5 Jahre NaO – Bilanz und Lehren eines Umgruppierungsprojekts

Wilhelm Schulz, Revolutionärer Marxismus 48, August 2016

Das Projekt „Neue Antikapitalistische Organisation“ (NaO) ist nach gut fünf Jahren gescheitert. Das stellt sie selbst in ihrer Auslösungserklärung fest, die wir im Anhang dokumentieren. Knapp und korrekt wird darin benannt, woran dieser Versuch gescheitert ist, eine größere und schlagkräftige revolutionäre Organisation zu bilden:

„Der zweite, zentrale Grund für die Stagnation der NaO ist in den politischen Differenzen zu sehen. Sie sind der Grund nicht nur für die numerische Stagnation, sondern auch dafür, dass die in der NaO organisierten politischen Kräfte sich nach anfänglicher Konvergenz wieder mehr und mehr auseinanderentwickelt haben.“ (1)

Diese Einschätzung steht am Ende eines langen, manchmal nervigen und ernüchternden, immer aber auch politisch lehrreichen Prozesses. Im Folgenden werden wir wesentliche Momente dieser Entwicklung nachzeichnen und Wendepunkte bewerten. Es geht uns dabei um keine Geschichte der NaO, wohl aber darum, zu verdeutlichen, worin ihre Potentiale bestanden und warum diese leider nicht realisiert wurden.

Ausgangspunkt

Die Krise von 2008 stellt bekanntlich einen historischen Wendepunkt dar. Der Kapitalismus ist in eine systemische, weltweite Krisenperiode eingetreten, die nicht nur mit einer chronischen Instabilität, sondern auch einer tiefen Erschütterung des gesamten gesellschaftlichen Gefüges einhergeht.

Die Krise stellt auch die „radikale Linke“, also alle jene Kräfte, die sich selbst als anti-kapitalistisch, revolutionär oder kommunistisch verstehen, vor die Aufgabe, wie sie eine Alternative zum Reformismus aufbauen können und politisch wirkungsmächtig werden. Die „Anti-Krisenbewegung“ hatte in Deutschland gezeigt, dass sie im Verbund mit LinksreformistInnen und linken GewerkschafterInnen zwar Zehntausende auf die Straße bringen konnte. Trotz dieser sektoralen Mobilisierungsfähigkeit, trotz der Erschütterung der bürgerlichen Herrschaft und ihrer ideologischen Begründungen nach 2008 blieb der Einfluss der „radikalen Linken“ jedoch politisch marginal. Die Durchsetzung einer relativen Stabilisierung des deutschen Imperialismus, die erst jetzt ihrem Ende entgegengeht, ging mit einer Desorientierung und teilweisen Demoralisierung einher, aber auch mit der Einsicht bei etlichen Organisationen und Linken, dass eine Diskussion um die organisatorische und politisch-programmatische Neuausrichtung der „radikalen Linken“ auf der Tagesordnung stand.

Das war Ausgangspunkt für eine Reihe von programmatisch losen Blöcken linker Organisationen wie der Interventionistischen Linken, dem [… Ums Ganze!]-Bündnis oder dem 3A-Bündnis.

Die NaO war ein Versuch, eine gemeinsame Antwort auf diese sich regelmäßig überschlagenden Probleme zu finden. Sie war der gemeinsame Anspruch, eine kämpfende Organisation aufzubauen, die eine programmatische Diskussion und Klärung mit gemeinsamer Praxis kombinieren sollte. Kurz gesagt: Der Vorstoß zur Gründung einer NaO war der Versuch, eine Antwort zu den konkreten Problemen der radikalen Linken und in Bezug auf die Führungskrise der ArbeiterInnenbewegung zu geben – wenn auch die daran Beteiligten von Beginn an unterschiedliche Vorstellungen hatten, um welche Organisation es sich dabei genau handeln sollte. In jedem Fall gab dieser Prozess einer kleinen revolutionären Organisation wie der Gruppe ArbeiterInnenmacht die Möglichkeit, aktiv um die politische Ausrichtung und Formierung des Projekts zu kämpfen und es zu einem Attraktionspol für andere Gruppierungen und Individuen zu machen.

Entstehung des NaO-Prozesses

Im März des Jahres 2011 veröffentlichte die „Sozialistische Initiative Schöneberg“, später „Sozialistische Initiative Berlin“ (SIB) genannt, das sogenannte „Na endlich“-Papier (2). Darin beschreibt sie die radikale Linke in ihrer fortwährenden Marginalisierung und kritisiert ihr Versagen, auf die historische Krise des Kapitalismus gemeinsame Antworten zu entwickeln. Gleichzeitig sieht sie unterschiedliche Gruppierungen, vor allem Avanti, Mitglied der Interventionistischen Linken (IL), die Frage nach Programm und Organisation anstoßen.

Um diesen zeitweise nach links gehenden Gruppen, die sich entweder in Umorientierung oder einer tiefgehenden inneren Krise befinden, anzusprechen, schlägt die SIB eine politische KampfpartnerInnenschaft in einem gemeinsamen Block mit dem Ziel vor, eine Organisation links von der Linkspartei aufzubauen. Dieser soll Teilen der kämpfenden ArbeiterInnen und Jugendlichen sowie allen jenen Linken, die nicht bloß in der reformistischen Linkspartei auf politisch bessere Zeiten hoffen wollen, eine Perspektive bieten. Zentrale Grundlagen dieser Umgruppierung sollten dabei die folgenden fünf Punkte sein: 1. Konzept des revolutionären Bruchs, 2. Keine Mitverwaltung der kapitalistischen Krise, 3. Klassenorientierung, 4. Einheitsfront-Methode, 5. (Eine gewisse) organisatorische Verbindlichkeit.

Unterschiedlichste Linke verhalten sich zu diesem Papier, wie beispielsweise Avanti, die Revolutionär Sozialistische Organisation (RSO), die Revolutionär Internationalistische Organisation (RIO).

Andere wie die Internationale Sozialistische Linke (isl), der Revolutionär Sozialistische Bund (RSB), die Internationalen KommunistInnen (InterKomm), International Bolshevik Tendency (IBT), paeris, Sozialistische Koordination (SoKo), Marxistische Initiative (MI), Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet (RIR), die Partei der Sozialistischen Neugründung (SYKP), die Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB), Teile des Palästina-Solidaritätskomitees Stuttgart sowie REVOLUTION und ArbeiterInnenmacht werden sich in den kommenden Jahren mehr oder minder aktiv am Prozess beteiligen, einige davon als BeobachterInnen, andere als Mitgliedsorganisationen.

Im Mai 2012 wurde ein Selbstdarstellungsflugblatt veröffentlicht, welches den bisherigen Stand der Debatte beschrieb und eine Veröffentlichung des bisherigen UnterstützerInnenkreises darstellte (SIB, SoKo, RSB, InterKomm, später die Online-Zeitung Scharf-Links) (3). Anfang 2012 traten wir als BeobachterInnen der NaO bei, um dann zur Sommerdebatte im August des Jahres Mitglied des Prozesses zu werden.

Im Unterschied zu konkurrierenden Projekten hatte das der NaO den Vorzug, dass es nicht nur auf gemeinsame Kampagnen oder einzelne Positionspapiere zielte, sondern auch anerkannte, dass es einer programmatischen, inhaltlichen Grundlage zum Aufbau einer neuen anti-kapitalistischen Organisation bedarf. Natürlich war uns von Anfang an klar, dass es tiefe politische Differenzen dazu in der NaO gab, aber dies war mit einer ernstzunehmenden Bereitschaft zur politischen Diskussion verbunden. Die SIB, deren Kern aus der Tradition der Vierten Internationale kam, bewegte sich eindeutig nach links. Das traf teilweise auch auf den RSB zu. Dieser erschien am Beginn wie ein Zugpferd des NaO-Prozesses (und agierte bis Anfang/Mitte 2013 auch noch so). Allerdings wurde mit der Zeit immer deutlicher, dass sich der RSB schon zur Gründung der NaO in einer Existenzkrise befand, die ständig tiefer wurde, so dass die Mehrheit der Organisation offenkundig die Fusion mit der isl als einzige Rettung betrachtete.

Innere Krisenhaftigkeit war letztlich ein Kennzeichen aller Gruppen im NaO-Prozess außer der GAM und später REVOLUTION. Die Bereitschaft, sich auch mit einer Organisation wie der GAM auf politisch-programmatische Diskussionen einzulassen und sich an einer Initiative zum Aufbau eine neuen anti-kapitalistischen oder gar revolutionären Organisation zu beteiligen, war letztlich selbst ein Resultat nicht nur „besserer Einsicht“, sondern einer Krise, die die Grenzen ihrer bisherigen Politik aufzeigte.

Das ist grundlegend für alle Umgruppierungsprozesse kleinerer zentristischer oder „links-radikaler“ Gruppierungen, also von Gruppen, die zwischen Reform und Revolution, Sektierertum und Opportunismus schwanken. Innere Krisen  – letztlich selbst das Resultat objektiver Entwicklungen – bedeuten, dass Teile von ihnen nach links gehen wie auch diese Organisationen politisch in Fluss geraten.

Das schafft die Bedingungen dafür, dass sich RevolutionärInnen auf solche Prozesse positiv beziehen können, ja es schafft die Voraussetzungen, dass sich RevolutionärInnen an solchen Prozessen aktiv beteiligen müssen.

So boten sich über die NaO einige Möglichkeiten wie die zur Verbreitung des Kreises (inklusive von politisch erfahrenen Kadern), den unsere  Positionen erreichen, wie zur Intervention in einen möglichen Aufbau- und Zerfallsprozess zugleich und zur Sammlung einiger wichtiger Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit eingefleischten ZentristInnen für uns und unsere internationale Strömung. Auch wenn wir uns darüber im Klaren waren, dass mit zentristischen Kadern keine revolutionäre Partei aufzubauen ist, sofern sie nicht bewusst mit ihrer Position brechen, war es unsere Aufgabe einen Kampf um die politische Ausrichtung und das potentielle Umfeld dieses Prozesses zu führen.

In diesem Zeitraum entschieden wir uns als ArbeiterInnenmacht dazu, Mitgliederorganisation innerhalb der NaO zu werden. Auf der Sommer-Debatte im August 2012 diskutierten wir somit erstmals intensiv über Schlüsselfragen.

  • Die Frage der Frauenunterdrückung, wobei sich hier ernste Differenzen, die sich später auch im NaO-Manifest zeigen sollten, abzeichneten. Entscheidend war dabei die Frage des Verhältnisses von Frauenunterdrückung und Ausbeutung.
  • Die ökologische Frage, wobei es hier innerhalb der späteren NaO-Gruppen weniger offenkundige Differenzen gab, wohl aber mit der nur als „Beobachter“ teilnehmenden RSO, die für den Ausbau der Atomkraft im Sozialismus eintrat.
  • Außerdem zeigten sich Differenzen in der Frage der Einheitsfront und des Reformismus. So bestritten einige GenossInnen, ob diese Taktik für kleine Gruppen heute überhaupt anwendbar sei. Andere wiederum wollten von allzu viel Kritik an den BündnispartnerInnen nichts wissen. Hinzu kamen ein unterschiedliches Verständnis des Reformismus, der „bürgerlichen ArbeiterInnenpartei“ – eine in Deutschland jeden Diskussionsprozess umtreibende Frage.
  • Schließlich zeigten sich wichtige Differenzen bezüglich der Einschätzung von „breiten“ Umgruppierungsprojekten, die jedoch offen und auch problemorientiert besprochen wurden. Es gab einerseits Konsens darüber, dass RevolutionärInnen darin intervenieren und offen die Gefahren dieser Projekte aufzeigen müssten. Wie offen das zu geschehen habe, darüber schieden sich jedoch die Geister, vor allem aber an der Frage: War und ist das Ziel des Projekts, eine revolutionären Organisation zu schaffen auf Grundlage eines solchen Programms oder kann es letztlich nur in einem zentristischen Programm bestehen?

Beim Beitritt zur NaO waren wir uns dieser Differenzen nicht nur bewusst, wir erklärten das auch offen und transparent:

„Es wird wesentlich sein, wie die NaO programmatische Klärungen auch in die Praxis umsetzt. Eine NaO, die ‚nur‘ diskutiert, wird dem ‚Zirkelwesen‘ der radikalen Linken eben kein Ende setzen können, genau wie eine NaO ohne programmatische Klärung zur Minimal-Alternative zur Linkspartei verkommen könnte bzw. dieser letztlich nichts entgegensetzen würde. Wenn wir über eine Organisation links von der LINKEN sprechen, dann müssen wir an die Traditionen des revolutionären Kommunismus anschließen, auch wenn hierzulande nicht allzu viele präsent sein mögen. Es muss in NaO um Rätedemokratie, Revolution und Kommunismus gehen – diese Alternative ist notwendig!

Die Gruppe Arbeitermacht will diesen Prozess konstruktiv, d. h. auch kritisch voranbringen – programmatische Klärung und gemeinsame Praxis müssen dabei Hand in Hand gehen. Unser Ziel ist es, in der BRD wieder eine starke revolutionäre Kraft, eine kommunistische Partei aufzubauen, die tatsächlich den herrschenden Reformismus in weiten Teilen der Klasse herausfordern kann. Wir brauchen keine nächste IL o. a. vermeintlich radikalen Bündnisse oder Blöcke, die zwar gern vom Kommunismus sprechen, sich aber in der politischen Realität dann doch immer nur den Spitzen der LINKEN oder des DGB unterordnen und es ablehnen, eine systematische Programmatik zu erarbeiten.“ (4)

Auch wenn die NaO heute gescheitert ist, so sind wir davon überzeugt, dass es richtig war, diesem Prozess beizutreten.

Er stellte die richtigen Fragen bezüglich der Organisierung von RevolutionärInnen. Es war kein Prozess, der sich nur mit „Netzwerkerei“ begnügte. Er gab sich auch nicht der letztlich opportunistischen Illusion hin, dass eine gemeinsame revolutionäre Organisation nur oder in erster Linie aus der gemeinsamen Praxis erwachsen könne. Genau das ist bei Diskussionsprozessen zwischen kleinen Gruppen grundsätzlich nicht möglich, weil sie selbst die Richtigkeit ihre Politik nicht unmittelbar im Klassenkampf beweisen können. Sie können aber sehr wohl die Erfahrungen des Kampfes verallgemeinern und daraus theoretische und programmatische Folgerungen ziehen.

Ob eine wirklich gemeinsame Organisation – also eine, wo es keine verschiedenen Mitgliedschaften mehr geben wird – zustande kommt, hängt deshalb letztlich entscheidend davon ab, ob ein gemeinsames Programm entwickelt werden kann.

Die NaO bot 2012 und in den folgenden Jahren konkret die Möglichkeit, im Zuge eines Diskussionsprozesses und gemeinsamen Handelns einen Block zu bilden, der insgesamt oder in Teilen entweder zu einer größeren gemeinsamen revolutionären Organisation wird oder scheitert und wieder zerfällt.

Dass die NaO wieder zerfallen ist, auch wenn wir, was für eine kleine kämpfende Propagandagruppe nicht unwichtig ist, einige Kader näher an uns ziehen konnten, spricht nicht gegen diese Taktik. Erstens ist die Gewinnung oder das Heranziehen von Kadern für eine kleine Gruppierung durchaus ein wichtiger Schritt vorwärts. Zweitens ist die Chance des Scheiterns bei jedem Umgruppierungsprozess größer als die seines Gelingens, wie auch die Erfahrung der trotzkistischen Bewegung in den 30er Jahren zeigt. Der Kampf um programmatische Einheit und Überwindung von Differenzen erscheint dabei sowohl dem Sektierer wie dem Opportunisten als schier unüberwindliches Hindernis.

„Die Lösung dieses Dilemmas besteht darin, taktische Flexibilität, Offenheit gegenüber Neuformierungsprozessen – also im Grunde nichts anderes als Offenheit gegenüber anderen Teilen der Arbeiterbewegung – mit Prinzipienfestigkeit, mit dem Kampf für das eigene, revolutionäre Programm zu verbinden.

Sektierer und Opportunisten lehnen das gleichermaßen ab, nicht zuletzt, weil sie eine Grundposition teilen: beide halten Einheit auf revolutionärer Basis letztlich für unmöglich.

Der Sektierer hat es ‚schon immer gewusst‘, erklärt die Diskussion für erledigt, bevor sie begonnen hat. Für ihn ist daher jeder Teilschritt nur ein weiterer ‚Beweis‘ dafür, dass nur seine Sekte das Programm behüten kann (und sei es um den Preis, den heiligen Gral vor der Welt zu verbergen).

Der Opportunist ‚weiß‘ auch, dass nur ein Kompromiss möglich ist, dass nie ein revolutionäres Programm erarbeitet werden kann. Aber er zieht den umgekehrten Schluss. Ihm ist die Zahl heilig (oder jedenfalls die Hoffnung darauf). Für ihn ist jede Sekte ‚Beweis‘ der Nutzlosigkeit – nicht nur des Sektierertums, sondern des Programms und der Prinzipien, die in den Händen des Sektierers allerdings zum Fetisch werden.“ (5)

Es ist kein Zufall, dass sowohl die Sektierer wie die Opportunisten an allen Wende- und Krisenpunkten der NaO immer wieder der GAM den Vorwurf machten, sich überhaupt mit anderen Strömungen in der NaO abzugeben (statt „für sich“ zu bleiben) oder aber zu wenig „kompromissbereit“ zu sein, also keine programmatischen, inhaltlichen Zugeständnisse zu machen.

In allen Debatten verdeutlichten wir unsere Position, dass alle Entwicklungsschritte, Organisationen und Strukturen auf dem Weg zu einer revolutionären ArbeiterInneninternationale für uns taktische Zwischenschritte sind. Taktische Zwischenschritte, deren politischer Wert sich daran zu messen hat, ob und wie sehr sie diesem eigentlichen politischen Ziel näher kommen. Daher war für uns der NaO-Prozess auch kein Ziel an sich, sondern nur ein Mittel auf diesem Weg, zu diesem Zweck. Ein Mittel, das nun an seine Grenzen gestoßen ist und begonnen hat zu faulen. Weshalb und wieso, werden wir im letzten Teil dieses Zeitstrahls verdeutlichen.

Jedoch muss ebenfalls klar gesagt werden, dass wir es immer ablehnten, die revolutionäre Organisation in der Form eines Ultimatums zu präsentieren. Uns ist bewusst, dass es dazu eines längeren Diskussionsprozesses bedarf – eines Diskussionsprozesses, der unter Strömungen und GenossInnen geführt wird, der langjährige wichtige politische Differenzen betrifft, die bislang einer Vereinigung der verschiedenen Gruppierungen entgegenstanden. Zu diesem Zeitpunkt und auch darüber hinaus war diese Möglichkeit gegeben.

2013 – ein verlorenes Jahr

Auf der Sommerdebatte 2012 war verabredet worden, dass rasch ein Manifest des NaO-Prozesses (noch kein Programm) verfasst und beschlossen werden sollte, das die vorläufigen Grundlagen des Diskussionsprozesses wie die Ziele und weiteren Aufgaben der NaO als Aufbauprojekt öffentlich darlegen sollte. Doch dieser Prozess zog sich hin einerseits wegen politischer Divergenzen der Entwürfe, die von GAM, RSB und SIB kamen, zum andern aber auch, weil ein Teil der Gruppen auf die politische Bremse trat.

Das Jahr 2013 war leider keines der nach außen gerichteten Arbeit bei gleichzeitiger politischer Annäherung. Mitgliedsorganisationen oder aktive BeobachterInnen waren in diesem Zeitraum die SIB, isl, RSB, SoKo, RIR, REVOLUTION (ab Januar 2013 BeobachterIn, mit Verabschiedung des NaO-Manifests Mitgliederorganisation), InterKomm, MI, Paeris, IBT und ArbeiterInnenmacht.

Etliche der Kleinstgruppen (insb. IBT, InterKom, Paeris, aber auch Einzelpersonen um DGS in der SIB) verband dabei hauptsächlich eines: die Vorstellung, dass zuerst alle Streitpunkte zwischen den unterschiedlichen Organisationen beseitigt werden müssen, bis es zu gemeinsamen Interventionen nach außen kommen könnte. Dieser Prozess beschränkte sich weitgehend auf endlose Debatten über die oben erwähnten „5 unverhandelbaren Punkte“ und etwaige Ergänzungen im NaO-Diskussionsblog, oftmals Essentials genannt. Dies nahm dem Prozess stark die äußere Dynamik, da es sich hierbei vielmehr um einen Debattierclub handelte, der sich erst als „fertiges revolutionäres Projekt“ nach außen wagen konnte. Hierbei muss angemerkt werden, dass die MI sich stetig für die Notwendigkeit der Aktionseinheit aussprach, jedoch keine eigene Dynamik entwickelte dies umzusetzen und die IBT stetig die schiere Unmöglichkeit betonte, eine gemeinsame Programmatik zu entwickeln.

Außerdem lehnten diese Gruppen eine individuelle Mitgliedschaft innerhalb der NaO ab, was die Gewinnung kämpfender ArbeiterInnen und Jugendlicher, ja generell von Einzelpersonen schier unmöglich gemacht hätte. Dieser Prozess war jedoch ein notwendiger Schritt, um die Mehrheit der SIB-GenossInnen, sowie SoKo, RSB und isl, wenn leider auch nur zeitweise, von einer gemeinsamen nach außen gerichteten Kampagnenfähigkeit zu überzeugen. Zeitgleich nahm diese fehlende Interventionsfähigkeit auch die weiterreichende Ausstrahlungskraft des „Na endlich“-Papiers und bot somit schwankenden und zaudernden Elementen die Möglichkeit, die grundlegende Notwendigkeit der Umgruppierung oder die Fähigkeit der NaO, dieses zu erfüllen, in Frage zu stellen.

Dabei zeigten propagandistische Erfolge wie z. B. eine Veranstaltung mit Besancenot und anderen, die von 300 Menschen im Berliner IG Metall-Haus besucht wurde, dass es ein echtes Potential für die Gewinnung von Interessierten gab, was jedoch im Inneren der NaO blockiert wurde.

So kam es im zweiten Teil des Jahres 2013 zum Bruch mit Gruppen wie InterKomm, Paeris, IBT, MI (wenn auch bei letzterer eher aufgrund des kommentarlosen Fernbleibens) und Einzelpersonen bzw. Ex-SIB-Mitgliedern wie DGS und Systemcrash. Wir sehen in dem zu langen Ausharren dieser beiden Flügel innerhalb des NaO-Prozesses eine zentrale Ursache für die danach geschwächte NaO als Ganzes. Wir ziehen hieraus die Lehre in Zukunft, unfruchtbare Diskussionsprozesse mit linksradikalen Sekten rechtzeitig zu beenden zugunsten der politischen und praktischen Weiterentwicklung der kämpfenden und dynamischeren Elemente in solchen Umgruppierungsprojekten.

Ebenfalls in der zweiten Hälfte von 2013 wurde das NaO-Manifest von den verbliebenen Gruppen diskutiert und im Dezember 2013 kurz nach der NaO-Winterdebatte veröffentlicht. Klar formuliertes Ziel war es jedoch immer, dieses auszuarbeiten und ein konkretes Aktionsprogramm für Deutschland zu erstellen. Im selben Zeitraum begannen wir mit regelmäßigen Treffen zwischen den NaO-Mitgliedsorganisationen in Berlin, wo Mitte Februar 2014 die erste und schlagkräftigste NaO-Ortsgruppe gegründet wurde, die über 60 Mitglieder hatte. Weitere folgten in Bremen, Kassel, Köln, Potsdam und Stuttgart, mit Ansätzen in Frankfurt/Main, Hamburg und München.

Das Manifest der Neuen antikapitalistischen Organisation

Das Manifest stellte einen wichtigen Schritt für die NaO dar. Es war kollektives Ergebnis einer Arbeitsgruppe aus Delegierten von SIB, isl, RSB, GAM und REVOLUTION.

„Dieses Manifest stellt die Grundlage für das Handeln der NaO, die Basis für unseren Aufbau dar. Es ist jedoch noch weit davon entfernt, ein Programm einer revolutionären Organisation darzustellen, in der die politischen Differenzen der jeweiligen Strömungen überwunden wären. Die Erfahrungen der anti-kapitalistischen Organisationen in anderen Ländern haben gezeigt, dass Differenzen nicht totgeschwiegen oder hinter Formelkompromissen versteckt werden dürfen.“ (6)

„Dieses Manifest ist keine Gründungserklärung für eine bundesweite Neue antikapitalistische Organisation (NaO), sondern ein erster Schritt zu einer späteren Organisation.“ (7)

Vielmehr diente das Manifest einer gemeinsamen Gesellschaftsanalyse auf Basis derer programmatische Schlussfolgerungen, aber auch trennende Punkte erkannt werden konnten. Auf Basis dieses Diskussionsstandes forderte die NaO programmatisch dazu auf sich ihr anzuschließen. Dies geschah in 11 Kapiteln mit den Überschriften: Die Krise heißt Kapitalismus, Klassengesellschaft Deutschland, Die Zerstörung der Lebensgrundlage durch die kapitalistische Marktlogik, So einfach und so schwer zu machen!, Welche Demokratie?, Der Kampf für Frauenbefreiung (in zwei unterschiedlichen Versionen von SIB und GAM), Jugendunterdrückung im Kapitalismus, Für ein Europa von unten – für einen neuen Internationalismus, Gemeinsam kämpfen, Warum und welche Organisation. Im Folgenden möchten wir die äußerst gewinnbringenden Ergebnisse des Manifests der NaO kurz darstellen.

Das Manifest beginnt mit der grundlegenden Übereinstimmung, dass es sich bei der kapitalistischen Krise von 2007/08 nicht um eine zyklische Überproduktionskrise, sondern um eine „andauernde strukturelle Verwertungskrise des Kapitals“ (8) handle, diese Krise ist eine „Krise der planlosen, unsinnigen und schädlichen Überproduktion und Überakkumulation“ (9). Diese Krise zwingt uns in eine „neue Ära im Kampf um die Neuaufteilung der Welt“ (10). Um diesem Kampf der systematischen reaktionären Zerstörung der Lebensgrundlagen vor allem der ArbeiterInnen, aber auch der Menschheit als Ganzes, etwas entgegenzustellen, bedarf es einer Organisierung des revolutionären Subjekts. „Für eine antikapitalistische, revolutionäre Organisation ist der Bezug auf die lohnabhängige Bevölkerung und die politische Verankerung in ihr zentral“ (11). Somit brauchen wir einen „radikalen Bruch mit dem kapitalistischen System auf Weltebene“ (12). Jedoch war den NaO-Gruppen ebenfalls klar, dass „die organisierten und aktiven Teile der Klasse […] von reformistischen Vorstellungen geprägt (sind). Wir sind uns daher bewusst, dass die Klasse der Lohnabhängigen mit ihrem heutigen Bewusstseinsstand noch weit davon entfernt ist, ihre eigenen Möglichkeiten zu erkennen“ (13). Um dieses Bewusstsein aufzubrechen, bedarf es der „größtmöglichen Einheit in der Aktion“, also der Einheitsfront, die ihren „Gebrauchswert“ „nicht in erster Linie durch Entlarvung in der Aktion“, sondern vor allem in den „aktuellen Kämpfen für konkrete Verbesserungen im Hier und Jetzt“ erweist (ebd., S. 25).  Doch in den heutigen Kämpfen werden die Notwendigkeit und Mittel des Kampfes der ArbeiterInnenklasse immer deutlicher. Schon in der „Abwehr von Angriffen auf (den) Lebensstandard und (die) demokratische(n) Rechte oder der Kampf um Reformen (erfordern) Mittel wie Generalstreik oder Aufstand. So zeigt sich die dringliche Notwendigkeit eines auch militanten Selbstschutzes gerade in Griechenland“, denn die bürgerliche Herrschaft wird „durch Massenmobilisierungen und revolutionäre Umwälzung abgeschafft“ (14). Hierbei kämpft die NaO „für ein System der Rätedemokratie“ (15). Dabei kämpft die NaO „gegen eine Mitverwaltung der kapitalistischen Krise“ (16), dies findet seinen deutlichsten Ausdruck im Verhältnis zu der eigenen imperialistischen Bourgeoisie und ihren Projekten, darauf antwortet die NaO mit „der Hauptfeind steht im eigenen Land“ und „die EU ist ein imperialistisches Projekt und nicht zu demokratisieren oder zu reformieren, sondern zu bekämpfen“ (17).

Das Manifest stellte auch klar, welche Fragen kontrovers sind und noch weiter zu diskutieren. Das trifft erstens den Teil zur Frauenunterdrückung.

Teile des RSB und der SIB vertraten hierbei die Position, dass das Patriarchat ein eigenständiges und vom Kapitalismus unabhängiges Herrschaftssystem sei. Somit forderten sie eine Loslösung der Geschlechterfrage von der Klassenfrage und leugneten, dass jedes Unterdrückungsverhältnis den herrschenden Produktionsverhältnissen angepasst wird. Dies gipfelte in zwei unterschiedlichen Positionen zur Frage der Frauenunterdrückung innerhalb der NaO.

Dieser Gegensatz lässt sich in den beiden Grundausrichtungen der Manifestkapitel beschreiben. So schrieben wir als ArbeiterInnenmacht in unserem Positionspapier „Auch wenn der Kapitalismus historisch ältere Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse aufnimmt, so werden diese nicht einfach ‚eingefügt‘ als ein weiteres apartes Verhältnis neben der kapitalistischen Ausbeutung. Vielmehr erhalten sie – und so auch die Frauenunterdrückung – eine spezifische Form.“ (18) Dagegen lag der Schwerpunkt von Teilen der SIB auf der Auflösung der Geschlechterverhältnisse. „Aufgabe revolutionärer Politik ist es, diese bipolaren und stereotypen Zuschreibungen anzugreifen, da sie Unterdrückung und Diskriminierung stützen und Solidarität verhindern.“ (19)

Zum anderen verweist das Manifest selbst darauf, dass es noch kein Programm einer fertigen Organisation ist. Das Manifest der NaO schreibt im letzten Absatz folgendes: „Eine Aufgabe der NaO wird sein, an der Diskussion und Überwindung dieser Differenzen und an der Ausarbeitung eines Aktionsprogramms zu arbeiten“ (20).

Auch wenn das Manifest hier und an anderen Stellen sehr klar ist, was es ist und was nicht, wurde es von verschiedensten Gruppen gern als fertiges Programm betrachtet und charakterisiert. So geht RIO vor, so gehen im Nachgang auch ehemalige GenossInnen der NaO vor, die eine Erklärung auf scharf-links veröffentlicht haben. Beide bezeichnen das Manifest als „zentristisch“, auch wenn das die einen als Kritik, die andern als Lob versehen mögen. Alle diese KritikerInnen verzichten jedoch darauf, inhaltlich konkret zu zeigen, was zentristisch am Manifest wäre.

Oder ist allein die Tatsache, dass die GAM im Zuge eines Umgruppierungsprozesses ein gemeinsames Manifest mit ZentristInnen veröffentlicht hat, das als Schritt zur Schaffung einer politisch vereinheitlichten, schlagkräftigeren Organisation dienen soll, schon zentristisch? Wenn das so wäre, dann wären auch die Gründungserklärung des „Block der Vier“ oder die Inauguraladresse der Ersten Internationale „zentristische“ Dokumente gewesen.

Letztlich würde eine solche Herangehensweise jede Blockbildung, jede Blocktaktik verunmöglichen oder jedenfalls die Veröffentlichung aller programmatischen Erklärungen unterhalb der Veröffentlichung eines vollständigen Programms. Allenfalls könnte sie auf rein interne Diskussion beschränkt bleiben. Damit würde sie aber gerade ihrer Anziehungskraft für andere beraubt werden, aber auch des Aspekts der gemeinsamen Diskussion und Aktivität der Mitglieder der verschiedenen Gruppen.

Die NaO hatte aber richtigerweise den Schritt vollzogen, nicht nur ein Manifest zu erarbeiten, sondern in Berlin auch eine NaO-Gruppe mit individueller Mitgliedschaft und politischer Praxis nach außen zu etablieren. Es ist kein Zufall, dass von dieser der größte Teil der „NaO-Dynamik“ im Jahr 2014 und auch 2015 ausging. Sicherlich kam dem zugute, dass in Berlin GAM, SIB und REVOLUTION aktiv waren und damit eine Basis für Aktivismus vorhanden war. Vor allem wollten die drei Gruppen wie auch die meisten, die später dazukamen, bei allen Unterschieden, etwas erreichen. In anderen Städten war die Dynamik immer geringer, teilweise wegen der geringeren Zahl, teilweise weil nur eine Gruppe aus der NaO vorhanden war, vor allem aber auch, weil RSB und v. a. isl ihre Verpflichtungen zum Aufbau überhaupt nicht ernst nahmen (21).

Nach der Gründung einer arbeitsfähigen NaO

Ab Mai 2014 begann das NaO-Berlin zu wachsen. Dies aus zwei Quellen: 1) AktivistInnen aus linken Gruppen/Zusammenhängen (ARAB, Einzelpersonen von Podemos Berlin, Ex-Linkspartei, Ex-SAV im Umfeld); 2) Linke, die lange nicht oder nur individuell aktiv waren, jedoch erfahrene Kader, vor allem aus ehemaligen trotzkistischen Organisationen, verkörperten. Auch ein Scheinriese kam mit der Gründung der NaO und der Verabschiedung des Manifests hinzu, die SYKP (Partei der sozialistischen Neugründung, später eine türkische Mitgliederorganisation der HDP).

Diese beteiligte sich über circa ein halbes Jahr mehr oder minder aktiv, bis sie auf Berliner Ebene innerlich zerbrach und ihre aktiven Teile weitgehend in die HDP übergingen, eine Zusammenarbeit, die uns in vielen Situationen schlagkräftige, wenn auch unstete PartnerInnen im Kampf bot. Doch vor allem war die NaO von diesem Moment an gezwungen, die Phase der Reißbrettdebatten zu beenden und sich den unmittelbar aufkommenden Fragen des Klassenkampfes zu stellen, was bereits wenige Wochen nach der Gründung geschah.

Auch wenn die NaO nie das im Manifest gegebene Versprechen eingelöst hat, ein Aktionsprogramm zu erarbeiten, so hat sie zu wichtigen Fragen des Klassenkampfes programmatische Positionen entwickelt und in einigen Bereichen wichtige Interventionen geleistet. Es waren zugleich diese Interventionen, vor allem aber die programmatischen Differenzen, die letztlich zum Bruch der NaO geführt haben.

Ukraine – die erste Erprobung der NaO in der Praxis

In der Ukraine fanden sich die Mitgliedsorganisationen sinnbildlich auf zwei unterschiedlichen Barrikaden wieder. So vertraten die isl und später auch der RSB mit der Mehrheit der Vierten Internationale eine sozial-pazifistische Position und fetischisierten die Maidan-Bewegung. So wurde der reaktionäre, pro-westliche Putsch als Erfolg der Massenbewegung hingestellt, der Einfluss von Faschisten und des Imperialismus wie auch die Errichtung einer Koalition aus bürgerlichen, neo-liberalen und faschistischen Kräften verharmlost.

ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION sowie die Mehrheit der NaO Berlin lehnten die westlich befeuerte Machtübernahme von Poroschenko und Co. ab. Wir solidarisierten uns mit dem berechtigten Widerstand der ArbeiterInnen und russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine und kritisierten zugleich den Einfluss des und Illusionen in den russischen Imperialismus.

Unter dem Titel „Solidarität mit den ArbeiterInnen und Linken in der Ukraine!“ (22) veröffentlichte die Berliner NaO eine ausführliche Stellungnahme zur Ukraine. Diese hatte einen revolutionären Gehalt und gehört zu den besten Texten, die die deutsche Linke zur dieser Frage publiziert hat. Kurz darauf wurde ein gemeinsames Flugblatt von NaO Berlin und ARAB herausgeben, die sich im Sommer 2014 der NaO anschloss.

Die NaO Berlin hob deutlich die Aufgabe hervor, sich gegen den deutschen Imperialismus zu positionieren: „Für die Linke in Deutschland gilt es, v. a. gegen die Ukraine-Politik der eigenen Regierung Stellung zu beziehen, Aufklärung zu betreiben und zu mobilisieren. Das heißt zuerst, eine Reihe von Lügen zu zerstören wie jene, dass die Faschisten nur ein ‘Nebenfaktor’ der Bewegung wären. Es bedeutet vielmehr die Zusammenarbeit von Regierung, zweifelhaften ‘Demokraten’ und Faschisten – bis hin zum Shake-Hand des Sozialdemokraten Steinmeier mit den Faschos vom Maidan – zu brandmarken.“ (23)

Es blieb nicht nur bei Positionierungen. In Deutschland wurde dieser Kampf mit gemeinsamen Mobilisierungen gegen den Krieg in der Ukraine und das Massaker von Odessa sowie einer bundesweiten Veranstaltungsreihe mit Borotba unterstützt.

Diese Politik stieß jedoch auf den heftigen und hinhaltenden Widerstand eines sich formierenden rechten Flügel der NaO um die isl. Diese Differenz sollte nur ein Startschuss für zunehmende Gegensätze zu zentralen Fragen des Klassenkampfes zwischen den innerhalb der NaO vertretenen Organisationen sein. Die Entwicklungen in der Ukraine sind dabei als eine qualitative Weiterentwicklung des imperialistischen Kampfes um die Neuaufteilung der Welt im Zuge der historischen Krise des Kapitalismus zu betrachten. Daher hatte diese Differenz eine grundlegende Bedeutung.

Von den Konvergenzen zu einer NaO der zwei Geschwindigkeiten

Auf diese Polarisierung antwortete die Minderheit der NaO, v. a. die isl, nicht mit einer politischen Auseinandersetzung, sondern vor allem mit sinkender Aktivität. Denn bis zu diesem Zeitpunkt existierte von Seiten der isl das Angebot, die programmatische Diskussion anhand von von beiden Seiten vorgeschlagenen Texten zu führen, ein Angebot freilich, das nach dieser Auseinandersetzung leider nie erneuert wurde.

Der Charakter der Ukraine-Debatte war nicht stark geprägt von einem Ringen um Mehrheiten innerhalb der NaO oder eines nach außen gerichteten Kampfes des Minderheitsflügels, sondern stellte vielmehr einen Ausgangspunkt für die Blockade des bundesweiten Aufbaus dar. In dieser Situation gingen wir jedoch noch davon aus, dass die unterschiedlichen ideologischen Strömungen einen konsequenten Kampf um die Ausrichtung innerhalb des Umgruppierungsprojektes ausfechten würden. Doch statt klarer Positionierungen seitens isl und RSB und aktiver Auseinandersetzung erlebten ein Ausharren und Abwarten als Methode. Ab diesem Moment hätten wir noch entschiedener eigenständiger in die NaO hinein solche Positionierungen aktiv einfordern und einbringen sollen. Dies hätte zwar sicher nicht die Dynamik von isl/RSB gesteigert, wohl aber dazu geführt, dass die NaO schneller und klarer mit Positionen an die Öffentlichkeit getreten wäre.

Es war nämlich zunehmend klar, dass die NaO nur eine Zukunft haben würde, wenn sie andere Kräfte anzog und sich nicht an die zögerlichsten und langsamsten Teile bindet. Im Zuge dieser Auseinandersetzung und der daraus folgenden Passivität seitens isl und RSB wurde viel mehr deutlicher, dass wir es hierbei mit einer NaO der zwei Geschwindigkeiten zu tun hatten. Uns war schon damals klar, dass ein konsequenter Aufbau der NaO eine zeitgleiche Zuspitzung vor allem mit der isl bedeuten würde. Die isl selbst beruht im Inneren auf  Unverbindlichkeit, so dass verschiedene Mitglieder gleichzeitig ihre unterschiedliche Politik verfolgen können – einschließlich entgegengesetzter Positionen. Der innere Spagat der isl wird vor allem in der Linkspartei deutlich. Ein Teil, womöglich die Mehrheit, wollte nie die NaO aufbauen, sondern setzte auf die Arbeit in der Antikapitalistischen Linken (AKL). Für diesen Teil war die NaO immer nur ein linksradikaler Störfaktor. Der innere Zusammenhalt („Spagat“) der isl konnte letztlich jedoch dadurch aufrechterhalten werden, dass isl-Beschlüsse für ihre Mitglieder und die Gesamtorganisation letztlich keine Verbindlichkeit haben.

Auf die Verringerung der Aktivität seitens der isl folgte auch der erschwerte bundesweite Aufbau der NaO, weshalb ein Löwenanteil der Bilanz auf den Reaktionen der unterschiedlichen NaO-Mitgliedsorganisationen auf die Aktivitäten in Berlin beruht. Auch der RSB war immer weniger an diesem Prozess beteiligt, was an politischen Differenzen, an seinen inneren politischen Konflikten, Zerfallserscheinungen sowie der Fokussierung auf der Fusions-Diskussion mit der isl lag.

Opportunismus und die Einstaatenlösung in Palästina

Im Sommer 2014 beteiligte sich die NaO an den Mobilisierungen gegen die Bodenoffensive des israelischen Apartheidregimes in Palästina. Das warf aber auch mit Teilen der Ex-SIB-GenossInnen die Debatte um die Ein- oder Zwei-Staatenlösung auf, eine Diskussion, die auf den Internationalismustagen 2014 öffentlich geführt wurde.

Wir argumentieren, dass die Abhängigkeit, Unterordnung und massive Enteignung der PalästinenserInnen im Rahmen einer Zweistaatenlösung nicht beseitigt werden kann. Damit bleibt die nationale Unterdrückung und somit auch ihr ideologischer Einfluss auf die israelischen sowie palästinensischen ArbeiterInnen bestehen. Die Durchsetzung der demokratischen Rechte der palästinensischen Massen ist letztlich unmöglich, ohne die rassistischen Grundlagen des zionistischen Staates anzugreifen – und das heißt für einen gemeinsamen Staat Palästina zu kämpfen und das zionistische Apartheidregime zu zerschlagen.

Einige MitdiskutantInnen teilten die Position, wollten sie jedoch nicht in Beschlussform bringen, um die Minderheitsflügel zu integrieren. Auch wenn die NaO-Position klar Partei ergriff gegen die zionistische Unterdrückung und Besatzung und aktiv an der Nakba-Demonstration 2015 teilnahm, so zeigte sich in der Frage des Apartheidstaates Israel eine politische Schwäche bei Teilen der NaO, die die politische Zusammenarbeit mit und Gewinnung von antiimperialistischen migrantischen Gruppen erschwerte. Nach dem Ende der NaO konnten wir diese Kooperation zumindest in Berlin weiter ausbauen. Auf der anderen Seite zeigt dies auch den lokalen Fokus der NaO auf Berlin auf. In Stuttgart, wo die NaO die dortige GAM-Ortsgruppe sowie das Palästina-Solidaritätskomitee umfasste, stand der Kampf für einen einheitlichen Staat nie in Frage.

Waffen für Rojava

Die Offensive des sogenannten Islamischen Staates gegen die fortschrittlichen Kräfte in Rojava in West-Kurdistan unter der Führung der PYD, der syrisch-kurdischen Schwesterorganisation der PKK, drohte zur Vertreibung und Vernichtung der Bevölkerung in Kobanê und anderen kurdischen Siedlungsgebieten zu führen. Auf diese Situation antworteten wir mit dem wahrscheinlich erfolgreichsten Kampagnenprojekt der NaO – die Kampagne „Waffen für PYD/YPG/YPJ! Solidarität mit Rojava!“.

Hiermit konnten wir bundesweit als Mitgliedsorganisationen an Bekanntheit gewinnen, haben auf unserer zentralen Veranstaltung in Berlin über 350 TeilnehmerInnen gehabt, die teilweise vor der Tür stehen mussten und durch die Fenster die Veranstaltung begleiteten. Auch in Kassel konnten wir darüber gemeinsame Solidaritätsaktionen mit dem kurdischen Studierendenverband YXK durchführen. In Dresden, wo sich vor kurzem eine REVOLUTION-Ortsgruppe gründete, hat ebenfalls diese Kampagne die Zusammenarbeit mit Ciwanên Azad beflügelt. Auch konnten wir andere Organisationen, wie die Frankfurter Gruppe Perspektive Kurdistan sowie die Anti-kapitalistische nicht-weiße Gruppe (ANG) aus Berlin für die Kampagne gewinnen.

Ende Januar 2016 betrug die Summe des an die Verteidigungskräfte in Rojava übergebenen Geldes 113.590 Euro. Im Zuge dieser Kampagne konnten wir ebenfalls mit der Losung nach Aufhebung des Verbots der PKK intervenieren und unsere Perspektive bezüglich des kurdischen Befreiungskampfes weit über unseren regulären LeserInnenkreis hinaustragen. Leider ist diese Kampagne nicht repressionsfrei an uns vorbeigezogen, so sind mittlerweile 8 Konten gesperrt worden.

Jedoch spitzte die Kampagne ebenfalls den Konflikt mit der ARAB zu, welche die Kritik an der kurdischen Bewegung für interne Debatten aufsparen wollte. Ursprung dessen ist die Nachtrabpolitik, die der Entwicklung des Bewusstseins der kurdischen Bevölkerung und ihrem organisatorischen Ausdruck den Rahmen der Kritik vorgeben lässt, also ein opportunistischer Kurs aus Sorge um die möglichen BündnispartnerInnen. Die Aufgabe von RevolutionärInnen ist es demzufolge nicht, revolutionäres Bewusstsein in die Klassenkämpfe zu tragen und eine Perspektive hin zur Beendigung der kolonialen Unterdrückung der KurdInnen durch den Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei aufzuzeigen, sondern allenfalls als wohlmeinende BeraterInnen der Unterdrückten zu fungieren.

Auch hier blieben isl und RSB weitgehend still. Teilweise unterstützten isl-GenossInnen sogar die Kampagne der Interventionistischen Linken, um sich öffentlich nicht zur Forderung nach Waffen äußern zu müssen.

Internationalismustage als Podium

Zu Lebzeiten der NaO wurden zweimal die Internationalismustage veranstaltet. Im Oktober 2014 und im Februar 2016 fanden sie mit 150 und 120 TeilnehmerInnen, unterschiedlichen Workshops und Podien statt. Die Zielsetzung der Veranstaltung war hierbei die Fortsetzung der inneren Debatten der NaO auf einer öffentlichen Basis und Ansprechen neuer Gruppierungen sowie InteressentInnen.

So konnten wir auf den ersten Internationalismustagen beispielsweise die Debatte zur Frage der Ein- oder Zweistaatenlösung in Bezug auf den Konflikt in Palästina fortführen und eine umfassende Debatte über die Frage der Schulden in Griechenland führen, über die wir in engeren Kontakt mit den GenossInnen von Antarsya Berlin treten konnten – ein Kontakt, der weiterhin anhält. Für uns ein voller Erfolg, da wir hierbei unsere Positionen vor einem Publikum verbreiten konnten, das über unsere regulären Mobilisierungen hinausging.

Erster Mai und die Entwicklung der autonomen Linken in Berlin

Die Perspektivlosigkeit und weitreichende innere Zersetzung der subjektiv-revolutionären Linken drückt sich natürlich stark in den einzelnen Gruppen und ihrer Dynamik aus. Die innere Krise der radikalen Linken zeigt sich stark in Bezug auf ihre traditionellen Events. So ist der revolutionäre Erste Mai in Berlin eine der größten, aber auch heterogensten anti-kapitalistischen Mobilisierungen, in denen sich die teilnehmenden Gruppen nur selten auf gemeinsame Schwerpunkte einigen können. Der Erste Mai ist eine Heerschau innerhalb der radikalen Linken.

Mit der NaO konnten wir in genau diese Zersetzung ideal intervenieren. Dies geschah auf zwei Ebenen – politisch und personell. Politisch konnten wir dem revolutionären Ersten Mai, im Bewusstsein vieler autonomer Kräfte eine Kiezdemo, die auf die isoliert betrachteten regionalen Probleme reagiert, zurück zu einem internationalistischen Anspruch verhelfen, der sich nach außen mit den sozialen Kämpfen im Zuge der Krise solidarisierte. Hierbei war der organisatorische Schulterschluss mit der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB) ein äußerst gewinnbringender Faktor, aufgrund der relativ guten Verankerung in Teilen der Berliner autonomen Linken.

Ergebnis der Intervention der NaO in den Ersten Mai war es, dass wir 2013 den ersten Block der Demonstration und 2014 und 2015 den jeweils zweiten Block stellten. Dabei konnten wir einen Einfluss auf die politische Ausrichtung des Ersten Mai nehmen, in dem die NaO eine führende politische Rolle spielte.  Wir organisierten teilweise Blöcke mit mehreren hundert TeilnehmerInnen in den organisierten Reihen und über 6000, die sich dem lautstarken Block anschlossen.

Insgesamt wuchs der Erste Mai in diesem Zeitraum von seiner TeilnehmerInnenzahl her massiv an, wobei seine politische Ausrichtung sicher auch ein Faktor für diesen Erfolg war. Im Jahr 2013 fand der erste revolutionäre Erste Mai seit längerer Zeit statt, der seine angestrebte Endkundgebung auch erreichen konnte. Die Rolle, die wir als NaO, ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION dabei einnehmen konnten, zwang die unterschiedlichen Kräfte in der radikalen Linken dazu, sich uns gegenüber zu verhalten; ob 2013 auf Hetzplakaten von AnarchistInnen, die den Charakter des revolutionären Ersten Mai als Mittel der Propaganda der Tat gefährdet sahen, oder durch Polarisierung zwischen autonom geprägter und internationalistischer Ausrichtung, wobei wir diese Auseinandersetzung punktuell für uns gewinnen konnten. Ebenfalls konnten wir weitere Kräfte wie die HDP, ANG, MLPD, DESTAN, Antarsya und weitere für den sich stetiger etablierenden Block auf der Demonstration gewinnen.

Griechenland und die Kapitulation von Syriza

Im Juni 2015 fand die letzte bundesweite Delegiertenkonferenz statt. Hier vertrat die NaO-Minderheit um isl und RSB die Position, in der Griechenlandfrage jedwede öffentliche, marxistische Kritik an der Syriza-ANEL-Volksfrontregierung zu unterlassen. Vielmehr sollten sich Linke auf „reine Solidarität“ beschränken. Einige bezeichneten diese Regierung gar als „alternativlos“.

Anhang der „Griechenland“-Frage spitzten sich die Gegensätze in der NaO entscheidend zu. Da es sich hier um eine zentrale Frage des Klassenkampfes in Europa handelte, war es auch nicht möglich, irgendwelche „halben“ Lösungen zu finden.

Die Berliner NaO hatte schon von Beginn an eine Politik vertreten, Syriza und die griechische Regierung gegen Angriffe des Imperialismus und der griechischen Bourgeoisie zu verteidigen, ohne jedoch politische Unterstützung zu geben. Die Koalitionsbildung mit der ANEL wurde offen kritisiert und, ganz auf der Linie des NaO-Manifests, ein Bruch mit den Rechten gefordert:

„Wo, wie in Griechenland, in einer zugespitzten Klassenkampfsituation die Bildung einer Linksregierung möglich werden kann, fordern wir von diesen die Bildung einer Regierung ohne bürgerliche Parteien und Maßnahmen, die einen wirklichen Bruch mit dem System einleiten. Eine solche Regierung würden wir gegen jeden reaktionären Umsturzversuch verteidigen – ohne unsere Kritik an ihren Fehlern zu verheimlichen.“ (24)

Am Beispiel Griechenlands konnten wir auf Berliner Ebene unsere Diskussion über das Verständnis der Einheitsfrontmethode verbessern, die nicht nur Grundlage für die unmittelbare Verbesserung des Lebensstandards der ArbeiterInnen und Armen ist, sondern auch ein Mittel im Kampf um die Führung der Klasse. So schrieben wir im NaO-Berlin-Flugblatt vom Februar 2015 folgendes:

„Reformvorhaben wie der Mindestlohn, Besteuerung der Reichen, Entlastung der Armen und der Stopp der Privatisierungen sind begrüßenswert. Tsipras und die neue griechische Regierung versuchen dabei, die Gegensätze unter den herrschenden Klassen in der EU zur Durchsetzung eines keynesianischen Wirtschaftsprogramms auszunutzen, das sowohl die griechische Wirtschaft ankurbeln, die soziale Lage der Bevölkerung verbessern und längerfristig die Bedienung eines Teils der Staatsschulden sichern soll.

Aber diese Politik der Regierung wird sowohl im Inneren als auch im Verhältnis zur EU schnell an Grenzen stoßen. Eine neue Etappe des Klassenkampfs ist eröffnet und die Fragen der Macht rücken in den Vordergrund. Regierungsgewalt und tatsächliche Macht sind zwei gänzlich verschiedene Dinge. Ein Zusammenstoß ist unvermeidbar.

Wir wollen mit allen Kräften der anti-kapitalistischen und revolutionären Linken – ob nun in oder außerhalb von Syriza – möglichst eng politisch zusammenarbeiten, die diese Perspektive teilen. Dies schließt ein, Syriza gegen die herrschende Klasse in Griechenland und die Troika zu verteidigen und mit der griechischen und europäischen Linken einen offenen Dialog über die Aufgaben der internationalen Solidarität und den Aufbau einer revolutionären, anti-kapitalistischen Kraft in Europa zu diskutieren. Der Wahlsieg Syrizas hat uns weder besoffen gemacht, noch stehen wir abseits, wenn es um die Verteidigung dieser Regierung gegen die reaktionären Kräfte in Europa und den deutschen Imperialismus geht.“ (25)

Gleichzeitig kam hierbei vermehrt die Frage auf, inwiefern wir als kleiner Kreis von Gruppen und AktivistInnen mit einem solch kleinen Einflussspielraum nach außen intervenieren können. Dazu schrieben wir im selben Flugblatt „Im Zentrum internationaler Solidarität sollte die Frage der ersatzlosen Schuldenstreichung stehen.“ (ebd.) Dies taten wir im vollen Wissen, selbst nicht in der Lage zu sein, solche Kampagnen anstoßen zu können. Wir warfen die Forderung jedoch trotzdem in unserer Propaganda auf, um unsere Vorschläge für den europäischen Klassenkampf darzulegen.

Zur Frage der Koalition von Syriza mit ANEL äußerte sich die Berliner NaO wie folgt: „Jedes Herunterspielen der Bedeutung dieser Koalitionsbildung wäre für die Massen und für die anti-kapitalistische und revolutionäre Linke fatal. (…)

Syriza hatte durchaus eine Alternative: Eine Minderheitsregierung bilden und die KKE massiv unter Druck setzen, sie gegen die bürgerlichen Parteien zu unterstützen! (…)

Stattdessen treten wir für eine Syriza-Minderheitsregierung oder eine Koalition mit der KKE ein, die sich auf die Mobilisierung der Massen stützt. In den letzten Jahren ist die Bewegung auf der Straße und in den Betrieben stark zurückgegangen. (…)

Wir fordern daher den Bruch mit ANEL und den Rauswurf des Verteidigungsministers aus der Regierung.“ (26)

Die Position der NaO-Berlin wurde bundesweit angenommen. Die weitere Entwicklung hat deutlich bestätigt, wie richtig die Warnung vor einem möglichen Verrat der Syriza-geführten Regierung war. Die Koalition mit ANEL brachte für alle deutlich die Bereitschaft von Tsipras und Co. zum Ausdruck, ihre Politik an die Zustimmung von bürgerlichen Kräften, in diesem Fall einer rechten, extrem nationalistischen Partei, zu binden. Es ist bemerkenswert, dass auch heute, wo sich die Richtigkeit der Position erwiesen hat, die AnhängerInnen der damaligen Minderheit weiter an ihrem Fehler festhalten.

Die Tatsache, dass die NaO mehrheitlich im Juni 2015 für die Positionen der NaO-Berlin stimmte, hat die politische Ehre der NaO gerettet. Sie hat aber auch die Unüberbrückbarkeit der Differenzen vor Augen geführt und das Ende des Prozesses praktisch besiegelt (27).

Das Ende der NaO

Eigentlich hatte sich die NaO schon im Sommer, spätestens im Herbst 2015, überlebt. Es wurde zwar mit der Vorbereitung und Mobilisierung zu den Internationalismustagen 2016 noch ein letzter Versuch gestartet, die NaO wieder auf die Beine zu bringen, aber dieser war letztlich zum Scheitern verurteilt und führte schließlich zur Einstellung der NaO.

Die NaO-Berlin veröffentlichte zwar noch eine klare Position zur Flüchtlingskrise, wie es auch in ihren Positionen gegen die zunehmende rassistische Hetze und einem Redebeitrag auf der Berliner Anti-AfD-Demonstration unter dem Motto „Refugees welcome – Pegida, AfD und staatlichem Rassismus entgegen treten!“ zum Ausdruck kam.

Diese Initiativen zeigten zwar, dass die NaO immer noch in der Lage war, Initiativen zu ergreifen, aber sie hat es nicht geschafft, diese weiter zu verfolgen. Hinzu kam, dass Einzelpersonen die weit gezogenen demokratischen Rechte von NaO-Mitgliedern zur Polemik gegen die von der NaO verteidigte Position der offenen Grenzen und zu sozial-chauvinistischen Ergüssen nutzten. Aber das zeigt, dass die NaO politisch am Ende ihres Lebens angekommen war.

Das Herausbilden von Flügeln

In Bezug auf das Anfang Juni 2015 stattgefundene bundesweite Delegiertentreffen bildete sich auf Berliner Ebene und darauffolgend bundesweit eine Fraktion gegen die Mehrheitspolitik von ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION, genannt die lila Wolken und bundesweit NaO-Wolken. Nach einer diffusen Gründungserklärung und einem Treffen in Berlin, wo die größte Gemeinsamkeit die Ablehnung der klaren nach außen gerichteten Positionierung war, welche einer breitestmöglichen NaO im Wege stehe, folgte nichts mehr.

Die NaO-Wolken fußten auf Stagnation in der politischen Entwicklung unter dem Vorwand des Pluralismus. Sie suchten vielmehr den politischen Kompromiss beziehungsweise den Konsens. Somit ist die Umgruppierung nicht mehr Mittel, sondern reiner Selbstzweck. Der rechte Flügel weigerte sich, eine Organisation aufbauen, die exemplarische Politik macht und damit geschlossen in Kämpfe interveniert, um den dort fortschrittlichen Elementen eine revolutionäre Perspektive anzubieten. Die heterogene Anti-GAM-Koalition agierte zwar blockierend, aber sie kämpfte nicht um die Veränderung der Mehrheitsverhältnisse.

Dies stand völlig im Widerspruch zu unserem Verständnis von Fraktionen. Denn Fraktionen bilden sich im Widerspruch zur vorherrschenden Politik innerhalb einer Organisation und haben den Anspruch, sie gemäß ihren Zielen zu verändern. Dafür streben sie die Führung der Organisation an, indem sie anhand der Kritik an der Theorie und Praxis der Mehrheit Perspektiven hin zur angestrebten Ausrichtung aufzeigen. Dafür müssen Treffen zwischen den Mitgliedern dieser Fraktion abgehalten werden, auf denen sich auf einen Kurs verständigt wird. Je nachdem wie groß der Anteil der Fraktion innerhalb einer Organisation ist, sollten ihr dabei Plätze innerhalb der Leitung gewährt werden, um die Debatte zu intensivieren. Dies hängt jedoch davon ab, inwiefern die Differenzen als überwindbar betrachtet werden.

Nichts davon fand jemals statt. Dies war aber auch der letzte Beweis dafür, dass sich die NaO überlebt hatte. Ab diesem Moment war der Bruch unvermeidbar, jedoch galt es, die anderen Kräfte davon zu überzeugen, dass ein kollektives Beenden des Prozesses, eine letzte geschlossene Positionierung notwendig ist, um die Taktik der Umgruppierung nicht noch weiter in den Schmutz zu ziehen.

Differenzen im Aufbau

Insgesamt lässt sich sagen, dass aus den zunehmenden Differenzen innerhalb der Umgruppierung eine konsequent zunehmende Passivität das Ergebnis war. Unsere Organisation hat, wo möglich gemeinsam mit REVOLUTION, beim Aufbau in Potsdam, Berlin, Kassel, Bremen, Stuttgart und München aktiv mitgewirkt und oftmals eine tragende Rolle gespielt. Dies war unsere politische und organisatorische Konsequenz aus der Verabschiedung des Manifests. Große Teile der SIB und Teile der ARAB konnten eine teilweise darauf ausgerichtete Praxis aufweisen.

Jedoch ist die reine Darstellung der Aktivität als Grundlage der Beendigung des NaO immer eine unzureichende Analyse. Während der Phase um die Erstellung des Manifests war die NaO von einer Tendenz zur politischen Annäherung gekennzeichnet, aber mit der Ukraine-Krise traten die Differenzen scharf hervor, einige Teile nährten sich weiter an, andere entfremdeten sich politisch.

Dieser Prozess hatte also am Beginn zwei Aspekte. Die isl und auch der RSB entwickelten sich mehr und mehr nach rechts und/oder leisteten passiven Widerstand. Andererseits machte die NaO in Berlin 2014 noch deutliche Fortschritte, wuchs nach dem Ersten Mai, konnte neue Gruppen und GenossInnen gewinnen.

Eine NaO der zwei Geschwindigkeiten war geboren. In Kombination mit den politischen Differenzen verschärfte die positive, starke Seite der Berliner NaO, nämlich ihre Dynamik, Außenorientierung und die Fähigkeit, in einzelnen Fragen zu einem politischen Faktor zu werden, das Auseinanderdriften der NaO. Auch wenn vieles an der „Dominanz“ und dem „Durchstimmen“ der GAM – letztlich also daran, dass ihre und die Mitglieder von REVOLUTION aktiver waren – festgemacht wurde, so hatte die Tatsache, dass die Berliner NaO von der Öffentlichkeit als die bundesweite NaO wahrgenommen wurde, zur Folge, dass die linkeren Positionen automatisch mehr Außenwirkung hatten. Die Passivität des rechten Flügels führte unwillkürlich auch dazu, dass er nur als Abweichung wahrgenommen wurde (und damit auch andere abschreckte). Der rechte Flügel sah die NaO zunehmend als Gruppe von „Hyperaktiven“, die den passiven RSB und die opportunistische isl in „Geiselhaft“ nahmen.

Auch daraus erklärt, sich warum VertreterInnen beider Gruppen der Berliner NaO immer wieder vorwarfen, eine zu hohes Aufbautempo anzuschlagen.

Daher steckt neben den oben angeführten Punkten vor allem aber eines: eine unterschiedliche strategische Ausrichtung. Letztlich zerfiel die NaO in zwei Lager.

a) Der zentristische Flügel

Dieser verfolgte letztlich das Ziel, dass die NaO zu einer programmatisch losen Organisation auf einem/r zentristischen Programm/Grundlage werden sollte. Die programmatische Klärung wurde letztlich als Hindernis auf diesem Weg betrachtet, „Pluralismus“ und politisch-ideologische Heterogenität als Ziel. Uns war von Beginn des Prozesses an klar, dass diese Auffassung, die ja auch der Generallinie der Vierten Internationale entspricht, von vielen Gruppen im NaO-Prozess vertreten wurde. Aber wir sehen auch die Bereitschaft, sich auf den Aufbau und die Diskussion um eine programmatisch definierte, neue anti-kapitalistische Organisation ernsthaft einzulassen, als Möglichkeit, diese Organisationen oder jedenfalls Teile davon oder unorganisierte Individuen in der Diskussion und aufgrund der praktischen Erfahrungen des Umgruppierungsprozesses für unsere Position zu gewinnen.

b) Revolutionäre Einheit als Ziel

Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht, dass für uns die Überwindung der politischen Differenzen und die Schaffung einer politisch vereinheitlichten Organisation das Ziel war. Wir leiten das nicht aus einem abstrakten Gebot ab, sondern weil die Erfahrung – und nicht zuletzt auch jene der NaO – lehrt, dass revolutionäre Gruppierungen beständig vor die Notwendigkeit gestellt werden, sich zu grundlegenden Fragen zu positionieren, konkret ihre Strategie, ihre Losungen, ihre Taktik zu bestimmen. Nachdem wir nicht nur eine lokale oder nationale Gruppe aufbauen wollen, schließt das notwendigerweise internationale Fragen ein. Hinzu kommt, dass eine politische Umbruchperiode wie die aktuelle dazu führt, dass sich auch das politische Leben verändert, intensiviert. Nicht wir bestimmen, wozu wir uns verhalten müssen, sondern die Krise der Gesellschaft, was beinhaltet, dass sich rasch Kämpfe verschärfen, Möglichkeiten entstehen wie auch reaktionäre Gefahren.

In einer solchen Lage braucht die revolutionäre Linke einen politischen Kompass, eine Anleitung zum Handeln, ein Programm, das auf einer wissenschaftlich fundierten Einschätzung der Lage beruht und versucht, diese mit den aktuellen Anforderungen zu verbinden.

isl, RSB, ARAB lehnten das entweder ab oder hofften die Frage mit einem „Kompromissprogramm“ zwischen Reform und Revolution, mit einem zentristischen Programm zu lösen. Die Beispiele der Ukraine, Griechenlands und etliche andere zeigen jedoch, dass es einen solchen „Kompromiss“ bei Schlüsselfragen nicht gibt, nicht geben kann. Es muss hier Farbe bekannt werden – ansonsten bleibt eine Gruppierung in der Regel nicht irgendwo „in der Mitte“ stehen, sondern ergreift letztlich Partei für die Gegenseite. Die Politik von isl/RSB führte dazu, dass sie in Griechenland die Politik der Syriza-ANEL-Regierung vor revolutionärer Kritik verteidigten, in der Ukraine den Maidan hofierten und damit die Politik des deutschen Imperialismus beschönigten.

Die NaO hat uns eines deutlicher denn je aufgezeigt: Ein Löwenanteil der deutschen Linken lehnte eine programmatische Diskussion nicht nur ab, sondern begreift sie als Hindernis hin zum politischen Aufbau. Somit wird die Frage des Programms in den Klassenkämpfen weitgehend abgelehnt, ein großes Hemmnis im Kampf um die Führung der Klasse.

Diese Erkenntnis trifft jedoch nicht ausschließlich auf reformistische und (post)autonome Kräfte zu, sondern auch auf jene mit trotzkistischem Anspruch. Diese Gruppen beweihräuchern sich und erklären das Scheitern der NaO anhand von angeblich verfrühten Handlungen, da die Avantgarde der Klasse sich momentan angeblich verstärkt auf die Partei Die Linke beziehe, wie SAV und marx21 argumentieren würden. Andere wie RIO, RSO und SAS bestehen auf ökonomistischen/workeristischen Konzeptionen, die davon ausgehen, dass die „programmatische Einheit“ aus der „gemeinsamen Praxis“ erwachse und nicht aufgrund einer politisch-programmatischen und theoretischen Verallgemeinerung ebendieser Praxis.

Unsere Alternative besteht in der Kombination von taktischer und organisatorischer Flexibilität, Verbindlichkeit bei der Umsetzung von Beschlüssen bei gleichzeitiger Unnachgiebigkeit in programmatischen und prinzipiellen Fragen. An diese Richtschnur haben wir uns in der Arbeit in der NaO gehalten – und wir werden in zukünftigen weiteren Umgruppierungsprozessen mit derselben Methode agieren.

Endnoten

(1) NaO, Erklärung zur Auflösung der neuen antikapitalistischen Organisation, 4. April 2016

(2) www.trend.infopartisan.net/trd0311/t550311.html

(3) nao-prozess.de/gemeinsame-texte/selbstdarstellungs-flugblatt-vom-mai-2012/

(4) Tobi Hansen, Neue Anti-kapitalistische Organisation (NaO): Eine neue Chance, www.arbeitermacht.de/ni/ni173/nao.htm

(5) Martin Suchanek, Umgruppierungsprozesse, Möglichkeiten und Gefahren, www.arbeitermacht.de/ni/ni181/umgruppierungsprozesse.htm

(6) Manifest für eine Neue antikapitalistische Organisation, S. 31

(7) ebd., S. 7

(8) ebd., S. 4

(9) ebd., S. 12

(10) ebd., S. 5

(11) ebd., S. 7

(12) ebd., S. 12

(13) ebd., S. 7

(14) ebd., S. 13

(15) ebd., S. 14

(16) ebd., S. 27

(17) ebd., S. 23

(18) ebd., S. 17

(19) ebd., S. 21

(20) ebd., S. 31

(21) Das bringt auf seine flapsige Art auch Manuel Kellner in seiner „Bilanz“ der Nao zum Ausdruck. Kellner, Manuel: Die Neue antikapitalistische Organisation (NaO) ist aufgelöst – Woran ist sie gescheitert?, http://www.islinke.de/nao_bilanz.htm, 01.06.2016 Er verweist selbst-ironisch, aber letztlich zustimmend auf den „Spagat“ der isl, gleichzeitig an gegensätzlichen Projekten zu werkeln, während er der GAM vorwirft, ihre Figuren auf dem „NaO-Schachbrett“ zu konzentrieren. Eine solch alberne Kritik kann nur von Menschen kommen, die nichts aufbauen wollen. Oder wäre die NaO besser vorangekommen, wenn die GAM das gleiche Maß an Inaktivität und Unverbindlichkeit an den Tag gelegt hätte wie die isl?

(22) www.arbeitermacht.de/infomail/733/stellungnahme.htm

(23) ebd.

(24) Manifest für eine Neue antikapitalistische Organisation, S. 28

(25) NaO-Berlin-Flugblatt, Februar 2015: Troika abgewählt – Solidarität mit der griechischen Bevölkerung! Ersatzlose Streichung der Schulden – keine Zugeständnisse an Merkel/EU!

(26) ebd.

(27) Es ist bemerkenswert, dass sich in der NaO, nicht nur RSB, isl, ARAB gegen eine klare Positionierung wandten, sondern auch der spätere Mitkämpfer der RCIT, der das Vorhaben der GAM und REVOs, ihre Position zur Abstimmung zu bringen, scharf kritisierte, weil das den ohnedies fragilen Prozess gefährden würde. Es gehört offenkundig zur politischen „Bilanz“ solcher pseudo-radikaler Gruppen diese erz-opportunistische eigene Politik tunlichst zu verschweigen.




Die NaO in der Endbetrachtung

Tobi Hansen, Revolutionärer Marxismus 48, August 2016

Zum Ende der NaO (Neue antikapitalistische Organisation) veröffentlichen wir bereits einen längeren Artikel in dieser Ausgabe, welcher den Verlauf, die methodischen und taktischen Unterschiede und die Gründe für das Scheitern der NaO erklärt. Hier wollen wir auf die Statements der ehemaligen GenossenInnen von der isl, dem RSB und der „Strömung Wolken“  (in Berlin: „Lila Wolken“) eingehen.

Wir werden uns hierbei hauptsächlich auf die Polemiken gegenüber der GAM beziehen. Dies beinhaltet aber auch, z. B. zur Griechenland-Diskussion, bestimmte grundsätzliche politische Fragen nochmals aufzurollen.

Im Zerfallsprozess der NaO, welcher seit 2015 sichtbarer wurde, war vor allem die Diskussion zu Griechenland wie auch zur Positionierung der NaO Berlin dazu entscheidend.

Die deutliche Positionierung gegen die Koalition mit ANEL, die Analyse, was diese Koalition praktisch für den griechischen Klassenkampf und den Widerstand gegen Troika und Austerität bedeutet, war ein Gradmesser dafür, ob und wie sich eine NaO weiterentwickeln kann.

Im Sommer 2015 bildete sich eine Strömung in der NaO, welche hauptsächlich die Bekämpfung der dortigen GAM-Positionen zum Ziel hatte. Dies wäre an und für sich kein Problem, nur fehlten meistens die eigenen ausformulierten Gegenpositionen. Zur Koalition von Syriza mit der rechtspopulistischen ANEL finden wir im „Abschiedsstatement“ der „NaO Wolken“ (in Berlin hieß diese Strömung „Lila Wolken“):

„Wer nach dem SYRIZA-Wahlsieg eine Regierung wollte, die wenigsten vorhatte, sich der Troika zu widersetzen, musste erkennen, dass es zur Koalition mit ANEL keine parlamentarische Alternative gab – auch wenn das unbestreitbar eine für Linke ziemlich ‚unappetitliche‘ Partei ist.“ (1)

Ob der Begriff „unappetitlich“ mehr erklärt als die Begrifflichkeiten Volksfront, Querfront, oder auch, was denn eine ArbeiterInnenregierung wäre, sei mal dahingestellt. Zumindest zeigte die Syriza-Führung um Tsipras schon mal, wie sie sich Widerstand gegen die Austeritätspolitik vorstellte. Die NaO Berlin war der Taktik der GAM gefolgt, dass wir klar auch diese Regierung gegen jede Sparpolitik aus Berlin und Brüssel verteidigen, dass wir auch solidarisch mit allen progressiven Maßnahmen dieser Regierung sind, dass wir aber genauso klar erwähnen müssen, dass die Koalition mit ANEL der Anfang vom Ende der fortschrittlichen Rolle von Syriza ist. Dementsprechend forderten wir die Linken in Syriza und außerhalb von ihr auf, mit ANEL zu brechen und dem Widerstand gegen die Austeritätspolitik eine klassenkämpferische Basis zu geben, die eben nicht auf eine parlamentarische Volksfrontregierung setzt.

Das war den Wolken damals und ist auch in ihrem jetzigen Statement dann möglicherweise doch zu viel „Abstraktion“. Aber wenn eine antikapitalistische, vielleicht sogar revolutionäre Politik und Methode wirksam werden sollen, dann sollte auch klar, dass wir nicht allein der parlamentarischen Arithmetik folgen können, sondern genau darüber hinaus Perspektiven entwickeln müssen. Dass die „Linke“ in Syriza dann erst später mit der Partei brach, eine „Volkseinheit“ mit altem Syriza-Programm auflegte und praktisch keine Bedeutung erreichen konnte – ähnlich ging es Antarsya, die manche gewerkschaftlichen Bastionen errang, aber diesen zugespitzten Sommer 2015 so gut wie gar nicht zur eigenen Verstärkung nutzen konnte -, lag auch an einer fehlenden revolutionären Perspektive und Taktik gegenüber dieser Regierung. Wenn dies die Blaupause für den Umgang mit dem Reformismus ist, dann brauchte auch von den „Wolken“ niemand darüber zu fabulieren, dass es in Deutschland eine objektive Aufgabe ist, den organisierten Reformismus herauszufordern. Dann wird eben niemand konkreter, als dass wir die angeblichen „Zwänge“ des Reformismus auch noch von links verteidigen. Dass die NaO Berlin mit ihren Statements auf dem Boden des NaO Manifests zu stehen vorgibt, entbehrt dann auch nicht einer gewissen Ironie, zeigt aber auch den „flexiblen“ Umgang von zentristischen Strömungen mit programmatischen Texten an und für sich.

Dazu das NaO-Manifest:

„Wo, wie in Griechenland, in einer zugespitzten Klassenkampfsituation die Bildung einer Linksregierung möglich werden kann, fordern wir von diesen die Bildung einer Regierung ohne bürgerliche Parteien und Maßnahmen, die einen wirklichen Bruch mit dem System einleiten. Eine solche Regierung würden wir gegen jeden reaktionären Umsturzversuch verteidigen – ohne unsere Kritik an ihren Fehlern zu verheimlichen.“ (2)

Zur Rolle der GAM und zum Ende der NaO hier noch zwei weitere Zitate:

„Immerhin hat die GAM mit dem ‚NaO-Manifest‘ ein aus ihrer Sicht ‚zentristisches‘ Dokument unterzeichnet. Und immerhin haben die GAM-Kader (aber auch die jungen REVO-Aktivisten!) engagiert, loyal und zuverlässig viel für den NaO-Aufbau geleistet (was man leider nicht von allen NaO-Gruppen behaupten kann).“ (3)

„Aber nochmal: Nur mit ‚GAM-Bashing‘ alleine würden wir es uns viel zu einfach machen. Die GAM konnte im NaO-Prozess nur deshalb so dominant werden, weil die ‚Anderen‘ nichts oder nur wenig zustande gebracht haben. Wir haben es einfach nicht geschafft, in nennenswertem Umfang bislang unorganisierte AntikapitalistInnen in unseren Prozess hineinzuziehen.“ (4)

Bemerkenswert ist schon diese Art „Einsicht“, dass „andere“, darunter auch die „Wolken“ selber, unheimlich wenig zumindest an Anschein von Positionierung hatten. Dies wurde dann gerne mit „Konsens“, „Position finden“ etc. umschrieben, gerade wenn es eigentlich keine eigene gab, außer dass die GAM-Vorschläge abgelehnt wurden. Wären sie allerdings konsequent, hätten sie schreiben müssen, dass ihr ganzes Verhalten darauf hinauslief, einen politischen Vereinheitlichungsprozess zu blockieren und auch letztlich den Kampf um Positionen, Methoden und Taktiken sang- und klanglos abzulehnen.

Was die organisatorische Seite des politischen Lebens angeht, so ist schon bemerkenswert ähnlich, was GAM und Revolution – im Vergleich zu fast allen anderen Organisationen und Einzelpersonen – geleistet haben. Dies würden wir auch mit „engagiert, loyal und zuverlässig“ beschreiben, eben wie es sich für einen politischen Block wie NaO für alle daran Beteiligten geziemt!

Zum Verhältnis zu isl und RSB

Dass sowohl RSB und isl wie auch die GAM als „Schwergewichte“ in der NaO agieren konnten, zeigt sicherlich, dass diese Initiative Schwierigkeiten hatte, überhaupt in gewisse Spektren hineinzuwirken bzw. auch die beteiligten Gruppen damit, die NaO in ihren bisherigen Arbeitsfeldern überhaupt einzubringen, dort auch „Werbung“ für sie zu machen. Es wäre sicherlich interessant gewesen, in einen politischen Diskurs mit der AKL der Linkspartei zu kommen, wenn z. B. die dort ebenfalls vertretene isl dies überhaupt gewollt hätte. Von einem aktiven Kampf für NaO-Positionen innerhalb der AKL gegen die anderen Strömungen (z. B. marx21, SAV) war die isl erst recht weit entfernt.

In ihrem Statement versteigt sie sich stattdessen zu arroganter Geringschätzung unserer Gruppe:

„Wenn Deutschland ein Schachbrett wäre, dann wäre die GAM darin nicht einmal der Schatten eines Bäuerchens. Im Schach ist es klug, die vorhandenen Kräfte auf einen Brettabschnitt zu konzentrieren, wo die eigene Partei Übergewicht erlangen kann. Das war für die GAM die NaO, und besonders die NaO Berlin.“ (5)

Der Schatten der kleinsten Schachfigur hat zumindest mehr Einfluss aufs Spiel als die isl Kellners, die „fragend vorwärts schreiten“ will und in ihrer Politik die Regeln des Mikadospiels beherzigt: „Wer etwas bewegen will, hat schon verloren!“

Immerhin gesteht der Autor ein, dass die eigenen Organisationsleistungen zumindest „überschaubar“ waren. Wir bevorzugen die Kategorien Sabotage und Liquidatorentum für die Beschreibung des Verhaltens der isl.

„RSB und isl haben keine Veranlassung, von oben herab auf das Scheitern der NaO zu blicken. Auch ihnen ist es nicht gelungen, eine positive Dynamik im NaO-Prozess auszulösen. Das mag mit den geringen investierten Kräften zusammenhängen oder auch mit der Unfähigkeit, in dem mit dem NaO-Prozess gegebenen Zusammenhang überzeugende und mitreißende Perspektiven zu formulieren. Jedenfalls waren isl- und RSB-Mitglieder in diesem NaO-Zusammenhang nicht die entscheidenden Akteure.“ (6)

Dazu noch der RSB:

„Viel lag an der mangelnden Dynamik, weil es außerhalb von Berlin keine wirkliche Unterstützung von außerhalb der wenigen Kleingruppen gab. In Berlin konnte NaO sich in der Linken einen Namen machen und auch ein gewisses interessiertes Umfeld aufbauen. Aber selbst hier blieb die Zahl derjenigen, die sich aktiv in den Prozess selbst einbringen wollten, doch sehr beschränkt. Für den bundesweiten Prozess galt dies noch mehr.“ (7)

Der RSB hat in seinem Statement sehr ruhig, äußerst unpolemisch über das Ende der NaO geschrieben. Allerdings fehlten auch dem gesamten Engagement des RSB hier und da der nötige rote Pfeffer bzw. die Bereitschaft, sich politisch und organisatorisch einzubringen. Wenn anfangs über die sozio-pyschologischen Zustände in der deutschen Linken geschrieben wird (Zustand der Depression), so müssen wir auch leider feststellen, dass wir sogar bei zeitweiligen Bündnissen oft mehr Engagement, Aktivität und allgemeine Bereitschaft vorfinden, als es die beiden Sektionen der 4. Internationale in diesem Umgruppierungsveruch gezeigt haben.

Jetzt kann der GAM daraus ein Vorwurf gemacht werden, dass wir in Berlin mit unserer Ortsgruppe zumindest einen kleinen, aber sichtbaren Akteur stellten. Was wir aber nicht rechtfertigen müssen, und das wird in der Nachbetrachtung immer seltsamer, ist, dass wir eine Perspektive, eine Politik und eine Richtung für die NaO vorgeschlagen haben. Dies entspricht unserem Mindestverständnis von Politik allgemein. Dass dies auch anders geht, haben wir ebenfalls in der NaO lernen dürfen. So agiert die isl als eine Sektion der 4. Internationale schließlich nach folgendem „Prinzip“:

„Für die isl war die Teilnahme Teil des für sie üblichen ‚Spagats‘, und im Übrigen war sie in ihren Reihen umstritten: ein Teil ihrer Mitglieder arbeitet in der Partei Die Linke und in deren antikapitalistischem Flügel mit, auch zur IL im Werden bzw. später zur IL bestanden und bestehen Verbindungen unterschiedlicher und wechselnder Intensität; eine Reihe von Mitgliedern der isl räumten dem NaO-Prozess von Anfang an wenig bis keine Erfolgschancen ein und fanden die Teilnahme daran eine Kräfte- und Zeitverschwendung.“ (8)

Und so ist es auch für die isl unerheblich, ob eine Konferenz ihrer Organisation beschlossen hat, den NaO-Aufbau zu unterstützen. Wichtig bleibt allein, wer den „Spagat“ als Organisationspolitik verkauft, dann aber anderen noch erzählen möchte, wie Politik überhaupt funktioniert. Immerhin fiel auch der isl auf, dass die NaO Berlin in den Jahren 2014/15 eine gute Rolle in der radikalen Linken Berlins einnahm, dass die Kampagne „Waffen für Rojava“ über 100.000 Euro sammeln konnte. Ist vielleicht für die isl nur eine Randnotiz, zeigt aber auch, wie wenig beteiligt sie am Geschehen war, es sogar schaffte, diese Kampagne nicht bundesweit zu unterstützen.

„Die NaO Berlin spielte eine bedeutende und positive Rolle bei zwei aufeinanderfolgenden ‚Revolutionären 1. Mai-Demos‘ in Berlin, organisierte ein um das andere Mal Veranstaltungen mit einigen hundert TeilnehmerInnen und sammelte schließlich 50.000 Euro oder mehr für ‚Waffen für Rojava‘ (wobei dies schon Ausdruck einer gewissen Einengung des politisch Blickwinkels war und einer selbstgewissen Positionierung in internationalen Konflikten, die eine Überschätzung der eigenen Urteilskraft mit beinhaltete).“ (9)

Inwieweit diese Kampagne eine Einengung des Blickwinkels war, oder wer wie warum seine Urteilskraft überschätzte, hat uns die isl im NaO-Prozess leider nicht erklärt. Wenn sie die Unterstützung der syrischen Revolution gemeint hat, so hätte die isl bei der GAM damit ein offenes Ohr gefunden. Aber leider brachte die isl diese Inhalte nicht in der NaO selbst vor. Es blieb bei weitläufigen Beobachtungen, die wir mit der isl diskutierten. Auf jeden Fall teilte die übergroße Mehrheit der NaO Berlin wie auch der bundesweiten Gruppen nicht die Urteilskraft der isl bezüglich des Putsches in der Ukraine, welchen sie uns lange Zeit als „Aufstand der Demokraten“ verkaufen wollte. Auch eine weitergehende Diskussion zum syrischen Bürgerkrieg wurde von der isl nicht angestoßen.

Ein ganz besonderes Niveau zeigt der Genosse Kellner, auch Autor eines Buches mit dem Titel „Trotzkismus“, noch bei der Beschreibung der GAM-GenossInnen im NaO-Prozess. Wahrscheinlich werden auch bald jene verunglimpft, welche das Kommunistische Manifest, Das Kapital von Marx oder auch „Was tun“ von Lenin als Bezugsquellen ihres politischen Bewusstseins benennen, stören doch diese Schriften offensichtlich die Organisation des Genossen Kellner beim „fragend vorwärts Schreiten“.

„Diese Kader haben einen Kanon, eine Überlieferung: Die Oktoberrevolution von 1917, die Kommunistische Internationale bis 1922 und was Trotzki bis zu seiner Ermordung 1940 so gesagt und geschrieben hat.

Ihre drei Dutzend Wahrheiten können gelernt werden; ihre herausragenden Führungsfiguren gehen ziemlich souverän mit ihnen um und gruppieren sie je nach Tagesbedürfnis immer wieder neu (mit ihnen kann man sogar diskutieren, und gut); ihre mittleren Kader und Adepten aber können nur die drei Dutzend Wahrheiten artikulieren, und zwar so, wie es gerade von den Führungsmitgliedern ausgegeben worden ist. Mit ihnen (gut) diskutieren kann man nicht: Die Suggestion der verbürgten Wahrheiten ist zu stark, das Problembewusstsein für die schwer zu beantwortenden Fragen und Probleme der Gegenwart zu gering.“ (10)

Wir ersparen uns an der Stelle, dieses „Niveau“ halten zu wollen, lassen aber wissen, dass das politische Erbe Trotzkis, der Internationalen Linksopposition wie auch der Bolschewiki und der Komintern eben leider nicht in drei Dutzend Wahrheiten zusammengefasst werden kann. Es wäre im Gegenteil äußerst hilfreich, wenn mehr „TrotzkistInnen“ zumindest dieses methodische Gerüst heute verteidigen und mit Leben füllen würden und wenn sie soviel „Leninismus“ wie Trotzki verkörpern könnten. Dann gäbe es zumindest eine Möglichkeit, als politische Organisation die Fragen und Probleme der Gegenwart anzugehen und dies noch mit einer gemeinsamen Praxis zu unterlegen. Wir halten es nämlich nicht für eine überlieferte Mär, dass eine Organisation ein revolutionäres Programm erarbeiten und eine dementsprechende Praxis entwickeln kann.

Die Erarbeitung und Verabschiedung des NaO Manifests, die Praxis einzelner NaO-Gruppen haben gezeigt, dass der Versuch einer Umgruppierung Chancen hatte. Sicherlich helfen weder eine relativ stabile Lage im deutschen Klassenkampf noch ein mangelndes Verständnis, wie denn die Vormachtstellung des Reformismus in der Klasse gebrochen werden kann, real bei einer Umgruppierung, die eine revolutionäre Organisation mit entsprechendem Programm und Praxis zum Ziel haben sollte. Wenig hilfreich sind auch PartnerInnen in der Umgruppierung, die dieses gar nicht zum Ziel haben bzw. glauben, dass sich mit möglichst langem Warten und Passivität etwas verändert, bzw. die überhaupt Umgruppierung mit einem weiteren Netzwerk oder Spagataktivität verwechseln.

Die GAM sieht weiterhin die Notwendigkeit, mit anderen Organisationen, Strömungen, Netzwerken etc. über eine klassenkämpferische Praxis und Programmatik zu diskutieren, und steht dafür zur Verfügung. Dies ist eine wichtige objektive Aufgabe für die nächsten Jahre in Deutschland.

Endnoten

(1) Siehe http://www.scharf-links.de/266.0.html?&tx_ttnews[tt_news]= 56981&tx_ttnews[backPid]=265&cHash=44883da714

(2) Manifest für eine Neue antikapitalistische Organisation, S. 28

(3) Siehe http://www.scharf-links.de/266.0.html?&tx_ttnews[tt_news]= 56981&tx_ttnews[backPid]=265&cHash=44883da714

(4) Ebda.

(5) Kellner, Manuel: Die Neue antikapitalistische Organisation (NaO) ist aufgelöst – Woran ist sie gescheitert?, http://www.islinke.de/nao_bilanz.htm, 01.06.2016

(6) Ebda.

(7) Siehe http://www.rsb4.de/content/view/5723/88/

(8) Kellner, a. a. O.

(9) Ebda.

(10) Ebda.




Erklärung zur Auflösung der neuen antikapitalistischen Organisation

Neue anti-kapitalistische Organisation, 4. April 2016, Revolutionärer Marxismus 48, August 2016

Seit der Verabschiedung des NaO-Manifests sind bald zwei Jahre vergangen, in denen die NaO als Prozess und Organisation die Möglichkeit hatte, sich weiterzuentwickeln. Seit Beginn 2014 gründete sich die NaO in Potsdam, Berlin, Kassel, Bremen, Stuttgart und Köln; in Hamburg und München gab es Anläufe zur Gründung.

Heute können wir im NaO-Prozess bestenfalls von einer Stagnation sprechen und schon dies wäre eine optimistische Formulierung. Im Aufbau einer Mitgliederorganisation, die links von der Linkspartei ihr Programm vertritt, ist die NaO gescheitert.

Es sind keine neuen Gruppen dazugekommen, die während des Prozesses Kontakt mit der NaO aufgenommen haben. In Berlin und Stuttgart stehen wir weiterhin mit Mitgliedsgruppen in Kontakt, aber die NaO hat keine Attraktivität und Dynamik entwickeln können, um ihre „Basis“ zu verbreitern. Stattdessen ist die Aktivität insgesamt seit Sommer 2015 nochmals runtergegangen, wie auch die Debatte innerhalb der NaO.

Für den Niedergang der NaO sind unserer Meinung nach drei Faktoren ausschlaggebend:

a) Die relative Stabilität des deutschen Kapitalismus in den letzten Jahren, was nicht zuletzt ein Resultat der Fähigkeit war, den Lohnabhängigen wie anderen Staaten und deren Bevölkerung die Kosten für die Krise aufzuzwingen, also Resultat eines zunehmend aggressiveren Kurses des deutschen Imperialismus und der Dominanz des Sozialchauvinismus in der ArbeiterInnenbewegung. Die deutsche „radikale“ Linke selbst befindet sich in dieser Lage in Desorientierung, Rückzug und verweigert mehrheitlich eine politische Auseinandersetzung.

b) Der zweite, zentrale Grund für die Stagnation der NaO ist in den politischen Differenzen zu sehen. Sie sind der Grund nicht nur für die numerische Stagnation, sondern auch dafür, dass die in der NaO organisierten politischen Kräfte sich nach anfänglicher Konvergenz wieder mehr und auseinanderentwickelt haben. Beim letzten bundesweiten Treffen im Juni 2015 in Berlin gab es größtmögliche Differenzen zur Einschätzung der Syriza/ANEL-Regierung und vor allem, wie sich die NaO dazu verhalten soll. Als die NaO Berlin nach der Oxi-Abstimmung und den Neuwahlen weiterhin Position dazu bezogen hatte, blieb dies im gesamten bundesweiten Prozess eigentlich undiskutiert. Dadurch werden sicherlich keine Differenzen ausgeräumt oder geklärt bzw. sich darauf verständigt, was eine NaO vertreten könnte.

c) Nicht zuletzt litt die NaO an einer mangelnden Verbindlichkeit, was unterschiedliche Aufbauvorstellungen und Zielsetzungen widerspiegelte. Während die einen eine Mitgliederorganisation wollten, wollten andere nur ein Netzwerk von Gruppen. Während die einen die NaO als Schritt zu einer größeren revolutionären Organisation mit ebensolchem Programm betrachteten, wollten sie andere auf dem Stand eines programmatisch pluralen Netzwerkes halten.

Selbst wenn sich politische Strömungen gebildet haben, hat dadurch weder die politische Debatte zugenommen, geschweige denn die Klärung politischer Differenzen. Das ist insofern für uns eigentümlich, da wir von Strömungen und Fraktionen erwarten würden, dass diese eine andere Vorstellung zum Prozess als Ganzem bzw. zu einzelnen politischen Positionen zumindest in die NaO einbringen, aber auch diese Auseinandersetzung findet nicht statt.

Die vereinbarte weitere programmatische Diskussion wurde im NaO-Prozess nicht geführt. Dadurch ist nach unserem Verständnis letztlich auch der Prozess zum Erliegen gekommen.

Unserer Meinung nach lässt sich dieser Prozess nicht wieder beleben, auch wenn die „Internationalismustage 2016“ ein Erfolg waren. Wir halten es für vernünftiger und für zukünftige Umgruppierungsprozesse zweckdienlicher, den Prozess einvernehmlich zu beenden, statt so zu tun, als würde aus der NaO bundesweit oder auch an einzelnen Orten eine neue Organisation erwachsen.

Wir denken, dass es trotz seines Scheiterns richtig war, das NaO-Projekt in Angriff zu nehmen. In seiner Geschichte konnte es sowohl inhaltlich einige richtige Positionen entwickeln (Manifest), positionierte sich auf einer internationalistischen Basis zur Ukraine, zur Solidarität mit dem kurdischen Volk, zum Klassenkampf in Griechenland. Aber die dabei auftauchenden politischen Differenzen paralysierten den NaO-Prozess zunehmend und untergruben auch seine Anziehungskraft nach außen.

Zweifellos haben die verschiedenen Strömungen in der NaO unterschiedliche Gründe für dieses Scheitern, die sie sicher auch öffentlich darlegen werden. Aber es macht keinen Sinn, das Label nur um seiner selbst willen fortzuführen und mit sich selbst „Umgruppierung“ zu spielen.

Wir schlagen vor, weiter gemeinsam politisch zu arbeiten bei:

a) bundesweiten, internationalen wie lokalen Mobilisierungen (Anti-Rassismus, Gewerkschaftsopposition, internationale Solidarität, Erster Mai),

b) Organisierung von Diskussionsforen zu grundlegenden Fragen der ArbeiterInnenbewegung und der Linken,

c) Fortführung der „Internationalismustage“ als eines strömungsübergreifenden, internationalistischen Diskussionswochenendes.

Wir halten jedoch eine Beendigung des NaO-Prozesses an dieser Stelle für notwendig, weil seine Fortführung ein zukünftiges Ringen um Einheit von RevolutionärInnen und Anti-KapitalistInnen auf einer klaren, politischen Grundlage und gemeinsamer, dynamischer und verbindlicher Außenaktivität mehr beschädigen denn fördern würde.

Mehrheitlich beschlossen von der bundesweiten Koordinierung, 4. April 2016




Orthodoxer Trotzkismus oder workeristischer Maximalismus?

Christian Gebhardt, Revolutionärer Marxismus 48, August 2016

Im August 2013 wurde von der internationalen Strömung „Fracción Trotskista“ (FT) ein „Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution (Vierte Internationale)“ (1) veröffentlicht. In Anbetracht ihrer durchaus vorhandenen Dynamik und gewissen Anziehungskraft in der zentristischen Linken wollen wir uns in diesem Artikel nicht nur mit dem vorgeschlagenen Manifest, sondern mit den theoretischen Grundsteinen der FT auseinandersetzen. Diesen Grundsteinen werden wir unsere programmatische wie auch theoretische Basis entgegenstellen. Hierbei werden wir uns einerseits auf die veröffentlichten programmatischen Grundlagen beziehen und zusätzlich weitere theoretische Veröffentlichungen von uns heranziehen.

Das Hauptdokument stellt das 1989 veröffentlichte Gründungsprogramm unserer Strömung – das „Trotzkistische Manifest“ (2) dar. Dieses Manifest war der erste Versuch unserer internationalen Strömung, das Übergangsprogramm von 1938 (3) neu zu erarbeiten und mit den seit 1938 geschehenen historischen Ereignissen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen zu ergänzen. Darüber hinaus werden wir uns auch auf die weiteren veröffentlichten internationalen Programme unserer Strömung beziehen: „Vom Widerstand zur Revolution – Manifest für Arbeitermacht“ (2003) (4) und „Vom Widerstand zur Revolution – Manifest für eine Fünfte Internationale“ (2010) (5). Diese beiden Programme haben jedoch im Vergleich zum „Trotzkistischen Manifest“ eher den Charakter aktueller Aktionsprogramme und sollten daher als Ergänzung zum Ersteren betrachtet werden.

Durch die Gegenüberstellung unserer programmatischen Unterschiede wie auch Übereinstimmungen wird deutlich, dass unsere beiden Strömungen in manchen Punkten sich sehr nahe stehen. Dennoch legen wir hier grundlegende Differenzen zu wichtigen Fragestellungen revolutionärer Politik dar, anhand derer sich weitere Unterschiede in Bezug auf Orientierung und Praxis im aktuellen (internationalen) Klassenkampf ableiten und begründen lassen. Diese grundlegenden Differenzen betreffen die Vorstellung, wie ein revolutionäres Bewusstsein in der ArbeiterInnenklasse gebildet werden kann, was unter dem Begriff der Avantgarde verstanden wird, wie das Verständnis von Programm und sein Verhältnis zur Praxis begriffen wird und, zu guter Letzt, die unterschiedlichen Konzepte und Vorstellungen des Aufbaus revolutionärer Parteien. Diese Differenzen und die davon ableitbaren taktischen und strategischen Unterschiede lassen unsere beiden Strömungen trotz mancher Nähe doch sehr weit voneinander stehen.

Gerade weil die FT als internationale Strömung eine der wenigen dynamisch wachsenden zentristischen Strömungen ist und sich oft sehr orthodox, trotzkistisch-leninistisch und revolutionär gibt, ist eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit ihr notwendig, verbirgt sich schlussendlich doch – wie wir in diesem Artikel zeigen werden – hinter der FT und ihrer Politik nichts anderes als ein klassischer, workeristischer Zentrismus mit Hang zum Ökonomismus und allen typischen sektiererischen sowie opportunistischen Charakteristiken des Zentrismus.

Analyse der Weltlage – Historische Krise des Kapitalismus

Ein grundlegender Teil ihrer Analyse der Weltlage, auf welchen die FT ihr Manifest aufbaut und mit welchem wir übereinstimmen, stellt die Charakterisierung der kapitalistischen Krise seit 2008 als eine historische Krise des Kapitalismus dar. Laut der FT konnte der weltweite Kapitalismus „(t)rotz der neoliberalen Offensive der vergangenen drei Jahrzehnte und der kapitalistischen Restauration in den ehemaligen ArbeiterInnenstaaten (…) keinen Weg hin zu einem neuen Zyklus des lang anhaltenden Wachstums finden.“ (6)

Stattdessen brachen „(d)er Widerspruch zwischen der wachsenden Vergesellschaftung der Produktion und der immer konzentrierteren Aneignung des gesellschaftlich produzierten Reichtums sowie der Widerspruch zwischen der Internationalisierung der Produktivkräfte und der nationalstaatlichen Grenzen (…) wieder aus und führten zu einer Krise historischen Ausmaßes.“ (7)

Im Umgang mit der Krise stellt die Politik der „neokeynesianischen“ sowie der „konservativen“ Regierungen keinen grundlegenden Unterschied dar, endet ihr Umgang mit der Krise in beiden Fällen doch damit, dass ihre Kosten die ArbeiterInnenklasse und nicht ihre Verursacher bezahlen müssen. Jedoch stellt dieser Umgang mit der Krise nicht gleichzeitig eine Überwindung der Krise dar. Durch die „staatlichen Rettungen der großen Banken und Konzerne und der Zuführung von Geld in das finanzielle System konnten die kapitalistischen Regierungen und die Zentralbanken die Perspektive eines Einbruch, wie nach dem Fall  von Lehman Brothers, nach hinten schieben. Diese Mechanismen haben aber nicht zu einer wirtschaftlichen Erholung geführt, sondern zur Rezession oder zu geringem Wachstum in den zentralen Ländern und zur Verlangsamung des Wachstums in den ‚Schwellenländern‘. Das passierte gleichzeitig mit der Schaffung neuer Zeitbomben: die enormen Staatsschulden, die die Wirtschaft wiederholt an den Rand des Abgrundes drängen.“ (8)

Im letzten Zitat wird unserer Meinung nach schön deutlich, warum wir einerseits mit der FT übereinstimmen, dass wir uns in einer historischen Krise des Kapitalismus befinden, warum wir jedoch anderseits der Meinung sind, dass die Analyse der kapitalistischen Krise und der Umgang mit dieser von Seiten der Kapitalisten und ihren Regierungen zu sehr mit Hinblick auf das „finanzielle System“ beobachtet wird. Die FT stellt zwar richtig dar, dass die Finanzsphäre ein wichtiger Teil der Krise von 2008 darstellte und die staatlichen Banken- und Gläubigerrettungsprogramme die Krise beruhigten, aber nicht gelöst haben. Die Analyse geht jedoch nicht an die Wurzel des eigentlichen Problems: den tendenziellen Fall der Profitrate.

Auch in neuen theoretischen Artikeln der FT, in welcher sie sich grundlegend mit der wirtschaftlichen Krise von 2008 und ihrem Verlauf seitdem beschäftigt, spielt der tendenzielle Fall der Profitrate keine zentrale Rolle. Die Schwere der Krise wird stattdessen dadurch erklärt, dass die „Dotcom-Krise“ 2000 durch eine Überakkumulationskrise – vor allem im Informatik- und Kommunikationsbereich – ausgelöst wurde. Diese Krise wurde jedoch durch starke Finanzhilfen der FED aufgefangen, welches einen finanziellen Zyklus in Gang setzte. Diese Finanzsphäre verband sich schlussendlich 2008/09 mit der Überakkumulationskrise von 2000 und löste eine tiefgreifende Strukturkrise aus, welche sich laut der FT auch von anderen historischen Krisen unterscheidet (9). Der tendenzielle Fall der Profitrate als zugrunde liegende treibende Kraft dieser beiden Krisen fließt aber auch nicht in diesen Artikel mit ein.

In unserem Manifest von 2010 heißt es dazu wie folgt:

„Kreditklemme, Rezession und Verschuldungszeitbombe von 2008 – 10 traten eine neue historische Krise für das kapitalistische System los. In dieser Periode werden intensive Klassenauseinandersetzungen revolutionäre Krisen, Konterrevolutionen, Instabilität und Konflikte zwischen rivalisierenden Mächten hervorbringen. Dies ist nicht einfach ein typischer zyklischer Abschwung, eine der ‘gewöhnlichen’ Kurven des Systems. Die Ursachen liegen in der tendenziellen Kapitalüberakkumulation des Systems. Jahrzehnte sinkender Profitraten schmälerten profitable Produktionsinvestitionen in den imperialistischen Kernländern. Stattdessen verlegten sich Großkonzerne und Geldinstitute auf spekulative Anlagen an Aktienbörsen, Devisenmärkten und im Derivatenhandel wo mit einem Mausklick Millionen ‘gemacht’ werden konnten. Noch allgemeiner strebte die herrschende Klasse in den Globalisierungsjahren 1992 – 2006 danach, die Probleme mittels billiger Kredite sowie der Erzeugung einer großen Blase fiktiven Kapitals in Gestalt von Verbraucher- und Haushaltsverschuldung und allen Arten raffinierter Verbriefungen und Derivaten zu lösen.” (10)

Hiermit erkennen wir ebenfalls wie die FT in ihrem Manifestvorschlag die Finanzsphäre als einen Ausdruck der spekulativen Aktionen des Kapitals an. Jedoch stellen wir die Überakkumulation des Kapitals und die damit einhergehenden fallende Profitrate als zugrunde liegende Triebkräfte stärker in den Vordergrund. Die FT stellt dies ebenfalls in weiter zurückliegenden Dokumenten (11) fest, wieso jedoch der tendenzielle Fall der Profitrate und die damit verbundenen Notwendigkeiten der Krisenüberwindung von Seiten der Kapitalisten nicht den Einzug in ihr Manifest gefunden haben, bleibt für uns unverständlich.

Dies hat jedoch sehr relevante Auswirkungen auf politische Fragestellungen, auf die internationalistische RevolutionärInnen Antworten finden müssen. Unserer Meinung nach liegt die einzige Lösung für die Krise aus der Sicht der Kapitalisten darin, dem Fall der Profitrate entgegenzuwirken. Dies geschieht entweder dadurch, dass die Kapitalisten aggressiver expandieren und dadurch innerimperialistische Konflikte erhöhen, den ArbeiterInnen weltweit tiefgreifende Niederlagen zufügen oder indem sie Produktionskapazitäten stilllegen bzw. zerstören (12) und damit Millionen von ArbeiterInnen in die Arbeitslosigkeit und Armut treiben. Die derzeit stattfindende Massenverarmung in vielen Teilen der Welt (z. B. Südeuropa) oder die Auflagen des IWF oder der Troika zur „Liberalisierung der Arbeitsmärkte“ wirken gezielt in diese Richtung.

Imperialismus

Dieser weltweite Umgang mit der Krise zeigt eines auch sehr deutlich: den weltweiten Organisationsgrad des Kapitalismus innerhalb der imperialistischen Epoche und die Zunahme der innerimperialistischen Konflikte. Auf dieser Stufe der Entwicklung ist der Kapitalismus durch heftige, weltweite Konkurrenz zwischen den riesigen Monopolen gekennzeichnet, da die einzelnen herrschenden Bourgeoisien versuchen, sich Vorteile auf Kosten ihrer Rivalen zu verschaffen. Diese Tatsache wurde zum Beispiel durch den Ukrainekonflikt sehr stark verdeutlicht, in welchem der EU-, US- sowie russische Imperialismus gegeneinander um ihren Einfluss in der Ukraine rangen und dies auch weiterhin tun.

Der Imperialismus wird auch im FT-Manifest als die derzeitige Periode des Kapitalismus, in welcher unterschiedliche imperialistische Mächte um ihren Einflussbereich kämpfen, anerkannt. Das Manifest hebt vor allem den US-Imperialismus hervor, spricht aber auch die Europäische Union (EU) als imperialistische Macht, unter der Federführung des deutschen Kapitals, an. Es gebe laut der FT derzeit „keine traditionelle oder ‚aufkommende‘ Macht, die den USA die weltweite Hegemonie streitig machen“ (13) könne, jedoch heißt dies nicht, „dass es keine Rivalitäten und Wettstreite gäbe“. (14) Neben der EU und den USA als klar angesprochene imperialistische Mächte nennt das Manifest nur noch China sowie Russland als Regionalmächte, welche ihre eigenen regionalen Ziele verfolgen und welche den Niedergang der US-Hegemonie innerhalb des Imperialismus begleiten.

„Die USA, die wichtigste imperialistische Macht, befindet sich weiter auf dem Weg des Niedergangs ihrer Hegemonie, der durch die Niederlage ihrer strategischen Ziele im Irak und in Afghanistan und das Entstehen regionaler Mächte, die ihre eigenen Ziele verfolgen – wie Russland und China (Hervorhebungen des Autors in Kursivschrift) -, akzentuiert wird. Dieser Verlust der Führungsrolle zeigte sich darin, dass die Regierung Obamas doch keinen unilateralen Militärangriff auf Syrien starten konnte und stattdessen die diplomatische Lösung, die von Russland vorgeschlagen wurde, akzeptieren musste.“ (15)

Hier werden einige Unterschiede zwischen unserer Charakterisierung des Imperialismus und der des Manifestes deutlich. In der ersten Hervorhebung wird ersichtlich, dass die FT den Niedergang des US-Imperialismus stark an seinen militärischen Niederlagen in den Irak- sowie Afghanistaninterventionen festmacht. Außer Acht lässt es jedoch die Ungleichmäßigkeit der kapitalistischen Entwicklung in einer Krisenperiode. Mit der Wirtschaftskrise seit Beginn 2008, welche unterschiedliche Länder ungleich stark getroffen hat, gingen die einzelnen imperialistischen Länder verschieden um. Während die US-Regierung vor allem große Geldmengen in den Finanzsektor warf, nutzte China ein vergleichbar großes Volumen an Geld, um wichtige Infrastrukturprojekte voranzubringen. Dies stellt zwar den chinesischen Imperialismus bei Weitem nicht auf die gleiche Stufe wie den US-Imperialismus, zeigt aber auf, dass China seit dem Ausbruch der Krise seine internationale Stellung im Vergleich zum US-Imperialismus ausbauen konnte.

Die zweite Hervorhebung soll verdeutlichen, wie die FT Russland sowie China charakterisiert. Im Gegensatz zu unserer internationalen Strömung, welche China und Russland als imperialistische Mächte charakterisieren (16, 17), stellen diese beiden Staaten für das FT-Manifest Regionalmächte dar. Auch wenn die FT eine Neuevaluierung ihrer Charakterisierung Chinas seit der Veröffentlichung ihres Manifestes ankündigte, spricht sie zwar China das Potential zu, eine imperialistische Macht zu werden: „Die starken Ambitionen Pekings, im ökonomischen wie militärischen Bereich, sich in eine neue große imperialistische Kraft zu verwandeln, sind Ausdruck eines langen anhaltenden Überakkumulationsprozesses (…)“ (18). An ihrer Charakterisierung Chinas als Regionalmacht hat dies jedoch nichts geändert (19).

Dass ein solch tiefgreifender Unterschied in der Sicht der Weltlage auch unterschiedliche politische Ansichten und Schlussfolgerungen mit sich bringt, sollte nicht überraschen. Überraschend ist jedoch, dass sich dann die FT in vielen Auseinandersetzungen zwischen – aus unserer Sicht – imperialistischen Mächten wie z. B. im Ukrainekonflikt ebenfalls gegen die Intervention von Russland gestellt hat. Die Erklärung, warum hier gegenüber einer Regionalmacht die gleichen Taktiken und Strategien angewendet werden sollen wie gegenüber imperialistischen Mächten, bleibt von Seiten der FT unbeantwortet. Was die Regionalmächte von den imperialistischen Mächten unterscheiden soll, bleibt ebenfalls unklar. Es wird hauptsächlich mit militärischen Argumenten begründet, dass ohne große Konflikte keine andere Macht den USA ihre Hegemonie streitig machen kann. Dass es im imperialistischen System aber nicht darauf ankommt, ob jemand die volle Hegemonie erlangt hat oder „nur“ als imperialistische Macht in unterschiedlichen Situationen agieren kann, erfahren wir von der FT nicht. Hier wird Schwarz-Weiß-Malerei hinter vorgeblicher Orthodoxie versteckt, die Feinheiten des imperialistischen Systems werden dabei aber grandios übersehen. Zu den Unterschieden im Ukrainekonflikt (20, 21) haben wir in den letzten beiden Ausgaben des Revolutionären Marxismus unsere Positionen ausformuliert. Zur ihrer schematischen Herangehensweise an die Frage, wie ein Land als imperialistisch charakterisiert werden kann oder nicht, haben wir uns in unseren Thesen zu Russland und dessen imperialistischem Charakter ebenfalls schon zu geäußert (22).

Europa als Konstrukt konkurrierender Imperialismen

Neben dem US-Imperialismus erkennt das FT-Manifest die EU als imperialistische Macht an. Die EU stellt einen Block unterschiedlicher kapitalistischer und imperialistischer Mächte Europas dar und ist somit von vornherein dazu verdammt, Konflikte unter den einzelnen kapitalistischen Klassen der zu ihr gehörenden Nationen hervorzurufen. Daher ist und war die EU laut Manifest nicht in der Lage, sich zu einem einheitlichen Block zu entwickeln. Eher würde die „europäische Einheit früher oder später mit den unüberwindbaren Grenzen der Interessen der imperialistischen Bourgeoisien, aus denen sie besteht, kollidieren (…). Deshalb sei keine Umwandlung dieses Blockes in ein supranationales Staatengebilde möglich. Die Krise hat diese objektive Grenze des imperialistischen europäischen Projektes mit aller Klarheit offengelegt, was sich in den zentrifugalen Kräften zwischen dem harten Kern rund um Deutschland und die nordischen Ökonomien und dem schwächeren Kern der mediterranen Länder des Südens zeigt.“ (23)

Durch die von der EU-Krise hervorgerufenen Zentrifugalkräfte sehen sich RevolutionärInnen mit unterschiedlichen Lösungsansätzen konfrontiert. Das Manifest stellt richtigerweise zwei Hauptpositionen fest und entwickelt eine handfeste Kritik daran. Einerseits gibt es die innerhalb der Linken häufig vertretene Position nach der Demokratisierung und Reformierung der EU. Andererseits werden durch die EU-Krise auch rechtspopulistische und nationalistische Strömungen gestärkt, welche durch das Verlassen der Eurozone und mit der Verteidigung der „Nationalstaaten“ eine höchst reaktionäre „Lösung“ für die EU propagieren. Leider gibt es auch Teile innerhalb der Linken, welche sich dieser Position anschließen.

Die von der FT erarbeitete Lösung in ihrem vorgelegten Manifest können wir nur uneingeschränkt unterstützen:

„Wir müssen die Zersplitterung in den ArbeiterInnenreihen überwinden, die Fremdenfeindlichkeit und die migrantInnenfeindliche Politik der europäischen Regierungen bekämpfen. Die durch die Krise verarmten Sektoren der Mittelschichten könnten sich in eine fruchtbare soziale Basis für die rechtsextreme Demagogie entwickeln und möglicherweise für den Faschismus. Angesichts dieser tiefen Krise ist es notwendig, die Kämpfe gegen die verschiedenen Kürzungsregierungen sowie gegen die ‚Troika‘ und die imperialistischen Institutionen der EU in die strategischen Perspektive der Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa einzubinden. Dies ist der einzige fortschrittliche Ausweg für die ArbeiterInnen.“ (24)

Zwar haben wir in Bezug auf die Analyse der EU, ihrer Krise und deren Auswirkungen keine großen Differenzen mit den angeführten Punkten im Manifest, jedoch verbirgt sich eine größere Meinungsverschiedenheit in Hinblick auf die Taktiken und Strategien bei den rund um die EU-Krise aufkommenden Konflikten innerhalb der EU (z. B. BREXIT, siehe Tobi Hansen in dieser Ausgabe), sowie im Hinblick auf politische Bewegungen und Umgruppierungsprojekte, wie zum Beispiel rund um SYRIZA, PODEMOS, der NPA oder in kleinem Ausmaße der NaO in Deutschland (siehe Wilhelm Schulz in dieser Ausgabe). Auf diese Unterschiede werden wir weiter unten im Text näher eingehen.

Lateinamerika auf dem Weg nach rechts

Weitere Teile des Manifestes, welche mit unserer Analyse in großen Zügen übereinstimmen, sind die Abschnitte, die sich mit der Situation in Lateinamerika auseinandersetzen. Hierbei stellt das Manifest die Lage in Amerika als eine postneoliberale Regierungsära dar. Sie war über Jahrzehnte durch Regierungen wie die der Kirchners in Argentinien, von Morales in Bolivien, Lula/Dilma in Brasilien sowie Chávez in Venezuela geprägt. Diese postneoliberalen Regierungen stützten sich stark auf die ArbeiterInnenklasse und deren Bewegungen gegen den neoliberalen Kurs des US-Kapitals in Lateinamerika. Das anhaltende Wirtschaftswachstum Lateinamerikas in diesen Jahren spielte den postneoliberalen Regierungen in die Hände, konnten sie sich doch somit als Alternative für die ArbeiterInnenklasse darstellen. Die Wirtschaftskrise seit 2008 und ihre Auswirkungen in Lateinamerika wie auch weltweit bringen jedoch den Handlungsspielraum dieser Regierungen ins Wanken und zwingen sie dazu, offen ihre arbeiterInnenfeindliche Politik zu betreiben und Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse auszuweiten.

„Jetzt, da man die Verlangsamung des Wachstums als Produkt der weltweiten Krise spürt, fangen sie an, ihren arbeiterInnenfeindlichen Charakter offen zu zeigen: Cristina Kirchner in Argentinien lehnt die Lohnforderungen angesichts der Inflation ab und hält an der Lohnsteuer fest; Maduro setzte eine Mega-Abwertung der Währung in Venezuela durch und verhandelt mit den putschistischen KapitalistInnen und Evo Morales begann eine brutale Offensive gegen die ArbeiterInnen, um das neoliberale Rentensystem zu verteidigen.“ (25)

Dies führt zu zunehmenden Bruchlinien zwischen den Verbindungen der ArbeiterInnenklasse und diesen Regierungen, welche Raum zur revolutionären Intervention lassen sowie die Notwendigkeit aufzeigen, unabhängige, revolutionäre ArbeiterInnenparteien aufzubauen.

Die derzeitigen objektiven Gegebenheiten und die Rechtsentwicklung der politischen Landschaft Lateinamerikas rund um das Amtsenthebungsverfahren von Dilma in Brasilien (26), die Wahlniederlage des Kirchnerismus in Argentinien (27) oder die Niederlage von Maduro in Venezuela geben dieser Analyse recht. Sie werfen deutlich die Frage auf (wie auch in Europa rund um die Flüchtlingsthematik und die erstarkenden rechten Bewegungen), wie die recht kleine radikale Linke die ArbeiterInnenklasse für ihre Politik gewinnen kann. Die verfolgten Taktiken und Strategien der FT zeigen hierbei unserer Meinung nach viele Differenzen zwischen unseren beiden Strömungen auf, die weiter unten im Text einzeln abgearbeitet werden. Auf jeden Fall zeigen die meisten Herangehensweisen der FT eine gewisse Passivität (wenn auch nicht in Worten) in Bezug auf die Entwicklung innerhalb der unterschiedlichen ArbeiterInnenklassen Lateinamerikas.

In Argentinien z. B. wird richtigerweise davon gesprochen, dass einige Teile der ArbeiterInnenklasse den Bruch mit dem Peronismus vollziehen. Der Stimmenzuwachs des rechten Lagers in den letzten argentinischen Wahlen habe jedoch gezeigt, dass dieser Bruch nicht gleichbedeutend mit einer Linksentwicklung sein muss. Hier geht die FT jedoch nicht aktiv genug mit ihrem großen Potential um, welches sie in Form der Front der Linken und ArbeiterInnen (Frente de la Izquierda y de los Trabajadores – FIT) in ihrer Hand hat. Mit einer klaren Spielart der Einheitsfronttaktik gegenüber den peronistischen dominierten Gewerkschaften in Form der ArbeiterInnenparteitaktik könnte die FT versuchen, eine Dynamik rund um sich oder der FIT zu generieren, welche die Abwanderungsbewegungen weg vom Peronismus nicht nur verstärken, sondern auch auf sich kanalisieren könnte. So aber stellt sie sich mit der FIT passiv-propagandistisch in eine Ecke und wartet ab, welche Teile der ArbeiterInnen, die sich vom Peronismus wegbewegen, zu ihnen kommen. Es dürfte interessant werden, inwiefern die Beschlüsse des XV. Parteikongresses der PTS zur geplanten aktiveren Arbeit innerhalb der FIT hin zur Bildung einer revolutionären ArbeiterInnenpartei verwirklicht werden. (28)

Im Allgemeinen ist dieser Teil zu Lateinamerika  der stärkste . Dies verdeutlicht klar die dortige starke Verankerung der FT. Ein Kritikpunkt, welcher in der Analyse der politischen Lage Lateinamerikas von unserer Seite jedoch angebracht werden muss, ist die Charakterisierung bürgerlicher ArbeiterInnenparteien, z. B. der brasilianischen Partido dos Trabalhadores (PT). Diese – wie auch weitere bürgerliche ArbeiterInnenparteien in Europa und anderen Teilen der Welt – werden von der FT nicht als solche angesehen, was zu Unterschieden im taktischen Umgang mit diesen Parteien, z. B. der Zustimmung oder Ablehnung einer kritischen Wahlunterstützung, führt.

Die politisch fatalen Konsequenzen werden besonders in Brasilien angesichts des Putsches der Rechten gegen die Präsidentin Dilma deutlich. Die FT und ihre dortige Sektion erkennen zwar an, dass sich die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten gegen das Amtsenthebungsverfahren wehren müssen – sie lehnen aber zugleich die Bildung einer Einheitsfront mit der PT ab, also der dominierenden Partei der ArbeiterInnenklasse, die direkt von den Putschisten angegriffen wird! Eine solche Politik ist anti-putschistisch nur in Worten. Praktisch stellt sie ein politisches Ultimatum an die AnhängerInnen der PT und die CUT-Gewerkschaften dar, von denen der Bruch mit der PT als Vorbedingung für den gemeinsamen Kampf gefordert wird. Ein solches Sektierertum verunmöglicht in der Realität die Bildung jeder Einheitsfront mit den reformistischen ArbeiterInnen und läuft darauf hinaus, dem gemeinsamen Kampf mit der Mehrheit der ArbeiterInnenklasse fernzubleiben – eine reaktionäre Konsequenz des Sektierertums.

Restliche Welt?

Neben Europa und Lateinamerika hebt das FT-Manifest den Nahen Osten als weitere zentrale und strategisch wichtige Region der Weltpolitik hervor. Wir widersprechen dieser Einschätzung nicht, zeigen der Arabische Frühling, die anhaltenden Konflikte zwischen Palästina/Israel, die Auseinandersetzungen in Irak/Syrien/Rojava sowie der Islamische Staat (IS, Daesch), dass diese Region freilich einen sehr zentralen Punkt der Weltpolitik darstellt. Jedoch darf hier gefragt werden, wieso asiatische Teile wie Afghanistan oder Pakistan im Manifest komplett völlig unbeachtet bleiben, begründet die FT in ihrem Manifest doch die überaus wichtige Stellung des Nahen Ostens auf der imperialistischen Weltbühne durch „die Wichtigkeit, die die Region für die ökonomischen und geopolitischen Interessen der USA, des Staates Israel und anderer imperialistischer Mächte besitzt (,…)“ (29). Trifft dies auf Länder wie u. a. Afghanistan oder Pakistan in den Augen der FT nicht zu? Diese Regionen spielen unseres Erachtens in Hinblick auf die sich zuspitzenden Konflikte zwischen dem US- sowie dem chinesischen und russischen Imperialismus ebenfalls eine wichtige Rolle.

Das Manifest argumentiert weiter, dass der Nahe Osten nicht nur ökonomisch und geopolitisch eine wichtige Region darstellt, sondern „(…) wegen seiner gemeinsamen demokratischen und sozialen Motoren, hat dieser Prozess trotz seiner Ungleichheiten eine Reihe von programmatischen und strategischen Debatten in der Linken weltweit forciert“ (30).

Dies ist durchaus richtig und trifft in diesem Maße auf die Konflikte rund um Afghanistan/Pakistan derzeit nicht zu. Wieso jedoch das Manifest solch wichtige Regionen innerhalb der Weltpolitik mit der einzigen Begründung ausklammert, es würden darüber keine strategischen und programmatischen Debatten innerhalb der Linken geführt, erschließt sich uns nicht. Unserer Meinung nach stellt dies eine opportunistische sowie passive Herangehensweise an den Umgang mit derzeit stattfindenden Debatten innerhalb der internationalen Linken dar, anstatt selbst programmatisch und strategisch wichtige Fragen der internationalen ArbeiterInnenklasse aufzuwerfen und in den Mittelpunkt zu stellen. Dies versuchen wir nicht nur propagandistisch von außen mit unseren Thesen „Revolution und Konterrevolution in der arabischen Welt“ zum Arabischen Frühling und Nahen Osten (31), sondern auch aktiv durch den Kampf unserer pakistanischen Sektion rund um ihr „Aktionsprogramm für Pakistan“ (32).

Zusammenfassend betrachtet, charakterisiert das FT-Manifest die wirtschaftliche Weltlage als eine neue Periode. Diese ist geprägt durch zunehmende Auseinandersetzungen der ArbeiterInnenklasse seit Beginn der kapitalistischen Krise. Jedoch wird hier nicht deutlich, ob das Manifest diese Periode als vorrevolutionär oder revolutionär begreift. Dass die historische Weltwirtschaftskrise mit ihrem Beginn 2008 zu einer Zunahme von Auseinandersetzungen der ArbeiterInnenklasse führte, ist sicher richtig, allerdings auch keine besondere Erkenntnis. Dies wurde besonders deutlich durch den Ausbruch der Arabischen Revolutionen sowie der Krise in Südeuropa.

Allerdings macht die FT den Charakter der Periode in erster Linie nicht an den objektiven Erschütterungen der globalen Ordnung fest, sondern in erster Linie am Bewusstseinsstand der ArbeiterInnenklasse. Daher bleiben bei ihr die politischen Konsequenzen und die unvermeidliche Zuspitzung der Lage eher vage, während unsere internationale Strömung die derzeitige Periode als eine Krise historischen Ausmaßes charakterisiert, die die Frage von Revolution oder Konterrevolution in zugespitzten Situationen immer akuter auf die Tagesordnung stellt.

Lage und Führungskrise der ArbeiterInnenklasse

Anschließend an ihre Analyse der objektiv wirtschaftlichen und politischen Weltlage stellt die FT in ihrem Manifest auch die Frage in den Mittelpunkt, wieso diese in der derzeitigen Lage entstandenen revolutionären Möglichkeiten von der ArbeiterInnenklasse nicht genutzt werden. Das Manifest stellt hierbei fest, dass zwar die objektiven Gegebenheiten für eine revolutionäre Entwicklung existieren, die die Kämpfe der ArbeiterInnenklasse immer mehr in den Mittelpunkt sozialer Auseinandersetzungen stellen, jedoch die subjektiven Voraussetzungen – v. a. eine revolutionäre Führung der ArbeiterInnenklasse – fehlen.

Diese Führungskrise der ArbeiterInnenklasse erklärt das Manifest mit einer aus seiner Sicht noch nie dagewesenen Fragmentierung der ArbeiterInnenklasse. Dies verkörpere sich durch das konterrevolutionäre Handeln der Gewerkschaftsbürokratie.

„Die Rückkehr der ArbeiterInnenbewegung auf die Bühne und das Anhalten der weltweiten Krise setzen die Perspektive größerer Auseinandersetzungen der Klassen auf die Tagesordnung. Doch trotz der Kampfbereitschaft, die die ArbeiterInnen weltweit zeigen, haben sie an der Spitze ihrer Organisationen immer noch Gewerkschaftsbürokratien, deren Aufgabe es ist, diese Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen und der Massen gegen die KapitalistInnen und ihre Regierungen zurückzuhalten.“ (33)

Auch wenn wir durchaus zustimmen, dass die Gewerkschaftsbürokratie den Klassenkampf hemmt und gerne auch verrät, ist dies doch nur eine Seite der Medaille der Führungskrise der ArbeiterInnenklasse. Die andere Seite – die politischen Kampforgane der Klasse in Form der reformistischen ArbeiterInnenparteien und ihrer historischen Entwicklungen – stellt das Manifest als Grund für die Fragmentierung der Klasse, jedoch nicht als deren Verkörperung dar:

„Diese Krise der ArbeiterInnenbewegung hat seine tiefen Wurzeln in den revolutionären und konterrevolutionären Prozessen des 20. Jahrhunderts, unter ihnen die Bürokratisierung der Sowjetunion und die Durchsetzung des Stalinismus als ‚real existierender Sozialismus‘, und die Bewahrung der Sozialdemokratie als reformistische Führung der ArbeiterInnenbewegung im Westen nach dem Zweiten Weltkrieg“ (34).

Auch wenn wir hier der Analyse nicht widersprechen, dass der Stalinismus sowie die Sozialdemokratie einen erheblichen Beitrag dazu geleistet haben, die ArbeiterInnenbewegung in eine Krise zu stürzen, begeht die FT einen interessanten und, wie wir im Folgenden näher ausführen werden, weitreichenden Fehler.

Für sie stellen die Sozialdemokratie sowie der Stalinismus (vom Maoismus als Variante des letzteren spricht das Manifest erst gar nicht) nur den Grund für die Krise der ArbeiterInnenklasse dar. Die Verkörperung und den Ausdruck dieser Krise bildet ihrer Meinung nach nur die Gewerkschaftsbürokratie. Die reformistischen Spielarten innerhalb der ArbeiterInnenbewegung und ihrer historisch-politischen Kampforgane stehen hierbei auf unterschiedlicher Stufe. Diese Analyse impliziert, dass man sich den reformistischen Parteien der Klasse nicht in dem Maße widmen  muss wie den ökonomischen Organen der Klasse – den Gewerkschaften, stellen diese doch den alleinigen Ort dar, an welchem sich eine Führungskrise verkörpert und somit auch angegangen und geändert werden kann. Dieser Ökonomismus der FT hat schwerwiegende Folgen, wenn es um Taktiken und Strategien gegenüber den reformistischen Parteien und neuen politischen Umgruppierungsphänomenen innerhalb der ArbeiterInnenklasse geht.

Aber auch dann, wenn wir bei den Gewerkschaften bleiben, müssen wir uns die Frage stellen, wo diese Gewerkschaftsbürokratie herkommt und wie sie überhaupt entstehen kann. Das FT-Manifest gibt hier leider keine Antwort. Anstatt eine marxistische Analyse der objektiven Grundlagen für die Bürokratie zu geben, wird die ArbeiterInnenklasse von der FT nur in zwei unterschiedliche, nicht näher definierte Teile aufgeteilt: einen prekären Teil der ArbeiterInnenklasse und einen privilegierten Teil der ArbeiterInnenklasse, welcher auf Kosten des ersten Teils seine bessere Stellung innerhalb der Gesellschaft erhält.

„Dennoch entwickelte sich dieser Prozess (eine Neuzusammensetzung der weltweiten ArbeiterInnenklasse, Anm. des Autors) Hand in Hand mit einem enormen Anstieg der Zersplitterung. Zusätzlich zu der traditionellen Spaltung der ArbeiterInnenklasse durch das Kapital zwischen der ArbeiterInnenklasse imperialistischer Länder und der Halbkolonien, sind weitere hinzugekommen, die gemeinsam mit der Ausbreitung von Langzeitarbeitslosigkeit zur Entstehung von ArbeiterInnen ‚zweiter Klasse‘ (…) führte, die fast die Hälfte der weltweiten ArbeiterInnenklasse ausmachen. Im Gegensatz dazu steht ein privilegierter Sektor der ArbeiterInnenklasse mit Gewerkschaftsbindung, Löhnen und Arbeitsbedingungen oberhalb des Durchschnitts.“ (35)

Wir wiederum geben in unseren programmatischen Schriften eine klare Analyse der Entstehung der  ArbeiterInnenaristokratie sowie der Bürokratie wieder. So schreiben wir im „Trotzkistischen Manifest“ Folgendes:

„Im Wesentlichen werden Gewerkschaften von einer reformistischen Bürokratie dominiert, die sich in den imperialistischen Ländern während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aus der Arbeiteraristokratie entwickelte und sich vor allem auf die organisierten Facharbeiter stützte. In vielen Halbkolonien entstand ebenfalls eine Bürokratie, auch hier aus der Arbeiteraristokratie. Doch ist sie kleiner und genießt weniger materielle Privilegien als die der imperialistischen Länder. Sie wurde von bürgerlich-nationalistischen oder reformistischen Kräften gefördert, die sich so eine soziale Basis zu sichern hofften (wie in Mexiko und Argentinien). In anderen Ländern, wo sich entweder noch keine Arbeiteraristokratie entwickelt hat oder diese noch zu schwach ist, um die Gewerkschaften oder reformistische bzw. nationalistische Parteien zu beeinflussen, entstand eine reformistische Bürokratie oft durch Verbindungen mit der internationalen Gewerkschaftsbewegung und durch die materielle Hilfe der Bürokratien in den imperialistischen Ländern.

Die Gewerkschaftsbürokratie ist eine besondere Kaste, die ihre Position und ihre materiellen Privilegien (wie gering sie auch immer sein mögen) ihrer Rolle als Unterhändler im Klassenkampf zwischen den Arbeitern und ihren Bossen verdankt. Ihre privilegierte Position geht oft einher mit ihrer Einbindung in untere Ebenen des kapitalistischen Staates. Um diese Positionen aufrechtzuerhalten, hat sie ein objektives Interesse an der Erhaltung des Systems der Klassenausbeutung und beschränkt und verrät daher die Klassenkämpfe. Sie handelt also als Feldwebel der Kapitalisten in der Arbeiterklasse und ist ein verschworener Feind des militanten Klassenkampfes und einer echten Arbeiterdemokratie.“ (36)

Dass diese privilegierten Schichten der ArbeiterInnenklasse auch die objektive Basis der Bürokratie innerhalb der reformistischen ArbeiterInnenparteien darstellen und somit die „Verkörperung“ der Führungskrise nicht nur in den Gewerkschaften, sondern auch in den politischen Kampforganen der Klasse auftritt und davon unmöglich zu trennen ist, kann von der FT leider auf Grund ihres oben erklärten Ökonomismus nicht verstanden werden. Es verwundert daher auch nicht, dass dazu nichts in ihrem Manifest zu finden ist.

Wir lassen hier unser Manifest sprechen, um die Verbindung zwischen der reformistischen Sozialdemokratie und der oben erklärten ArbeiterInnenaristokratie zu beschreiben:

„Seit langem hat die imperialistische Bourgeoisie ihre Ressourcen dazu verwendet, Spaltungen im Proletariat zu fördern und sogar die Existenz einer privilegierten Schicht, der ‚Arbeiteraristokratie‘, deren Lebensstandard wesentlich höher als der der Arbeitermassen war, zu akzeptieren. Dieser Teil der Arbeiterklasse bildete die hauptsächliche Grundlage für eine ‚Arbeiterbürokratie‘, deren Rolle es war, mit dem Kapital zu verhandeln, und deren spontane politische Auffassung daher die Klassenzusammenarbeit war.

1914 wurden die proletarischen Massenparteien Europas bereits von der Politik der Kollaborateure beherrscht. Dies stimmte sowohl für Parteien wie die britische Labour Party, die seit ihrer Gründung eine reformistische Partei war, als auch für die sozialdemokratischen Parteien, die formal am Marxismus festhielten. Im Verrat der Zweiten (Sozialistischen) Internationale an der Arbeiterklasse fand diese Entwicklung ihren Höhepunkt. 1914 rührten sie die Werbetrommel für den imperialistischen Krieg. Als dann die Welle von Revolutionen durch Europa fegte (1917 – 23), stellten sie sich offen auf die Seite der bürgerlichen Konterrevolution gegen die arbeitenden Massen.

So nahm die Sozialdemokratie ihre grundlegende Gestalt an. Sie wurde strategisch an die kapitalistische Ökonomie und den kapitalistischen Staat, wenn auch in den idealisierten Formen des Staatskapitalismus und der bürgerlichen Demokratie, gebunden. Dies war sogar dort der Fall, wo der Kapitalismus noch keine voll entwickelten Arbeiteraristokratien und -bürokratien herausgebildet hatte. In Rußland zum Beispiel waren die Menschewiki, die für eine lange Periode der bürgerlichen Demokratie als einer notwendigen Entwicklungsstufe argumentierten, gegen die proletarische Revolution und ergriffen sogar die Waffen gegen sie. Direkte Aktion und militärische Gewalt waren für die Reformisten Mittel, die nur gegen die Gegner des bürgerlich-demokratischen Ziels verwendet werden konnten, niemals jedoch, um die Gegner der Arbeiterklasse zu schlagen.” (37)

Wie oben angesprochen, muss, wenn über die Überwindung der Führungskrise des Proletariats gesprochen werden soll, über beide Formen der Organisierung der ArbeiterInnenklasse – Gewerkschaften wie Parteiformationen – gesprochen werden. Beide Strömungen heben richtigerweise die verräterische Rolle der Gewerkschaftsbürokratie und die Notwendigkeit des Aufbaus klassenkämpferischer Basisoppositionen, welche der Gewerkschaftsbürokratie die Führung über die Gewerkschaften streitig machen sollen, hervor.

Jedoch geht das Manifest der FT nicht dazu über, Lösungsansätze zu entwickeln, wie dieser Kampf innerhalb der ökonomischen Kampforganisationen der ArbeiterInnenklasse mit einem Kampf um die politische Führung der ArbeiterInnenklasse verbunden werden kann. Außer dem Ansprechen der Notwendigkeit des Aufbaus unabhängiger, revolutionärer ArbeiterInnenparteien sowie der Anwendung von Einheitsfronten zur Überwindung der Fragmentierung innerhalb der Klasse lässt das Manifest die LeserInnen vollkommen im Unklaren, welche strategischen und taktischen Züge angewendet werden sollen. Es lässt die Fragen außer Acht, wie der Bruch der ArbeiterInnenklasse mit ihren reformistischen Führungen in den Parteien und Gewerkschaften herbeigeführt und beschleunigt werden kann, um die Führungskrise zu überwinden.

Um den Aufbau revolutionärer Organisationen näher zu untersuchen und unser Verständnis des Parteiaufbaus dem der FT gegenüberzustellen, müssen wir uns erst einmal näher damit auseinandersetzen, wie überhaupt revolutionäres Bewusstsein in der Klasse entstehen kann.

Bewusstsein

Der höchste Ausdruck des Bewusstseins und der Erfahrung der ArbeiterInnenklasse lasse sich „in den ersten vier Kongressen der III. Internationale vor ihrer stalinistischen Degeneration und danach in der von Trotzki gegründeten Vierten Internationale.“ (38) finden. Den Grund für ihre Degeneration und Zersplitterung erklärt sich das FT-Manifest folgendermaßen:

„Dennoch verwandelte sich die Vierte Internationale, die eine Alternative zum Stalinismus und die Kontinuität des revolutionären Marxismus darstellte, anders als von Trotzki vorhergesagt, nicht in eine Massenorganisation. Eine Vielzahl von Faktoren, darunter die Ermordung Trotzkis, das widersprüchliche Resultat des Krieges – das der stalinistischen Bürokratie durch ihren Sieg gegen die Nazis neues Ansehen verlieh – die Blockade der revolutionären Dynamik in den zentralen Ländern und das Erstarken des Reformismus auf der Basis des teilweisen Wachstums der Produktivkräfte, die durch die vorhergegangene massive Zerstörung des Krieges ermöglicht wurde, bewirkten, dass der Trotzkismus marginal blieb und sich dem reformistischen, stalinistischen und „drittweltlerischen“ Druck ausgesetzt sah.“ (39)

Wir erkennen die im Manifest angesprochenen Faktoren ebenfalls als geschichtliches Korsett an, in welchem sich die Degeneration des Trotzkismus während der Nachkriegszeit abspielte. In dieser Analyse fehlt uns jedoch die kritische Aufarbeitung der Fehleinschätzungen Trotzkis, welche zu seiner Annahme führten, die stalinistischen sowie sozialdemokratischen Parteien würden sich in einer revolutionären Periode nach dem 2. Weltkrieg in den Augen der ArbeiterInnenklasse diskreditieren.

Trotzki ging in seiner Analyse davon aus, dass sich das Ende des 2. Weltkrieges zu einer Periode revolutionärer Bürgerkriege entwickeln würde, wie es sich am Ende des 1. Weltkrieges abgespielt hatte. Diese Periode würde den Organisationen der 4. Internationale ermöglichen, zu wirklichen Massenorganisationen der Klasse anzuwachsen, ähnlich den Organisationen der Komintern im Anschluss an den 1. Weltkrieg. Das Manifest spricht diese Fehleinschätzung Trotzkis jedoch nicht an, sondern spricht nur von einem „widersprüchlichen Resultat des Krieges“. (40) Daher zieht die FT  zwar den  richtigen, aber auch verkürzten Schluss, dass der „Trotzkismus marginal blieb und sich dem reformistischen, stalinistischen und „drittweltlerischen“ Druck ausgesetzt sah“ (41), ohne jedoch die Auswirkungen dieser Marginalisierung auf die schlussendliche Degeneration des Trotzkismus wirklich zu beschreiben. Sie spricht zwar an, dass sich der Trotzkismus in der Periode von 1951 – 1953 in eine zentristische Bewegung verwandelt habe; was sie jedoch unter diesem Zentrismus versteht und was ihrer Meinung nach die Auswirkungen und Anpassungen „an die stalinistischen, nationalistischen oder kleinbürgerlichen Führungen von Tito, Mao und Castro bis zur algerischen FLN (Front de Libération Nationale, Nationale Befreiungsfront)“ (42) darstellen, wird im Manifest nicht deutlich. Sie vergisst hierbei auch die starken Annäherungen vieler trotzkistischer Strömungen an die sozialdemokratischen sowie stalinistischen/maoistischen Führungen.

Obwohl die FT die Degeneration der 4. Internationale sieht, fand ihrer Meinung nach dies in einem Rahmen statt „der von dem Bruch der revolutionären Tradition geprägt war, (…) einige korrekte Auseinandersetzungen und programmatische Errungenschaften statt, die gewisse Fäden der Kontinuität aufrechterhielten, auch wenn diese sich immer weiter verdünnten, bis sie während der neoliberalen Offensive und der kapitalistischen Restauration fast rissen.“ (43)

Die Leser dürften sich hierbei jedoch wundern, wie korrekte Auseinandersetzungen und programmatische Errungenschaften erzielt werden können, wenn die gesamte Entwicklung vom Bruch der revolutionären Tradition geprägt war. Dieser Widerspruch wird auch nicht aufgehoben, indem sich die FT über die von ihr angesprochenen kontinuierlichen Fäden ausschweigt. Auch in einem weiteren Text von Emilio Albamonte (44), in welchem sich die FT das letzte Mal ausgiebiger mit der Frage des Wiederaufbaus der 4. Internationale beschäftigte, kann nichts über die von ihr angesprochenen „Fäden“ gefunden werden. Es wäre jedoch sehr hilfreich zu erfahren, was sich die FT unten diesen Fäden der Kontinuität vorstellt, da diese doch für ihr Konzept des „Wiederaufbaus der 4. Internationale“ wichtige Leitsätze darstellen und somit in einer „Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution (Vierte Internationale)“ debattiert werden sollten, sofern sie überhaupt existieren sollten.

Wir haben längere theoretische Artikel unserer Analyse der Degeneration des Trotzkismus gewidmet, die grundlegende Positionen unserer internationalen Strömung wiedergeben. Diese Artikel sind in der Broschüre „Der Letzte macht das Licht aus“ zu finden und werden hier nicht weitergehend ausgeführt (45). Wir verweisen jedoch auf unser Programm, um kurz und bündig unsere Position der Degeneration der IV. Internationale zu erläutern und warum wir es für nötig erachten, die Wiedererarbeitung und somit den Aufbau einer neuen Internationalen anzugehen:

„Während unser Programm in seinem Zentrum ähnlich dem Programm von 1938 ein zugespitztes Aktionsprogramm enthält, ist es heute aber auch notwendig, Probleme anzusprechen, die in diesem Dokument nicht behandelt wurden. Als wiedererarbeitetes Programm muß es der Tatsache ins Auge sehen, daß die Kontinuität der marxistischen Bewegung 1951 mit der Degeneration der Vierten Internationale in den Zentrismus unterbrochen wurde. Eine Periode von vier Jahrzehnten ist seit dieser Degeneration verstrichen. Die Fragen der Perspektiven, der Taktik und der Strategie wurden während dieser vierzig Jahre niemals in einer revolutionären Weise analysiert, geschweige denn in einem konsequent revolutionären Programm beantwortet.“ (46)

Es reicht jedoch nicht darzulegen, wie die höchste Form des Bewusstseins ausgesehen hat und wie sie verloren wurde. RevolutionärInne müssen auch darlegen, wie ein solches wieder in die Klasse getragen werden kann.

In der kapitalistischen Gesellschaft – wie in jeder anderen Gesellschaft auch – muss das grundlegende Bewusstsein das der herrschenden Klasse sein, weil sich ansonsten eine Gesellschaft, in welcher sich eine kleine Minderheit als herrschende Klasse der Mehrheit der Gemeinschaft gegenüberstellt, als nicht stabil erweisen würde. Hierzu zitieren wir aus Lenins Werk „Was tun? – Brennende Fragen unserer Bewegung“, wo er anhand eines Kautskyzitats hervorragend herausarbeitet, wie ein sozialistisches Bewusstsein nicht aus der proletarischen Klasse selbst entstehen kann, sondern in sie hineingetragen werden muss:

„Denn es heißt da: ‚Je mehr die Entwicklung des Kapitalismus das Proletariat anschwellen macht, desto mehr wird es gezwungen und befähigt, den Kampf gegen ihn aufzunehmen. Es kommt zum Bewußtsein der Möglichkeit und Notwendigkeit des Sozialismus etc. In diesem Zusammenhang erscheint das sozialistische Bewußtsein als das notwendige direkte Ergebnis des proletarischen Klassenkampfes. Das ist aber falsch. Der Sozialismus als Lehre wurzelt allerdings ebenso in den heutigen ökonomischen Verhältnissen wie der Klassenkampf des Proletariats, entspringt ebenso wie dieser aus dem Kampfe gegen die Massenarmut und das Massenelend, das der Kapitalismus erzeugt; aber beide entstehen nebeneinander, nicht auseinander, und unter verschiedenen Voraussetzungen. Das moderne sozialistische Bewußtsein kann nur erstehen auf Grund tiefer wissenschaftlicher Einsicht. In der Tat bildet die heutige ökonomische Wissenschaft ebenso eine Vorbedingung sozialistischer Produktion wie etwa die heutige Technik, nur kann das Proletariat beim besten Willen die eine ebensowenig schaffen wie die andere; sie entstehen beide aus dem heutigen gesellschaftlichen Prozeß. Der Träger der Wissenschaft ist aber nicht das Proletariat, sondern die bürgerliche Intelligenz (hervorgehoben von K. K.); in einzelnen Mitgliedern dieser Schicht ist denn auch der moderne Sozialismus entstanden und durch sie erst geistig hervorragenden Proletariern mitgeteilt worden, die ihn dann in den Klassenkampf des Proletariats hineintragen, wo die Verhältnisse es gestatten. Das sozialistische Bewußtsein ist also etwas in den Klassenkampf des Proletariats von außen Hineingetragenes, nicht etwas aus ihm urwüchsig Entstandenes.“ (47)

Auch wenn sich die FT in ihrem Manifest zur Fragestellung des Bewusstseins der Klasse ausschweigt, äußert sie sich an einer anderen Stelle dazu äußerst antileninistisch, ganz im Gegensatz zum typisch formal-orthodoxen Gewand der FT-GenossInnen. Sie stellt sich gegen Lenin und behauptet, revolutionäres Bewusstsein muss nicht nur von außen in die Klasse getragen werden, sondern kann auch spontan aus ihr selbst heraus entstehen. Hierbei versuchen sie Trotzki als Unterstützer dafür zu verwenden und machen den Revisionismus perfekt:

„Trotzki wird ein Fortführer des ‚reifen‘ Bolschewismus sein, der nach der Erfahrung mit den ersten ArbeiterInnenräten 1905 die These aus ‚Was tun?‘ von Lenin korrigierte, nach der das Klassenbewusstsein nur ‚von außen‘ in die ArbeiterInnenbewegung hereingetragen werden könne. Was die Beziehung zwischen Sowjet und Partei angeht, sagte er, auf die Erfahrungen der russischen Revolution gestützt: ‚Es wäre ein offener Fehler, die Stärke der bolschewistischen Partei mit der Macht der von ihr geleiteten Sowjets zu identifizieren: die letztere war um vieles beträchtlicher, jedoch ohne die erste hätte sie sich in Ohnmacht verwandelt.‘ Davon ausgehend wurde er ein überzeugter Anhänger der Idee einer leninistischen Kampfpartei.“ (48)

Die FT als internationale Strömung beweist hier ein schlechtes Verständnis von historischen Prozessen und ihren Analysen. Sie wirft hier zwei unterschiedliche historische Zeiten und Umstände durcheinander, stellt diese gegeneinander und versucht dadurch, ihren antileninistische Kurs in Bezug auf die Bewusstseinsbildung und damit im Umkehrschluss ihre Passivität und ihr Sektierertum im politischen Klassenkampf gegenüber reformistischem und zentristischem Bewusstsein innerhalb der ArbeiterInnenklasse zu rechtfertigen. Wenn revolutionäres Bewusstsein auch spontan aus der Klasse entstehen kann, muss der politische Kampf gegenüber den Teilen, die am meisten der Entstehung von revolutionärem Bewusstsein entgegenarbeiten, auch nicht aufgenommen werden. Die Passivität wird somit entschuldigt und man versucht mit Hilfe von Trotzkizitaten  dies in ein „revolutionäres“ Gewand zu hüllen.

Lenin schrieb, wie oben schon angesprochen, im Jahre 1902. In dieser Zeit stellten die revolutionären Kräfte in Russland die Minderheit dar und mussten sich im Kampf gegen reformistische und kleinbürgerliche Einflüsse auf das Bewusstsein der ArbeiterInnen vorbereiten. Er entwickelte eine Antwort darauf, wie marginalisierte RevolutionärInnen in Russland 1902 (vergleichbar mit der Situation von RevolutionärInnen in der heutigen Zeit) ohne starke Verankerung in der ArbeiterInnenklasse revolutionäres Bewusstsein schaffen und dieses in die Klasse tragen und dort verankern könnten.

Das von der FT verwendete Zitat von Trotzki um gegen Lenin ins Gefecht zu ziehen, stammt aus „Die Geschichte der Russischen Revolution“ (49)  und beschäftigte sich mit dem Verhältnis zwischen der bolschewistischen Partei und den in den russischen Sowjets organisierten ArbeiterInnen im Zuge des Oktoberaufstandes 1917,  einer Zeit, in welcher die Bolschewiki im langen und zähen Kampf reformistisches und kleinbürgerliches Bewusstsein – verkörpert in Form der Menschewiki, Sozialrevolutionären, etc. – innerhalb der russischen ArbeiterInnenklasse bekämpften und die Führung in der russischen ArbeiterInnenklasse erobern konnten, was schlussendlich den Ausdruck eines hohen Grades an revolutionärem Bewusstsein innerhalb der russischen ArbeiterInnenklasse darstellte. In einer solchen Situation, in welcher die ArbeiterInnen revolutionäres Bewusstsein erlangt haben, es Massenorgane der Klasse gibt, die es der Klasse ermöglichen, eine Klasse für sich selbst zu sein und ihre Leitung selbst in die Hand zu nehmen, kann durchaus davon ausgegangen werden, dass revolutionäres Bewusstsein auch selbst aus der Klasse heraus vorangetrieben und aufrechterhalten werden kann. Trotzki jedoch in den Mund legen zu wollen, er hätte damit grundlegend die These von Lenin korrigiert, ist ein unhaltbarer revisionistischer Fehler von Seiten der FT-GenossInnen und auch historisch-materialistisch nicht sauber durchdacht – werfen sie doch hier zwei, historisch und objektiv, betrachtet unterschiedliche Situationen durcheinander, in welchen sich die russischen RevolutionärInnen jeweils befanden.

Das FT-Zitat muss man schon an den Haaren herbeiziehen, um Lenins Konzeption aus „Was tun?“ zu „korrigieren“. Trotzki sagt lediglich, dass für eine siegreiche Revolution eine revolutionäre Partei und eine in Doppelmachtstrukturen organisierte Gesamtklasse erforderlich seien. Aber auch hier muss die Partei führen, sonst verpufft die Revolution. Sie muss für ihr Programm, das Ziel der Diktatur des Proletariats Mehrheiten in den Räten finden. Das kann nur erfolgreich sein, wenn sie es in Taktik übersetzt und in die Doppelmachtorgane hineinträgt. Misslingt dies, scheitert die proletarische Revolution!

Es war der junge Trotzki, nicht der „reife“, der Lenins Organisationskonzept 1904 in „Unsere politischen Aufgaben“ als substitutionalistisches kritisierte, in dem die Organisation der Berufsrevolutionäre so hingestellt wird, als solle sie eine „jakobinische Diktatur“ über die ArbeiterInnenklasse ausüben, sie als revolutionäres Subjekt ersetzen (50).

Isaac Deutscher unterzieht Trotzkis Schrift einer gründlichen Kritik (51). Der „reife“ Trotzki selbst schreibt zu dieser Kontroverse mit Lenin:

„Aus dieser meiner Empörung ergab sich der Bruch mit Lenin auf dem zweiten Kongreß. Sein Verhalten erschien mir unzulässig, schrecklich, empörend. Es war aber dennoch politisch richtig, folglich auch organisatorisch notwendig. Der Bruch mit den Alten, die in der vorbereitenden Periode verharrten, war auf jeden Fall unvermeidlich. Lenin hatte dies früher als die anderen erkannt…Meine Trennung von Lenin erfolgte also gleichsam auf ‚moralischem‘, ja sogar auf persönlichem Gebiet. Doch schien es nur äußerlich so. Im Grunde hatte unser Auseinandergehen einen politischen Charakter, der nur auf organisatorischem Gebiet nach außen durchbrach…Der Leninsche Zentralismus ergab sich für mich noch nicht aus einer klaren, selbständig durchdachten revolutionären Konzeption…In jenen noch ziemlich unklaren Stimmungen, die sich um die Fahne der ‚Iskra‘ gruppierten, vertrat Lenin voll und restlos den morgigen Tag mit all seinen ernsten Aufgaben, grausamen Zusammenstößen und unzähligen Opfern.“ (52)

Und in „Die permanente Revolution“ stellt er den Zusammenhang zwischen seinem Versöhnlertum mit dem Menschewismus und seiner Überbewertung revolutionärer Massenspontaneität, damit aber auch der Unterschätzung der Rolle der revolutionären Partei her:

„Mein Versöhnlertum entstammte einem gewissen sozial-revolutionären Fatalismus. Ich glaubte, die Logik des Klassenkampfes werde beide Fraktionen zwingen, die gleiche revolutionäre Linie zu verfolgen. Mir war damals der große historische Sinn der Haltung Lenins noch unklar, seiner Politik der unversöhnlichen geistigen Abgrenzung und, wenn nötig, Spaltung zum Zwecke der Vereinigung und Stählung des Rückgrates der wahrhaft proletarischen Partei…Indem ich die Einheit um jeden Preis anstrebte, mußte ich unwillkürlich und unvermeidlich die zentristischen Tendenzen im Menschewismus idealisieren.“ (53)

Eine Neuauflage von „Unsere politischen Aufgaben“ wurde ausdrücklich nicht in die russische Ausgabe von Trotzkis Werken übernommen, er hat dies nicht autorisiert. (54)

Trotzkis grundlegender Wandel in der Übernahme der leninistischen Parteikonzeption ab 1917 wird auch an anderer Stelle belegt (55) und lässt an der Kritik der FT kein Haar übrig. Vielmehr ist es ihr workeristisches Parteiverständnis, sodass sie die Kritik am Trotzki von 1904 und 1915 („Unsere politischen Aufgaben“, „Der Kampf um die Macht“) auf sich selbst beziehen müsste.

Kontinuität und Wandel in der leninistischen Parteikonzeption sehen wir wie folgt:

„Lenins Auffassung zur Organisationsfrage und der Rolle der Avantgardepartei legte den Grundstein für eine Politik, die in ihrer Einschätzung der Entwicklung von Bewusstsein, in der steten Auseinandersetzung mit dem vorherrschenden Bewusstsein in der Arbeiter/innen/schaft und gegen den menschewistischen Opportunismus, in der Lage war, eine Organisation herauszubilden, die – bei zahlreichen Fehltritten – schließlich 1917 zur Führung der Revolution in der Lage war. Was tun? Kennzeichnet dabei keineswegs die ‚Leninsche Parteiauffassung’…Lenins Verhältnisbestimmung von umfassenden Arbeiter/innen/organisationen und revolutionärer Organisation änderte sich entsprechend der veränderten Bedingungen, ohne die prinzipielle Notwendigkeit der bewussten Führung durch die fortgeschrittensten Elemente der Klasse über Bord zu werfen.“ (56,)

Was ist jedoch die praktische Schlussfolgerung daraus? Obwohl die FT ebenfalls von der Fragmentierung der ArbeiterInnenklasse sowie der Marginalisierung der RevolutionärInnen spricht, begeht sie dennoch den Fehler, Lenin zu „korrigieren“ und behauptet, dass revolutionäres Bewusstsein nicht von außen in die Klasse getragen werden, sondern dies durch die Organisierung der ArbeiterInnenavantgarde von innen geschehen muss.

Auch wenn sie nicht klar darstellt, wie nun genau revolutionäres Bewusstsein ihrer Meinung nach entstehen kann, ist es wichtig, an diesem Punkt ihre antileninistische Position aufzuzeigen und vor allem zu unterstreichen, was diese Aussage impliziert. Sie impliziert, dass revolutionäres Bewusstsein aus der Klasse selbst entstehen kann. Das bedeutet auch, dass es  nicht als notwendig erachtet wird, den Kampf und die Auseinandersetzung mit reformistischen und zentristischen Strömungen innerhalb der Klasse zu suchen, voranzutreiben und zuzuspitzen. Diese Einflüsse können links liegen gelassen werden, während man sich selbst im Sektierertum suhlt. Es wird stattdessen passiv auf einen spontan-revolutionären Sektor in der ArbeiterInnenklasse gewartet, welcher noch nie in Berührung mit reformistischen oder zentristischen Organisationen der Klasse gekommen und von diesen „unabhängig“ ist. Die deutsche Sektion der FT – die Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO) – sieht in dieser Logik diese spontan-revolutionäre Vorhutschicht derzeit vor allem  in den ArbeiterInnen von Amazon oder dem Botanischen Garten in Berlin, welche auf ihrem unbewussten Weg zu revolutionärem Bewusstsein unterstützt und auf ihre Fusion mit der revolutionären Organisation/Partei vorbereitet werden sollen.

Wie windet sich jedoch die FT nun aus dieser antileninistischen Analyse heraus, um sich weiter trotzkistisch-revolutionär zu geben? Anstatt einen Fokus auf das Bewusstsein der Klasse zu setzen und Strategien und Taktiken anzuwenden, welche notwendig sind, um die unweigerliche reformistische und zentristische Prägung ihres Bewusstseins herauszufordern, fokussiert sich die FT in ihrem Manifest wie auch in ihren theoretischen Schriften mehr auf die Hegemonie des Kapitals, welche die Klasse im Griff hält, statt auf das vorherrschende proletarische Bewusstsein.

Avantgarde – was ist das?

Wenn von einer Führungskrise gesprochen wird, muss auch ausgeführt werden, was eigentlich zur Überwindung dieser Krise geschehen muss und dadurch erreicht werden soll. Als Organisationen mit revolutionärem Anspruch stellt der Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei für die FT wie auch für unsere internationale Strömung das notwendige Mittel zur Lösung der proletarischen Führungskrise dar. Wir schreiben hierzu in unserem Trotzkistischen Manifest:

„Sogar in seiner Todeskrise wird der Kapitalismus nicht von selbst verschwinden. Er muß bewußt durch die Arbeiterklasse gestürzt werden. Dazu ist die Bildung einer neuen revolutionären Vorhut notwendig, die einen bewußten strategischen Plan, ein Programm und eine proletarische Avantgardepartei braucht.“ (57)

Was ist jedoch diese ominöse Avantgarde? Wie wird eine solche Avantgardepartei aufgebaut? Besteht sie nur aus den schon „revolutionären“ Teilen der Klasse oder gibt es Teile der ArbeiterInnenbewegung, welche eine gewisse Avantgardeposition einnehmen, obwohl sie (noch) nicht voll von einem revolutionären Programm überzeugt sind oder es sich selbst erarbeitet haben? Da in unserem Programm wie auch im Manifest der FT von Avantgarde gesprochen wird, ist es wichtig zu verstehen, wie die unterschiedlichen Organisationen den Begriff der Avantgarde fassen. Wir haben hierzu in unserer letzten RM-Ausgabe einen Artikel mit einer kurzen Analyse und Beschreibung unseres Verständnisses von Avantgarde veröffentlicht (58).

Von Seiten der FT ist uns aus ihrem Manifestvorschlag sowie aus ihren theoretischen Schriften und Publikationen wenig Konkretes über ihr Verständnis von Vorhut bekannt. Daher bleibt uns nichts anderes übrig, als Vermutungen darüber anzustellen, was für sie die Avantgarde der Klasse darstellt, und zu versuchen, diese Vermutung mit ihrer Praxis zu belegen. Aufgrund ihrer morenistischen Vergangenheit (59) liegt es nahe, sich zuerst mit dem Avantgardekonzept von Moreno auseinanderzusetzen und zu untersuchen, inwiefern dieses Konzept von der FT noch geteilt wird.

Moreno entwickelt einen sehr einseitigen, verkürzten Begriff von Avantgarde der Klasse. Sie entsteht in den einzelnen Kämpfen und Auseinandersetzungen des Klassenkampfes und verschwindet wieder, wenn diese nachlassen. Diese Avantgarde verlässt die Kämpfe entweder und hört damit auf, eine solche zu sein, oder sie schließt sich einer Partei oder Organisation an. Nur wenn sie sich einer revolutionären Organisation/Partei anschließt, stellt sie weiterhin die Avantgarde dar. Sollte sie sich einer reformistischen, populistischen, etc. Organisation anschließen, verliert sie ebenfalls ihren Avantgardecharakter. Was an dieser Aussage bzw. Charakterisierung von Moreno unserer Meinung nach richtig ist, ist, dass wir von einer bewusst revolutionären Klassenvorhut nur dann sprechen können, wenn sie sich in einer revolutionären Partei – einer bolschewistischen Partei – zusammenschließt. Nur dann ist die Avantgarde dazu in der Lage, ihre historische Aufgabe zu erfüllen, die ArbeiterInnenklasse als Ganze und alle Unterdrückten im Kampf gegen das bürgerliche System anzuführen und die Bildung der Diktatur des Proletariats anzuleiten.

Aber auch dann reicht es nicht aus, wenn die Avantgarde dies über sich selbst weiß. Damit die revolutionäre Partei als Partei der Avantgarde wirken kann, muss sie den rückständigen Teilen der Klasse in der Praxis beweisen können, Kämpfe anführen zu können, die Rolle der Avantgarde auch wirklich auszufüllen. Eine alleinige Proklamation zur Avantgarde (wie z. B. von den stalinistischen Parteien ab Beginn der „3. Periode“) reicht nicht aus. Die Avantgarde stellt eine Beziehung zur der Klasse dar, nicht nur eine Eigenschaft.

Wir erkennen natürlich, dass in jedem Streik Avantgardeelemente entstehen bzw. in Bewegung kommen können, denken jedoch, dass die Charakterisierung Morenos hier viel zu eng gefasst wird und hauptsächlich nur die Teile der Avantgarde einbezieht bzw. auf diese zugehen möchte, welche sich derzeit in ökonomischen Kämpfen befinden. Laut seiner Definition ist die Avantgarde nämlich keine mehr, sobald sie sich einer reformistischen oder zentristischen Organisation/Partei anschließt; somit würden auch ArbeiterInnen anderer politischer Organisationen außer der eigenen oder denen, die als subjektiv revolutionär charakterisiert werden, nicht dazugehören.

Wie oben schon angesprochen, ist das dominante Bewusstsein der ArbeiterInnenklasse im Kapitalismus ein bürgerliches. Auch wenn Kämpfe entstehen, wenn ArbeiterInnen also gezwungen werden, sich zusammenzuschließen, um für ihre direkten Interessen einzustehen, stellt ihr „spontanes“ Bewusstsein eine Form bürgerlichen Bewusstseins dar – ein nur-gewerkschaftliches. Der Reformismus stellt eine Art „Verlängerung“ dieses Bewusstseins in die politische Sphäre der ArbeiterInnenbewegung hinein dar, ist jedoch im Vergleich zum „Nur-Gewerkschaftertum“ einen Schritt weiter, erkennt dieser – auch wenn weiterhin im bürgerlichen Bewusstsein befangen – an, dass die ArbeiterInnenklasse nicht nur den ökonomischen, sondern auch den politischen Kampf gegen den Kapitalismus aufnehmen muss.

Wenn die ArbeiterInnenklasse in Kämpfe gezwungen wird, wird sie generell mit den Widersprüchen der kapitalistischen Gesellschaft konfrontiert und es besteht die Möglichkeit, dass ihr Bewusstsein aufgebrochen wird und Teile der in Bewegung geratenen ArbeiterInnen nicht nur die Widersprüche in der Gesellschaft, sondern auch innerhalb ihres Bewusstsein erkennen und nach revolutionären Lösungen und Antworten suchen. In solchen Situationen bilden die Avantgarde diejenigen, die nicht nur die Kämpfe anführen, sondern auch diejenigen, die „spontan“ dahingehend treiben, die Natur ihrer Auseinandersetzung mit dem System zu verstehen, die danach streben die Probleme, vor denen sie stehen, zu begreifen, ihre Erfahrungen zu vereinheitlichen und, davon ausgehend, anhaltende politische Rückschlüsse zu ziehen.

Es besteht somit nicht nur eine ökonomische oder gewerkschaftliche Avantgarde innerhalb der ArbeiterInnenklasse, sondern es gibt auch politisch bewusstere ArbeiterInnen, welche sich in bestimmten Parteien organisieren oder sich diesen anschließen werden – auch wenn diese reformistisch sind und ihnen keine schlussendlichen Lösungen für ihre aufgeworfenen Fragen geben können. Das Erstarken reformistischer oder „neu-reformistischer“ Kräfte in Europa im Zuge der Wirtschaftskrise zeigt dies deutlich an. Nicht nur suchen die ArbeiterInnen nach einer „spontan“ ökonomischen Antwort auf ihre Fragen, sondern auch nach einer politischen (wenn auch reformistischen) Antwort.

Was sagt nun die FT zu all dem? Wie oben schon erwähnt, gibt es nach unserem Wissen keine Veröffentlichung der FT, in welcher ihr Verständnis von Avantgarde klar und deutlich dargelegt wird (so wie wir es z. B. im RM 47 getan haben), bzw. inwiefern sie sich noch auf die morenistische Definition bezieht, nach ihrem Bruch mit diesem. Beim Lesen ihrer Publikationen, in welchen Begriffe wie „Avantgarde“ auftauchen und ihre derzeitige Lage bzw. Beeinflussung dargestellt werden (60, 61), kann der Eindruck entstehen, sie teile immer noch die Definition Morenos. So können wir in diesen Schriften Passagen finden wie: „(…), wenn Avantgardeschichten auftauchen (…)“, „Der wichtigste Prozess in den imperialistischen Ländern ist die Entstehung neuer ArbeiterInnen- und Jugendavantgarden(…)“, „(…) aus der Verschmelzung der am weitesten entwickelten Schichten der Avantgarde der ArbeiterInnen und Jugend mit dem revolutionären Marxismus.“ (62, Übersetzung des Autors) oder „Das Aufkommen neuer Avantgarden bestehend aus tausenden von AktivistInnen, wirft die Notwendigkeit zur Bildung einer revolutionären Avantgardepartei auf, (…)“ (63, Übersetzung des Autors). All diese Zitate weisen deutlich die Nähe der FT zum morenistischen Avantgardekonzept auf: einer Avantgarde, die in Kämpfen neu entsteht und die Notwendigkeit aufzeigt, eine revolutionäre Partei aufzubauen, welcher sich jene anschließen kann. Politische Formationen der Vorhut bzw. Umgruppierungen dieser werden von der FT nicht als  solche tituliert. Daher unsere Schlussfolgerung – alter morenistischer Wein in neuen „orthodoxen“ FT-Schläuchen.

Was hat dies jedoch für eine Auswirkung auf die Praxis der FT? Wie oben schon erwähnt, führt die morenistische Definition von Avantgarde unweigerlich zur Hervorhebung des ökonomischen Kampfes – in den Ökonomismus. Die politischen Entwicklungen innerhalb der Klasse können somit außer Acht gelassen und nur passiv-propagandistisch bis sektiererisch behandelt werden. Vor allem verbunden mit den oben ausformulierten Unterschieden zur Bewusstseinsbildung zwischen uns und der FT unterstreicht dieser Punkt nur noch deutlicher den tiefsitzenden Ökonomismus und damit Zentrismus der FT und wie, ausgehend von ihrem Avantgardekonzept und Bewusstseinskonzept, ihre Passivität und Sektierertum zu den politischen Entwicklungen innerhalb der Klasse von ihr theoretisch „entschuldigt“ werden.

Kampf für eine revolutionäre Partei – auf welcher Basis?

Wie auch wir bejaht die FT in ihren schriftlichen programmatischen Grundlagen, dass eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei eine Partei der Avantgarde darstellen soll. Auf welcher Basis soll nun aber eine solche Partei aufgebaut werden? Und was haben die oben veranschaulichten Unterschiede im Bezug zur Bewusstseinsbildung und dem Avantgardeverständnis für Auswirkungen auf die Beantwortung dieser Frage?

Für uns ist die Basis einer revolutionären Partei ein revolutionäres Programm. Ein Programm, welches aus den Kämpfen der ArbeiterInnenklasse hervorgeht und, kurz gesagt, die Zusammenfassung kollektiver Erfahrungen darstellt, welche mit Lösungsansätzen und Vorschlägen an Handlungsmöglichkeiten zur Erreichung der gesteckten Ziele – dem revolutionären Umbruch und der Errichtung der Diktatur des Proletariats – verbunden sind. Inwiefern hier praktisch in die Praxis des Klassenkampfes eingegriffen werden kann, hängt vor allem vom Stadium des Parteiaufbaus ab, in welchem sich eine revolutionäre Organisation befindet. Durch die starke Marginalisierung von RevolutionärInnen befinden sich alle derzeit subjektiv als revolutionär verstehende Organisationen im Stadium „kämpfender Propagandagruppen“: einem Stadium, in welchem sich die Sektionen unserer Strömung, aber auch die Sektionen der FT – mit der möglichen Ausnahme der PTS in Argentinien als kleiner Kaderpartei – befinden. In einem solchen Stadium ist die Teilnahme an allen praktischen Aufgaben, welche der Klassenkampf aufwirft, nicht möglich. In diesem Stadium ist es unumgänglich, ein revolutionäres Programm zu erarbeiten (für uns unsere programmatischen Texte), das einerseits propagiert wird und andererseits exemplarisch in allen Ebenen des Klassenkampfes (ökonomisch, politisch und ideologisch) als Anleitung zum Handeln dient. Unser Verständnis einer kämpfenden Propagandagruppe sowie der Methoden und Grundsätze ihrer Organisierung haben wir in unseren „Thesen zu den ersten Stadien des Parteiaufbaus“ sowie den „Methoden und Grundsätze der kommunistischen Organisation“ ausformuliert (64, 65).

Aus einer Polemik von RIO (der deutschen Sektion der FT) geht ihr Verständnis von Programm deutlich hervor (66). Diese Ausformulierung von RIO offenbart ihr Programmverständnis, somit einen weiteren erheblichen Unterschied zwischen unseren beiden Strömungen. Für sie ist es: „(…) überhaupt nicht ausreichend, sich nur mit diesem kurzen Schriftstück (dem geschriebenen Programm (Anmerkung des Autors)) auseinanderzusetzen. Leo Trotzki erklärte immer wieder, dass das ‚Programm‘ einer Organisation sich nicht auf ihre schriftliche Plattform beschränkt, sondern ihre gesamte politische Tätigkeit umfasst. Eine Diskussion ausschließlich auf der Grundlage eines einzigen Programmdokuments lehnte Trotzki als ‚rein formal, leblos, nicht politisch und nicht revolutionär‘ ab.“ (67)

Auch wenn dieses Trotzkizitat fesch daher kommt, ist es doch aus dem Zusammenhang gerissen, da das Programm einer Organisation nur im Stadium einer Partei mit Massenanhang vollkommen in ihrer gesamten politischen Tätigkeit aufgehen und getestet werden kann, in dem eine Organisation die Möglichkeit hat zu jeglichen Fragestellungen, die in einer Gesellschaft auftreten, Stellung zu beziehen und Aktivitäten zu entfalten. Aber auch dann ist die Praxis von der schriftlichen Programmatik, dem Leitfaden für alle Aktivitäten der Partei, abhängig und nicht ihr gleichgestellt, wie die RIO-GenossInnen uns erklären wollen.

Über die Bedeutung des Organisationsprogramms lässt Trotzki keine Zweifel – im Gegensatz zu RIO:

„Das Programm zuerst! Massenorgan? Revolutionäre Aktion? Umgruppierung? Communen überall? Sehr gut, sehr gut…Aber das Programm zuerst! Ihre politischen Pässe, meine Herren! Und bitte keine falschen, die richtigen! Sie haben keine? Dann lassen sie uns zufrieden!“ (68)

„Die Annahme dieses Programms, die durch eine ausführliche vorangegangene Diskussion – oder besser, durch eine ganze Reihe von Diskussionen – vorbereitet und gesichert worden war, ist unsere wichtigste Errungenschaft.“ (69)

Die oben genannte exemplarische Teilnahme am Klassenkampf ist daher so wichtig, da durch sie die Richtigkeit aber auch die möglichen Fehler im Programm aufgezeigt werden und zur Weiterentwicklung dessen führen können. Diese Weiterentwicklung ist auf allen Ebenen des Klassenkampfes (der ökonomischen, politischen und ideologischen) nur dann möglich, wenn sich eine kämpfende Propagandagruppe zu den wichtigsten Fragen des (internationalen) Klassenkampfes verhält.

In ihrer Polemik wirft uns RIO vor, wir würden als Strömung zu Entwicklungen in Griechenland, Spanien und der Türkei abstrakt Lösungsansätze propagieren, welche wir jedoch wegen fehlender Verankerung nie in der Praxis testen können. Auch wenn wir selbst wissen, dass wir in Griechenland, Spanien und der Türkei keinen organischen Einfluss in Form einer Sektion besitzen, heißt es noch lange nicht, dass eine Auseinandersetzung mit den Entwicklungen des Klassenkampfes auf internationaler Ebene nicht von hoher Bedeutung für RevolutionärInnen in jedem Land ist. Auch wenn nur auf der ideologisch-programmatischen Ebene des Klassenkampfes von uns hier Erfahrungen gesammelt werden können, ist und bleibt dies immer noch der richtige Schritt. RIOs Aussage würde uns hier zu Passivität, Abwarten und abstrakter Propaganda verdammen. Außerdem enthält sie sich keineswegs Aussagen zu Ländern, in denen die FT keine Sektion besitzt. Das Verdikt dieser „Erleuchteten“ richtet sich lediglich gegen andere Organisationen, die dies zu unternehmen wagen! Ihre „Lösungsansätze“ zeichnen sich zudem im Vergleich zu unseren erst recht durch dürftige Abstraktionen unter dem Mantra der „Klassenunabhängigkeit“ aus (siehe unsere Kritik an ihren Positionen im ukrainischen Bürgerkrieg in RM 46 und 47).

Auch in unserem Stadium des Parteiaufbaus steht die Praxis auf allen Ebenen des Klassenkampfes in einem direkten Verhältnis zum Programm und verhindert somit, dass es „rein formal, leblos, nicht politisch und nicht revolutionär“ ist. Die Praxis muss hier unweigerlich auf eine programmatische Grundlage gestellt werden und kann nicht auf gleicher Ebene wie das schriftliche Programm stehen bzw. sich zusammen mit ihm zu einer abstrakten, nicht näher definierbaren und vor allem nicht überprüfbaren Form – wie von RIO behauptet – verschmelzen. Im Grunde genommen schiebt die deutsche Sektion der FT in ihrer Polemik gegen uns das Programm nach hinten und stellt sich gegen Trotzkis Aussage, dass das Programm einer Organisation immer an erster Stelle stehen müsse.

Die Ansicht von RIO bzw. der FT in Bezug auf das Verhältnis zwischen Praxis und Programm birgt jedoch viele Gefahren und bereitet ultralinke und sektiererische, aber auch opportunistische Handlungen vor. Wenn das Programm alles miteinschließt (das schriftliche Programm, jede organisierte Demonstration, gehaltene Rede oder geschriebenen Artikel) wird jede Scheidung zwischen Programm, Theorie, Propaganda, Agitation, also Formen zur Verbreiterung des Programms, dessen Anwendung und Vermittlung, nutzlos. Nehmen wir dann auch noch Demonstrationen, Aktivitäten der Gruppe hinzu, ist das Programm also nicht nur eine Anleitung zum Handeln, sondern das Handeln selbst, dann wird auch jede Scheidung zwischen der Aktivität einer Gruppe, ihrer Verallgemeinerung im Programm usw. letztlich sinnlos, der Begriff des Programms so umfassend, dass er nichts Bestimmtes mehr aussagen kann.

Die opportunistische Konsequenz zeigt sich dabei darin, dass dem spontanen Bewusstsein der ökonomischen Avantgarde schon ein revolutionäres Bewusstsein im Werden zugesprochen wird, dass daher das Programm für diese durchaus abgeschwächt werden kann, wie wir weiter unten bei der FIT in Argentinien sehen werden.

Die sektiererische Konsequenz dieser Auffassung zeigt sich bei RIO/FT, wenn es um politische Umgruppierungsprozesse geht. Diese werden ja als außerhalb der „Avantgarde“ betrachtet. Daher haben politische Abkommen, Plattformen, Blöcke zwischen solchen Gruppen für RIO/FT schon per se einen opportunistischen Charakter (letztlich unabhängig vom Inhalt dieser Programme).

Auch wenn die NaO gescheitert ist (siehe Artikel von Wilhelm Schulz in dieser Ausgabe), verwenden wir hier Beispiele aus NaO-Kampagnen, anhand derer die sektiererische Haltung RIOs deutlich wurde. Die NaO hatte unterschiedliche Kampagnen initiiert wie z. B. zur Ukraine, zu den revolutionären Erster-Mai-Demonstrationen in Berlin 2014 sowie 2015, aber vor allem die „Solidarität mit Rojava! Waffen für die YPG/YPJ!“-Kampagne, welche auf bundesweite wie in gewissem Maße auch auf internationale Resonanz stieß.

RIO weigerte sich jedoch an allen diesen Kampagnen teilzunehmen. Die Teilnahme am Internationalistischen Block 2015 wurde abgelehnt auf Grund des fehlenden Fokus auf den Klassenkampf in Deutschland. Der Internationalistische Block – organisiert von der NaO – würde einen falschen Schwerpunkt damit setzen, Themen wie Rojava, die Ukraine oder Griechenland in den Vordergrund zu stellen. Die damals stattfindenden Streikauseinandersetzungen in Deutschland hätten im Brennpunkt des Blockes zu stehen eher verdient. Somit lief RIO alleine in ihrem eigenen Block, anstatt sich mit 4000 TeilnehmerInnen den wohl wichtigsten Thematiken im jüngeren internationalen Klassenkampf zu widmen. Dass für RevolutionärInnen in einem imperialistischen Land wie Deutschland solche Themen, hervorgebracht durch die zunehmenden innerimperialistischen Auseinandersetzungen, keinen Fokus darstellen, sondern sektiererisch übergangen werden sollen, kann nur dann verstanden werden, wenn man wie die RIO-GenossInnen auf revolutionär „lupenreine“ Praxis setzen muss.

Auch bei der Rojava-Kampagne tat sich RIO sektiererisch hervor und verkleidete dies mit revolutionären Phrasen. Anstatt sich dieser fortschrittlichen und militanten Kampagne anzuschließen, wurde dies abgewiesen mit der Begründung, die Forderungen nach Aufhebung des PKK-Verbots, nach einem Generalstreik in der Türkei sowie das Angebot einer Programmdiskussion an die kurdischen und türkischen ArbeiterInnen seien wichtiger als die Forderung nach Waffen: „Der kurdische Widerstand braucht Waffen, um zu kämpfen und zu siegen, aber vor allem braucht er ein Programm, das sowohl dem IS als auch dem Assad-Regime seine soziale Basis entreißt.“ (70). Auch hier schwebte der Geist „revolutionärer“ RIO-Weisheit über den praktischen Notwendigkeiten des Kampfes in Rojava: sektiererische Passivität in „revolutionären“ Kleidern. Beides gleichzeitig zu vollbringen,  für Waffen einzutreten und gleichzeitig Diskussionen um ein revolutionäres Programm zu führen, war für RIO eine Sache der Unmöglichkeit. Nicht verwunderlich, wenn die Praxis und „schriftliche Plattform“ zusammengeworfen werden. RIO stellt hier nicht nur das Programm in einen falschen Gegensatz zur praktischen Solidaritätsaktion, sondern mit einem Male stehen Programmatik und „Taktiksimulation“ für eine Region, in der die FT ebenso wenig wie wir über eine Sektion verfügt, deutlich an erster Stelle. Aber das wirft sie uns an anderen Stellen ständig als Kardinalfehler des abstrakten Propagandimus vor. Was interessiert den Zentrismus sein Geschwätz von gestern, wenn’s doch billiger Polemik dient?

Noch verwunderlicher wird ihr Verhalten gegenüber der Kampagne jedoch, wenn aus der Erklärung der europäischen FT-Sektionen zu Rojava einer weiteren Passage Aufmerksamkeit geschenkt wird:

„Gleichzeitig müssen wir uns – trotz unserer politischen Unterschiede mit der PYD und der PKK – radikal im militärischen Lager des kurdischen Widerstands positionieren, das heißt alle Solidaritätskampagnen unterstützen, die den Widerstand aufrechterhalten, auch militärisch – vorausgesetzt, dass sie aus den imperialistischen Mächten keine taktischen Verbündeten der kurdischen KämpferInnen machen oder sogar letztlich als Strohmann der imperialistischen Politik in der Region enden, wie es seit den 90er Jahren mit der KDP und der PUK der Fall ist.“ (71)

Entweder wurde der Rojava-Kampagne vorgeworfen, sie hätte den imperialistischen Charakter der westlichen Interventionen verschleiert (was die FT NICHT tat), oder aber RIO wollte sich entgegen ihrer europäischen Erklärung nicht an dieser Kampagne beteiligen. Warum, können uns wohl nur die GenossInnen selbst erklären.

Zwei kleine Beispiele, die deutlich machen, wie das Programmverständnis der FT sektiererisches und ultimatistisches Verhalten produzierte und der notwendigen Wiedererarbeitung eines revolutionären Programms, der Umgruppierung weiterer Teile der radikalen Linken  hin zur Schaffung einer größeren kämpfenden Propagandagruppe oder gar einer revolutionären Kaderpartei entgegenwirkte.

In ihrer Praxis zeigt die FT aber nicht nur sektiererisches Verhalten, sondern – wie dem Zentrismus eigen – auch opportunistische Züge, wenn es darum geht, aktiv in der Klasse für ein revolutionäres Programm zu kämpfen. In Argentinien – wo sie eine dominante Rolle in der FIT spielt – plant die PTS nun ihr digitales Tageszeitungsportal auszubauen und das Portal für UnterstützerInnen und WählerInnen der FIT zu öffnen (72). Begründet wird dies ganz nach „leninistischer“ Machart damit, dass ein zentraler Organisator geschaffen werden soll, welcher der Klasse ermöglichen soll, eine Zeitung und damit ein unabhängiges Sprachrohr für sich selbst zu schaffen. Wir haben hier nicht die Möglichkeit unsere Kritik an dem Zeitungskonzept der FT und ihrer Behauptung, dies wäre ein leninistisches, darzustellen. Hier wollen wir uns auf folgende Zitate beziehen, welche Bände darüber sprechen, wie passiv die PTS die Entwicklung eines revolutionären Programms oder – sollte es ein solches ihrer Meinung nach schon geben – die Verbreitung des Programms in der Klasse, vorantreibt: „Wir wollen, dass bewusste Verteidiger*innen des Gründungsprogramms der FIT entstehen – solche, die sich fragen, wie ihre Artikel zur Entwicklung des Klassenbewusstseins beitragen können.“ (73). Interessant hierbei ist zu betonen, dass die PTS die Mitarbeit an ihrem Zeitungsprojekt auf der Basis des Gründungsprogramms der FIT anstrebt – eines Wahlprogramms, welches sie selbst als „unzureichend“ (74) bezeichnet und nicht als revolutionär.

Bezeichnend wird es dann, wenn sie sich im gleichen Text dann selbst noch widerspricht. Sie stellt den „Leninismus“ zwar richtigerweise so dar, dass er im Kampf um den Aufbau einer revolutionären Partei ein revolutionäres Programm in den Mittelpunkt stellt. Dumm nur, dass hier der „Leninismus“ mit einem zentristischen Programm kombiniert wird:

„Warum sprechen wir von ‚Leninismus‘? In unseren Augen findet die Erfahrung der Organisierung der Arbeiter*innenklasse und ihrer eigenen Partei ihr bestes Beispiel in dem von Lenin angeführten Prozess, der in der Russischen Revolution von 1917 gipfelte. An sich bedeutet ‚Leninismus‘, eine Partei für den Kampf aufzubauen, die in der Arbeiter*innenklasse verankert und auf demokratische Art zentralisiert ist, um die Kapitalist*innen, die Gewerkschaftsbürokratie und die politische Bürokratie mit einem revolutionären Programm zu konfrontieren und letztlich eine Arbeiter*innenregierung und den Sozialismus aufzubauen.“ (75)

Die Frage darf gestellt werden, warum die PTS nicht ein revolutionäres Programm – zum Beispiel ihr eigenes Manifest oder das Übergangsprogramm von 1938, welches laut eigener Aussage noch Aktualität besitzt – als Grundlage der Öffnung ihres Tageszeitungsprojekts für UnterstützerInnen der FIT anbietet, sondern sich mit einem zentristischen Programm zufrieden gibt?

Das Programm der FIT war ein Abkommen von zentristischen Gruppierungen, das von der PTS/FT selbst als mangelhaft kritisiert wurde. Sicher war es richtig, die FIT und ihre Kandidatur zu initiieren. Aber das Programm beinhaltete damals schon folgende zentrale Schwächen: Die Einheitsfront mit anderen Kräften, vor allem den peronistisch dominierten Gewerkschaften, wird tendenziell auf die Einheitsfront von unten beschränkt, so dass sich keine Betonung eines gemeinsamen Kampfes der ArbeiterInnenklasse – ihrer Basis wie der Führung – gegen die Angriffe der Regierung findet; ArbeiterInnenkontrolle und ArbeiterInnenselbstverwaltung werden vermischt, was letztlich einer inflationären und ihres revolutionären Gehalts beraubten Form der ArbeiterInnenkontrolle entspricht; die Losung der ArbeiterInnenregierung wird zwar erhoben, dass sich diese auf Räte und die bewaffnete ArbeiterInnenklasse stützen soll, dass der bürgerliche Staatsapparat zerbrochen werden muss usw., findet sich nicht, wie überhaupt der Begriff (und auch der Gehalt) von Räten im gesamten Programm der FIT kein einziges Mal vorkommt (76).

Dagegen wurde der NaO vorgeworfen, dass ihr Gründungsmanifest „zentristisch“ gewesen wäre, obwohl es ganze Abschnitte zur Notwendigkeit des revolutionären Bruchs, zur Unvermeidlichkeit des Widerstands der herrschenden Klasse und zur Ersetzung des bürokratischen Apparates durch Räte enthält. Selbst das provisorische Programm der NPA war in der Staatsfrage weit deutlicher und linker als das FIT-Wahlprogramm, wurde jedoch von der FT als Schritt zum Reformismus (!) kritisiert. Nun soll ein Programm, das die Perspektive der Rätemacht nicht einmal erwähnt, Grundlage für eine „leninistische“ Partei werden!

Man möchte wohl die WählerInnen und UnterstützerInnen auf ihrem unbewussten Weg zur revolutionären Partei nicht vergraulen und ihnen noch nicht zu viele revolutionäre Positionen zumuten. Typischer Opportunismus, welcher mit knackigen Leninverweisen und -zitaten überspielt werden soll.

Wie sieht jedoch die FT den Weg hin zur Erarbeitung eines revolutionären Programm und einer revolutionären ArbeiterInnenpartei? Größere politische Umgruppierungsprojekte innerhalb der Klasse, in welcher Schichten der Avantgarde eine neue politische Organisierung suchen, aber nicht sofort eine revolutionäre Organisation bilden (z. B. Syriza in Griechenland oder Podemos in Spanien), werden von der FT abgelehnt. Diese ablehnende Haltung macht von ihrem Standpunkt aus auch Sinn. Einerseits verliert die „Avantgarde“ der Bewegung beim Anschluss an ein neo-reformistisches Projekt wie Syriza ihren Avantgardecharakter (siehe oben) und andererseits kann man selbst nicht daran teilnehmen, da ansonsten das revolutionäre Programm (samt Schrift und Praxis) „aufgegeben wird“. Da so die Avantgarde keine revolutionäre Organisation hat, derer sie sich anschließen kann, um weiterhin Avantgarde zu sein, muss man sich von diesen Formationen fernhalten. Die Intervention in diese Formationen mit einem klar ausgearbeiteten revolutionären Aktionsprogramm, mit welchem man den Kampf um die Führung dieser Organisationen aufnimmt, um das reformistische und zentristische Bewusstsein in solchen Neubildungen zurückzuschlagen oder neue Kräfte für seine Ideen zu gewinnen und dann den Bruch mit diesen Formationen zu suchen, ist für die FT aufgrund ihrer theoretischen Grundbausteine unmöglich. Passivität, Abwarten und das Arbeiten in Randphänomenen (gleich wie heroisch diese Kämpfe sein mögen), bestimmen stattdessen das strategische und taktische Repertoire der FT, welches sie für Organisationen im Stadium einer „kämpfenden Propagandagruppe“ zu bieten hat.

Jedoch muss hier danach gefragt werden, ob und inwiefern die FT und ihre Sektionen überhaupt Unterscheidungen von unterschiedlichen Stadien des Parteiaufbaus vornehmen, so wie es unsere Strömung tut. Da uns keine theoretischen Schriften von Seiten der FT dahingehend bekannt sind und auch dieselben Taktiken und Strategien in allen Sektionen der FT in der Praxis angewendet werden (sei es durch die PTS als kleine Kaderpartei oder RIO als kämpfende Propagandagruppe in Deutschland), liegt der Schluss nahe, dass hier keine Unterscheidungen getroffen werden.

Alle Sektionen ihrer internationalen Strömung versuchen sich in kämpfenden Sektoren der ArbeiterInnenklasse zu verankern, welche angeblich unabhängig vom reformistischen oder zentristischen Bewusstsein sind und sich spontan in Richtung eines revolutionären Bewusstseins entwickeln. Die Sektionen haben hierbei die Aufgabe, diese Entwicklung mit Hilfe ihrer revolutionären Praxis und Schrift (ihrem lupenreinen Programm) zu unterstützen und die organische Verbindung mit diesen zu suchen. Auf diese Weise lassen sich, ganz nach Gramsci, Stellungen innerhalb der ArbeiterInnenklasse gewinnen, anhand derer der Einfluss von RevolutionärInnen ausgeweitet werden kann (z. B. über ihre durchaus erfolgreichen Internetnetplattformen wie der Tageszeitung „Izquierda Diario“). Dies führt zur Stärkung der revolutionären Organisation hin zu einer revolutionären Partei, welche bei gegebenen revolutionären Situationen aus der Defensive gestärkt hervorgeht und in der Offensive die proletarische Hegemonie herstellt und schlussendlich die Diktatur des Proletariats durchsetzen kann. Passend hierzu hat das FT-Manifest auch außer dem Aufbau von revolutionären ArbeiterInnenparteien und der Einheitsfront taktisch und strategisch nichts zu bieten. Auch wenn wir uns in diesem Artikel nicht primär mit den von der FT erstellten ausgiebigen und weitreichenden Untersuchungen und Gegenüberstellungen der Lehren Trotzkis und Gramscis (u. a. 77, 78, 79) beschäftigen können, wollen wir uns im kommenden Kapitel ein wenig damit auseinandersetzen, was für Auswirkungen ihre Leseart von Gramsci für ihre Politik bedeutet. Unsere Strömung hat sich in einem längeren Artikel mit dem Leben sowie den politischen Hinterlassenschaften Gramscis befasst. (80)

Gramsci und die Klammer, welche den FT-Zentrismus zusammenhält

Wenn unsere programmatischen Schriften mit dem Manifest sowie weiteren Publikationen der FT verglichen werden, bekommt der Kampf von RevolutionärInnen um die Führung der ArbeiterInnenklasse einen deutlichen Schwerpunkt. Bei der FT hingegen kommt das Wort Hegemonie, und wie die ArbeiterInnenklasse diese innerhalb der Gesellschaft erlangen kann, häufig vor und stellt ein zentrales Ziel dar. Zuerst könnte man sich fragen, ob es sich hierbei nur um reine terminologische Unterschiede handelt.

Im folgenden Zitat wird deutlich, was wir oben schon kurz dargelegt haben:

„Tatsächlich enthält das Übergangsprogramm und seine Methode sowohl Minimalforderungen, soweit sie ihre ‚Lebenskraft‘ behalten (d. h. sie alte Positionen sind, die es zu verteidigen gilt), als auch weitergehende Forderungen, die eine Skala von zu erobernden Stellungen betreffen (von der gleitenden Skala der Löhne und Arbeitszeiten und die ArbeiterInnenkontrolle über die Industrie bis hin zu Sowjets), die hier dazu benutzt werden, den ‚Bewegungskrieg‘ zu eröffnen, d. h. die Machteroberung durch das Proletariat vorzubereiten und durch diese Vorbereitung selbst schon neue Stellungen einzunehmen, einen nationalen Schützengraben der internationalen Revolution.

Das Übergangsprogramm ist vom Standpunkt dieser Diskussion aus gesehen die Brücke, der Übergang von der Stellung zum Manöver.“ (81)

Durch dieses Zitat offenbart die FT unterschiedliche krude Vorstellungen, welche zwar in ihr Konzept passen, jedoch problematisch werden, wenn sie mit unserer oben ausformulierten Kritik an ihrem Verständnis von Bewusstseinsbildung, ihrem Avantgardekonzept sowie ihrem Verständnis von Programm und Parteiaufbau in Verbindung gebracht werden. Die FT geht davon aus, dass RevolutionärInnen auch in „Friedenszeiten“ und unter schlechten objektiven Voraussetzungen für revolutionäre Politik Stellungen innerhalb der Klasse gewinnen und verteidigen können. Diese Stellungen wiederum ermöglichten es RevolutionärInnen, ihren Einfluss durch die Anwendung der Einheitsfronttaktik zu vergrößern, neue Stellungen hinzuzugewinnen und die Position von RevolutionärInnen zu verbessern. Diese Stellungen ließen sich dann in Sowjets umwandeln, die die bürgerliche Hegemonie zerschlagen und die dazu übergehen können, die  proletarische Hegemonie zu implementieren, welche in der Errichtung der proletarischen Diktatur gipfelt (82).

Taktische und strategische Manöver sind natürlich in allen Situation (ob nicht-revolutionär oder revolutionär) unerlässlich. Dazu gehört schließlich ein ganzes Arsenal von Taktiken der Einheitsfront, der Arbeit in Massenorganisationen, des Aufbaus von Vorfeldstrukturen oder von Parteiaufbau.

Die FT hat jedoch eine bestimmte Vorstellung, die unserer Meinung nach überaus problematisch ist. Sie geht davon aus, dass RevolutionärInnen in einer defensiven Situation Stellungen in den Betrieben gewinnen, diese über längere Zeit halten und verteidigen und von dort aus „expandieren“ könnten. Dazu sei v. a. die „Verankerung“ wichtig, weniger die Frage von Taktiken. Daher nimmt auch die Fabrik Zanon, ein selbstverwalteter Betrieb, von dem die FT behauptet, er würde unter ArbeiterInnenkontrolle produzieren, eine Schlüsselstellung ein.

Unabhängig von der Bewertung des Gesamtwerkes von Gramsci besteht ein richtiges Moment seiner Konzeption des „Stellungskrieges“ darin, diesen auf die Ebene des politischen und ideologischen Klassenkampfes zu konzentrieren, weil er richtigerweise davon ausgeht, dass auf der Ebene des „ökonomischen Stellungskrieges“, also des einzelbetrieblichen oder selbst branchenweiten Kampfes, sich die ArbeiterInnenklasse immer in einer defensiven, nachteiligen Stellung befindet. In Zeiten der relativen Stabilität gilt das, weil das Lohnarbeitsverhältnis und seine Folgen für das ArbeiterInnenbewusstsein stabiler sind, weil damit auch mehr Spielraum entsteht, Errungenschaften der Vergangenheit zu integrieren (so z. B. rudimentäre, begrenzte Formen von Kontrolle sozialpartnerschaftlich oder durch Mitverwaltung einzugemeinden). In Perioden der Krise, wachsender Arbeitslosigkeit und Konkurrenz können ökonomische Kämpfe nur begrenzt erfolgreich sein, ja müssen mehr und mehr an ihre Grenzen stoßen, wenn sie nicht zu politischen Klassenkämpfen werden. Das spricht nicht gegen Gewerkschafts- und Betriebsarbeit, wohl aber gegen die letztlich gradualistische Vorstellung, dass aus deren regelmäßigen Zuwächsen irgendwann die „revolutionäre Avantgardepartei“ erwachsen würde.

Genau diese Vorstellung hat jedoch die FT. Es ist kein Wunder, dass sie Gramscis Konzept vom Stellungs- und Bewegungskrieg nicht nur fragwürdig vereinfachend und entgegen Gramscis eigener Sicht in Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution eingliedert, sie kritisiert ihn auch noch falsch, nämlich wenn sie ihm eine Überbetonung des politischen Klassenkampfes vorwirft.

Unserer Auffassung nach können die errungenen „Positionen“ der Klasse in der Defensive nur gehalten werden, wenn die bewusstesten Teile der ArbeiterInnen,  die Avantgarde, um ein revolutionäres Programm herum gruppiert werden, eine revolutionäre Kader- oder Massenpartei geformt wird. Eine solche Partei wiederum kann in revolutionären Situationen – also im Übergang von der Defensive in die Offensive – die Führung über die ArbeiterInnenklasse erlangen und reformistische und zentristische Führungen ablösen und erst dadurch zu einer Massenpartei werden, die die Mehrheit der Klasse leitet und von dieser unterstützt wird – eine notwendige Vorbedingung für eine erfolgreiche proletarische Revolution. Ein einfaches „Hineinwachsen“ aus defensiven Stellungen, wie uns die FT versucht weiszumachen, kann es jedoch nicht geben, weil hier das reformistische und zentristische Bewusstsein vorherrschend ist, welches von Grund auf laut Lenin in der ArbeiterInnenklasse existiert und systematisch durch das Hineintragen von revolutionärem Bewusstsein bekämpft werden muss.

Die FT zieht sich hier auf ihre „Stellungen“ zurück, um ihren sektiererischen Umgang mit dem Einfluss von reformistischem und zentristischem Bewusstsein und der notwendigen Auseinandersetzung innerhalb der Klasse mit diesem aus dem Weg zu gehen. Diesen sektiererischen Umgang sehen wir vor allem im Umgang mit politischen Neugruppierungen innerhalb der ArbeiterInnenklasse.

JedeR heutige RevolutionärIn wird viel in Gramscis Arbeiten finden, was wertvoll und inspirierend ist. Doch seine Dualismen von Stellungs- und Bewegungskrieg, der Unterschied zwischen West und Ost, seine Ablehnung der Theorie der permanenten Revolution nach 1924, und schließlich sein Hegemoniekonzept deuten auf eine rechtszentristische Entwicklung nach dem Bruch mit den Auffassungen des 5. Kominternkongresses hin. Gramsci wurde zu Unrecht von den EurostalinistInnen als Protagonist des reformistischen „historischen Kompromisses“ mit der bürgerlichen Christdemokratie vereinnahmt, aber er hat durch die Verwandlung der Einheitsfronttaktik in eine Strategie dafür ein Einfallstor geöffnet. Sein Hegemoniekonzept drückt die langfristige Strategie aus, durch welche Partei und Klasse erfolgreich Stützpunkte in der Gesellschaft erobern und dadurch allmählich den Staat umzingeln und belagern können. Dies ist keine Bereicherung des Leninismus, sondern seine Antithese, in gewisser Weise eine Rückkehr zum rechtszentristischen Maximalismus des Serrati-Flügels der PSI! Trotzkis Ansatz der permanenten Revolution kritisiert er fälschlich als eine Variante der ultralinken Offensivtheorie der 3. Periode. Seine „Dialektik“ von Struktur und Superstruktur verlässt den historischen Materialismus von Marx und Engels und ist in vielen Punkten nicht kongruent mit deren Begriffen „Basis“ und „Überbau“. (83) Die FT mag sich seines Erbes in vielen Punkten rühmen – es ist, in marxistischen Kategorien betrachtet, eher ein fragwürdiges als ein würdiges.

Schluss

In diesem Artikel haben wir versucht, die großen und tiefgreifenden Unterschiede zwischen unserer internationalen Strömung der „Liga für die 5. Internationale“ und der „Fracción Trotskista“ herauszuarbeiten. Zusätzlich haben wir den „orthodoxen“ Lack, in welchem die FT gerne leninistisch und trotzkistisch glänzt, zu beschreiben und abzublättern versucht, um den darunter liegenden klassischen workeristischen Zentrismus bloßzulegen. Vor allem durch ihre gewisse Dynamik, welche die FT – maßgeblich durch ihre Arbeit in Argentinien – derzeit innerhalb der radikalen Linken genießt, war eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dieser Strömung vonnöten und wird bei diesem Artikel auch nicht stehen bleiben.

Auch wenn wir die angesprochenen Differenzen noch weiter ausarbeiten bzw. weitere Unterschiede (z. B. zur Taktik der ArbeiterInnenregierung, zum Verständnis von ArbeiterInnenkontrolle oder zum Verhältnis zwischen sozial unterdrückten Schichten – Jugendliche, Frauen, MigrantInnen, LGBTIA – und der Partei) ansprechen müssen, haben wir uns in diesem Artikel vor allem auf die Unterschiede konzentriert, welche unserer Meinung nach die Wurzeln aller weiteren Differenzen darstellen. Den Fragen der Bewusstseinsbildung, des Avantgardekonzepts, des Programs und des Parteiaufbaus wurde daher die Aufmerksamkeit dieses Artikels gewidmet.

In allen Fragen wird deutlich, dass die FT ihrem rechtgläubigen Anspruch einer leninistischen-trotzkistischen Partei nicht gerecht werden kann, sondern sogar soweit geht, Anschauungen Lenins und Trotzkis zu revidieren. Am deutlichsten wird dies an der Umdeutung der leninistischen Konzeption der Bewusstseinsbildung, welche jedoch zentral für die restliche Argumentationslinie des FT-Ökonomismus ist. Nur durch diese antileninistische Annahme eines parteiunabhängigen revolutionären Bewusstseins ist der Kampf um Stellungen in der Defensive überhaupt denkbar und somit der einzige Zugang der FT zur Klasse, um eine revolutionäre Verankerung und eine revolutionäre Partei zu bilden. Wir wissen jedoch schon seit der Aussage Marx`: „Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein“, dass Bewusstsein nie unabhängig entstehen kann von der Intervention des wissenschaftlichen Sozialismus in die Klasse hinein – mittels des Transmissionsriemens in Gestalt der revolutionären ArbeiterInnenorganisation.

Zitate und Anmerkungen

(1) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, o. O., 2013, https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(2) Trotzkistisches Manifest – ein neues Übergangsprogramm für die sozialistische Weltrevolution, Wien, 1990, http://www.arbeitermacht.de/programm/tm/index.htm

(3) Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der 4. Internationale, (1938), Essen, 1997, www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1938/uebergang/ index.htm

(4) Vom Widerstand zur Revolution – Manifest für Arbeitermacht, Berlin, 2003

http://www.arbeitermacht.de/programm/l5i/index.htm

(5) Vom Widerstand zur Revolution – Manifest für eine Fünfte Internationale, Berlin, 2010, http://www.arbeitermacht.de/programm/manifest2010/index.htm

(6) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, a. a. O., Seite 4, https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(7) ebenda, Seite 4

(8) ebenda, Seite 5

(9) Chingo, Juan, „A ocho años de la crisis mundial“, in: Estrategia Internacional Nr. 29 (Januar 2016), http://www.ft-ci.org/A-ocho-anos-del-comienzo-de-la-crisis-mundial?lang=es

(10) Vom Widerstand zur Revolution – Manifest für eine Fünfte Internationale, a. a. O., Kapitel „Die große Krise und die globale Gegenwehr“, Abschnitt 5, http://www.arbeitermacht.de/programm/manifest2010/index.htm

(11) Albamonte, Emilio, „Notes on the Capitalist Crisis Underway and the Rebuilding of the Fourth International”, in: Estrategia Internacional Nr. 25 (März 2009), http://www.ft-ci.org/Notes-on-the-Capitalist-Crisis-Underway-and-the-Rebuilding-of-the-Fourth-International?lang=en

(12) Lehner, Markus, „Finanzkapital, Imperialismus und die langfristigen Tendenzen der Kapitalakkumulation“, in: Revolutionärer Marxismus 39, Berlin, August 2008), www.arbeitermacht.de/rm/rm39/rm39finanzkapital.htm

(13) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, Seite 5  (2013), https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(14) ebenda

(15) ebenda

(16) Lehner, Markus; Main, Peter, „Schwache Erholung, massive Aggression, kommende Krise“, in: Revolutionärer Marxismus 46, Berlin, Oktober 2014, http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/weltlage.htm

(17) Thesen der Liga für die Fünfte Internationale, „Revolution und Konterrevolution in der arabischen Welt“, veröffentlicht online im Juni 2014 und in: Revolutionärer Marxismus 46, a. a. O., http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/mena.htm

(18) Chingo, Juan, „A ocho años de la crisis mundial“, in Estrategia Internacional Nr. 29 (Januar 2016), Seite 213, http://www.ft-ci.org/A-ocho-anos-del-comienzo-de-la-crisis-mundial?lang=es

(19) Bach, Paula, „Estancamiento secular, fundamentos y dinámica de la crisis“, in Estrategia Internacional Nr. 29 (Januar 2016), http://www.ft-ci.org/Estancamiento-secular-fundamentos-y-dinamica-de-la-crisis?lang=es

(20) Suchanek, Martin, „Die Ukraine und die Verwirrung des trotzkistischen Zentrismus“, in: Revolutionärer Marxismus 46, a. a. O., http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/ukraine.htm

(21) Ickstatt, Franz, „Die Ukraine und RIOs Unverständnis revolutionärer Politik“, in: Revolutionärer Marxismus 47, Berlin, September 2015, http://www.arbeitermacht.de/rm/rm47/ukraine.htm

(22) Haber, Frederik, „Die Auferstehung des russischen Imperialismus“, in: Revolutionärer Marxismus 46, a. a. O., http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/russland.htm

(23) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, Seite 16  (2013), https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(24) ebenda, Seite 17

(25) ebenda, Seite 21 – 22

(26) Lehner, Markus, „Brasilien nach dem Sturz von Dilma – Ordnung und Rückschritt“, in: Neue Internationale 210, Juni 2016, http://www.arbeitermacht.de/ni/ni210/brasilien.htm

(27) Gebhardt, Christian, „Argentinien: Präsidentschaftswahlen offenbaren Rechtsruck“, in: Neue Internationale 205, Dezember 2015/Januar 2016, http://www.arbeitermacht.de/ni/ni205/argentinien.htm

(28) Lizarrague, Freddy, „PTS-Kongress: Mediensysteme als kollektiver Organisator einer Massenpartei“, in: Klasse gegen Klasse, 28. Juli 2016, https://www.klassegegenklasse.org/pts-kongress-mediensystem-als-kollektiver-organisator-einer-massenpartei/

(29) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, Seite 18  (2013), https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(30) ebenda

(31) Thesen der Liga für die Fünfte Internationale, „Revolution und Konterrevolution in der arabischen Welt“, veröffentlicht online im Juni 2014 und in: Revolutionärer Marxismus 46, a. a. O., http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/mena.htm

(32) 8. Kongress der Liga für die Fünfte Internationale, „Beendet die Tragödie – Kampf für Arbeitermacht. Ein Aktionsprogramm für Pakistan“, beschlossen Juni 2011, in: Revolutionärer Marxismus 45, Berlin, Dezember 2013, http://www.arbeitermacht.de/rm/rm45/pakistan.htm

(33) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, Seite 6  (2013), https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(34) ebenda, Seite 6 – 7

(35) ebenda, Seite 29

(36) Trotzkistisches Manifest – ein neues Übergangsprogramm für die sozialistische Weltrevolution, a. a. O., Kapitel „Die Gewerkschaften“, Abschnitte 5 und 6 http://www.arbeitermacht.de/programm/tm/index.htm

(37) ebenda, Kapitel „Führungskrise des Proletariats“, Abschnitte 4 – 6

(38) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, Seite 7  (2013), https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(39) ebenda

(40) ebenda

(41) ebenda

(42) ebenda

(43) ebenda

(44) Albamonte, Emilio, „Notes on the Capitalist Crisis Underway and the Rebuilding of the Fourth International”, in Estrategia Internacional Nr. 25 (März 2009), http://www.ft-ci.org/Notes-on-the-Capitalist-Crisis-Underway-and-the-Rebuilding-of-the-Fourth-International?lang=en

(45) Broschüre zur Degeneration der 4. Internationale, „Der Letzte macht das Licht aus – Die Todesagonie des Vereinigten Sekretariats der 4. Internationale“,  http://www.arbeitermacht.de/broschueren/vs/index.htm

(46) Trotzkistisches Manifest – ein neues Übergangsprogramm für die sozialistische Weltrevolution, a. a. O., Kapitel „Einleitung“, Abschnitt 11 http://www.arbeitermacht.de/programm/tm/index.htm

(47) Lenin, Wladimir Iljitsch, „Was tun? – Brennende Fragen unserer Bewegung“ (1902), Kapitel II b „Die Anbetung der Spontaneität. Die ‚Rabotschaja Mysl’“, Abschnitt 8, www.marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1902/wastun/ kap2b.htm

(48) Albamonte, Emilio, „Permanente Revolution oder Stellungskrieg – Die Theorie der Revolution nach Trotzki und Gramsci“, Ersterscheinung in Estrategia Internacional Nr. 19 (Januar 2013), in: Klasse gegen Klasse (Februar 2012), Kapitel „Klasse und Partei“, Abschnitt 5, https://www.klassegegenklasse.org/permanente-revolution-oder-stellungskrieg/

(49) Trotzki, Leo, „Geschichte der Russischen Revolution – Februar- und Oktoberrevolution“ (1930), www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1930/grr/index.htm

(50) ders., „Unsere politischen Aufgaben“, in: Mehringer, Hartmut (Hg.), „Leo Trotzki – Schriften zur revolutionären Organisation“, Reinbek, September 1970, S. 7 – 134

(51) Deutscher, Isaac, „Trotzki – Der bewaffnete Prophet 1879 – 1921“, Stuttgart, 1972 (2. Auflage), S. 94 – 102

(52) Trotzki, Leo, „Mein Leben“, Berlin, 1990, S. 150 – 152

(53) ders., „Die permanente Revolution“, in: ders., „Ergebnisse und Perspektiven – Die permanente Revolution“, Frankfurt/M., 1971, S. 55. – Siehe auch Zitat 11 aus Trotzkis „Der Kampf um die Macht“ (1915), Anhang in: „Ergebnisse und Perspektiven“, welches die randständige Rolle der Partei in seiner workeristischen Parteikonzeption vor 1917 belegt, bei: Krasso, Nicolas, „Trotzkis Marxismus“, www.trend.infopartisan.net/trd0913/t020913.html

(54) SPARTAKIST-ARBEITERPARTEI-DEUTSCHLANDS (Hg.), „Lenin und die Avantgardepartei“, Berlin, Februar 1997, S. 11

(55) Geras, Norman, „Über die Massentätigkeit im revolutionären Denken Leo Trotzkis“, in: „Kritik“ Nr. 14, Berlin, 1977, S. 30 f.; Grabke, Karl, „Avantgardekonzept und revolutionäre Organisation“, in: Arbeitsgruppe Marxismus (Hg.), MARXISMUS Nr. 26, Wien,  S. 139 – 142

(56) Grabke, Karl, a. a. O., S. 140

(57) Trotzkistisches Manifest – ein neues Übergangsprogramm für die sozialistische Weltrevolution, a. a. O., Kapitel „Führungskrise des Proletariats“, Abschnitt 1 http://www.arbeitermacht.de/programm/tm/index.htm

(58) Suchanek, Martin, „Krise, Klasse, Umgruppierung – Strategie und Taktik in der aktuellen Periode“, in: Revolutionärer Marxismus 47, a. a. O., http://arbeitermacht.de/rm/rm47/umgruppierung.htm

(59) Broschüre zum Morenismus, „Morenos langer Schatten“, http://www.arbeitermacht.de/broschueren/sl/ka1.htm

(60) „Mass and vanguard struggles in the decadence of “neo-liberalism”, in Estrategia Internacional Nr. 15, (2000), http://www.ft-ci.org/Mass-and-vanguard-struggles-in-the-decadence-of-neo-liberalism?lang=en

(61) Sanmartino, Jorge, „A balance sheet of the political strategies of the left”, in Estrategia Internacional Nr. 19 (2003), http://www.ft-ci.org/A-balance-sheet-of-the-political-strategies-of-the-left?lang=en

(62) „Mass and vanguard struggles in the decadence of “neo-liberalism”, in Estrategia Internacional Nr. 15, (2000), http://www.ft-ci.org/Mass-and-vanguard-struggles-in-the-decadence-of-neo-liberalism?lang=en

(63) Sanmartino, Jorge, „A balance sheet of the political strategies of the left”, in Estrategia Internacional Nr. 19 (2003), http://www.ft-ci.org/A-balance-sheet-of-the-political-strategies-of-the-left?lang=en

(64) Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale (beschlossen 1992), „Thesen zu den ersten Stadien des Parteiaufbaus“, in: Revolutionärer Marxismus 43, Berlin, Oktober 2011, arbeitermacht.de/rm/rm43/stadiendesparteiaufbaus.htm

(65) Liga für die Fünfte Internationale, „Methoden und Grundsätze der kommunistischen Organisation“, in: Revolutionärer Marxismus 43, a. a. O., http://arbeitermacht.de/rm/rm43/methoden.htm

(66) Flakin, Wladek; Huber, Oskar, „Welcher Weg zu einer revolutionären Partei?“, in: Klasse gegen Klasse, (Februar 2016), http://klassegegenklasse.org/welcher-weg-zu-einer-revolutionaeren-partei/

(67) ebenda, Abschnitt 7

(68) Léon Trotsky, Brief vom 30. Dezember 1935, in: „Bulletin Intérieur du GBL“ No. 5, Januar 1936, Oeuvres, Band 7, S. 244; zitiert nach: Dannat, Anton, „Auf dem Floß der Medusa? – Die französischen Trotzkisten 1924 – 1939“, in: Arbeitsgruppe Marxismus (Hg.), MARXISMUS Nr. 11, Wien, 1997, S. 188

(69) Trotzki, Leo, „Eine große Errungenschaft“, 30.8.1938, in: ders., „Das Übergangsprogramm“, Essen, Juli 1997, S. 207

(70) Fracción Trotskista – Cuarta Internacional, „Für den Sieg Kobanês gegen die Offensive des IS!“, in: Klasse gegen Klasse, (November 2014), https://www.klassegegenklasse.org/fur-den-sieg-kobanes-gegen-die-offensive-des-is/

(71) ebenda, These 6, Abschnitt 5

(72) Lizarrague, Freddy, „PTS-Kongress: Mediensysteme als kollektiver Organisator einer Massenpartei“, in: Klasse gegen Klasse, 28. Juli 2016, https://www.klassegegenklasse.org/pts-kongress-mediensystem-als-kollektiver-organisator-einer-massenpartei/

(73) ebenda, Absatz 20

(74) Flakin, Wladek; Huber, Oskar, „Welcher Weg zu einer revolutionären Partei?“, in: Klasse gegen Klasse, (Februar 2016), Abschnitt „Front der Linken und Arbeiter*innen“, Absatz 6 http://klassegegenklasse.org/welcher-weg-zu-einer-revolutionaeren-partei/

(75) Lizarrague, Freddy, „PTS-Kongress: Mediensysteme als kollektiver Organisator einer Massenpartei“, in: Klasse gegen Klasse, 28. Juli 2016, Absatz 11 https://www.klassegegenklasse.org/pts-kongress-mediensystem-als-kollektiver-organisator-einer-massenpartei/

(76) Gebhardt, Christian, „Wahlen in Argentinien. Wie weiter für die radikale Linke?“, in: Neue Internationale 183, (November 2013), www.arbeitermacht.de/infomail/711/argentinien.htm

(77) Albamonte, Emilio, „Permanente Revolution oder Stellungskrieg – Die Theorie der Revolution nach Trotzki und Gramsci“, Ersterscheinung in: Estrategia Internacional Nr. 19 (Januar 2003), in: Klasse gegen Klasse (Februar 2012), https://www.klassegegenklasse.org/permanente-revolution-oder-stellungskrieg/

(78) Maiello, Matias; Albamonte Emilio, „Gramsci, Trotsky y la democracia capitalista“, in: Estrategia Internacional, Nr. 29 (Januar 2016), http://www.ft-ci.org/Gramsci-Trotsky-y-la-democracia-capitalista?lang=es

(79) Albamonte Emilio; Maiello, Matias, „Trotsky y Gramsci: debates de estrategia sobre la revoluccion en ‚occidente’“, in: Estrategia Internacional, Nr. 28 (August 2012), http://www.ft-ci.org/Trotsky-y-Gramsci-debates-de-estrategia-sobre-la-revolucion-en-occidente?lang=es

(80) Cleminson, Andy; Hassell, Keith, „Gramsci and the revolutionary tradition“, in: Permanent Revolution, Nr. 6, London, September 1987, www.fifthinternational.org/content/gramsci-and-revolutionary-tradition

(81) Albamonte, Emilio, „Permanente Revolution oder Stellungskrieg – Die Theorie der Revolution nach Trotzki und Gramsci“, Ersterscheinung in: Estrategia Internacional Nr. 19 (Januar 2003), in: Klasse gegen Klasse (Februar 2012), https://www.klassegegenklasse.org/permanente-revolution-oder-stellungskrieg/

(82) Maiello, Matias; Albamonte Emilio, „Gramsci, Trotsky y la democracia capitalista“, in: Estrategia Internacional, Nr. 29 (Januar 2016), http://www.ft-ci.org/Gramsci-Trotsky-y-la-democracia-capitalista?lang=es

(83) Siehe dazu: Cleminson, Andy, Hassell, Keith, a. a. O. In vielen Punkten, besonders zu den Punkten historischer Materialismus, Verhältnisse – Institutionen – Faktoren, Bewegungskrieg – Stellungskrieg und Gramscis Trotzki-Kritik, geben wir auch folgender Publikation recht: Klein, Wolfram, „Die politischen Ideen von Antonio Gramsci“, Berlin, Mai 2013