Selbstbestimmungsgesetz – lange nicht genug!

Lia Malinovski, zuerst veröffentlicht auf www.onesolutionrevolution.de, Infomail 1219, 11. April 2023

Mittlerweile dürfte es den meisten Menschen ein Begriff sein: das Selbstbestimmungsgesetz. Es soll das alte, menschenverachtende und diskriminierende „Transsexuellengesetz“ (TSG) abschaffen und durch eine menschenwürdige und progressive Gesetzgebung ersetzen. Klingt erstmal gut, aber ist es das wirklich? Das wollen wir in diesem Artikel klären.

Was ist das alte TSG?

Um eine Vorstellung davon zu bekommen, was das Selbstbestimmungsgesetz konkret verändert, sollten wir uns vorher das TSG angucken. Es regelt, wie Menschen ihren Namen und Geschlechtseintrag rechtlich ändern können, also wie sie im Personalausweis und in anderen offiziellen Dokumenten lauten. Bisher sah das Verfahren so aus: Anstatt einfach zum Standesamt zu gehen und dort die Änderungen vorzunehmen, entscheidet das Gericht. Dieses will wiederum zwei psychologische Gutachten vorgelegt bekommen, die besagen, dass man „wirklich trans“ ist, was auch immer das bedeuten soll. Die Gutachten müssen unabhängig voneinander, von spezialisierten Sachverständiger:innen erstellt werden und auch Auskunft darüber geben, ob sich das „Zugehörigkeitsempfinden [zum anderen Geschlecht] des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird.“ (TSG § 4, Abs. 3). Danach entscheidet das Gericht, ob der Wunsch der/des Antragssteller:in erfüllt wird. Selbst wenn man das ganze Verfahren durchlaufen hat und positive Gutachten vorweisen kann, kann es also sein, dass Personenstand, Name oder Geschlechtseintrag gar nicht geändert werden.

Das ist aber nicht das Schlimmste. Denn die Gutachten kosten nicht nur extrem viel, sondern sind im Prozess ihrer Erstellung oft sehr übergriffig. Erfahrungsberichte vieler Transpersonen zeigen, dass es nicht selten ist, dass man über die Sexualität, sexuelle Fantasien, Pädophilie, Masturbation etc. befragt wird. Also Dinge, die nicht nur gar nichts mit dem Geschlecht zu tun haben, sondern deren Nachfragen auch noch extrem übergriffig ist und teilweise ekelhafte Unterstellungen vermittelt. Die erwähnten hohen Kosten machen es außerdem besonders für Transpersonen aus armen Verhältnissen oder Transjugendliche schwer, das Verfahren überhaupt einzuleiten. 500 bis 1000 Euro pro Gutachten lassen sich nicht immer einfach so auftreiben, doppelt erst recht nicht!

Selbstbestimmungsgesetz – eine gute Alternative?

Es braucht also eine Alternative zum bisherigen TSG. Das sagen nicht nur wir, mittlerweile hat es selbst die Bundesregierung verstanden. Deshalb haben sich Justizminister Marco Buschmann und Familienministerin Lisa Paus jetzt endlich auf eine Reform geeinigt. Wie die aussehen soll, haben sie in den „Eckpunkten für das Selbstbestimmungsgesetz“ aufgeschrieben und mittlerweile sogar einen Gesetzentwurf vorgestellt. Unter anderem ist darin vorgesehen, dass Transpersonen künftig nicht mehr zum Gericht gehen müssen, sondern beim Standesamt und ohne unnötige und diskriminierende Gutachten die Namensänderung beantragen können. Das Gleiche gilt auch für den Geschlechtseintrag. Wie im alten TSG soll es auch ein Offenbarungsverbot geben, wodurch es illegal ist, den „Deadname“, also den alten, toten Namen zu veröffentlichen oder zu gebrauchen. Das ist ziemlich cool, denn der Deadname heißt nicht umsonst so und es ist sehr respektlos, den alten Namen zu nutzen oder sogar zu verraten. Aber nicht alles an dem Gesetzentwurf ist cool: Es wurde laut der „Süddeutschen Zeitung“ eine Passage eingefügt, die expliziten Frauenräumen das Recht gibt, auch nach der Namens- und Personenstandsänderung Transfrauen aus diesen Räumen auszuschließen – und ihnen damit die Identität abzusprechen. Also ziemlich uncool, nett ausgedrückt.

Rückschritt unter dem Deckmantel des Progressiven?

Diese Passage im Selbstbestimmungsgesetz würde eine transfeindliche Praxis, die sowieso schon vorkommt, legalisieren! Sie stellt also einen krassen Rückschritt dar, denn es soll legal werden, Transpersonen rauszuwerfen, wenn sich andere mit ihnen unwohl fühlen. Da man ihnen ihre Transidentität aber nicht immer ansieht, wird das auf lange Sicht auch auf Cisfrauen zurückfallen, wenn sie nicht den klassischen Geschlechterrollen entsprechen. Unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Sexismus werden Geschlechterrollen gestärkt und der Verstoß dagegen weiter geächtet.

Die Passage ist erst auf Druck von TERFs reingekommen. Sie verbreiten seit Jahren das Bild des Mannes, der sich in Kleider steckt, um Frauen zu belästigen. Um das zu untermauern, fälschen sie sogar Statistiken und schüren ein Klima der Angst vor Transfrauen. Unterstützt wird das von AfD und Co., von Medien, aber auch in der „bürgerlichen“ Politik. Und Auswirkungen hat das nicht nur auf Transpersonen, sondern auch auf Cisfrauen. Schon jetzt gibt es Berichte, nach denen diese angegriffen werden, weil ihnen unterstellt wird, trans zu sein. Auf Twitter werden jetzt schon Vaginavergleiche angestellt, mit einer pseudowissenschaftlichen Unterscheidung zwischen „echten“ Vaginas und „künstlichen“. Auch diese sind nicht haltbar und gefährden nicht nur Transfrauen!

Dieser Teil reiht sich ein in eine Welle transfeindlicher Gesetze weltweit. Im US-Bundesstaat Tennessee beispielsweise gibt es mittlerweile einen staatlichen Zwang zum Detransitionieren (eventuelle Geschlechtsangleichungen, und sei es nur gesellschaftlich, nicht körperlich, wieder rückgängig machen) und Transpersonen werden aus der Öffentlichkeit gedrängt. Der Absatz aus dem Selbstbestimmungsgesetz muss gestrichen werden! Keinen Meter der menschenverachtenden transfeindlichen Politik, die versucht, unsere hart erkämpften Rechte wieder zurückzunehmen!

Was braucht es noch?

Auch abgesehen davon ist das Selbstbestimmungsgesetz nicht genug. Es geht zwar einen wichtigen Schritt, aber ist lange nicht ausreichend. Beispielsweise soll, nachdem man den Antrag ans Standesamt übergeben hat, eine dreimonatige Bedenkzeit eingeführt werden. Das macht die Änderung von Namen und Geschlechtseintrag unnötig kompliziert und bürokratisch.

Statt eines Selbstbestimmungsgesetzes, das reaktionäre Ideen enthält und in den progressiven Punkten viel zu kurz greift, braucht es tatsächliche Selbstbestimmung, eine revolutionäre Perspektive. Und die Selbstbestimmung darf sich nicht nur auf den Namen und Geschlechtseintrag beschränken, sondern muss auch die medizinische Transition organisieren.

  • Für eine revolutionäre Alternative sowohl zum Selbstbestimmungsgesetz, als auch zum TSG! Für echte Selbstbestimmung!

  • Für den Ausbau von Unisexorten an Schulen, Unis, in Betrieben und der Öffentlichkeit!

  • Gegen den Zwang, den behördlichen Namen in Schulen, offiziellen Dokumenten und Bewerbungen etc. anzugeben! Gegen die Pflicht, ein Geschlecht in offiziellen Dokumenten zu verzeichnen!

  • Für das Recht auf kostenfreien und unbürokratischen Zugang zu medizinischer Geschlechtsangleichung und der offiziellen Namens- und Personenstandsänderung!



Schmalspurreform Abstammungsrecht

Jürgen Roth, Neue Internationale 272, April 2023

Die Bundesregierung will noch in diesem Jahr das Abstammungsrecht ändern und queere mit heterosexueller Elternschaft gleichstellen.

Aktuelle Rechtslage

Das Abstammungsrecht ist Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), nimmt eine Zuordnung von Kindern zu Eltern vor und verpflichtet jene zur Fürsorge. Es sieht 2 Elternteile vor: Mutter und Vater. Handelt es sich beim ersten, gebärenden Elternteil um einen Transmann, der Vornamen und Personenstand nach dem Transsexuellengesetz (TSG) hat korrigieren lassen, oder eine Person ohne Eintrag bzw. mit „divers“, wird diese in die Geburtsurkunde als „Mutter“ mit altem Vornamen eingetragen. Diese Person existiert nicht mehr, das Kind kennt sie nicht und es gibt auch keinen Pass für sie. Dies führt für die Betroffenen zum Zwangsouting und sorgt so für weitere Folgeprobleme.

Für den 2. Elternteil besteht das Problem, wenn die Mutter mit einer Frau oder einer Person mit dem Eintrag „divers“ oder ohne Eintrag im Personenstandsregister verheiratet ist. Diese Person wird erst gar nicht in die Geburtsurkunde eingetragen. Das Kind hat nur ein Elternteil und nur dieses ist zu Sorge und Unterhalt verpflichtet. Die Mutter gilt rechtlich als Alleinerziehende. Der 2. Elternteil kann nur über ein langwieriges und kompliziertes Adoptionsverfahren, die sogenannte Stiefkindadoption, anerkannt werden. In diesem Beantragungsverfahren müssen allerdings neben gesundheitlichen auch finanzielle und private Fragen beantwortet werden.  Die Vaterschaftsanerkennung beim Standesamt gilt nur für Männer. Bei heterosexuellen Paaren wird der Vater zum Geburtszeitpunkt Elternteil entweder durch die Ehe mit der Mutter oder über eine Anerkennung. Seine biologische Vaterschaft ist dabei unbedeutend.

Der Fall Teichert-Ackermann

Nach langjährigem Zusammenleben entschied sich das lesbische Paar Gesa Teichert-Ackermann und Verena Ackermann für ein Kind. Es handelte sich um eine Risikoschwangerschaft, bei der Gesa eine Embryonenspende erhielt. Das Paar lebte während der Geburt in ständiger Angst, denn das Abstammungsrecht lässt nicht zu, dass Verena als 2. Mutter anerkannt wird. Falls Gesa also etwas zugestoßen wäre, wäre unklar geblieben, was aus ihrer Tochter Paula wird. Um die Anerkennung Verenas als 2. Mutter kämpft das Paar mit Unterstützung durch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), einem Verein, welcher sich für die Umsetzung von Grund- und Menschenrechten einsetzt, vor Gericht. Im März 2021 fiel die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, das derzeitige Abstammungsrecht sei verfassungswidrig und müsse reformiert werden. Derzeit liegt der Fall beim Bundesverfassungsgericht zur Prüfung einer Grundgesetzänderung.

Samenspenden mit zweierlei Maß

Ein beträchtlicher Teil der Kinder aus sog. Regenbogenfamilien stammt aus privaten Samenspenden. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will das Abstammungsrecht dahingehend ändern, dass zukünftig lesbische oder andere queere Ehepaare, die Samenspenden in Anspruch nehmen, beide Elternteilrechte automatisch erhalten. Nach aktuellem Recht müssen sie dafür das aufwändige Adoptionsverfahren durchlaufen, weil nur ein „Vater“ als nicht gebärender Elternteil vorgesehen ist, während bei heterosexuellen „Vätern“ die biologische Verwandtschaft keine Rolle für die Anerkennung spielt (siehe oben). Diese Ungleichbehandlung soll durch die Reform aufgehoben werden, die automatisch die Eintragung des Personenstandes vorsieht. Das soll aber nur für registrierte, „offizielle“ Samenspenden gelten. Hier verzichtet der Spender auf seine Vaterschaftsrechte und kann das nachträglich auch nicht korrigieren, während bei privaten Spenden die 2. Elternstelle pauschal freigelassen wird. Für einen vermutlich verschwindend geringen Fall der Fälle soll der Samenspender das Recht erhalten, als 2. Elternteil nachzurücken, indem er seine Vaterschaft gerichtlich feststellen lässt. Dies bedeutet für das Kind allerdings eine schlechtere Absicherung.

Hier wird gleich doppelt zweierlei Maß angelegt: Erstens wird der Samenspender nur in queeren Konstellationen privilegiert, denn bei heterosexuellen Paaren ist ja kein genetischer Vaterschaftsnachweis erforderlich, um als Partner die Rechte als 2. Elternteil eingeräumt zu bekommen. Zweitens ist eine offizielle Spende über Samenbanken bzw. Kinderwunschzentren recht teuer, so dass queere Elternschaft zum finanziellen Privileg gerät.

Zu Recht fordern deshalb die Gesellschaft für Freiheitsrechte und queere Paare, dass auch private Spermienspenden ins Samenspendenregister eingetragen werden können, um so eine rechtliche Absicherung des Kindes schon vor der Geburt zu gewährleisten. Dafür kämpfen die Ackermanns. Man muss den Kindern kein 2. Elternteil versagen und kann privaten Samenspendern

trotzdem eine rechtliche Möglichkeit einräumen, im Leben des Kindes eine Rolle zu spielen, z. B. als Patenonkel.

Schmalspurgleichstellung

Auch wenn die vom Justizministerium geplanten Gesetzesänderungen eine Verbesserung gegenüber dem aktuellen Zustand darstellen, so sehr bleiben sie von echter Gleichstellung entfernt. Insbesondere Transpersonen sind weiter stark benachteiligt. Das Standesamt in Berlin-Kreuzberg verweigerte z. B. einer Transfrau den Eintrag als 2. Elternteil. Sie hatte ihren Personenstand inkl. Vornamen nicht nach dem TSG, sondern über das Personenstandsänderungsgesetz vor der Geburt ändern lassen. Selbst das TSG hätte sie nur als Vater in diese Rolle schlüpfen lassen. Aber nun kann sie keine Elternzeit beantragen und bekommt deshalb keine Lohnfortzahlung während ihrer Arbeitspause nach Geburt des Kindes. Sie lebt mit der Kindesmutter, einer nichtbinären Person, und einem Cismann in einer Beziehung, die die drei als queeres Co-Parenting beschreiben. Laut Geburtsurkunde gilt die Gebärende als alleinerziehend mit allen Nachteilen für Kind und alle 3 Elternteile. Mehr als einen vagen Reformplan, dem zufolge sog. Verantwortungsgemeinschaften die Elternschaft von mehr als 2 Personen ermöglichen, gibt es bisher nicht.

Elternschaft: demokratische Forderungen und Klassenforderungen

Es liegt im ureigensten Interesse der Arbeiter:innenklasse, auf allen Gebieten der Unterdrückung und Diskriminierung als Vorreiterin für umfassendste bürgerlich-demokratische Rechte zu agieren. Dies aus 2 Gründen: Zum einen erleichtert es die Einsicht für breite Volksmassen in den Charakter der kapitalistischen Produktionsweise, wenn persönliche Privilegien abgeschafft werden – hier für heterosexuelle Cispaare. Diese, also damit rechtliche Ungleichbehandlungen, waren Merkmal vorbürgerlicher Klassengesellschaften. Zum anderen schafft es bessere Voraussetzungen für ihre eigene Einheit im Klassenkampf – ohne Unterschiede für Geschlechter, sexuelle Orientierungen, Religionen, Hautfarben oder Nationalitäten.

Diese Gleichheit vor dem Gesetz stellt allerdings fürs Bürgertum das Ende der Fahnenstange dar, fürs Proletariat aber erst den Beginn seiner Klassenemanzipation. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, z. B. auf Abtreibung, kann nur den Ausgangspunkt bilden. Die Arbeiter:innenklasse muss hier für Kostenfreiheit eintreten, während das die Bürgerlichen nicht schert.

Darüber hinaus muss sie nicht nur für sozial gerechte Lösungen innerhalb des Kapitalismus eintreten (bezahlbare Abtreibung), sondern für eine sozialistische Lösung der Frage sozialer Reproduktion, zu der auch Kindeswohl und Elternschaft gehören. Die allgemeine Antwort lautet: Sozialisierung der gesamten Reproduktionssphäre.

Im Unterschied zu den Reformvorhaben, die sich nur auf die bürgerliche Ehe und das Zweielternmodell beschränken und somit die Reproduktion weiterhin als private unangetastet lassen, liegt es im historischen Interesse des Proletariats, als herrschende Klasse mit der Beschränkung von menschlicher Nähe und Intimität auf die Herrschaft der Blutsbande und monogamer Liebe aufzuräumen.

Deshalb: Scheidungsrecht für Kinder von ihren Eltern! Anerkennung von Verantwortungsgemeinschaften ohne Rücksicht auf Geschlecht, sexuelle Orientierung und ohne Beschränkung der Elternzahl! Für Erleichterung von Adoptionen durch einfache Registrierung auf Wunsch von Eltern und Kindern! Für eine allumfassende gesetzliche Sozialversicherung, die für Kindes- und Erziehendenunterhalt aufkommt!

Diese Forderungen können den Weg für eine zukünftige Gesellschaft ebnen, die sich als Ganzes für Kinder und Eltern verantwortlich fühlt.




Pakistan: Rechte versucht, minimalen Schutz für Transpersonen rückgängig zu machen

Revolutionary Socialist Movement (Pakistan), Fight! Revolutionärer Frauenzeitung 11, März 2023

Während im Iran die Arbeiter:innenklasse gegen das diktatorische, patriarchale Regime auf die Straße geht, wird über die Attacke der fundamentalistischen Rechten auf Transpersonen in Pakistan, die ohnehin schon massiv unterdrückt werden, geschwiegen.

Ebenso wie die Mullahs im Iran versuchen, Frauen daran zu hindern, selbst zu entscheiden, was sie tragen, will das pakistanische Äquivalent mit seiner protofaschistischen Basis die kleinen Erfolge des Gesetzes zum Schutz von Transpersonen aus dem Jahr 2018 zurücknehmen. Es war zwar kein großer Wurf, kann jedoch als kleiner Fortschritt angesehen werden. Es gewährt Transpersonen zum Beispiel nicht das Recht, sich entgegen ihrem eingetragenen Geschlecht als Mann oder Frau zu identifizieren. Dennoch erlaubt es ihnen, sich selbst dem dritten Geschlecht im Unterschied zu ihrem bei Geburt zugeschriebenen zuzuordnen. Dies gilt auch für Ausweisdokumente.

Die religiöse Rechte begehrt, wie zu erwarten war, bewaffnet gegen dieses Gesetz auf und verbreitet eine Deutung, die wie gewöhnlich in Betrug und Verderbtheit wurzelt, die typisch für ihresgleichen ist. Als Begründung gibt sie an, dass die amtliche Änderung des Geschlechts als Möglichkeit genutzt werden könne, das Verbot von Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare zu umgehen, indem sie vorgeben, ein anderes Geschlecht zu repräsentieren. Doch das ist unwahr.

Die Kräfte, die gegen dieses Gesetz mobilisieren, welches im Jahr 2018 verabschiedet wurde, sind dafür bekannt, seit langem protofaschistische Tendenzen zu umfassen. Sie sind ebenfalls dafür bekannt, ein extrem patriarchales und rückschrittliches Frauenbild zu vertreten. Die Partei Jamaat-e-Islami (Islamische Gemeinschaft; JI) spielte eine zentrale Rolle für die drakonischen Gesetze, die der Diktator Zia-ul-Haq (1978 – 1988) während der Militärdiktatur eingeführt hat. Die Jamiat Ulema-e-Islam (Fazl) (JUI-F; Versammlung Islamischer Kleriker), deren Führer Maulana Fazal-ur-Rehman ist, wurde vor kurzem, als die PDM (Pakistan Democratic Movement; Pakistanische Demokratische Bewegung; Parteienkoalition gegen Expremierminister Imran Khan, 2020 gegründet) in Opposition zu Imran Khan gegründet wurde, als  Held:in der reformorientierten und liberalen Linken Pakistans gefeiert. Doch sie pflegt die hässliche Tradition, die Gesichter von Frauen, die in öffentlichen Anzeigen zu sehen sind, mit schwarzer Farbe zu beschmieren. In der Zwischenzeit hat sich noch eine weitere Partei, die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI; Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) der widerwärtigen Hasskampagne angeschlossen. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass der Vorsitzende und ehemalige Premierminister Imran Khan ein Frauenhasser vom selben Schlag ist.

Senator Mushtaq Ahmad Khan von der Partei Jamaat-e-Islami steht an der Spitze der derzeitigen Hasskampagne gegen die Rechte von Transmenschen, die zumindest auf dem Papier bestehen. Er hat vorgeschlagen die Gesetzeslage dahingehend zu ändern, dass Gremien von Ärzt:innen geschaffen werden sollen, die dann wiederum die Entscheidungsmacht darüber hätten, ob eine Person „komplett“ männlich oder weiblich sei. Dies solle mit einer invasiven körperlichen Untersuchung einhergehen. In seiner Vorstellung sollten nur die, bei denen das Geschlecht auf Basis der Fortpflanzungsanatomie bei Geburt „unklar“ sei, das Recht dazu haben, über ihr Geschlecht zu entscheiden. Kurz gesagt sollten lediglich Menschen mit mehrdeutigen Genitalien (Anm.: in der Regel sog. Intersexuelle) wählen dürfen und auch nur, wenn sie sich vorher der Tortur einer Leibesuntersuchung durch eine ärztliche Instanz unterzögen. In einem Land, wo die meisten Ärzt:innen (Anm: in der Regel Männer) bereits massiv in die Privatsphäre ihrer Patient:innen durch wertende Kommentare eingreifen, bspw. wenn es um Themen rund um Sex geht, kann man sich ausdenken, was das für Leben und Gesundheit von Transpersonen an Belastung mit sich bringt.

Die Begründung Mushtaq Ahmad Khans hat gezeigt, dass sowohl Frauenunterdrückung als auch die Geschlechterungleichheit und die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten eine Klassenfrage darstellen. So gab er bei Voice of America zu, dass die eigenständige Wahl des Geschlechtes „eine Gefahr für die Familie und das Erbschaftssystem darstellt“ und es „die Tür dafür öffnet, dass 220 Millionen Menschen auswählen zu können, irgendwas zu sein“. Die Familie ist in der bürgerlichen Gesellschaft der Garant für das Überleben des kapitalistischen Systems, denn sie dient in erster Linie dazu, das Privateigentum dort zu halten. Für Pakistan ist wichtig anzumerken, dass insbesondere in islamischen Gesellschaften Frauen den halben Anteil des Mannes am Erbe erhalten. Die mickrige Hälfte, die ihnen zusteht, wird dennoch als Teil angesehen, der der Familie des Mannes zustünde. Die Ängste, dass Privatbesitz anders verteilt würde, und die Bedrohung, die das Gesetz offensichtlich für das „Familiensystem“ darstellt, zeigen, wie die Institutionen der Familie, des Klerus und des Gesetzes zusammenwirken, um die Existenz und den Fortbestand des Systems des Privateigentums zu sichern. Dieses System sorgt dafür, dass die Reichen reich und die Armen arm bleiben. Es sorgt dafür, dass der Sohn eines Kapitalisten auch nach dem Tod des Vaters Eigentümer des Familienunternehmens bleibt und der Sohn eines Arbeiters auch nach dem Tod seines Vaters zu einem Hungerlohn arbeiten muss. Die regressive Anhäufung von Reichtum in wenigen Händen kann ohne Familiensystem nicht fortbestehen. Das derzeitige Gesetz zum Schutz von Transgendern sieht vor, dass eine Person, die sich als Transmann identifiziert, auch doppelt so viel Erbe erhält wie eine Transfrau. In einem Land, in dem es üblich ist, dass Brüder ihre Schwestern emotional so manipulieren, dass sie auf ihren ohnehin schon geringen Anteil am Erbe verzichten, oder es sich einfach ohne ihre Zustimmung aneignen, kann man sich vorstellen, welche Ängste das Gesetz bei reaktionären Männern auslöst, die nun mit der Bedrohung konfrontiert sind, dass ihre leiblichen Schwestern sich möglicherweise in Männer „verwandeln“. Auch wenn es keine Zahlen gibt, die solche lächerlichen Befürchtungen untermauern, ist die Klassenbasis dieser Ängste mehr als deutlich.

Obwohl sie unbegründet sind, bedeuten sie in der Realität eine Bedrohung für das Leben und die Sicherheit von Transpersonen. Im Jahr 2021 wurden nachweislich mindestens 20 Transpersonen in Pakistan umgebracht. Das pakistanische Religionsgericht sowie der ständige Ausschuss für die Überprüfung im Senat prüfen die Argumente zum Gesetz. Der Rat für Islamische Ideologie (ein weiteres Verfassungsorgan Pakistans), dessen Aufgabe es ist, die pakistanischen Gesetze im Lichte des Islam zu überprüfen, hat das Gesetz aus dem Jahr 2018 für unislamisch erklärt. Wenn das Gesetz geändert wird, um die religiöse Rechte und ihre frauenfeindlichen Verbündeten in fast allen etablierten Parteien Pakistans zu besänftigen, käme das einer großen Niederlage für die Arbeiter:innenklasse und die unterdrückten Menschen in Pakistan gleich. Heute haben sie es auf die Transgender abgesehen. Morgen könnten sie versuchen, den Hidschab (Verschleierung oder Kopfbedeckung nach islamischem Gesetz) im Namen des Islam durchzusetzen wie ihre benachbarten Kleriker im Iran. Es ist ein Teufelskreis, in dem die imperialistischen Mächte diese Beispiele nutzen werden, um zu Hause weiter mit der Islamophobie hausieren zu gehen, während die arbeitenden Massen sowohl in den imperialistischen Kernländern als auch in den Halbkolonien weiter leiden.

Daher rufen wir Arbeiter:innen, Bauern/Bäuerinnen, Gewerkschaften und alle fortschrittlichen Kräfte in Pakistan auf, sich gegen diese dogmatischen Kräfte zu stellen. Wir können nur selbst etwas bewirken, denn die Bourgeoisie wird keinen Finger rühren. Mushtaq Khan hatte bereits 2021 versucht, seine unsägliche Agenda durchzusetzen. Doch es schlug damals dank des Einsatzes von Shireen Mazari (pakistanische Politikerin und Menschenrechtsaktivistin, Vorsitzende der Parlamentskommission für die Ernennung der/s Chef:in der Wahlkommission und ihrer Mitglieder) fehl. Gegenwärtig braucht die pakistanische Bourgeoisie eine Angst, die sie über ihre Medien und Kleriker in den Köpfen der Massen hervorrufen kann, um von den wirklichen Problemen der Wirtschaftskrise, den verheerenden Überschwemmungen und der ständig wachsenden Auslandsverschuldung abzulenken. Jamaat-e-Islami spielt langjährig die Rolle der Schutzmacht eines sich auflösenden kapitalistischen Systems. Ohne selbst je an die Macht kommen zu können, besteht darin ihr einziger Job, um sich ihren Anteil an den Pfründen zu sichern. Denn die Gruppe, auf die sie sich in der Gesellschaft stützt, ist überschaubar. Es sind vor allem kleine Geschäftsleute und Händler:innen, also Kleinbürger:innen. Historisch gesehen sind das genau diejenigen, die dazu mobilisiert werden können, auch mit Gewalt gegen die Arbeiter:innenklasse und ihre Organisationen vorzugehen. Genau deswegen ist es unsere Aufgabe, sie nicht gewähren zu lassen und uns mit all unserer Kraft gegen diese Attacken (auf Transsexuellenrechte) als Ausdruck patriarchaler Gewalt durch reaktionäre Kräfte zu stellen. Unsere Brüder und Schwestern im Iran weisen uns den Weg!




Fünf Argumente gegen TERFS

Miel de la Rosa, Fight! Revolutionärer Frauenzeitung 11, März 2023

Die Erfinderin der Harry-Potter-Serie fiel in den letzten Jahren mit ihrer Transfeindlichkeit auf, indem sie auf Twitter durchblicken ließ, dass sie das binäre Geschlechtersystem für unantastbar hält. Da steht sie nicht nur in einer Reihe mit Alice Schwarzer, sondern auch vielen Konservativen und Rechten. Doch anders als diese fühlen sich viele TERFs als Teil der linken oder feministischen Bewegung. TERF ist ein Akronym für „Trans-Exclusionary Radical Feminist“ (radikaler Feminismus, der Transpersonen ausschließt).

Sie werfen ihrem Gegenüber gerne mal folgende Sätze an den Kopf:

1. Pseudoargument: „Am Ende bleibst du biologisch ein Mann, auch wenn du Hormone nimmst.“

Manche TERFs vertreten ein bioessentialistisches Weltbild: Weil eine Person einen Penis besitzt, habe sie ein innewohnendes Bedürfnis danach, „biologische Frauen“ zu unterdrücken, und stelle deshalb auch eine Gefahr für diese dar. Dies würde im Umkehrschluss aber auch bedeuten, dass Gewalt und Unterdrückung nicht nur von Geburt aus in Männern angelegt sind, sondern auch eine andere Gesellschaft nicht möglich ist. Dies ist ein äußerst deterministisches, aber auch pessimistisches Weltbild, welches Frauen als „das Gute“ und Männer als „das Böse“ stilisiert.

Darauf wollen TERFs auch hinaus, wenn sie anmerken, dass eine Transfrau immer ein „biologischer Mann“ oder eine „falsche Frau“ bleibe, egal ob sie wolle oder nicht. Denn warum ist dies so wichtig zu betonen, wenn biologische Geschlechter nicht unter einem solch deterministischen Blickwinkel betrachtet werden würden? Wir hingegen erklären Frauen- und LGBTQ+-Unterdrückung aus dem kapitalistischen System heraus. Frauen werden ökonomisch sowie politisch benachteiligt. Sie werden in Krisenzeiten zuerst entlassen und sind gleichzeitig der Part, der für die Reproduktion des herrschenden Gesellschaftssystems zuständig ist. Denn Reproduktionsarbeit wird vor allem von ihnen geleistet. In der klassischen Rollenverteilung steht ihre Rolle als Hausfrau und Mutter im Vordergrund. Diese vorherrschenden Geschlechterrollen haben sich aus diesen historischen Spezifitäten entwickelt und stützen das kapitalistische System. LGBTQ+-Personen lassen sich schwerer in die altbekannte Zweiteilung einordnen – ein Grund, weswegen diese zusätzliche Unterdrückung erfahren.

2. Pseudoargument: „Ich unterstütze, dass du trans bist, aber ich will nicht, dass du deinem Körper schadest und die Veränderungen, die du vornimmst, permanent sind, weil du deine Meinung ändern könntest.“

Jüngere Menschen werden zusätzlich mit Misstrauen konfrontiert. Man unterstellt ihnen, zu jung oder nicht reif genug zu sein. Implizit werfen TERFs Transpersonen damit vor, dass es eine Meinung wäre und nicht eine Geschlechtsidentität ist, die man sich nicht aussuchen kann. Transjugendliche müssen sich ihr Recht, Hormone zu nehmen, um ihren Körper ihrem Geschlecht anzupassen, lange und schmerzhaft erkämpfen. Ohne ärztliche sowie psychologische Unterstützung geht das nicht, weil man diese Anpassung nicht selbst vornehmen kann. Allein diese Auseinandersetzung zu führen, zeigt Reife und lässt Raum für mögliche Bedenken. Doch wenn Letztere auftreten, gehen sie TERFs einen Scheißdreck an.

3. Pseudoargument: „Du machst nicht die gleiche Erfahrung wie ,echte Frauen’, weißt nicht, wie es ist, Misogynie zu erleben.“

Natürlich überschneiden sich die Erfahrungen von Trans- und Cisfrauen nicht vollständig. Doch auch nicht alle Cis-Frauen haben einen gemeinsamen Erfahrungshaushalt. Klasse, Herkunft, Hautfarbe, Alter sowie Gesundheitszustand führen zu unterschiedlichen Leben(släufen) sowie Arten der Diskriminierung und Ausbeutung durchs kapitalistische System: So kann sich eine reiche, weiße Frau beispielsweise die Arbeitskraft einer armen migrantischen Frau kaufen, um sich vom Reproduktionsarbeitssystem zu befreien. Das heißt nicht, dass es deswegen Sinn ergeben würde, bestimmte (in gesellschaftlichen Kämpfen anerkannte) Begriffe aufzulösen. Das heißt nur, dass man die Komplexität von Begriffen wie „Frau“ einsehen und die Frage stellen kann: Was ist denn eine „echte“ Frau? Was geht mit Frausein einher?

4. Pseudoargument: „Transmenschen sollten keinen Zugang zu Schutzräumen von Frauen (bspw. Frauenhäuser) bekommen.“

Zunächst einmal: Transfrauen sind Frauen. Allerdings wird neben bioessentialistischen Ansätzen häufig Sozialisation ins Spiel gebracht: Man sei ein Mann, weil man als solcher sozialisiert worden und somit Quelle der Gewalt gegen Frauen sei. Die spezifischen Erfahrungen von Transpersonen in der Jugend lassen sich aber damit nicht aushebeln. Es ist eine spezielle Situation, wenn junge Transmenschen permanent dafür kritisiert werden, dass sie ja nicht dem Männlichkeits- oder Weiblichkeitsbild entsprechen, in das sie die Gesellschaft versucht hineinzudrängen. Das ist keine einfache Sozialisation als Mann oder Frau, sondern führt vielmehr zu eigenen Erfahrungen und spezifischer Verinnerlichung von Konzepten, die nicht männlicher oder weiblicher Sozialisierung gleichen.

Personen können zusätzlich auch später noch eine andere Sozialisierung durchlaufen. Wenn eine Transfrau auf der Straße, im Beruf und im Freundeskreis von den meisten Personen als Frau wahrgenommen wird, wird sie eben auch als solche behandelt.

Spezifisch transfeindlicher Gewalt sind sie zusätzlich ausgesetzt, wenn sie als trans „erkannt“ werden. Das Projekt „Trans Murder Monitoring“ vermerkt weltweit mindestens 327 Morde an trans- und genderdiversen Personen zwischen Oktober 2021 und September 2022, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte. 95 % der Ermordeten waren Transfrauen oder transfeminin. Angesichts der Lebenserfahrungen, die viele Transpersonen machen müssen, wirkt es also fast schon zynisch, wenn bestimmte TERFs vorgeben, ja nur Cisfrauen vor Transpersonen schützen zu wollen.

5. Pseudoargument: „Du darfst schon trans sein, aber mach das im Privaten.“

TERFs weigern sich auffällig oft, nicht den Deadname (Name, der bei der Geburt von den Eltern vergeben wurde), sondern das gewählte Pronomen zu nutzen. Es ist heute belegt, dass es nicht nur Cismänner und -frauen gibt. Doch das Weltbild von TERFs basiert auf einer binären Geschlechtervorstellung.

Nun kann man versuchen, TERFism aus sexistischer Unterdrückung heraus zu erklären. Gerade wenn Cisfrauen unter den rigiden Erwartungshaltungen an ihr Geschlecht leiden oder für sich eine Identität als Bitchfrau (wörtlich: Schlampe, Zicke,Miststück; im übertragenen Sinn: selbstbewusste Frau) finden mussten, kann es zum Beispiel ein Dorn im Auge sein, wenn sich eine Transfrau sehr stereotyp feminin kleidet. Dass die meisten Transfrauen Feminität nicht unmittelbar mit Frau-sein gleichsetzen, sondern sich bestimmter Symbole bedienen, um gesellschaftlich als Frau erkannt zu werden und transfeindlichen Angriffen zu entgehen, wird jedoch nicht beachtet. Genauso werden Transfrauen abgelehnt, wenn sie sich maskuliner kleiden oder keine Transition vornehmen. TERFs nehmen Transpersonen hier das Recht zur freien Entfaltung und argumentieren genauso, wie Gegner_Innen von Homosexualität es lange getan haben.

Die ähnlichen Argumente und Strategien kommen nicht von ungefähr, schaut man sich an, was aus einstigen bekannten bürgerlichen Feminist_Innen wie Alice Schwarzer geworden ist, die man heutzutage wohl schlecht noch irgendeiner linken Strömung zuschreiben kann. Immer wieder aufs Neue neigen TERFs zumindest in der Frage von Geschlecht zu konservativen und rechten Kreisen. Der Angriff auf das binäre Geschlechtersystem wird als einer auf die bürgerliche Familie und den Kapitalismus selbst gesehen. Allerdings sind die einzelnen Argumentationsmuster mannigfaltig und nicht alle vertreten daneben nur rechte Positionen.

So sehr man also versucht, auf bestimmte Argumente von TERFs einzugehen, bleibt TERFism eine auf Kritik am Individuum basierende (und im Extremfall gewaltvolle) Ideologie, die die tatsächliche Wurzel von Sexismus nicht anzugreifen vermag. Doch gesellschaftliche Befreiung kann nur gemeinsam erreicht werden, weil Cisfrauen und Transpersonen vom gleichen, ausbeuterischen System unterdrückt werden. Wir müssen aber gegen die Klasse kämpfen, die uns tatsächlich ausbeutet und unsere Unterdrückung Tag für Tag möglich macht – die Kapitalist_Innen. Das Miteinbeziehen von Transpersonen in einen antisexistischen Klassenkampf untergräbt diesen nicht, sondern kann ihn nur stärker machen!

Anhang: Was, wie, wo?

TERFs hängen – stark verkürzt – einer Strömung des Second-Wave-Feminismus an. Die Unterdrückung von Frauen wird als fundamentalste gesellschaftliche verstanden und existiere seit Anbeginn des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Auch wenn radikalfeministische Aktivist_Innen und Denker_Innen auf wichtige Themengebiete (beispielsweise Rape Culture) aufmerksam machen konnten, verfolgen sie keinen revolutionären, antikapitalistischen Ansatz, sondern verbleiben oftmals auf einer individualistischen Ebene. In letzter Zeit hat sich insbesondere in Onlineräumen nun eine gar nicht so kleine Schar an Radikalfeminist_Innen gebildet, die nun nicht mehr Männer, sondern Transpersonen zu Hauptfeind_Innen der eigenen Befreiung auserkoren hat. Während die meisten TERFs vor allem in „sozialen Medien“ durch Shitstorms und Hassattacken auffallen, griffen einzelne sogar Transpersonen auf Demonstrationen in Großbritannien an.




Non-Binary in der Schule: Wie ist das so?

Interview mit Flo, Fight! Revolutionärer Frauenzeitung 11

Flo ist 15, geht zur Schule – und bevorzugt für sich keine Pronomen. Flo ist nämlich nicht-binär. Wie haben die Schulkolleg*innen reagiert? Gab es Probleme mit Lehrer*innen? Wir haben Flo um Einblicke gebeten. Das Interview führte Aventina Holzer

Wann hattest du erstmals das Gefühl, dass „männlich“ oder „weiblich“ dich nicht wirklich beschreiben?

Man stellt es sich oft bisschen so wie in den Filmen vor, oder? Man steht vorm Spiegel und realisiert, dass man eigentlich lieber einen Penis möchte, oder sich nicht wohl mit Brüsten fühlt. Also so war es bei mir eher nicht. Es waren stattdessen viele unterschiedliche Dinge. Angefangen damit, dass ich mich schon im Kindergarten mit der Unterteilung in männlich und weiblich nicht wohlgefühlt habe. Und dass mich später Leute gefragt haben, ob ich männlich oder weiblich bin. Das hat mich damals schon geärgert. Aber auch Momente wo ich selbst gesehen habe, dass ich ausschaue wie ein Bursche und mich damit plötzlich wohlgefühlt habe.

Wusstest du gleich, dass du non-binary bist?

Nein. Ich habe mir viele Dokus angeschaut, speziell zum Thema inter Personen. Dort wurde das Thema „nicht (nur) Mann und Frau sein“ aufgegriffen. Das habe ich dann auch mit meiner Mutter diskutiert, die das nicht ganz verstanden hat. Ihre Antwort auf meine Frage, ob es noch was anderes als weiblich und männlich gäbe, war „nein!“. Das hat mich damals auch ziemlich enttäuscht und den Gedanken zu meiner eigenen Nicht-Binärität nach hinten geschoben. Später habe ich dann über TikTok und Instagram viele Leute gefunden, mit deren Content ich mich identifiziert habe – und so auch mehr über meine Geschlechtsidentität herausfinden konnte. Wie hat dein Umfeld darauf reagiert? Damit hatte ich viel Glück, weil ich zu dem Zeitpunkt schon politisch aktiv war – damals bei Fridays for Future. Davor habe ich kaum queere Menschen gekannt und dann waren plötzlich alle dort gay. Ich wusste zu dem Zeitpunkt schon, dass ich nicht-binär bin und konnte das in diesem Rahmen auch zum ersten Mal äußern. Da habe ich mich dann auch zum ersten Mal getraut, meine Pronomen zu sie/er zu ändern (Anm: mittlerweile verwendet Flo keine Pronomen). Meine Eltern waren ein bisschen schwieriger, weil sie das alles nicht kannten.

Wie lief dein Outing in der Familie?

Ich war ur nervös als ich ihnen gesagt habe, dass ich keine Pronomen mehr verwende und nur bei meinem richtigen Namen genannt werden möchte. Die nächsten eineinhalb Jahre hatten wir viele Gespräche darüber und ich wurde tausendmal ge-deadnament und misgendert. Das hat auch immer wieder intentional gewirkt. Meine Oma und Tante waren dann relativ cool. Sie haben auch begonnen, keine Pronomen für mich zu verwenden und neue Begriffe für Nichte/Neffe, Enkel/Enkelin zu erfinden. In der Schule wurde mein Coming-out hingegen zum Großteil ignoriert. Vor allem weil die Leute es nicht so richtig verstanden haben, einige haben es aber auch ganz gut akzeptiert.

Wie geht es dir dir mit dem Umgang mit deiner Geschlechtsidentität in der Schule?

Naja, da ist das Namens-Ding. Wenn Lehrer*innen die „richtigen“ Namen verwenden. Mein Name ist auf keiner Liste geändert – und darum weigern sich einzelne Lehrpersonen, meinen Namen zu lernen. Eine meinte sogar, dass wir uns jetzt ja nicht erwarten sollen, dass sie unsere neuen Namen oder diese „komischen Pronomen“ lernt. Und beim Elterngespräch wurde von manchen Lehrer*innen das Thema die ganze Zeit auf Transidentität gelenkt, statt darüber zu reden, weswegen das Gespräch eigentlich stattfindet – meiner Noten. Leute gehen davon aus, dass trans Personen einfach ein allgemeines Thema sind, über das alle jetzt plötzlich reden können und mitentscheiden, was ihre körperliche Selbstbestimmung angeht. Jede*r hat eine Meinung dazu und jede trans Person muss auch immer sofort darüber diskutieren.

Wie fühlst du dich, wenn du so darüber ausgefragt wirst?

Schüler*innen sind oft verwirrt – was auch voll ok ist. Jede*r sollte nachfragen, wenn man sich bei etwas nicht sicher ist. Aber viele Leute stellen auch sehr persönliche Fragen über Transitions, die einer cis Person nie gestellt werden würden. Meine Schule selbst ist aber zum Glück eigentlich eh sehr queer geprägt. Transmaskuline Menschen können etwa bei den Burschen mitturnen zum Beispiel. Es wäre sicher an vielen anderen Schulen viel schlimmer. Trotzdem fühlt man sich als trans Person oft als Vorführexemplar.

Was hättest du dir in der Schule als Unterstützung gewünscht?

Eine Vertrauensperson, die beim Thema ausgebildet ist, wäre sehr wichtig. Die Person sollte sich auskennen, weil man sich sonst immer erklären muss und die Hürde dann sehr hoch ist, sich an diese Person zu wenden. Am Anfang wäre es auch wichtig von der Lehrer*innen-Seite aus auch zu fragen, wie die Eltern dazu stehen und das mitein-zubeziehen. So kann vermieden werden, trans Personen in unangenehme Situationen zu bringen oder auch ein Coming Out zu erzwingen.

Würde eine Thematisierung im Unterricht helfen?

Gibt es sowas aktuell? Thematisierung von trans-Identität im Unterricht ist momentan meistens freiwillig. Es heißt „wir können darüber reden, wenn es Leute interessiert“ und wenn es dazu kommt, ist es nicht besonders informiert. Es ist doch nicht nur eine Interessensfrage, es gibt so viel Falschinformation in den Medien – da braucht es eine Fixierung im Lehrplan! Schulungen zu dem Thema wären auch eine gute Sache, sonst werden queere Schüler*innen die ganze Zeit als Lexikon verwendet.

Hast du Tipps an Lehrer*innen und Mitschüler*innen, wie man am besten mit einem Coming Out umgeht?

Die eigenen Pronomen sagen hilft auf jeden Fall mal, es ist zum Beispiel cool, wenn Lehrer*innen das im Rahmen von Vorstellungsrunden aufbringen. Es ist nämlich nervig, immer selbst auf Lehrer*innen zukommen zu müssen. Fragen zu der Person und Geschlechtsidentität zu stellen, ist voll ok. Aber man sollte sich vielleicht zuerst fragen: „Kann man es googeln?“, oder: „Sind manche Fragen doch zu intim? Würdest du die einer cis Person wirklich genauso stellen?“. Zum Beispiel Fragen zu Genitalien und zum Sexualleben. Aber Fragen stellen ist natürlich schon auch sehr wichtig, speziell, wenn man Probleme beim Verstehen von Pronomen hat. Man vertut sich am Anfang, das ist nicht so tragisch, man sollte sich einfach selbst korrigieren, weitermachen und nicht voll das Drama draus machen. Das bringt sonst trans Menschen nur in eine unangenehme Situation und lenkt vom eigentlichen Thema ab. Wichtig ist eben auch, dass Information nur weitergegeben werden, wenn explizit darum gebeten wird – zum Beispiel im Rahmen von Coming-outs. Oft heißt es, nicht-binär zu sein, sei ein Jugend-Trend.

Können cis-Personen helfen, dagegen aufzuklären?

Auf jeden Fall! Wenn diese Diskussion aufkommt und man als cis Person das Gefühl hat, dass die trans Person sich eh gut auskennt, macht es trotzdem Sinn sich in die Diskussion einzuschalten. Sonst bleibt es immer an trans Personen hängen diese Diskussionen zu führen und man fühlt sich sehr alleine.

Was sind gute Argumente dagegen?

Zum Beispield, dass das Wort „nicht-binär“ zwar relativ neu ist, aber das Konzept nicht. Die Geschichte ist voll mit trans Personen und auch in den Medien gibt es einige Leute, die sich nicht wohlfühlen mit der Geschlechtsbinärität, wie sie momentan aufrechterhalten wird. Als ältere Person kann man sich sicher auch zurückerinnern an Leute, die nicht reingepasst haben in die Binärität von männlich und weiblich, die sich damit nie speziell assoziiert haben oder die vielleicht auch schon früh wussten, dass ihr biologisch zugeschriebenes Geschlecht nicht dazu passt, wie sie sich fühlen. Jetzt gibt es eben Wörter dafür.

Wie stark werden non-binary-Menschen generell heutzutage diskriminiert?

Bis heute gibt es keine gesetzliche Gleichstellung. Stigmatisierung ist immer noch ein Thema, war aber früher auch noch viel stärker. Im Kontext von der Aids-Krise sind unglaublich viele queere Menschen gestorben und da die Gesellschaft früher noch viel homophober und transphober war, waren viel weniger queere Leute bereit, sich zu outen oder überhaupt lang genug am Leben. Das hat sich mit der Zeit verändert bzw. verändert sich immer noch. Bevor man solche Aussagen trifft, wie, dass es sich um einen „Trend“ handelt, sollte man erstmal nachdenken, warum gerade jetzt Menschen sich wohl genug fühlen ihre Identität öffentlich zu diskutieren. Und natürlich gibt es durch das Internet auch mehr Zugang zu Informationen und Möglichkeiten sich anonym Ratschläge und Unterstützung zu holen. Das ist einfach eine neue Art zu kommunizieren und sie bringt auch viele neue Möglichkeiten, mit der Welt in Interaktion zu treten. Und eigentlich ist es schön, dass jetzt viel mehr Menschen zu ihrer Identität finden und zu ihr stehen können.

Über Flo

Flo ist Akivist*in beim Jugendrat und Schüler*in in Wien. Flo ist seit ein paar Jahren politisch aktiv und engagiert sich einerseits in der Klimabewegung, aber auch gegen Kapitalismus und für eine befreite Gesellschaft. Der Jugendrat ist eine politische Organisation von jungen Menschen, die sich aus der Fridays for Future Bewegung gegründet hat. Klimagerechtigkeit ist ein zentraler Grund für seine Gründung. Klimagerechtigkeit kann aber nur erreicht werden, indem man mit dem kapitalistischen System bricht, welches nur nach Profitgier Entscheidungen trifft. Deshalb ist der Jugendrat auch unabhängig von politischen Parteien, um radikal für unsere Zukunft kämpfen zu können.




Situation von trans Personen an Schulen

Theo Morello & Ella Mertens (REVOLUTION, Deutschland), Fight! Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 10

Die Schule ist ein Ort, an dem wir uns alle täglich aufhalten müssen. Für manche trans Personen ist das jedoch Tag für Tag eine Qual. Stell dir vor, du stehst vor den beiden Schultoiletten und blickst von der einen zur anderen! Auf welche sollst du gehen? Was, wenn irgendwer kommt und Fragen stellt, warum du jetzt genau diese Toilette benutzt? Ist es nicht einfacher zu warten, bis du zu Hause bist? Tausende Gedanken, dabei geht’s nur darum, wo mensch auf Toilette geht. Doch das ist nicht alles: Sportunterricht, Klassenfahrten, der Biounterricht, selbst in Musik – überall kommt die starre Einteilung in Mädchen und Jungen vor. Überall wirst du daran erinnert, dass du anders bist als die anderen. Hinzu kommen veraltetes Lehrmaterial und eben Mitschüler_Innen und Lehrpersonal. Klar gibt es viele, die einen unterstützen, sobald man sich geoutet hat. Es gibt Lehrer_Innen, die die Namen nicht verwechseln und Mitschüler_Innen, die das tun. Aber es gibt eben auch die anderen, die Witze über einen machen, mobben und einem/r nicht glauben wollen.

Ein paar Zahlen

Generell sind trans Personen häufiger von Arbeitslosigkeit, Armut, Gewalt und Ausgrenzung betroffen. Im Alter sind z. B. bi- und homosexuelle Menschen häufiger von Armut bedroht als Heterosexuelle. So liegt bei Männern im Alter von 60 bis 90 Jahren die Armutsquote bei Bi -und Homosexuellen um sechs Prozentpunkte höher als bei heterosexuellen Männern (12 Prozent zu 6 Prozent). Als „Armutsgrenze“ gilt dabei 60 Prozent des Nettoeinkommens. Bei Frauen in dieser Altersgruppe ist ebenfalls ein Gefälle zu verzeichnen. Frauen, die sich als homo- oder bisexuell identifizieren, haben mit rund 1750 Euro durchschnittlich 10 Prozent weniger Einkommen zur Verfügung als Frauen mit heterosexueller Orientierung (rund 1950 Euro).

Die Zahlen stammen aus dem Deutschen Alterssurvey und sind nun in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen zur sozialen Lage von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen in Deutschland veröffentlicht worden. (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/gruene-kritisieren-tatenlosigkeit-des-bundes-altersarmut-unter-queeren-menschen-deutlich-groesser/27089984.html)

Und in der Schule? Positiv ist es, dass für die Änderung des Namens im Klassenbuch oder in Schulausweisen keine rechtlich verbindliche Vornamensänderung erforderlich ist. Die Berliner Senatsverwaltung empfiehlt sogar, dass man trans Personen mit dem selbstgewählten Namen ansprechen sowie die gewünschten Personalpronomen verwenden sollte. Und sonst? 2014 beteiligten sich über 5.000 Jugendliche an einer Umfrage des Deutschen Jugendinstitutes, die sich an LGBTIA+-Jugendliche zwischen 14 und 27 Jahren richtete. Knapp die Hälfte der befragten jungen Trans gab an, an Bildungs- und Arbeitsorten beschimpft, beleidigt oder lächerlich gemacht worden zu sein. Etwa 10 % wurden körperlich angegriffen oder verprügelt. Die Befragten gaben ferner an, dass nur etwa die Hälfte der Lehrer_Innen offen gezeigt habe, dass Schimpfwörter nicht geduldet werden. Die Befragten erzählten weiter, dass etwa die Hälfte der Lehrkräfte gelacht hat, als Witze über LGBTIA+ gemacht wurden, oder sich direkt über Jugendliche, die sich nicht „typisch weiblich/männlich“ verhielten, lustig machte. (https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2015/DJI_Broschuere_ComingOut.pdf)

Was dagegen tun?

Uns aufs Leben vorzubereiten – im Kapitalismus. Deswegen werden in der Schulstruktur und im Schulalltag auch Rassismus und Sexismus mehr oder weniger bewusst reproduziert. Das macht den Kampf gegen Transphobie an der Schule nicht leicht, aber auch nicht unmöglich. Konfrontiert man Lehrer_Innen oder Mitschüler_Innen mit ihren Äußerungen, wird man selten ernst genommen. Außerdem ist es mehr als anstrengend, jeden Tag mit Menschen zu verbringen, die die eigene Identität in Frage stellen. Je mehr Ablehnung man erlebt, umso mehr stellt man auch sich selbst in Frage. Deswegen ist’s leichter, sich der Diskriminierung zu stellen, wenn man nicht alleine ist. Eine gute Möglichkeit dazu bietet die Gründung eines Schulkomitees. Im Gegensatz zur institutionellen Schüler_Innenvertretung können dort alle mitmachen, die möchten. Zudem sind wir in diesem Rahmen nicht vom autoritären Schulgesetz abhängig und können uns deswegen politisch positionieren. Im Rahmen eines solchen Komitees ist es dann auch leichter, Aktionen zu starten: zum Beispiel Plakataktionen, wo Kommentare, die man in der Schule abbekommen hat, nochmal aufgeschrieben oder Informationen über trans Identitäten sowie Unterdrückung aufgezeigt werden. Auch ist es sinnvoll, Veranstaltungen zu organisieren, bei denen man gemeinsam mit Mitschüler_Innen über aktuelle Themen diskutieren kann. Beispielsweise über die Wurzeln des Christopher Street Day oder LGBTIA+-Diskriminierung in anderen Ländern, da diese im Unterricht oftmals zu kurz kommen oder erst gar nicht thematisiert werden. Ebenso kann man in so einem Rahmen auch für konkrete Verbesserungen wie geschlechtsneutrale Toiletten und Umkleiden, eine Antidiskriminierungsmeldestelle oder die Mitbestimmung über die Rahmenlehrpläne eintreten. Gibt’s Stress oder geht es darum, sich gegen diskriminierende Lehrer_Innen oder Schulstrukturen zu wehren, ist es auch besser, gemeinsam aktiv zu sein: Ob offene Briefe an Schüler_Innenvertretung oder Öffentlichkeit, gemeinsame Protestkundgebungen oder gar Vollversammlungen zu dem Thema – zusammen organisiert’s sich leichter.

Das Problem an der Wurzel packen

Trotzdem muss uns klar sein, dass Transphobie keine Frage der Bildung ist. Man kann sie nicht wegerziehen. Es gibt nämlich auch Teile der Gesellschaft, die aktiv von dieser Spaltung profitieren. Um Transphobie also in die Geschichtsbücher zu verbannen, müssen wir sie an der Wurzel packen: dem Kapitalismus. Der Ursprung der Diskriminierung von LGBTIA+ liegt nämlich in der geschlechtlichen Arbeitsteilung der bürgerlichen Familie. Diese Familienkonstellation besteht aus einem Mann, der arbeiten geht und die Familie ernährt, und eben aus einer Frau, die den Haushalt schmeißt und die Kinder erzieht. Bestenfalls kann diese dann Teilzeit arbeiten und etwas dazu verdienen. Klar, das erscheint jetzt erstmal nur als Klischee, es wird jedoch durch konservative Politiker_Innen, religiöse Institutionen, Medien oder Werbung tagtäglich reproduziert.

Dies geschieht nicht rein zufällig, sondern ist einfach eine Ideologie und Praxis, die für den Kapitalismus besonders profitabel ist. So werden durch das Idealbild der Familie die Erbschaftsverhältnisse der Herrschenden geregelt, während die überwältigende Reproduktionsarbeit der Arbeiter_Innenklasse unentgeltlich im Privaten stattfindet. Menschen, die nun nicht in dieses cis- und heteronormative Gesellschaftsbild hineinpassen, sind der bürgerlichen Gesellschaft natürlich ein Dorn im Auge, denn mit ihrer bloßen Existenz stellen sie eine Gesellschaftsordnung in Frage, in der es „natürlich“ scheint, dass Männer In Fabrik oder Büro arbeiten und Frauen die Hausarbeit verrichten.

Also warten wir auf das Ende der Diskriminierung?

Natürlich nicht. Wir müssen im Hier und Jetzt für konkrete Verbesserungen kämpfen und diese mit dem Kampf gegen das ausbeuterische System verbinden. In den letzten Jahren konnten schon einige Errungenschaften erkämpft werden, auch ist die gesellschaftliche Akzeptanz von trans und inter Personen in den letzten Jahren leicht gestiegen. Allerdings ist diese Entwicklung mit Vorsicht zu genießen. Zum einen sind noch längst nicht alle Rechte erstritten worden, zum anderen ist auch ein Rollback in Bezug auf Geschlechterrollen zu beobachten. Der politische Rechtsruck, der international verbreitet ist und in Deutschland seinen Ausdruck im Erstarken der AfD findet, stellt eine große Gefahr für die Errungenschaften der LGBTIA+-Bewegung dar. Wir wollen gemeinsam für eine Gesellschaft eintreten, in der alle Menschen ungeachtet ihres biologischen oder gesellschaftlichen Geschlechts gleichberechtigt und gefahrenfrei leben können.

Daher fordern wir:

  • Kampf der Diskriminierung an Schule, Uni und im Betrieb! Aufhebung aller diskriminierenden Gesetze gegen trans Personen und LGBTIA+: Für breite Aufklärungskampagnen und Selbstverteidigungskomitees der Unterdrückten in Verbindung mit der Arbeiter_Innenbewegung!
  • Für das Recht auf gesonderte Treffen in den Organisationen der Arbeiter_Innenbewegung, um den Kampf für Gleichberechtigung voranzutreiben und gegen diskriminierendes und chauvinistisches Verhalten vorzugehen!
  • Das Recht auf Selbstidentifizierung der Geschlechtsidentität, soweit es den Staat betrifft (auf Rechtsdokumenten, bei Zugang zu Gesundheitsversorgung und Versicherungsleistungen usw.)!
  • Recht auf Nutzung der sanitären Einrichtungen, die dem angegebenen Geschlecht der Trans Persone entsprechen, sowie der Einrichtung von geschlechtsneutralen sanitären Einrichtungen und Umkleiden!
  • Kostenlose gesundheitliche Beratung und operative, geschlechtsangleichende Behandlung, wenn dies von der betroffenen Person gewünscht wird, auch für Jugendliche! Für das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper!



EMMA auf die Müllhalde der Geschichte: Solidarität mit trans Frauen!

Jaqueline Katharina Singh, Infomail 1176, 24. Januar 2022

Auf dem Ticket der Grünen sind Nyke Slawik aus Nordrhein-Westfalen und Tessa Ganserer aus Bayern in den neuen Bundestag eingezogen. Somit sind das erste Mal in seiner Geschichte zwei (bekannte) trans Frauen Abgeordnete des deutschen Bundestages. Für viele aus der queeren Community war das ein Grund zur Freude und insgesamt sollte es kein Grund zur Aufregung sein, sollte man meinen. Gäbe es da nicht die bürgerlichen Feministinnen der EMMA.

Hetze gegen trans Frauen

In ihrem Artikel „Ganserer: Die Quotenfrau“ vom 19. Januar macht die EMMA mehr als deutlich, was sie davon hält. Ihrer Ansicht nach ist die Abgeordnete Tessa Ganserer ein Mann, der sich als Frau fühlt. Im Privaten wäre das vielleicht noch möglich, aber so die EMMA:

„Eine politische Dimension bekam diese private Angelegenheit, als Ganserer, zuvor acht Jahre für die Grünen im bayrischen Landtag, im Herbst 2021 für den Bundestag kandidierte: und zwar auf einem Frauenquotenplatz der grünen Liste. Statt einer Frau sitzt also jetzt ein Mensch auf diesem Platz, der körperlich und rechtlich ein Mann ist, sich jedoch als Frau ‚fühlt.’“

Von mehr Zitaten sehen wir an dieser Stelle ab. Es wird allerdings klar ersichtlich, dass für EMMA eine Frau nur Frau sein kann, wenn sie die entsprechenden Organe dazu hat. Zwischendurch wird auch noch Werbung für das neue Buch von Alice Schwarzer gemacht, welches im März rauskommt und sich ganz zufälligerweise mit „Transsexualität“ beschäftigt. Man könnte meinen, dass so eine Öffentlichkeitskampagne gestartet wurde, damit das Buch auch bloß Beachtung bekommt. Danach wird  die Initiative „Geschlecht zählt“ (https://geschlecht-zaehlt.de/) vorgestellt. Diese hat 14 Initiatorinnen, deren Namen und politische Zughörigkeit nach Recherche nicht herauszufinden waren, und laut EMMA zahlreiche UnterstützerInnen. Die Initiatorinnen haben  im November 2021 beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestages Widerspruch gegen die offizielle Anerkennung von Ganserers Mandat eingelegt. Ihr Problem ist, dass die Grünen „innerhalb ihrer Partei einem Mann erlauben, als ‚Frau’ geführt zu werden“. (https://geschlecht-zaehlt.de/wahl-2021-frauen-erheben-einspruch/) Und das, obwohl nach deutschem Recht eine Selbstdefinition des Geschlechts nicht möglich ist. „Bei der Aufstellung von Kandidatinnen und Kandidaten für eine Bundestagswahl widersprechen diese Regel und deren Folgen jedoch dem Demokratieprinzip und dies verstößt gegen die Wahlgrundsätze laut Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz.“ (Ebenda) Kurzum: Die Grünen machen das Selbstbestimmungsgesetz zum Fakt, obwohl doch das alte, erzreaktionäre Transsexuellengesetz (noch) gilt. Letzteres basiert übrigens auf einer medizinisch-diagnostischen Vorstellung von Transsexualität als psychischer Erkrankung.

Am liebsten würde man sagen, dass Alice Schwarzer und die EMMA ihr Verständnis von Geschlecht aus der Steinzeit herüber gerettet haben. Leider stimmt das nicht. Je nachdem, welche Periode der Steinzeit wir betrachten, wurde das sogar dort fortschrittlicher gehandhabt. Aber was steckt hinter der eindimensionalen Auffassung, dass alleinig Geschlechtsorgane bestimmen, was Geschlecht ist? Bevor wir dazu kommen, wollen wir jedoch zuerst einmal klären, aus welchen Faktoren sich Geschlecht zusammensetzt.

Geschlecht ist mehr als die Summe von Körperteilen

Tradierte Geschlechterrollen und geschlechtliche Binarität sind selbst gesellschaftliche, historische Produkte. Es ist keineswegs „natürlich“, dass Frauen oder Männer dieses oder jenes tun oder wir nur in diesen zwei Kategorien denken. Geschlecht ist vielmehr eine multifaktorielle Kategorie, die weder rein biologisch, psychisch oder allein Ausdruck eines sozialen Konstrukts ist, sondern vielmehr ein Verhältnis aus biologischem Geschlecht (sex), Geschlechterrollen (gender) und der eigenen Identität (Geschlechtsidentität) zum Ausdruck bringt, geprägt und bestimmt von der jeweiligen Produktionsweise und Gesellschaftsformation.

Schon allein biologisch gesehen ist die geschlechtliche Binarität ein unzureichendes Konzept. Natürlich gibt es ein männliches und ein weibliches Geschlecht, doch finden wir zwischen diesen Polen, diesen „Reinformen“ viele Variationen, so dass es angemessener ist, von einer Bipolarität zu sprechen.

Das ist übrigens nicht die neuste historische Entdeckung. Bereits in den 1920er Jahren wurde von dem Biologen Richard Benedikt Goldschmidt das Thema angeschnitten. In den 1980er und 1990er Jahren forschten und veröffentlichen die beiden Naturwissenschafterinnen Anne Fausto-Sterling und Evelyn Fox wichtige Arbeiten zu dem Thema, darunter den Artikel „Die fünf Geschlechter: Warum männlich und weiblich nicht genug sind“ (1993 in der Zeitschrift Science publiziert). Gleichzeitig ist es aber auch wichtig herauszuarbeiten, dass es sich dabei um Facetten zwischen den zwei Polen von XX- und XY-Chromosomen handelt. Ein drittes Geschlecht wie etwa ein Z-Chromosom gibt es nicht.

Geschlechterrollen (gender) sind die Stereotype, in die man uns reinzupressen versucht. Wer kennt’s nicht? Männer sollen stark sein und arbeiten. Frauen sind emotional, schwach und können sich sooo gut kümmern. Diese Rollenbilder haben sich im Laufe der Geschichte verändert. Sie sind weder spontaner Ausdruck des inneren Wesens eines Individuums noch eine unvermittelte Darstellung der Biologie, sondern werden von der patriarchalen Rechtfertigung der Frauenunterdrückung geprägt. Im Kapitalismus haben sie bestimmte Grundlagen: die geschlechtliche Arbeitsteilung und die bürgerliche Familie. Sexismus und Transphobie dienen dazu, diese Verhältnisse zu rechtfertigen. Dass Hausarbeit vor allem „privat“ verrichtet wird, erscheint so als quasi natürlich, verbilligt die Ware Arbeitskraft, zwängt Frauen in die doppelte Ausbeutung und Unterdrückung im Reproduktionsbereich und vertieft zugleich die Spaltung unter den Lohnabhängigen.

Die geschlechtliche Arbeitsteilung und die bürgerliche Familie bilden nicht nur die Grundlage der Frauenunterdrückung, sondern auch von anderen Formen geschlechtlicher Unterdrückung wie beispielsweise jener von Schwulen und Lesben, sondern auch der Unterdrückung von Transpersonen.

Ein Kennzeichen dieser Form der Unterdrückung besteht darin, dass negiert wird, dass die Geschlechtsidentität einer Person und ihr biologisches Geschlecht nicht übereinstimmen müssen. Du kannst geboren werden und dein biologisches Geschlecht passt mit der Geschlechterrolle zusammen, die damit einhergeht. Du kannst aber auch teilweise oder komplett im Widerspruch dazu stehen oder diesen entwickeln. Welches ihre „richtige“ Geschlechtsidentität ist müssen die Menschen ganz wie ihre sexuelle Orientierung selbst bestimmen können. Die Unterdrückung von Transpersonen kennzeichnet aber gerade, dass ihnen dieses Selbstbestimmungsrecht über ihre eigene (Geschlechts-)Identität verwehrt wird. Das noch bestehende Transsexuellengesetz basiert auf dieser Verweigerung und ist daher transphob und reaktionär – ganz wie die Kampagne, die die EMMA und „Geschlecht zählt“ führen.

EMMAs Feminismus

So wie die bürgerliche Geschichtsschreibung auch gerne versucht zu vermitteln, dass Nationen, Volk und Vaterland immer existiert haben, wird durch die reine Fixierung auf Geschlechtsorgane das Geschlecht als eine rein biologische Kategorie naturalisiert, als eine unveränderliche Essenz festgeschrieben, die schon immer so gewesen wäre und bleiben müsste. Klar, durch die reine Existenz von Körpern wird es Kategorisierungen geben – aber sie sind nicht unveränderlich und werden wie bereits geschrieben von den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen mit geprägt.

Dass die EMMA sich eines starren biologischen Bildes bedient, ist kein Zufall. Vielmehr ist sie sogar darauf angewiesen. Eine materialistische Erklärung, woher Frauenunterdrückung eigentlich kommt, ist sie uns nämlich bis heute schuldig geblieben. Von deren Verbindung mit der Klassengesellschaft will sie erst gar nichts wissen. Statt dem nachzugehen und einen Ausweg zu bieten, werden unkritisch Ursula von der Leyens Brief über Sexismus im Beruf veröffentlicht, schön die antimuslimische Organisation Femen unterstützt, Islamophobie, wo es möglich ist, und Zweifel an der Existenz von Transmenschen geschürt. Oder in anderen Worten: Die Wurzel von Frauenunterdrückung und LGBTIAQ-Diskriminerung anzugreifen, spielt für die EMMA keine Rolle. Vielmehr geht es ihr darum, im kapitalistischen System mehr mitsprechen zu dürfen. Ein paar Quoten mehr hier, ein paar feministische Projekte da. Die EMMA ist das Sinnbild der verstaubten, weißen, bürgerlichen Frauenpolitik, die sich am biologischen Geschlecht festkrallt, weil sie gar nicht das Interesse hat, die Verhältnisse grundsätzlich in Frage zu stellen.

So sind Frauen halt Frauen, weil sie einen Uterus haben, mit dem sie Kinder gebären können, und werden unterdrückt, weil es eben so ist. trans Personen hingegen greifen dieses biologistische, essentialistische Bild an und erscheinen ihr als männliche Attacke auf die hart erkämpften Rechte der Frau.

Welche Lösung?

Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass der Queerfeminismus richtig liegt. Ja, die reaktionären Geschlechterrollen gehören (genau wie die EMMA) auf den Müllhaufen der Geschichte. Das Problem ist jedoch, dass das nicht so einfach geht, nur weil man es erkannt hat. Performative Akte, parodistische Übersteigerungen und Karikatur bestehender Normen können zwar reaktionäre Denk- und Handlungsmuster kenntlich machen, streifen das Problem aber letztlich nur an der Oberfläche.

Die Queer Theory erklärt das biologische Geschlecht als solches zu einer Konstruktion. Sexismus und Heteronormativität erscheinen nicht als ideologischer Ausdruck und Ergebnis gesellschaftlicher Unterdrückung, die auf einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung beruht, sondern Einstellung und Haltung werden zur Ursache der Unterdrückung erklärt. Die „heteronormative Matrix“, das „binäre“ Bild der Geschlechter, produzierte der Ideologie des Dekonstruktivismus zufolge tatsächlich erst „die Geschlechter“, so wie die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung als Ergebnis des Geschlechterdiskurses erscheint und nicht umgekehrt. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wird somit nicht als Ursache und Reproduktionsmechanismus der Frauenunterdrückung angesehen. Folgerichtig wird im Hier und Jetzt versucht, die vorhandene Kategorisierung abzuschaffen, statt die Verhältnisse zu bekämpfen und zu überwinden, deren Ausdruck sie sind. Dies ist letztlich eine Sisyphusarbeit, gerade so als würde man sich einbilden, kapitalistische Ausbeutung oder Unterdrückung dadurch abzuschaffen, dass die AusbeuterInnen über die Ausgebeuteten nicht mehr schlecht sprechen. Gerade hier wird deutlich, wie sehr der abstrakte Appell an „Respekt“ nicht nur ins Leere geht, sondern eigentlich in eine verkehrte Richtung. Schließlich besteht unser Hauptproblem nicht darin, dass die AusbeuterInnen und UnterdrückerInnen zu wenig Respekt zeigen, sondern dass die Ausgebeuteten und Unterdrückten ihren FeindInnen viel zu viel Achtung entgegenbringen.

RevolutionärInnen sollten dafür kämpfen, dass trans Frauen wie alle anderen Frauen behandelt werden – unabhängig davon, ob sie Operationen in Anspruch genommen haben oder Hormone nehmen.

Deswegen kämpfen wir für die Aufhebung aller diskriminierenden Gesetze gegen trans Personen, den Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Leben. Wir stehen für das Recht auf Selbstidentifizierung der Geschlechtsidentität, soweit es den Staat betrifft, und auch beispielsweise auf kostenlose medizinische Beratung sowie, wenn gewünscht, Geschlechtsangleichung.

Gleichzeitig muss festgehalten werden: Im Kapitalismus kann zwar eine formale, rechtliche Gleichstellung erkämpft werden – wobei nicht zuletzt die hartnäckige Verteidigung des Transsexuellengesetzes zeigt, wie schwer selbst das ist. Aber eine Überwindung der gesellschaftlichen Wurzeln der Unterdrückung von Transpersonen erfordert letztlich die Überwindung des Kapitalismus selbst. Der Kapitalismus bringt die starre binäre Einteilung in Mann und Frau auf Basis biologischer Merkmale immer wieder hervor, um die geschlechtliche Arbeitsteilung zu rechtfertigen und aufrechtzuerhalten. Das muss klar benannt werden, um gegen die Auslagerung der Reproduktionsarbeit ins Private und für die Vergesellschaftung der Hausarbeit zu kämpfen. Gerade weil sie schon durch ihre bloße Existenz die heteronormativen Rollenbilder und Geschlechtsidentitäten – und somit indirekt auch die ihnen zu Grunde liegende Arbeitsteilung in Frage stellen – erfahren Transmenschen, insbesondere -frauen im Schnitt mehr Gewalt, Arbeitslosigkeit und schlechtere Arbeitsbedingungen als die Masse der Frauen und Ausgebeuteten. Das heißt: Wir kämpfen für die Gleichbehandlung von trans- und cis Frauen. Gleichzeitig macht es Sinn, Unterschiede wo sie vorhanden sind, zu benennen.

Anstatt Unterdrückte gegeneinander auszuspielen und zu spalten, sollte man die Kämpfe miteinander verbinden. Wenn Menschen meinen, dass sich trans Menschen zum Spaß zu ihrer unterdrückten Identität bekennen, gesellschaftliche Stigmatisierung, Diskriminierung oder gar Gewalt aussetzen, um so eine „feministische Bewegung“ zu unterwandern, dann will man am liebsten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Stattdessen gilt es, den gemeinsamen Kampf auszuweiten und demokratische Forderungen mit sozialen zu verbinden, z. B. für ein Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten und für eine Arbeitszeitverkürzung. Konkurrenz kann nur durch einen sozialen und politischen Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung überwunden werden, durch die Schaffung einer ArbeiterInnenbewegung, die alle Formen der Ausbeutung und Unterdrückung bekämpft.




Ungarn: Erneuter Vorstoß gegen LGBTIQ-Personen

Heidi Specht, Neue Internationale 257, Juli/August 2021

Gesetze, die massive Verschlechterungen für LGBTIQ-Personen bedeuten, sind unter der Regierung Viktor Orbáns keine Seltenheit. Mitte Juni ging ein neues Gesetz durch das ungarische Parlament. Ursprünglich drehte sich der Entwurf ausschließlich um sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige und enthielt bereits Maßnahmen wie die Erstellung eines Pädophilenregisters. Kurzfristig gab es jedoch Abänderungen von Fidesz-Abgeordneten, nach denen sich dieses Gesetz klar in die Reihe der LGBTIQ-feindlichen Maßnahmen einordnen lässt.

Das neueste Gesetz

Kurz gesagt geht es darum, LGBTIQ-Personen und ihre Existenz weiter aus dem öffentlichen Raum und dem Bewusstsein zu verdrängen. Nicht nur wird jede aktive Aufklärung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren über Homosexualität, Transsexualität und Geschlechtsanpassung, zum Beispiel im Rahmen von Unterricht oder Vorträgen an Schulen, verboten. Unter-18-Jährige sollen darüber hinaus auch keinen Zugang mehr zu Inhalten erlangen, die diese als Teil der gesellschaftlichen Normalität darstellen. Das beinhaltet Bücher und Filme, kann aber noch wesentlich umfassender ausgelegt werden. Ist das Tragen einer Regenbogenfahne in Gegenwart Minderjähriger noch legal? Brauchen Bibliotheken zukünftig riesige Abteilungen, die Minderjährigen unzugänglich sind? Darf Harry Potter nur noch ab 18 gezeigt werden? Dürfen homosexuelle Paare ihre Kinder noch gemeinsam von der Schule abholen? Diese und andere Fragen werden derzeit heiß diskutiert – das Gesetz birgt massives Potential, die Unterdrückung weiter zu verschärfen.

Allgemein betrachtet bedeutet das, dass eine Generation herangezogen werden soll, in der Queerness nichts Normales ist, in der das hart erkämpfte und immer noch unzureichende Bewusstsein wieder aktiv zurückgebildet wird.

Konkret bedeutet es vor allem für LGBTIQ-Kinder und -Jugendliche eine massive Gefährdung. Ihnen wird die Aufklärung über Geschlechtsidentitäten und sexuelle Vorlieben, die über die „klassische Familie“ hinausgehen, verwehrt. Ihnen wird suggeriert, dass ihre Identität etwas Abnormales und Verbotenes sei. All das passiert in einer Lebensphase, die selbst für viele Cis-Heteromenschen keine einfache ist. Konkret bedeutet es die aktive Gefährdung der geistigen Gesundheit bis hin zu der des Lebens von Kindern und Jugendlichen.

Bisherige Gesetze

Dieses Gesetz reiht sich ein in stetige Angriffe seit inzwischen fast 10 Jahren:

  • 2012 wurde die Ehe als Bund zwischen Mann und Frau festgelegt.
  • 2013 wurde der Begriff Familie im Grundgesetz neu definiert: „Grundlage der Familienbeziehung ist die Ehe sowie die Eltern-Kind-Beziehung.“
  • 2018 wurde das Studium Gender-Studies verboten.
  • 2020 wurde zuerst die juristische Geschlechtsänderung verboten, indem in allen amtlichen Dokumenten der Begriff „Geschlecht“ durch den Begriff „Geburtsgeschlecht“ ersetzt wurde. Später im selben Jahr wurden Homosexuelle vom Recht auf Adoption ausgeschlossen.

Internationaler Aufschrei

Das neue Gesetz ist ein heißes Thema in der EU – auch das nicht zum ersten Mal. Unterschiedliche Fraktionen und Länder ergreifen Position für oder gegen das Gesetz. Unter den BefürworterInnen ist das Argument stark, die EU habe sich nicht in die innerstaatlichen Gesetze Ungarns einzumischen. Der Hauptfokus der Kritik im In- und Ausland bezieht sich auf die Vermischung von Homosexualität mit Kindesmissbrauch, die durch das neue Gesetz vorgenommen wird. Doch vor Sanktionen scheut man sich immer noch. Bisher belässt man es bei kritischen Worten oder symbolischen Aktionen. Die österreichischen Grünen ließen es sich nicht nehmen, eine Protestaktion an der Grenze zu organisieren – jene Grünen, die in der Regierung mit der ÖVP nicht nur anfangs die EU-Resolution gegen das Gesetz nicht mitunterzeichneten, sondern auch im eigenen Land Regelungen wie das Blutspendeverbot für homosexuelle und bisexuelle Männer mittragen.

Friede, Freude, Regenbogen im Kapitalismus

Nicht nur die österreichischen Grünen üben sich in Scheinheiligkeit. Genau wie Frauenunterdrückung liegt auch die von queeren Menschen im ureigensten Interesse des Kapitalismus. Die bürgerliche Kleinfamilie dient der Reproduktion der menschlichen Gesellschaft im kleinen Rahmen und der Arbeitskraft – und diese wird gefährdet durch jene Menschen, die sich nicht so einfach darin eingliedern lassen. Während in manchen Ländern Zugeständnisse erkämpft wurden, ist die Unterdrückung in anderen Teilen der Welt noch sehr viel ausgeprägter. Doch die Ereignisse in Ungarn führen uns schmerzhaft vor Augen, dass uns jeder erkämpfte Erfolg wieder genommen werden kann. Konservative Kräfte werden immer gegen jene kämpfen, die ihrer Moral nicht entsprechen und das System gefährden. Echte sexuelle Freiheit kann es in dieser Gesellschaft, die auf Ausbeutung und Unterdrückung aufgebaut ist, niemals geben. Die Regenbogenfahne bringt erst dann echte Befreiung, wenn sie während der Revolution getragen wird, die dieses System endgültig zu Fall bringt.




„Neutrale“ UEFA verbietet Regenbogenfarben

Susanne Kühn, Infomail 1153, 22. Juni 2021

Doppelmoral und Doppelbödigkeit dürfen in der Welt des Profifußballs offenbar nicht fehlen. Den jüngsten Akt in diesem Kapitel schrieb die Union der Europäischen Fußballverbände (UEFA) jüngst im Rahmen der EM.

Beim Spiel zwischen Deutschland und Ungarn darf die Münchner Allianz-Arena nicht in den Regenbogenfarben beleuchtet werden. Wörtlich heißt es: „Angesichts des politischen Kontextes dieses speziellen Antrags – eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen nationalen Parlaments abzielt – muss die UEFA diesen Antrag ablehnen.“

Schließlich, so der Verband weiter, sei man „politisch und religiös neutral“. Die Herren – Frauen sind in den Entscheidungsgremien der UEFA praktisch nicht vertreten – halten das vielleicht sogar für eine Art Entschuldigung. Jedoch, die „Überparteilichkeit“ der UEFA erweist sich als Unterstützung für die rechte Orbán-Regierung. Selbst symbolische Kritik an der extrem homophoben Gesetzgebung des ungarischen Parlaments und der Regierung wird auf ihr Geheiß unterbunden.

Das reaktionäre Gesetz

Dabei hat es das am 15. Juni gebilligte Gesetz gegen sog. Homosexuellenpropaganda in sich. Filme, Bücher sowie andere Medien und Darstellungen dürfen Minderjährigen grundsätzlich nicht mehr zugänglich gemacht werden. Dies umfasst nicht nur  Darstellungen in öffentlichen und privaten Medien, sondern im Grunde auch in Bibliotheken. Darüber hinaus wird Aufklärung im Schulunterricht tendenziell illegalisiert. Vorträge zu den Themen Homosexualität und Geschlechtsumwandlungen dürfen in Zukunft nur noch von Organisationen gehalten werden, die von der Regierung ausgewählt werden.

Das Werbeverbot gegen Homosexualität und Geschlechtsumwandlungen ist im Gesetz außerdem so weit gefasst, dass theoretisch selbst das Tragen der Regenbogenfahne als „Werbung“ interpretiert und bestraft werden kann. Schließlich werden bewusst Strafverschärfungen für Pädophilie, Kinderschutz und ein Verbot der Propagierung von Homosexualität bei Minderjährigen vermengt, um so dem Ganzen den Anstrich eines vorgeblichen Kinder- und Jugendschutzes zu verleihen.

Schöne Fußballwelt?

Die Einheit der schönen heilen Fußballwelt geht den geschäftstüchtigen Bossen des europäischen Profi(t)fußballs offenkundig über alles. Da passt selbst eine Geste der Stadt München nicht ins Bild. Da wird schon eine Kapitänsbinde in Regenbogenfarben, wie sie der Torwart Neuer trägt, zu einer umstrittenen Sache und Anlass für Ermittlungen.

Die Entscheidung der UEFA wirft einmal mehr ein Schlaglicht auf den Profisport im Allgemeinen und den Fußball im Besonderen. Schließlich sind Homophobie, Rassismus oder Sexismus leider keine Besonderheit, sondern gehören zum Sport- und Stadionalltag. Ein Coming Out stellt bis heute für viele homosexuelle SportlerInnen, ob Profis oder AmateurInnen, einen angstbesetzten Schritt oder gar einen Spießrutenlauf dar – und zwar nicht nur in Ungarn.

Dass sich viele Spieler des EM-Teams, Spielerinnen des Frauen-Nationalteams, Profis anderer Länder oder KommentatorInnen gegen Homophobie (und auch gegen Rassismus und Sexismus) positionieren wollen, bedeutet zweifellos einen Fortschritt gegenüber den gar nicht allzu lange zurückliegenden Zeiten, als das Thema Homosexualität im Sport vollkommen tabuisiert und unter den Teppich gekehrt wurde.

Da der Fußball wie jede große Sportart vor allem ein gigantisches Milliardengeschäft mit astronomischen Werbeeinnahmen ist, sind auch viele KritikerInnen der UEFA-Entscheidung nicht frei von Doppelmoral, zumal wenn sie aus der Sportwelt, Vereinsvorständen oder gar dem Sponsoring kommen.

So schön ein Beleuchten deutscher Stadien in den Regenbogenfarben auch sein mag, allzu weit über Symbolik hinaus soll der Protest gegen rechte Politik, Homo- und Transphobie, Sexismus und Rassismus nun auch nicht gehen. Schließlich folgt auf die EM die WM 2022 – in Katar. Dort sitzen nicht nur reaktionäre, despotische Machthaber, dort werden nicht nur Frauen, Schwule, Lesben, Transpersonen brutal unterdrückt. In dem Land sitzen auch einige der wichtigsten SponsorInnen und EigentümerInnen des europäischen Vereinsfußballs. Vor allem aber, die WM will sich auch kaum eine/r der Orbán-KritikerInnen entgehen lassen. 2022 will keiner von den verantwortlichen Fußballbossen, keine TV-Anstalt, aber auch keiner der Profis fehlen. Von einer Absage der WM, von einem Boykott mag niemand etwas wissen, auch wenn alle Stadien durch moderne Sklavenarbeit erbaut wurden.

Fans und Vereinsmitglieder

Wenn wir Homophobie, Sexismus Rassismus, Überausbeutung beim Stadienbau und andere Erscheinungen des modernen Profisports wirklich bekämpfen wollen, so dürfen wir uns dabei nicht auf jene verlassen, die gegen Homophobie und andere reaktionäre Verhaltensweisen nur solange einschreiten, als es ihre Geschäftsinteressen nicht schädigt. D. h. wir müssen jene gegen Diskriminierung, Rassismus, Sexismus und Ausbeutung beim Bau von Sportanlagen organisieren, die keine Geschäfts- und Gewinnabsicht mit dem Sport verfolgen – die Millionen lohnabhängiger Fans und Vereinsmitglieder. Natürlich finden sich auch bei diesen oft reaktionäre Ideen, gegen die linke und fortschrittliche Fans organisiert, aufklärend und offensiv angehen müssen. Aber im Unterschied zu Vereinsbossen und anderen, die beim Milliardengeschäft Profifußball mit absahnen, hat diese Masse kein materielles Interesse an der Aufrechterhaltung einer Profitmacherei, die untrennbar mit Ausbeutung, Unterdrückung und Doppelmoral verbunden ist.




Queer-Unterdrückung in Pakistan

Huma Khan & Falak Ali, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 9, März 2021

Auf dem Aurat-Marsch (1) 2020 hissten queere (2) Genossinnen und Genossen die Regenbogenflagge. Während wir als SozialistInnen stolz auf diesen Akt des Widerstands gegen sexuelle und Gender-Unterdrückung sind, waren einige feministische FührerInnen anderer Meinung. In der Folge mussten sich queere AktivistInnen mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass es „unfair und dominierend von queeren Menschen sei, die Aurat Marsch-Bewegung auf diese Weise zu kapern“. In diesem Artikel werden wir argumentieren, warum Pakistans Queers ein integraler Bestandteil der sozialen Bewegungen des Landes sein müssen. Insbesondere die Queer- und die Frauenbewegung teilen gemeinsame Interessen. Indem wir sie hervorheben, wollen wir zeigen, wie queere Forderungen zu einem dynamischen Hebel bei der Entwicklung einer sozialistischen und ArbeiterInnenklasse-Politik werden können.

Queer-AktivistInnen sehen seit langem, wie sich das Schweigen, das sie in der Gesellschaft erfahren, in Pakistans linken und feministischen Kreisen reproduziert. Während die meisten linken Parteien und Organisationen sich einfach nicht darum scheren, ist die Stimmung, insbesondere in den etablierteren und damit einflussreichen feministischen Kreisen: „Frauenrechte zuerst“. In der Zwischenzeit sind viele der OrganisatorInnen des Aurat-Marsches, so werden wir argumentieren, nur gegenüber Teilen der queeren Gemeinde einladend. Nur eine kleinere und weniger einflussreiche Gruppe von radikalen FeministInnen und SozialistInnen wie wir will, dass alle queeren Menschen ein integraler Bestandteil des Kampfes gegen das Patriarchat sind. Solche ausgrenzenden Praktiken der derzeitigen Mehrheit der pakistanischen feministischen Bewegung beginnen, unseren Bewegungen zu schaden. Dieses Jahr haben sich queere Kollektive wie das Non-Binary Collective (Nicht-Binäres Kollektiv) aus den Organisationsgremien des Aurat-Marsches zurückgezogen.

Nach unserem Verständnis sind obengenannte politischen Konzepte mehr als ausgrenzend. Sie folgen einer Logik, die von den klassenbezogenen Strategien der Bewegung geprägt ist. Obwohl der Aurat-Marsch bisweilen eine radikale Terminologie verwendet, würden wir seine vorherrschende Politik zum jetzigen Zeitpunkt jedoch als bürgerlichen Feminismus charakterisieren. Es ist richtig, dass die pakistanische Frauenbewegung mit dem neuen Jahrhundert eine neue Wendung genommen hat. Im Mittelpunkt der heutigen Proteste stehen die individuellen Erfahrungen und Rechte der Frauen. Auch wenn der Aurat-Marsch jedes Jahr einen Forderungskatalog herausgibt, ist der klassische Kampf für eine bestimmte Gesetzgebung nicht mehr so präsent wie früher.

Eine Bewegung mit einem Mittelklassen-Standpunkt

Ohne die wohlwollende Aufmerksamkeit schmälern zu wollen, die der Aurat-Marsch auf die verabscheuungswürdige Frauenunterdrückung in Pakistan gelenkt hat, sei gesagt, dass es sich dabei in der Regel um die spezifischen Erfahrungen von Frauen aus den Mittelschichten und der Bourgeoisie handelt. Als Reaktion auf radikalere Stimmen innerhalb der Bewegung haben einige FührerInnen für eine „klassenübergreifende Bewegung“ plädiert, die „alle Frauen“ repräsentiert. Das praktische Ergebnis bliebe jedoch dasselbe, da eine solche Konzeption notwendigerweise die Zurückstellung der spezifischen Interessen der Bäuerinnen, der Unterschicht und der Arbeiterinnen und damit der Interessen der Mehrheit der sozial Unterdrückten bedeuten würde. Dies hat wichtige Implikationen für die Perspektive sowohl der Frauen- als auch der Queer-Bewegung.

Wenn sich unsere Bewegungen nicht mit der ausbeuterischen Arbeitsteilung des Kapitalismus befassen und sie tatsächlich in den Mittelpunkt stellen, die sowohl in der Industrie und der Landwirtschaft (produktive Sphäre) als auch in unseren Familien (reproduktive Sphäre) zum Ausdruck kommt, werden sie die pakistanische Gesellschaft nicht radikal verändern können. Die Befreiung bleibt also auf den Bereich der formalen Rechte beschränkt, sei es durch eine Änderung des gesunden Menschenverstands oder der Gesetze.

Dies wiederum erklärt den Alibicharakter des Aurat-Marsches in Karatschi gegenüber Khwaja Sira (Trans-Frauen). Diejenigen, denen eine Bühne gegeben wird, wären oft Trans-Frauen, die sich mit Hilfe von Nichtregierungsorganisationen in glamouröse, liberale Berühmtheiten verwandelt haben. Dieser Ansatz stellt die Frage jedoch vom Kopf auf die Füße. Natürlich sollten queere Menschen das gleiche Recht haben, Prominente und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu werden, aber das Problem der queeren Gemeinschaften Pakistans, insbesondere der Khwaja Sira, besteht darin, dass sie gezwungen sind, unter den prekärsten Bedingungen zu leben und zu arbeiten. Die Lösung ihrer Probleme liegt nicht darin, dass einige wenige von ihnen Teil der Elite werden, sondern darin, ein patriarchalisches Klassensystem herauszufordern, das sie in die Prostitution, die Aufführung von Tänzen oder zum Betteln zwingt.

Außerdem zählte diese Inklusion nur für einige queere Menschen. Wie die Cis-Het-OrganisatorInnen des Aurat-Marschs 2019 sagten: „Unsere Mitgliedschaft ist nur für Trans-Frauen offen“. Interne Widerstände radikaler AktivistInnen führten dazu, dass sie ihre Haltung aufweichten, aber nur geringfügig. Während man sich darauf einigte, dass der Marsch die Unterdrückung von „sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten“ thematisieren würde, hieß es, dass nur binäre Trans-Frauen und geschlechtsinkonforme Menschen OrganisatorInnen des Aurat-Marsches werden könnten. Schwule und Trans-Männer wurden ausgeschlossen, da behauptet wurde, dass „schwule Männer auch Frauenfeindlichkeit verinnerlicht haben“.

Bevor wir erörtern, was unserer Meinung nach ein sinnvoller Kampf sein könnte, der sich in die Kämpfe und Forderungen der queeren Menschen integriert, lasst uns einen Blick auf die bestehende Situation der queeren Gemeinschaft in Pakistan werfen.

Vielschichtige Natur der Unterdrückung: Familie, Gesetz und staatliche Strukturen

Die Frauenbewegung in einem halbkolonialen Land wie Pakistan wird eindeutig von globalen Entwicklungen wie den weltweiten Frauenstreiks beeinflusst. Gleichzeitig hat sie aber auch ihre eigenen spezifischen Merkmale und Herausforderungen zu bewältigen, die sich aus den besonderen objektiven Bedingungen der pakistanischen Gesellschaft ergeben. Die Existenz der Khwaja Sirai als soziales und kulturelles Phänomen in der südasiatischen Gesellschaft – aus Gründen, auf die wir in diesem Artikel nicht näher eingehen können – ermöglicht ihre Sichtbarkeit und eine gewisse Akzeptanz für ihre wahrnehmbare Existenz in Pakistan. Für bestimmte TheoretikerInnen mit postkolonialen Neigungen führt dies zu einer Romantisierung der scheinbar fortschrittlichen südasiatischen Gesellschaft im Vergleich zu den oft offen transphoben „westlichen“ Gesellschaften. Die objektiven Bedingungen in Ländern wie Pakistan zeigen jedoch ein anderes Bild. Für die meisten queeren und Transgender-Menschen ist finanzielle Unabhängigkeit nach wie vor das größte soziale Problem für das Funktionieren ihres Lebens. Aber die Schwere dieses Problems ist im Fall von binären Trans-Menschen noch viel gravierender. Ihre Geschlechtsidentität entspricht nicht dem biologischen Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, was bedeutet, dass sie durch ihr Geschlechtsverhalten und sexuellen Ausdruck sehr sichtbar sind. Der Preis für diese Sichtbarkeit wird zuerst im Elternhaus bezahlt. Familien von Trans-Personen werfen sie aus dem Haus und entziehen ihnen ihren Anteil am Erbe. Dies ist eine weit verbreitete soziale Realität für die große Mehrheit der Trans-Menschen. In diesem Sinne wird die spezifische Natur der Sexualität von Trans-Menschen von der Institution Familie gegen sie verwendet. Diese spezifische Natur nimmt ihnen auch die Möglichkeit, ein geheimes Doppelleben zu führen wie binäre Schwule oder Lesben. Infolgedessen bleiben den Khwaja Sira drei Berufe zur Auswahl: Sexarbeit, Tanzen auf Partys und Betteln.

Während das weithin gefeierte Transgender-Schutzgesetz eine dritte Geschlechtskategorie in allen offiziellen Dokumenten vorsieht, zeigt die Frage der Erbschaft, wie Transgender-Frauen gezwungen werden, sich als Männer eintragen zu lassen. Das liegt daran, dass nach dem Scharia-Gesetz Männer zwei Anteile am Erbe bekommen, Frauen nur einen. Aufgrund dieser patriarchalen Diskriminierung würden sich die meisten Transgender-Frauen in ihren Ausweisdokumenten als Männer eintragen lassen, in der Hoffnung, dass sie in der grausamen Anarchie des Kapitalismus einen größeren Anteil am Erbe erhalten würden.

Transgender-Schutzgesetz: eine progressive bürgerliche Reform?

Das 2018 von der pakistanischen Nationalversammlung verabschiedete Transgender-Schutzgesetz (3) bietet auf dem Papier eine Reihe von Schutzmaßnahmen für Transgender-Menschen, darunter das Recht auf Selbstidentifikation. Es wird sowohl von Liberalen und Nichtregierungsorganisationen (4) (5) als auch von bürgerlichen Medien (6) (7) als fortschrittliche Maßnahme angepriesen. Während wir die Verabschiedung eines Gesetzes begrüßen, das Menschen das Recht auf Selbstidentifikation zugesteht, bleibt das Gesetz weitgehend ein Fortschritt nur auf dem Papier. Erst letztes Jahr wurde eine Transgender-Überlebende einer Vergewaltigung, Julie, acht Tage lang mit männlichen Insassen im Gefängnis eingesperrt. (8)

Außerdem wird die Verabschiedung dieses Gesetzes als eine bürgerliche Reform dargestellt, die von einem Teil der herrschenden Klasse Pakistans aus der Güte ihres „fortschrittlichen“ Herzens gewährt wird. Doch wie jeder anderen Reform geht auch dieser Gesetzgebung eine Geschichte des Widerstands voraus. Sie folgt auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2012, das pakistanischen Transgender-Personen zwar die Anerkennung als BürgerInnen eines dritten Geschlechts gewährte, aber auch empfahl, Tests durchzuführen, um festzustellen, ob „Eunuchen“ – wie das Urteil sie gerne nannte – tatsächlich „Eunuchen“ waren. Diese Empfehlung führte zu Protesten von Trans-Menschen, die argumentierten, dass Männern und Frauen die Identität auf der Grundlage ihres Wortes zugestanden wird. Warum also müssen sich Trans-Menschen entsetzlichen Prozeduren solch invasiver Tests unterziehen? (9)

Darüber hinaus gewährt das Transgender-Personen-Gesetz 2018 Trans-Männern und -Frauen aller Religionen die gleichen Erbrechte, die cis-geschlechtlichen Männern und Frauen nach islamischem Recht zustehen (der Anteil der Frau beträgt die Hälfte des Anteils ihrer männlichen Geschwister am Erbe). (10)

In ähnlicher Weise darf es laut dem Gesetz keine Diskriminierung von Transgender-Personen bei der Zulassung zu öffentlichen oder privaten Bildungseinrichtungen geben, „vorbehaltlich der Erfüllung der vorgeschriebenen Anforderungen“. Wie Semra Islam jedoch veranschaulicht, berücksichtigen die vorgeschriebenen Anforderungen nicht, dass die gelebten Erfahrungen von Trans-Personen diese Anforderungen nicht erfüllen können, da sie oft aus ihren Familienhäusern geflohen sind, unter anderem aufgrund der Auferlegung von normativen männlichen Rollen. (11) Dies wird auch durch Shahnaz Khans Forschung unterstützt:

Viele brechen die Schule ab und laufen von zu Hause weg, um eine einladendere Umgebung unter der Leitung eines Gurus zu finden, der sie ermutigt, zu singen, zu tanzen und Formen der Lust auszudrücken, die zu Hause und in der Schule verboten sind. (12)

Islam weist auch auf die transphobe gelegentliche Verwendung des männlichen Pronomens „er“ für alle Transgender-Personen als eine „eklatante ,Inkonsistenz’ im Gesetz“ (13) hin. Die Verwendung des Begriffs „Eunuchen“ zeigt auch, wie sich die juristischen Eliten an die diskriminierende koloniale Ausdrucksweise angepasst haben. Kurzum, entgegen der Darstellung in den bürgerlichen Medien ist das Gesetz in einem begrenzten Sinne fortschrittlich, und das auch nur auf dem Papier. Das Fehlen von Strafmaßnahmen (14), die für alles, was das Gesetz kriminalisiert, skizziert werden, reduziert es auf einen progressiven Alibicharakter, dessen Anwendungsbereich nur in der Theorie besteht.

Der Fluch von Abschnitt 377 und Hudood-Gesetzen für die sexuell Unterdrückten

Eine weitere wichtige Überlegung, die berücksichtigt werden muss, ist das Vorhandensein von Gesetzen wie Section 377 und der Hudood Verordnungen (4 Verordnungen zur Islamisierung des Strafrechts in Pakistan, die der Diktator Zia ul-Haq 1979 erließ), die Teil des komplexen Rechtssystems in Pakistan sind, in dem zwei parallele Systeme gleichzeitig gelten. Es gibt Gesetze, die auf der Verfassung beruhen, und solche, die sich aus einer bestimmten (hanafitischen; eine der 4 Rechtsschulen des sunnitischen Islams) Lesart der Scharia, also der islamischen Rechtsprechung, ableiten. Wie Khan darlegt, gewähren diese Gesetze Männern und Frauen unterschiedliche Rechte in Bezug auf Heirat und Erbschaft. (15) Auf diese Weise lassen andere diskriminierende Gesetze und soziale Strukturen trotz scheinbar antidiskriminierender und trans-anerkennender Gesetze oft wenig Raum für Trans-Frauen, sich in Personaldokumenten tatsächlich als Frauen auszuweisen. Denn wenn sie das täten, würde dies bedeuten, dass sie auf die Hälfte des Anteils am Erbe verzichten müssten, den sie erhalten würden, wenn sie sich als Männer auswiesen.

Dies verdeutlicht das objektive Interesse von Trans-Frauen und Cis-het-Frauen, einen kollektiven Kampf gegen eine solche Gesetzgebung unter der Führung eines Programms der ArbeiterInnenklasse zu führen. Warum bestehen wir auf der Notwendigkeit eines Programms der ArbeiterInnenklasse?

Wir erkennen zwar an, dass Trans-Menschen aus allen Klassen unter schwerer und systematischer Unterdrückung leiden, aber ihre unterschiedlichen Klasseninteressen verleihen ihr auch einen anderen Ausdruck und prägen das politische Programm und die Forderungen, die sie vertreten und priorisieren. Für Trans-Frauen (und -Männer) aus der ArbeiterInnenklasse, binäre lesbische Frauen oder schwule Männer und nicht-binäre Menschen ist die Unterdrückung selbst an ihre Klassenposition gebunden. Das bedeutet nicht nur, dass sie dieselben objektiven Interessen mit allen Teilen der ArbeiterInnenklasse teilen, sondern auch, dass ihre Befreiung eng mit der Bewältigung der sozialen Benachteiligung, der Armut und des Elends verbunden ist, mit denen sie als Trans-Menschen mit einem ArbeiterInnenhintergrund konfrontiert sind.

Die Situation für unterdrückte Menschen aus einem kleinbürgerlichen oder Mittelschichts-Hintergrund (um nicht von der herrschenden Klasse zu sprechen) stellt insofern anders dar, als sie auch an die sozialen Privilegien gebunden sind, die mit ihrer Klassenposition einhergehen. Daher neigen sie dazu, sich auf den Kampf um gleiche Rechte zu konzentrieren oder ihn sogar zu begrenzen, und vernachlässigen dabei die große Masse der Trans-Menschen. Während wir möglichst viele Unterdrückte aus der ArbeiterInnenklasse, der Bauern-/Bäuerinnenschaft, aber auch aus dem städtischen KleinbürgerInnentum und den Mittelschichten vereinen wollen, bleibt die Frage, welche soziale Klasse eine solche Bewegung anführt.

Aus unserer Sicht ist ein Programm der ArbeiterInnenklasse der Schlüssel, wenn wir konsequent für die Befreiung aller Unterdrückten kämpfen wollen, denn nur ein solches Programm kann den Kampf mit seinen gesellschaftlichen Wurzeln, der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung im Kapitalismus und der damit einhergehenden patriarchalischen Familieninstitution und -gesetze, verbinden.

Wie wir in den folgenden Abschnitten zeigen werden, weist die diskriminierende Gesetzgebung auf die Notwendigkeit eines kollektiven Kampfes zusammen mit allen queeren Menschen hin, einschließlich der binären schwulen und lesbischen sowie der nicht-binären Menschen.

Während es für Transgender-Personen einen gewissen Schutz gibt, wenn auch nur auf dem Papier, gibt es in Pakistan keine BürgerInnenrechtsgesetze zum Schutz von Schwulen und Lesben vor Diskriminierung. (16) Homosexuelle Handlungen sind nach Gesetzen aus der Kolonialzeit wie Abschnitt 377 illegal. Ebenso können eine heterosexuelle Frau und ein heterosexueller Mann, die nicht miteinander verheiratet sind, nach Abschnitt 496B des pakistanischen Strafgesetzbuchs ins Gefängnis gehen und mit einer Geldstrafe belegt werden, wenn sie einvernehmlichen Sex miteinander haben. (17) Wie RechtsexpertInnen wie Rafia Zakaria betonten:

„Die Unterlagen über Frauen, die unter dem Vorwurf der Unzucht oder des Ehebruchs nach den Hudood-Verordnungen inhaftiert wurden, zeigen, dass es die armen Frauen Pakistans sind, die am häufigsten Opfer der unkontrollierten Macht des Staates bei der Gesetzgebung zur Moral im Namen des Islam werden. Daher mögen die versprochenen Änderungen der Rechtsprechung im Rahmen des [Frauenschutz-]Gesetzes zwar ein linderndes Pflaster auf eine eiternde Wunde legen, aber sie gehen an der Realität vorbei, dass eine arme Frau, die sich dazu entschließt, eine Vergewaltigungsklage einzureichen, immer noch mit unglaublichen Herausforderungen konfrontiert ist, die von diesem politisch inspirierten Stück Gesetzgebung grob ignoriert werden.“ (18)

In ähnlicher Weise haben schwule Männer und Khwaja Sira aus der ArbeiterInnenklasse nur zwei Möglichkeiten, wenn sie Angst vor einer HIV/AIDS-Exposition haben: in ein öffentliches Krankenhaus zu gehen, um innerhalb von 72 Stunden nach der Exposition Zugang zu PEP (Postexpositionsprophylaxe) zu erhalten oder zu riskieren, HIV/AIDS zu bekommen, indem sie nichts dagegen unternehmen. An dieser Stelle kommen Abschnitt 377 und die Heuchelei des pakistanischen Staates ins Spiel. Einerseits wird PEP aufgrund internationaler Abkommen und der finanziellen Unterstützung des pakistanischen Staates von der Regierung in öffentlichen Krankenhäusern angeboten, in denen es Abteilungen gibt – separate Räume für Khwaja Sira, Schwule und Lesben. Auf der anderen Seite wird Abschnitt 377 gegen diese Menschen eingesetzt, weil sie „unnatürlichen Sex“ haben, und es gab sogar schon Fälle, in denen ÄrztInnen diese Menschen wegen dieses „Verbrechens“ bei der Polizei angezeigt haben. Die ÄrztInnen in solchen Einrichtungen verfügen über immense Macht über diese verletzlichen PatientInnen, weil PEP nur nach dem Sammeln nicht nur persönlich identifizierbarer Informationen, sondern auch übermäßig eindringlicher Details wie dem Geschlecht der Person, mit der man Sex hatte, bereitgestellt wird.

Währenddessen müssen Schwule aus reichen, gehobenen und bürgerlichen Verhältnissen nicht mit all diesen Hürden kämpfen, wenn sie die „richtigen Kontakte“ haben. Natürlich gibt es auch in der queeren Gemeinschaft verschiedene Klassen, deren objektive Interessen im Kapitalismus unvereinbar sind. Kleinbürgerliche queere Menschen hatten ebenso wie die entsprechenden Cis-het-Menschen ein Problem damit, die Erkennungsfahne beim Aurat-Marsch zu hissen. Ihrer Meinung nach ist eine solche Sichtbarkeit „nicht“ das, was wir brauchen, weil sie uns angreifbarer macht. Auf der anderen Seite sind kleinbürgerliche Queers, die Nichtregierungsorganisationen leiten, ins Ausland reisen und Zuschüsse von der EU bekommen, bereits sichtbar und als schwul geoutet. Ihre sexuelle Identität ist bereits offengelegt, weil sie nicht denselben Gefahren ausgesetzt sind wie ein schwuler Mann aus der ArbeiterInnenklasse aufgrund des Privilegs ihrer sozialen Klasse. Queere Menschen aus der ArbeiterInnenklasse fragen ihre kleinbürgerlichen KollegInnen, warum sie ihre privilegierte Position in der Gesellschaft nicht nutzen, um die Frage der Offenlegung der eigenen sexuellen Identität zu politisieren. „Warum kämpfen sie nicht dafür, dass die große Mehrheit von uns sich outen kann?“, fragen sie. „Queerness ist ein politisches Problem, das im Mainstream verankert werden muss. Unsere Sichtbarkeit ist nicht irgendein liberales Narrativ, es ist eine politische Frage. Indem sie sich weigern, die Frage zu politisieren, drängen privilegierte queere Menschen die größere queere Gemeinschaft dazu, im Verborgenen zu bleiben.“

All dies verdeutlicht, dass Cis-het-Frauen, binäre Trans-, schwule und lesbische sowie nicht-binäre Menschen aus der ArbeiterInnenklasse aufgrund ihrer Klassenlage einer spezifischen sozialen Unterdrückung ausgesetzt sind und daher ein objektives Interesse hegen, gemeinsam zu kämpfen. Es ist wahr, dass Machtkämpfe, Konkurrenz und Gleichgültigkeit die Gemeinschaft derjenigen plagen, die aufgrund ihres Geschlechts unterdrückt werden. Wir sehen das an der mangelnden Bereitschaft von Arbeiterinnen, für die bürgerlichen Freiheiten lesbischer Kolleginnen zu kämpfen. Wir sehen dies auch in der Gleichgültigkeit, die gegenüber der Unterdrückung von Schwulen und Lesben von Trans-Frauen an den Tag gelegt wird, nachdem das Transgender-Schutzgesetz verabschiedet wurde. Der Terfismus (Transphobie) in der Frauen- oder binären Schwulen- und Lesbenbewegung ist ein weiteres Beispiel dafür.

Dies verdeutlicht, was die Liga bereits in ihren Thesen zur Trans-Unterdrückung festgestellt hat: „ … Konflikte zwischen sozial Unterdrückten, das Aufeinanderprallen von gegenseitigen Forderungen und Ansprüchen sind in der bürgerlichen Gesellschaft keine Seltenheit, sie kommen immer wieder vor.“ (19)

Kampf gegen die Institutionen bürgerliche Familie und Kapitalismus

Der entscheidende Punkt hier ist, dass, ob die geschlechtlich und sexuell Unterdrückten sich dessen bewusst sind oder nicht, ihre Unterdrückung in der Institution der bürgerlichen Familie im Kapitalismus verwurzelt ist. Diese Unterdrückung ist entscheidend für die Funktionsweise des Kapitalismus. Ob man sich dessen nun in der gegenwärtigen Lage bewusst ist oder nicht, unser objektives Interesse als Cis-het-Frauen, binäre Trans-, schwule und lesbische und nicht-binäre Menschen aus der ArbeiterInnenklasse liegt daher darin, gemeinsam gegen repressive und diskriminierende Gesetze und für bürgerliche Freiheiten wie das Recht zu heiraten, das Recht zu adoptieren usw. zu kämpfen.

Unsere cis-het und schwulen männlichen GenossInnen aus der ArbeiterInnenklasse sollten auch Teil dieses Kampfes werden. Warum? Ihr objektives Interesse liegt in einem antisexistischen Kampf. Es sind immer diejenigen aus dem ArbeiterInnenmilieu, die für etwas so Menschliches und Natürliches wie Sex zum Opfer werden. Unser Recht auf körperliche Autonomie als Menschen sollte nicht von diesem oder jenem religiösen oder kulturellen Dogma abhängig gemacht werden.

Es stimmt, dass es angesichts der extrem rückständigen Natur des pakistanischen Patriarchats gefährlich sein kann, seine Stimme gegen ein solches Dogma zu erheben. Aber jede politische Arbeit in Pakistan birgt die Gefahr staatlicher Unterdrückung. Wenn wir schon in Bezug auf unsere grundlegenden bürgerlichen Freiheiten unterdrückt  werden, können wir genauso gut mit staatlicher Repression rechnen, wenn wir für das kämpfen, was unser kollektives Recht ist, nämlich das Recht, unser Leben in Würde und mit den Freiheiten zu leben, die jeder Mensch verdient.

Aber kann dieser Kampf nur über die Gesetzgebung gewonnen werden? Nein. Es muss ein Kampf geführt werden. Es muss ein Ringen sein, das von Anfang an sehr klar ist über die unversöhnlichen Interessen der queeren Menschen aus der ArbeiterInn- und der herrschenden Klasse sowie auch jener queeren Menschen, die sich sozialer Privilegien erfreuen und diese gegen die Interessen der ArbeiterInnenklasse verteidigen. Queere Menschen aus der ArbeiterInnenklasse haben ihre Verbündeten in den cis-het Männern und Frauen der ArbeiterInnenklasse. Gleichzeitig versuchen sie, queere kleinbürgerliche und Mittelschichts-Menschen und cis-het Männer und Frauen für ihre Sache zu gewinnen, ohne Zugeständnisse an kleinbürgerliche politische Programme zu machen. Während die ArbeiterInnenklasse in der Lage sein kann, die Mittelschichten der Gesellschaft hinter sich zu versammeln, ist es klar, dass diejenigen, die aus einem bürgerlichen Hintergrund kommen, die die Produktionsmittel besitzen und verwalten, immer im Widerspruch zu denen stehen werden, die mit diesen Produktionsmitteln arbeiten. Daher werden letztere mit ihrer Klasse brechen müssen. Beider Interessen sind unversöhnlich, und das ist das Wesen der Produktionsverhältnisse und die Grundlage der politischen Ökonomie.

Als wissenschaftliche MarxistInnen erkennen wir auch die grassierende Trans- und Queerphobie in der ArbeiterInnenklasse, und wir wollen eine Strategie entwickeln, mit der wir auch gegen solche Übel in der ArbeiterInnenbewegung aufstehen, weil unser wirkliches materielles Interesse darin liegt, gemeinsam zu kämpfen. Aber wir sind uns darüber im Klaren, dass dies – genau wie im Fall des Kampfes gegen die Unterdrückung der Frauen in der ArbeiterInnenklasse – eine scharfe und dauerhafte Auseinandersetzung mit männlichem Chauvinismus und Transphobie innerhalb der Klasse erfordert, einschließlich des Rechts auf Caucus für Trans-Personen und der offenen Herausforderung aller Formen von Transphobie innerhalb unserer Bewegung.

Letztendlich liegt es im objektiven Interesse der gesamten ArbeiterInnenbewegung, einschließlich der cis-het Männer und Frauen sowie aller queeren Menschen der ArbeiterInnenklasse, zu verstehen, dass die Wurzel der geschlechtsspezifischen sozialen Unterdrückung in der Institution der bürgerlichen Familie liegt.  Um gegen diese Wurzel zu kämpfen, müssen wir kollektiv uns für die Abschaffung des Privateigentums engagieren. Damit meinen wir keineswegs, dass wir den Kampf für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen der ArbeiterInnenklasse und queeren Menschen am Erbe aufgeben. Es gibt einen klaren Unterschied zwischen persönlichem Eigentum und Privateigentum. Letzteres ist das Eigentum an den Produktionsmitteln, das die Essenz der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse ist.

Was wir meinen, ist, dass unsere Kämpfe darauf ausgerichtet sein müssen, die Wurzel unserer kollektiven Unterdrückung und Ausbeutung abzuschaffen, das heißt, die ungleichen Eigentumsverhältnisse unter der Anarchie des Kapitals. Nur unter der Führung einer wirklich revolutionären Strategie können wir die gemeinsame Ursache unserer Unterdrückung mit Stumpf und Stiel ausreißen. Eine solche Strategie muss auf unnachgiebiger Klassenunabhängigkeit und der kollektiven Notwendigkeit beruhen, das ausbeuterische und unterdrückerische System des Kapitalismus abzuschaffen und es durch eine demokratische Regierung der ArbeiterInnen zu ersetzen, die alle umfasst, also auch cis-het und queere ArbeiterInnen.

In der gegenwärtigen Situation müssen wir unmittelbare demokratische und soziale Forderungen für Trans-Personen mit den breiteren Fragen der ArbeiterInnenklasse verknüpfen.

Wir können unseren Kampf in diese Richtung beginnen, indem wir eine Kampagne für die Abschaffung von Abschnitt 377 und aller anderen diskriminierenden Gesetze aufbauen. Frauen und Trans-Personen müssen auf allen Ebenen, vor den Gerichten und im privaten und öffentlichen Leben die gleichen Rechte erhalten.

Wir müssen ein Recht auf Bildung, Ausbildung und Arbeit für alle Trans-Menschen bei voller Bezahlung sicherstellen, damit sie nicht zur Prostitution und zum Betteln gezwungen werden.

Trans-Menschen müssen, genau wie Frauen, das Recht auf Schutz vor Gewalt und Entbehrung zu Hause sowie durch reaktionäre Kräfte haben. Wir fordern den Bau von sicheren Häusern für Opfer solcher Gewalt – öffentlich finanziert, aber von Trans-Menschen selbst betrieben.

Solche unmittelbaren Forderungen sollten beim Aurat-Marsch in diesem Jahr und von der gesamten Frauenbewegung sowie von den Gewerkschaften und allen linken Organisationen als Teil des Kampfes gegen soziale Diskriminierung im ganzen Land aufgegriffen werden.

Endnoten

(1) Aurat ist das Urdu-Wort für Frauen. Der Aurat-Marsch wird seit 2018 am achten März organisiert. Für weitere Informationen lesen Sie den Artikel von Minerwa Tahir in Fight 8/2020

(2) Wir verwenden queer als allumfassenden Begriff, um alle Menschen zu bezeichnen, deren sexuelle oder geschlechtliche Identitäten nicht dem heteronormativen binären Geschlecht entsprechen.

(3) Nadir Guramani, “National Assembly passes bill seeking protection of transgender rights”, Dawn, May 8, 2018 https://www.dawn.com/news/1406400

(4) Rimmel Mohydin, “With Transgender Rights, Pakistan has an Opportunity to be a Pathbreaker”, Amnesty International, January 22, 2019 https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/01/with-transgender-rights-pakistan-has-an-opportunity-to-be-a-path-breaker/

(5) “Kami Sid expresses joy as the Transgender Persons (Protection of Rights) Bill 2017 passes”, Images, May 8, 2018 https://images.dawn.com/news/1180033/kami-sid-expresses-joy-as-the-transgender-persons-protection-of-rights-bill-2017-passes

(6) “Education for trans people”, Dawn, April 18, 2018 https://www.dawn.com/news/1402275

(7) “Affirming trans identity”, Dawn, May 11, 2018 https://www.dawn.com/news/14

(8) Saniyah Eman, “The not-so-curious case of trans oppression in Pakistan”, The News, September 11, 2020 https://www.thenews.com.pk/magazine/us/712330-the-not-so-curious-case-of-trans-oppression-in-pakistan

(9) Semra Islam, “The Transgender Community and the Right to Equality in Pakistan: Review of the Transgender Persons Act 2018”, 2020, LUMS Law Journal 2020, 7:1 https://sahsol.lums.edu.pk/law-journal/transgender-community-and-right-equality-pakistan-review-transgender-persons-act-2018

(10) Ebenda

(11) Ebenda

(12) Shahnaz Khan, “What is in a Name? Khwaja Sara, Hijra and Eunuchs in Pakistan”, Indian Journal of Gender Studies, 23(2):218-242, May 18, 2016 https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0971521516635327

(13) Semra Islam, “The Transgender Community and the Right to Equality in Pakistan: Review of the Transgender Persons Act 2018”, 2020, LUMS Law Journal 2020, 7:1 https://sahsol.lums.edu.pk/law-journal/transgender-community-and-right-equality-pakistan-review-transgender-persons-act-2018

(14) Ebenda

(15) Shahnaz Khan, “What is in a Name? Khwaja Sara, Hijra and Eunuchs in Pakistan”, Indian Journal of Gender Studies, 23(2):218-242, May 18, 2016 https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0971521516635327

(16) Meghan Davidson Ladly, “Gay Pakistanis, Still in Shadows, Seek Acceptance”, The New York Times, November 3, 2012 https://www.nytimes.com/2012/11/04/world/asia/gays-in-pakistan-move-cautiously-to-gain-acceptance.html?pagewanted=all&_r=0

(17) Rafia Zakaria, “Sex and the state”, The Hindu, December 29, 2006 https://frontline.thehindu.com/world-affairs/article30211901.ece

(18) Ebenda

(19) International Executive Committee, “The Oppression of Transgender People”, League for the Fifth International, March 17, 2019 https://fifthinternational.org/content/oppression-transgender-people