferenzen. So trafen sich aktuell die G7 auf Sizilien, sprachen natürlich nicht über Geflüchtete – wäre zu naheliegend gewesen zu fragen, warum diese flüchten. Stattdessen konnte der US-Präsident dort noch mal deutlich sagen, dass niemand etwas gegen den Klimawandel tun muss, schon gar nicht die Industriestaaten und imperialistischen Führungsmächte. Dies ist quasi die Vorbereitung zum G20-Gipfel.

Daher wurden am Ende einige wohlklingende, aber leere Floskeln zur Weltpolitik ausgetauscht. Bei Terrorismus und den Krisenplätzen der Welt sei man sich einig. Von den G7 ist vor allen anderen vor allem die USA dort aktiv, dementsprechend auch die Zustimmung zu ihrer Rolle als „Weltpolizei“. Beim Klima will sich US-Präsident Trump noch mal das Pariser Abkommen durchschauen und dann eine Absage erteilen. Auf dem Gipfel beließ er es bei Drohungen. Auch wurde eine leere Erklärung zum Freihandel abgegeben: Ja, die 7 Staaten profitieren davon auch in höchstem Maße, unter welchen  die USA dabei weiter mitmachen, stehe aber derzeit zur Disposition. Bis dahin reichen Erklärungen der Marke Schall und Rauch.

Partnerschaft – neues Wort für Unterdrückung

Als Vorsitz der G20 2017 hat Deutschland sich etwas Spezielles ausgedacht: eine „Partnerschaft Afrikas“ mit den G20 als Fokus des Gipfels. Afrikakonferenzen wurden vom deutschen Imperialismus immer schon dann einberufen, wenn entweder der „Platz an der Sonne“ lockt oder aber Gefahr im Verzug ist, den Einfluss auf diesem Kontinent zu verlieren. Die Geschichte des Kapitalismus ist eine Geschichte der Verbrechen der europäischen Mächte. Kolonialismus und Imperialismus durchziehen wie ein roter Faden aus Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung die Geschichte und Gegenwart des Kontinents.

So sind heute die Schuldenrückzahlungen der afrikanischen Staaten jedes Jahr höher als die sog. „Entwicklungshilfe“. Letztere finanziert hauptsächlich den Marktzugang der Konzerne. Auch Rüstungsexporte werden gerne vorfinanziert, damit auch jeglicher Bürgerkrieg funktioniert. Minister Müller von der CSU sieht Afrika heute vor allem als „Chancenkontinent“. In der Broschüre des BMZ zur Afrika-Partnerschaft (www.bmz.de/de/ service/sonderseiten/g20/partnerschaft_mit_afrika/index.html) wird das hohe Lied der Kooperation gesungen. Wie viel mehr möglich wäre, davon schwärmen die PolitikerInnen der imperialistischen Staaten immer gerne – ungefähr, seitdem sie angefangen haben, Afrika zu erobern und auszubeuten.

Keine Chance auf ein Leben, dann flüchte!

Im Gegensatz zu Minister Müller sehen viele AfrikanerInnen ihre Zukunft gar nicht rosig. Im Gegenteil, sie nehmen den Tod im Mittelmeer in Kauf, nur um die Chance zu haben, nach Europa zu flüchten. Die Landwirtschaft, welche weiterhin der bestimmende Produktionssektor ist, wird auf den Export in die EU, USA und, neuerdings, China ausgerichtet. Die Profite eigen sich multi-nationale Konzerne an, während die lokalen ProzentInnen mehr und mehr in den Ruin getrieben werden. Generationen der Landbevölkerung haben keine Perspektive.

Gut bezahlte und ausgestattete Söldnermilizen führen Krieg bspw. um die Diamantenminen des Kongo, oder Jugendliche und Kinder dürfen in Ghana die Kakaobohnen für den Weltmarkt pflücken. Dies sind Bestandteile der Realität eines Kontinents, auf dem der „Arabische Frühling“ 2010/2011 etliche Hoffnungen auf eine andere Zukunft freisetzte, aber letztlich mit Unterstützung der imperialistischen Staaten abgewürgt wurde. In der Broschüre des deutschen Ministers wird Ägypten zynisch als Beispiel für die gelungene Reintegration für Geflüchtete benannt. Zusammen mit der deutschen Wirtschaft, die rund um Suez sehr aktiv investiert, werden Praktika und Jobs vermittelt. Das ist ein Hauptziel der „Partnerschaft“: Flucht verhindern, Abschiebung organisieren und dabei selbst Profite machen.

Das wird auch im Zentrum der europäischen Staaten in Hinblick auf die G20-Partnerschaft stehen: Wie bekommen wir wieder ein „stabiles“ nordafrikanisches Grenzregime mit Auffanglagern à la Gaddafi in Libyen? Solange das funktioniert, sind auch Militärpräsidenten wie der Ägypter as-Sisi stabile Partner des Westens, genau wie Mubarak und Gaddafi zuvor. Die EU will in diesem Partnerschaftsabkommen die erste Geige spielen, sieht sie doch traditionell die Südseite des Mittelmeers als ihre Einflusszone. Allein der französische Imperialismus wütete in West- und Nordafrika beispiellos.

Diesen Fokus will auch die EU behalten, gibt es doch mit China einen neuen schwergewichtigen Konkurrenten, welcher äußerst aktiv in die Märkte eindringt (Sudan, Tschad, Mosambik). Dabei hat sich der chinesische Imperialismus im Unterschied zu den meisten Gegenspielern vorgenommen, auch die Infrastruktur und wenn möglich sogar die Produktion in den Staaten aufzubauen – natürlich unter eigener Kontrolle.

Die EU will vor allem die AU (Afrikanische Union) zu ihrem Büttel machen. Die darf dann für die europäischen Profitinteressen vor Ort wirken: noch vorhandene Handelshemmnisse abbauen, den „Flüchtlingsstrom“ eingrenzen und wenn möglich auch eine militärische Interventionstruppe aufbauen, die z. B. in Mali den französischen Truppen helfen kann.

Antiimperialismus

Die EU stützt sich dort neben Ägypten vor allem auf Südafrika, welches selbst in einer tiefen politischen und ökonomischen Krise ist. Präsident Zuma wird inzwischen auch vom ANC kaum noch verteidigt, das Kabinett je nach Wirtschaftsinteressen umbesetzt und im Land gibt es rassistische Unruhen gegen ArbeitsmigrantInnen, zu denen der ANC stumm bleibt. Diese Regime und ihre Willfährigkeit gegenüber dem Imperialismus sind Kennzeichen der Entwicklung Afrikas.

Wir unterstützen daher alle Proteste gegen die „G20-Partnerschaft“ mit Afrika, welche z. B. am 10.6. in Berlin stattfinden.

Wir fordern die Offenlegung aller geplanten Abkommen, aller Verträge, die die Interessen der europäischen und anderer imperialistischer Staaten wie der Regime, politischen und ökonomischen Eliten der afrikanischen Länder bedienen.

Um sich aus der Umklammerung durch diese „PartnerInnen“ zu lösen, ist keine verlogene „Partnerschaft“ im Interesse der dominierenden Großmächte nötig, die heute den Kontinent zwar nicht mehr als Kolonialmächte, wohl aber über ihre Stellung in der imperialistischen Weltordnung trotz formaler Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten dominieren. Ein wesentliches Mittel dabei sind die Schuldenlast der Länder, die Ausplünderung durch westliche Konzerne und Banken und die militärische Präsenz dieser Staaten.

Wir treten daher für die sofortige Streichung der Staatsschulden der afrikanischen Länder ein. Die imperialistischen InvestorInnen sollten ohne Entschädigung unter ArbeiterInnenkontrolle verstaatlicht werden. Diese gebündelten Ressourcen könnten Teil eines Plans zur Wirtschaftsentwicklung sein – was selbst wiederum erfordert, diesen Kampf mit dem gegen die pro-imperialistischen, kapitalistischen Regierungen, für ArbeiterInnen- und Bauernregierungen und eine sozialistische Vereinigung des Kontinents zu verbinden.

Alle imperialistischen Truppen und MilitärberaterInnen müssen aus Afrika abgezogen werden. Zugleich treten wir für die Öffnung der Grenzen für alle Geflüchteten ein, deren freie Wahl des Wohnorts, ihr Recht auf Wohnraum, Arbeit sowie gleiche bürgerliche und politische Rechte.

Die Proteste gegen den G20-Afrika-Gipfel können einen Schritt vorwärts hin zu einem gemeinsamen Kampf von Linken, ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen und SozialistInnen in Europa und Afrika gegen Ausbeutung, Rassismus und Imperialismus bedeuten.