Abschlusserklärung der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid

Infomail 1211, 19. Januar 2023

Bis 150 Menschen diskutierten auf der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs mit der Linkspartei und dem Reformismus. Im Folgenden veröffentlichen wir die Abschlusserklärung der Konferenz, die von einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden angenommen wurde, und die Minderheitsresolution. Die Mehrheitsresolution basiert auf einem Entwurf der Revolutionären Internationalistischen Organisation / Klasse Gegen Klasse. Die Minderheitsposition wurde von vier Genoss:innen einbracht wurde und von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und von REVOLUTION unterstützt.

Abschlusserklärung der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid

Gegen die Logik des geringeren Übels: Für den Aufbau einer von Staat und Kapital unabhängigen revolutionären sozialistischen Kraft der Arbeiter:innen, der Jugend, der Frauen, LGBTQIA+ und Migrant:innen!

1. Die Partei DIE LINKE und ihre Jugendorganisationen, die Linksjugend [’solid] und Die Linke.SDS, sind gescheitert. Seit 15 Jahren vertiefen sie stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen haben sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen, Polizeigewalt und vieles mehr mitverantwortet. Die Partei, all ihre Hauptströmungen – egal ob der “Reformer”-Flügel um Dietmar Bartsch, die Bewegungslinke oder der Wagenknecht-Flügel – und ihr gesamter Apparat sind fest in den deutschen Staat verankert. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise, angesichts der Stärkung der AfD und der extremen Rechten sagen wir: Nur eine sozialistische Perspektive, die die Interessen des Kapitals wirksam angreift, kann eine Antwort auf die Probleme der Ausgebeuteten und Unterdrückten geben. Deshalb brechen wir mit der Strategie der Linkspartei und ihrer Jugendorganisationen und erklären unseren Austritt.

2. Das Scheitern der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie. Sie ist eine strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtete Partei, um auf diesem Weg an die Regierung des bürgerlichen Staates zu gelangen. Jegliche Veränderung geht laut dieser Strategie von Regierungs- und Parlamentsposten aus. Daran ändert auch nichts, dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen “kritisch” sieht, ebenso wenig einzelne “linkere” Ortsgruppen ihres Jugendverbands. “Rebellisch regieren”, wie es die Bewegungslinke immer wieder vorschlägt, ist nur eine linkere Rhetorik für denselben Vorschlag. Die Mobilisierung und Organisierung auf der Straße oder in den Betrieben, Schulen und Universitäten ist in dieser Sichtweise nur ein Druckmittel, um parlamentarische Mehrheiten zu erlangen. Unsere Perspektive ist dem radikal entgegengesetzt: Das strategische Zentrum für die Veränderung der Gesellschaft – d. h. für die Enteignung des Kapitals und die Errichtung einer Arbeiter:innenregierung in der Perspektive einer weltweiten sozialistischen Revolution – ist der Klassenkampf; parlamentarische Positionen können diesen lediglich unterstützen, nicht ersetzen. Gegen die Unterordnung unter die Interessen des Kapitals setzen wir die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, von der Regierung und von den Bürokratien der Gewerkschaften und der NGOs, die sie stützen.

3. Wir stellen uns gegen den deutschen Imperialismus und gegen die Ampelregierung, die die größte militärische Aufrüstung seit Jahrzehnten vorantreibt. Sie erkauft im Bündnis mit den Gewerkschaftsbürokratien und den Bossen mit kleinen Zugeständnissen das Stillhalten der Massen angesichts der Krise – in der Perspektive werden aber die Ausgebeuteten und Unterdrückten nicht nur hierzulande, sondern auch international für die militärische “Zeitenwende” zahlen müssen. Die Militarisierung nach außen geht auch einher mit einer Stärkung des Repressionsapparats nach innen, wie nicht zuletzt die Razzien und Präventivhaft gegen die “Letzte Generation” zeigen. In diesem Kontext lässt die Regierung auch den letzten Anschein von Klimaschutz fallen, wie die anstehende Räumung von Lützerath im Interesse des Energiekonzerns RWE zeigt – ein weiterer Beweis dafür, dass der “grüne Kapitalismus” unmöglich ist.

4. Während­dessen stärkt sich die extreme Rechte, insbe­sondere im Innern der staatlichen Institutionen (Militär, Polizei, Justiz usw.). Der rechte Terror im Inneren ist ein Widerhall des erstarkenden Imperialismus nach außen. Die Ampel-Regierung verstärkt den staatlichen Rassismus, baut die Polizei weiter aus, schiebt Menschen in Kriegsgebiete ab und ist für den Massenmord an Außengrenzen der EU verantwortlich – und setzt somit die Politik um, die von der AfD und der extremen Rechten gefordert werden. Daher kann der Auf­stieg der Rechten nicht mit einer Logik des “ge­ringeren Übels” der Unterstützung von “linken” oder “fortschrittlichen” Regierungen bekämpft werden. Die herrschende Klasse und rechte Kräfte machen durch die bürgerlichen Medien die migrantischen Teile unserer Klasse für die Wirtschaftskrise verantwortlich. Nicht zuletzt bei der rassistischen Hetzkampagne um Silvester haben wir gesehen, dass die Medien die Abschiebung von vermeintlich “nicht-integrierbaren” migrantischen Kindern und Jugendlichen forderten.Die Reihen der multiethnischen Arbeiter:innenklasse in Deutschland sollen durch den anti-muslimischen Rassismus gespaltn werden. Es ist eine dringlichere Aufgabe denn je zuvor, sich dagegen zur Wehr zu setzen – unter anderem auch gegen die Politik der Rot-Rot-Grünen Regierung in Berlin, an der die LINKE beteiligt ist, die aus Razzien in Schischa-Bars, Racial Profiling in migrantischen Kiezen sowie Hexenjagden auf Jugendliche besteht. Wir müssen für die Abschaffung der Geflüchtetenlager und das Recht auf eine eigene und bezahlbare Wohnung kämpfen. Abschiebungen müssen gestoppt und Asylanträge anerkannt werden.Schluss mit unterschiedlichen Behandlung von Geflüchteten je nach Herkunftsland. Gegen die Logik der Spaltung von Geflüchteten durch besonders qualifizierten oder unqualifizierten Teile. Arbeitsrechte und volle Staatsbürger:innenrechte für alle Menschen, die hier leben. Auch wenn wir bei den Abgeordnetenwahlen keine unterstützenswerte Partei erkennen, kämpfen wir für das Wahlrecht aller Menschen, die hier leben. Es braucht Kampagnen in Gewerkschaften für antirassistische Forderungen und für den Ausschluss der GdP aus dem DGB, was wir als eine der Aufgaben der antibürokratischen und klassenkämpferischen Strömung sehen, die wir in den Gewerkschaften aufbauen wollen.

5. Die Kapitalist:innen und ihre Regierungen haben der Jugend nur eine Perspektive des Verzichts, des Militarismus und der Klimakatastrophe anzubieten. Wir schulden ihnen nichts! Anstelle der Logik des geringeren Übels oder der politischen Resignation wollen wir eine Jugend aufbauen, die für eine ganz andere Zukunft kämpft: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die die Ressourcen dieses Planeten nachhaltig nutzt und statt hirnloser und gesundheitsschädigender Lohnarbeit die freie Entfaltung all unserer schöpferischen und kreativen Potenziale ermöglicht. Wenn deshalb die Regierenden von einer „Zeitenwende“ sprechen und uns auf künftige Kriege im Dienste des Kapitals vorbereiten wollen, sagen wir: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus! Gerade im imperialistischen Deutschland ist es unsere Aufgabe, eine revolutionäre, antiimperialistische Jugend an der Seite der Arbeiter:innen und aller Unterdrückten aufzubauen, die sich weder dem imperialistischen Kriegsgetrommel der „Heimatfront“ und der NATO anpasst noch reaktionäre Führungen wie Putin unterstützt oder entschuldigt.

6. Wir sind der Meinung, dass die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die imperialistische Politik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, die Arbeiter:innenklasse ist. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Sexismus-, Homophobie- und Rassismuserfahrung(en), sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch ist und immer weiblicher und offen queerer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen. Sondern sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderungen zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jegliche Form von Unterdrückung stellen, anstatt nur eine von vielen gleichrangig getrennt voneinander agierenden Bewegungen zu bilden, wie es beispielsweise die Bewegungslinke propagiert.

7. Die Trennung von Fragen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, LGBTQIA+-Feindlichkeit usw.) vom Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung zementiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Diese ist für das Kapital funktional und wird vom Staat und den Bürokratien in der Arbeiter:innenbewegung aufrecht erhalten, die stets versuchen, ökonomische von sozialen und politischen Kämpfen zu trennen. Sie steht auch der Perspektive des Kampfes für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, unmittelbar entgegen. Deshalb haben wir nichts gemeinsam mit der populistischen Perspektive von Sahra Wagenknecht, die unter dem Vorwand einer Rückkehr zu mehr “Klassenpolitik” die Fragen der Unterdrückung herunterspielt. Die Strategie von Wagenknecht, ebenso wie die ihres französischen Pendants Jean-Luc Mélenchon und La France Insoumise ist darauf ausgelegt, die Interessen der “weißen Arbeiterklasse” mit den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie zu vereinen. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.

8. Ihre Perspektive teilt die Linkspartei auch mit „neo-reformistischen“ oder linkspopulistischen Projekten der vergangenen Jahre wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich. Sie sind keine Ausdrücke des Klassenkampfes. Im Gegenteil: Sie lenken den Klassenkampf in staatstragende Bahnen um. Podemos hat ihre Opposition zur Monarchie abgelegt und setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Die linksreformistische Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate von IWF, EZB und EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positioniert hatte. In Griechenland zeigte sich auch, dass die EU ein imperialistischer Block ist, der den Interessen vor allem des deutschen Kapitals dient. Sozialist:innen müssen die EU als imperialistisches Projekt ablehnen, aber ohne die Perspektive der Rückkehr zum Nationalstaat – wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon vorschlagen –, sondern in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

9. Der Stalinismus hat die revolutionäre Tradition weltweit, aber gerade auch in Deutschland zutiefst beschädigt. Denjenigen, die heute aus der Krise der Linkspartei Schlussfolgerungen ziehen wollen, raten wir dringend, auch aus dem Erbe des Stalinismus die nötigen Lehren zu ziehen. Die Bürokratisierung der Arbeiter:innenstaaten – nicht zuletzt der DDR –, die Unterordnung von Fragen der Unterdrückung, die Unterstützung für bürgerliche Parteien im Namen der nationalen Befreiung (sowohl linkerer Varianten wie die des frühen Chavismus als auch die Unterstützung für reaktionäre Anführer wie Assad in Syrien im Namen des „Antiimperialismus“), die offene oder verdeckte Sabotage unzähliger revolutionärer Prozesse, und die absolute Geringschätzung der selbstorganisierten Demokratie der Arbeiter:innen sind nur einige Elemente, die uns dazu veranlassen zu sagen: Das ist nicht unser Sozialismus. Im Gegenteil: Eine revolutionäre Kraft in Deutschland kann nur entstehen, wenn sie dieses Erbe hinter sich lässt.

10. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise braucht es eine konsequente Opposition in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße. Sie muss für ein soziales Notfallprogramm kämpfen, das die kapitalistischen Profitinteressen angreift und angesichts von Krise, Krieg und Klimakatastrophe eine sozialistische Perspektive aufwirft. Für sofortige Preisstopps, für die automatische Angleichung von Löhnen, Renten, Sozialleistungen, Bafög etc. an die Inflation, für hohe Gewinn- und Vermögenssteuern, für die Enteignung von Immobilien- und Energiekonzernen in der Perspektive der entschädigungslosen Enteignung aller Großunternehmen unter Kontrolle der Arbeiter:innen, für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft, gegen den Krieg, Sanktionen und Waffenlieferungen, gegen die 100-Milliarden-Aufrüstung. Weder Putin noch die NATO, und gegen den Militarismus des deutschen Imperialismus.

11. Um ein solches Programm umzusetzen, müssen wir in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße eine Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital aufbauen. Dazu ist es notwendig, die bremsende Rolle der Bürokratien der SPD, der Gewerkschaften und NGOs zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen –  für klassenkämpferische Gewerkschaften und für die Selbstorganisation der Arbeiter:innen. Nicht nur in vereinzelten Kämpfen, sondern auch als Perspektive einer politischen Alternative jenseits kapitalistischer Regierungen. Denn die Führungen unserer Gewerkschaften zeigen aktuell wieder mit der Konzertierten Aktion (regelmäßige Treffen, bei denen sie sich mit Politik, Unternehmensverbänden und der Deutschen Bank abstimmen), dass sie lieber mit der Regierung und den Kapitalist:innen schlechte Kompromisse aushandeln. Den Preis dafür zahlen wir heute als Arbeiter:innen und als Jugendliche. Aber auch die Ausweitung befristeter Verträge wurde von unseren Gewerkschaftsführungen mit unterschrieben. Gegen diese sozialpartnerschaftliche Politik versuchen wir in Streiks, Kämpfe und Bewegungen Instanzen der Selbstorganisation und der breitestmöglichen Demokratie der Kämpfenden zu entwickeln, wie beispielsweise Streikversammlungen, imperative Mandate und die jederzeitige Abwählbarkeit von Vertreter:innen. Wir wollen schon heute durch ein Bewusstsein erzeugen, dass Leute zu dem Schluss kommen: “Die Bosse und die Herrschenden brauchen wir nicht, wir nehmen die Wirtschaft selbst in die Hand und wollen den Staat stürzen.”

12. Dies kann nur der erste Schritt hin zum Aufbau einer unabhängigen revolutionären Partei der Arbeiter:innenklasse sein. Denn mit dem Bruch mit der Linkspartei fängt unsere Aufgabe erst an: eine Organisation aufzubauen, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse, der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant:innen im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann. Zu diesem Zweck haben wir bei dieser Konferenz begonnen, Debatten über strategische Lehren aus dem Scheitern der Linkspartei und über die Strategie für die Revolution zu führen. Diese Debatten wollen wir fortführen:

a. Als Alternative zur Anpassung an den Reformismus hat sich vor über zehn Jahren in Frankreich die Neue Antikapitalistische Partei gebildet, als Prototyp einer „breiten antikapitalistischen Partei“, die alle Strömungen links vom Reformismus, die sich als antikapitalistisch verstanden, sammeln wollte. Im Dezember 2022 hat sich die NPA infolge der Anpassung der Leitungsmehrheit an den Reformismus/Linkspopulismus gespalten. So hat sich gezeigt, dass die „breite antikapitalistische Partei“ ohne klare strategische Abgrenzung und ohne strategisches Zentrum im Klassenkampf problematisch ist. Für den Aufbau einer revolutionären Organisation ist es wichtig, daraus die korrekten Lehren zu ziehen. Das wollen wir in weiteren Diskussionen vertiefen.

b. Die Anwesenden sind sich einig, dass eine gemeinsame Intervention auf der Grundlage der in dieser Erklärung vorgelegten Eckpunkte in kommende Kämpfe möglich und nötig ist. Wir wollen:

  • in die kommende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes (TVöD) mit einem Programm intervenieren, das die Forderung nach einem realen Inflationsausgleich erhebt und mit einem weitergehenden Programm gegen Krise, Krieg und Klimakatastrophe verbindet; die ver.di Kampagne um die TVöD-Runde mitaufbauen, gemeinsam mit der VKG in die Betriebsgruppen intervenieren und auf das Organisieren von politischen Demonstrationen an Streiktagen hinarbeiten, die ein solches Programm erheben:
  • Inflationsausgleich für alle, Anpassung aller Sozialleistungen an die Inflation, Erlass eines Mietenstopps, DWE durchsetzen.
  • Milliarden Investitionen in Gesundheit, Bildung und Klima statt 100 Milliarden in Aufrüstung, Einführung von Vermögenssteuern und Abgaben,
  • Vergesellschaftung der Energieversorgung unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und der Bevölkerung etc.,
  • Gegen die rassistische Hetze gegen unsere Kolleg:innen mit Flucht und Migrationserfahrungen und für Arbeits-und Studienerlaubnis für alle, Stopp aller Abschiebungen.
  • Solidarität mit Gewerkschaften und Arbeiter:innen anderer Länder, die unter Krise und Krieg leiden. Internationale Solidarität zwischen Arbeiter:innen, die unter gegenseitigen Sanktionen leiden.
  • in allen Kämpfen die Selbstorganisation der Arbeiter:innen unterstützen, wie bspw. aktuell in Kampf der Hebammen in Neuperlach gegen die Schließung ihres Kreißsaals.
  • angefangen mit dem Widerstand in Lützerath, mit einem sozialistischem Programm in die Klimabewegung intervenieren und Initiativen aus der Arbeiter:innenbewegung vorbereiten, um die Arbeiter:innenklasse als politisches Subjekt im Kampf gegen die Klimakatastrophe und eine demokratisch-ökologische Planwirtschaft aufzuzeigen.
  • uns an allen Mobilisierungen gegen den staatlichen Rassismus, Polizeigewalt, Abschiebungen und extremen/faschistischen Rechten beteiligen. An allen Orten besonders gegen die aktuelle rassistische Stigmatisierung von migrantischen Jugendlichen stellen.
  • uns an den Mobilisierungen um den 8.März beteiligen, darauf hinarbeiten, dass bundesweite Streikaktionen unterschiedlicher Bewegungen an diesem Tag mit einem feministischen Programm stattfinden.
  • uns an allen weiteren Mobilisierungen gegen Militarisierung und Krieg beteiligen, mit einer Perspektive der internationalen Solidarität der Arbeiter:innenklasse gegen die Agression der kapitalistischen Regierungen, für die Notwendigkeit des Kampfes der Arbeiter:innenklasse in Deutschland gegen ihre imperialistische Regierung.
  • Uns an Mobilisierungen gegen Kolonialismus zu beteiligen, mit einer bedingungslosen Solidarität mit dem Kampf der kolonisierten Völker wie in Kurdistan und Palästina für ihre Befreiung, die vom deutschen Staat insbesondere bekämpft werden. Wir treten für die Entkriminalisierung ihrer Widerstandsorganisationen und für den Stopp aller deutschen Waffenlieferungen an die Türkei, Israel, sowie anderer Länder ein.
  • angesichts des Verrats der Linkspartei am Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen, tausenden Abschiebungen, Ausbau des rassistischen Polizeiapparates, weiterer Kürzungspolitik in Gesundheit und Bildung usw. lehnen wir eine Wahlunterstützung für die Linkspartei bei der Wiederho­lung der Abgeordnetenhauswahl ab. Dagegen betonen wir die Notwendigkeit der revolutionär-sozialistischen Kandidaturen abseits der reformistischen Parteien, organisieren gemeinsam mit allen Interessierten eine Kampagne gegen die erneuten Regierungsbeteiligungen der LINKEN an RRG und setzen uns für erneute Mobilisierungen für die Enteignung der großen Immobilienkonzerne durchführen.

c. Über die konkrete Intervention in Streiks und Kämpfe hinaus wollen wir eine politische Kraft aufbauen, die den Reformismus auf allen Ebenen – auch auf der Ebene der Wahlen – konfrontieren kann. Wir wollen dabei keine prinzipienlose Fusion verschiedener Organisationen mit unterschiedlichen Strategien oder eine breite Sammlung von antikapitalistischen Aktivist:innen ohne strategische Klarheit. Der Weg zu einer größeren programmatischen und strategischen Klarheit besteht darin, in gemeinsamen Kämpfen Positionen auszutesten und Übereinkünften weiterzuentwickeln – aber auch darin, beispielsweise gemeinsame Antritte bei Wahlen mit einem Programm der Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse anzustreben. Deshalb rufen die Unterzeichner:innen alle Organisationen, die dem Inhalt dieser Erklärung zustimmen, dazu auf, Schritte für den Aufbau einer gemeinsamen revolutionären Front zu gehen. Diese Front muss basieren auf gemeinsamen Erfahrungen im Klassenkampf und der politischen Intervention in Streiks, sozialen Kämpfen sowie perspektivisch Wahlen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene. Mit den Lehren der Erfahrungen von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind wir der Meinung, dass ein Bruch der Revolutionär:innen mit den sozialdemokratischen Verwalter:innen des Kapitalismus nicht nur notwendig, sondern unumgänglich ist.




DGB-Facebook-Gruppe nach kontroverser Diskussion dicht gemacht, Aufbau einer Basisopposition muss die Antwort sein

Lukas Müller, Infomail 1107, 17. Juni 2020

Auf der ganzen Welt wird seit dem Tod von George Floyd kontrovers über dAuf der ganzen Welt wird seit dem Tod von George Floyd kontrovers über die Rolle der Polizei diskutiert. Vor einigen Tagen kam auch in der DGB-Facebook-Gruppe eine Debatte über die Rolle der Gewerkschaft der deutschen Polizei (GdP) auf, welche innerhalb des DGB organisiert ist. Den Aufschlag hatten GenossInnen von Klasse gegen Klasse (KgK) gemacht, welche in einem verlinkten Artikel gegen die GdP innerhalb des DGB argumentierten.

Zensieren statt diskutieren

Statt sich in der Frage inhaltlich zu positionieren, reagierten die AdministratorInnen um den hauptamtlichen Funktionär Olaf Schwede mit der Löschung des Beitrages und warfen mehrere Mitglieder von KgK kurzerhand aus der Gruppe. Daraufhin entbrannte die Debatte umso heftiger, zum einen um die Frage der GdP, zum anderen um den Umgang der AdministratorInnen mit kontroversen Themen. Mehrere Dutzend GewerkschafterInnen außerhalb von KgK bezogen sich ebenfalls kritisch auf die Organisierung von PolizistInnen innerhalb des DGB und argumentierten gegen das Abwürgen der offensichtlich notwendigen Auseinandersetzung. UnterstützerInnen von Olaf Schwede begannen sodann eine Kampagne gegen sämtliche KritikerInnen, welche als vermeintliche „TrotzkistInnen“ gebrandmarkt und diffamiert wurden. Diskussionen unter Beiträgen wurden gesperrt. Heute Morgen wurde die gesamte Gruppe mit ihren über 7.000 Mitgliedern dichtgemacht.

Das Agieren der Admins hat abermals deutlich gezeigt, dass die DGB-Bürokratie auf der Seite derer steht, die so tun, als gebe es kein Rassismus-Problem in der deutschen Polizei. Das ist lächerlich. Alle GewerkschafterInnen und Beschäftigte wissen, dass es überall ein Rassismus-Problem gibt. In der Polizei ist es besonders hoch, wie schon alle People of Colour und MigrantInnen selbst erfahren haben, aber auch die/der weiße Gewerkschaftsapparatschik erkennen kann, wenn sie/er den überdurchschnittlichen Anteil an AfD- WählerInnen in der Polizei anschaut.

Die Polizei stellt eben keine Berufsgruppe wie viele andere dar. Sie bildet vielmehr einen Kernbestandteil des bürgerlichen Staats- und Unterdrückungsapparats, was sich auch im Verhalten und Bewusstsein ausdrückt. Vor allem aber zeigt sich ihre Funktion bei allen wichtigen gesellschaftlichen Konflikten – sie hat das Privateigentum, die bürgerliche Ordnung gegen die Lohnabhängigen bei Besetzungen oder Streiks zu verteidigen. Daher vertreten wir seit Jahren, dass die GdP keinen Platz im DGB haben darf und Berufsgruppen wie die Feuerwehr, die nicht zur Polizei gehören, heute aber in der GdP organisiert sind, in andere Gewerkschaften – z. B. ver.di – integriert werden sollen.

Aber offensichtlich hat die DGB-Bürokratie kein Interesse an einer inhaltlichen Auseinandersetzung um Kritik und kontroverse Fragen. Lieber macht man eine ganze Gruppe mit über 7.000 GewerkschafterInnen dicht, statt sich der Debatte zu stellen. Unabhängig davon, wie man zur Frage der GdP steht, sollten GewerkschafterInnen dieses undemokratische Verhalten scharf verurteilen.

Opposition

Der Vorfall unterstreicht aber auch: Gegen bürokratische Manöver und für die Demokratisierung der Gewerkschaften reicht Online-Aktivismus nicht aus. Der Aufbau einer realen gewerkschaftlichen Basisopposition mit festen Strukturen ist notwendig. Gemeinsam mit vielen BasisaktivistInnen und anderen linken Gruppen wie der DKP, SAV, DIDF, ISO und SOL haben wir deshalb die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) gegründet. Gemeinsam wollen wir in den Gewerkschaften gegen die Politik der Sozialpartnerschaft und der faulen Kompromisse mit den Bossen und für die Macht der Basis kämpfen. In vielen Städten ist die VKG bereits auf der Straße und in den Betrieben aktiv geworden, um Kämpfe nach vorne zu treiben und zusammenzuführen, so zum Beispiel am ersten Mai. Wir rufen die GenossInnen von Klasse gegen Klasse abermals dazu auf, sich an dem Projekt zu beteiligen und den Kampf aufzunehmen.




Die Ukraine und RIOs Unverständnis revolutionärer Politik

Franz Ickstatt, Revolutionärer Marxismus 47, September 2015

Nicht dass alle schriftlichen Ergüsse linker Gruppierungen über die Lage in der Ukraine von hoher Bedeutung wären. Die große Schande des Großteils der deutschen, ja der weltweiten Linken bleibt die faktische politische Unterordnung unter den westlichen Imperialismus, vorzugsweise ihren „eigenen“. Ergänzt wird dies durch die neutralistische Position eines weiteren großen Teils der Linken, dessen Passivität letztlich auch den Imperialisten dient.

Zu solchen Neutralisten gehört zum Beispiel die MLPD, die u.a. den „Abzug aller fremden Panzer“ fordert, was nur als Entwaffnung des legitimen Widerstandes im Osten gegen den Krieg der Kiewer Regierung interpretiert werden kann. Auch sonst verweigert die MLPD die Solidarität mit der Bewegung in der Ostukraine, ruft aber zu Solidarität mit „den Linken“ in der Ukraine auf. Konkret meint sie damit die KSDR, ein Mitglied ihrer internationalen Strömung ICOR. Unter AktivistInnen aus dem Land ist diese Gruppe allerdings völlig unbekannt, dem Rest der Welt sowieso. Sie führt ein politisches Leben nur auf den Seiten der MLPD und des ICOR. Es gibt von dieser Gruppe keinerlei Veröffentlichungen, lediglich ein einziges Interview in der Roten Fahne. Die Solidarität der MLPD beläuft sich in der Praxis darauf, ihr eigenes potemkinsches Dörfchen in der Ukraine zu basteln.

Which side are you on?

Würde die MLPD in der Praxis auf der richtigen Seite stehen – wie es die DKP tut, trotz falscher Begründung (1) – könnte dies zumindest in Deutschland zu einer erheblich besseren Mobilisierung gegen die Politik des deutschen Imperialismus beitragen. So bleibt der Hauptfeind im eigenen Land von der MLPD in dieser Frage unbehelligt.

Gleiches gilt auch für RIO. Diese Gruppe könnte zwar zahlenmäßig deutlich weniger zu einer Mobilisierung beitragen als die MLPD, aber sie hat zum Thema mehr – wenn auch mehr in sich Widersprüchliches – verfasst. Im Aufruf der internationalen Strömung der MLPD, der ICOR, wird der Konflikt in der Ukraine als „Stellvertreterkrieg“ bezeichnet, werden die gegenläufigen Interessen der russischen und westlichen Imperialisten benannt und wird dann zur Ostukraine selbst nur gesagt: „Wenn auch die NATO der Hauptaggressor ist, heißt das nicht, dass sich revolutionäre Organisationen auf die Seite des russischen Imperialismus stellen oder die Gebiete Donezk und Lugansk als ‚befreite Gebiete‘ ansehen können. Es ist sehr auffällig, wie nicht nur Kiew, sondern auch Putin mit Faschisten zusammenarbeitet.“ (2) Dürftiger geht’s wohl nicht mehr.

Anders RIO. Im Gegensatz zu ihrer internationalen Strömung „Trotzkistische Fraktion“, die auf ihrer Web-Seite zuletzt im September 2014 eine Stellungnahme veröffentlichte (3), präsentierte RIO in ihrem Blatt „Klasse gegen Klasse“ Nr. 9 nicht nur eine Analyse der Lage in der Ukraine (Stand September 2014) (4), sondern auch eine Auseinandersetzung mit anderen Linken unter dem Titel „Debatte: Muss man das „kleinere Übel“ unterstützen?“ (5). Dem ging ein erster Artikel im August 2014 voraus (6). Jetzt folgte eine Polemik „Verwirrung und Verzweiflung“ (7), der sich auch mit Positionen anderer linker Gruppen, vor allem aber unserer Stellungnahme sowie der von Borotba befasst.

Aber auch schon in „Debatte: Muss man das „kleinere Übel“ unterstützen?“ ging das Feuer in diese Richtung. Gehen wir über die völlig frei erfundene Behauptung des Autoren Wladek Flakin hinweg, dass die kritisierten Organisationen – seien es diejenigen, die die Maidan-Bewegung, oder jene, die die Bewegung im Osten unterstützen – dies mit der Begründung des „kleineren Übels“ täten. Das tun sie definitiv nicht. Stellen wir der unzureichende Kritik an den Maidan-Unterstützern wohlwollend die Bewertung „stets bemüht“ aus und widmen uns dann dem Teil, der sich mit den von ihm so bezeichneten „AntifaschistInnen“ auseinandersetzt. Diese Auseinandersetzung ist mehr als doppelt so lang wie die andere mit den Maidan-„DemokratInnen“ und offensichtlich der Hauptzweck des Artikels.

Während hier komplett das (ex-)stalinistische/reformistische Lager, z.B. die DKP, unerwähnt und somit unkritisiert bleibt, schreibt Flakin einiges über Borotba, die er einmal als „stalinistisch“ bezeichnet und dann der Vertretung „nationalistischer Positionen“ beschuldigt. Belegen kann er weder das eine noch das andere. Dann folgt eine Auseinandersetzung mit der Jalta-Konferenz, die Anfang Juli 2014 auf der Krim stattgefunden hat. Sie wurde organisiert von einem gewissen Anpilogow, der als russischer Nationalist bezeichnet wird. Er soll dann auch einen Monat später eine Konferenz mit verschiedenen Nationalisten und gar Faschisten aus Europa organisiert haben. Damit habe er „Linke und Rechtsextreme für die gleiche Front mobilisiert“.

Unserem Genossen Brenner, der an der Konferenz in Jalta teilgenommen hatte, wird dabei „eine defensive Verteidigung seiner Position“ und der „Zusammenarbeit mit rechtsextremen ‚AntifaschistInnen’“ nachgesagt. In der Fußnote distanziert sich Flakin zwar von der „sozialimperialistischen AWL“, die diese „Fakten zusammengetragen habe“, aber sie seien „schwer zu widerlegen“. Das ist dann der Fall, wenn man politische Analyse durch eine linke Version der Klatschspalten der Regenbogenpresse ersetzt: Wer hat mit wem getanzt, getrunken oder gar geknutscht?

Revolutionäre MarxistInnen unterscheiden sich aber von OpportunistInnen aller Art auch und vor allem in ihrer Methode.

Wer mit wem oder wer für was?

Unserem Genossen eine „Zusammenarbeit mit Rechtsextremen“ zu unterstellen, ist eine schlichte Lüge der AWL (Alliance for Workers‘ Liberty; britische rechtszentristische Organisation). Der Besuch einer Konferenz ist noch lange keine Zusammenarbeit, schon gar nicht, wenn diese nicht mal anwesend sind. Auch wenn Anpilogow selbst ein Rechtsextremer wäre, wäre er einer der sehr seltenen Rechtsextremen, die für Linke Konferenzen organisieren. Hinzu kommt, dass Anpilogow zwar bei der Konferenz anwesend war, die maßgebliche Person bei der Organisierung jedoch Boris Kagarlitzki war, ein international bekannter russischer Linker.

Aber mal unterstellt, es wäre bekannt gewesen, dass Anpilogow nach der Konferenz der Linken eine ebensolche der Rechten organisieren würde, dann stellt sich die Frage doch so: „Dürfen Linke auf Konferenzen gehen, die von dubiosen, möglicherweise nationalistischen Personen oder Organisationen organisiert werden?“

In der gleichen Ausgabe ihrer Zeitung berichten andere GenossInnen von RIO von ihrem Besuch auf der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und ver.di organisierten Konferenz „Erneuerung durch Streik“ in Hannover und erklären, dass dies „eine gute Gelegenheit zur Vernetzung“ gewesen sei, „die es sonst selten gibt“ (8). Unabhängig von und im Widerspruch zu ihrem schönen Namen organisiert diese Stiftung aber auch Veranstaltungen mit übelsten Zionisten und anderen Nationalisten und Rassisten sowie UnterstützerInnen des deutschen und US-Imperialismus, was RIO vermutlich genauso sieht wie wir.

Die Frage, ob eine Teilnahme an einer Konferenz sinnvoll und legitim ist, beantwortet hier RIO aber offensichtlich ganz anders. Die Tatsache, dass einer der Hauptredner in Hannover das IG Metall-Vorstandsmitglied Urban war, der als Mitglied der Linken die entsprechende Rhetorik beherrscht, der in der Praxis aber die ganze rechte korporatistische Standort-Deutschland-Politik dieser Gewerkschaft einschließlich der Unterstützung für den Angriff auf das Streikrecht durch die Bundesregierung mitträgt, ist den RIO-GenossInnen keine Erwähnung wert – was schade ist – und kein Grund für sie, nicht nach Hannover zu gehen -was korrekt ist.

Zu Recht kritisiert RIO übrigens, dass in Hannover die Verabschiedung einer Resolution zur Flüchtlingsfrage verhindert worden ist. Es gab nur eine zur Verteidigung des Streikrechts. Auf der Jalta-Konferenz, der bis dahin einzigen „Gelegenheit zur Vernetzung“ der Linken, die die Bewegung im Osten unterstützen, gab es anders als in Hannover eine gemeinsame Schlusserklärung. Diese würden wir als Mischung von reformistischen und linkspopulistischen Ideen charakterisieren. Mit anderen Worten, diese Erklärung und damit die Konferenz hat mit den Positionen der Rechtsextremen, die sich ein paar Wochen später in Jalta versammelten, politisch aber auch gar nichts gemeinsam! Und das ist auch noch für jedeN überprüfbar – im Unterschied zu Konferenzen, die ohne Erklärung zu Ende gehen. Zweitens gibt eine Erklärung immer die Möglichkeit, inhaltliche Kritik zu üben und Gegenvorschläge zu formulieren – auch für Flakin oder die AWL. Es ist aber bemerkenswert, dass alle Kritiker der Konferenz von Jalta mit keinem Wort auf deren Hinhalt eingehen – obwohl der Text seit langem in verschiedenen Sprachen, darunter auch in deutscher Übersetzung vorliegt (9).

In den Texten wird einfach politische Analyse und Kritik durch Kolportage ersetzt, um so davon abzulenken, dass RIO die Verteidigung des Donbas gegen die Angriffe der ukranischen Armee und faschistischer Milizen neuerdings rundweg ablehnt. Diese Vermutung bestätigt sich mit dem Artikel, den Alexej Geworkian im Mai 2015 für RIO verfasste (10) und der sich erneut vor allem auf unsere Position sowie auf BOROTBA konzentriert. Wir werden zeigen, dass die Methoden RIOs weiterhin zentristisch sind und ihre Politik ebenfalls. RIOs Abkehr von revolutionärer Methodik und Programmatik läuft aber letztlich auf die Unterstützung der westlichen Imperialisten hinaus.

RIOs Zentrismus: Linksradikale Worte – passive Praxis

Die grundlegenden Fehler von RIO in der Ukrainefrage haben wir bereits in Auseinandersetzung mit ihrem Artikel vom August 2014 ausführlich analysiert.

„Waren die beiden Seiten zuerst noch ‚qualitativ‘ ungleich, sind wenige Zeilen später ‚beide Seiten gleichermaßen reaktionär.‘

Um die Verwirrung perfekt zu machen, heißt es gegen Ende des Artikels: ‚Vor dem Hintergrund der notwendigen Verteidigung gegen militärische Angriffe muss ein sozialistisches Programm entwickelt werden.‘  Das heißt aber für jeden klar denkenden Menschen nichts anderes, als dass sich die Arbeiterklasse auf einer Seite im Konflikt positionieren soll/muss – ansonsten ist ja die Verteidigung einer Seite gegen Angriffe vollkommen sinnfrei.

Die ganze Verwirrung kommt daher, dass RIO die Bewegung im Osten einmal als reaktionär definiert, weil die Führung eine Volksfront ist. An anderer Stelle sieht sich die Gruppe aber wieder genötigt anzuerkennen, dass ein Teil der Bewegung im Osten und auch die ‚Volksrepubliken‘ qualitativ verschieden von der Kiewer Seite wären.

Das Problem ist an sich leicht zu lösen. Als RevolutionärInnen unterscheiden wir auch in Donezk und Lugansk zwischen der sozialen Basis, den Zielen und Potenzen einer Bewegung und einer reaktionären Führung. Trotz des reaktionären Charakters der Spitzen der ‚Volksrepubliken‘ müssen RevolutionärInnen diese gegen die Angriffe der Reaktion verteidigen. Wir bekämpfen diese Führungen dabei immer auch politisch und treten für den Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei ein – aber wir tun dies auf eine Art und Weise, die den Sieg gegen die Kiewer Reaktion herbeiführen soll. Und das heißt im Bürgerkrieg, um die Führung in der militärischen Verteidigung zu kämpfen.“ (11)

Die zentristische Methode führt RIO dabei zu folgenden Fehlern:

  • In der Analyse der Kräfte im Osten unterschätzt RIO völlig den Einfluss der ArbeiterInnenklasse und untersucht nicht das Verhältnis zwischen örtlichen Kräften und den Zielen Moskaus.
  • In der Frage, ob es sich in erster Linie um einen Bürgerkrieg oder um einen Krieg zwischen Russland und Moskau handelt, gibt es ständige Schwankungen; in der Tendenz neigt RIO aber zu letzterem.
  • Die mangelhafte Bestimmung der Bewegung der ArbeiterInnenklasse führt dazu, keine Taktiken für die Klasse vorzuschlagen, höchstens die radikal klingende, aber im Bürgerkrieg völlig untaugliche Forderung nach einem Generalstreik.
  • So endet RIO in Passivität und konzentriert ihre Angriffe auf die Kräfte, die politisch am effektivsten im Osten eingreifen bzw. diesen Kampf verteidigen, wie z.B. Borotba und die Liga für die Fünfte Internationale.

Wir werden diese Fehler im Einzelnen anhand der Aussagen RIOs analysieren und darstellen.

Der Unterschied zu RIO

Den Fehler, aus einer halb-richtigen Analyse die ganz falschen Schlüsse zu ziehen, setzte RIO in der Herbst-Nummer 2015 ihres Magazins fort. Die „Igitt, was für Leute!“-Geste, die aus Flakins Artikel strömt und der er entweder selbst unterliegt („schwer zu widerlegen“) oder mit der er hofft, andere in die Irre führen zu können, hat ihre Grundlage aber in einem Unverständnis revolutionärer Taktik, das neben RIO auch andere Zentristen teilen, ja es ist für sich genommen ebenfalls ein Kennzeichen dieses Schwankens zwischen Revolution und Reform.

RIO nimmt eine „neutrale“ Position im Ukraine-Konflikt ein und damit zugleich eine untätige. Sie erklärt den ArbeiterInnen, dass sie sich unabhängig organisieren müssten. Da sie dies aber – in den Augen RIOs – nicht tun, steht RIO weiterhin mit erhobenem Zeigefinger am Rande des Geschehens, zu dem sie selbst sagen: „Der BürgerInnenkrieg in der Ukraine ruft die größten geopolitischen Spannungen seit dem Ende des kalten Krieges hervor.“

Wir dagegen suchen nach den Punkten, wo die ArbeiterInnenklasse tätig wird. Wir suchen die Klassenfronten. RIO versucht schon das wegzureden, indem sie uns unterstellt, wir würden das „kleinere Übel“ (Flakin) oder die „fortschrittliche Seite“ (Geworkian) suchen.

Damit soll offenkundig Suggestion an die Stelle einer konkreten Einschätzung der konkreten Situation treten. Eine Niederlage des Widerstandes im Osten, der Volksrepubliken, würde trotz des reaktionären Charakters der Führungen einem Sieg des Regimes der Oligarchen gleichkommen. Er wäre ein entscheidender Schlag gegen die ArbeiterInnenklasse, gegen alle unterdrückten Schichten in der Ukraine. Wahrscheinlich würde er mit einer Pogromstimmung gegen die „Separatistenkämp-ferInnen“ einhergehen wie auch gegen die Kommunistische Partie und linke Organisationen wie Borotba. Die faschistischen und nationalistischen Bataillone, große Teile der Nationalgarde, ja auch der Armee würden sich von brutalen Massakern kaum abhalten lassen.

All das stellt eine besonders brutale und abscheuliche Form der Festigung der Klassenherrschaft der ukrainischen Bourgeoisie, der Festigung ihrer Kontrolle über das Land dar – eine für große Teile des Proletariats im unmittelbaren Sinn vernichtende Niederlage. Ein solcher Sieg würde selbstverständlich auch die Eigentumsfrage usw. im Donbass „lösen“. Für revolutionäre KommunistInnen ist daher ihre Pflicht, den Klassencharakter des Konflikts und der beteiligten Kräfte, nicht nur die Ideologien von Parteien zu untersuchen. Daraus ergibt sich, welchen Platz die ArbeiterInnenklasse in einem Konflikt einnehmen muss. Gibt es eine „fortschrittliche Seite“ in einem Bürgerkrieg, so ist es die Pflicht des Proletariats, diese trotz all ihrer Schwächen gegen die Reaktion zu unterstützen.

RIO ersetzt diese Aufgabe durch die für sich genommen immer richtige Wahrheit, dass sich die Klasse „unabhängig“ organisieren müsse. Diese Erkenntnis verkommt jedoch zur reinen Abstraktion, wenn sie nicht mit der realen Auseinandersetzung vermittelt wird, wenn hinter allgemeinen Formeln geleugnet wird, dass der Widerstand im Osten einen fortschrittlichen Charakter hat. Es bedeutet nichts anderes, als das Proletariat in Stich zu lassen.

Die Klassenfronten in der Ukraine sind die Klassenfronten in Europa

RIO hält umso hartnäckiger an ihrer falschen Einschätzung fest, je klarer die Klassenfronten im Donbass werden. Dass diese offener zu Tage treten, ist allerdings nicht den passiven Ultimaten von RIO zu verdanken.

  • Mit Bombardierung der Zechen im Osten wurde die Masse der Bergleute erst in den Streik getrieben und dann an die Front. Sie bilden die Hauptstütze der „Roten Kosaken“. Das war nicht immer so. Vor dem Bürgerkrieg war der Vorsitzende ihrer Gewerkschaft, der Unabhängigen Gewerkschaft NPGU, für Julia Timoschenkos Vaterlandspartei im Parlament. In Donezk selbst hatte sich die Gewerkschaft gespalten, die Mehrheit wird schon länger von Michail Krylenko vertreten. Unbestreitbar hat hier auch eine Radikalisierung nach links stattgefunden.
  • Ein zweiter Konfliktpunkt ist die Frage der Fabriken und Minen, die von der Kiewer Regierung oder den Oligarchen aufgegeben oder bombardiert wurden. Die Janukowytsch-Leute, russische Nationalisten und Putin-Agenten wollen sie unter die Kontrolle russischer Oligarchen bringen. Die ArbeiterInnen haben offensichtlich andere Absichten. Sogar die „Unabhängige Bewegung Noworossija“, eine kleinbürgerlich-populistische Vereinigung, drückt dies in ihrer programmatischen Erklärung aus: „Großes Eigentum, industrielles und finanzielles Vermögen sollen dem Staat gehören. Der Nationalrat setzt sich zusammen aus Delegierten aus Räten von nationalen und Arbeitskollektiven und soll die höchste gesetzgebende Körperschaft von Noworossija werden.“ Ein offensichtliches Zugeständnis an die Arbeiterklasse.
  • Drittens geht es um die Verteilung der Hilfsgüter: Bestimmt die Administration aus prorussischen Janukowytsch-Leuten oder bestimmen die kämpfenden Einheiten? Diese stellen oft die progressiveren Elemente. Einige treten für Komitees der Bevölkerung ein. Ende des Jahres 2014 gab es zunehmend Konflikte um diese Frage. Etliche Kommandeure der „Roten Kosaken“ griffen das Staatsoberhaupt der „Volksrepublik Lugansk“, Plotnitzki, an, weil er zu wenig für die Bevölkerung täte und Material für sich abzweige. Dieser seinerseits beschuldigte Alexander Bednow, den populären Verteidiger der Stadt in den Augustkämpfen, der Unterschlagung und der Folter von ZivilistInnen. Dies geschah, nachdem Bednow unter nicht geklärten Umständen mit einigen seiner Leute durch eine (vermutlich russische) Spezialeinheit liquidiert worden war.
  • Viertens traten diese Konflikte auch bei den Wahlen im November zutage, bei denen in Donezk die KP an der Kandidatur gehindert wurde, ebenso wie Bednow in der Volksrepublik Lugansk. Genauso stellt die Gefangennahme von 4 Mitgliedern von BOROTBA Ende 2014 einen Beweis für die sich vertiefenden Konflikte im Osten dar. Die Freilassung nach zwei Wochen beweist aber auch das Gewicht der linken Kräfte.
  • Fünftens ist auch der Aufbau von explizit linken Kampfverbänden einerseits etwas, was keine Entsprechung in den Kiewer Truppen findet und andererseits ein Beweis, dass sich die linken Kräfte verstärken konnten. Herausragendes Beispiel ist die „Gespenster“-Brigade des legendären Kommandanten Alexander Mosgowoj. Innerhalb der Brigade gibt es ein Kommunistisches Bataillon, ein sehr internationalistisches Bataillon, in dem KommunistInnen aus vielen Ländern unter roten Fahnen kämpfen. Er organisierte auch eine politische Abteilung zur Schulung der Kämpferinnen und zur Produktion von linker Propaganda. Er warb SozialistInnen und KommunistInnen für diese Posten an.

RIO braucht im Ukraine-Konflikt keine Taktik, weil sie diese durch Allgemein-plätze ersetzt und die reale Bewegung ignoriert.

Einheitsfronttaktik im Bürgerkrieg ist zwar etwas anderes als Einheitsfronttaktik in Gewerkschaften. In jenen sind unsere Gegner/potentiellen Verbündeten meist ReformistInnen, die sich immerhin auf ArbeiterInnenbewegung und Streik beziehen, wie z.B. die Linkspartei-Mitglieder auf der Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Im Bürgerkrieg hat man es dagegen oft auch mit nationalen und nationalistischen Positionen und Konflikten zu tun, wie generell der Bürgerkrieg „verworrener“ ist, weil er eine höhere Form des Klassenkampfes darstellt als der gewerkschaftliche Kampf. Im Bürgerkrieg werden alle Schichten der Gesellschaft in Bewegung gesetzt, alles wird umgeworfen im Kampf um die politische Macht.

Die grundlegende Herangehensweise ist jedoch auch von zwei zentralen Gemeinsamkeiten gekennzeichnet. Sowohl in gewerkschaftlichen wie politischen Klassenkämpfen sind RevolutionärInnen gezwungen, zeitweilige Bündnisse mit nicht-revolutionären Kräften einzugehen. Die Basis dafür besteht in der Verfolgung gleicher Ziele gegen einen gemeinsamen Gegner. Zugleich müssen solche Bündnisse immer mit der strikten Unabhängigkeit der revolutionären Organisation verbunden sein, also ihrem Recht/ihrer Möglichkeit, jederzeit auch Kritik am „Partner“ zu üben. Zweifellos werden daher in vielen Fällen (ob nun in gewerkschaftlichen Kämpfen wie auch im Bürgerkrieg) Einheitsfronten nicht zustande kommen trotz der Anwendung der Taktik der Einheitsfront, also der Forderung an andere, trotz fundamentaler politischer Differenzen den Kampf gemeinsam zu führen.

Die Ablehnung der Einheitsfront oder ihr Nicht-Zustandekommen ändert dabei nichts daran, dass ein fortschrittlicher Kampf weiter unterstützt werden muss.

Hinzu kommt, dass in Bürgerkriegen – und nicht nur dort – soziale Fragen oft die Form von demokratischen oder nationalen Konflikten annehmen. Soziale Forderungen verbergen sich hinter nationalen oder demokratischen Forderungen. Das entspringt aus der einfachen Tatsache, dass die Bourgeoisie zum Zwecke der Ausbeutung von Klassen, die viel zahlreicher an Menschen sind als die ihre, diese auch unterdrücken muss. Gegen diese Unterdrückung begehren dann die in ihren demokratischen und nationalen Rechten Unterdrückten auf. Der soziale Konflikt, die Ausbeutung, erscheint untergeordnet. Die Geschichte ist die Geschichte von Klassenkämpfen – auch wenn die Klassenkämpfe die Form von Kriegen und Bürgerkriegen annehmen. Trotzki präzisierte diese Aussage des Kommunistischen Manifestes noch: „Der Sektierer ignoriert einfach, dass der nationale Kampf, als eine der verworrensten und unübersichtlichsten, aber zugleich äußerst wichtigen Formen des Klassenkampfes, nicht durch bloßen Verweis auf die künftige Weltrevolution entschieden werden kann.“ (12) Als ob er RIOs Erklärungen zur Ukraine gelesen hätte!

Es ist also vollkommen sektiererisch, wenn man in einem Bürgerkrieg nicht Partei ergreift, obwohl man erkennt, dass die eine Seite einen berechtigten Kampf führt – nur weil die Klassenfrage noch nicht offen zu Tage liegt. Es ist zentrale Aufgabe jeder ArbeiterInnenorganisation, der ArbeiterInnenklasse zu helfen, den Klasseninhalt durch ihren eigenen Kampf sichtbar zu machen!

Welche Taktiken dann für revolutionäre Organisationen in Bürgerkriegen zulässig sind, werden wir weiter unten erläutern. Wir müssen uns noch damit befassen, dass RIO den Bürgerkrieg in der Ukraine zu einem Krieg umdeutet.

Imperialistischer Krieg und/oder Bürgerkrieg

RIO weicht einer wirklichen Analyse der kämpfenden Kräfte in der Ost-Ukraine auch dadurch aus, dass kurzerhand alles in den Volksrepubliken als von Russland gelenkt und kontrolliert dargestellt wird.

Dann erklärt Geworkian, dass RevolutionärInnen in einem Konflikt zwischen Imperialisten keine Partei ergreifen dürfen. Zugleich charakterisiert RIO aber die Russische Föderation als entwickelten Kapitalismus, lehnt es aber ab, dabei von einer imperialistischen Macht zu sprechen. Würde Geworkian seine eigenen Gedanken ernst nehmen, so müsste er sich die Frage stellen, wer hier eigentlich stellvertretend für wen agiert? Um einen imperialistischen Stellvertreterkrieg kann es sich ja schlecht handeln, wenn eine Seite gar keine imperialistische Macht darstellt.

Mit seinen „allgemeinen“ Erwägungen erspart sich Geworkian aber vor allem eine konkrete Analyse. Er unterstellt, dass der Krieg ein „imperialistischer auf beiden Seiten“ wäre, ohne das überhaupt zu untersuchen. Dabei ist genau das die Frage.

Der vorherrschende Charakter dieses Konflikts ist welcher? Handelt Kiew mit seiner Armee einschließlich der faschistischen und nationalistischen Paramilitärs als reine Schachfigur der USA und der EU oder verfolgt es eigene Interessen? Das eine muss das andere nicht ausschließen und sicher hatte der Maidan das Überlaufen der Mehrheit der ukrainischen Bourgeoisie ins westliche Lager zum Ergebnis. Der Hauptaspekt des Krieges ist aber ein sozialer und interner Konflikt: die ukrainische Regierung und ihre Hilfstruppen kämpfen mit der Waffe in der Hand für ein brutales Sparprogramm, für die Abwälzung der exorbitanten Krisenlasten auf die Massen, was natürlich auch im Interesse der EU, der USA und des IWF geschieht. Die arbeitenden Massen im Ostteil des Landes bekämpfen das, teilweise unter Waffen stehend. Es handelt sich also von beiden Seiten vorwiegend um einen Bürgerkrieg: zum einen, weil Russland nicht Kriegspartei ist, zum anderen, weil die Kiewer Regierung nicht überwiegend als Stellvertreterin des Westens agiert.

Wenn Kiew lediglich eine westliche Marionette wäre und Moskau die Volksrepubliken wirklich kontrollieren würde, dann hätte der Krieg einen anderen Charakter und ein anderes Ziel – die Schwächung Russlands bzw. deren Verhinderung – und nähme einen anderen Verlauf, wenn die westlichen Imperialisten ihre Kiewer Marionetten militärisch lenken würden.

Es handelt sich aber auch nicht in erster Linie um einen militärischen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Das ukrainische Bürgertum führt vielmehr einen Bürgerkrieg gegen seine ArbeiterInnenklasse. Im Falle einer Invasion Russlands müsste die ukrainische ArbeiterInnenklasse einen Zweifrontenkrieg gegen zwei gleich große Übel führen, sofern der Charakter des Konflikts sich nicht z.B. in einen gegen nationale Unterdrückung durch Russland änderte und die ukrainische Bourgeoisie den sozialen Bürgerkrieg zurückstellen müsste. Diese Situation könnte z.B. im Vorfeld einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Russland und der EU sowie deren Verbündeten eintreten, wenn Russland die gesamte Ukraine annektierte, die damit das Schicksal z.B. Tschetscheniens teilen müsste. Eine Invasion der Ostukraine durch Russland könnte hingegen von der Mehrheit der dortigen Bevölkerung durchaus nicht als nationale Unterdrückung empfunden werden, wie das Beispiel der Krim zeigt, sondern sogar als „Befreiung“ aufgefasst werden (Noworossija). Nichtsdestotrotz müsste dann die ostukrainische ArbeiterInnenschaft sowohl Kiews wie Moskaus Truppen bekämpfen, denn beide Seiten würden mit den dort, in den Volksrepubliken, erkämpften proletarischen Errungenschaften, Milizen, Betriebsbesetzungen und -übernahmen wie Räteansätzen, gründlich aufräumen, die ohne Wenn und Aber als Faustpfande einer kommenden ArbeiterInnenrevolution verteidigt werden müssen, auch wenn in diesem Kriegsszenario der Bürgerkrieg einen untergeordneten Charakter angenommen hätte und der Krieg Russlands gegen die Ukraine in den Vordergrund gerückt wäre. Vor allem: wenn es sich aber nach wie vor um einen Bürgerkrieg handelt, kommen „RevolutionärInnen“ doch in arge Not, ihre Passivität zu rechtfertigen.

Auch wenn der Bürgerkrieg das dominierende Element in einem Konflikt ist, mischen sich die Imperialisten natürlich ein. Vielen Linken reicht der Hinweis auf imperialistische Einmischung, um Bürgerkriegsfronten zu entscheiden, wenn auch meistens falsch. So wurden von vielen Linken die Revolutionen und Bürgerkriege in Libyen und Syrien kurzerhand zu Projekten des US-Imperialismus erklärt und die Rebellen und revolutionären Kräfte zu seinen Marionetten. Aber im Zeitalter des Imperialismus gibt es keinen und kann es auch keinen Bürgerkrieg geben, den Imperialisten nicht für ihre Konkurrenz-Konflikte nutzen. Ein Bürgerkrieg hört aber weder im Nahen Osten noch in der Ukraine auf, ein Bürgerkrieg zu sein, nur weil sich Imperialisten einmischen. Der spanische Bürgerkrieg blieb eben von Anfang bis Ende ein solcher, obwohl sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien „einmischten“ – wie auch der degenerierte Arbeiterstaat UdSSR. Beide Lager – auch das Francos – agierten deshalb aber nicht schon überwiegend als verlängerter militärischer Arm ihrer imperialistischen Unterstützer.

Nebelkerzen

Noch ist also das dominierende Element der Bürgerkrieg. Wer kämpft denn da auf der Seite des Ostens? Geworkian unterstellt uns: „Die GAM scheint Borotbas Analyse geteilt zu haben, dass in der Ostukraine so etwas wie eine anfängliche soziale Revolution vonstattenging, die auf die Vergesellschaftung der Produktionsmittel zielte. Hierzu ließ sie sich von der sowjetischen Nostalgie der russischen NationalistInnen mitreißen, die ihre Scheinparlamente gern ‚Sowjets‘ nennen. Doch diese Volksrepubliken entstanden und entwickelten sich unter direkter Führung des kapitalistischen russischen Staates. Auch ein Programm von ‚Verstaatlichung‘ beschränkt sich auf die Notwendigkeiten der Kriegsführung und des Aufbaus einer pro-russischen Enklave wie Transnistrien/ Pridnestrowien – wo Verstaatlichungen die angeschlagene kapitalistische Marktwirtschaft am Laufen halten.“ (13)

Wenn es eine „direkte Führung“ der „Volksrepubliken“ durch den russischen Staat gegeben hätte, wären sie eben keine „Volksrepubliken“ geworden. Transnistrien oder Nord-Ossetien nennen sich nicht Volksrepubliken, gerade weil der direkte russische Einfluss dort so etwas nicht will. Im Unterschied zur Krim – und auch die wurde nicht einfach annektiert – sind Lugansk und Donezk auch kein Bestandteil Russlands geworden. Ein Neu-Russland als Teil der Russischen Föderation ist eher ein Albtraum für Putin und ausgesprochen nicht seine Absicht.

Das, was uns Geworkian unterstellt, war nie unsere Analyse und Geworkian weiß das. Acht von dreizehn Verweisen in seinem Artikel beziehen sich auf GAM bzw. NAO. Er kennt also unsere Artikel. Der Maidan und die Übergriffe der neuen Regierung provozierten einen „Anti-Maidan“ im Osten, eine Massenbewegung, die Zehntausende auf die Straße brachte. Wir sind hingefahren und haben uns das angeschaut. Wir wollten wissen, wie die soziale Zusammensetzung ist, welche Parteien politisch dominieren, wofür die Bewegung kämpft, haben also dieselben Kriterien als Maßstab angelegt, mit denen wir den Maidan be- und verurteilt haben. Schon damals war klar, dass russisch-nationalistische Kräfte dort Einfluss suchen, dass es sich aber um eine Massenbewegung handelt, die vor allem aus der Arbeiterklasse besteht.

Wir haben diese Bewegung weiterverfolgt und untersucht. So haben sich z.B. größere Teile der Bergarbeiter erst später angeschlossen. Wir haben untersucht, ob und wie sich Forderungen der Klasse in diesem Bürgerkrieg ausdrücken.

Anders RIO heute. Während Baran Serhad im August 2014 noch eine differenziertere, wenn auch in sich widersprüchliche Analyse versuchte (14), ist für Geworkian nur noch ein „BürgerInnenkrieg zwischen reaktionären Banden“ zu sehen.

Wo ist denn eigentlich die Arbeiterklasse im Donbass geblieben? Während Serhad noch feststellte, dass es Demonstrationen dieser gegen die „Antiterror-Operation“ gegeben habe, tauchen ArbeiterInnen bei Geworkian real nicht mehr auf. Sind die alle geflohen? Sitzen die zu Hause rum wie RIO und kritisieren diejenigen, die kämpfen?

Bemerkenswert ist, dass Serhad noch analysierte: „Diese sogenannten Milizen stützen sich auf Arbeitslose, bankrottes Kleinbürgertum, NationalistInnen aus Russland, Armeekräfte und SondereinsatzpolizistInnen der alten Regierung. Doch von einem konkreten russischen militärischen Einsatz wie auf der Krim kann in der Ostukraine nicht die Rede sein.“ (15) Während Geworkian schreibt: „ … der ‚antifaschistische Widerstand‘ in der Ostukraine, der russische Militärs, GeheimdienstlerInnen, BürokratInnen und SöldnerInnen sowie einheimische KapitalistInnen umfasst,…“. (16) Die Arbeitslosen, also immerhin ein Teil der Arbeiterklasse, sind plötzlich verschwunden, dafür kämpfen die einheimischen KapitalistInnen. Und der „konkrete russische Einsatz“, den Serhad noch explizit ausschloss, ist bei Geworkian durch die „russischen Militärs“ dann gegeben.

Das wirkliche Problem, wie die ArbeiterInnenklasse, die im Süd-/Osten der Ukraine eben im Verbund mit anderen Kräften kämpft, sich in diesem Kampf als eigene Kraft formieren und ausdrücken kann, wird von RIO jetzt dadurch erledigt, dass sie einfach nicht mehr vorkommt.

Damit sich die ArbeiterInnenklasse aber unabhängig organisieren kann – was natürlich eine notwendige Voraussetzung für revolutionäres Handeln der Klasse ist – müssen RevolutionärInnen in die Kämpfe eingreifen, in denen die Klasse und vor allem ihre Avantgarde für ihre Interessen kämpfen, auch wenn sie dies nicht mit offenem Banner tun.

Serhad schlug vor einem Jahr noch vor: „Um die Unabhängigkeit von der Bourgeoisie zu schaffen, ist gerade in den Volksrepubliken die Bildung von ArbeiterInnenräten in Fabriken nötig, die sowohl die Funktion von Kampforganen haben als auch die Funktion der Verwaltung auf der lokalen und regionalen Ebene.“ (17) Für Geworkian haben aber Schritte, die in diese Richtung gehen, nichts mit der Klasse zu tun: „Auch ein Programm von ‚Verstaatlichung‘ beschränkt sich auf die Notwendigkeiten der Kriegsführung…“. (18)

Wir als GAM aber stellen klar, dass die Übernahme und Kontrolle von Betrieben durch ArbeiterInnen in der Ostukraine natürlich deren Willen und Kraft zeigt und dass hier eine revolutionäre Politik ansetzen kann und muss. Dass diese Entwicklung auch aus der Not des Krieges geboren wurde, sagt weniger über die Lage im Osten der Ukraine aus als über das Unverständnis von RIO für reale Klassenkämpfe. Historisch betrachtet wurden Maßnahmen wie Verstaatlichungen oft aus der Notwendigkeit anderer politischer Ziele geboren.

Diese Übernahmen von Fabriken und Kolchosen müssen ergänzt werden durch ein Programm zur Enteignung aller (auch der russischen) Oligarchen und der Errichtung von ArbeiterInnenkontrolle und Räten. Sie sind in der Tat ein hervorragender Beleg für die Notwendigkeit und die Durchführbarkeit eines solchen Programms – so wie die von der Trotzkistischen Fraktion unterstützte Besetzung und Weiterführung der Keramikfabrik Zanon in Neuquén ein Ansatz für ein entsprechendes Programm für Argentinien ist, obwohl sie selbst nur aus der ökonomischen Notwendigkeit der ArbeiterInnen geboren wurden, die in der Krise 2001 nicht arbeitslos werden wollten.

Aber selbst wenn die Verstaatlichung von Fabriken im Donbass aus dem Besitz von Oligarchen rein aus militärischer Logik durchgeführt würde, wie Geworkian behauptet: Seit wann lehnen wir eigentlich Verstaatlichungen ab, wenn sie vom ideellen Gesamtkapitalisten, dem bürgerlichen Staat, durchgeführt werden? Die Forderung aus dem Übergangsprogramm nach „Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle und entschädigungslose Enteignung der FabrikbesitzerInnen“ verlangt diese explizit dann, wenn der bürgerliche Staat noch existiert. Im ArbeiterInnenstaat wäre diese Forderung überflüssig. Trotzki kritisierte übrigens gerade das republikanische Spanien dafür, dass die Regierung nicht genügend Anstrengungen zum Aufbau einer eigenen Kriegsindustrie unternommen habe.

Wir wissen auch sehr gut, was Räte sind und fallen bestimmt nicht auf nostalgische Begriffsverwendung rein, wie Geworkian behauptet: „Hierzu ließ sie sich von der sowjetischen Nostalgie der russischen NationalistInnen mitreißen, die ihre Scheinparlamente gern ‚Sowjets‘ nennen.“ Im Unterschied zu RIO überlegen wir uns aber auch, warum russische NationalistInnen in Russland ihre Scheinparlamente nicht „Sowjets“ nennen, russische NationalistInnen – und eben auch andere politischen Kräfte – im Donbass aber von „Volksrepubliken“ und „Sowjets“ reden, überlegen, ob das was mit ArbeiterInnenklasse zu tun hat und wie diese ihren Klassenkampf aus seiner verdeckten Form befreien kann.

Die ArbeiterInnenklasse kann sich nur auf der Basis ihres Kampfes unabhängig organisieren. RIO lehnt es de facto ab, der ArbeiterInnenklasse zu helfen, sich aus ihrer „Unterordnung unter bürgerliche“ Kräfte zu befreien, wenn sie den realen, fortschrittlichen Kampf der Klasse ignoriert bzw. desavouiert.

Taktiken im Bürgerkrieg

Mit solcher Vernebelung und Verdrehung glaubt RIO es sich auch weiterhin leisten zu können, die Taktiken zu verleumden, die der Klasse helfen, sich zu formieren. Die Verteidigung gegen das reaktionäre bürgerliche Regime ist aus demokratischen (Recht auf eigene Sprache und gegen nationale Unterdrückung) wie aus sozialen Gründen (gegen die Verelendungsprogramme des IWF und die Ausbeutung durch Oligarchen) völlig berechtigt. Natürlich ist auch der Widerstand gegen die Faschisten nicht nur berechtigt, sondern völlig notwendig, wenn die Arbeiterklasse eigene Organisationen aufbauen bzw. verteidigen will.

In diesem Kampf können Organisationen der ArbeiterInnenklasse – oder diejenigen, die solche aufbauen wollen – eine militärische Front mit anderen, auch mit bürgerlichen, Kräften bilden. Linke dürfen natürlich nicht sich dem bürgerlichen „Antifaschismus“ oder jeder anderen bürgerlichen Politik unterordnen. Es ist völlig klar, dass trotz dieser gemeinsamen militärischen Front es massive politische Konflikte gibt und geben muss, je stärker die Linke wird – wenn auch RIO diese im Donbass gerne ignoriert, um ihr Zerrbild aufrechtzuerhalten.

So schreibt Geworkian : „Gleichzeitig will sie (die GAM) mit SoldatInnen der russischen Armee in einer ‚militärischen Front‘ zusammenstehen, und zwar gegen den Faschismus. Für MarxistInnen ist es eine Frage grundlegender Prinzipien, konsequent gegen den Imperialismus zu kämpfen. Eine solche ‚Einheitsfront‘ (Volksfront) mit einer imperialistischen Macht kann nur Verrat an den Interessen der Unterdrückten bedeuten – auch und gerade im Namen der ‚Demokratie‘ oder des ‚Antifaschismus‘.“

Halten wir zunächst fest: es kämpft im Donbass nach wie vor nicht die russische Armee, was – wie oben gesagt – die Lage ändern würde. Von einer „Einheitsfront mit einer imperialistischen Macht“ kann also keine Rede sein (mal abgesehen davon, dass RIO und ihre Internationale ansonsten gern erklären, dass Russland keine imperialistische Macht wäre). Eine solche war z.B. Stalins Weltkriegspolitik oder der Burgfrieden der sozialdemokratischen Parteien mit „ihren“ Imperialismen.

Nicht jede Einheitsfront mit Bürgerlichen ist allerdings Klassenverrat und umgekehrt nicht jedes klassenverräterische Bündnis mit der Bourgeoisie eine Volksfront. Letztere ist eine Regierung aus opportunistischen ArbeiterInnenparteien und offen bürgerlichen Parteien, Einzelpersonen oder Institutionen (Militär) in einer (vor-)revolutionären Situation oder Periode. Eine Einheitsfront selbst mit dem Bürgertum (oder Teilen davon) kann wiederum völlig legitim sein (19). Wir würden unter 3 Bedingungen Einheitsfronten eingehen: gemeinsame Ziele; Aktions- und Bewegungsfreiheit, Freiheit von Kritik und Propaganda; keine Vermischung der Fahnen oder gemeinsame Aufrufe außer zum Zwecke unmittelbarer Mobilisierung. Wir würden aber immer für die Linie der ArbeiterInnenbeinheitsfront eintreten, also z.B. in einem Anti-Nazi-Bündnis, in dem auch die GRÜNEN und Kirchen sitzen, für physische Konfrontation und Selbstverteidigung der ArbeiterInnenorganisationen, was eine direkte Konfrontation mit den bürgerlichen Kräften in einem solchen Bündnis bedeuten würde.

Kommt keine Einheitsfront zustande, weil auch nur eines der o.a. 3 Kriterien nicht erfüllbar ist, können trotzdem zeitweilige Absprachen durchaus sinnvoll sein, um die Widersprüche im Lager des Feindes auszunutzen: z.B. mit der Résistance im besetzten Frankreich während des 2. Weltkriegs, obwohl TrotzkistInnen schon allein deren Ziel (Niederlage Deutschlands, Sieg Frankreichs)  nicht teilten, sondern im Konflikt Deutschland gegen Frankreich für revolutionären Defaitismus eintraten. Man merkt RIO deutlich an, dass ihr „Trotzkismus“ deutlich kindisch-sektiererische Züge annimmt, die Prinzipien aus einer Reihe auswendig gelernter Formeln bestehen. So läuft jede Tuchfühlung mit nichtproletarischen Kräften oder rückständigen ArbeiterInnenmassen Gefahr, als Verrat verteufelt zu werden.

Armer Trotzki

Geworkian versucht sogar Trotzki zu ent-trotzkisieren: „Wir bedauern, dass die GAM heute schlussfolgert, eine ‚Verteidigung der Volksfrontregierung gegen Franco‘ sei in Spanien notwendig gewesen. Damals haben die RevolutionärInnen in einer Front mit den SoldatInnen der Republik gegen die faschistischen Truppen gestanden – aber im Rahmen dessen dafür argumentiert, die bürgerliche Republik durch eine Räterepublik zu ersetzen. Als die ArbeiterInnen Barcelonas im Mai 1937 gegen diese repressive bürgerliche Regierung einen Aufstand begannen, standen die TrotzkistInnen mit ihnen auf den Barrikaden – eine „Verteidigung der Volksfront” war das sicher nicht, eben nur eine Verteidigung der Bastionen der ArbeiterInnen, um den Sturz der Volksfront zum frühstmöglichen Zeitpunkt vorzubereiten. Die wirkliche Lehre Trotzkis aus dem spanischen BürgerInnenkrieg ist also tatsächlich ‚1:1′ auf den ukrainischen zu übernehmen: Nur die politische Unabhängigkeit der ArbeiterInnenklasse gegen jeden bürgerlichen Pseudo-Antifaschismus kann den Sieg gegen den Faschismus bringen.“ (20)

Interessant schon mal, dass es für RIO in Spanien möglich war, „in einer Front“ mit Kämpfern für eine bürgerliche Republik zu stehen und gleichzeitig für revolutionäre Ziele zu argumentieren – was sie für die Ukraine bestreiten.

Aber dann lügt sich Geworkian einiges in die Tasche: Die „RevolutionärInnen“ in Spanien waren nur zum Teil in eigenen Truppen aufgestellt (CNT/FAI, POUM). Der überwältigende Teil der klassenbewussten ArbeiterInnen einschließlich der Sozialdemokraten und Stalinisten kämpfte in den Truppen der Republik. Es ist aber schlechterdings unmöglich, mit den Truppen der Republik zu kämpfen, ohne diese zu verteidigen. Deshalb verbanden Trotzki und die RevolutionärInnen im Bürgerkrieg die Verteidigung der Republik mit dem Kampf für die Revolution. Was Trotzki bekämpfte, war die Unterordnung der revolutionären Ziele unter diese Republik und ihre Verteidigung, wie sie von Zentristen der POUM und den Stalinisten vertreten wurde. Das ist genau der Weg, wie RevolutionärInnen in einen Bürgerkrieg eingreifen, der auf beiden Seiten von bürgerlichen Kräften geführt wird, in dem die Arbeiterklasse aber auf der einen Seite kämpft.

Geworkian beschreibt die Taktik der Revolutionäre in Spanien wie folgt: „Sie haben zwar in der ersten Reihe gegen Francos Schergen gekämpft, behielten aber dabei ihre völlige politische Unabhängigkeit von der bürgerlichen Republik und bereiteten den Kampf für eine ArbeiterInnenregierung vor.“ (21) Die politische Unabhängigkeit behält man in einer gemeinsamen Front mit bürgerlichen Kräften, indem die revolutionären Ziele und Forderungen eben nicht untergeordnet oder zurückgestellt werden. So dass für alle nachvollziehbar ist, wenn die gemeinsame Front aufgelöst werden kann und muss, weil der Weg zur Revolution, zur ArbeiterInnenregierung beschritten werden kann bzw. die revolutionären Errungenschaften gegen die bürgerliche Regierung verteidigt werden müssen, die man zuvor noch gegen die Faschisten unterstützte.

Natürlich ist die Situation dann klarer, wenn sich die RevolutionärInnen und die Bürgerlichen gegenüberstehen. Klar, Genosse Geworkian, dass ihr „1937 mit den TrotzkistInnen gemeinsam auf den Barrikaden Barcelonas gestanden“ (22) hättet. Fein, und vorher? Erkläre uns doch, ob RevolutionärInnen in den Gegenden in der spanischen republikanischen Armee kämpften, wo eine Teilnahme an anarchistischen oder POUM-Milizen unmöglich war, weil es keine gab. „In der ersten Reihe gegen Francos Schergen“ schreibt Geworkian. Der „ersten Reihe“ von was?: der gemeinsamen Front zur Verteidigung der Republik natürlich! Da hilft alles RIO-Schamanentum nichts, weder die Geschichte noch diese grundlegende bolschewistische Taktik kann Geworkian wegzaubern. RIOs Methode zur Bewahrung ihrer unbefleckten Unabhängigkeit aber hätte auch in Spanien ein weitgehendes Raushalten aus dem Bürgerkrieg bedeutet!

Wir bedauern, dass RIO dies nicht mal verstehen will, wenn es Trotzki erklärt. Zum Glück stellen Kriege höchste Anforderungen an Programme, Strategien und Taktiken von Linken, so dass sich hier wie nirgendwo anders ihr wahrer Gehalt zeigt: der eines zusammenhängenden Systems von Handlungsanleitungen, die jederzeit auf der Höhe sich möglicherweise rasch verändernder Situationen stehen oder der einer nachgekauten dünnen Bettelsuppe leerer Phrasen und Beschwörungsformeln hinter der „trotzkistischen“ Fassade.

Die Unabhängigkeit der Klasse erkämpfen

Um der Klasse und den Linken zu helfen, die von RIO so beschworene „Unabhängigkeit“ zu erreichen, ist natürlich nötig, dass sich linke, ja revolutionäre Programmatik entwickelt und mit der Klasse bzw. ihrer Avantgarde verbindet. Neben der – sicher schwierigen – direkten Intervention in die Kämpfe sind dazu die Debatten mit den Kräften nötig, die das tun.

Dazu war die schon erwähnte Konferenz in Jalta die wichtigste Gelegenheit im letzten Jahr. Dieses Jahres gab es eine Konferenz zum Jahrestag des Sieges über den deutschen Faschismus, die am 9./10. Mai 2015  in Lugansk und Altschewsk stattfand. Eingeladen hatte die KP von Lugansk (23), gekommen waren 177 Delegierte von 31  kommunistischen und sozialistischen Organisationen aus 17 Ländern. Wohl die bisher größte internationale linke Konferenz auf dem Boden der Ukraine. Nachdem die Regierung von Lugansk sie verbieten wollte, lud Mosgowoj die Konferenz nach Altschewsk ein. Ihre Beteiligung an der Demonstration und das Konzert von Banda Bassotti, einer antifaschistischen italienischen Band, wurden von der Bevölkerung gefeiert.

Geworkian gefällt sich darin, Mosgowoj mit dem Verweis auf seine Religiosität und seinen Sexismus zu erledigen. Wir kritisieren das eine wie das andere. Wir halten aber fest, dass er ein heftiger Kritiker der Regierungsorgane war, für einen ukraine-weiten Kampf gegen die Oligarchen aufrief und kommunistische Propaganda in seinem „Gespenster“-Bataillon nicht nur zuließ, sondern ausdrücklich förderte.

Klassenkämpfe und Bürgerkriege können sprunghafte Radikalisierungen nach links bewirken, was auch zu Widersprüchlichkeiten bei den KämpferInnen führen kann. Sie können auch zur politischen Degeneration nach rechts führen. Wie das Beispiel RIO zeigt, erzeugt aber auch dieser Prozess Widersprüchlichkeiten.

Geworkian ist nicht nur ignorant, sondern fälscht auch. Während sein Genosse Flakin noch feststellte, dass die Jalta-Konferenz von jemand organisiert wurde, der später auch mit Rechten zusammenarbeitete, erklärt jener: „Richard Brenner, führendes Mitglied der Liga für die Fünfte Internationale (L5I, internationale Strömung der GAM), ließ sich zuerst zur Teilnahme an einer von Rechtsextremen organisierten Konferenz und dort noch zur Unterstützung von ‚Neurussland‘ hinreißen, wie wir bereits kritisiert haben.“ Wir haben oben dazu genug geschrieben. Bemerkenswert ist hier nur, dass bei Flakin unser Genosse noch auf einer Konferenz von Linken war, jetzt wird der Eindruck erweckt, da seien Rechtsextreme gewesen.

Solidarität mit BOROTBA!

Die von RIO – wie von den meisten anderen Zentristen angefeindete und oftmals verleumdete – Organisation BOROTBA hat sicher politische Schwächen. So verteidigen, ja glorifizieren die BorotbistInnen ihre programmatische Schwäche, die sich im Fehlen von Analysen zeigt und darin, dass zum Beispiel den programmatischen Erklärungen der Jalta-Konferenz keine eigenen Losungen gegenübergestellt werden. Leninzitate auf Facebook können das nicht ersetzen. Historisch hat das natürlich seine Ursache in der Entstehungsweise von BOROTBA, der Sammlung von GenossInnen unterschiedlicher Überzeugungen auf aktivistischer Grundlage. Der Verzicht darauf, revolutionär-marxistische Programmatik zu entwickeln – was natürlich im Bürgerkrieg nicht die einfachste Aufgabe ist –  kann in der Zukunft noch zu größeren Schwankungen führen als bisher.

So hat BOROTBA die völlig richtige militärische Allianz mit verschiedenen nationalistischen Kräften im Donbass mit einem gewissen Verzicht auf politische Kritik verbunden. Sie haben also die gleiche falsche, zentristische Auffassung von Bündnispolitik wie RIO – nämlich dass ein militärisches Bündnis zugleich auch eine gewisse politische Partnerschaft beinhaltet -, aber sie ziehen den umgekehrten Schluss. Damit stehen sie zwar im Kampf auf der richtigen Seite und haben die Möglichkeit – anders als RIO – in den Klassenkampf einzugreifen. Sie tun das auch, wenn auch zu sehr mit dem Fokus auf Aktion, zu wenig auf politische Propaganda. Ohne diese wird aber das politische Bewusstsein der Klasse, das sich derzeit vor allem in vagem „Linkssein“, im Bezugnehmen auf die Sowjetunion und im antifaschistischen und anti-oligarchischen Kampf ausdrückt, sich nicht auf die Höhe der Aufgaben heben können.

Eine Sache ist es, im Bürgerkrieg verlassene Fabriken oder landwirtschaftliche Betriebe zu besetzen und unter eigener Kontrolle zu führen wie die Kolchose in Altschewsk, eine andere aber, diese dann auch politisch zu verteidigen. Das verlangt danach, den bürgerlichen Parlamenten und Verwaltungen, sei es im Donbass oder der ganzen Ukraine, Arbeiterräte und Milizen entgegenzusetzen, um die Macht der Oligarchen zu brechen und in Richtung Revolution zu marschieren.

Diese unzureichenden Angriffe auf die russischen Nationalisten berechtigen aber keineswegs dazu, BOROTBA selbst als nationalistisch zu bezeichnen, genauso wie die unzureichende Aufarbeitung des Stalinismus in der Organisation als Ganzes dazu berechtigt, BOROTBA als stalinistisch zu titulieren. Solche Logik – angewandt auf RIO, Flakin und Geworkian – würde diese als Agenten des US- oder EU-Imperialismus oder des Kiewer Regimes abqualifizieren. Dagegen würden wir sie genauso in Schutz nehmen.

Aber offensichtlich ist es das wichtigste Anliegen RIOs, jegliche Handlungsper-spektive und praktische Solidarität zu verbauen. Das gipfelt in ihren ständigen Angriffen auf und Verleumdungen gegen BOROTBA, die sich von denen ukrainischer Nationalisten wie der LINKEN OPPOSITION oder zu den Faschisten übergelaufenen Anarchisten inhaltlich nicht unterscheiden. Geworkian aber versucht dabei jetzt, uns zu instrumentalisieren:

„In diesem Zusammenhang kritisiert die GAM erstmalig auch Borotba, weil diese auf ‘eine ausreichende politische Kritik an [den NationalistInnen im Osten] verzichtet’. Ist Borotba erst Anfang dieses Jahres so geworden – oder warum bekam die Gruppe vorher die politische Unterstützung der GAM?“ (24)

Dazu stellen wir fest, dass wir weiter solidarisch mit BOROTBA zusammenarbeiten. Die Tatsache, dass wir ihre Kritik an den NationalistInnen – die selbst Geworkian nicht leugnet – für nicht ausreichend halten, steht dem überhaupt nicht entgegen. Wir, wie die GenossInnen von BOROTBA, betrachten das als eine solidarische Kritik.

Im Bürgerkrieg in der Ukraine sind Tausende gestorben, darunter etliche linke KämpferInnen. Andere sind im Exil oder im Gefängnis. Europa ist hart an die Grenze eines Krieges gerutscht. Das Mindeste, was Linke in Europa angesichts dieses Dramas tun können und müssen, ist, neben der Organisierung von Solidarität die aufgeworfenen Fragen zu klären. Einige Strömungen haben sich in der Ukraine-Frage völlig disqualifiziert und desavouiert.

So der überwiegende Rest der ukrainischen Linken, vor allem die „Linke Opposition“, die in sich nicht weniger uneinheitlich ist als BOROTBA. Alle diese Figuren haben ihre Anpassung an die verschiedenen bürgerlichen Kräfte, die den Maidan dominierten, danach konsequent fortgesetzt bis dahin, die Angriffe der Armee auf den Osten und die Aktionen der Faschisten in Odessa zu rechtfertigen.

In allen Ländern gibt es Linke, die solches Anschmieren an Reaktion und Konterrevolution gutheißen und selbst praktizieren. Mit diesen Kräften werden die deutschen wie alle anderen Imperialisten nicht zu bekämpfen sein. Sie stehen auf deren Seite.

Die Neutralisten, die Schwankenden, die Verwirrten – vor allem auch RIO – sollten sich den Problemen ernsthaft stellen und auch die eigene Methodik überprüfen.

Das Vorgehen von RIO, von den ArbeiterInnen im Donbass zu fordern, dass sie sich erst einmal klassenmäßig organisieren und am besten gleich die Führung der Volksrepubliken übernehmen müssten, ist schlicht ultimatistisch. Wie immer geht linker Radikalismus Hand in Hand mit Opportunismus, in diesem Fall gegenüber der deutschen Bourgeoisie und ihrer Politik wie gegenüber den Maidan-Linken, die angefangen von libertären und anarchistischen KleinbürgerInnen über den rechten Flügel der „Trotzkistischen Familie“ (Mehrheit der „Vierten Internationale“, SAV/CWI, Marx21/IST, AWL,…) bis hin zu den Grünen reichen. Dabei dürfte die Anpassung an die „Trotzkisten“ für RIO der Hauptbeweggrund sein.

Was immer aber ihre Beweggründe sein mögen, je klarer die Klassenfronten werden, desto abenteuerlicher, unmarxistischer und inkonsistenter wird RIOs Position zur Ukraine-Frage. Verwirrung und Verzweiflung liegen ganz auf ihrer Seite.

Endnoten

(1) In den Reihen der DKP gibt es unterschiedliche Begründungsmuster; manche sehen Russland als den „besseren“ Imperialismus an, andere als kapitalistisch, aber nicht imperialistisch, manche scheinen noch in alten Ost-West-Reflexen verhaftet. Überwiegend sehen aber auch sie den Konflikt als vor allem einen zwischen den westlichen Imperialisten und Russland und unterschätzen die Dimension des Bürgerkrieges, die für uns bis heute das dominierende Element ist.

(2) http://www.icor.info/2015-1/aufruf-der-icor-zum-antikriegstag-2015

(3) Die Trotzkistische Fraktion hat übrigens auch nicht die Artikel RIOs übersetzt oder auf ihrer internationalen Seite veröffentlicht.

(4) http://www.klassegegenklasse.org/nach-dem-waffenstillstand/

(5) http://www.klassegegenklasse.org/debatte-muss-man-das-kleinere-ubel-unterstutzen/

(6) http://www.klassegegenklasse.org/die-reaktion-herrscht-in-der-ukraine/

(7) http://www.klassegegenklasse.org/zwischen-verwirrung-und-verzweiflung/

(8) http://www.klassegegenklasse.org/erneuerung-von-oben/

(9) Die Erklärung von Jalta, http://kai-ehlers.de/texte/thesen/2014-07-16-erklaerung-von-jalta. Zur inhaltlichen Auseinandersetzung und Kritik der Erklärung siehe auch: Dave Stockton, A populist, not a communist manifesto, http://www.workerspower.co.uk/2014/09/ukrain-yalta-conference-manifest

(10) http://www.klassegegenklasse.org/zwischen-verwirrung-und-verzweiflung/

(11) Martin Suchanek: „Die Ukraine und die Verwirrung des trotzkistischen Zentrismus“, RM 46, Oktober 2014, S. 175/176

(12) Trotzki, Die Unabhängigkeit der Ukraine und die sektiererischen Wirrköpfe, In: Trotzki Schriften 1.2., Rasch und Röhring, Hamburg 1988, S. 1246

(13) http://www.klassegegenklasse.org/zwischen-verwirrung-und-verzweiflung/

(14) http://www.klassegegenklasse.org/die-reaktion-herrscht-in-der-ukraine/

(15) Ebenda

(16) http://www.klassegegenklasse.org/zwischen-verwirrung-und-verzweiflung/

(17) http://www.klassegegenklasse.org/die-reaktion-herrscht-in-der-ukraine/

(18) http://www.klassegegenklasse.org/zwischen-verwirrung-und-verzweiflung/

(19) BRKI, Thesen zur anti-imperialistischen Einheitsfront, RM 36, S. 77 – 84

(20) http://www.klassegegenklasse.org/zwischen-verwirrung-und-verzweiflung/

(21) Ebenda

(22) Ebenda

(23) Die KP von Lugansk hat die sich neu formiert aus Mitgliedern der KP der Ukraine, die in einem hilflosen Versuch, der Repression zu entfliehen, alle ihre des „Separatismus“ verdächtigen Mitglieder ausgeschlossen hat.

(24) http://www.klassegegenklasse.org/zwischen-verwirrung-und-verzweiflung/




Orthodoxer Trotzkismus oder workeristischer Maximalismus?

Christian Gebhardt, Revolutionärer Marxismus 48, August 2016

Im August 2013 wurde von der internationalen Strömung „Fracción Trotskista“ (FT) ein „Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution (Vierte Internationale)“ (1) veröffentlicht. In Anbetracht ihrer durchaus vorhandenen Dynamik und gewissen Anziehungskraft in der zentristischen Linken wollen wir uns in diesem Artikel nicht nur mit dem vorgeschlagenen Manifest, sondern mit den theoretischen Grundsteinen der FT auseinandersetzen. Diesen Grundsteinen werden wir unsere programmatische wie auch theoretische Basis entgegenstellen. Hierbei werden wir uns einerseits auf die veröffentlichten programmatischen Grundlagen beziehen und zusätzlich weitere theoretische Veröffentlichungen von uns heranziehen.

Das Hauptdokument stellt das 1989 veröffentlichte Gründungsprogramm unserer Strömung – das „Trotzkistische Manifest“ (2) dar. Dieses Manifest war der erste Versuch unserer internationalen Strömung, das Übergangsprogramm von 1938 (3) neu zu erarbeiten und mit den seit 1938 geschehenen historischen Ereignissen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen zu ergänzen. Darüber hinaus werden wir uns auch auf die weiteren veröffentlichten internationalen Programme unserer Strömung beziehen: „Vom Widerstand zur Revolution – Manifest für Arbeitermacht“ (2003) (4) und „Vom Widerstand zur Revolution – Manifest für eine Fünfte Internationale“ (2010) (5). Diese beiden Programme haben jedoch im Vergleich zum „Trotzkistischen Manifest“ eher den Charakter aktueller Aktionsprogramme und sollten daher als Ergänzung zum Ersteren betrachtet werden.

Durch die Gegenüberstellung unserer programmatischen Unterschiede wie auch Übereinstimmungen wird deutlich, dass unsere beiden Strömungen in manchen Punkten sich sehr nahe stehen. Dennoch legen wir hier grundlegende Differenzen zu wichtigen Fragestellungen revolutionärer Politik dar, anhand derer sich weitere Unterschiede in Bezug auf Orientierung und Praxis im aktuellen (internationalen) Klassenkampf ableiten und begründen lassen. Diese grundlegenden Differenzen betreffen die Vorstellung, wie ein revolutionäres Bewusstsein in der ArbeiterInnenklasse gebildet werden kann, was unter dem Begriff der Avantgarde verstanden wird, wie das Verständnis von Programm und sein Verhältnis zur Praxis begriffen wird und, zu guter Letzt, die unterschiedlichen Konzepte und Vorstellungen des Aufbaus revolutionärer Parteien. Diese Differenzen und die davon ableitbaren taktischen und strategischen Unterschiede lassen unsere beiden Strömungen trotz mancher Nähe doch sehr weit voneinander stehen.

Gerade weil die FT als internationale Strömung eine der wenigen dynamisch wachsenden zentristischen Strömungen ist und sich oft sehr orthodox, trotzkistisch-leninistisch und revolutionär gibt, ist eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit ihr notwendig, verbirgt sich schlussendlich doch – wie wir in diesem Artikel zeigen werden – hinter der FT und ihrer Politik nichts anderes als ein klassischer, workeristischer Zentrismus mit Hang zum Ökonomismus und allen typischen sektiererischen sowie opportunistischen Charakteristiken des Zentrismus.

Analyse der Weltlage – Historische Krise des Kapitalismus

Ein grundlegender Teil ihrer Analyse der Weltlage, auf welchen die FT ihr Manifest aufbaut und mit welchem wir übereinstimmen, stellt die Charakterisierung der kapitalistischen Krise seit 2008 als eine historische Krise des Kapitalismus dar. Laut der FT konnte der weltweite Kapitalismus „(t)rotz der neoliberalen Offensive der vergangenen drei Jahrzehnte und der kapitalistischen Restauration in den ehemaligen ArbeiterInnenstaaten (…) keinen Weg hin zu einem neuen Zyklus des lang anhaltenden Wachstums finden.“ (6)

Stattdessen brachen „(d)er Widerspruch zwischen der wachsenden Vergesellschaftung der Produktion und der immer konzentrierteren Aneignung des gesellschaftlich produzierten Reichtums sowie der Widerspruch zwischen der Internationalisierung der Produktivkräfte und der nationalstaatlichen Grenzen (…) wieder aus und führten zu einer Krise historischen Ausmaßes.“ (7)

Im Umgang mit der Krise stellt die Politik der „neokeynesianischen“ sowie der „konservativen“ Regierungen keinen grundlegenden Unterschied dar, endet ihr Umgang mit der Krise in beiden Fällen doch damit, dass ihre Kosten die ArbeiterInnenklasse und nicht ihre Verursacher bezahlen müssen. Jedoch stellt dieser Umgang mit der Krise nicht gleichzeitig eine Überwindung der Krise dar. Durch die „staatlichen Rettungen der großen Banken und Konzerne und der Zuführung von Geld in das finanzielle System konnten die kapitalistischen Regierungen und die Zentralbanken die Perspektive eines Einbruch, wie nach dem Fall  von Lehman Brothers, nach hinten schieben. Diese Mechanismen haben aber nicht zu einer wirtschaftlichen Erholung geführt, sondern zur Rezession oder zu geringem Wachstum in den zentralen Ländern und zur Verlangsamung des Wachstums in den ‚Schwellenländern‘. Das passierte gleichzeitig mit der Schaffung neuer Zeitbomben: die enormen Staatsschulden, die die Wirtschaft wiederholt an den Rand des Abgrundes drängen.“ (8)

Im letzten Zitat wird unserer Meinung nach schön deutlich, warum wir einerseits mit der FT übereinstimmen, dass wir uns in einer historischen Krise des Kapitalismus befinden, warum wir jedoch anderseits der Meinung sind, dass die Analyse der kapitalistischen Krise und der Umgang mit dieser von Seiten der Kapitalisten und ihren Regierungen zu sehr mit Hinblick auf das „finanzielle System“ beobachtet wird. Die FT stellt zwar richtig dar, dass die Finanzsphäre ein wichtiger Teil der Krise von 2008 darstellte und die staatlichen Banken- und Gläubigerrettungsprogramme die Krise beruhigten, aber nicht gelöst haben. Die Analyse geht jedoch nicht an die Wurzel des eigentlichen Problems: den tendenziellen Fall der Profitrate.

Auch in neuen theoretischen Artikeln der FT, in welcher sie sich grundlegend mit der wirtschaftlichen Krise von 2008 und ihrem Verlauf seitdem beschäftigt, spielt der tendenzielle Fall der Profitrate keine zentrale Rolle. Die Schwere der Krise wird stattdessen dadurch erklärt, dass die „Dotcom-Krise“ 2000 durch eine Überakkumulationskrise – vor allem im Informatik- und Kommunikationsbereich – ausgelöst wurde. Diese Krise wurde jedoch durch starke Finanzhilfen der FED aufgefangen, welches einen finanziellen Zyklus in Gang setzte. Diese Finanzsphäre verband sich schlussendlich 2008/09 mit der Überakkumulationskrise von 2000 und löste eine tiefgreifende Strukturkrise aus, welche sich laut der FT auch von anderen historischen Krisen unterscheidet (9). Der tendenzielle Fall der Profitrate als zugrunde liegende treibende Kraft dieser beiden Krisen fließt aber auch nicht in diesen Artikel mit ein.

In unserem Manifest von 2010 heißt es dazu wie folgt:

„Kreditklemme, Rezession und Verschuldungszeitbombe von 2008 – 10 traten eine neue historische Krise für das kapitalistische System los. In dieser Periode werden intensive Klassenauseinandersetzungen revolutionäre Krisen, Konterrevolutionen, Instabilität und Konflikte zwischen rivalisierenden Mächten hervorbringen. Dies ist nicht einfach ein typischer zyklischer Abschwung, eine der ‘gewöhnlichen’ Kurven des Systems. Die Ursachen liegen in der tendenziellen Kapitalüberakkumulation des Systems. Jahrzehnte sinkender Profitraten schmälerten profitable Produktionsinvestitionen in den imperialistischen Kernländern. Stattdessen verlegten sich Großkonzerne und Geldinstitute auf spekulative Anlagen an Aktienbörsen, Devisenmärkten und im Derivatenhandel wo mit einem Mausklick Millionen ‘gemacht’ werden konnten. Noch allgemeiner strebte die herrschende Klasse in den Globalisierungsjahren 1992 – 2006 danach, die Probleme mittels billiger Kredite sowie der Erzeugung einer großen Blase fiktiven Kapitals in Gestalt von Verbraucher- und Haushaltsverschuldung und allen Arten raffinierter Verbriefungen und Derivaten zu lösen.” (10)

Hiermit erkennen wir ebenfalls wie die FT in ihrem Manifestvorschlag die Finanzsphäre als einen Ausdruck der spekulativen Aktionen des Kapitals an. Jedoch stellen wir die Überakkumulation des Kapitals und die damit einhergehenden fallende Profitrate als zugrunde liegende Triebkräfte stärker in den Vordergrund. Die FT stellt dies ebenfalls in weiter zurückliegenden Dokumenten (11) fest, wieso jedoch der tendenzielle Fall der Profitrate und die damit verbundenen Notwendigkeiten der Krisenüberwindung von Seiten der Kapitalisten nicht den Einzug in ihr Manifest gefunden haben, bleibt für uns unverständlich.

Dies hat jedoch sehr relevante Auswirkungen auf politische Fragestellungen, auf die internationalistische RevolutionärInnen Antworten finden müssen. Unserer Meinung nach liegt die einzige Lösung für die Krise aus der Sicht der Kapitalisten darin, dem Fall der Profitrate entgegenzuwirken. Dies geschieht entweder dadurch, dass die Kapitalisten aggressiver expandieren und dadurch innerimperialistische Konflikte erhöhen, den ArbeiterInnen weltweit tiefgreifende Niederlagen zufügen oder indem sie Produktionskapazitäten stilllegen bzw. zerstören (12) und damit Millionen von ArbeiterInnen in die Arbeitslosigkeit und Armut treiben. Die derzeit stattfindende Massenverarmung in vielen Teilen der Welt (z. B. Südeuropa) oder die Auflagen des IWF oder der Troika zur „Liberalisierung der Arbeitsmärkte“ wirken gezielt in diese Richtung.

Imperialismus

Dieser weltweite Umgang mit der Krise zeigt eines auch sehr deutlich: den weltweiten Organisationsgrad des Kapitalismus innerhalb der imperialistischen Epoche und die Zunahme der innerimperialistischen Konflikte. Auf dieser Stufe der Entwicklung ist der Kapitalismus durch heftige, weltweite Konkurrenz zwischen den riesigen Monopolen gekennzeichnet, da die einzelnen herrschenden Bourgeoisien versuchen, sich Vorteile auf Kosten ihrer Rivalen zu verschaffen. Diese Tatsache wurde zum Beispiel durch den Ukrainekonflikt sehr stark verdeutlicht, in welchem der EU-, US- sowie russische Imperialismus gegeneinander um ihren Einfluss in der Ukraine rangen und dies auch weiterhin tun.

Der Imperialismus wird auch im FT-Manifest als die derzeitige Periode des Kapitalismus, in welcher unterschiedliche imperialistische Mächte um ihren Einflussbereich kämpfen, anerkannt. Das Manifest hebt vor allem den US-Imperialismus hervor, spricht aber auch die Europäische Union (EU) als imperialistische Macht, unter der Federführung des deutschen Kapitals, an. Es gebe laut der FT derzeit „keine traditionelle oder ‚aufkommende‘ Macht, die den USA die weltweite Hegemonie streitig machen“ (13) könne, jedoch heißt dies nicht, „dass es keine Rivalitäten und Wettstreite gäbe“. (14) Neben der EU und den USA als klar angesprochene imperialistische Mächte nennt das Manifest nur noch China sowie Russland als Regionalmächte, welche ihre eigenen regionalen Ziele verfolgen und welche den Niedergang der US-Hegemonie innerhalb des Imperialismus begleiten.

„Die USA, die wichtigste imperialistische Macht, befindet sich weiter auf dem Weg des Niedergangs ihrer Hegemonie, der durch die Niederlage ihrer strategischen Ziele im Irak und in Afghanistan und das Entstehen regionaler Mächte, die ihre eigenen Ziele verfolgen – wie Russland und China (Hervorhebungen des Autors in Kursivschrift) -, akzentuiert wird. Dieser Verlust der Führungsrolle zeigte sich darin, dass die Regierung Obamas doch keinen unilateralen Militärangriff auf Syrien starten konnte und stattdessen die diplomatische Lösung, die von Russland vorgeschlagen wurde, akzeptieren musste.“ (15)

Hier werden einige Unterschiede zwischen unserer Charakterisierung des Imperialismus und der des Manifestes deutlich. In der ersten Hervorhebung wird ersichtlich, dass die FT den Niedergang des US-Imperialismus stark an seinen militärischen Niederlagen in den Irak- sowie Afghanistaninterventionen festmacht. Außer Acht lässt es jedoch die Ungleichmäßigkeit der kapitalistischen Entwicklung in einer Krisenperiode. Mit der Wirtschaftskrise seit Beginn 2008, welche unterschiedliche Länder ungleich stark getroffen hat, gingen die einzelnen imperialistischen Länder verschieden um. Während die US-Regierung vor allem große Geldmengen in den Finanzsektor warf, nutzte China ein vergleichbar großes Volumen an Geld, um wichtige Infrastrukturprojekte voranzubringen. Dies stellt zwar den chinesischen Imperialismus bei Weitem nicht auf die gleiche Stufe wie den US-Imperialismus, zeigt aber auf, dass China seit dem Ausbruch der Krise seine internationale Stellung im Vergleich zum US-Imperialismus ausbauen konnte.

Die zweite Hervorhebung soll verdeutlichen, wie die FT Russland sowie China charakterisiert. Im Gegensatz zu unserer internationalen Strömung, welche China und Russland als imperialistische Mächte charakterisieren (16, 17), stellen diese beiden Staaten für das FT-Manifest Regionalmächte dar. Auch wenn die FT eine Neuevaluierung ihrer Charakterisierung Chinas seit der Veröffentlichung ihres Manifestes ankündigte, spricht sie zwar China das Potential zu, eine imperialistische Macht zu werden: „Die starken Ambitionen Pekings, im ökonomischen wie militärischen Bereich, sich in eine neue große imperialistische Kraft zu verwandeln, sind Ausdruck eines langen anhaltenden Überakkumulationsprozesses (…)“ (18). An ihrer Charakterisierung Chinas als Regionalmacht hat dies jedoch nichts geändert (19).

Dass ein solch tiefgreifender Unterschied in der Sicht der Weltlage auch unterschiedliche politische Ansichten und Schlussfolgerungen mit sich bringt, sollte nicht überraschen. Überraschend ist jedoch, dass sich dann die FT in vielen Auseinandersetzungen zwischen – aus unserer Sicht – imperialistischen Mächten wie z. B. im Ukrainekonflikt ebenfalls gegen die Intervention von Russland gestellt hat. Die Erklärung, warum hier gegenüber einer Regionalmacht die gleichen Taktiken und Strategien angewendet werden sollen wie gegenüber imperialistischen Mächten, bleibt von Seiten der FT unbeantwortet. Was die Regionalmächte von den imperialistischen Mächten unterscheiden soll, bleibt ebenfalls unklar. Es wird hauptsächlich mit militärischen Argumenten begründet, dass ohne große Konflikte keine andere Macht den USA ihre Hegemonie streitig machen kann. Dass es im imperialistischen System aber nicht darauf ankommt, ob jemand die volle Hegemonie erlangt hat oder „nur“ als imperialistische Macht in unterschiedlichen Situationen agieren kann, erfahren wir von der FT nicht. Hier wird Schwarz-Weiß-Malerei hinter vorgeblicher Orthodoxie versteckt, die Feinheiten des imperialistischen Systems werden dabei aber grandios übersehen. Zu den Unterschieden im Ukrainekonflikt (20, 21) haben wir in den letzten beiden Ausgaben des Revolutionären Marxismus unsere Positionen ausformuliert. Zur ihrer schematischen Herangehensweise an die Frage, wie ein Land als imperialistisch charakterisiert werden kann oder nicht, haben wir uns in unseren Thesen zu Russland und dessen imperialistischem Charakter ebenfalls schon zu geäußert (22).

Europa als Konstrukt konkurrierender Imperialismen

Neben dem US-Imperialismus erkennt das FT-Manifest die EU als imperialistische Macht an. Die EU stellt einen Block unterschiedlicher kapitalistischer und imperialistischer Mächte Europas dar und ist somit von vornherein dazu verdammt, Konflikte unter den einzelnen kapitalistischen Klassen der zu ihr gehörenden Nationen hervorzurufen. Daher ist und war die EU laut Manifest nicht in der Lage, sich zu einem einheitlichen Block zu entwickeln. Eher würde die „europäische Einheit früher oder später mit den unüberwindbaren Grenzen der Interessen der imperialistischen Bourgeoisien, aus denen sie besteht, kollidieren (…). Deshalb sei keine Umwandlung dieses Blockes in ein supranationales Staatengebilde möglich. Die Krise hat diese objektive Grenze des imperialistischen europäischen Projektes mit aller Klarheit offengelegt, was sich in den zentrifugalen Kräften zwischen dem harten Kern rund um Deutschland und die nordischen Ökonomien und dem schwächeren Kern der mediterranen Länder des Südens zeigt.“ (23)

Durch die von der EU-Krise hervorgerufenen Zentrifugalkräfte sehen sich RevolutionärInnen mit unterschiedlichen Lösungsansätzen konfrontiert. Das Manifest stellt richtigerweise zwei Hauptpositionen fest und entwickelt eine handfeste Kritik daran. Einerseits gibt es die innerhalb der Linken häufig vertretene Position nach der Demokratisierung und Reformierung der EU. Andererseits werden durch die EU-Krise auch rechtspopulistische und nationalistische Strömungen gestärkt, welche durch das Verlassen der Eurozone und mit der Verteidigung der „Nationalstaaten“ eine höchst reaktionäre „Lösung“ für die EU propagieren. Leider gibt es auch Teile innerhalb der Linken, welche sich dieser Position anschließen.

Die von der FT erarbeitete Lösung in ihrem vorgelegten Manifest können wir nur uneingeschränkt unterstützen:

„Wir müssen die Zersplitterung in den ArbeiterInnenreihen überwinden, die Fremdenfeindlichkeit und die migrantInnenfeindliche Politik der europäischen Regierungen bekämpfen. Die durch die Krise verarmten Sektoren der Mittelschichten könnten sich in eine fruchtbare soziale Basis für die rechtsextreme Demagogie entwickeln und möglicherweise für den Faschismus. Angesichts dieser tiefen Krise ist es notwendig, die Kämpfe gegen die verschiedenen Kürzungsregierungen sowie gegen die ‚Troika‘ und die imperialistischen Institutionen der EU in die strategischen Perspektive der Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa einzubinden. Dies ist der einzige fortschrittliche Ausweg für die ArbeiterInnen.“ (24)

Zwar haben wir in Bezug auf die Analyse der EU, ihrer Krise und deren Auswirkungen keine großen Differenzen mit den angeführten Punkten im Manifest, jedoch verbirgt sich eine größere Meinungsverschiedenheit in Hinblick auf die Taktiken und Strategien bei den rund um die EU-Krise aufkommenden Konflikten innerhalb der EU (z. B. BREXIT, siehe Tobi Hansen in dieser Ausgabe), sowie im Hinblick auf politische Bewegungen und Umgruppierungsprojekte, wie zum Beispiel rund um SYRIZA, PODEMOS, der NPA oder in kleinem Ausmaße der NaO in Deutschland (siehe Wilhelm Schulz in dieser Ausgabe). Auf diese Unterschiede werden wir weiter unten im Text näher eingehen.

Lateinamerika auf dem Weg nach rechts

Weitere Teile des Manifestes, welche mit unserer Analyse in großen Zügen übereinstimmen, sind die Abschnitte, die sich mit der Situation in Lateinamerika auseinandersetzen. Hierbei stellt das Manifest die Lage in Amerika als eine postneoliberale Regierungsära dar. Sie war über Jahrzehnte durch Regierungen wie die der Kirchners in Argentinien, von Morales in Bolivien, Lula/Dilma in Brasilien sowie Chávez in Venezuela geprägt. Diese postneoliberalen Regierungen stützten sich stark auf die ArbeiterInnenklasse und deren Bewegungen gegen den neoliberalen Kurs des US-Kapitals in Lateinamerika. Das anhaltende Wirtschaftswachstum Lateinamerikas in diesen Jahren spielte den postneoliberalen Regierungen in die Hände, konnten sie sich doch somit als Alternative für die ArbeiterInnenklasse darstellen. Die Wirtschaftskrise seit 2008 und ihre Auswirkungen in Lateinamerika wie auch weltweit bringen jedoch den Handlungsspielraum dieser Regierungen ins Wanken und zwingen sie dazu, offen ihre arbeiterInnenfeindliche Politik zu betreiben und Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse auszuweiten.

„Jetzt, da man die Verlangsamung des Wachstums als Produkt der weltweiten Krise spürt, fangen sie an, ihren arbeiterInnenfeindlichen Charakter offen zu zeigen: Cristina Kirchner in Argentinien lehnt die Lohnforderungen angesichts der Inflation ab und hält an der Lohnsteuer fest; Maduro setzte eine Mega-Abwertung der Währung in Venezuela durch und verhandelt mit den putschistischen KapitalistInnen und Evo Morales begann eine brutale Offensive gegen die ArbeiterInnen, um das neoliberale Rentensystem zu verteidigen.“ (25)

Dies führt zu zunehmenden Bruchlinien zwischen den Verbindungen der ArbeiterInnenklasse und diesen Regierungen, welche Raum zur revolutionären Intervention lassen sowie die Notwendigkeit aufzeigen, unabhängige, revolutionäre ArbeiterInnenparteien aufzubauen.

Die derzeitigen objektiven Gegebenheiten und die Rechtsentwicklung der politischen Landschaft Lateinamerikas rund um das Amtsenthebungsverfahren von Dilma in Brasilien (26), die Wahlniederlage des Kirchnerismus in Argentinien (27) oder die Niederlage von Maduro in Venezuela geben dieser Analyse recht. Sie werfen deutlich die Frage auf (wie auch in Europa rund um die Flüchtlingsthematik und die erstarkenden rechten Bewegungen), wie die recht kleine radikale Linke die ArbeiterInnenklasse für ihre Politik gewinnen kann. Die verfolgten Taktiken und Strategien der FT zeigen hierbei unserer Meinung nach viele Differenzen zwischen unseren beiden Strömungen auf, die weiter unten im Text einzeln abgearbeitet werden. Auf jeden Fall zeigen die meisten Herangehensweisen der FT eine gewisse Passivität (wenn auch nicht in Worten) in Bezug auf die Entwicklung innerhalb der unterschiedlichen ArbeiterInnenklassen Lateinamerikas.

In Argentinien z. B. wird richtigerweise davon gesprochen, dass einige Teile der ArbeiterInnenklasse den Bruch mit dem Peronismus vollziehen. Der Stimmenzuwachs des rechten Lagers in den letzten argentinischen Wahlen habe jedoch gezeigt, dass dieser Bruch nicht gleichbedeutend mit einer Linksentwicklung sein muss. Hier geht die FT jedoch nicht aktiv genug mit ihrem großen Potential um, welches sie in Form der Front der Linken und ArbeiterInnen (Frente de la Izquierda y de los Trabajadores – FIT) in ihrer Hand hat. Mit einer klaren Spielart der Einheitsfronttaktik gegenüber den peronistischen dominierten Gewerkschaften in Form der ArbeiterInnenparteitaktik könnte die FT versuchen, eine Dynamik rund um sich oder der FIT zu generieren, welche die Abwanderungsbewegungen weg vom Peronismus nicht nur verstärken, sondern auch auf sich kanalisieren könnte. So aber stellt sie sich mit der FIT passiv-propagandistisch in eine Ecke und wartet ab, welche Teile der ArbeiterInnen, die sich vom Peronismus wegbewegen, zu ihnen kommen. Es dürfte interessant werden, inwiefern die Beschlüsse des XV. Parteikongresses der PTS zur geplanten aktiveren Arbeit innerhalb der FIT hin zur Bildung einer revolutionären ArbeiterInnenpartei verwirklicht werden. (28)

Im Allgemeinen ist dieser Teil zu Lateinamerika  der stärkste . Dies verdeutlicht klar die dortige starke Verankerung der FT. Ein Kritikpunkt, welcher in der Analyse der politischen Lage Lateinamerikas von unserer Seite jedoch angebracht werden muss, ist die Charakterisierung bürgerlicher ArbeiterInnenparteien, z. B. der brasilianischen Partido dos Trabalhadores (PT). Diese – wie auch weitere bürgerliche ArbeiterInnenparteien in Europa und anderen Teilen der Welt – werden von der FT nicht als solche angesehen, was zu Unterschieden im taktischen Umgang mit diesen Parteien, z. B. der Zustimmung oder Ablehnung einer kritischen Wahlunterstützung, führt.

Die politisch fatalen Konsequenzen werden besonders in Brasilien angesichts des Putsches der Rechten gegen die Präsidentin Dilma deutlich. Die FT und ihre dortige Sektion erkennen zwar an, dass sich die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten gegen das Amtsenthebungsverfahren wehren müssen – sie lehnen aber zugleich die Bildung einer Einheitsfront mit der PT ab, also der dominierenden Partei der ArbeiterInnenklasse, die direkt von den Putschisten angegriffen wird! Eine solche Politik ist anti-putschistisch nur in Worten. Praktisch stellt sie ein politisches Ultimatum an die AnhängerInnen der PT und die CUT-Gewerkschaften dar, von denen der Bruch mit der PT als Vorbedingung für den gemeinsamen Kampf gefordert wird. Ein solches Sektierertum verunmöglicht in der Realität die Bildung jeder Einheitsfront mit den reformistischen ArbeiterInnen und läuft darauf hinaus, dem gemeinsamen Kampf mit der Mehrheit der ArbeiterInnenklasse fernzubleiben – eine reaktionäre Konsequenz des Sektierertums.

Restliche Welt?

Neben Europa und Lateinamerika hebt das FT-Manifest den Nahen Osten als weitere zentrale und strategisch wichtige Region der Weltpolitik hervor. Wir widersprechen dieser Einschätzung nicht, zeigen der Arabische Frühling, die anhaltenden Konflikte zwischen Palästina/Israel, die Auseinandersetzungen in Irak/Syrien/Rojava sowie der Islamische Staat (IS, Daesch), dass diese Region freilich einen sehr zentralen Punkt der Weltpolitik darstellt. Jedoch darf hier gefragt werden, wieso asiatische Teile wie Afghanistan oder Pakistan im Manifest komplett völlig unbeachtet bleiben, begründet die FT in ihrem Manifest doch die überaus wichtige Stellung des Nahen Ostens auf der imperialistischen Weltbühne durch „die Wichtigkeit, die die Region für die ökonomischen und geopolitischen Interessen der USA, des Staates Israel und anderer imperialistischer Mächte besitzt (,…)“ (29). Trifft dies auf Länder wie u. a. Afghanistan oder Pakistan in den Augen der FT nicht zu? Diese Regionen spielen unseres Erachtens in Hinblick auf die sich zuspitzenden Konflikte zwischen dem US- sowie dem chinesischen und russischen Imperialismus ebenfalls eine wichtige Rolle.

Das Manifest argumentiert weiter, dass der Nahe Osten nicht nur ökonomisch und geopolitisch eine wichtige Region darstellt, sondern „(…) wegen seiner gemeinsamen demokratischen und sozialen Motoren, hat dieser Prozess trotz seiner Ungleichheiten eine Reihe von programmatischen und strategischen Debatten in der Linken weltweit forciert“ (30).

Dies ist durchaus richtig und trifft in diesem Maße auf die Konflikte rund um Afghanistan/Pakistan derzeit nicht zu. Wieso jedoch das Manifest solch wichtige Regionen innerhalb der Weltpolitik mit der einzigen Begründung ausklammert, es würden darüber keine strategischen und programmatischen Debatten innerhalb der Linken geführt, erschließt sich uns nicht. Unserer Meinung nach stellt dies eine opportunistische sowie passive Herangehensweise an den Umgang mit derzeit stattfindenden Debatten innerhalb der internationalen Linken dar, anstatt selbst programmatisch und strategisch wichtige Fragen der internationalen ArbeiterInnenklasse aufzuwerfen und in den Mittelpunkt zu stellen. Dies versuchen wir nicht nur propagandistisch von außen mit unseren Thesen „Revolution und Konterrevolution in der arabischen Welt“ zum Arabischen Frühling und Nahen Osten (31), sondern auch aktiv durch den Kampf unserer pakistanischen Sektion rund um ihr „Aktionsprogramm für Pakistan“ (32).

Zusammenfassend betrachtet, charakterisiert das FT-Manifest die wirtschaftliche Weltlage als eine neue Periode. Diese ist geprägt durch zunehmende Auseinandersetzungen der ArbeiterInnenklasse seit Beginn der kapitalistischen Krise. Jedoch wird hier nicht deutlich, ob das Manifest diese Periode als vorrevolutionär oder revolutionär begreift. Dass die historische Weltwirtschaftskrise mit ihrem Beginn 2008 zu einer Zunahme von Auseinandersetzungen der ArbeiterInnenklasse führte, ist sicher richtig, allerdings auch keine besondere Erkenntnis. Dies wurde besonders deutlich durch den Ausbruch der Arabischen Revolutionen sowie der Krise in Südeuropa.

Allerdings macht die FT den Charakter der Periode in erster Linie nicht an den objektiven Erschütterungen der globalen Ordnung fest, sondern in erster Linie am Bewusstseinsstand der ArbeiterInnenklasse. Daher bleiben bei ihr die politischen Konsequenzen und die unvermeidliche Zuspitzung der Lage eher vage, während unsere internationale Strömung die derzeitige Periode als eine Krise historischen Ausmaßes charakterisiert, die die Frage von Revolution oder Konterrevolution in zugespitzten Situationen immer akuter auf die Tagesordnung stellt.

Lage und Führungskrise der ArbeiterInnenklasse

Anschließend an ihre Analyse der objektiv wirtschaftlichen und politischen Weltlage stellt die FT in ihrem Manifest auch die Frage in den Mittelpunkt, wieso diese in der derzeitigen Lage entstandenen revolutionären Möglichkeiten von der ArbeiterInnenklasse nicht genutzt werden. Das Manifest stellt hierbei fest, dass zwar die objektiven Gegebenheiten für eine revolutionäre Entwicklung existieren, die die Kämpfe der ArbeiterInnenklasse immer mehr in den Mittelpunkt sozialer Auseinandersetzungen stellen, jedoch die subjektiven Voraussetzungen – v. a. eine revolutionäre Führung der ArbeiterInnenklasse – fehlen.

Diese Führungskrise der ArbeiterInnenklasse erklärt das Manifest mit einer aus seiner Sicht noch nie dagewesenen Fragmentierung der ArbeiterInnenklasse. Dies verkörpere sich durch das konterrevolutionäre Handeln der Gewerkschaftsbürokratie.

„Die Rückkehr der ArbeiterInnenbewegung auf die Bühne und das Anhalten der weltweiten Krise setzen die Perspektive größerer Auseinandersetzungen der Klassen auf die Tagesordnung. Doch trotz der Kampfbereitschaft, die die ArbeiterInnen weltweit zeigen, haben sie an der Spitze ihrer Organisationen immer noch Gewerkschaftsbürokratien, deren Aufgabe es ist, diese Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen und der Massen gegen die KapitalistInnen und ihre Regierungen zurückzuhalten.“ (33)

Auch wenn wir durchaus zustimmen, dass die Gewerkschaftsbürokratie den Klassenkampf hemmt und gerne auch verrät, ist dies doch nur eine Seite der Medaille der Führungskrise der ArbeiterInnenklasse. Die andere Seite – die politischen Kampforgane der Klasse in Form der reformistischen ArbeiterInnenparteien und ihrer historischen Entwicklungen – stellt das Manifest als Grund für die Fragmentierung der Klasse, jedoch nicht als deren Verkörperung dar:

„Diese Krise der ArbeiterInnenbewegung hat seine tiefen Wurzeln in den revolutionären und konterrevolutionären Prozessen des 20. Jahrhunderts, unter ihnen die Bürokratisierung der Sowjetunion und die Durchsetzung des Stalinismus als ‚real existierender Sozialismus‘, und die Bewahrung der Sozialdemokratie als reformistische Führung der ArbeiterInnenbewegung im Westen nach dem Zweiten Weltkrieg“ (34).

Auch wenn wir hier der Analyse nicht widersprechen, dass der Stalinismus sowie die Sozialdemokratie einen erheblichen Beitrag dazu geleistet haben, die ArbeiterInnenbewegung in eine Krise zu stürzen, begeht die FT einen interessanten und, wie wir im Folgenden näher ausführen werden, weitreichenden Fehler.

Für sie stellen die Sozialdemokratie sowie der Stalinismus (vom Maoismus als Variante des letzteren spricht das Manifest erst gar nicht) nur den Grund für die Krise der ArbeiterInnenklasse dar. Die Verkörperung und den Ausdruck dieser Krise bildet ihrer Meinung nach nur die Gewerkschaftsbürokratie. Die reformistischen Spielarten innerhalb der ArbeiterInnenbewegung und ihrer historisch-politischen Kampforgane stehen hierbei auf unterschiedlicher Stufe. Diese Analyse impliziert, dass man sich den reformistischen Parteien der Klasse nicht in dem Maße widmen  muss wie den ökonomischen Organen der Klasse – den Gewerkschaften, stellen diese doch den alleinigen Ort dar, an welchem sich eine Führungskrise verkörpert und somit auch angegangen und geändert werden kann. Dieser Ökonomismus der FT hat schwerwiegende Folgen, wenn es um Taktiken und Strategien gegenüber den reformistischen Parteien und neuen politischen Umgruppierungsphänomenen innerhalb der ArbeiterInnenklasse geht.

Aber auch dann, wenn wir bei den Gewerkschaften bleiben, müssen wir uns die Frage stellen, wo diese Gewerkschaftsbürokratie herkommt und wie sie überhaupt entstehen kann. Das FT-Manifest gibt hier leider keine Antwort. Anstatt eine marxistische Analyse der objektiven Grundlagen für die Bürokratie zu geben, wird die ArbeiterInnenklasse von der FT nur in zwei unterschiedliche, nicht näher definierte Teile aufgeteilt: einen prekären Teil der ArbeiterInnenklasse und einen privilegierten Teil der ArbeiterInnenklasse, welcher auf Kosten des ersten Teils seine bessere Stellung innerhalb der Gesellschaft erhält.

„Dennoch entwickelte sich dieser Prozess (eine Neuzusammensetzung der weltweiten ArbeiterInnenklasse, Anm. des Autors) Hand in Hand mit einem enormen Anstieg der Zersplitterung. Zusätzlich zu der traditionellen Spaltung der ArbeiterInnenklasse durch das Kapital zwischen der ArbeiterInnenklasse imperialistischer Länder und der Halbkolonien, sind weitere hinzugekommen, die gemeinsam mit der Ausbreitung von Langzeitarbeitslosigkeit zur Entstehung von ArbeiterInnen ‚zweiter Klasse‘ (…) führte, die fast die Hälfte der weltweiten ArbeiterInnenklasse ausmachen. Im Gegensatz dazu steht ein privilegierter Sektor der ArbeiterInnenklasse mit Gewerkschaftsbindung, Löhnen und Arbeitsbedingungen oberhalb des Durchschnitts.“ (35)

Wir wiederum geben in unseren programmatischen Schriften eine klare Analyse der Entstehung der  ArbeiterInnenaristokratie sowie der Bürokratie wieder. So schreiben wir im „Trotzkistischen Manifest“ Folgendes:

„Im Wesentlichen werden Gewerkschaften von einer reformistischen Bürokratie dominiert, die sich in den imperialistischen Ländern während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aus der Arbeiteraristokratie entwickelte und sich vor allem auf die organisierten Facharbeiter stützte. In vielen Halbkolonien entstand ebenfalls eine Bürokratie, auch hier aus der Arbeiteraristokratie. Doch ist sie kleiner und genießt weniger materielle Privilegien als die der imperialistischen Länder. Sie wurde von bürgerlich-nationalistischen oder reformistischen Kräften gefördert, die sich so eine soziale Basis zu sichern hofften (wie in Mexiko und Argentinien). In anderen Ländern, wo sich entweder noch keine Arbeiteraristokratie entwickelt hat oder diese noch zu schwach ist, um die Gewerkschaften oder reformistische bzw. nationalistische Parteien zu beeinflussen, entstand eine reformistische Bürokratie oft durch Verbindungen mit der internationalen Gewerkschaftsbewegung und durch die materielle Hilfe der Bürokratien in den imperialistischen Ländern.

Die Gewerkschaftsbürokratie ist eine besondere Kaste, die ihre Position und ihre materiellen Privilegien (wie gering sie auch immer sein mögen) ihrer Rolle als Unterhändler im Klassenkampf zwischen den Arbeitern und ihren Bossen verdankt. Ihre privilegierte Position geht oft einher mit ihrer Einbindung in untere Ebenen des kapitalistischen Staates. Um diese Positionen aufrechtzuerhalten, hat sie ein objektives Interesse an der Erhaltung des Systems der Klassenausbeutung und beschränkt und verrät daher die Klassenkämpfe. Sie handelt also als Feldwebel der Kapitalisten in der Arbeiterklasse und ist ein verschworener Feind des militanten Klassenkampfes und einer echten Arbeiterdemokratie.“ (36)

Dass diese privilegierten Schichten der ArbeiterInnenklasse auch die objektive Basis der Bürokratie innerhalb der reformistischen ArbeiterInnenparteien darstellen und somit die „Verkörperung“ der Führungskrise nicht nur in den Gewerkschaften, sondern auch in den politischen Kampforganen der Klasse auftritt und davon unmöglich zu trennen ist, kann von der FT leider auf Grund ihres oben erklärten Ökonomismus nicht verstanden werden. Es verwundert daher auch nicht, dass dazu nichts in ihrem Manifest zu finden ist.

Wir lassen hier unser Manifest sprechen, um die Verbindung zwischen der reformistischen Sozialdemokratie und der oben erklärten ArbeiterInnenaristokratie zu beschreiben:

„Seit langem hat die imperialistische Bourgeoisie ihre Ressourcen dazu verwendet, Spaltungen im Proletariat zu fördern und sogar die Existenz einer privilegierten Schicht, der ‚Arbeiteraristokratie‘, deren Lebensstandard wesentlich höher als der der Arbeitermassen war, zu akzeptieren. Dieser Teil der Arbeiterklasse bildete die hauptsächliche Grundlage für eine ‚Arbeiterbürokratie‘, deren Rolle es war, mit dem Kapital zu verhandeln, und deren spontane politische Auffassung daher die Klassenzusammenarbeit war.

1914 wurden die proletarischen Massenparteien Europas bereits von der Politik der Kollaborateure beherrscht. Dies stimmte sowohl für Parteien wie die britische Labour Party, die seit ihrer Gründung eine reformistische Partei war, als auch für die sozialdemokratischen Parteien, die formal am Marxismus festhielten. Im Verrat der Zweiten (Sozialistischen) Internationale an der Arbeiterklasse fand diese Entwicklung ihren Höhepunkt. 1914 rührten sie die Werbetrommel für den imperialistischen Krieg. Als dann die Welle von Revolutionen durch Europa fegte (1917 – 23), stellten sie sich offen auf die Seite der bürgerlichen Konterrevolution gegen die arbeitenden Massen.

So nahm die Sozialdemokratie ihre grundlegende Gestalt an. Sie wurde strategisch an die kapitalistische Ökonomie und den kapitalistischen Staat, wenn auch in den idealisierten Formen des Staatskapitalismus und der bürgerlichen Demokratie, gebunden. Dies war sogar dort der Fall, wo der Kapitalismus noch keine voll entwickelten Arbeiteraristokratien und -bürokratien herausgebildet hatte. In Rußland zum Beispiel waren die Menschewiki, die für eine lange Periode der bürgerlichen Demokratie als einer notwendigen Entwicklungsstufe argumentierten, gegen die proletarische Revolution und ergriffen sogar die Waffen gegen sie. Direkte Aktion und militärische Gewalt waren für die Reformisten Mittel, die nur gegen die Gegner des bürgerlich-demokratischen Ziels verwendet werden konnten, niemals jedoch, um die Gegner der Arbeiterklasse zu schlagen.” (37)

Wie oben angesprochen, muss, wenn über die Überwindung der Führungskrise des Proletariats gesprochen werden soll, über beide Formen der Organisierung der ArbeiterInnenklasse – Gewerkschaften wie Parteiformationen – gesprochen werden. Beide Strömungen heben richtigerweise die verräterische Rolle der Gewerkschaftsbürokratie und die Notwendigkeit des Aufbaus klassenkämpferischer Basisoppositionen, welche der Gewerkschaftsbürokratie die Führung über die Gewerkschaften streitig machen sollen, hervor.

Jedoch geht das Manifest der FT nicht dazu über, Lösungsansätze zu entwickeln, wie dieser Kampf innerhalb der ökonomischen Kampforganisationen der ArbeiterInnenklasse mit einem Kampf um die politische Führung der ArbeiterInnenklasse verbunden werden kann. Außer dem Ansprechen der Notwendigkeit des Aufbaus unabhängiger, revolutionärer ArbeiterInnenparteien sowie der Anwendung von Einheitsfronten zur Überwindung der Fragmentierung innerhalb der Klasse lässt das Manifest die LeserInnen vollkommen im Unklaren, welche strategischen und taktischen Züge angewendet werden sollen. Es lässt die Fragen außer Acht, wie der Bruch der ArbeiterInnenklasse mit ihren reformistischen Führungen in den Parteien und Gewerkschaften herbeigeführt und beschleunigt werden kann, um die Führungskrise zu überwinden.

Um den Aufbau revolutionärer Organisationen näher zu untersuchen und unser Verständnis des Parteiaufbaus dem der FT gegenüberzustellen, müssen wir uns erst einmal näher damit auseinandersetzen, wie überhaupt revolutionäres Bewusstsein in der Klasse entstehen kann.

Bewusstsein

Der höchste Ausdruck des Bewusstseins und der Erfahrung der ArbeiterInnenklasse lasse sich „in den ersten vier Kongressen der III. Internationale vor ihrer stalinistischen Degeneration und danach in der von Trotzki gegründeten Vierten Internationale.“ (38) finden. Den Grund für ihre Degeneration und Zersplitterung erklärt sich das FT-Manifest folgendermaßen:

„Dennoch verwandelte sich die Vierte Internationale, die eine Alternative zum Stalinismus und die Kontinuität des revolutionären Marxismus darstellte, anders als von Trotzki vorhergesagt, nicht in eine Massenorganisation. Eine Vielzahl von Faktoren, darunter die Ermordung Trotzkis, das widersprüchliche Resultat des Krieges – das der stalinistischen Bürokratie durch ihren Sieg gegen die Nazis neues Ansehen verlieh – die Blockade der revolutionären Dynamik in den zentralen Ländern und das Erstarken des Reformismus auf der Basis des teilweisen Wachstums der Produktivkräfte, die durch die vorhergegangene massive Zerstörung des Krieges ermöglicht wurde, bewirkten, dass der Trotzkismus marginal blieb und sich dem reformistischen, stalinistischen und „drittweltlerischen“ Druck ausgesetzt sah.“ (39)

Wir erkennen die im Manifest angesprochenen Faktoren ebenfalls als geschichtliches Korsett an, in welchem sich die Degeneration des Trotzkismus während der Nachkriegszeit abspielte. In dieser Analyse fehlt uns jedoch die kritische Aufarbeitung der Fehleinschätzungen Trotzkis, welche zu seiner Annahme führten, die stalinistischen sowie sozialdemokratischen Parteien würden sich in einer revolutionären Periode nach dem 2. Weltkrieg in den Augen der ArbeiterInnenklasse diskreditieren.

Trotzki ging in seiner Analyse davon aus, dass sich das Ende des 2. Weltkrieges zu einer Periode revolutionärer Bürgerkriege entwickeln würde, wie es sich am Ende des 1. Weltkrieges abgespielt hatte. Diese Periode würde den Organisationen der 4. Internationale ermöglichen, zu wirklichen Massenorganisationen der Klasse anzuwachsen, ähnlich den Organisationen der Komintern im Anschluss an den 1. Weltkrieg. Das Manifest spricht diese Fehleinschätzung Trotzkis jedoch nicht an, sondern spricht nur von einem „widersprüchlichen Resultat des Krieges“. (40) Daher zieht die FT  zwar den  richtigen, aber auch verkürzten Schluss, dass der „Trotzkismus marginal blieb und sich dem reformistischen, stalinistischen und „drittweltlerischen“ Druck ausgesetzt sah“ (41), ohne jedoch die Auswirkungen dieser Marginalisierung auf die schlussendliche Degeneration des Trotzkismus wirklich zu beschreiben. Sie spricht zwar an, dass sich der Trotzkismus in der Periode von 1951 – 1953 in eine zentristische Bewegung verwandelt habe; was sie jedoch unter diesem Zentrismus versteht und was ihrer Meinung nach die Auswirkungen und Anpassungen „an die stalinistischen, nationalistischen oder kleinbürgerlichen Führungen von Tito, Mao und Castro bis zur algerischen FLN (Front de Libération Nationale, Nationale Befreiungsfront)“ (42) darstellen, wird im Manifest nicht deutlich. Sie vergisst hierbei auch die starken Annäherungen vieler trotzkistischer Strömungen an die sozialdemokratischen sowie stalinistischen/maoistischen Führungen.

Obwohl die FT die Degeneration der 4. Internationale sieht, fand ihrer Meinung nach dies in einem Rahmen statt „der von dem Bruch der revolutionären Tradition geprägt war, (…) einige korrekte Auseinandersetzungen und programmatische Errungenschaften statt, die gewisse Fäden der Kontinuität aufrechterhielten, auch wenn diese sich immer weiter verdünnten, bis sie während der neoliberalen Offensive und der kapitalistischen Restauration fast rissen.“ (43)

Die Leser dürften sich hierbei jedoch wundern, wie korrekte Auseinandersetzungen und programmatische Errungenschaften erzielt werden können, wenn die gesamte Entwicklung vom Bruch der revolutionären Tradition geprägt war. Dieser Widerspruch wird auch nicht aufgehoben, indem sich die FT über die von ihr angesprochenen kontinuierlichen Fäden ausschweigt. Auch in einem weiteren Text von Emilio Albamonte (44), in welchem sich die FT das letzte Mal ausgiebiger mit der Frage des Wiederaufbaus der 4. Internationale beschäftigte, kann nichts über die von ihr angesprochenen „Fäden“ gefunden werden. Es wäre jedoch sehr hilfreich zu erfahren, was sich die FT unten diesen Fäden der Kontinuität vorstellt, da diese doch für ihr Konzept des „Wiederaufbaus der 4. Internationale“ wichtige Leitsätze darstellen und somit in einer „Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution (Vierte Internationale)“ debattiert werden sollten, sofern sie überhaupt existieren sollten.

Wir haben längere theoretische Artikel unserer Analyse der Degeneration des Trotzkismus gewidmet, die grundlegende Positionen unserer internationalen Strömung wiedergeben. Diese Artikel sind in der Broschüre „Der Letzte macht das Licht aus“ zu finden und werden hier nicht weitergehend ausgeführt (45). Wir verweisen jedoch auf unser Programm, um kurz und bündig unsere Position der Degeneration der IV. Internationale zu erläutern und warum wir es für nötig erachten, die Wiedererarbeitung und somit den Aufbau einer neuen Internationalen anzugehen:

„Während unser Programm in seinem Zentrum ähnlich dem Programm von 1938 ein zugespitztes Aktionsprogramm enthält, ist es heute aber auch notwendig, Probleme anzusprechen, die in diesem Dokument nicht behandelt wurden. Als wiedererarbeitetes Programm muß es der Tatsache ins Auge sehen, daß die Kontinuität der marxistischen Bewegung 1951 mit der Degeneration der Vierten Internationale in den Zentrismus unterbrochen wurde. Eine Periode von vier Jahrzehnten ist seit dieser Degeneration verstrichen. Die Fragen der Perspektiven, der Taktik und der Strategie wurden während dieser vierzig Jahre niemals in einer revolutionären Weise analysiert, geschweige denn in einem konsequent revolutionären Programm beantwortet.“ (46)

Es reicht jedoch nicht darzulegen, wie die höchste Form des Bewusstseins ausgesehen hat und wie sie verloren wurde. RevolutionärInne müssen auch darlegen, wie ein solches wieder in die Klasse getragen werden kann.

In der kapitalistischen Gesellschaft – wie in jeder anderen Gesellschaft auch – muss das grundlegende Bewusstsein das der herrschenden Klasse sein, weil sich ansonsten eine Gesellschaft, in welcher sich eine kleine Minderheit als herrschende Klasse der Mehrheit der Gemeinschaft gegenüberstellt, als nicht stabil erweisen würde. Hierzu zitieren wir aus Lenins Werk „Was tun? – Brennende Fragen unserer Bewegung“, wo er anhand eines Kautskyzitats hervorragend herausarbeitet, wie ein sozialistisches Bewusstsein nicht aus der proletarischen Klasse selbst entstehen kann, sondern in sie hineingetragen werden muss:

„Denn es heißt da: ‚Je mehr die Entwicklung des Kapitalismus das Proletariat anschwellen macht, desto mehr wird es gezwungen und befähigt, den Kampf gegen ihn aufzunehmen. Es kommt zum Bewußtsein der Möglichkeit und Notwendigkeit des Sozialismus etc. In diesem Zusammenhang erscheint das sozialistische Bewußtsein als das notwendige direkte Ergebnis des proletarischen Klassenkampfes. Das ist aber falsch. Der Sozialismus als Lehre wurzelt allerdings ebenso in den heutigen ökonomischen Verhältnissen wie der Klassenkampf des Proletariats, entspringt ebenso wie dieser aus dem Kampfe gegen die Massenarmut und das Massenelend, das der Kapitalismus erzeugt; aber beide entstehen nebeneinander, nicht auseinander, und unter verschiedenen Voraussetzungen. Das moderne sozialistische Bewußtsein kann nur erstehen auf Grund tiefer wissenschaftlicher Einsicht. In der Tat bildet die heutige ökonomische Wissenschaft ebenso eine Vorbedingung sozialistischer Produktion wie etwa die heutige Technik, nur kann das Proletariat beim besten Willen die eine ebensowenig schaffen wie die andere; sie entstehen beide aus dem heutigen gesellschaftlichen Prozeß. Der Träger der Wissenschaft ist aber nicht das Proletariat, sondern die bürgerliche Intelligenz (hervorgehoben von K. K.); in einzelnen Mitgliedern dieser Schicht ist denn auch der moderne Sozialismus entstanden und durch sie erst geistig hervorragenden Proletariern mitgeteilt worden, die ihn dann in den Klassenkampf des Proletariats hineintragen, wo die Verhältnisse es gestatten. Das sozialistische Bewußtsein ist also etwas in den Klassenkampf des Proletariats von außen Hineingetragenes, nicht etwas aus ihm urwüchsig Entstandenes.“ (47)

Auch wenn sich die FT in ihrem Manifest zur Fragestellung des Bewusstseins der Klasse ausschweigt, äußert sie sich an einer anderen Stelle dazu äußerst antileninistisch, ganz im Gegensatz zum typisch formal-orthodoxen Gewand der FT-GenossInnen. Sie stellt sich gegen Lenin und behauptet, revolutionäres Bewusstsein muss nicht nur von außen in die Klasse getragen werden, sondern kann auch spontan aus ihr selbst heraus entstehen. Hierbei versuchen sie Trotzki als Unterstützer dafür zu verwenden und machen den Revisionismus perfekt:

„Trotzki wird ein Fortführer des ‚reifen‘ Bolschewismus sein, der nach der Erfahrung mit den ersten ArbeiterInnenräten 1905 die These aus ‚Was tun?‘ von Lenin korrigierte, nach der das Klassenbewusstsein nur ‚von außen‘ in die ArbeiterInnenbewegung hereingetragen werden könne. Was die Beziehung zwischen Sowjet und Partei angeht, sagte er, auf die Erfahrungen der russischen Revolution gestützt: ‚Es wäre ein offener Fehler, die Stärke der bolschewistischen Partei mit der Macht der von ihr geleiteten Sowjets zu identifizieren: die letztere war um vieles beträchtlicher, jedoch ohne die erste hätte sie sich in Ohnmacht verwandelt.‘ Davon ausgehend wurde er ein überzeugter Anhänger der Idee einer leninistischen Kampfpartei.“ (48)

Die FT als internationale Strömung beweist hier ein schlechtes Verständnis von historischen Prozessen und ihren Analysen. Sie wirft hier zwei unterschiedliche historische Zeiten und Umstände durcheinander, stellt diese gegeneinander und versucht dadurch, ihren antileninistische Kurs in Bezug auf die Bewusstseinsbildung und damit im Umkehrschluss ihre Passivität und ihr Sektierertum im politischen Klassenkampf gegenüber reformistischem und zentristischem Bewusstsein innerhalb der ArbeiterInnenklasse zu rechtfertigen. Wenn revolutionäres Bewusstsein auch spontan aus der Klasse entstehen kann, muss der politische Kampf gegenüber den Teilen, die am meisten der Entstehung von revolutionärem Bewusstsein entgegenarbeiten, auch nicht aufgenommen werden. Die Passivität wird somit entschuldigt und man versucht mit Hilfe von Trotzkizitaten  dies in ein „revolutionäres“ Gewand zu hüllen.

Lenin schrieb, wie oben schon angesprochen, im Jahre 1902. In dieser Zeit stellten die revolutionären Kräfte in Russland die Minderheit dar und mussten sich im Kampf gegen reformistische und kleinbürgerliche Einflüsse auf das Bewusstsein der ArbeiterInnen vorbereiten. Er entwickelte eine Antwort darauf, wie marginalisierte RevolutionärInnen in Russland 1902 (vergleichbar mit der Situation von RevolutionärInnen in der heutigen Zeit) ohne starke Verankerung in der ArbeiterInnenklasse revolutionäres Bewusstsein schaffen und dieses in die Klasse tragen und dort verankern könnten.

Das von der FT verwendete Zitat von Trotzki um gegen Lenin ins Gefecht zu ziehen, stammt aus „Die Geschichte der Russischen Revolution“ (49)  und beschäftigte sich mit dem Verhältnis zwischen der bolschewistischen Partei und den in den russischen Sowjets organisierten ArbeiterInnen im Zuge des Oktoberaufstandes 1917,  einer Zeit, in welcher die Bolschewiki im langen und zähen Kampf reformistisches und kleinbürgerliches Bewusstsein – verkörpert in Form der Menschewiki, Sozialrevolutionären, etc. – innerhalb der russischen ArbeiterInnenklasse bekämpften und die Führung in der russischen ArbeiterInnenklasse erobern konnten, was schlussendlich den Ausdruck eines hohen Grades an revolutionärem Bewusstsein innerhalb der russischen ArbeiterInnenklasse darstellte. In einer solchen Situation, in welcher die ArbeiterInnen revolutionäres Bewusstsein erlangt haben, es Massenorgane der Klasse gibt, die es der Klasse ermöglichen, eine Klasse für sich selbst zu sein und ihre Leitung selbst in die Hand zu nehmen, kann durchaus davon ausgegangen werden, dass revolutionäres Bewusstsein auch selbst aus der Klasse heraus vorangetrieben und aufrechterhalten werden kann. Trotzki jedoch in den Mund legen zu wollen, er hätte damit grundlegend die These von Lenin korrigiert, ist ein unhaltbarer revisionistischer Fehler von Seiten der FT-GenossInnen und auch historisch-materialistisch nicht sauber durchdacht – werfen sie doch hier zwei, historisch und objektiv, betrachtet unterschiedliche Situationen durcheinander, in welchen sich die russischen RevolutionärInnen jeweils befanden.

Das FT-Zitat muss man schon an den Haaren herbeiziehen, um Lenins Konzeption aus „Was tun?“ zu „korrigieren“. Trotzki sagt lediglich, dass für eine siegreiche Revolution eine revolutionäre Partei und eine in Doppelmachtstrukturen organisierte Gesamtklasse erforderlich seien. Aber auch hier muss die Partei führen, sonst verpufft die Revolution. Sie muss für ihr Programm, das Ziel der Diktatur des Proletariats Mehrheiten in den Räten finden. Das kann nur erfolgreich sein, wenn sie es in Taktik übersetzt und in die Doppelmachtorgane hineinträgt. Misslingt dies, scheitert die proletarische Revolution!

Es war der junge Trotzki, nicht der „reife“, der Lenins Organisationskonzept 1904 in „Unsere politischen Aufgaben“ als substitutionalistisches kritisierte, in dem die Organisation der Berufsrevolutionäre so hingestellt wird, als solle sie eine „jakobinische Diktatur“ über die ArbeiterInnenklasse ausüben, sie als revolutionäres Subjekt ersetzen (50).

Isaac Deutscher unterzieht Trotzkis Schrift einer gründlichen Kritik (51). Der „reife“ Trotzki selbst schreibt zu dieser Kontroverse mit Lenin:

„Aus dieser meiner Empörung ergab sich der Bruch mit Lenin auf dem zweiten Kongreß. Sein Verhalten erschien mir unzulässig, schrecklich, empörend. Es war aber dennoch politisch richtig, folglich auch organisatorisch notwendig. Der Bruch mit den Alten, die in der vorbereitenden Periode verharrten, war auf jeden Fall unvermeidlich. Lenin hatte dies früher als die anderen erkannt…Meine Trennung von Lenin erfolgte also gleichsam auf ‚moralischem‘, ja sogar auf persönlichem Gebiet. Doch schien es nur äußerlich so. Im Grunde hatte unser Auseinandergehen einen politischen Charakter, der nur auf organisatorischem Gebiet nach außen durchbrach…Der Leninsche Zentralismus ergab sich für mich noch nicht aus einer klaren, selbständig durchdachten revolutionären Konzeption…In jenen noch ziemlich unklaren Stimmungen, die sich um die Fahne der ‚Iskra‘ gruppierten, vertrat Lenin voll und restlos den morgigen Tag mit all seinen ernsten Aufgaben, grausamen Zusammenstößen und unzähligen Opfern.“ (52)

Und in „Die permanente Revolution“ stellt er den Zusammenhang zwischen seinem Versöhnlertum mit dem Menschewismus und seiner Überbewertung revolutionärer Massenspontaneität, damit aber auch der Unterschätzung der Rolle der revolutionären Partei her:

„Mein Versöhnlertum entstammte einem gewissen sozial-revolutionären Fatalismus. Ich glaubte, die Logik des Klassenkampfes werde beide Fraktionen zwingen, die gleiche revolutionäre Linie zu verfolgen. Mir war damals der große historische Sinn der Haltung Lenins noch unklar, seiner Politik der unversöhnlichen geistigen Abgrenzung und, wenn nötig, Spaltung zum Zwecke der Vereinigung und Stählung des Rückgrates der wahrhaft proletarischen Partei…Indem ich die Einheit um jeden Preis anstrebte, mußte ich unwillkürlich und unvermeidlich die zentristischen Tendenzen im Menschewismus idealisieren.“ (53)

Eine Neuauflage von „Unsere politischen Aufgaben“ wurde ausdrücklich nicht in die russische Ausgabe von Trotzkis Werken übernommen, er hat dies nicht autorisiert. (54)

Trotzkis grundlegender Wandel in der Übernahme der leninistischen Parteikonzeption ab 1917 wird auch an anderer Stelle belegt (55) und lässt an der Kritik der FT kein Haar übrig. Vielmehr ist es ihr workeristisches Parteiverständnis, sodass sie die Kritik am Trotzki von 1904 und 1915 („Unsere politischen Aufgaben“, „Der Kampf um die Macht“) auf sich selbst beziehen müsste.

Kontinuität und Wandel in der leninistischen Parteikonzeption sehen wir wie folgt:

„Lenins Auffassung zur Organisationsfrage und der Rolle der Avantgardepartei legte den Grundstein für eine Politik, die in ihrer Einschätzung der Entwicklung von Bewusstsein, in der steten Auseinandersetzung mit dem vorherrschenden Bewusstsein in der Arbeiter/innen/schaft und gegen den menschewistischen Opportunismus, in der Lage war, eine Organisation herauszubilden, die – bei zahlreichen Fehltritten – schließlich 1917 zur Führung der Revolution in der Lage war. Was tun? Kennzeichnet dabei keineswegs die ‚Leninsche Parteiauffassung’…Lenins Verhältnisbestimmung von umfassenden Arbeiter/innen/organisationen und revolutionärer Organisation änderte sich entsprechend der veränderten Bedingungen, ohne die prinzipielle Notwendigkeit der bewussten Führung durch die fortgeschrittensten Elemente der Klasse über Bord zu werfen.“ (56,)

Was ist jedoch die praktische Schlussfolgerung daraus? Obwohl die FT ebenfalls von der Fragmentierung der ArbeiterInnenklasse sowie der Marginalisierung der RevolutionärInnen spricht, begeht sie dennoch den Fehler, Lenin zu „korrigieren“ und behauptet, dass revolutionäres Bewusstsein nicht von außen in die Klasse getragen werden, sondern dies durch die Organisierung der ArbeiterInnenavantgarde von innen geschehen muss.

Auch wenn sie nicht klar darstellt, wie nun genau revolutionäres Bewusstsein ihrer Meinung nach entstehen kann, ist es wichtig, an diesem Punkt ihre antileninistische Position aufzuzeigen und vor allem zu unterstreichen, was diese Aussage impliziert. Sie impliziert, dass revolutionäres Bewusstsein aus der Klasse selbst entstehen kann. Das bedeutet auch, dass es  nicht als notwendig erachtet wird, den Kampf und die Auseinandersetzung mit reformistischen und zentristischen Strömungen innerhalb der Klasse zu suchen, voranzutreiben und zuzuspitzen. Diese Einflüsse können links liegen gelassen werden, während man sich selbst im Sektierertum suhlt. Es wird stattdessen passiv auf einen spontan-revolutionären Sektor in der ArbeiterInnenklasse gewartet, welcher noch nie in Berührung mit reformistischen oder zentristischen Organisationen der Klasse gekommen und von diesen „unabhängig“ ist. Die deutsche Sektion der FT – die Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO) – sieht in dieser Logik diese spontan-revolutionäre Vorhutschicht derzeit vor allem  in den ArbeiterInnen von Amazon oder dem Botanischen Garten in Berlin, welche auf ihrem unbewussten Weg zu revolutionärem Bewusstsein unterstützt und auf ihre Fusion mit der revolutionären Organisation/Partei vorbereitet werden sollen.

Wie windet sich jedoch die FT nun aus dieser antileninistischen Analyse heraus, um sich weiter trotzkistisch-revolutionär zu geben? Anstatt einen Fokus auf das Bewusstsein der Klasse zu setzen und Strategien und Taktiken anzuwenden, welche notwendig sind, um die unweigerliche reformistische und zentristische Prägung ihres Bewusstseins herauszufordern, fokussiert sich die FT in ihrem Manifest wie auch in ihren theoretischen Schriften mehr auf die Hegemonie des Kapitals, welche die Klasse im Griff hält, statt auf das vorherrschende proletarische Bewusstsein.

Avantgarde – was ist das?

Wenn von einer Führungskrise gesprochen wird, muss auch ausgeführt werden, was eigentlich zur Überwindung dieser Krise geschehen muss und dadurch erreicht werden soll. Als Organisationen mit revolutionärem Anspruch stellt der Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei für die FT wie auch für unsere internationale Strömung das notwendige Mittel zur Lösung der proletarischen Führungskrise dar. Wir schreiben hierzu in unserem Trotzkistischen Manifest:

„Sogar in seiner Todeskrise wird der Kapitalismus nicht von selbst verschwinden. Er muß bewußt durch die Arbeiterklasse gestürzt werden. Dazu ist die Bildung einer neuen revolutionären Vorhut notwendig, die einen bewußten strategischen Plan, ein Programm und eine proletarische Avantgardepartei braucht.“ (57)

Was ist jedoch diese ominöse Avantgarde? Wie wird eine solche Avantgardepartei aufgebaut? Besteht sie nur aus den schon „revolutionären“ Teilen der Klasse oder gibt es Teile der ArbeiterInnenbewegung, welche eine gewisse Avantgardeposition einnehmen, obwohl sie (noch) nicht voll von einem revolutionären Programm überzeugt sind oder es sich selbst erarbeitet haben? Da in unserem Programm wie auch im Manifest der FT von Avantgarde gesprochen wird, ist es wichtig zu verstehen, wie die unterschiedlichen Organisationen den Begriff der Avantgarde fassen. Wir haben hierzu in unserer letzten RM-Ausgabe einen Artikel mit einer kurzen Analyse und Beschreibung unseres Verständnisses von Avantgarde veröffentlicht (58).

Von Seiten der FT ist uns aus ihrem Manifestvorschlag sowie aus ihren theoretischen Schriften und Publikationen wenig Konkretes über ihr Verständnis von Vorhut bekannt. Daher bleibt uns nichts anderes übrig, als Vermutungen darüber anzustellen, was für sie die Avantgarde der Klasse darstellt, und zu versuchen, diese Vermutung mit ihrer Praxis zu belegen. Aufgrund ihrer morenistischen Vergangenheit (59) liegt es nahe, sich zuerst mit dem Avantgardekonzept von Moreno auseinanderzusetzen und zu untersuchen, inwiefern dieses Konzept von der FT noch geteilt wird.

Moreno entwickelt einen sehr einseitigen, verkürzten Begriff von Avantgarde der Klasse. Sie entsteht in den einzelnen Kämpfen und Auseinandersetzungen des Klassenkampfes und verschwindet wieder, wenn diese nachlassen. Diese Avantgarde verlässt die Kämpfe entweder und hört damit auf, eine solche zu sein, oder sie schließt sich einer Partei oder Organisation an. Nur wenn sie sich einer revolutionären Organisation/Partei anschließt, stellt sie weiterhin die Avantgarde dar. Sollte sie sich einer reformistischen, populistischen, etc. Organisation anschließen, verliert sie ebenfalls ihren Avantgardecharakter. Was an dieser Aussage bzw. Charakterisierung von Moreno unserer Meinung nach richtig ist, ist, dass wir von einer bewusst revolutionären Klassenvorhut nur dann sprechen können, wenn sie sich in einer revolutionären Partei – einer bolschewistischen Partei – zusammenschließt. Nur dann ist die Avantgarde dazu in der Lage, ihre historische Aufgabe zu erfüllen, die ArbeiterInnenklasse als Ganze und alle Unterdrückten im Kampf gegen das bürgerliche System anzuführen und die Bildung der Diktatur des Proletariats anzuleiten.

Aber auch dann reicht es nicht aus, wenn die Avantgarde dies über sich selbst weiß. Damit die revolutionäre Partei als Partei der Avantgarde wirken kann, muss sie den rückständigen Teilen der Klasse in der Praxis beweisen können, Kämpfe anführen zu können, die Rolle der Avantgarde auch wirklich auszufüllen. Eine alleinige Proklamation zur Avantgarde (wie z. B. von den stalinistischen Parteien ab Beginn der „3. Periode“) reicht nicht aus. Die Avantgarde stellt eine Beziehung zur der Klasse dar, nicht nur eine Eigenschaft.

Wir erkennen natürlich, dass in jedem Streik Avantgardeelemente entstehen bzw. in Bewegung kommen können, denken jedoch, dass die Charakterisierung Morenos hier viel zu eng gefasst wird und hauptsächlich nur die Teile der Avantgarde einbezieht bzw. auf diese zugehen möchte, welche sich derzeit in ökonomischen Kämpfen befinden. Laut seiner Definition ist die Avantgarde nämlich keine mehr, sobald sie sich einer reformistischen oder zentristischen Organisation/Partei anschließt; somit würden auch ArbeiterInnen anderer politischer Organisationen außer der eigenen oder denen, die als subjektiv revolutionär charakterisiert werden, nicht dazugehören.

Wie oben schon angesprochen, ist das dominante Bewusstsein der ArbeiterInnenklasse im Kapitalismus ein bürgerliches. Auch wenn Kämpfe entstehen, wenn ArbeiterInnen also gezwungen werden, sich zusammenzuschließen, um für ihre direkten Interessen einzustehen, stellt ihr „spontanes“ Bewusstsein eine Form bürgerlichen Bewusstseins dar – ein nur-gewerkschaftliches. Der Reformismus stellt eine Art „Verlängerung“ dieses Bewusstseins in die politische Sphäre der ArbeiterInnenbewegung hinein dar, ist jedoch im Vergleich zum „Nur-Gewerkschaftertum“ einen Schritt weiter, erkennt dieser – auch wenn weiterhin im bürgerlichen Bewusstsein befangen – an, dass die ArbeiterInnenklasse nicht nur den ökonomischen, sondern auch den politischen Kampf gegen den Kapitalismus aufnehmen muss.

Wenn die ArbeiterInnenklasse in Kämpfe gezwungen wird, wird sie generell mit den Widersprüchen der kapitalistischen Gesellschaft konfrontiert und es besteht die Möglichkeit, dass ihr Bewusstsein aufgebrochen wird und Teile der in Bewegung geratenen ArbeiterInnen nicht nur die Widersprüche in der Gesellschaft, sondern auch innerhalb ihres Bewusstsein erkennen und nach revolutionären Lösungen und Antworten suchen. In solchen Situationen bilden die Avantgarde diejenigen, die nicht nur die Kämpfe anführen, sondern auch diejenigen, die „spontan“ dahingehend treiben, die Natur ihrer Auseinandersetzung mit dem System zu verstehen, die danach streben die Probleme, vor denen sie stehen, zu begreifen, ihre Erfahrungen zu vereinheitlichen und, davon ausgehend, anhaltende politische Rückschlüsse zu ziehen.

Es besteht somit nicht nur eine ökonomische oder gewerkschaftliche Avantgarde innerhalb der ArbeiterInnenklasse, sondern es gibt auch politisch bewusstere ArbeiterInnen, welche sich in bestimmten Parteien organisieren oder sich diesen anschließen werden – auch wenn diese reformistisch sind und ihnen keine schlussendlichen Lösungen für ihre aufgeworfenen Fragen geben können. Das Erstarken reformistischer oder „neu-reformistischer“ Kräfte in Europa im Zuge der Wirtschaftskrise zeigt dies deutlich an. Nicht nur suchen die ArbeiterInnen nach einer „spontan“ ökonomischen Antwort auf ihre Fragen, sondern auch nach einer politischen (wenn auch reformistischen) Antwort.

Was sagt nun die FT zu all dem? Wie oben schon erwähnt, gibt es nach unserem Wissen keine Veröffentlichung der FT, in welcher ihr Verständnis von Avantgarde klar und deutlich dargelegt wird (so wie wir es z. B. im RM 47 getan haben), bzw. inwiefern sie sich noch auf die morenistische Definition bezieht, nach ihrem Bruch mit diesem. Beim Lesen ihrer Publikationen, in welchen Begriffe wie „Avantgarde“ auftauchen und ihre derzeitige Lage bzw. Beeinflussung dargestellt werden (60, 61), kann der Eindruck entstehen, sie teile immer noch die Definition Morenos. So können wir in diesen Schriften Passagen finden wie: „(…), wenn Avantgardeschichten auftauchen (…)“, „Der wichtigste Prozess in den imperialistischen Ländern ist die Entstehung neuer ArbeiterInnen- und Jugendavantgarden(…)“, „(…) aus der Verschmelzung der am weitesten entwickelten Schichten der Avantgarde der ArbeiterInnen und Jugend mit dem revolutionären Marxismus.“ (62, Übersetzung des Autors) oder „Das Aufkommen neuer Avantgarden bestehend aus tausenden von AktivistInnen, wirft die Notwendigkeit zur Bildung einer revolutionären Avantgardepartei auf, (…)“ (63, Übersetzung des Autors). All diese Zitate weisen deutlich die Nähe der FT zum morenistischen Avantgardekonzept auf: einer Avantgarde, die in Kämpfen neu entsteht und die Notwendigkeit aufzeigt, eine revolutionäre Partei aufzubauen, welcher sich jene anschließen kann. Politische Formationen der Vorhut bzw. Umgruppierungen dieser werden von der FT nicht als  solche tituliert. Daher unsere Schlussfolgerung – alter morenistischer Wein in neuen „orthodoxen“ FT-Schläuchen.

Was hat dies jedoch für eine Auswirkung auf die Praxis der FT? Wie oben schon erwähnt, führt die morenistische Definition von Avantgarde unweigerlich zur Hervorhebung des ökonomischen Kampfes – in den Ökonomismus. Die politischen Entwicklungen innerhalb der Klasse können somit außer Acht gelassen und nur passiv-propagandistisch bis sektiererisch behandelt werden. Vor allem verbunden mit den oben ausformulierten Unterschieden zur Bewusstseinsbildung zwischen uns und der FT unterstreicht dieser Punkt nur noch deutlicher den tiefsitzenden Ökonomismus und damit Zentrismus der FT und wie, ausgehend von ihrem Avantgardekonzept und Bewusstseinskonzept, ihre Passivität und Sektierertum zu den politischen Entwicklungen innerhalb der Klasse von ihr theoretisch „entschuldigt“ werden.

Kampf für eine revolutionäre Partei – auf welcher Basis?

Wie auch wir bejaht die FT in ihren schriftlichen programmatischen Grundlagen, dass eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei eine Partei der Avantgarde darstellen soll. Auf welcher Basis soll nun aber eine solche Partei aufgebaut werden? Und was haben die oben veranschaulichten Unterschiede im Bezug zur Bewusstseinsbildung und dem Avantgardeverständnis für Auswirkungen auf die Beantwortung dieser Frage?

Für uns ist die Basis einer revolutionären Partei ein revolutionäres Programm. Ein Programm, welches aus den Kämpfen der ArbeiterInnenklasse hervorgeht und, kurz gesagt, die Zusammenfassung kollektiver Erfahrungen darstellt, welche mit Lösungsansätzen und Vorschlägen an Handlungsmöglichkeiten zur Erreichung der gesteckten Ziele – dem revolutionären Umbruch und der Errichtung der Diktatur des Proletariats – verbunden sind. Inwiefern hier praktisch in die Praxis des Klassenkampfes eingegriffen werden kann, hängt vor allem vom Stadium des Parteiaufbaus ab, in welchem sich eine revolutionäre Organisation befindet. Durch die starke Marginalisierung von RevolutionärInnen befinden sich alle derzeit subjektiv als revolutionär verstehende Organisationen im Stadium „kämpfender Propagandagruppen“: einem Stadium, in welchem sich die Sektionen unserer Strömung, aber auch die Sektionen der FT – mit der möglichen Ausnahme der PTS in Argentinien als kleiner Kaderpartei – befinden. In einem solchen Stadium ist die Teilnahme an allen praktischen Aufgaben, welche der Klassenkampf aufwirft, nicht möglich. In diesem Stadium ist es unumgänglich, ein revolutionäres Programm zu erarbeiten (für uns unsere programmatischen Texte), das einerseits propagiert wird und andererseits exemplarisch in allen Ebenen des Klassenkampfes (ökonomisch, politisch und ideologisch) als Anleitung zum Handeln dient. Unser Verständnis einer kämpfenden Propagandagruppe sowie der Methoden und Grundsätze ihrer Organisierung haben wir in unseren „Thesen zu den ersten Stadien des Parteiaufbaus“ sowie den „Methoden und Grundsätze der kommunistischen Organisation“ ausformuliert (64, 65).

Aus einer Polemik von RIO (der deutschen Sektion der FT) geht ihr Verständnis von Programm deutlich hervor (66). Diese Ausformulierung von RIO offenbart ihr Programmverständnis, somit einen weiteren erheblichen Unterschied zwischen unseren beiden Strömungen. Für sie ist es: „(…) überhaupt nicht ausreichend, sich nur mit diesem kurzen Schriftstück (dem geschriebenen Programm (Anmerkung des Autors)) auseinanderzusetzen. Leo Trotzki erklärte immer wieder, dass das ‚Programm‘ einer Organisation sich nicht auf ihre schriftliche Plattform beschränkt, sondern ihre gesamte politische Tätigkeit umfasst. Eine Diskussion ausschließlich auf der Grundlage eines einzigen Programmdokuments lehnte Trotzki als ‚rein formal, leblos, nicht politisch und nicht revolutionär‘ ab.“ (67)

Auch wenn dieses Trotzkizitat fesch daher kommt, ist es doch aus dem Zusammenhang gerissen, da das Programm einer Organisation nur im Stadium einer Partei mit Massenanhang vollkommen in ihrer gesamten politischen Tätigkeit aufgehen und getestet werden kann, in dem eine Organisation die Möglichkeit hat zu jeglichen Fragestellungen, die in einer Gesellschaft auftreten, Stellung zu beziehen und Aktivitäten zu entfalten. Aber auch dann ist die Praxis von der schriftlichen Programmatik, dem Leitfaden für alle Aktivitäten der Partei, abhängig und nicht ihr gleichgestellt, wie die RIO-GenossInnen uns erklären wollen.

Über die Bedeutung des Organisationsprogramms lässt Trotzki keine Zweifel – im Gegensatz zu RIO:

„Das Programm zuerst! Massenorgan? Revolutionäre Aktion? Umgruppierung? Communen überall? Sehr gut, sehr gut…Aber das Programm zuerst! Ihre politischen Pässe, meine Herren! Und bitte keine falschen, die richtigen! Sie haben keine? Dann lassen sie uns zufrieden!“ (68)

„Die Annahme dieses Programms, die durch eine ausführliche vorangegangene Diskussion – oder besser, durch eine ganze Reihe von Diskussionen – vorbereitet und gesichert worden war, ist unsere wichtigste Errungenschaft.“ (69)

Die oben genannte exemplarische Teilnahme am Klassenkampf ist daher so wichtig, da durch sie die Richtigkeit aber auch die möglichen Fehler im Programm aufgezeigt werden und zur Weiterentwicklung dessen führen können. Diese Weiterentwicklung ist auf allen Ebenen des Klassenkampfes (der ökonomischen, politischen und ideologischen) nur dann möglich, wenn sich eine kämpfende Propagandagruppe zu den wichtigsten Fragen des (internationalen) Klassenkampfes verhält.

In ihrer Polemik wirft uns RIO vor, wir würden als Strömung zu Entwicklungen in Griechenland, Spanien und der Türkei abstrakt Lösungsansätze propagieren, welche wir jedoch wegen fehlender Verankerung nie in der Praxis testen können. Auch wenn wir selbst wissen, dass wir in Griechenland, Spanien und der Türkei keinen organischen Einfluss in Form einer Sektion besitzen, heißt es noch lange nicht, dass eine Auseinandersetzung mit den Entwicklungen des Klassenkampfes auf internationaler Ebene nicht von hoher Bedeutung für RevolutionärInnen in jedem Land ist. Auch wenn nur auf der ideologisch-programmatischen Ebene des Klassenkampfes von uns hier Erfahrungen gesammelt werden können, ist und bleibt dies immer noch der richtige Schritt. RIOs Aussage würde uns hier zu Passivität, Abwarten und abstrakter Propaganda verdammen. Außerdem enthält sie sich keineswegs Aussagen zu Ländern, in denen die FT keine Sektion besitzt. Das Verdikt dieser „Erleuchteten“ richtet sich lediglich gegen andere Organisationen, die dies zu unternehmen wagen! Ihre „Lösungsansätze“ zeichnen sich zudem im Vergleich zu unseren erst recht durch dürftige Abstraktionen unter dem Mantra der „Klassenunabhängigkeit“ aus (siehe unsere Kritik an ihren Positionen im ukrainischen Bürgerkrieg in RM 46 und 47).

Auch in unserem Stadium des Parteiaufbaus steht die Praxis auf allen Ebenen des Klassenkampfes in einem direkten Verhältnis zum Programm und verhindert somit, dass es „rein formal, leblos, nicht politisch und nicht revolutionär“ ist. Die Praxis muss hier unweigerlich auf eine programmatische Grundlage gestellt werden und kann nicht auf gleicher Ebene wie das schriftliche Programm stehen bzw. sich zusammen mit ihm zu einer abstrakten, nicht näher definierbaren und vor allem nicht überprüfbaren Form – wie von RIO behauptet – verschmelzen. Im Grunde genommen schiebt die deutsche Sektion der FT in ihrer Polemik gegen uns das Programm nach hinten und stellt sich gegen Trotzkis Aussage, dass das Programm einer Organisation immer an erster Stelle stehen müsse.

Die Ansicht von RIO bzw. der FT in Bezug auf das Verhältnis zwischen Praxis und Programm birgt jedoch viele Gefahren und bereitet ultralinke und sektiererische, aber auch opportunistische Handlungen vor. Wenn das Programm alles miteinschließt (das schriftliche Programm, jede organisierte Demonstration, gehaltene Rede oder geschriebenen Artikel) wird jede Scheidung zwischen Programm, Theorie, Propaganda, Agitation, also Formen zur Verbreiterung des Programms, dessen Anwendung und Vermittlung, nutzlos. Nehmen wir dann auch noch Demonstrationen, Aktivitäten der Gruppe hinzu, ist das Programm also nicht nur eine Anleitung zum Handeln, sondern das Handeln selbst, dann wird auch jede Scheidung zwischen der Aktivität einer Gruppe, ihrer Verallgemeinerung im Programm usw. letztlich sinnlos, der Begriff des Programms so umfassend, dass er nichts Bestimmtes mehr aussagen kann.

Die opportunistische Konsequenz zeigt sich dabei darin, dass dem spontanen Bewusstsein der ökonomischen Avantgarde schon ein revolutionäres Bewusstsein im Werden zugesprochen wird, dass daher das Programm für diese durchaus abgeschwächt werden kann, wie wir weiter unten bei der FIT in Argentinien sehen werden.

Die sektiererische Konsequenz dieser Auffassung zeigt sich bei RIO/FT, wenn es um politische Umgruppierungsprozesse geht. Diese werden ja als außerhalb der „Avantgarde“ betrachtet. Daher haben politische Abkommen, Plattformen, Blöcke zwischen solchen Gruppen für RIO/FT schon per se einen opportunistischen Charakter (letztlich unabhängig vom Inhalt dieser Programme).

Auch wenn die NaO gescheitert ist (siehe Artikel von Wilhelm Schulz in dieser Ausgabe), verwenden wir hier Beispiele aus NaO-Kampagnen, anhand derer die sektiererische Haltung RIOs deutlich wurde. Die NaO hatte unterschiedliche Kampagnen initiiert wie z. B. zur Ukraine, zu den revolutionären Erster-Mai-Demonstrationen in Berlin 2014 sowie 2015, aber vor allem die „Solidarität mit Rojava! Waffen für die YPG/YPJ!“-Kampagne, welche auf bundesweite wie in gewissem Maße auch auf internationale Resonanz stieß.

RIO weigerte sich jedoch an allen diesen Kampagnen teilzunehmen. Die Teilnahme am Internationalistischen Block 2015 wurde abgelehnt auf Grund des fehlenden Fokus auf den Klassenkampf in Deutschland. Der Internationalistische Block – organisiert von der NaO – würde einen falschen Schwerpunkt damit setzen, Themen wie Rojava, die Ukraine oder Griechenland in den Vordergrund zu stellen. Die damals stattfindenden Streikauseinandersetzungen in Deutschland hätten im Brennpunkt des Blockes zu stehen eher verdient. Somit lief RIO alleine in ihrem eigenen Block, anstatt sich mit 4000 TeilnehmerInnen den wohl wichtigsten Thematiken im jüngeren internationalen Klassenkampf zu widmen. Dass für RevolutionärInnen in einem imperialistischen Land wie Deutschland solche Themen, hervorgebracht durch die zunehmenden innerimperialistischen Auseinandersetzungen, keinen Fokus darstellen, sondern sektiererisch übergangen werden sollen, kann nur dann verstanden werden, wenn man wie die RIO-GenossInnen auf revolutionär „lupenreine“ Praxis setzen muss.

Auch bei der Rojava-Kampagne tat sich RIO sektiererisch hervor und verkleidete dies mit revolutionären Phrasen. Anstatt sich dieser fortschrittlichen und militanten Kampagne anzuschließen, wurde dies abgewiesen mit der Begründung, die Forderungen nach Aufhebung des PKK-Verbots, nach einem Generalstreik in der Türkei sowie das Angebot einer Programmdiskussion an die kurdischen und türkischen ArbeiterInnen seien wichtiger als die Forderung nach Waffen: „Der kurdische Widerstand braucht Waffen, um zu kämpfen und zu siegen, aber vor allem braucht er ein Programm, das sowohl dem IS als auch dem Assad-Regime seine soziale Basis entreißt.“ (70). Auch hier schwebte der Geist „revolutionärer“ RIO-Weisheit über den praktischen Notwendigkeiten des Kampfes in Rojava: sektiererische Passivität in „revolutionären“ Kleidern. Beides gleichzeitig zu vollbringen,  für Waffen einzutreten und gleichzeitig Diskussionen um ein revolutionäres Programm zu führen, war für RIO eine Sache der Unmöglichkeit. Nicht verwunderlich, wenn die Praxis und „schriftliche Plattform“ zusammengeworfen werden. RIO stellt hier nicht nur das Programm in einen falschen Gegensatz zur praktischen Solidaritätsaktion, sondern mit einem Male stehen Programmatik und „Taktiksimulation“ für eine Region, in der die FT ebenso wenig wie wir über eine Sektion verfügt, deutlich an erster Stelle. Aber das wirft sie uns an anderen Stellen ständig als Kardinalfehler des abstrakten Propagandimus vor. Was interessiert den Zentrismus sein Geschwätz von gestern, wenn’s doch billiger Polemik dient?

Noch verwunderlicher wird ihr Verhalten gegenüber der Kampagne jedoch, wenn aus der Erklärung der europäischen FT-Sektionen zu Rojava einer weiteren Passage Aufmerksamkeit geschenkt wird:

„Gleichzeitig müssen wir uns – trotz unserer politischen Unterschiede mit der PYD und der PKK – radikal im militärischen Lager des kurdischen Widerstands positionieren, das heißt alle Solidaritätskampagnen unterstützen, die den Widerstand aufrechterhalten, auch militärisch – vorausgesetzt, dass sie aus den imperialistischen Mächten keine taktischen Verbündeten der kurdischen KämpferInnen machen oder sogar letztlich als Strohmann der imperialistischen Politik in der Region enden, wie es seit den 90er Jahren mit der KDP und der PUK der Fall ist.“ (71)

Entweder wurde der Rojava-Kampagne vorgeworfen, sie hätte den imperialistischen Charakter der westlichen Interventionen verschleiert (was die FT NICHT tat), oder aber RIO wollte sich entgegen ihrer europäischen Erklärung nicht an dieser Kampagne beteiligen. Warum, können uns wohl nur die GenossInnen selbst erklären.

Zwei kleine Beispiele, die deutlich machen, wie das Programmverständnis der FT sektiererisches und ultimatistisches Verhalten produzierte und der notwendigen Wiedererarbeitung eines revolutionären Programms, der Umgruppierung weiterer Teile der radikalen Linken  hin zur Schaffung einer größeren kämpfenden Propagandagruppe oder gar einer revolutionären Kaderpartei entgegenwirkte.

In ihrer Praxis zeigt die FT aber nicht nur sektiererisches Verhalten, sondern – wie dem Zentrismus eigen – auch opportunistische Züge, wenn es darum geht, aktiv in der Klasse für ein revolutionäres Programm zu kämpfen. In Argentinien – wo sie eine dominante Rolle in der FIT spielt – plant die PTS nun ihr digitales Tageszeitungsportal auszubauen und das Portal für UnterstützerInnen und WählerInnen der FIT zu öffnen (72). Begründet wird dies ganz nach „leninistischer“ Machart damit, dass ein zentraler Organisator geschaffen werden soll, welcher der Klasse ermöglichen soll, eine Zeitung und damit ein unabhängiges Sprachrohr für sich selbst zu schaffen. Wir haben hier nicht die Möglichkeit unsere Kritik an dem Zeitungskonzept der FT und ihrer Behauptung, dies wäre ein leninistisches, darzustellen. Hier wollen wir uns auf folgende Zitate beziehen, welche Bände darüber sprechen, wie passiv die PTS die Entwicklung eines revolutionären Programms oder – sollte es ein solches ihrer Meinung nach schon geben – die Verbreitung des Programms in der Klasse, vorantreibt: „Wir wollen, dass bewusste Verteidiger*innen des Gründungsprogramms der FIT entstehen – solche, die sich fragen, wie ihre Artikel zur Entwicklung des Klassenbewusstseins beitragen können.“ (73). Interessant hierbei ist zu betonen, dass die PTS die Mitarbeit an ihrem Zeitungsprojekt auf der Basis des Gründungsprogramms der FIT anstrebt – eines Wahlprogramms, welches sie selbst als „unzureichend“ (74) bezeichnet und nicht als revolutionär.

Bezeichnend wird es dann, wenn sie sich im gleichen Text dann selbst noch widerspricht. Sie stellt den „Leninismus“ zwar richtigerweise so dar, dass er im Kampf um den Aufbau einer revolutionären Partei ein revolutionäres Programm in den Mittelpunkt stellt. Dumm nur, dass hier der „Leninismus“ mit einem zentristischen Programm kombiniert wird:

„Warum sprechen wir von ‚Leninismus‘? In unseren Augen findet die Erfahrung der Organisierung der Arbeiter*innenklasse und ihrer eigenen Partei ihr bestes Beispiel in dem von Lenin angeführten Prozess, der in der Russischen Revolution von 1917 gipfelte. An sich bedeutet ‚Leninismus‘, eine Partei für den Kampf aufzubauen, die in der Arbeiter*innenklasse verankert und auf demokratische Art zentralisiert ist, um die Kapitalist*innen, die Gewerkschaftsbürokratie und die politische Bürokratie mit einem revolutionären Programm zu konfrontieren und letztlich eine Arbeiter*innenregierung und den Sozialismus aufzubauen.“ (75)

Die Frage darf gestellt werden, warum die PTS nicht ein revolutionäres Programm – zum Beispiel ihr eigenes Manifest oder das Übergangsprogramm von 1938, welches laut eigener Aussage noch Aktualität besitzt – als Grundlage der Öffnung ihres Tageszeitungsprojekts für UnterstützerInnen der FIT anbietet, sondern sich mit einem zentristischen Programm zufrieden gibt?

Das Programm der FIT war ein Abkommen von zentristischen Gruppierungen, das von der PTS/FT selbst als mangelhaft kritisiert wurde. Sicher war es richtig, die FIT und ihre Kandidatur zu initiieren. Aber das Programm beinhaltete damals schon folgende zentrale Schwächen: Die Einheitsfront mit anderen Kräften, vor allem den peronistisch dominierten Gewerkschaften, wird tendenziell auf die Einheitsfront von unten beschränkt, so dass sich keine Betonung eines gemeinsamen Kampfes der ArbeiterInnenklasse – ihrer Basis wie der Führung – gegen die Angriffe der Regierung findet; ArbeiterInnenkontrolle und ArbeiterInnenselbstverwaltung werden vermischt, was letztlich einer inflationären und ihres revolutionären Gehalts beraubten Form der ArbeiterInnenkontrolle entspricht; die Losung der ArbeiterInnenregierung wird zwar erhoben, dass sich diese auf Räte und die bewaffnete ArbeiterInnenklasse stützen soll, dass der bürgerliche Staatsapparat zerbrochen werden muss usw., findet sich nicht, wie überhaupt der Begriff (und auch der Gehalt) von Räten im gesamten Programm der FIT kein einziges Mal vorkommt (76).

Dagegen wurde der NaO vorgeworfen, dass ihr Gründungsmanifest „zentristisch“ gewesen wäre, obwohl es ganze Abschnitte zur Notwendigkeit des revolutionären Bruchs, zur Unvermeidlichkeit des Widerstands der herrschenden Klasse und zur Ersetzung des bürokratischen Apparates durch Räte enthält. Selbst das provisorische Programm der NPA war in der Staatsfrage weit deutlicher und linker als das FIT-Wahlprogramm, wurde jedoch von der FT als Schritt zum Reformismus (!) kritisiert. Nun soll ein Programm, das die Perspektive der Rätemacht nicht einmal erwähnt, Grundlage für eine „leninistische“ Partei werden!

Man möchte wohl die WählerInnen und UnterstützerInnen auf ihrem unbewussten Weg zur revolutionären Partei nicht vergraulen und ihnen noch nicht zu viele revolutionäre Positionen zumuten. Typischer Opportunismus, welcher mit knackigen Leninverweisen und -zitaten überspielt werden soll.

Wie sieht jedoch die FT den Weg hin zur Erarbeitung eines revolutionären Programm und einer revolutionären ArbeiterInnenpartei? Größere politische Umgruppierungsprojekte innerhalb der Klasse, in welcher Schichten der Avantgarde eine neue politische Organisierung suchen, aber nicht sofort eine revolutionäre Organisation bilden (z. B. Syriza in Griechenland oder Podemos in Spanien), werden von der FT abgelehnt. Diese ablehnende Haltung macht von ihrem Standpunkt aus auch Sinn. Einerseits verliert die „Avantgarde“ der Bewegung beim Anschluss an ein neo-reformistisches Projekt wie Syriza ihren Avantgardecharakter (siehe oben) und andererseits kann man selbst nicht daran teilnehmen, da ansonsten das revolutionäre Programm (samt Schrift und Praxis) „aufgegeben wird“. Da so die Avantgarde keine revolutionäre Organisation hat, derer sie sich anschließen kann, um weiterhin Avantgarde zu sein, muss man sich von diesen Formationen fernhalten. Die Intervention in diese Formationen mit einem klar ausgearbeiteten revolutionären Aktionsprogramm, mit welchem man den Kampf um die Führung dieser Organisationen aufnimmt, um das reformistische und zentristische Bewusstsein in solchen Neubildungen zurückzuschlagen oder neue Kräfte für seine Ideen zu gewinnen und dann den Bruch mit diesen Formationen zu suchen, ist für die FT aufgrund ihrer theoretischen Grundbausteine unmöglich. Passivität, Abwarten und das Arbeiten in Randphänomenen (gleich wie heroisch diese Kämpfe sein mögen), bestimmen stattdessen das strategische und taktische Repertoire der FT, welches sie für Organisationen im Stadium einer „kämpfenden Propagandagruppe“ zu bieten hat.

Jedoch muss hier danach gefragt werden, ob und inwiefern die FT und ihre Sektionen überhaupt Unterscheidungen von unterschiedlichen Stadien des Parteiaufbaus vornehmen, so wie es unsere Strömung tut. Da uns keine theoretischen Schriften von Seiten der FT dahingehend bekannt sind und auch dieselben Taktiken und Strategien in allen Sektionen der FT in der Praxis angewendet werden (sei es durch die PTS als kleine Kaderpartei oder RIO als kämpfende Propagandagruppe in Deutschland), liegt der Schluss nahe, dass hier keine Unterscheidungen getroffen werden.

Alle Sektionen ihrer internationalen Strömung versuchen sich in kämpfenden Sektoren der ArbeiterInnenklasse zu verankern, welche angeblich unabhängig vom reformistischen oder zentristischen Bewusstsein sind und sich spontan in Richtung eines revolutionären Bewusstseins entwickeln. Die Sektionen haben hierbei die Aufgabe, diese Entwicklung mit Hilfe ihrer revolutionären Praxis und Schrift (ihrem lupenreinen Programm) zu unterstützen und die organische Verbindung mit diesen zu suchen. Auf diese Weise lassen sich, ganz nach Gramsci, Stellungen innerhalb der ArbeiterInnenklasse gewinnen, anhand derer der Einfluss von RevolutionärInnen ausgeweitet werden kann (z. B. über ihre durchaus erfolgreichen Internetnetplattformen wie der Tageszeitung „Izquierda Diario“). Dies führt zur Stärkung der revolutionären Organisation hin zu einer revolutionären Partei, welche bei gegebenen revolutionären Situationen aus der Defensive gestärkt hervorgeht und in der Offensive die proletarische Hegemonie herstellt und schlussendlich die Diktatur des Proletariats durchsetzen kann. Passend hierzu hat das FT-Manifest auch außer dem Aufbau von revolutionären ArbeiterInnenparteien und der Einheitsfront taktisch und strategisch nichts zu bieten. Auch wenn wir uns in diesem Artikel nicht primär mit den von der FT erstellten ausgiebigen und weitreichenden Untersuchungen und Gegenüberstellungen der Lehren Trotzkis und Gramscis (u. a. 77, 78, 79) beschäftigen können, wollen wir uns im kommenden Kapitel ein wenig damit auseinandersetzen, was für Auswirkungen ihre Leseart von Gramsci für ihre Politik bedeutet. Unsere Strömung hat sich in einem längeren Artikel mit dem Leben sowie den politischen Hinterlassenschaften Gramscis befasst. (80)

Gramsci und die Klammer, welche den FT-Zentrismus zusammenhält

Wenn unsere programmatischen Schriften mit dem Manifest sowie weiteren Publikationen der FT verglichen werden, bekommt der Kampf von RevolutionärInnen um die Führung der ArbeiterInnenklasse einen deutlichen Schwerpunkt. Bei der FT hingegen kommt das Wort Hegemonie, und wie die ArbeiterInnenklasse diese innerhalb der Gesellschaft erlangen kann, häufig vor und stellt ein zentrales Ziel dar. Zuerst könnte man sich fragen, ob es sich hierbei nur um reine terminologische Unterschiede handelt.

Im folgenden Zitat wird deutlich, was wir oben schon kurz dargelegt haben:

„Tatsächlich enthält das Übergangsprogramm und seine Methode sowohl Minimalforderungen, soweit sie ihre ‚Lebenskraft‘ behalten (d. h. sie alte Positionen sind, die es zu verteidigen gilt), als auch weitergehende Forderungen, die eine Skala von zu erobernden Stellungen betreffen (von der gleitenden Skala der Löhne und Arbeitszeiten und die ArbeiterInnenkontrolle über die Industrie bis hin zu Sowjets), die hier dazu benutzt werden, den ‚Bewegungskrieg‘ zu eröffnen, d. h. die Machteroberung durch das Proletariat vorzubereiten und durch diese Vorbereitung selbst schon neue Stellungen einzunehmen, einen nationalen Schützengraben der internationalen Revolution.

Das Übergangsprogramm ist vom Standpunkt dieser Diskussion aus gesehen die Brücke, der Übergang von der Stellung zum Manöver.“ (81)

Durch dieses Zitat offenbart die FT unterschiedliche krude Vorstellungen, welche zwar in ihr Konzept passen, jedoch problematisch werden, wenn sie mit unserer oben ausformulierten Kritik an ihrem Verständnis von Bewusstseinsbildung, ihrem Avantgardekonzept sowie ihrem Verständnis von Programm und Parteiaufbau in Verbindung gebracht werden. Die FT geht davon aus, dass RevolutionärInnen auch in „Friedenszeiten“ und unter schlechten objektiven Voraussetzungen für revolutionäre Politik Stellungen innerhalb der Klasse gewinnen und verteidigen können. Diese Stellungen wiederum ermöglichten es RevolutionärInnen, ihren Einfluss durch die Anwendung der Einheitsfronttaktik zu vergrößern, neue Stellungen hinzuzugewinnen und die Position von RevolutionärInnen zu verbessern. Diese Stellungen ließen sich dann in Sowjets umwandeln, die die bürgerliche Hegemonie zerschlagen und die dazu übergehen können, die  proletarische Hegemonie zu implementieren, welche in der Errichtung der proletarischen Diktatur gipfelt (82).

Taktische und strategische Manöver sind natürlich in allen Situation (ob nicht-revolutionär oder revolutionär) unerlässlich. Dazu gehört schließlich ein ganzes Arsenal von Taktiken der Einheitsfront, der Arbeit in Massenorganisationen, des Aufbaus von Vorfeldstrukturen oder von Parteiaufbau.

Die FT hat jedoch eine bestimmte Vorstellung, die unserer Meinung nach überaus problematisch ist. Sie geht davon aus, dass RevolutionärInnen in einer defensiven Situation Stellungen in den Betrieben gewinnen, diese über längere Zeit halten und verteidigen und von dort aus „expandieren“ könnten. Dazu sei v. a. die „Verankerung“ wichtig, weniger die Frage von Taktiken. Daher nimmt auch die Fabrik Zanon, ein selbstverwalteter Betrieb, von dem die FT behauptet, er würde unter ArbeiterInnenkontrolle produzieren, eine Schlüsselstellung ein.

Unabhängig von der Bewertung des Gesamtwerkes von Gramsci besteht ein richtiges Moment seiner Konzeption des „Stellungskrieges“ darin, diesen auf die Ebene des politischen und ideologischen Klassenkampfes zu konzentrieren, weil er richtigerweise davon ausgeht, dass auf der Ebene des „ökonomischen Stellungskrieges“, also des einzelbetrieblichen oder selbst branchenweiten Kampfes, sich die ArbeiterInnenklasse immer in einer defensiven, nachteiligen Stellung befindet. In Zeiten der relativen Stabilität gilt das, weil das Lohnarbeitsverhältnis und seine Folgen für das ArbeiterInnenbewusstsein stabiler sind, weil damit auch mehr Spielraum entsteht, Errungenschaften der Vergangenheit zu integrieren (so z. B. rudimentäre, begrenzte Formen von Kontrolle sozialpartnerschaftlich oder durch Mitverwaltung einzugemeinden). In Perioden der Krise, wachsender Arbeitslosigkeit und Konkurrenz können ökonomische Kämpfe nur begrenzt erfolgreich sein, ja müssen mehr und mehr an ihre Grenzen stoßen, wenn sie nicht zu politischen Klassenkämpfen werden. Das spricht nicht gegen Gewerkschafts- und Betriebsarbeit, wohl aber gegen die letztlich gradualistische Vorstellung, dass aus deren regelmäßigen Zuwächsen irgendwann die „revolutionäre Avantgardepartei“ erwachsen würde.

Genau diese Vorstellung hat jedoch die FT. Es ist kein Wunder, dass sie Gramscis Konzept vom Stellungs- und Bewegungskrieg nicht nur fragwürdig vereinfachend und entgegen Gramscis eigener Sicht in Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution eingliedert, sie kritisiert ihn auch noch falsch, nämlich wenn sie ihm eine Überbetonung des politischen Klassenkampfes vorwirft.

Unserer Auffassung nach können die errungenen „Positionen“ der Klasse in der Defensive nur gehalten werden, wenn die bewusstesten Teile der ArbeiterInnen,  die Avantgarde, um ein revolutionäres Programm herum gruppiert werden, eine revolutionäre Kader- oder Massenpartei geformt wird. Eine solche Partei wiederum kann in revolutionären Situationen – also im Übergang von der Defensive in die Offensive – die Führung über die ArbeiterInnenklasse erlangen und reformistische und zentristische Führungen ablösen und erst dadurch zu einer Massenpartei werden, die die Mehrheit der Klasse leitet und von dieser unterstützt wird – eine notwendige Vorbedingung für eine erfolgreiche proletarische Revolution. Ein einfaches „Hineinwachsen“ aus defensiven Stellungen, wie uns die FT versucht weiszumachen, kann es jedoch nicht geben, weil hier das reformistische und zentristische Bewusstsein vorherrschend ist, welches von Grund auf laut Lenin in der ArbeiterInnenklasse existiert und systematisch durch das Hineintragen von revolutionärem Bewusstsein bekämpft werden muss.

Die FT zieht sich hier auf ihre „Stellungen“ zurück, um ihren sektiererischen Umgang mit dem Einfluss von reformistischem und zentristischem Bewusstsein und der notwendigen Auseinandersetzung innerhalb der Klasse mit diesem aus dem Weg zu gehen. Diesen sektiererischen Umgang sehen wir vor allem im Umgang mit politischen Neugruppierungen innerhalb der ArbeiterInnenklasse.

JedeR heutige RevolutionärIn wird viel in Gramscis Arbeiten finden, was wertvoll und inspirierend ist. Doch seine Dualismen von Stellungs- und Bewegungskrieg, der Unterschied zwischen West und Ost, seine Ablehnung der Theorie der permanenten Revolution nach 1924, und schließlich sein Hegemoniekonzept deuten auf eine rechtszentristische Entwicklung nach dem Bruch mit den Auffassungen des 5. Kominternkongresses hin. Gramsci wurde zu Unrecht von den EurostalinistInnen als Protagonist des reformistischen „historischen Kompromisses“ mit der bürgerlichen Christdemokratie vereinnahmt, aber er hat durch die Verwandlung der Einheitsfronttaktik in eine Strategie dafür ein Einfallstor geöffnet. Sein Hegemoniekonzept drückt die langfristige Strategie aus, durch welche Partei und Klasse erfolgreich Stützpunkte in der Gesellschaft erobern und dadurch allmählich den Staat umzingeln und belagern können. Dies ist keine Bereicherung des Leninismus, sondern seine Antithese, in gewisser Weise eine Rückkehr zum rechtszentristischen Maximalismus des Serrati-Flügels der PSI! Trotzkis Ansatz der permanenten Revolution kritisiert er fälschlich als eine Variante der ultralinken Offensivtheorie der 3. Periode. Seine „Dialektik“ von Struktur und Superstruktur verlässt den historischen Materialismus von Marx und Engels und ist in vielen Punkten nicht kongruent mit deren Begriffen „Basis“ und „Überbau“. (83) Die FT mag sich seines Erbes in vielen Punkten rühmen – es ist, in marxistischen Kategorien betrachtet, eher ein fragwürdiges als ein würdiges.

Schluss

In diesem Artikel haben wir versucht, die großen und tiefgreifenden Unterschiede zwischen unserer internationalen Strömung der „Liga für die 5. Internationale“ und der „Fracción Trotskista“ herauszuarbeiten. Zusätzlich haben wir den „orthodoxen“ Lack, in welchem die FT gerne leninistisch und trotzkistisch glänzt, zu beschreiben und abzublättern versucht, um den darunter liegenden klassischen workeristischen Zentrismus bloßzulegen. Vor allem durch ihre gewisse Dynamik, welche die FT – maßgeblich durch ihre Arbeit in Argentinien – derzeit innerhalb der radikalen Linken genießt, war eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dieser Strömung vonnöten und wird bei diesem Artikel auch nicht stehen bleiben.

Auch wenn wir die angesprochenen Differenzen noch weiter ausarbeiten bzw. weitere Unterschiede (z. B. zur Taktik der ArbeiterInnenregierung, zum Verständnis von ArbeiterInnenkontrolle oder zum Verhältnis zwischen sozial unterdrückten Schichten – Jugendliche, Frauen, MigrantInnen, LGBTIA – und der Partei) ansprechen müssen, haben wir uns in diesem Artikel vor allem auf die Unterschiede konzentriert, welche unserer Meinung nach die Wurzeln aller weiteren Differenzen darstellen. Den Fragen der Bewusstseinsbildung, des Avantgardekonzepts, des Programs und des Parteiaufbaus wurde daher die Aufmerksamkeit dieses Artikels gewidmet.

In allen Fragen wird deutlich, dass die FT ihrem rechtgläubigen Anspruch einer leninistischen-trotzkistischen Partei nicht gerecht werden kann, sondern sogar soweit geht, Anschauungen Lenins und Trotzkis zu revidieren. Am deutlichsten wird dies an der Umdeutung der leninistischen Konzeption der Bewusstseinsbildung, welche jedoch zentral für die restliche Argumentationslinie des FT-Ökonomismus ist. Nur durch diese antileninistische Annahme eines parteiunabhängigen revolutionären Bewusstseins ist der Kampf um Stellungen in der Defensive überhaupt denkbar und somit der einzige Zugang der FT zur Klasse, um eine revolutionäre Verankerung und eine revolutionäre Partei zu bilden. Wir wissen jedoch schon seit der Aussage Marx`: „Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein“, dass Bewusstsein nie unabhängig entstehen kann von der Intervention des wissenschaftlichen Sozialismus in die Klasse hinein – mittels des Transmissionsriemens in Gestalt der revolutionären ArbeiterInnenorganisation.

Zitate und Anmerkungen

(1) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, o. O., 2013, https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(2) Trotzkistisches Manifest – ein neues Übergangsprogramm für die sozialistische Weltrevolution, Wien, 1990, http://www.arbeitermacht.de/programm/tm/index.htm

(3) Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der 4. Internationale, (1938), Essen, 1997, www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1938/uebergang/ index.htm

(4) Vom Widerstand zur Revolution – Manifest für Arbeitermacht, Berlin, 2003

http://www.arbeitermacht.de/programm/l5i/index.htm

(5) Vom Widerstand zur Revolution – Manifest für eine Fünfte Internationale, Berlin, 2010, http://www.arbeitermacht.de/programm/manifest2010/index.htm

(6) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, a. a. O., Seite 4, https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(7) ebenda, Seite 4

(8) ebenda, Seite 5

(9) Chingo, Juan, „A ocho años de la crisis mundial“, in: Estrategia Internacional Nr. 29 (Januar 2016), http://www.ft-ci.org/A-ocho-anos-del-comienzo-de-la-crisis-mundial?lang=es

(10) Vom Widerstand zur Revolution – Manifest für eine Fünfte Internationale, a. a. O., Kapitel „Die große Krise und die globale Gegenwehr“, Abschnitt 5, http://www.arbeitermacht.de/programm/manifest2010/index.htm

(11) Albamonte, Emilio, „Notes on the Capitalist Crisis Underway and the Rebuilding of the Fourth International”, in: Estrategia Internacional Nr. 25 (März 2009), http://www.ft-ci.org/Notes-on-the-Capitalist-Crisis-Underway-and-the-Rebuilding-of-the-Fourth-International?lang=en

(12) Lehner, Markus, „Finanzkapital, Imperialismus und die langfristigen Tendenzen der Kapitalakkumulation“, in: Revolutionärer Marxismus 39, Berlin, August 2008), www.arbeitermacht.de/rm/rm39/rm39finanzkapital.htm

(13) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, Seite 5  (2013), https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(14) ebenda

(15) ebenda

(16) Lehner, Markus; Main, Peter, „Schwache Erholung, massive Aggression, kommende Krise“, in: Revolutionärer Marxismus 46, Berlin, Oktober 2014, http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/weltlage.htm

(17) Thesen der Liga für die Fünfte Internationale, „Revolution und Konterrevolution in der arabischen Welt“, veröffentlicht online im Juni 2014 und in: Revolutionärer Marxismus 46, a. a. O., http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/mena.htm

(18) Chingo, Juan, „A ocho años de la crisis mundial“, in Estrategia Internacional Nr. 29 (Januar 2016), Seite 213, http://www.ft-ci.org/A-ocho-anos-del-comienzo-de-la-crisis-mundial?lang=es

(19) Bach, Paula, „Estancamiento secular, fundamentos y dinámica de la crisis“, in Estrategia Internacional Nr. 29 (Januar 2016), http://www.ft-ci.org/Estancamiento-secular-fundamentos-y-dinamica-de-la-crisis?lang=es

(20) Suchanek, Martin, „Die Ukraine und die Verwirrung des trotzkistischen Zentrismus“, in: Revolutionärer Marxismus 46, a. a. O., http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/ukraine.htm

(21) Ickstatt, Franz, „Die Ukraine und RIOs Unverständnis revolutionärer Politik“, in: Revolutionärer Marxismus 47, Berlin, September 2015, http://www.arbeitermacht.de/rm/rm47/ukraine.htm

(22) Haber, Frederik, „Die Auferstehung des russischen Imperialismus“, in: Revolutionärer Marxismus 46, a. a. O., http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/russland.htm

(23) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, Seite 16  (2013), https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(24) ebenda, Seite 17

(25) ebenda, Seite 21 – 22

(26) Lehner, Markus, „Brasilien nach dem Sturz von Dilma – Ordnung und Rückschritt“, in: Neue Internationale 210, Juni 2016, http://www.arbeitermacht.de/ni/ni210/brasilien.htm

(27) Gebhardt, Christian, „Argentinien: Präsidentschaftswahlen offenbaren Rechtsruck“, in: Neue Internationale 205, Dezember 2015/Januar 2016, http://www.arbeitermacht.de/ni/ni205/argentinien.htm

(28) Lizarrague, Freddy, „PTS-Kongress: Mediensysteme als kollektiver Organisator einer Massenpartei“, in: Klasse gegen Klasse, 28. Juli 2016, https://www.klassegegenklasse.org/pts-kongress-mediensystem-als-kollektiver-organisator-einer-massenpartei/

(29) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, Seite 18  (2013), https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(30) ebenda

(31) Thesen der Liga für die Fünfte Internationale, „Revolution und Konterrevolution in der arabischen Welt“, veröffentlicht online im Juni 2014 und in: Revolutionärer Marxismus 46, a. a. O., http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/mena.htm

(32) 8. Kongress der Liga für die Fünfte Internationale, „Beendet die Tragödie – Kampf für Arbeitermacht. Ein Aktionsprogramm für Pakistan“, beschlossen Juni 2011, in: Revolutionärer Marxismus 45, Berlin, Dezember 2013, http://www.arbeitermacht.de/rm/rm45/pakistan.htm

(33) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, Seite 6  (2013), https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(34) ebenda, Seite 6 – 7

(35) ebenda, Seite 29

(36) Trotzkistisches Manifest – ein neues Übergangsprogramm für die sozialistische Weltrevolution, a. a. O., Kapitel „Die Gewerkschaften“, Abschnitte 5 und 6 http://www.arbeitermacht.de/programm/tm/index.htm

(37) ebenda, Kapitel „Führungskrise des Proletariats“, Abschnitte 4 – 6

(38) Manifest für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution, Seite 7  (2013), https://www.klassegegenklasse.org/dateien/manifest.pdf

(39) ebenda

(40) ebenda

(41) ebenda

(42) ebenda

(43) ebenda

(44) Albamonte, Emilio, „Notes on the Capitalist Crisis Underway and the Rebuilding of the Fourth International”, in Estrategia Internacional Nr. 25 (März 2009), http://www.ft-ci.org/Notes-on-the-Capitalist-Crisis-Underway-and-the-Rebuilding-of-the-Fourth-International?lang=en

(45) Broschüre zur Degeneration der 4. Internationale, „Der Letzte macht das Licht aus – Die Todesagonie des Vereinigten Sekretariats der 4. Internationale“,  http://www.arbeitermacht.de/broschueren/vs/index.htm

(46) Trotzkistisches Manifest – ein neues Übergangsprogramm für die sozialistische Weltrevolution, a. a. O., Kapitel „Einleitung“, Abschnitt 11 http://www.arbeitermacht.de/programm/tm/index.htm

(47) Lenin, Wladimir Iljitsch, „Was tun? – Brennende Fragen unserer Bewegung“ (1902), Kapitel II b „Die Anbetung der Spontaneität. Die ‚Rabotschaja Mysl’“, Abschnitt 8, www.marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1902/wastun/ kap2b.htm

(48) Albamonte, Emilio, „Permanente Revolution oder Stellungskrieg – Die Theorie der Revolution nach Trotzki und Gramsci“, Ersterscheinung in Estrategia Internacional Nr. 19 (Januar 2013), in: Klasse gegen Klasse (Februar 2012), Kapitel „Klasse und Partei“, Abschnitt 5, https://www.klassegegenklasse.org/permanente-revolution-oder-stellungskrieg/

(49) Trotzki, Leo, „Geschichte der Russischen Revolution – Februar- und Oktoberrevolution“ (1930), www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1930/grr/index.htm

(50) ders., „Unsere politischen Aufgaben“, in: Mehringer, Hartmut (Hg.), „Leo Trotzki – Schriften zur revolutionären Organisation“, Reinbek, September 1970, S. 7 – 134

(51) Deutscher, Isaac, „Trotzki – Der bewaffnete Prophet 1879 – 1921“, Stuttgart, 1972 (2. Auflage), S. 94 – 102

(52) Trotzki, Leo, „Mein Leben“, Berlin, 1990, S. 150 – 152

(53) ders., „Die permanente Revolution“, in: ders., „Ergebnisse und Perspektiven – Die permanente Revolution“, Frankfurt/M., 1971, S. 55. – Siehe auch Zitat 11 aus Trotzkis „Der Kampf um die Macht“ (1915), Anhang in: „Ergebnisse und Perspektiven“, welches die randständige Rolle der Partei in seiner workeristischen Parteikonzeption vor 1917 belegt, bei: Krasso, Nicolas, „Trotzkis Marxismus“, www.trend.infopartisan.net/trd0913/t020913.html

(54) SPARTAKIST-ARBEITERPARTEI-DEUTSCHLANDS (Hg.), „Lenin und die Avantgardepartei“, Berlin, Februar 1997, S. 11

(55) Geras, Norman, „Über die Massentätigkeit im revolutionären Denken Leo Trotzkis“, in: „Kritik“ Nr. 14, Berlin, 1977, S. 30 f.; Grabke, Karl, „Avantgardekonzept und revolutionäre Organisation“, in: Arbeitsgruppe Marxismus (Hg.), MARXISMUS Nr. 26, Wien,  S. 139 – 142

(56) Grabke, Karl, a. a. O., S. 140

(57) Trotzkistisches Manifest – ein neues Übergangsprogramm für die sozialistische Weltrevolution, a. a. O., Kapitel „Führungskrise des Proletariats“, Abschnitt 1 http://www.arbeitermacht.de/programm/tm/index.htm

(58) Suchanek, Martin, „Krise, Klasse, Umgruppierung – Strategie und Taktik in der aktuellen Periode“, in: Revolutionärer Marxismus 47, a. a. O., http://arbeitermacht.de/rm/rm47/umgruppierung.htm

(59) Broschüre zum Morenismus, „Morenos langer Schatten“, http://www.arbeitermacht.de/broschueren/sl/ka1.htm

(60) „Mass and vanguard struggles in the decadence of “neo-liberalism”, in Estrategia Internacional Nr. 15, (2000), http://www.ft-ci.org/Mass-and-vanguard-struggles-in-the-decadence-of-neo-liberalism?lang=en

(61) Sanmartino, Jorge, „A balance sheet of the political strategies of the left”, in Estrategia Internacional Nr. 19 (2003), http://www.ft-ci.org/A-balance-sheet-of-the-political-strategies-of-the-left?lang=en

(62) „Mass and vanguard struggles in the decadence of “neo-liberalism”, in Estrategia Internacional Nr. 15, (2000), http://www.ft-ci.org/Mass-and-vanguard-struggles-in-the-decadence-of-neo-liberalism?lang=en

(63) Sanmartino, Jorge, „A balance sheet of the political strategies of the left”, in Estrategia Internacional Nr. 19 (2003), http://www.ft-ci.org/A-balance-sheet-of-the-political-strategies-of-the-left?lang=en

(64) Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale (beschlossen 1992), „Thesen zu den ersten Stadien des Parteiaufbaus“, in: Revolutionärer Marxismus 43, Berlin, Oktober 2011, arbeitermacht.de/rm/rm43/stadiendesparteiaufbaus.htm

(65) Liga für die Fünfte Internationale, „Methoden und Grundsätze der kommunistischen Organisation“, in: Revolutionärer Marxismus 43, a. a. O., http://arbeitermacht.de/rm/rm43/methoden.htm

(66) Flakin, Wladek; Huber, Oskar, „Welcher Weg zu einer revolutionären Partei?“, in: Klasse gegen Klasse, (Februar 2016), http://klassegegenklasse.org/welcher-weg-zu-einer-revolutionaeren-partei/

(67) ebenda, Abschnitt 7

(68) Léon Trotsky, Brief vom 30. Dezember 1935, in: „Bulletin Intérieur du GBL“ No. 5, Januar 1936, Oeuvres, Band 7, S. 244; zitiert nach: Dannat, Anton, „Auf dem Floß der Medusa? – Die französischen Trotzkisten 1924 – 1939“, in: Arbeitsgruppe Marxismus (Hg.), MARXISMUS Nr. 11, Wien, 1997, S. 188

(69) Trotzki, Leo, „Eine große Errungenschaft“, 30.8.1938, in: ders., „Das Übergangsprogramm“, Essen, Juli 1997, S. 207

(70) Fracción Trotskista – Cuarta Internacional, „Für den Sieg Kobanês gegen die Offensive des IS!“, in: Klasse gegen Klasse, (November 2014), https://www.klassegegenklasse.org/fur-den-sieg-kobanes-gegen-die-offensive-des-is/

(71) ebenda, These 6, Abschnitt 5

(72) Lizarrague, Freddy, „PTS-Kongress: Mediensysteme als kollektiver Organisator einer Massenpartei“, in: Klasse gegen Klasse, 28. Juli 2016, https://www.klassegegenklasse.org/pts-kongress-mediensystem-als-kollektiver-organisator-einer-massenpartei/

(73) ebenda, Absatz 20

(74) Flakin, Wladek; Huber, Oskar, „Welcher Weg zu einer revolutionären Partei?“, in: Klasse gegen Klasse, (Februar 2016), Abschnitt „Front der Linken und Arbeiter*innen“, Absatz 6 http://klassegegenklasse.org/welcher-weg-zu-einer-revolutionaeren-partei/

(75) Lizarrague, Freddy, „PTS-Kongress: Mediensysteme als kollektiver Organisator einer Massenpartei“, in: Klasse gegen Klasse, 28. Juli 2016, Absatz 11 https://www.klassegegenklasse.org/pts-kongress-mediensystem-als-kollektiver-organisator-einer-massenpartei/

(76) Gebhardt, Christian, „Wahlen in Argentinien. Wie weiter für die radikale Linke?“, in: Neue Internationale 183, (November 2013), www.arbeitermacht.de/infomail/711/argentinien.htm

(77) Albamonte, Emilio, „Permanente Revolution oder Stellungskrieg – Die Theorie der Revolution nach Trotzki und Gramsci“, Ersterscheinung in: Estrategia Internacional Nr. 19 (Januar 2003), in: Klasse gegen Klasse (Februar 2012), https://www.klassegegenklasse.org/permanente-revolution-oder-stellungskrieg/

(78) Maiello, Matias; Albamonte Emilio, „Gramsci, Trotsky y la democracia capitalista“, in: Estrategia Internacional, Nr. 29 (Januar 2016), http://www.ft-ci.org/Gramsci-Trotsky-y-la-democracia-capitalista?lang=es

(79) Albamonte Emilio; Maiello, Matias, „Trotsky y Gramsci: debates de estrategia sobre la revoluccion en ‚occidente’“, in: Estrategia Internacional, Nr. 28 (August 2012), http://www.ft-ci.org/Trotsky-y-Gramsci-debates-de-estrategia-sobre-la-revolucion-en-occidente?lang=es

(80) Cleminson, Andy; Hassell, Keith, „Gramsci and the revolutionary tradition“, in: Permanent Revolution, Nr. 6, London, September 1987, www.fifthinternational.org/content/gramsci-and-revolutionary-tradition

(81) Albamonte, Emilio, „Permanente Revolution oder Stellungskrieg – Die Theorie der Revolution nach Trotzki und Gramsci“, Ersterscheinung in: Estrategia Internacional Nr. 19 (Januar 2003), in: Klasse gegen Klasse (Februar 2012), https://www.klassegegenklasse.org/permanente-revolution-oder-stellungskrieg/

(82) Maiello, Matias; Albamonte Emilio, „Gramsci, Trotsky y la democracia capitalista“, in: Estrategia Internacional, Nr. 29 (Januar 2016), http://www.ft-ci.org/Gramsci-Trotsky-y-la-democracia-capitalista?lang=es

(83) Siehe dazu: Cleminson, Andy, Hassell, Keith, a. a. O. In vielen Punkten, besonders zu den Punkten historischer Materialismus, Verhältnisse – Institutionen – Faktoren, Bewegungskrieg – Stellungskrieg und Gramscis Trotzki-Kritik, geben wir auch folgender Publikation recht: Klein, Wolfram, „Die politischen Ideen von Antonio Gramsci“, Berlin, Mai 2013