Revolutionäre Grüße der Labour Qaumi Movement zum Ersten Mai

Labour Qaumi Movement, Infomail 1222, 3. Mai 2023

Lal Salam (rote Grüße), Genoss:innen!

Die Labour Qaumi Movement Pakistan beglückwünscht die Genossinnen und Genossen zur Organisierung des klassenkämpferischen Blocks am 1. Mai. Die globale kapitalistische Krise, die Umweltkatastrophe und der Krieg in der Ukraine haben den Lebensstandard der Arbeiter:innen auf der ganzen Welt zerstört. Inflation, Arbeitslosigkeit und extreme Armut sind für die Arbeiter.innenklasse zur Normalität geworden.

Dies ist auf das kapitalistische System und seine interne Logik der Profitmaximierung zurückzuführen, die von den Arbeiter:innen und den Armen bezahlt werden, nicht nur im globalen Süden, sondern auch in Europa und Amerika. Aber wir sind nicht bereit, diese Situation zu akzeptieren und kämpfen dagegen. In einer solchen Lage ist es sehr wichtig, von Seiten der revolutionären Sozialist:innen einzugreifen und sich zu organisieren, damit dieser Kampf in einen gegen das kapitalistische System umgewandelt werden kann.

In Pakistan haben die Umweltzerstörung und die kapitalistische Krise das Leben der Arbeiter:innenklasse elendig gemacht. Millionen von Menschen sind aufgrund von Überschwemmungen obdachlos und es ist für sie schwierig geworden, sich zwei Mahlzeiten am Tag zu leisten. Aufgrund der Wirtschaftskrise gibt es Inflation, Arbeitslosigkeit und Armut, die durch die Kapitalist:innen und ihre Profitgier verursacht wird. Unter diesen Umständen üben der IWF und die imperialistischen Länder immer mehr Druck auf die Regierung aus, das Haushaltsdefizit zu reduzieren und die Kredite zu bezahlen, die die Inflation anheizen, die derzeit den höchsten Stand in der Geschichte erreicht hat.

Wir lehnen das IWF-Programm ab und setzen uns für ein „Nein zu den Schulden“ ein und appellieren an die Genoss:innen in Berlin und die Arbeiter:innenbewegung, Druck auf die herrschende Klasse in Deutschland auszuüben, um die Schulden zu streichen. Diese Bewegung muss in Europa und Amerika etabliert werden, damit wir eine koordinierte Bewegung aufbauen können.

An diesem 1. Mai bringen wir unsere Solidarität mit den Genossinnen und Genossen des klassenkämpferischen Blocks und der Arbeiter:innenklasse in Berlin zum Ausdruck. Unsere Botschaft zum 1. Mai ist die gleiche für die Arbeiter:innen auf der ganzen Welt: Wir brauchen einen organisierten Kampf gegen den globalen Kapitalismus. Wenn die Angriffe gestoppt werden sollen, brauchen wir einen systematischen Kampf gegen das kapitalistische Weltsystem, eine neue Weltpartei der Arbeiter:innenklasse, eine neue Internationale.

Revolutionäre Grüße

Labour Qaumi Movement, Pakistan




Pakistan: Todesfälle an den Zentren zur Armenspeisung

Revolutionary Socialist Movement Pakistan, Infomail 1219, 3. April 2023

In der letzten Woche sind 12 Menschen, drei Kinder und neun Frauen, gestorben, als sie in einem Wohltätigkeitszentrum für den Fastenmonat Ramadan in Karatschi für Mehl anstanden. Hunderte von Frauen und Kindern hatten sich vor dem Zentrum versammelt, das von einer Textilfärberei eingerichtet worden war, in der Hoffnung, wenigstens einen Sack Mehl zu bekommen, während die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen. Als die Menschenmenge immer größer wurde, ging die Polizei mit Schlagstöcken gegen sie vor.

Ähnliche Szenen spielten sich im Quaid-e-Azam-Stadion (Mirpur-Cricketstadion in Azad Kaschmir) ab, wo 45 Frauen verletzt wurden und eine alte Frau bei einer Massenpanik nach einem weiteren Schlagstockeinsatz der Polizei und Schlägen zu Tode kam. Die vom Fasten bereits dehydrierte und geschwächte Menge hatte mehrere Stunden in der prallen Sonne ausgeharrt, nachdem die für die Identifizierung der Empfänger :innen verwendete Handy-App ausgefallen war.

Aus vielen anderen Städten des Landes wurden Tote und Verletzte gemeldet, was die Nahrungsmittelkrise, mit der Millionen Menschen konfrontiert sind, verdeutlicht.

Lebensmittelknappheit

Weizen ist das Grundnahrungsmittel in Pakistan. Der Premierminister kündigte ein Ramadan-Paket an, das den von der Inflation betroffenen Armen kostenloses Mehl zur Verfügung stellt. Die Regierung von Punjab stellte 64 Milliarden Rupien bereit, um 15,8 Millionen Haushalte, die von Armut betroffen sind, mit je drei 10-kg-Säcken zu versorgen. Die Regierung von Khyber Pakhtunkhwa kündigte die gleiche Regelung für 5,8 Millionen Haushalte an, die im Benazir Income Support Programme (Einkommensunterstützungsprogramm BISP) registriert sind, und stellte 19,7 Milliarden Rupien bereit.

Die Regierung von Belutschistan kündigte an, sie werde 0,5 Millionen 20-kg-Säcke verteilen, als ob die Menschen in der ohnehin schon verarmten Provinz weniger Lebensmittel bräuchten als die in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa! In der Zwischenzeit hat die Regierung von Sindh angekündigt, dass sie 7,8 Millionen Familien, die beim BISP registriert sind, 2.000 Rupien zur Verfügung stellen wird, um Mehl zu kaufen.

Die dreißigjährige Asma Ahmed, deren Großmutter und Nichte unter den Toten in Karatschi waren, sagte gegenüber AFP: „Wir kommen jedes Jahr in die Fabrik, um die Zakat (Abgabe gegen den Hunger) abzugeben. Sie begannen jedoch, die Frauen mit Knüppeln zu schlagen und sie zu schubsen. Überall herrschte Chaos. Warum haben sie uns gerufen, wenn sie nicht damit umgehen können?“

Der Vorfall ereignete sich am Freitag, dem 31. März. Der Freitag ist der „heilige Tag“ im Islam, und normalerweise geben die Menschen an diesem Tag ihre jährlichen Almosen in Form von Zakat an die Armen, weil sie glauben, dass dies an einem Freitag im Ramadan mehr Segen bringt. Schon vor der Pandemie und den Überschwemmungen im Jahr 2022 war es üblich, dass die Armen freitags im Ramadan an die Türen der Wohlhabenden klopften oder zu karitativen Einrichtungen strömten, um Almosen zu sammeln.

Verschärfung der Lage

Jetzt hat sich das Elend für die arme, arbeitende Bevölkerung für Tausende von Menschen verdoppelt und verdreifacht, die während der Covidpandemie und den verheerenden Überschwemmungen im Jahr 2022 entlassen wurden. Die durch den Klimawandel verursachten Überschwemmungen haben einen Großteil der Ernte vernichtet, aber das ist nur einer der Gründe für die exorbitant hohen Lebensmittelpreise. Hinzu kommen die Auswirkungen der Mehrwertsteuer, die auf Anweisung des Internationalen Währungsfonds (IWF) erhöht wurde.

Der IWF vergibt Kredite an Pakistan nur unter ganz bestimmten Bedingungen, von denen die meisten direkt die Armen treffen, wie z. B. die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Kürzung der Subventionen für Strom, Gas und Benzin, die Privatisierung der Industrie und die Einführung eines marktgerechten Wechselkurses für die Rupie gegenüber dem US-Dollar.

Letztes Jahr lag die Inflation im März bei 12,72 Prozent. In diesem Jahr hat  sie bereits 35,37 Prozent erreicht. Dies ist die höchste Inflationsrate, die das Land in den letzten sechs Jahrzehnten verzeichnet hat. Bei verderblichen Lebensmitteln beträgt die Inflation im Jahresvergleich 51,81 Prozent, bei nicht verderblichen Waren liegt sie bei 46,44 Prozent.

Im Bericht des Finanzministeriums heißt es eindeutig: „Es wird erwartet, dass die Inflation auf einem hohen Niveau bleibt, was auf die Marktspannungen zurückzuführen ist, die durch die relative Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage bei wichtigen Gütern, die Abwertung des Wechselkurses und die jüngste Anpassung der administrierten Preise für Benzin und Diesel nach oben verursacht werden. Aufgrund der verlängerten Auswirkungen der Überschwemmungen sind die Produktionsverluste, insbesondere bei den wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturen, noch nicht vollständig aufgeholt worden. Infolgedessen ist ein Mangel an lebenswichtigen Gütern entstanden und hält an. Die Inflation könnte durch den Zweitrundeneffekt weiter ansteigen.“

Außerdem geht der Bericht davon aus, dass die Weizenproduktion durch verspätete Regenfälle und anschließende Hitzewellen im April und Mai beeinträchtigt werden könnte. Alles in allem macht die Übersicht des Ministeriums überdeutlich, dass Armut, Elend und Hunger in den kommenden Wochen und Monaten weiter bestehen und sich sogar noch verschärfen werden.

Was tun?

In dieser Situation zeigen Philanthropie und Wohltätigkeit ihr wahres Gesicht: Staatliche und nichtstaatliche Akteur:innen kombinieren ein Minimum an Hilfslieferungen mit einem Maximum an Fototerminen. Sie versammeln große Menschenmengen, damit sie ihren Spender:innen Fotos von ihnen zeigen können, um mehr Geld in ihre eigenen Taschen zu bekommen.

Selbst wenn all dieses Geld den Armen zugutekäme, wäre es immer noch unzureichend. Solche einmaligen kostenlosen Mehllieferungen, die ohnehin mit dem Risiko von Schlägen und Todesfällen verbunden sind, werden nicht ewig reichen. Was sollen die Menschen unterhalb der Armutsgrenze essen, wenn die 30 Kilo Mehl aufgebraucht sind?

Die Misswirtschaft in den Verteilungszentren hat gezeigt, dass die herrschenden Klassen gleichgültig und unfähig sind, die Krise zu bewältigen. Wir rufen die Arbeiter:innen auf, Lebensmittelausschüsse zu bilden, um den Verteilungsprozess zu kontrollieren. Die Unfähigkeit der herrschenden Klassen, die anhaltend dramatischen Zustände zu meistern, zeigt sowohl die realen Gefahren als auch die Aussichten auf eine wirkliche soziale Umgestaltung. Rosa Luxemburgs Vorhersage „Sozialismus oder Barbarei“ ist heute zutreffender als je zuvor. Die herrschenden Klassen in Pakistan bewegen sich in eine Richtung, in der sie nicht mehr in der Lage sein werden, so zu regieren, wie sie es bisher getan haben. Es ist höchste Zeit, den subjektiven Faktor vorzubereiten, um diese objektiven Bedingungen zu ergänzen.

Dies ist umso wichtiger, als sich sonst reaktionäre Kräfte wie die Jamaat-e-Islami (Islamische Gemeinschaftspartei) wieder durchsetzen werden. Wenn die Geschichte uns etwas gezeigt hat, dann, dass solche Parteien die Feind:innen der Arbeiter:innenschaft, der Frauen und der Minderheiten sind. Deshalb müssen sich die Arbeiter:innen, die Armen auf dem Land und in der Stadt, die Bauern und Bäuerinnen sowie die unterdrückten Teile der Gesellschaft jetzt zusammenschließen, um gemeinsam gegen die derzeitige Wirtschaftskrise zu kämpfen. Unsere Frauen haben etwas Besseres verdient! Wir verdienen es nicht, für eine Handvoll Mehl zu sterben!

Wir rufen alle linken Parteien und Organisationen sowie die Gewerkschaften und Frauenorganisationen auf, sich für eine entschlossene Strategie gegen die Wirtschaftskrise zusammenzuschließen. Keine NGO oder Wohltätigkeitsorganisation wird diese Krise lösen. Nur eine revolutionäre Partei der Arbeiter:innenklasse mit einem echten Aktionsprogramm, das die Kämpfe für freie Lebensmittel und gegen Inflation und IWF mit dem Kampf für eine Revolution der Arbeiter:innenklasse in Pakistan verbindet, kann dies tun!

Vorwärts zu einer sozialistischen Revolution in Pakistan und ganz Südasien!




Pakistan: Im Würgegriff von Wirtschaftskrise und IWF

Shahzad Arshad, Infomail 1217, 21. März 2023

Pakistan befindet sich in der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Trotz der Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Umsetzung vieler seiner Bedingungen droht dem Land die reale Gefahr eines Staatsbankrotts. Die Inflation ist in die Höhe geschnellt und macht den ohnehin schon armen Menschen das Leben noch schwerer als je zuvor. Der pakistanische Verbraucher:innenpreisindex ist auf 31,5 % gestiegen, die höchste Jahresrate seit 50 Jahren – und selbst das spiegelt bei weitem nicht den tatsächlichen Preisanstieg  für die breite Masse der Bevölkerung wider.

In dieser Situation bildet den einzigen Ausweg, den die herrschende Klasse und alle ihre sich bekriegenden Fraktionen sehen, ein weiteres Abkommen mit dem IWF. Aber selbst die erste Vereinbarung auf „Stabsebene“ ist noch nicht abgeschlossen, obwohl dies seit der ersten Februarwoche, als ein IWF-Team Pakistan besuchte, wiederholt angekündigt wurde.

In der Tat hat die Regierung bereits eine Reihe von IWF-Bedingungen akzeptiert. So hat sie beispielsweise der Forderung zugestimmt, dauerhaft einen Schuldzuschlag von 3,82 Rupien pro Einheit zu erheben, um 284 Milliarden Rupien mehr von den Stromverbraucher:innen einzutreiben. Ganz allgemein berichtet die Presse, dass die Regierung bei Steuererhöhungen, höheren Energiepreisen und der Anhebung der Zinssätze auf den höchsten Stand seit 25 Jahren eingewilligt hat.

Die Vereinbarung ist noch immer nicht unterzeichnet, nicht zuletzt, weil nicht nur der IWF, sondern auch andere Staaten die benötigten Kredite bereitstellen müssen. Während der IWF die Finanzlücke des Landes auf insgesamt 7 Mrd. US-Dollar beziffert, behauptet das Finanzministerium, dass diese weniger als 5 Mrd. US-Dollar betragen wird und durch die Aufnahme neuer kommerzieller Kredite aus China und den Golfstaaten gedeckt werden soll. Der IWF steht bereits mit diesen Ländern in Verbindung, um neue Kredite und Pläne für die Verlängerung der Kredite für Pakistan zu erörtern, und verlangt nun schriftliche Zusicherungen.

Er verlangt nicht nur, dass die Regierung die zu erfüllenden Bedingungen unterschreibt, sondern auch den „Nachweis“, dass sie bereit ist, diese zu erfüllen. Ein Test dafür ist, die IWF-Einschätzung der Finanzlücke selbst zu akzeptieren. Da der IWF die interne Spaltung der herrschenden Klasse und den Machtkampf zwischen der Regierungskoalition und der oppositionellen PTI-Partei von Imran Khan kennt, verlangt er nicht nur von der Regierung, sondern auch von der wichtigsten Oppositionspartei Zusicherungen für die Umsetzung. Die Regierung befürchtet, dass eine öffentliche Vereinbarung zwischen dem PTI-Führer und dem IWF das politische Ansehen der Oppositionspartei weiter stärken könnte.

Die Wirtschaftspolitik von Finanzminister Ishaq Dar und der Dollar

Dies zeigt, dass der wahre Grund für die anhaltenden Verzögerungen nichts mit den Bedingungen zu tun hat, die den Arbeiter:innen, Bauern, Bäuerinnen und Armen in Pakistan auferlegt werden sollen, sondern mit dem Machtkampf innerhalb der herrschenden Klasse und zwischen dem IWF und der Regierung.

In dieser Situation wird sich die Finanz- und Wirtschaftskrise weiter hinziehen, ja sie wird sich sogar noch verschärfen. Die pakistanischen Devisenreserven sind dank eines weiteren Kredits aus China um 487 Mio. US-Dollar gestiegen und beliefen sich am 3. März auf 4,3 Mrd. US-Dollar. Dies ist der vierte wöchentliche Anstieg der von der Zentralbank gehaltenen Reserven in Folge, liegt aber immer noch unter dem kritischen Wert, der die Importe eines Monats decken könnte. Die Regierung hat sich zwar bereit erklärt, mehr lebenswichtige Güter zu kaufen, um Engpässe zu überbrücken, doch wird dieses „Versprechen“ nicht eingelöst werden, solange diese Bedingungen vorherrschen.

Seit Monaten sind wir mit dem Gegenteil konfrontiert, nämlich mit einem massiven Rückgang oder sogar der völligen Einstellung der Einfuhren wichtiger Güter. Derzeit stehen Tausende von Containern im Hafen von Karatschi, die nicht abgefertigt werden. Infolgedessen mangelt es an Medikamenten, chirurgischen Geräten und Krankenhausnahrung. Die verbleibenden medizinischen Leistungen werden immer teurer und sind für die einfache Arbeiter:innenklasse unerschwinglich.

Als Ishaq Dar das Finanzministerium übernahm, behauptete er, er werde den Wechselkurs der Rupie stabilisieren und ihn auf 200 Rupien pro Dollar oder noch weniger senken. Er erklärte, er werde keine Kompromisse bei der „nationalen Souveränität“ eingehen oder sich den Forderungen des IWF beugen. Bis Ende 2022 hielt er den Wechselkurs durch staatliche Interventionen unter Kontrolle, aber das änderte sich, als die Forderungen des IWF bekannt wurden. Die Rupie fiel rasch auf 275 zum Dollar und erreichte am 2. März 290. Jetzt zahlt die Bevölkerung den Preis, und es ist klar, dass sich eine Halbkolonie den Herr:innen des Kapitals beugen muss. Die offiziellen Dollarreserven wurden auch dadurch in Mitleidenschaft gezogen, dass pakistanische Arbeiter:innen im Ausland über „inoffizielle“ Kanäle Überweisungen nach Hause schicken, um einen etwas besseren Wechselkurs zu erhalten.

Rezession

Pakistan befindet sich nicht nur in einer Haushaltskrise. Das Land steckt auch in einer tiefen Rezession. Die Produktion des verarbeitenden Gewerbes in großem Maßstab ist drastisch zurückgegangen. Die letzten veröffentlichten nationalen Daten des Quantum-Index des verarbeitenden Gewerbes für November 2022 zeigen ein deutliches Bild. In den fünf Monaten von Juli bis November 2022 gab es im verarbeitenden Gewerbe einen Rückgang um 3,5 % und im November um 5,5 %. Die Erträge der wichtigsten Industriezweige Textilien, Erdölprodukte, Chemikalien, Düngemittel, Pharmazeutika, Zement, Eisen- und Stahlerzeugnisse fielen,  in einigen Fällen bis zu 25 %.

Ein wichtiger Grund für den Niedergang vieler dieser Industrien ist der Mangel an importierten Rohstoffen. Für die Einfuhren ist ein Akkreditiv erforderlich, aber die Kreditwürdigkeit der Importeur:innen oder die Zahlungsgarantien der Banken wurden in großem Umfang in Frage gestellt. Dies hat zu einer Blockade der Importe und in der Folge zu einem Rückgang des Verbrauchs um 20 % und der Stromerzeugung um 5 % geführt. Die Einlagen im Bankensektor sind um mehr als 8 % gesunken. Die rückläufige Produktion der Zement-, Eisen- und Stahlindustrie verdeutlicht die Stagnation der Bautätigkeit. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 wahrscheinlich um 4 bis 5 Prozent schrumpfen. Dieser Rückgang stellt eine große Katastrophe dar.

Der Zinssatz sprang von 11 % zu Beginn des IWF-Programms im Jahr 2019 auf 17 % im November 2022 hoch, was zu einem weiteren wirtschaftlichen Niedergang führte. Am 2. März wurde er unter dem Druck des IWF erneut erhöht und liegt nun bei 20 %. Diese weitere Erhöhung um 3 % bedeutete für den Staat einen Verlust von etwa 600 Milliarden, der durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgeglichen werden muss. Dies hat wiederum direkte Auswirkungen auf die arbeitende und arme Bevölkerung.

Die Kreditvergabe der Banken an den privaten Sektor ist mit 4 % nur geringfügig gestiegen. Die Maschineneinfuhren gingen um 45 % zurück, 44 % bei Textilmaschinen. Dies wird voraussichtlich zu einem weiteren Rückgang der Textilexporte führen, die sich bereits auf einem niedrigeren Niveau als in den Vorjahren befinden. Die Höhe der gesamtstaatlichen Entwicklungsausgaben im ersten Quartal 2022 – 2023 wurde entsprechend den Forderungen des IWF um etwa 48 Prozent gesenkt. Weitere Kürzungen sind jedoch geplant.

Die höchste Inflation der Geschichte

Die Folgen der Überschwemmungen von 2022, der anhaltende Anstieg der Rohstoffpreise seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine, die Abwertung der Rupie und die negativen Auswirkungen der Einfuhrbeschränkungen haben zusammen zu einer Stagflation geführt. Die Inflationsraten, insbesondere die Lebensmittelpreise, haben Rekordhöhen erreicht, und das Bruttoinlandsprodukt war in den ersten sechs Monaten des laufenden Haushaltsjahres negativ. Die Überschwemmungen haben sich am stärksten auf die Produktion des Agrarsektors ausgewirkt. Der größte Rückgang ist bei der Baumwollernte zu verzeichnen, die um 40 Prozent gesunken ist, und bei der Reisproduktion um mehr als 15 Prozent. Auch bei anderen Feldfrüchten, vor allem bei Gemüse, ist das Angebot knapp. Der vierfache Preisanstieg bei Zwiebeln ist ein Beweis dafür. Insgesamt dürfte der Ertragsverlust in der Kharif-Saison, d. h. in der Monsunzeit, etwa 10 % betragen.

Die Verbraucher:innenpreise für Zwiebeln, Hühnerfleisch, Eier, Reis, Zigaretten und Treibstoff stiegen in letzter Zeit stark an, wobei die Inflation in diesem Sektor offiziellen Angaben zufolge zum ersten Mal seit fünf Monaten über 40 Prozent lag. Die kurzfristige Inflation, gemessen am wöchentlichen Inflationsfeingradmesser SPI, stieg in der Woche zum 23. Februar im Jahresvergleich auf 41,54 Prozent, gegenüber 38,42 Prozent in der Vorwoche.

Eine defizitäre Wirtschaft

Die gesamte Zahlungsbilanz weist für den Zeitraum Juli bis Dezember 2022 ein Defizit von 4,3 Mrd. US-Dollar auf. Dies ist trotz eines starken Rückgangs des Handelsbilanzdefizits auf 3,7 Mrd. US-Dollar gegenüber 9,1 Mrd. US-Dollar im gleichen Zeitraum 2021 – 2022 der Fall. Diese Verbesserung wurde durch eine starke Verschlechterung der Kapitalbilanz ausgeglichen. Hier ist ein Defizit von 1,2 Mrd. US-Dollar entstanden, gegenüber einem hohen Überschuss von 10,1 Mrd. US-Dollar im Zeitraum Juli-Dezember 2021. Die Haushaltsbilanz ist zum ersten Mal seit vielen Jahren negativ ausgefallen. Dies ist vor allem auf stark gesunkene  Einnahmen aus Einfuhrsteuern zurückzuführen. Die Schrumpfung betrug im ersten Quartal 6 % und im zweiten Quartal etwa 30 %. Letzteres ist eindeutig auf die von der Staatsbank ausgeübte Verwaltungskontrolle über Importkreditgarantien (Letters of Credit; LCs) zurückzuführen.

Ein stabiler Wechselkurs wurde nach Oktober durch die Intervention der Regierung aufrechterhalten, was die Nachfrage nach Importen steigerte, während die Staatsbank diese durch die Kontrolle der LCs drückte. Ziel war es, die Inflation einzudämmen, aber die Angebotskürzungen heizten die Inflation an, indem sie Importe im Wert von 4,5 Milliarden einschränkten. Die Staatsbank schränkte auch die Zahlungen für importierte Dienstleistungen wie Informationstechnologie, Fluggesellschaften und Banken ein. Die Gewinnausschüttungen der in Pakistan tätigen multinationalen Unternehmen sind ebenfalls zurückgegangen.

Das ehrgeizige Ziel besteht darin, das Haushaltsdefizit von 7,9 Prozent des BIP im Jahr 2021 – 2022 auf nur 4,9 Prozent des BIP im laufenden Haushaltsjahr zu senken. Doch das Gesamtdefizit ist in den ersten sechs Monaten des Rechnungsjahres 2022 – 2023 auf 2,4 % des BIP angestiegen. Da die Zahlungen in der zweiten Jahreshälfte viel höher ausfallen werden als in der ersten, ist das Ziel von 4,9 % nicht zu erreichen.0

Für die Verschlechterung der öffentlichen Finanzen gibt es viele Gründe. Erstens werden zusätzliche Ausgaben in Höhe von über 500 Mrd. Rupien für die Fluthilfe und den Wiederaufbau nach der Flut aufgewendet. Zweitens liegt die Wachstumsrate der FBR (Bundesfinanzamtseinnahmen) bei 13 Prozent und damit unter der angestrebten Rate von 22 Prozent, was vor allem auf den Rückgang der Importsteuerbasis und das negative Wachstum im verarbeitenden Großgewerbe zurückzuführen ist.

Drittens hat die Staatsbank den Leitzins erhöht, wodurch die inländischen Kreditkosten der Bundesregierung angehoben werden. Es besteht die Möglichkeit, dass die Zinszahlungen für das Darlehen bis zu 1 Billion Rupien betragen könnten. Auf Anweisung des IWF wurde der Leitzins auf 20 Prozent erhöht, was bedeutet, dass die Zahlungen an die Banken weiter steigen werden. Um diese Kosten zu decken, müsste der Umfang des föderalen öffentlichen Entwicklungsprogramms erheblich gekürzt werden. Ein letzter Risikofaktor ist, dass die Provinzregierungen den angestrebten Kassenüberschuss von 750 Mrd. Rupien weit verfehlen könnten. Insgesamt dürfte das Haushaltsdefizit bei den derzeitigen Trends im Haushaltsjahr 2022 – 2023 nahe bei 6,5 % des Bruttoinlandsprodukts liegen.

Zunahme von Arbeitslosigkeit und Armut

Aufgrund der Rezession in der Wirtschaft nimmt die Arbeitslosigkeit ständig zu. Schon jetzt sind Millionen von Arbeiter:innen arbeitslos. In den verbleibenden Monaten dieses Haushaltsjahres werden mindestens 2 Millionen weitere hinzukommen. Aufgrund von Inflation und Arbeitslosigkeit werden in diesem Haushaltsjahr weitere 20 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze fallen, so dass sich die Gesamtzahl auf mehr als 80 Millionen erhöht. Außerdem wird es für die Hälfte der Bevölkerung schwierig werden, den Grundnahrungsmittelbedarf zu decken. Diese Situation kann zur Grundlage einer großen sozialen Umwälzung werden, und die Angst davor ist in der herrschenden Klasse offensichtlich.

Schuldenfalle

Die herrschende Klasse und ihre Intellektuellen räumen ein, dass die Wirtschaftskrise trotz aller Maßnahmen nicht enden wird und sie ein weiteres Programm des IWF annehmen müssen.

Das Land benötigt eine beträchtliche Summe von 75 Mrd. US-Dollar, um die Auslandsschulden und Zinszahlungen in den nächsten drei Haushaltsjahren zu bedienen. Der Umfang der internen Verschuldung nimmt ebenfalls zu. Ein Beispiel dafür sind die zirkulären Schulden des Elektrizitätssektors, die sich auf 2,3 Billionen Rupien belaufen, obwohl der Preis pro Stromeinheit stark gestiegen ist. Die Situation ist nun so, dass die Regierung die Kreditraten und Zinsen nicht jedes Jahr selbst zahlen kann und dafür neue Kredite aufgenommen werden müssen. Das heißt, man muss einen neuen Kredit aufnehmen, um die alten Kredite zurückzuzahlen.

Vergleicht man die Darlehen und Zuschüsse, die in den letzten zwei Jahrzehnten eingegangen sind, mit den Geldern, die abgeflossen sind, so wird deutlich, dass die Zahlungen die Einnahmen überstiegen haben. Das bedeutet, dass Pakistan in einer Schuldenfalle steckt. Internationale Geldverleiher:innen verdienen an Pakistan durch die Vergabe von Krediten. Das heißt: Die Verschuldung ist zu einem Mechanismus für die Ausplünderung der Ressourcen geworden. Aufgrund der Position Pakistans im globalen Kapitalismus ist eine Rückzahlung nicht möglich. Diese Situation hat das Risiko eines Zahlungsausfalls erhöht, worauf die Regierung mit einem Programm brutaler Kürzungen reagiert.

Die IWF-Lösung

Alle bisherigen IWF-Rettungspakete und ihre neoliberalen Lösungen haben keine langfristige oder dauerhafte Verbesserung der Wirtschaft gebracht. Das aktuelle Rettungspaket wird sich nicht von den anderen unterscheiden und zu weiteren Massenprivatisierungen, steigender Arbeitslosigkeit, wachsender Armut und Inflation führen. Der IWF besteht darauf, dass seine Maßnahmen zwar unmittelbare Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben, aber zu Verbesserungen führen werden, wenn die Kapitalist:innen wieder Vertrauen in die Wirtschaft gewinnen.

Was ist zu tun?

Die wirtschaftlichen Bedingungen haben sich verschlechtert und die Spannungen innerhalb der herrschenden Klasse nehmen zu. Dies kommt in den Spaltungen zwischen den und innerhalb der staatlichen Institutionen deutlich zum Ausdruck. Jede Schicht der herrschenden Klasse strebt nach ihren eigenen Interessen. Die Inflation hat enorm zugenommen, und die Gesellschaft leidet unter Desintegration. Die Durchsetzung der Interessen der herrschenden Klasse bedeutet zunehmend mehr Brutalität, um die Stimme des Protests auf jede Weise zu unterdrücken.

Unter diesen Umständen müssen sich die Arbeiter:innen, die Armen auf dem Land und in der Stadt, die Bauern, Bäuerinnen und die unterdrückten Teile der Gesellschaft im Kampf gegen den tyrannischen Staat und seine Wirtschaft zusammenschließen. Es besteht die reale Gefahr, dass die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf verschiedene Sektoren und Regionen genutzt werden, um Spaltungen zu verstärken, Proteste abzulenken und einen einheitlichen Kampf gegen die wirklichen gemeinsamen Feind:innen zu verhindern. Es gibt Proteste gegen Inflation, Lohnerhöhungen und Privatisierung, aber diese Proteste müssen sich darauf konzentrieren, eine Alternative der Arbeiter:innenklasse zum IWF anzubieten. In der heutigen Zeit kann nur die Einheit der Arbeiter:innenklasse das IWF-Programm besiegen und die Regierung von Shehbaz Sharif absetzen.

Forderungen

  • Ein Mindestlohn, der für ein besseres Leben der Arbeiter:innen ausreicht. Die Löhne der Arbeiter:innenschaft sollten an die Inflation der Preise für wichtige Güter gekoppelt werden. Für jeden Anstieg der Inflationsrate um ein Prozent sollten die Löhne um ein Prozent steigen.

  • Anstelle der Privatisierung sollten die staatlichen Einrichtungen unter demokratische Kontrolle der Arbeiter:innenklasse gestellt werden. Alle Einrichtungen, die nach der Privatisierung geschlossen wurden, sollten unter Kontrolle der Beschäftigten wieder verstaatlicht werden. Einrichtungen, die an den privaten Sektor übergeben wurden, sollten unter demokratische Kontrolle der Arbeiter:innenklasse gestellt und somit alle Formen der Privatisierung abgeschafft werden.

  • Anstatt Arbeitsplätze abzubauen, sollten die Arbeitszeiten verkürzt werden, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

  • Aufstockung des Bildungs- und Gesundheitshaushalts durch Einführung einer Vermögenssteuer für Kapitalist:innen, Großgrundbesitzer:innen, multinationale Unternehmen und andere reiche Teile der Gesellschaft. Daraufhin sollten neue Gesundheitszentren und Bildungseinrichtungen gebaut werden.

  • Ein Ende aller Privilegien und Steuervergünstigungen für die Großgrundbesitzer:innen und Kapitalist:innenklasse.

  • Massive Subventionen sollten in der Landwirtschaft eingeführt werden. Außerdem sollte das Land den Großgrundbesitzer:innen weggenommen und den Bauern, Bäuerinnen und Landarbeiter:innen übergeben werden.

  • Die Haushaltsmittel für Entwicklungsprojekte sollten massiv aufgestockt werden, damit soziale Einrichtungen und Wohnungen für die Arbeiter:innenklasse sowie für die Armen auf dem Land und in der Stadt gebaut werden können.

  • Die Stromerzeugungsunternehmen sollten vom Staat übernommen und unter demokratische Kontrolle der Arbeiter:innenklasse gestellt werden.

  • Die Ablehnung des IWF-Programms, einschließlich der Weigerung, die Schulden der internationalen Wirtschaftsinstitutionen zu bezahlen, ist eine Vorbedingung für eine geplante und ausgewogene Entwicklung der Wirtschaft, aber eine dem Kapitalismus verpflichtete Regierung kann dies niemals tun. Wir brauchen eine Regierung, die sich auf die Organisationen der Arbeiter:innenklasse stützt, um die derzeitige katastrophale Situation zu bewältigen und die Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung zu verteidigen.

Die Unterstützung für eine solche Strategie wird nicht spontan erfolgen, sie muss durch eine entschlossene Kampagne gewonnen werden. Diejenigen, die die Notwendigkeit einer revolutionären Strategie erkennen, ob in linken Parteien oder Gewerkschaften, müssen sich organisieren, um in allen Organisationen der Arbeiter:innenklasse sowie unter den unterdrückten Schichten der Gesellschaft, den Frauen, der Jugend und den unterdrückten Nationalitäten dafür zu kämpfen.

Sie müssen sich zusammenschließen, um die politische Grundlage für eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei zu diskutieren und ein Aktionsprogramm auszuarbeiten, das den Kampf gegen den IWF mit dem für eine Revolution der Arbeiter:innenklasse in Pakistan und der gesamten Region verbindet. Auf diese Weise können wir uns gegen die Krise der herrschenden Klasse und ihre Angriffe auf das Proletariat und die Armen in Pakistan wehren.




Pakistan: Rechte versucht, minimalen Schutz für Transpersonen rückgängig zu machen

Revolutionary Socialist Movement (Pakistan), Fight! Revolutionärer Frauenzeitung 11, März 2023

Während im Iran die Arbeiter:innenklasse gegen das diktatorische, patriarchale Regime auf die Straße geht, wird über die Attacke der fundamentalistischen Rechten auf Transpersonen in Pakistan, die ohnehin schon massiv unterdrückt werden, geschwiegen.

Ebenso wie die Mullahs im Iran versuchen, Frauen daran zu hindern, selbst zu entscheiden, was sie tragen, will das pakistanische Äquivalent mit seiner protofaschistischen Basis die kleinen Erfolge des Gesetzes zum Schutz von Transpersonen aus dem Jahr 2018 zurücknehmen. Es war zwar kein großer Wurf, kann jedoch als kleiner Fortschritt angesehen werden. Es gewährt Transpersonen zum Beispiel nicht das Recht, sich entgegen ihrem eingetragenen Geschlecht als Mann oder Frau zu identifizieren. Dennoch erlaubt es ihnen, sich selbst dem dritten Geschlecht im Unterschied zu ihrem bei Geburt zugeschriebenen zuzuordnen. Dies gilt auch für Ausweisdokumente.

Die religiöse Rechte begehrt, wie zu erwarten war, bewaffnet gegen dieses Gesetz auf und verbreitet eine Deutung, die wie gewöhnlich in Betrug und Verderbtheit wurzelt, die typisch für ihresgleichen ist. Als Begründung gibt sie an, dass die amtliche Änderung des Geschlechts als Möglichkeit genutzt werden könne, das Verbot von Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare zu umgehen, indem sie vorgeben, ein anderes Geschlecht zu repräsentieren. Doch das ist unwahr.

Die Kräfte, die gegen dieses Gesetz mobilisieren, welches im Jahr 2018 verabschiedet wurde, sind dafür bekannt, seit langem protofaschistische Tendenzen zu umfassen. Sie sind ebenfalls dafür bekannt, ein extrem patriarchales und rückschrittliches Frauenbild zu vertreten. Die Partei Jamaat-e-Islami (Islamische Gemeinschaft; JI) spielte eine zentrale Rolle für die drakonischen Gesetze, die der Diktator Zia-ul-Haq (1978 – 1988) während der Militärdiktatur eingeführt hat. Die Jamiat Ulema-e-Islam (Fazl) (JUI-F; Versammlung Islamischer Kleriker), deren Führer Maulana Fazal-ur-Rehman ist, wurde vor kurzem, als die PDM (Pakistan Democratic Movement; Pakistanische Demokratische Bewegung; Parteienkoalition gegen Expremierminister Imran Khan, 2020 gegründet) in Opposition zu Imran Khan gegründet wurde, als  Held:in der reformorientierten und liberalen Linken Pakistans gefeiert. Doch sie pflegt die hässliche Tradition, die Gesichter von Frauen, die in öffentlichen Anzeigen zu sehen sind, mit schwarzer Farbe zu beschmieren. In der Zwischenzeit hat sich noch eine weitere Partei, die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI; Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) der widerwärtigen Hasskampagne angeschlossen. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass der Vorsitzende und ehemalige Premierminister Imran Khan ein Frauenhasser vom selben Schlag ist.

Senator Mushtaq Ahmad Khan von der Partei Jamaat-e-Islami steht an der Spitze der derzeitigen Hasskampagne gegen die Rechte von Transmenschen, die zumindest auf dem Papier bestehen. Er hat vorgeschlagen die Gesetzeslage dahingehend zu ändern, dass Gremien von Ärzt:innen geschaffen werden sollen, die dann wiederum die Entscheidungsmacht darüber hätten, ob eine Person „komplett“ männlich oder weiblich sei. Dies solle mit einer invasiven körperlichen Untersuchung einhergehen. In seiner Vorstellung sollten nur die, bei denen das Geschlecht auf Basis der Fortpflanzungsanatomie bei Geburt „unklar“ sei, das Recht dazu haben, über ihr Geschlecht zu entscheiden. Kurz gesagt sollten lediglich Menschen mit mehrdeutigen Genitalien (Anm.: in der Regel sog. Intersexuelle) wählen dürfen und auch nur, wenn sie sich vorher der Tortur einer Leibesuntersuchung durch eine ärztliche Instanz unterzögen. In einem Land, wo die meisten Ärzt:innen (Anm: in der Regel Männer) bereits massiv in die Privatsphäre ihrer Patient:innen durch wertende Kommentare eingreifen, bspw. wenn es um Themen rund um Sex geht, kann man sich ausdenken, was das für Leben und Gesundheit von Transpersonen an Belastung mit sich bringt.

Die Begründung Mushtaq Ahmad Khans hat gezeigt, dass sowohl Frauenunterdrückung als auch die Geschlechterungleichheit und die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten eine Klassenfrage darstellen. So gab er bei Voice of America zu, dass die eigenständige Wahl des Geschlechtes „eine Gefahr für die Familie und das Erbschaftssystem darstellt“ und es „die Tür dafür öffnet, dass 220 Millionen Menschen auswählen zu können, irgendwas zu sein“. Die Familie ist in der bürgerlichen Gesellschaft der Garant für das Überleben des kapitalistischen Systems, denn sie dient in erster Linie dazu, das Privateigentum dort zu halten. Für Pakistan ist wichtig anzumerken, dass insbesondere in islamischen Gesellschaften Frauen den halben Anteil des Mannes am Erbe erhalten. Die mickrige Hälfte, die ihnen zusteht, wird dennoch als Teil angesehen, der der Familie des Mannes zustünde. Die Ängste, dass Privatbesitz anders verteilt würde, und die Bedrohung, die das Gesetz offensichtlich für das „Familiensystem“ darstellt, zeigen, wie die Institutionen der Familie, des Klerus und des Gesetzes zusammenwirken, um die Existenz und den Fortbestand des Systems des Privateigentums zu sichern. Dieses System sorgt dafür, dass die Reichen reich und die Armen arm bleiben. Es sorgt dafür, dass der Sohn eines Kapitalisten auch nach dem Tod des Vaters Eigentümer des Familienunternehmens bleibt und der Sohn eines Arbeiters auch nach dem Tod seines Vaters zu einem Hungerlohn arbeiten muss. Die regressive Anhäufung von Reichtum in wenigen Händen kann ohne Familiensystem nicht fortbestehen. Das derzeitige Gesetz zum Schutz von Transgendern sieht vor, dass eine Person, die sich als Transmann identifiziert, auch doppelt so viel Erbe erhält wie eine Transfrau. In einem Land, in dem es üblich ist, dass Brüder ihre Schwestern emotional so manipulieren, dass sie auf ihren ohnehin schon geringen Anteil am Erbe verzichten, oder es sich einfach ohne ihre Zustimmung aneignen, kann man sich vorstellen, welche Ängste das Gesetz bei reaktionären Männern auslöst, die nun mit der Bedrohung konfrontiert sind, dass ihre leiblichen Schwestern sich möglicherweise in Männer „verwandeln“. Auch wenn es keine Zahlen gibt, die solche lächerlichen Befürchtungen untermauern, ist die Klassenbasis dieser Ängste mehr als deutlich.

Obwohl sie unbegründet sind, bedeuten sie in der Realität eine Bedrohung für das Leben und die Sicherheit von Transpersonen. Im Jahr 2021 wurden nachweislich mindestens 20 Transpersonen in Pakistan umgebracht. Das pakistanische Religionsgericht sowie der ständige Ausschuss für die Überprüfung im Senat prüfen die Argumente zum Gesetz. Der Rat für Islamische Ideologie (ein weiteres Verfassungsorgan Pakistans), dessen Aufgabe es ist, die pakistanischen Gesetze im Lichte des Islam zu überprüfen, hat das Gesetz aus dem Jahr 2018 für unislamisch erklärt. Wenn das Gesetz geändert wird, um die religiöse Rechte und ihre frauenfeindlichen Verbündeten in fast allen etablierten Parteien Pakistans zu besänftigen, käme das einer großen Niederlage für die Arbeiter:innenklasse und die unterdrückten Menschen in Pakistan gleich. Heute haben sie es auf die Transgender abgesehen. Morgen könnten sie versuchen, den Hidschab (Verschleierung oder Kopfbedeckung nach islamischem Gesetz) im Namen des Islam durchzusetzen wie ihre benachbarten Kleriker im Iran. Es ist ein Teufelskreis, in dem die imperialistischen Mächte diese Beispiele nutzen werden, um zu Hause weiter mit der Islamophobie hausieren zu gehen, während die arbeitenden Massen sowohl in den imperialistischen Kernländern als auch in den Halbkolonien weiter leiden.

Daher rufen wir Arbeiter:innen, Bauern/Bäuerinnen, Gewerkschaften und alle fortschrittlichen Kräfte in Pakistan auf, sich gegen diese dogmatischen Kräfte zu stellen. Wir können nur selbst etwas bewirken, denn die Bourgeoisie wird keinen Finger rühren. Mushtaq Khan hatte bereits 2021 versucht, seine unsägliche Agenda durchzusetzen. Doch es schlug damals dank des Einsatzes von Shireen Mazari (pakistanische Politikerin und Menschenrechtsaktivistin, Vorsitzende der Parlamentskommission für die Ernennung der/s Chef:in der Wahlkommission und ihrer Mitglieder) fehl. Gegenwärtig braucht die pakistanische Bourgeoisie eine Angst, die sie über ihre Medien und Kleriker in den Köpfen der Massen hervorrufen kann, um von den wirklichen Problemen der Wirtschaftskrise, den verheerenden Überschwemmungen und der ständig wachsenden Auslandsverschuldung abzulenken. Jamaat-e-Islami spielt langjährig die Rolle der Schutzmacht eines sich auflösenden kapitalistischen Systems. Ohne selbst je an die Macht kommen zu können, besteht darin ihr einziger Job, um sich ihren Anteil an den Pfründen zu sichern. Denn die Gruppe, auf die sie sich in der Gesellschaft stützt, ist überschaubar. Es sind vor allem kleine Geschäftsleute und Händler:innen, also Kleinbürger:innen. Historisch gesehen sind das genau diejenigen, die dazu mobilisiert werden können, auch mit Gewalt gegen die Arbeiter:innenklasse und ihre Organisationen vorzugehen. Genau deswegen ist es unsere Aufgabe, sie nicht gewähren zu lassen und uns mit all unserer Kraft gegen diese Attacken (auf Transsexuellenrechte) als Ausdruck patriarchaler Gewalt durch reaktionäre Kräfte zu stellen. Unsere Brüder und Schwestern im Iran weisen uns den Weg!




Flut in Pakistan: kein natürliches, sondern ein kapitalistisches Desaster

Revolutionäre Sozialistische Bewegung, Infomail 1120, 5. Oktober 2022

Seit Monaten leidet die Bevölkerung Pakistans unter einer der schwersten Überschwemmungen, die je verzeichnet wurden. Die durch den Klimawandel verursachte Katastrophe hat zur Überflutung eines Drittels seiner gesamten Landmasse geführt. Schätzungsweise 33 Millionen Menschen sind vertrieben worden. Offizielle Zahlen sprechen von 1.500 Toten, ein Drittel der Opfer sind Kinder. Angesichts des weitgehenden Zusammenbruchs der Infrastruktur, der Telekommunikation und der medizinischen Versorgung bleibt die tatsächliche Zahl unbekannt und liegt sicherlich weit höher.

Die verursachte Zerstörung wird auf mindestens 30 Milliarden US-Dollar geschätzt. Eine astronomische Summe, wenn man die schwache pakistanische Rupie (Währung) bedenkt.

Insgesamt belaufen sich die Schäden auf mehr als 11 % des pakistanischen Bruttoinlandsprodukts. Selbst die verheerende Flut von 2010, bei der damals mehr als 2.000 Menschen ums Leben kamen und die bis dahin die schlimmste aller Zeiten war, lässt sich nicht mit der aktuellen Situation vergleichen.

Bisher wurden Ernteflächen von 3,6 Millionen Hektar zerstört. Drei Millionen Nutztiere starben. So ist ein großer Teil der Ernte vernichtet. Für die nächste kann möglicherweise nicht ausgesät werden, da viele Gebiete noch monatelang überflutet sein werden. Nun naht der Winter. In jüngster Zeit kam es bereits aufgrund des weltweiten Sanktionskriegs zu Preissteigerungen. Jetzt droht eine noch nie dagewesene Hungerkrise.

Keine „natürliche“ Katastrophe

Seit dem Ausbruch der Krise im Juni wurde Pakistan zu wenig und zu spät unterstützt. Das Land wird unter seinen Auslandsschulden bei privaten und staatlichen Akteur:innen in den imperialistischen Ländern erdrückt. In ihrem Namen hat der Internationale Währungsfonds (IWF) eine weitere Runde von Preiserhöhungen, Subventionskürzungen und Privatisierungen gefordert. Unterdessen sind die verschiedenen politischen Fraktionen der herrschenden Klasse im Lande damit beschäftigt, sich untereinander zu bekämpfen, anstatt die Krise zu bewältigen.

In Belutschistan begann das Leiden bereits Mitte Juni. Das Hauptaugenmerk der von Shehbaz Sharif geführten Regierung und der von Imran Khan gelenkten Opposition sowie jenes der Medien drehte sich um die Machtspiele dieser verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie. Obwohl es beschämend ist, überrascht es nicht, dass das Leiden der einfachen Menschen in Belutschistan die geringste Sorge der herrschenden Klassen ist.

„Wir bereiteten uns gerade auf die bevorstehende Hochzeit meines Bruders vor, als die verheerenden Überschwemmungen meine Familie obdachlos machten und uns die wenigen verbliebenen Ressourcen entrissen“, so ein 30-jähriger Bergarbeiter aus Belutschistan gegenüber der Deutschen Welle. Er fügte hinzu, dass seine Mutter seit dem Tod ihres Mannes und Sohnes unter Schock stehe. Dies geschah im Juli. Trotz der weitreichenden Zerstörung in seiner Stadt sei keine Hilfe geleistet worden, sagte er weiter.

Erst als die Regionalhauptstadt Quetta betroffen war und die Autobahnen, auf denen Waren aus Sindh, Punjab (Pandschab) und Khyber Pakhtunkhwa transportiert wurden, blockiert waren, wurde das Problem relevant genug, um ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Die Zerstörung in der Region Swat war der Wendepunkt. Als Brücken und Straßen weggerissen wurden, kam die Aufmerksamkeit, die international bereits wieder abgeklungen ist.

Hätte man dem Problem die nötige Bedeutung beigemessen, hätten viele Menschenleben gerettet werden können. Die einfache Bevölkerung beginnt dies zu spüren. Berichten aus Süd-Punjab zufolge hat die Empörung über die Untätigkeit der Regierung zu Protesten der Anwohner:innen geführt. In einem Fall wurde ein Provinzminister umzingelt und floh schließlich in aller Eile. Ähnliche Vorfälle passierten in Sindh, einer der am stärksten von der Flut und Untätigkeit der Regierung betroffenen Provinzen. Einige Stimmen aus der Arbeiter:innenklasse und der Bauern-/Bäuerinnenschaft haben sogar behauptet, dass die Überschwemmungen bewusst in kleinere Dörfer umgeleitet wurden, um die Industrie und den Großgrundbesitz zu schützen, anstatt Menschenleben zu retten, insbesondere in Sindh und Süd-Punjab, wo Großgrundbesitzer:innen immer noch großen Einfluss auf die Politik haben. In Sukkur (Sindh) wagte es die Polizei, 100 Flutopfer unter dem Vorwurf des Terrors anzuklagen, weil sie gegen den Mangel an Nahrungsmitteln und Hilfsgütern protestiert hatten, als Premier- und Außenminister zu Besuch kamen, um „ihr Mitgefühl zu zeigen“.

Dies zeigt, dass es sich nicht einfach um eine Naturkatastrophe handelt. Sowohl das grauenhafte Management der Krise als auch ihre Ursache, der Klimawandel, sind von Menschen gemacht. Aber nicht alle Menschen haben gleichermaßen dazu beigetragen. Die ökologische Krise ist das Ergebnis eines fossil betriebenen Kapitalismus, in dem wenige Reiche, darüber hinaus noch global ungleich verteilt, von der unkontrollierten Ausbeutung von Natur und Mensch profitieren. Die Verantwortung für das Leid der betroffenen Bewohner:innen Pakistans liegt nicht einfach bei einer mystischen „Naturgewalt“. Sie liegt bei einem sehr realen gesellschaftlichen System. Schuld daran ist die kapitalistische Wirtschaft im Allgemeinen und sind im Besonderen die wenigen bürgerlichen Politiker:innen in Pakistan und im Ausland, die bewusst Entscheidungen gegen die Interessen der Vielen treffen.

Die Prioritäten der herrschenden Klassen sind klar. Premierminister Sharif kündigte ein Hilfspaket im Wert von 14 Milliarden Rupien an, nachdem Millionen von Menschen im Sindh vertrieben worden waren. Dies ist derselbe Mann, der vor einigen Tagen ein Hilfspaket für eine Handvoll exportierender Kapitalist:innen im Wert von 70 Milliarden Rupien verkündet hatte.

Gleichzeitig leiden die Arbeiter:innen in ihren Industrien weiter. Die an den Webstühlen und in der Textilindustrie litten bereits unter der Last der wirtschaftlichen und sozialen Krise, die zuvor in Pakistan herrschte. Jetzt, da fast die Hälfte der Baumwollernte des Landes weggeschwemmt wurde, ist ein großer Teil der Industrie in Faisalabad und Gujranwala stillgelegt worden, was zu einer noch höheren Arbeitslosigkeit führt.

Eine drohende Hungerkrise

Nach den Überschwemmungen sind die Lebensmittelpreise in die Höhe geschnellt. Allein die für Zwiebeln sind um das Fünffache gestiegen. Acht Prozent der Tomatenernte wurden vernichtet und die Preise sind ebenfalls gestiegen. Beide Gemüse sind wichtige Bestandteile der pakistanischen Küche. Da unzählige Gemüse-, Obst-, Weizen- und Reisfelder beschädigt wurden, ist eine Lebensmittelkrise sicher. Die Landwirt:innen haben die Befürchtung geäußert, dass sie nicht in der Lage sein werden, für die Wintersaison zu pflanzen, wenn die Anbauflächen nicht sofort trockengelegt werden, wobei die Weizenernte die wichtigste ist. Nun müssen Lebensmittel aus Afghanistan und dem Iran importiert werden, was zu einem weiteren Preisanstieg führt. Die Lage ist so miserabel, dass sich die Menschen bei den Hilfsaktionen um die Lebensmittelpakete streiten.

Die Verwüstung der Landwirtschaft wird sich auch langfristig auf die gesamte Nationalökonomie auswirken. Allein in Sindh drohen bei drei wichtigen Kulturen, Tomaten, Zwiebeln und Chili, Verluste in Höhe von 374 Millionen US-Dollar. Das Land ist weltweit der viertgrößte Exporteur von Reis. In der von den Überschwemmungen heimgesuchten Provinz Sindh wurden 42 % der Reisproduktion angebaut, wovon schätzungsweise 1,9 Millionen Tonnen verlorengegangen sind, was einem Verlust von 80 % der erwarteten Produktion entspricht. Zusammen mit einem Verlust von 88 % bei Zuckerrohr und 61 % bei Baumwolle belaufen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen allein in Sindh auf 1,3 Milliarden US-Dollar, berichtet die Deutsche Welle.

Die öffentliche Infrastruktur in vielen Teilen Pakistans war bereits zuvor in einem schlechten Zustand. Nach den Überschwemmungen sind sogar diese grundlegenden Annehmlichkeiten verlorengegangen. Viele haben keinen Zugang zu Trinkwasser. Tausende von Vertriebenen sind gezwungen, das schmutzige Wasser zu trinken, das zuvor ihre Häuser weggespülte. So breitet sich die Cholera im ganzen Land aus. Auch andere durch Wasser übertragene Krankheiten wie Durchfall, Denguefieber und Malaria sowie zahlreiche Hautinfektionen grassieren.

Doch die kapitalistische Gier diktiert, dass auch in einer solchen Situation mit dem Elend der Menschen Profit gemacht werden muss – weil er sich machen lässt. Die Transportunternehmen, die Hilfsgüter transportieren, haben ihre Gebühren erhöht, so dass es schwieriger geworden ist, lebenswichtige Güter zu versenden.

Nieder mit Inflation und Verschuldung!

Die Inflation war jedoch bereits zuvor auf dem Vormarsch. Hiervon waren bis vor kurzem vor allem die Öl- und Gaspreise betroffen. Der Preisanstieg im Gefolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine war bereits schrecklich. Deutschland und andere europäische Staaten suchen sich neue, wenn auch teurere und unökologischere Lieferant:innen für Gas und Öl. Aber arme Länder wie Pakistan können das nicht so kompensieren wie die imperialistischen. Letztere subventionieren jetzt fossile Brennstoffe mit Hilfe von Extraprofiten, die sie durch wirtschaftliche Ausbeutung im eigenen Land und in der halbkolonialen Welt erzielen. Gleichzeitig zwingen dieselben Länder Pakistan über den IWF, die Subventionierung von Gas und anderen wichtigen Gütern einzustellen.

Nach Angaben der Tageszeitung Dawn befindet sich die pakistanische Industrie in einer Rezession. Das verarbeitende Gewerbe schrumpfte im Juli um 1,4 Prozent, was auf die Kombination von Überschwemmungen und den höchsten Energie- und Rohstoffkosten in der Geschichte der Industrie zurückzuführen ist. Die Textilindustrie sank im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 %.

Die Regierung hat an internationale Geber:innen, humanitäre Einrichtungen, Organisationen und verbündete Länder appelliert, Hilfe zu leisten. Planungsminister Ahsan Iqbal sagte, das Land könne bis zu 10 Milliarden US-Dollar für Reparaturen benötigen. Der IWF hat 1,7 Milliarden US-Dollar aus einem Rettungsfonds freigegeben, der eingefroren worden war, weil die vorherige Regierung der Forderung nach einer weiteren Kürzung der Energiesubventionen nicht nachgekommen war.

Die UNO hat zu einer Soforthilfe in Höhe von 160 Millionen US-Dollar aufgerufen und 3 Millionen US-Dollar bereitgestellt. Das Vereinigte Königreich hatte die Bereitstellung von 1,8 Millionen US-Dollar für die Fluthilfe angekündigt. Aber das ist nichts! Vergleichen wir dies allein mit den Gewinnen, die  britische Gaskonzerne in diesem Jahr generierten, eine Industrie, die direkt mit dem Klimawandel verbunden ist, erröten wir vor Zorn. Und denkt nur an die Militärausgaben der Großmächte, von China über Russland bis hin zu Deutschland oder den USA. Sie beliefen sich im letzten Jahr auf mehr als eine Billion US-Dollar (1.000.000.000.000)!

Die Verbindung von Krieg und Klimawandel

Kurz gesagt, nicht nur der Klimawandel, sondern auch der Krieg sowie die Aktionen und Prioritäten der imperialistischen Mächte und des kapitalistischen Systems als Ganzes betreffen Länder wie Pakistan besonders.

Wir möchten klar sagen, dass wir Putin und der russischen Armee eine Niederlage in der Ukraine wünschen. Das ukrainische Volk hat ein Recht auf Selbstbestimmung. Aber zugleich wird immer deutlicher, dass die Regierung in Kiew einen Stellvertreter:innenkrieg für die NATO und den westlichen Imperialismus führt, dass die Ukraine konkreter Austragungsort für den Kampf um die Neuteilung der Welt geworden ist.

Ein Blick auf Pakistan offenbart die Scheinheiligkeit der Gespräche westlicher imperialistischer Mächte (wie auch unseres vermeintlichen „Bruders“ China, der inzwischen Pakistans größter Einzelgläubiger ist). Pakistan leidet noch immer unter dem 20 Jahre andauernden Krieg im benachbarten Afghanistan. Währenddessen präsentieren sich die westlichen Nationen als Beschützerinnen der „globalen Freiheit“. Aber es sind die westlichen Imperialist:innen, die arme Länder wie Pakistan gemeinsam und in Konkurrenz vor allem mit China ausrauben und ihnen diktieren (wobei die pakistanische Bourgeoisie ihren Teil dazu beiträgt).

Während sie „Freiheit und Demokratie“ predigen, bestimmen ihre Institutionen wie der IWF die Innenpolitik Pakistans. Während sie von der Sicherung einer freien Zukunft sprechen, zerstören imperialistische Banken und Monopolkonzerne die ohnedies miserablen Lebensgrundlagen in Pakistan.

Sicher, der Unterschied ist, dass diese so genannten „westlichen Mächte“ ihre Herrschaft mit einem (mehr oder weniger) demokratischen Regime im eigenen Land in Verbindung bringen, anders als China oder Russland dies tun. Aber es ist ein demokratisches Regime, von dem arme Pakistaner:innen und die Welt, die diese Nationen anzuführen vorgeben, weitestgehend ausgeschlossen sind. Das simpelste Beispiel sind laufende Abschiebungen von deutschen Flughäfen zurück nach Pakistan, während das Land unter der Krise zusammenbricht.

Die Arbeiter:innen, Bauern/Bäuerinnen und Armen können ihr Vertrauen nicht in eine dieser Mächte setzen. Sie müssen die nötige Kraft in sich selbst finden. Die aktuelle Situation zeigt mehr denn je, dass Pakistan eine sozialistische Partei braucht, die wirklich die Interessen der um ihr Überleben kämpfenden Massen vertritt. Aber die Situation in Pakistan muss auch ein moralischer Weckruf an die Arbeiter:innenbewegungen in Ländern wie Europa, den USA, Russland oder China sein.

Auch Ihr habt eine Verantwortung! Ihr müsst erkennen, dass der/die Hauptfeind:in im eigenen Land steht. Anstatt „Euren“ politischen und wirtschaftlichen Eliten zu folgen, die letztlich nur versuchen, ihre Machtambitionen zu erhalten und dies mit einem neuen Militarismus zu verbinden, solltet Ihr Euch unserem Kampf gegen den Klimawandel und das kapitalistische System, das ihn befeuert, anschließen.

Erhebt Eure Stimme in den Metropolen jener Länder, die Pakistan mit Schulden belasten. Erhebt Eure Stimme in den Ländern, die uns an den Rand des ökologischen Kollapses bringen. Fordert in unserem Namen:

  • Die Streichung aller Schulden Pakistans!
  • Die Bereitstellung von Klimareparationen, damit wir uns auf den Klimawandel vorbereiten und eine ökologische Transformation durchführen können, ohne Bedingungen!
  • Die sofortige Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten!

Aber wir trauen unseren eigenen kapitalistischen Herrscher:innen nicht. Zu Hause kämpfen wir für dieses Notprogramm:

  • Die Regierung muss die Zahlungen der Auslandsschulden sofort einstellen. Die Reichen müssen endlich progressiv besteuert werden, um die Kosten der Krise zu bezahlen.
  • Bildung von Arbeiter:innen- und Bäuer:innenausschüssen, die die Verteilung der Reparationen und Hilfen überwachen!
  • Kontrolle der Lebensmittelpreise durch Preisausschüsse der Arbeiter:innen! Die Regierung muss Subventionen für alle lebensnotwendigen Güter gewähren!
  • Gleichmäßige Erhöhung aller Löhne mit jedem Prozent Inflationsanstieg! Kontrolle der Geschäftsbücher der pakistanischen Kapitalist:innen, um zu überprüfen, ob sie die Krise auf dem Rücken der Armen ausnutzen, um Extraprofite zu machen.
  • Entsendung von Gesundheitspersonal in die von der Flutkatastrophe betroffenen Regionen, um dort eine kostenlose medizinische Versorgung zu gewährleisten! Die Regierung soll eine kostenlose Gesundheitsversorgung für alle Flutopfer sicherstellen!
  • Wo Fabriken geschlossen werden, kämpfen wir für ihre entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung unter Arbeiter:innenkontrolle.
  • Wir sagen, wenn die Bourgeoisie die Krise nicht lösen kann, müssen die Arbeiter:innen, Bäuer:innen und Armen bereit sein, die Regierung selbst zu übernehmen.



Flutkatastrophe in Pakistan: Unterstützt die Workers and Youth Relief Campaign!

Workers and Youth Relief Campaign, Neue internationale 268, Oktober 2022

In Pakistan begannen die Überschwemmungen im Juni und erreichten Mitte August ihren Höhepunkt, wobei selbst nach offiziellen Angaben, die wahrscheinlich zu niedrig angesetzt sind, fast 1.500 Menschen ums Leben kamen. Etwa 1,7 Millionen Häuser wurden zerstört und die Hälfte der 160 Bezirke des Landes offiziell zu „Katastrophengebieten“ erklärt. Nach Berichten der pakistanischen Katastrophenschutzbehörde wurden rund 7.000 Kilometer Straßen weggespült und 250 Brücken zerstört.

Ersten Schätzungen zufolge wurden 65 Prozent des pakistanischen Nahrungsmittelanbaus, darunter 70 Prozent des Reises, während der Überflutungen weggeschwemmt. Darüber hinaus wurden 3 Millionen Rinder getötet und insgesamt 45 % der landwirtschaftlichen Flächen zerstört. Nach ersten Schätzungen belaufen sich die Gesamtschäden auf mehr als 30 Milliarden US-Dollar. Diese Zahlen und Schätzungen werden wahrscheinlich noch weiter steigen, denn die Flut ist noch lange nicht vorbei.

Dies ist die schwerste humanitäre Krise in der Geschichte Pakistans. Soziale Organisationen, Basisaktivist:innen, Gewerkschafter:innen, Sozialist:innen und junge Menschen führen Kampagnen durch und sammeln Lebensmittel, Kleidung, Medikamente und Binden für Frauen, da die Regierung nur sehr langsam reagiert und die Hilfe der UNO im Vergleich zum Ausmaß der Zerstörung sehr gering ist. Während Millionen Menschen leiden, wird das Land gleichzeitig durch die vom Internationalen Währungsfonds auferlegten Kürzungen und Sparmaßnahmen sowie durch eine Politik, die das Vermögen und den Besitz der Kapitalist:innen und Großgrundbesitzer:innen schützen soll, zerstört.

Die Workers and Youth Relief Campaign (Arbeiter:innen- und Jugendhilfskampagne) wurde von jungen Menschen, Gewerkschaften und Sozialist:innen gegründet, um Geld und Hilfsgüter für die von den Überschwemmungen Betroffenen zu sammeln. Sie wird von der Revolutionären Sozialistischen Bewegung, der Gewerkschaft der Hausangestellten und Heimarbeiter:innen und der Gewerkschaft der Rikschafahrer:innen im Punjab unterstützt. Sie hat in einer Woche 146.000 Rupien sowie Lebensmittel, Medikamente, Decken und andere Hilfsgüter zusammengetragen, die in die betroffenen Gebiete geschickt werden sollen.

Krankheiten und schwerwiegende Engpässe an Nahrungsmittel breiten sich in den heimgesuchten Gegenden aus. Es wird zwei Monate dauern, ehe die Wassermassen abgeflossen sein werden, und das wiederum wird die Aussaat für die nächste Weizenernte verhindern. In der Folge müssen Lebensmittel eingeführt werden. Auch schon vor den Überschwemmungen stiegen die Preise an. Die Inflationsrate lag bei 27,3 %.

Die Armen und Besitzlosen Pakistans brauchen dringend eine Notversorgung mit elementaren Nahrungsmitteln und anderen Gütern. Wir rufen die Brüdern und Schwestern der internationalen Arbeiter:innenbewegung auf, der Basiskampagne in Pakistan Hilfe zu leisten als Antwort auf diese Krise.

Solidarische Spenden allein, so wichtig sie auch sind, werden das Ausmaß der Zerstörung nicht wettmachen können. Solidaritätsspenden, so wichtig sie auch sein mögen, werden die Zerstörung nicht ausgleichen können. Deshalb rufen wir alle Arbeiter:innen-, Jugend- und fortschrittlichen Organisationen auf, für den Schuldenerlass, die Abschaffung des IWF-Sparprogramms, die Zahlung durch die Reichen und die bedingungslose Hilfe der imperialistischen Länder zu kämpfen! 

An der  Workers and Youth Relief Campaign beteiligen sich in Pakistan: Home-based and Domestic Workers‘ Union, Punjab Rikshaw Drivers‘ Union, Daily Wage Workers, Revolutionary Socialist Movement

Spenden über PayPal: https://www.paypal.com/donate/?hosted_button_id=E9F3249N4CZT2, Kennwort: Relief Campaign




Pakistan: Flutkatastrophe als Folge kapitalistischer Fehlentwicklung

Peral Azad, Infomail 1197, 1. September

Offiziellen Schätzungen zufolge haben die Überschwemmungen in Pakistan bereits mehr als 1.100 Todesopfer gefordert, die endgültige Zahl dürfte noch weitaus höher liegen.

Der diesjährige Monsun in Pakistan hat sich als ungewöhnlich lang und zerstörerisch erwiesen. In den Provinzen, Regionen und Territorien Sindh, Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa, Gilgit-Baltistan (Sonderterritorium, keine Provinz, Teil Kaschmirs; ehemals: Nordgebiete genannt) und Süd-Punjab wurden Millionen von Häusern zerstört und Vieh millionenfach vernichtet. Die Flutmassen schwemmten Straßen hinweg, Nah- und Fernverkehrswege waren davon betroffen. Das Stromnetz wurde massiv beschädigt.

Die Menschen in diesen Regionen haben nichts zu essen und hungern. Auch Trinkwasser ist für die Arbeiter:innen und die Armen nicht verfügbar. Verschiedene Krankheiten breiten sich aus, aber es gibt kein Behandlungssystem. Der Staat bietet der einfachen Bevölkerung keinerlei Hilfe und Unterstützung an, auch nicht denjenigen, die sich an den Hilfsaktionen beteiligen, doch nur die regionale und die zentrale Regierung können die erforderlichen Mittel, Ressourcen und technischen Geräte bereitstellen.

Die Flut und ihre Folgen sind nicht einfach eine Naturkatastrophe, als welche sie von der Regierung, den Politiker:innen und den Intellektuellen in den Medien dargestellt wird. Sie sind das Ergebnis einer kapitalistischen Entwicklung, in der der Profit des Kapitals Vorrang vor dem menschlichen Leben und der Umwelt genießt. Sie haben sich im Vergleich zu früheren Jahren und Jahrzehnten verschlimmert. Darüber hinaus gibt es im südlichen Punjab und im Sindh Berichte, dass die Flut in die Dörfer umgeleitet wurde, um den Besitz von Großgrundbesitzer:innen und Eliten zu schützen.

Die Regionen

Sindh und Belutschistan waren als Erste betroffen, aber die Katastrophe breitet sich auch in Süd-Punjab und Khyber Pakhtunkhwa aus. Millionen von Menschen sind obdachlos geworden, und viele sind gezwungen, trotz der starken Regenfälle im Freien zu leben.

Anstatt Maßnahmen zu ergreifen, um die einfache Bevölkerung vor der Bedrohung durch Überschwemmungen zu schützen, lässt der Staat jedes Jahr rund 2.700 Milliarden Rupien (etwa 12 Milliarden US-Dollar) in die Taschen von Großkapitalist:innen und Eliten fließen. Die Exporteur:innen erhielten vor einigen Wochen eine zusätzliche Subvention in Höhe von 60 Milliarden Rupien, während die Zentralregierung nur 15 Milliarden Rupien (etwa 68 Millionen US-Dollar) für ganz Sindh ankündigte. Gleichzeitig wurden Milliarden ausgegeben, um den 14. August, den pakistanischen Unabhängigkeitstag, zu feiern, ein symbolischer Tag für die herrschende Klasse.

Die Provinzregierung von Sindh hat es völlig versäumt, Maßnahmen zu ergreifen, um die Bevölkerung vor den außerordentlichen Verlusten durch diese Regenfälle zu schützen, obwohl die ungewöhnlichen Regenfälle im Voraus angekündigt worden waren. Die von der Pakistanischen Volkspartei geführte Provinzregierung hat vielmehr im Interesse von Malik Riaz und anderen Kapitalist:innen und Großgrundbesitzer:innen gehandelt. Ihre Fabriken und Großplantagen wurden geschützt, anstatt einer Strategie zur Bekämpfung der bevorstehenden Katastrophe und zum Schutz der Masse der Bevölkerung Priorität einzuräumen.

In Belutschistan hat sich die Katastrophe seit mehr als einem Monat entwickelt, und wasserwirtschaftliche Praktiken haben eine wichtige Rolle bei der Verwüstung gespielt. Dämme und verschiedene andere Bauwerke und Siedlungen wurden an Stellen errichtet, die den natürlichen Fluss des Regenwassers beeinträchtigten. Infolgedessen wurden Straßen überflutet, die für jede Hilfsmaßnahme unerlässlich sind. Erst jetzt, da die Überschwemmungen die Stadt Quetta überflutet haben und auf andere Provinzen übergreifen und die Profite des Kapitals bedrohen, hat die herrschende Klasse begonnen, das Problem zur Kenntnis zu nehmen. Als die Überflutungen nur die ländlichen Gebiete und Dörfer betrafen, wurden sie ignoriert.

Auch in Pakhtunkhwa im Norden des Landes hat sich die Lage in den letzten Tagen dramatisch verschlechtert. Wolkenbruchartige Regenfälle haben dazu geführt, dass große Flüsse wie der Swat, der Kabul und der Panjkora über die Ufer getreten sind und Tausende von Häusern sowie Straßen und Brücken weggespült haben. Tausende von Reisenden sind durch Erdrutsche eingeschlossen worden.

Der Monsun bringt jedes Jahr die Gefahr von Überschwemmungen mit sich, aber die Bundes- und Provinzregierungen Pakistans haben keine Strategie entwickelt, weil sie sich nicht um die Werktätigen und die Armen in Stadt und Land kümmern. Die Flutkatastrophen von 2010 waren besonders schlimm, doch in 12 Jahren wurden keine Lehren daraus gezogen.

Schlimmer noch: Politiker:innen und Eigentümer:innen, die der Verwaltung angehören, haben illegal Hotels und Märkte an den Ufern der Flüsse gebaut. Deren Besitzer:innen pflegen Verbindungen zu verschiedenen politischen Parteien und spenden riesige Geldbeträge, die den Mitgliedern der Versammlung und sogar den Minister:innen zugutekommen. Indem sie den Flusslauf behindern, tragen sie dazu bei, dass die Überschwemmungen noch verheerender werden und die Menschen noch mehr Schaden nehmen. Im Swat-Tal sind in den sozialen Medien Videos von verschiedenen Hotels zu sehen, die bei Überschwemmungen zusammengebrochen sind. Die meisten dieser Hotels und Gebäude wurden an den Ufern des Flusses gebaut.

Was tun?

In dieser Situation bildeten die Bemühungen der örtlichen Bevölkerung und einiger Nichtregierungsorganisationen die einzigen Kräfte, die versucht haben, die Menschen zu schützen und Hilfe, Unterkünfte und Nahrungsmittel bereitzustellen. Natürlich ist die Beteiligung an den Hilfsmaßnahmen eine sehr wichtige Aufgabe für alle, aber damit kann nicht einmal der dringendste Bedarf gedeckt werden. Darüber hinaus sind umfangreiche Mittel und Ressourcen erforderlich, um zerstörte Häuser wiederaufzubauen, diejenigen zu entschädigen, die ihr Hab und Gut verloren haben, und Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine Wiederholung der Katastrophe in den kommenden Jahren verhindern können.

Die Masse der Menschen ist erschüttert vor Verzweiflung, Wut und Hass auf die Regierung und die Reichen, die sie wieder einmal durch Ignoranz und Profitgier im Stich gelassen haben. An vielen Orten haben Proteste stattgefunden, und weitere werden folgen. Sozialist:innen, die ganze Arbeiter:innenbewegung und alle fortschrittlichen Kräfte sollten sie unterstützen und sich einmischen.

Sie müssen auf die Bereitstellung sofortiger und kostenloser Hilfsgüter für die betroffenen Regionen, für die Städte und das Land drängen. Es sollten mehr Proteste organisiert werden, um zu fordern, dass alle staatlichen Mittel sofort für Hilfsarbeiten zur Verfügung gestellt werden, die von den Kapitalist:innen und den Reichen bezahlt werden. Von Großgrundbesitzer:innen, Export- und Bauunternehmen sollten massive Steuern erhoben werden, um den Flutopfern zu helfen.

Wir brauchen einen Plan zum Wiederaufbau der zerstörten Häuser und Infrastrukturen und zur Entschädigung der Opfer der Überschwemmungen. Angesichts des Versagens des Staates, wirksame Unterstützung zu organisieren, müssen die Arbeiter:innen, Bauern, Bäuerinnen und Armen für die Kontrolle über alle Hilfsprogramme kämpfen. Sie sollten lokale Räte in den Städten und auf dem Land bilden, um sicherzustellen, dass die Hilfe an die Bedürftigen gelangt und der Wiederaufbau von Häusern und Infrastruktur entsprechend den Sicherheitsanforderungen und Bedürfnissen der vielen und nicht der wenigen erfolgt.




Politische Krise in Pakistan hält an

Shehzad Arshad, Infomail 1194, 7. August 2022

Schwere Instabilität und Krisen sind in Pakistan zur Normalität geworden. Die derzeitigen politischen Turbulenzen begannen Anfang April, als die Opposition in der Nationalversammlung einen Misstrauensantrag gegen die Regierung von Imran Khan stellte. Der Parlamentspräsident versuchte diesen mit zweifelhaften Mitteln zu verhindern und lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass sich die USA gegen die Regierung verschworen hätten.

Nach einer Woche steigender politischer Spannungen, begleitet von der Intervention des Armeechefs und des Obersten Gerichtshofs, scheiterte dieses undemokratische Manöver und der Misstrauensantrag wurde erneut gestellt. Khans Partei, die Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit; PTI), verlor ihre Mehrheit und die Regierung stürzte. Daraufhin wurde Shehbaz Sharif von der Pakistanischen Muslimliga (PML-N; N für Gruppe Nawaz) zum Premierminister ernannt.

Streit um den Punjab

Nachdem die PML-N die Zentralregierung errungen hatte, begann der Kampf um die Macht im Punjab, der größten Provinz Pakistans. Hier standen sich Hamza Shahbaz von der PML-N und deren Verbündete auf der einen Seite und die PTI und die Pakistanische Muslimliga-Q (PML-Q; Q für Gruppe Quaid-e-Azam) auf der anderen Seite gegenüber.

Während des dreimonatigen Konflikts wurde Hamza Shahbaz zweimal zum Regierungschef gewählt, aber im Mai 2022 entschied der Oberste Gerichtshof, dass Mitglieder der Punjab-Versammlung ihre Sitze verlieren sollten, weil sie gegen den Beschluss ihrer Partei, der PTI, verstoßen hatten, indem sie Hamza Shahbaz unterstützten. Als für diese Sitze Neuwahlen abgehalten wurden, gewann die PTI mit einer großen Mehrheit.

Trotz des Sieges der PTI bei diesen Nachwahlen und, obwohl sie die Mehrheit in der Punjab-Versammlung errungen hatte, wurde Hamza Shahbaz zunächst wieder zum Regierungschef gewählt, weil der stellvertretende Sprecher des Abgeordnetenhauses die Stimmen der Mitglieder der PML-Q auf der Grundlage einer früheren Gerichtsentscheidung für ungültig erklärte. Der Oberste Gerichtshof wies dieses Manöver jedoch zurück. So wurde schließlich Chaudhry Pervaiz Elahi (PML-Q) mit den Stimmen von PTI und PML-Q zum neuen Premierminister der Provinz gekürt.

Diese schmutzigen Tricks beider Seiten beweisen nicht nur den verkommenen Charakter der politischen Parteien Pakistans. Es handelt sich um mehr als eine weitere Runde undemokratischer und autoritärer Maßnahmen, die selbst den bürgerlichen Verfassungsrahmen zum Gespött machen. Diese Kämpfe sind selbst Ausdruck tiefer und schwerwiegender Spaltungen innerhalb des Staates, die die herrschende Klasse im Parlament nicht zu überwinden vermag.

Die politische Krise hat ein solches Ausmaß erreicht, dass die herrschende Klasse und ihre politischen Führerungen sich als unfähig erweisen, die drängenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme des Landes zu lösen. In der Tat wird der Regierungswechsel im Punjab die inneren Widersprüche jetzt noch vertiefen.

Nationale Auswirkungen, die Krise und der Internationale Währungsfonds

Die Niederlage der PML-N in der parlamentarischen Versammlung des Punjab hat die Bundesregierung selbst in ernste Gefahr gebracht. Die Krise des Staates hat sich verschärft und die Widersprüche in den staatlichen Institutionen haben sich zugespitzt. Ein Ausdruck davon war die jüngste Sitzung des Obersten Justizrates, bei der fünf vom Obersten Richter nominierte Richter:innen von anderen Mitgliedern abgelehnt wurden. Auch in der Armee gibt es ernsthafte Meinungsverschiedenheiten darüber, wie es nach dem Scheitern des PTI-Regierungsprojekts weitergehen soll, was sich in der derzeitigen Krise deutlich widerspiegelt. Diese und andere Auseinandersetzungen haben die entscheidende Rolle der Armee im Land in der unmittelbaren Zukunft eingeschränkt.

Die PML-N, die schon vorher ernsthafte innere Widersprüche in Bezug auf das weitere Vorgehen aufwies, steht nach ihrer Niederlage bei den Wahlen in Punjab nun unter starkem Druck. Die Partei übt nun wieder offen Kritik an den gespaltenen und gescheiterten staatlichen Institutionen. Sie macht das Militär und die Justiz für alle Missstände verantwortlich und stellt sich selbst als Kämpferin für Demokratie und die Herrschaft des Volkes dar.

In Wirklichkeit handelt es sich nicht um ein Ringen um die Demokratie, wie einige Liberale und Linke meinen. Es ist eindeutig ein Kampf um die Interessen und die Verwaltung des Systems. Es gibt Widersprüche in Bezug auf den Nutzen und die Methoden zur Steuerung des Systems. Einen Hauptgrund für die gegenwärtige Krise stellt auch die Position Pakistans im globalen kapitalistischen System dar.

Bevor er 2018 an die Macht kam, behauptete Imran Khan, er würde eher Selbstmord begehen, als zum Internationalen Währungsfonds zu gehen und dessen Bedingungen zu akzeptieren. Nach ein paar Monaten im Amt vergaß er jedoch schnell seine Worte und schloss einen Deal mit dem IWF ab, wobei er für die kommenden Jahre extrem harte Auflagen hinnahm, die auch heute noch gelten müssen.

Nach der Einigung unternahm er im Namen der Korruptionsbekämpfung die schlimmsten Angriffe auf die Arbeiter:innen und die Armen. Als das Covid-19-Virus das Land traf, wurden die Kreditrückzahlungen verschoben und das IWF-Programm ausgesetzt. Das Regime steckte Milliarden von Rupien in die Taschen der Kapitalist:innen im Namen der nationalen Wirtschaft. Dies führte zu einem historischen Anstieg ihrer Profite und einer begrenzten Erholung der Wirtschaft, aber alle strukturellen Probleme blieben ungelöst oder verschlimmerten sich sogar.

Bald hatte das Leistungsbilanzdefizit die Wirtschaft fest im Griff. Während dieser Zeit fuhr die Regierung Imran Khan fort, sowohl die Kapitalist:innen zu belohnen als auch die arbeitende Bevölkerung anzugreifen und ihr das Leben schwerzumachen. Außerdem führte die Aussetzung der IWF-Bedingungen während des Höhepunkts der Pandemie dazu, dass die Vereinbarung selbst 2021 neu verhandelt werden musste. Dies führte zu zusätzlichen Auflagen wie Subventionskürzungen, weiteren Privatisierungen und einer Reform der Staatsbank. Jetzt präsentiert sich der PTI-Chef als Freund des Volkes, der gegen Ungerechtigkeit kämpft. Das ist eine Farce.

In der Zwischenzeit hat die Regierung Shehbaz Sharif die drakonischen Bedingungen für die Fortsetzung des IWF-Programms akzeptiert – und die gesamte Verantwortung für die Krise der vorherigen Regierung Imran Khan in die Schuhe geschoben. Obwohl die Steuern enorm gestiegen sind und die IWF-Vereinbarung vollständig umgesetzt wurde, ist der Wert der Rupie in weniger als vier Monaten um 27,2 % gesunken. Die Reserven, die Ende März noch 11,425 Mrd. US-Dollar betrugen, sind bis zum 22. Juli auf 8,575 Mrd. zurückgegangen. Das reicht nicht aus, um den vierzigtägigen Bedarf an Einfuhren des Landes zu decken.

Trotz der Zustimmung zu den IWF-Bedingungen wurden dem Land im Juli 1,8 Mrd. US-Dollar vom IWF nicht überwiesen. Erst nach einem Anruf des Armeechefs bei der US-Vizeaußenministerin Wendy Sherman teilte der IWF schließlich mit, dass Pakistan alle Bedingungen akzeptiert habe und das Programm bis Ende August wieder in Kraft gesetzt werden würde.

Nach Angaben von Finanzminister Miftah Ismail werden weitere 4 Mrd. US-Dollar von befreundeten Ländern (Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate) erwartet, um die Devisenreserven zu stabilisieren. Außerdem sind Darlehen in Höhe von 3,5 Mrd. US-Dollar von der Asiatischen Entwicklungsbank, 2,5 Mrd. US-Dollar von der Weltbank und 400 bis 500 Mio. US-Dollar von der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank vorgesehen. Dies bedeutet, dass die Wirtschaft des Landes auf der Grundlage von Schulden steht. Derzeit beläuft sich die Verschuldung auf 72 % des Bruttioinlandsprodukts, und der Anteil der Schuldentilgung am Haushalt des Landes beträgt 40 % und wird im nächsten Jahr wahrscheinlich 50 % übersteigen.

Die Regierung muss im nächsten Haushaltsjahr 21 Mrd. US-Dollar an Auslandsschulden zurückzahlen, während das Leistungsbilanzdefizit im Haushaltsjahr 2021 – 2022 17,406 Mrd. US-Dollar beträgt. Durch die Aufwertung des US-Dollars kann das Leistungsbilanzdefizit entgegen den Erwartungen der Regierung wieder ansteigen.

Zur Deckung all dieser Zahlungen wird eine weitere Kreditaufnahme erforderlich sein und aufgrund der Abwertung der Rupie ist auch ein weiterer Anstieg möglich. Dies bedeutet, dass die Pakistaner:innen mit einer dramatischen wirtschaftlichen Situation konfrontiert sind. Auch wenn die Wirtschaft nicht unmittelbar vom Bankrott bedroht ist, so ist sie doch aufgrund struktureller Probleme und ihrer Position im globalen kapitalistischen System ernsthaften Risiken  ausgesetzt.

Die einzige Lösung, die die herrschende Klasse vertritt, ist die Umsetzung der IWF-Politik, damit das System nicht zusammenbricht und weiterhin im Interesse der Kapitalist:innen funktioniert. Um die Forderungen des IWF und anderer Kreditgeber:innen zu erfüllen, greift die Regierung die Arbeiter:innen, die bäuerliche Bevölkerung und die Armen an.

Derzeit liegt die Inflationsrate in Pakistan bei 40 %. Dieses Monster von Inflation erdrückt das Leben der einfachen Leute. Für die Arbeiter:innenklasse, die Armen in der Stadt und auf dem Land ist es schwierig geworden, sich zwei Mahlzeiten am Tag zu leisten. Schon jetzt erhalten die Menschen keine medizinische Behandlung und müssen ihre Kinder von Bildungseinrichtungen abmelden.

Die Befolgung dieser IWF-Politik bedeutet, dass die pakistanische Wirtschaft weiter schrumpfen wird, was zur Folge hat, dass mehr Arbeiter:innen arbeitslos oder unterbeschäftigt werden. Das heißt, die Regierung hat beschlossen, die Arbeiter:innen und die Armen im Namen der wirtschaftlichen Erholung lebendig zu begraben. Darüber hinaus wird sie auch die Privatisierung von Elektrizitätsunternehmen und anderen Einrichtungen verfolgen. Die Regierung hat dem IWF solche Pläne zugesichert, und die reguläre Versammlung hat einen Gesetzentwurf für den Verkauf staatlicher Unternehmen an die Regierungen befreundeter Länder verabschiedet.

Was ist zu tun?

Jetzt müssen sich die Organisationen der Arbeiter:innenklasse, der Bäuer:innenschaft, der Armen und aller Unterdrückten, die Opfer des IWF und der Regierung auf ein Aktionsprogramm einigen. Die Gewerkschaften, linken Parteien und Organisationen müssen einen gemeinsamen Kampf gegen die Angriffe und für eine alternative Lösung der aktuellen Krise führen. Dazu schlagen wir eine Reihe von Kernforderungen vor, um die Krise im Interesse der Arbeiter:innenklasse zu lösen.

Zum Beispiel sollte der Mindestlohn ausreichen, um den Arbeiter:innen eine angemessene Lebensqualität zu ermöglichen. Ihre Löhne sollten an die Inflation gekoppelt sein. Für jeden einprozentigen Anstieg der Inflation sollte es eine einprozentige Lohnerhöhung geben.

Um eine solche Forderung durchzusetzen und einen wirksamen Kampf zu führen, werden die derzeit zersplitterten Gewerkschaften, die nur ein kleines Prozent der 60 Millionen starken Arbeiter:innenklasse organisieren, und die sehr schwachen linken Organisationen nicht ausreichen. Sie müssen für Massenversammlungen und die Wahl von Aktionsräten in allen Betrieben, ob privat oder öffentlich, in Arbeiter:innenbezirken, in der Stadt und auf dem Land eintreten.

Auf diese Weise können die derzeit Unorganisierten organisiert werden und gemeinsam mit den bestehenden Gewerkschaften und linken Parteien kämpfen, indem sie die Arbeiter:innen und Armen zu Massendemonstrationen, Besetzungen und Massenstreiks versammeln, um das IWF-Programm aufzuheben und die Reichen für die Krise zahlen zu lassen. Solche Organe könnten auch die Umsetzung von Forderungen wie einem Mindestlohn und der Indexierung von Löhnen und Sozialleistungen oder Renten kontrollieren.

Anstelle der Privatisierung sollten staatliche Einrichtungen der demokratischen Kontrolle der Arbeiter:innenklasse unterstellt werden. Alle Einrichtungen, die nach der Privatisierung geschlossen wurden, sollten unter Kontrolle der Arbeiter wieder verstaatlicht werden. Diejenigen, deren Verwaltung dem privaten Sektor überlassen wurde, sollten der demokratischen Kontrolle der Arbeiter:innenklasse unterliegen, wodurch alle Arten der Privatisierung rückgängig gemacht werden.

Anstatt Arbeitsplätze abzubauen, sollte die Arbeitszeit verkürzt werden, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Die Bildungs- und Gesundheitshaushalte sollten aufgestockt werden, indem Kapitalist:innen, Großgrundbesitzer:innen, multinationale Unternehmen und andere reiche Teile der Gesellschaft mit einer Vermögenssteuer belegt werden. Auf dieser Grundlage könnten neue Gesundheitszentren und Bildungseinrichtungen geschaffen werden.

Es muss Schluss sein mit allen Steuerbefreiungen und Subventionen für die Kapitalist:innen- und Grundbesitzer:innenklasse. Massive Mittel sollten in die Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft fließen, insbesondere um den Konsumbedarf der Massen zu decken. Das Land sollte von den Großgrundbesitzer:innen enteignet und der Bauern- und Bäuerinnenschaft und den Landarbeiter:innen übergeben werden. Es sollten Preiskontrollkomitees eingerichtet werden, die die ländlichen Produzent:innen mit den Arbeiter:innen in den Städten verbinden.

Die Mittel für Entwicklungsprojekte müssen in großem Umfang aufgestockt werden, damit soziale Einrichtungen und kostenlose Wohnungen für die Arbeiter:innenklasse sowie für die Armen auf dem Land und in der Stadt gebaut werden können.

Unternehmen, die Strom produzieren, müssen vom Staat übernommen und unter die demokratische Kontrolle der Arbeiter:innenklasse gestellt werden.

Die Ablehnung des IWF-Programms, einschließlich der Weigerung, die Schulden der globalen Wirtschaftsinstitutionen zurückzuzahlen, ist eine Vorbedingung für die geplante und ausgewogene Entwicklung der Wirtschaft. Aber all dies kann niemals von einer Regierung durchgeführt werden, die dem Kapitalismus verpflichtet ist.

Wir brauchen eine Regierung, die sich auf die Arbeiter:innenorganisationen selbst stützt, die im laufenden Kampf geschaffen werden müssen, um die bestehende katastrophale Situation zu bewältigen und die Interessen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung zu verteidigen.

Die Unterstützung für eine solche Strategie wird nicht spontan erfolgen, sie muss durch eine entschlossene Kampagne gewonnen werden. Diejenigen, die die Notwendigkeit einer revolutionären Strategie erkennen, sei es in linken Parteien oder Gewerkschaften, müssen sich organisieren, um in allen Organisationen der Arbeiter:innenklasse sowie unter den unterdrückten Schichten der Gesellschaft, den Frauen, der Jugend und den unterdrückten Nationalitäten für diese Strategie zu kämpfen.

Sie müssen sich zusammenschließen, um die politische Grundlage für eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei zu diskutieren und ein Aktionsprogramm auszuarbeiten, das den Kampf gegen den IWF mit dem Vorantreiben einer Revolution der Arbeiter:innenklasse in Pakistan und der gesamten Region verbindet. Auf diese Weise können wir uns gegen die Krise der herrschenden Klasse und ihre Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse und die Armen in Pakistan wehren.




Kapitalistische Krise in Pakistan und die Arbeiter:innenklasse

Shehzad Arshad, Infomail 1191, 13. Juni 2022

Seit Imran Khan eine Vertrauensabstimmung im Parlament verloren hat und Shehbaz Sharif von der Pakistanischen Muslimliga (N) ihn als Premierminister abgelöst hat, scheint die politische Krise, die das Land erschüttert, noch schärfere Formen anzunehmen. Als Reaktion auf seine Absetzung drohte Imran Khan mit einem langen Marsch seiner Anhänger:innen nach Islamabad, um den Rücktritt der Regierung zu erzwingen und Neuwahlen durchzusetzen. Obwohl er jahrelang eine pro-kapitalistische Politik verfolgte, hat er nun auf rechtspopulistische und soziale Demagogie in Verbindung mit Pseudoantiimperialismus zurückgegriffen.

Doch der „lange Marsch“ scheiterte aufgrund der polizeilichen Repression und der Tatsache, dass Khans Partei, die PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf; Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit), sich als unfähig erwies, die Mobilisierung aufrechtzuerhalten und neue Kräfte zu sammeln. Vorläufig scheint die neue Regierung den Kampf innerhalb der herrschenden Klasse gewonnen zu haben, und die Regierung von Shehbaz Sharif fühlt sich relativ stabil an.

Es überrascht nicht, dass der erste Angriff auf die Arbeiter:innen und die Armen in den Städten und auf dem Land erfolgt, indem der Benzinpreis erhöht wird. Außerdem hat die Regierung die Mittel für die Hochschulbildung um 50 % gekürzt.

Widersprüche innerhalb der herrschenden Klasse

Shehbaz Sharif ist seit 11. April als Premierminister im Amt, und obwohl das Kabinett gebildet wurde, hatte es Probleme zu funktionieren, und innerhalb der Regierungskoalition herrschte Verwirrung darüber, ob die Nationalversammlung aufgelöst werden sollte oder nicht.

Der Grund für die Absetzung von Imran Khan und der PTI und die Bildung einer neuen Koalitionsregierung war offensichtlich, das System am Laufen zu halten und die tiefe Spaltung der staatlichen Institutionen zu beenden, einschließlich der Armee, die, wenn auch hinter den Kulissen, die Macht im Lande behält. Dennoch hat sich ein Teil der Mittelschicht auf Khans Seite geschlagen und droht, diese Spaltungen und Widersprüche in einen offenen Krieg zu verwandeln.

Obwohl die verbündeten Parteien, einschließlich Shehbaz Sharif, die Regierung verlängern wollten, befand Letztere sich eindeutig in einem Dilemma, da sie offensichtlich nicht in der Lage war, das System im Interesse des Kapitals zu führen, und die Anti-Khan-Fraktion in der Armee erkannte allmählich, dass das System in eine Sackgasse geraten war und nur Neuwahlen das Vertrauen im Interesse des Kapitals wiederherstellen konnten.

Das Problem für Khan, die PTI und ihren langen Marsch bestand darin, dass sie auf keine Tradition des Massenprotests auf der Straße zurückblicken konnten. Er konnte nicht einmal die Mittelschicht mobilisieren. Ironischer Weise wird die Verhaftung von PTI-Mitgliedern und die Gewalt in mehreren Städten langfristig wahrscheinlich den Ruf der Partei als entschlossene Opposition retten. Kurzfristig hat sie aber auch ihre Grenzen aufgezeigt.

In diese Auseinandersetzung hat der Oberste Gerichtshof eingegriffen und versucht, den Konflikt zwischen den verschiedenen Fraktionen der herrschenden Klasse auszugleichen, damit er nicht in einen offenen Kampf ausartet. Dies hat Shehbaz Sharif die Möglichkeit gegeben, gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds eine Politik im Interesse des Kapitals zu formulieren. Die wirtschaftliche, politische und soziale Krise in Pakistan ist jedoch so schwerwiegend, dass es für eine einzelne Regierung sehr schwierig ist, die zerstörerische Politik des IWF durchzusetzen. Daher sind Neuwahlen wahrscheinlich, und zwar eher früher als später.

Doch zunächst müssen Regierung und staatliche Institutionen die unmittelbare wirtschaftliche und finanzielle Krise des Landes in Angriff nehmen.

Wirtschaftskrise

Das pakistanische Leistungsbilanzdefizit (CAD) hat sich seit Beginn des laufenden Haushaltsjahres (Juli 2021 – April 2022) auf insgesamt 13,8 Milliarden US-Dollar ausgeweitet, verglichen mit einem Defizit von 543 Millionen im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das pakistanische Handelsdefizit hat sich im Jahresvergleich um alarmierende 57,85 Prozent ausgedehnt und erreichte in den ersten 11 Monaten des Jahres 2021/22 bis Mai ein Allzeithoch von 43,33 Mrd. US-Dollar, da die Importe höher ausfielen als erwartet, wie Daten des Pakistanischen Statistikamts zeigen. Das 11-monatige Defizit hat bereits das höchste Handelsdefizit des gesamten Jahres 2018 von 41 Mrd. US-Dollar übertroffen.

Die Finanzbewertungsagentur Moody’s Investor Service stufte die Perspektive Pakistans von stabil auf negativ herab und begründete dies mit der „erhöhten externen Anfälligkeit“ und der „Ungewissheit, ob das Land in der Lage ist, den Bedarf an externer Finanzierung zu decken“. Die Entscheidung, den Ausblick auf negativ zu ändern, wird mit der erhöhten externen Anfälligkeit Pakistans und der Unsicherheit über die Fähigkeit des Landes begründet, zusätzliche externe Finanzmittel zur Deckung seines Bedarfs zu sichern. Nach Einschätzung von Moody’s hat sich die externe Anfälligkeit Pakistans durch die steigende Inflation verstärkt, die Druck auf die Leistungsbilanz, die Währung und die bereits stark dezimierten Devisenreserven ausübt, insbesondere vor dem Hintergrund erhöhter politischer und sozialer Risiken, heißt es in der Erklärung. Die Erklärung fügte hinzu, dass die Devisenreserven des Landes Ende April auf 9,7 Milliarden US-Dollar gesunken seien, was lediglich ausreiche, um „weniger als zwei Monate an Importen“ zu decken.

Die historische Erhöhung des Benzinpreises um 60 Rupien innerhalb einer Woche bedeutet, dass das IWF-Programm wiederbelebt wird und zusätzlich zum IWF Kredite von anderen Institutionen und Ländern aufgenommen werden müssen. Pakistan ist zwar dem Abgrund des Bankrotts entkommen, aber es ist sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, für einen längeren Zeitraum den Weg der Erholung einzuschlagen.

Die Forderungen des IWF im Gegenzug für ein Rettungspaket in Höhe von rund 6 Milliarden Dollar, dessen genaue Bedingungen derzeit ausgehandelt werden, werden drastisch sein. Weitere Preiserhöhungen für Grundgüter, Kürzungen wie 50 % bei der Hochschulbildung sind wahrscheinlich. Eine massive Erhöhung des Grundtarifs für Strom – um bis zu 7 – 7,50 Rupien pro Verbrauchseinheit – ist in den nächsten 2 – 3 Wochen, zum 1. Juli, zu erwarten, was einen Anstieg um etwa 50 % gegenüber den derzeitigen Preisen bedeutet (von 16,64 auf 24,14 Rupien pro Einheit).

Darüber hinaus verspricht das Finanzministerium die Privatisierung von Energieversorgungsunternehmen und anderen Einrichtungen, was die inflationäre Bestrafung der arbeitenden Bevölkerung und der städtischen Armen noch verstärkt. Aber auch ihre Arbeitsplätze werden ihnen weggenommen, und es werden Programme ausgearbeitet, um Student:innen den Zugang zur Bildung zu verwehren.

Zum ersten Mal in seiner Geschichte ist der Wechselkurs für den US-Dollar in Pakistan auf dem Interbankenmarkt auf 202 Rupien gestiegen. Die Rupie hat in weniger als einem Monat 8 Prozent ihres Wertes gegenüber dem Dollar verloren. Pakistans Leistungsbilanz- und Handelsbilanzdefizit sind aufgrund der hohen Zahlungen gefährdet.

Die Inflation lag bereits im April bei 13,4 % und im Mai bei 14,5 %, und das bei den derzeitigen Benzinpreisen. Die Weizenimporte werden sie im Juni auf 16 % ansteigen lassen, und manche Schätzungen gehen davon aus, dass sie im Sommer weiter auf 23 % zunehmen wird. Innerhalb von anderthalb Monaten hat die pakistanische Zentralbank (State Bank of Pakistan, SBP) ihren Leitzins um 400 Basispunkte angehoben – zunächst um 250 auf 12,25 % am 7. April im Vorfeld der für den 23. Mai geplanten Überprüfung der Geldpolitik und dann noch einmal um 150 Basispunkte auf 13,75 % am Tag ihrer Überprüfung. Pakistan benötigt im nächsten Jahr 37 Milliarden US-Dollar, und das ist selbst mit dem IWF-Programm eine große Belastung. Der pakistanische Staat und die herrschende Klasse sind daher dringend auf IWF-Kredite angewiesen, um einen finanziellen Zusammenbruch wie in Sri Lanka zu vermeiden und zusätzliche Unterstützung von Ländern wie Saudi-Arabien oder China zu erhalten.

Auf der anderen Seite wird das IWF-Programm Sparmaßnahmen und so genannte Anpassungsmaßnahmen auferlegen, die Millionen von Menschen Kürzungen, Verluste und regelrechtes Elend bescheren werden. Diese Situation treibt bereits jetzt Millionen in die Armut und es wird in den nächsten Jahren unter der Herrschaft der Bourgeoisie und dem Diktat des IWF keinen Ausweg aus dieser Situation geben.

Für die Arbeiter:innenklasse und die Armen in den Städten wird es schwierig sein, zweimal am Tag zu essen. Die Menschen erhalten schon jetzt keine medizinische Behandlung und sind gezwungen, ihre Kinder aus den Bildungseinrichtungen zu nehmen. Die Befolgung der IWF-Politik bedeutet, dass die pakistanische Wirtschaft schrumpfen wird und noch mehr Lohnabhängige arbeitslos werden. Diese Regierung hat eindeutig beschlossen, die Arbeiter:innen und Armen im Namen der wirtschaftlichen Erholung lebendig zu begraben.

Die Lösung der herrschenden Klasse

Trotz der Machtkämpfe der herrschenden Klasse sind sich alle Fraktionen einig, dass der einzige Weg zur Rettung der Wirtschaft darin besteht, sich an das IWF-Programm zu halten. Einem aktuellen UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen)-Bericht zufolge werden die Vorteile und Subventionen für die pakistanische Elite auf 17,4 Milliarden geschätzt, einschließlich des Unternehmenssektors, der Großgrundbesitzer:innen, der mächtigen Politiker:innen und des Militärs, was etwa 6 % der Wirtschaft entspricht. Während die Arbeiter:innenklasse Schwierigkeiten hat zu überleben, steigen die Gewinne der Unternehmen um 50 %.

Der IWF als Hüter des globalen Kapitalismus äußert sich dazu nicht, weil er das gleiche Interesse an der Aufrechterhaltung dieses Systems hegt wie die Regierung und die Medien.

Die Bourgeoisie schiebt die Last der gegenwärtigen Wirtschaftskrise und der harten Entscheidungen den arbeitenden Menschen und den städtischen Armen zu, weil die Regierung die Klasseninteressen der Kapitalist:innenklasse vertritt und eine Politik verfolgt, die die Profite der Kapitalist:innen aufrechterhält und in deren Interesse formuliert wird.

In dieser Situation hat die Regierung von Shehbaz Sharif ein Hilfspaket von 28 Mrd. Rupien angekündigt, was gerade einmal 2.000 Rupien pro Familie ausmachen würde. Da diese Mittel jedoch nach dem Klientelprinzip verteilt werden, wird dies hauptsächlich, wenn nicht sogar ausschließlich, seinen politischen Anhänger:innen zugutekommen.

Was ist zu tun?

Jetzt müssen sich die Organisationen der Arbeiter:innenklasse, der Bauern- und Bäuerinnenschaft, der Armen und aller Unterdrückten – Opfer des IWF und der Regierung – auf ein Aktionsprogramm einigen. Die Gewerkschaften, linken Parteien und Organisationen müssen einen gemeinsamen Kampf gegen die Angriffe und für eine alternative Lösung der derzeitigen Krise führen. Dazu schlagen wir eine Reihe von Kernforderungen vor, um die Krise im Interesse der Arbeiter:innenklasse zu lösen.

Zum Beispiel sollte der Mindestlohn so hoch sein, dass er den Arbeiter:innen eine angemessene Lebensqualität ermöglicht. Ihre Löhne sollten an die Inflation gekoppelt werden. Für jede einprozentige Erhöhung der Inflation sollte es eine gleiche der Löhne geben.

Um eine solche Forderung durchzusetzen und zu kämpfen, werden die gegenwärtig zersplitterten Gewerkschaften, die nur einen kleinen Teil der 60 Millionen starken Arbeiter:innenklasse organisieren, und die sehr schwachen linken Organisationen nicht ausreichen. Sie müssen für Massenversammlungen und die Wahl von Aktionsräten an allen Arbeitsplätzen, ob privat oder öffentlich, in Arbeiter:innenwohnvierteln, in der Stadt und auf dem Land kämpfen.

Auf diese Weise können die derzeit Unorganisierten organisiert werden und gemeinsam mit den bestehenden Gewerkschaften und linken Parteien kämpfen – und die Arbeiter:innen und Armen zu Massendemonstrationen, Besetzungen und Massenstreiks mobilisieren, um das IWF-Programm aufzuheben und die Reichen für die Krise zahlen zu lassen. Solche Organe könnten auch die Körperschaften sein, die die Umsetzung von Forderungen wie einem Mindestlohn und der Indexierung von Löhnen und Sozialleistungen oder Renten kontrollieren.

Anstatt zu privatisieren, sollten die staatlichen Institutionen der demokratischen Kontrolle der Arbeiter:innenklasse übergeben werden. Alle Einrichtungen, die nach der Privatisierung geschlossen wurden, sollten unter Arbeiter:innenkontrolle wieder verstaatlicht werden. Diejenigen Einrichtungen, deren Verwaltung an den privaten Sektor übergeben wurde, sollten der demokratischen Kontrolle der Arbeiter:innenklasse unterstellt werden, wodurch alle Arten von Privatisierungen rückgängig gemacht werden.

Anstatt Arbeitsplätze abzubauen, sollte die Arbeitszeit verkürzt werden, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Die Bildungs- und Gesundheitsbudgets sollten aufgestockt werden, indem Kapitalist:innen, Großgrundbesitzer:innen, multinationale Unternehmen und andere reiche Teile der Gesellschaft mit einer Vermögenssteuer belegt werden. Auf dieser Grundlage könnten neue Gesundheitszentren und Bildungseinrichtungen eröffnet werden.

Es muss Schluss sein mit allen Steuerbefreiungen und Subventionen für die Kapitalist:innen- und Grundbesitzer:innenklasse. Massive Mittel sollten in die Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft fließen, vor allem um den Konsum der Massen zu decken. Das Land der Großgrundbesitzer:innen sollte enteignet und an die Bauern- und Bäuerinnenschaft und die Landarbeiter:innen übergeben werden. Es sollten Preiskontrollkomitees eingerichtet werden, die die ländlichen Produzent:innen mit den Arbeiter:innen in den Städten verbinden.

Die Mittel für Entwicklungsprojekte müssen in großem Umfang aufgestockt werden, damit soziale Einrichtungen und kostenlose Wohnungen für die Arbeiter:innenklasse sowie für die Armen auf dem Land und in der Stadt gebaut werden können.

Unternehmen, die Strom produzieren, müssen vom Staat übernommen und unter die demokratische Kontrolle der Arbeiter:innenklasse gestellt werden.

Die Ablehnung des IWF-Programms, einschließlich der Weigerung, die Schulden der globalen Wirtschaftsinstitutionen zurückzuzahlen, ist eine Vorbedingung für die geplante und ausgewogene Entwicklung der Wirtschaft, aber all dies kann niemals von einer Regierung durchgeführt werden, die dem Kapitalismus verpflichtet ist. Wir brauchen eine Regierung, die sich auf die Arbeiter:innenorganisationen stützt, die im aktuellen Kampf geschaffen werden müssen, um die bestehende katastrophale Situation zu bewältigen und die Interessen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung zu schützen.

Die Unterstützung für eine solche Strategie wird nicht spontan kommen, sie muss durch eine entschlossene Kampagne für eine Alternative gewonnen werden. Diejenigen, die die Notwendigkeit einer revolutionären Strategie erkennen, ob in linken Parteien oder Gewerkschaften, müssen sich organisieren, um in allen Organisationen der Arbeiter:innenklasse dafür zu kämpfen, ebenso wie unter den unterdrückten Schichten der Gesellschaft, den Frauen, der Jugend, den unterdrückten Nationalitäten. Sie müssen sich zusammenschließen, um die politische Grundlage für eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei zu diskutieren und ein Aktionsprogramm auszuarbeiten, das den Kampf gegen den IWF mit dem für eine Revolution der Arbeiter:innenklasse in Pakistan und der gesamten Region verbindet. Auf diese Weise können wir uns gegen die Krise der herrschenden Klasse und ihre Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse und die Armen in Pakistan zur Wehr setzen.




Pakistan: Premierminister Khan gestürzt – die politische Krise geht weiter

Umar Javlad, Infomail 1184, 13. April 2022

Nach wochenlanger politischer Krise und einem Machtkampf zwischen seiner PTI-geführten Regierung und der Opposition endete die Amtszeit von Imran Khan als Premierminister am Samstag, den 9. April. Ein Misstrauensvotum, das von einer parlamentarischen Mehrheit um die traditionellen bürgerlichen Parteien Pakistan Muslim League – Nawaz (PML-N) und Pakistan People’s Party (PPP) durchgesetzt wurde, beendete schließlich die Regierung. 174 Abgeordnete – nur zwei mehr als die erforderliche Mehrheit der 342 Abgeordneten – sorgten für das vorläufige Ende von Khans Regierung.

Am Montag, den 11. April, wurde der PML-N-Vorsitzende Shehbaz Sharif mit denselben 174 Stimmen zum neuen Premierminister gewählt. Die Abgeordneten der PTI boykottierten die Abstimmung und Imran Khan rief zu Mobilisierungen gegen die neue Regierung auf.

Polarisierung

Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass die Wahl von Sharif zwar die Frage, wer die Regierung führt, für den Moment klären mag, dass sie aber die Spaltungen und den Machtkampf innerhalb der herrschenden Klasse oder die Polarisierung in der pakistanischen Gesellschaft nicht beenden wird. Das Land befindet sich nicht nur im Zentrum eines Kampfes zwischen den alten, westlichen imperialistischen Mächten, den USA und den europäischen Ländern, und dem neuen chinesischen Imperialismus. Es steuert auch auf eine wirtschaftliche Katastrophe zu. Die Rupie hat während Khans Amtszeit 40 % gegenüber dem US-Dollar verloren.

Ironischer Weise hat die Pandemie dazu beigetragen, eine wirtschaftliche Katastrophe zu vermeiden, da Geld in die Wirtschaft gepumpt und die Rückzahlung von Krediten aufgeschoben wurde. Nun müssen die Bedingungen der chinesischen und Internationalen Währungsfonds-Kredite erfüllt werden, während die Wirtschaft unter Abwertung, Schulden und massiven Preissteigerungen für Benzin und Strom leidet, die vor allem die Armen und die Arbeiter:innenklasse, aber auch die Mittelschichten und die kapitalistische Produktion treffen.

Vor diesem Hintergrund war der Machtkampf zwischen Khan und der Parlamentsopposition drauf und dran, die politischen Institutionen und das Land als Ganzes noch weiter zu destabilisieren.

Nach einer Reihe gewagter Manöver, zu denen auch offene Verstöße gegen die Verfassung des Landes und die Einmischung sowohl des militärischen Oberkommandos als auch des Chefs des Geheimdienstes ISI gehörten, wurde Khans Regierung zumindest formell verfassungsgemäß beendet. Noch vor der Abstimmung trat der Sprecher der Nationalversammlung, Asad Qaiser (PTI), zurück, und das Verfahren wurde an Ayaz Sadiq (PML-N) übergeben.

In den Wochen zuvor hatte Khan versucht, das Misstrauensvotum zu verhindern, und damit eindeutig gegen die Verfassung des Landes verstoßen. In einer Sitzung der Nationalversammlung am 3. April bezeichnete der Justizminister den Misstrauensantrag der Opposition als Teil eines ausländischen Komplotts. Dies wurde vom stellvertretenden Parlamentssprecher Qasim Suri akzeptiert, der den Misstrauensantrag auf dieser Grundlage abwies. In seiner Fernsehansprache an die Nation drückte er seine Freude über das Scheitern der „Verschwörung“ aus und erklärte, er habe den Präsidenten um die Auflösung der Versammlung gebeten, was dieser auch sofort in die Tat umsetzte, indem er Neuwahlen versprach.

Die Art und Weise, wie das Misstrauensvotum niedergeschlagen wurde, zeigt, dass die Widersprüche der herrschenden Klasse nicht auf verfassungsmäßigem Wege gelöst werden können. Das militärische Oberkommando kritisierte Khan offen für seine prorussischen Äußerungen und Angriffe auf die USA. Der Oberste Gerichtshof, eine weitere mächtige staatliche Institution, erklärte die Ablehnung des Misstrauensvotums für verfassungswidrig und forderte die Wiedereinberufung der Nationalversammlung. Das Gleichgewicht der Kräfte verschob sich eindeutig gegen die PTI-Regierung.

Am Tag der Abstimmung im Parlament erhielt Khan „Besuch“ von den Chefs der Armee und des ISI, die ihm klarmachten, dass er nachgeben und seinen Widerstand gegen die Übergabe der Regierungsgewalt im Parlament aufgeben müsse. Dies wurde auch von wichtigen Teilen der Kapitalist:innenklasse unterstützt, die eine „stabile“ Regierung forderten, die die bevorstehende wirtschaftliche Katastrophe bewältigen und den politischen Machtkampf vorerst beenden könnte.

Es ist natürlich höchst fraglich, ob die neue Regierung tatsächlich in der Lage sein wird, eine wachsende Krise zu überwinden. Was die gesamte politische Entwicklung beweist, ist, dass es zunehmend unmöglich ist, das System auf die alte Art und Weise weiterzuführen.

Die Bilanz der Regierung Imran Khans

Mehr als drei Jahre lang basierte die Regierung Imran Khans auf extremer Tyrannei, und die Regierung regierte per Präsidialverordnung und nicht durch das Parlament. Sein Ziel war es, jede Opposition im Namen einer Kampagne gegen „Korruption“ zu zerschlagen. Dieser betrügerische „Kampf“ bildete den populistischen und zunehmend bonapartistischen Deckmantel für eine Politik im Namen der Reichen, wobei Khan eindeutig mehr dem chinesischen Imperialismus als den USA als Garanten für die künftige Entwicklung Pakistans zuneigte. Gleichzeitig musste Pakistan unter seiner Herrschaft das größte IWF-Paket in seiner Geschichte auf sich laden.

Seine Regierung war ganz klar eine Feindin der Arbeiter:innenklasse und der Armen. Mit ihrer Politik lieferte sie die pakistanische Wirtschaft dem chinesischen Kapital und dem IWF aus. Sie führte zur Verarmung von Millionen von Arbeiter:innen, Bauern und Bäuerinnen und verschaffte gleichzeitig den Kapitalist:innen Milliarden von Rupien. Große kapitalistische Exporteur:innen profitierten während der Pandemie von den staatlichen Hilfspaketen und Exportanreizen. Doch das Ende dieser kurzlebigen Wachstumsblase wird den Arbeiter:innen und den Armen in Stadt und Land das Leben zur Hölle machen. Der Sturm der Inflation hat ihr Leben zerstört. Infolgedessen wurden auch das Kleinbürger:innentum, die Freiberufler:innen und viele, die im informellen Sektor im Zuge der Urbanisierung arbeiten, weitgehend ruiniert.

In den Jahren der Regierung Khan ist die Zahl der Verschwundenen gestiegen und sie werden durch üble Propaganda beschuldigt. Denjenigen, die sich dem Terrorismus und der nationalen Unterdrückung widersetzen, wurde der Zugang zum Rechtswesen verweigert. Sie verloren ihre Arbeitsplätze und waren Gewalt und sogar Mordversuchen ausgesetzt. Gegen die Paschtun:innenschutzbewegung wurde eine bösartige Kampagne geführt, und die Frauen des Auratmarsches wurden der Blasphemie beschuldigt. Die Regierung war nicht bereit, irgendeine Art von Kritik zu dulden, und Imran Khan wollte das bestehende System diktieren. Eine Zeit lang genoss er die volle Unterstützung durch die militärische Führung.

Angesichts einer sich entwickelnden historischen Wirtschaftskrise wurde seine Regierung jedoch für die Bourgeoisie nutzlos und ihre Popularität in der Arbeiter:innenklasse und anderen Schichten sank rapide. Er versuchte, Unterstützung in Russland zu finden, wo Putins Modell eine Alternative zu den Vereinigten Staaten und Europa mit seinen Angriffen auf alle Arten von demokratischen Freiheiten und dem Einsatz von Krieg zur Überwindung seiner Krise bot.

Der Krieg in der Ukraine stellt das Ergebnis der Eskalation der imperialistischen Widersprüche dar und spaltet die Welt erneut in zwei Lager. In der aktuellen Situation zieht es ein großer Teil der herrschenden Klasse aufgrund der Handelsbeziehungen Pakistans und der Abkommen mit dem IWF sowie der Probleme des Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridors (CPEC) vor, sich dem US-Lager anzuschließen. Das Ende der Herrschaft von Imran Khan ist das Ergebnis dieses Widerspruchs, der ihn zu einer Belastung für die herrschende Klasse machte.

Das Scheitern seines Projekts ist auch das der Generäle. Es ist gut, dass eine arbeiter:innen- und armenfeindliche Regierung zu Ende gegangen ist. Aber auch der Opposition darf man nicht trauen, obwohl sie von der Achtung der Demokratie spricht. Sie wird keinen grundlegenden Bruch mit der kapitalistischen und proimperialistischen Politik der Regierung Khan vollziehen. Sie wird versuchen, das Versagen seiner Regierung bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise als Vorwand für Sparmaßnahmen, Kürzungen und Privatisierungen zu beschuldigen und die Massen für die Krise zahlen zu lassen. Es ist klar, dass die neue Regierung Massenwiderstand und Streiks gegen soziale Angriffe unterdrücken und angreifen wird. Sie wird demokratische und gewerkschaftliche Rechte abschaffen, wo es nötig ist. Sie wird weiterhin die Rechte von Frauen, nationalen und religiösen Minderheiten beschneiden. Und sie wird sich weiterhin auf einen Staatsapparat stützen, der von der Armee und dem ISI kontrolliert wird. Deshalb dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben, dass die neue Regierung demokratische Freiheiten einführen wird.

Diejenigen Liberalen und Linken, die behaupten, die Absetzung Khans und die Wahl der neuen Regierung seien ein Sieg der Demokratie, irren sich. In Wirklichkeit handelte es sich um einen Kampf innerhalb der herrschenden Klasse, bei dem eine Fraktion vorläufig gewonnen hat.

Wohin jetzt?

Imran Khan und seine Partei stellen diese Situation als eine amerikanische Verschwörung dar. Er und seine Anhänger:innen haben Rücktritte aus den Parlamenten und eine Bewegung gegen die neue Regierung angekündigt, obwohl diese noch gar nicht gebildet ist.

Die PTI-Proteste vom 11. April deutlich gemacht, dass Stabilität nicht so schnell möglich ist.

Wichtige Teile der herrschenden Klasse fürchten sich vor dieser Situation, da sich die pakistanische Wirtschaft derzeit in einem Dilemma befindet. Sie glauben, dass die neue Regierung in dieser Situation besser in der Lage sein wird, eine Katastrophe zu verhindern. Sie hoffen, dass es möglich sein wird, bessere Bedingungen mit dem IWF auszuhandeln, so dass die Gewinne dieses Kapitals wiederhergestellt werden können. Aber, wie PML-N-Führer Miftah Ismail sagte, wird die Regierung schwierige Entscheidungen treffen müssen, um diese Krise zu lösen.

Kurzfristig könnte sie versuchen, die Massen durch einige Zugeständnisse wie die von Shehbaz Sharif angekündigte Erhöhung des Mindestlohns auf 25.000 Rupien pro Monat oder die Erhöhung der Renten ziviler und militärischer Beamt:innen um 10 % zu beschwichtigen. Aber das wird zu wenig sein, um auch nur die Einkommensverluste infolge der massiven Inflation der letzten drei Jahre auszugleichen.

Unter diesen Umständen sollten die Linke und Arbeiter:innenbewegung der neuen Regierung jegliche Unterstützung verweigern. Der Kampf für demokratische Freiheiten muss ausgeweitet werden und der demokratische Einsatz muss mit dem Ringen gegen die Wirtschaftskrise und die Angriffe auf die Arbeiter:innen verbunden werden. Ebenso müssen wir gegen die Kampagne der rechtspopulistischen PTI und Imran Khans kämpfen, die Antiamerikanismus und soziale Demagogie mit einer rechten, autoritären Agenda verbinden, die sich gegen die Arbeiter:innenklasse und die sozial Unterdrückten richtet.

Um eine Alternative zur neuen Regierung und ihren Unterstützer:innen sowie zur rechtspopulistischen PTI aufzubauen, müssen die Linke, Gewerkschaften, Frauenbewegung, Student:innen und national Unterdrückten ihre Kräfte für ein Aktionsprogramm um folgende Forderungen bündeln: einen Mindestlohn, der die Lebenshaltungskosten deckt; eine gleitende Skala von Löhnen und Renten; kostenlose soziale Dienste, Bildung und Gesundheit für alle; für Preiskontrollkomitees, die sich dagegen wehren, dass Arbeiter:innen und Arme zahlen müssen; für den Erlass von Schulden und die Enteignung von Großkapital und Finanzinstitutionen, um die Mittel daraus für einen Notfallplan gegen die Krise zu zentralisieren.

Es liegt auf der Hand, dass ein solches Programm, das die Imperialist:innen und die herrschende Klasse Pakistans zur Kasse bittet, auf offene Feindseligkeit und Angriffe seitens aller imperialistischen Mächte, der alten wie der neuen, seitens der neuen Regierung wie der falschen PTI-Opposition stoßen wird. Eine solche Bewegung kann in den Betrieben, in den Arbeiter:innenvierteln, in der Stadt und auf dem Land aufgebaut werden, indem Aktionskomitees gebildet werden, die den Kampf mit Streiks, Streikposten, Massendemonstrationen und durch die Organisation von Selbstverteidigung im Falle eines Angriffs organisieren.

Alle, die ein solches Vorgehen unterstützen, müssen nicht nur die Initiative für eine Einheitsfront für eine Arbeiter:innenantwort auf die Krise ergreifen – sie müssen auch die Initiative ergreifen, um ein politisches Instrument der Arbeiter:innenklasse zu schaffen, eine Arbeiter:innenpartei, die den Kampf gegen die drohende Katastrophe mit dem für eine sozialistische Revolution in Pakistan und darüber hinaus verbindet.