6.000 demonstrieren gegen AfD-Parteitag: Wie weiter im Kampf gegen die Rechten?

Robert Teller, Neue Internationale 230, Juli/August 2018

Am 31. Juni und 01. Juli traf sich die AfD in Augsburg zum Bundesparteitag. Noch deutlich mehr versammelten sich aber, um den ReaktionärInnen den passenden Empfang zu bereiten. Etwa 6.000 DemonstrantInnen nahmen an zwei Protestzügen teil, die sich auf dem Weg zum Rathausplatz vereinigten. An Organisationen waren v. a. die Grünen, die Jusos, [’solid] und diverse Antifa-Gruppen vertreten. Die meisten TeilnehmerInnen dürften aber unorganisierte AktivistInnen gewesen sein, vor allem auch viele Jugendliche. Viele AntirassistInnen und AntifaschistInnen wurden bei „Vorkontrollen“ durch die Polizei aufgehalten, nachdem bereits in den Tagen zuvor durch Hetze gegen „gewaltbereite DemonstrantInnen“ ein Klima geschaffen wurde, das das Aufgebot von 2.000 Bullen rechtfertigen sollte.

Schon vier Tage vor Beginn des Parteitags wurde ein Aktivist auf Grundlage des neuen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) in Präventivgewahrsam genommen, um seine Teilnahme an den Protesten zu verhindern. Im Vorfeld wurden Räume des Projekts „Solidarische Stadt“ in Augsburg durchsucht und Material beschlagnahmt. Eine Verkäuferin der „Neuen Internationale“ wurde über eine Stunde kontrolliert, weil die Zeitung und das Impressum überprüft werden müssten. All das zeigt, dass die weitreichenden Befugnisse des bayrischen Polizeiaufgabengesetzes ganz real gegen Linke eingesetzt werden.

Ergebnisse des Parteitags

Größere interne Flügelkämpfe wie auf den Parteitagen der vergangenen drei Jahre gab es in Augsburg nicht, auch wenn es dazu durchaus Anlass gegeben hätte. Die AfD zog es jedoch vor, sich lieber ausgiebig der Krise der anderen zu widmen – also dem Beinahe-Bruch zwischen CDU und CSU. Darüber hinaus gab es die übliche deutschnationale Soße – nichts Neues also.

Die AfD möchte Deutschland wieder groß machen, indem sie an Rhein und Oder wieder Schlagbäume aufstellt. Das deutsche Kapital hat im Moment aber wenig Interesse an solchen Rezepten, weil es sich dessen bewusst ist, dass vor allem der Export von Autos und Maschinen, die tagtäglich über diese Grenzen rollen, den deutschen Imperialismus „groß“ gemacht hat. Doch wenn die AfD in Zukunft weitere Wahlerfolge feiern wird, so wird es für sie nicht mehr ausreichen, bloß die reaktionäre Dreckschleuder der Nation zu spielen. Sie wird auch gezwungen sein, „echte“ Politik fürs Kapital zu machen. Spätestens dann wird der bestehende Konflikt zwischen dem ultra-rechten und dem nationalliberalen Flügel wieder aufbrechen. Die Diskussion zur Rente, wo Björn Höcke mit seiner „Nationalrente“ einen völkischen Gegenentwurf zum völligen Kahlschlag des staatlichen Rentensystems – wie von Jörg Meuthen gefordert – vorstellte, kam auf dem Parteitag am Rande zur Sprache.

Auswertung der Demonstrationen

Unter vielen TeilnehmerInnen war die Stimmung kämpferisch. Angeführt wurde die Demonstration von einem großen Jugendblock. Ziel der Aktionen war aber nicht, den Parteitag zu stören oder zu verhindern, sondern lediglich ein politisches Signal zu setzen. Dies zeigte sich auch daran, dass keine Kundgebung in unmittelbarer Nähe des Parteitags abgehalten und am Morgen kein ernsthafter Versuch unternommen wurde, die TeilnehmerInnen des Parteitags an der Anreise zu hindern. Ob dies angesichts des großen Polizeiaufgebots, zu dem auch staatliche Schlägertrupps wie das USK gehörten, realistisch gewesen wäre, sei dahingestellt. Ohne Zweifel wäre aber mehr als nur eine volksfestartige Veranstaltung möglich gewesen, wie sie von der Initiative „Zeig dich AUX“ von Anfang an beabsichtigt war.

Die Auftakt- und Abschlusskundgebung war dominiert von eher unpolitischen kulturellen Beiträgen sowie von den Reden offen bürgerlicher Parteien wie den Grünen und der CSU. „Zeig dich AUX“ hatte noch nicht einmal einen politischen Aufruf zu den Aktionen verfasst. Auf den Auftritt des CSU-Oberbürgermeisters Kurt Gribl, der zu Recht von vielen TeilnehmerInnen ausgebuht wurde, folgte die Rede von Claudia Roth, die die Politik der AfD als „Angriff auf die Grundlagen unserer Demokratie, auf Moral und Ethik und politischen Anstand“ beschrieb.

Nach dieser Sichtweise ist Rassismus vor allem ein Problem individueller Einstellungen von Menschen. Politisch ist er nur insofern ein Problem, als dass er „unsere“ Demokratie schwächt und in Frage stellt – wohlgemerkt jene Demokratie, die aktuell die Außerkraftsetzung von Grundrechten durch Einrichtung von „Transitzentren“ plant, aus denen Geflüchtete ohne Prüfung ihres Asylantrags abgeschoben werden sollen, wenn sie bis zu 30 Kilometer hinter der Grenze aufgegriffen werden.

Das Problem mit diesem bürgerlichen Antifaschismus ist, dass diese Demokratie nicht „unsere“ ist, sondern die des deutschen Kapitals. Der bürgerliche Antifaschismus stellt dem „völkischen“ Patriotismus, dem Chauvinismus hinsichtlich kultureller Identität oder ethnischer Abstammung, einen „guten“ Patriotismus entgegen, dessen Nationalstolz sich über die Errungenschaften „demokratischer Institutionen“, Menschenrechte etc. legitimiert und der insofern auch den „gut integrierten“ MigrantInnen offensteht. Aber auch dieser „aufgeklärte Patriotismus“ verfolgt den Zweck, unterschiedliche gesellschaftliche Klassen in einem scheinbar über den Klassen stehenden gesellschaftlichen Gesamtinteresse zu vereinen – eben zur Verteidigung der „Demokratie“.

Wie kämpfen?

Wenn auch die AfD insgesamt keine faschistische Partei und aktuell nicht zu größeren Straßenmobilisierungen in der Lage ist, so beherbergt sie eindeutig einen Flügel, der in diese Richtung geht und mit FaschistInnen vernetzt ist. Angesichts dieser Entwicklung so zu tun, als bestünde das Hauptproblem darin, dass die RassistInnen die „demokratische Kultur“ verunreinigen, kann man nur als Pfeifen im Walde bezeichnen. In der allgemeinen Rechtsentwicklung der vergangenen Jahre ist die extreme Rechte dabei, sich in der AfD als parlamentarischem Arm zu etablieren. Dies ist eine Gefahr für die gesamte Linke – auch wenn nicht nur Augsburg gezeigt hat, dass eine weit größere Zahl von Menschen bereit ist, gegen den Rechtsruck aktiv zu werden. Dass das Erstarken der Rechten keineswegs eine zwangsläufige Folge der massenhaften Flucht von Menschen nach Europa war, zeigen auch die Zigtausende, die in lokalen Supporter-Initiativen seit 2015 aktiv waren oder sind.

Um dieses Potenzial zu einer politischen Kraft werden zu lassen, ist jedoch ein politisches Konzept erforderlich, das Antirassismus als Teil des Kampfes gegen soziale und politische Angriffe begreift. Dazu ist es zunächst einmal notwendig, Rassismus überhaupt als politische Kategorie zu benennen, als soziale und politische Unterdrückung von Menschen – und nicht als ethisches und moralisches Problem, wie es in dem Begriff „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ zum Ausdruck kommt. Rassismus ist letztlich ein notwendiges Element der herrschenden Ideologie im imperialistischen Weltsystem, zumal in einer Zeit, in der sich globale Konflikte massiv zuspitzen. Daher lässt er sich auch nicht allein durch Aufklärung oder „Gegenkultur“ bekämpfen. Die Orientierung auf „breite Bündnisse“ – die faktisch immer von offen bürgerlichen Parteien, Kirchen usw. dominiert werden – geht zwangsläufig mit dem Verzicht auf die Kritik am staatlichen Rassismus und seinen Ursachen an sich einher.

Einheitsfront

Die reformistischen Massenorganisationen leisten ungewollt ihren Beitrag zum Rechtsruck in Deutschland. Die SPD, indem sie als einzig verlässliche Stütze der Regierung jede Asylrechtsverschärfung mitträgt und damit diese Politik als gesellschaftliche Normalität stehenlässt. Die Linkspartei dagegen positioniert sich zwar mehrheitlich klar gegen die Asylpolitik der Regierung, setzt aber gleichzeitig in den von ihr mitregierten Ländern die Abschiebepolitik mit um – und verfügt auch über keine Analyse und Kritik des Rassismus, die an dessen Wurzeln gehen würde. Stattdessen beruht ihr Programm auf der Hoffnung, eine „soziale Offensive“ würde den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft wiederherstellen. Dabei lässt sie eine offene Flanke für rechte QuerschlägerInnen wie Wagenknecht, die behauptet, ebendieser Zusammenhalt werde durch „Einwanderung in die Sozialsysteme“ gefährdet.

Im Kampf gegen die AfD und den Rechtsruck halten wir eine Einheitsfront für erforderlich, die alle linken und ArbeiterInnenorganisationen einbezieht. Eine solche Einheitsfront würde sich insbesondere auch an Linkspartei und SPD wenden und diese auffordern, einen ernsthaften Kampf gegen den zunehmenden Rassismus zu führen. Ebenso ist es vonnöten, innerhalb der Linken zu diskutieren, welche Aktionen und Strategien für diesen Kampf notwendig sind. Die Aktivenkonferenz von „Aufstehen gegen Rassismus“ am 1. und 2. September in Frankfurt sollte genau diese Fragen in den Mittelpunkt stellen.




AfD und rechten Hetzern entgegentreten – gemeinsam, entschlossen, organisiert!

Aufruf der Gruppe ArbeiterInnenmacht zur Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag in Augsburg, Neue Internationale 229, Juni 2018

Am 30. Juni und 1. Juli findet der Bundesparteitag der AfD in Augsburg statt. Damit soll ein weiterer Schritt zur Festigung und zum Aufbau einer rechtspopulistischen, rassistischen Partei vollzogen werden. Große interne Abrechnungen wie auf vergangenen Parteitagen sind nicht zu erwarten. Vielmehr werden der „respektable“, rechts-konservative und neo-liberale sowie der ultra-nationalistische, völkische und proto-faschistische Flügel ihre Gemeinsamkeiten hervorheben: ungebremster Rassismus, extremer Nationalismus, Deutschtümelei, Frauenfeindlichkeit, Deregulierung im vermeintlichen Interesse des „kleinen (deutschen) Mannes“ und der Ruf nach einem starken, autoritären Staat.

Gesellschaftlicher Rechtsruck

Auch wenn die AfD selbst keine faschistische Partei ist, so ist sie der konzentrierte, parteipolitische Ausdruck des Rechtsrucks der letzten Jahre. Hat sie ihn auch nicht verursacht, so ist sie dennoch nicht bloß seine Nutznießerin, sondern treibt ihn aktiv voran. Protest, Mobilisierung gegen die Rechten – nicht nur gegen die AfD – ist daher Pflichtprogramm für die gesamte Linke und die ArbeiterInnenbewegung – im Kampf gegen Rassismus, gegen Spaltung, sexistische Hetze oder Versuche, sich mit rechten Listen betrieblich zu verankern.

Die Große Koalition hat dem Aufstieg der AfD nicht nur nichts entgegengesetzt, sondern ihn durch ihre eigene staatliche, rassistische Politik begünstigt: Schleifung der sowieso schon begrenzten Asylrechte, Kriminalisierungen und Diffamierungen von FlüchtlingshelferInnenstrukturen nicht nur durch die AfD, sondern auch die CSU und die bürgerlichen Medien und nicht zuletzt eine extrem rigide Abschiebepolitik, in der zahlreiche Länder zu „sicheren Drittstaaten“ bzw. „sicheren Herkunftsländern“ erklärt werden, obwohl dort Krieg wie etwa in Afghanistan herrscht. Die jüngst durch Horst Seehofer vorgestellten „AnKER-Zentren“ (Ankunft – Kommunale Verteilung – Entscheidung – Rückführung) , die lediglich dazu dienen, die Asylverfahren durchzupeitschen, und eine schnellere Abschiebung ermöglichen sollen, verschärfen diese Politik weiter – und sind zugleich Wasser auf die Mühlen der AfD.

Aber auch die Politik von SPD und Gewerkschaftsführungen, ja selbst der Linkspartei spielt hierbei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die SPD verschärft in sozial-chauvinistischer Manier die rassistischen Gesetze gemeinsam mit der Union, während sie mit den Gewerkschaftsspitzen bei der sog. Standortpolitik den Schulterschluss mit dem deutschen Kapital übt. Die „RegierungssozialistInnen“ und der Wagenknechtflügel in der Linkspartei betreiben im Grund dieselbe Politik. Für sie sind die Lohnabhängigen keine internationale Klasse, die entlang nationaler Linien gespalten wird, sondern vor allem eine nationale Größe, die sich zuerst um ihr Fortkommen im „eigenen Land“ zu kümmern hätte. Entsolidarisierung und Spaltung sind somit vorprogrammiert.

Ein weiterer Grund für das Erstarken der AfD liegt in der Krise der (radikalen) Linken nicht nur, aber auch hier in Deutschland. Dadurch, dass man auf die Folgen der Agenda-Politik keine wirklichen Antworten parat hatte und auch während der Krise vor 10 Jahren die Lösungsansätze der (radikalen) Linken gegen die Angriffe eher dürftig blieben, wandten sich viele, die auf Veränderungen gehofft hatten, enttäuscht ab und suchten nach vermeintlich einfacheren Lösungen.

Perspektive

Aus diesen Gründen rufen wir zur Beteiligung an den Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag auf. Lasst uns den rechten HetzerInnen klar machen, dass sie weder in Augsburg noch sonst wo erwünscht sind!

Um unseren Protest lautstark auf die Straße zu tragen und den Parteitag effektiv zu blockieren, müssen wir aber viele sein. Die bayrische Polizei will die Tagung der Rechten mit 2000 PolizistInnen schützen. Während das Versammlungsrecht in Bayern und bundesweit durch neue Polizeigesetze und weitere Einschränkungen beschnitten wird, soll der AfD-Parteitag gegen AntirassistInnen und AntifaschistInnen durchgepeitscht werden. Wir müssen daher unseren Protest organisiert auf die Straße tragen, um unser Demonstrationsrecht gegen rechte, AfD-nahe SchlägerInnen und Provokationen der Polizei zu verteidigen.

Um den Rechtsruck zu stoppen, müssen wir aber mehr tun, als uns an Großdemos gegen die AfD oder andere rechte Kräfte zu beteiligen.

Wir brauchen ein bundesweites Aktionsbündnis gegen Rassismus, Angriffe auf Geflüchtete und MigrantInnen und für deren Schutz vor Abschiebungen. Ein solches Bündnis sollte für die Abschaffung aller rassistischen Sondergesetze, für volle Bewegungsfreiheit, Abschaffung des Lagersystems, aller Einreisebeschränkungen und für offene Grenzen eintreten.

Darüber hinaus ist es unerlässlich, sich mit anderen Protesten zusammenzuschließen wie z. B. jenen gegen die Polizeiaufgabengesetze in Bayern oder Sachsen, welche einen massiven Angriff nicht nur auf Linke, sondern auch auf GewerkschafterInnen bedeuten und die ebenfalls im Kontext des Rechtsrucks zu sehen sind, um Solidaritätsaktionen bspw. mit von Abschiebungen betroffenen Flüchtlingen zu kriminalisieren.

Es gibt nur einen Weg, der Konkurrenz zwischen Geflüchteten, MigrantInnen und den schon länger hier lebenden Lohnabhängigen entgegenzuwirken – der gemeinsame Kampf für gleiche Rechte, für volle StaatsbürgerInnenrechte für alle, die hier leben, für die Verkürzung der Arbeitszeit sowie einen garantierten Mindestlohn und Wohnraum für alle. Wir rufen dazu auf, in den Gewerkschaften den Kampf gegen rechte HetzerInnen zu organisieren, die AfD und rechte Gruppierungen konsequent politisch zu bekämpfen und die Gewerkschaften für alle MigrantInnen und Geflüchteten zu öffnen.

Der Kampf gegen den Rassismus ist mehr als der Kampf gegen die AfD. Angesichts der verschärften globalen Konkurrenz wird jede bürgerliche Regierung ein Programm massiver Angriffe, des Rassismus und der Repression fahren. Dies sind keine zufälligen „Ausrutscher“, sondern untrennbar mit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung verbunden. Wenn wir den Kampf wirksam führen wollen, dürfen wir daher nicht nur die Auswirkungen des Rechtsrucks bekämpfen, sondern müssen auch seine Ursachen ins Visier nehmen. Das ist unser Ziel, deshalb kämpfen wir für den Aufbau eine neuen revolutionären Partei und Internationale!




Ein schlechter Tag für die AfD – doch wer siegte in Berlin?

Martin Suchanek, Infomail 1005, 28. Mai 2018

Der 27. Mai war kein guter Tag für die AfD. Die wochenlang großspurig angekündigte „Eroberung“ der Berliner Straßen blieb aus. Statt der noch bis vor kurzem anvisierten Zehntausend plus X beteiligten sich nur rund 5000 RassistInnen, Ultra-NationalistInnen und eine erhebliche Zahl FaschistInnen an der Demonstration der AfD. Obwohl etliche TeilnehmerInnen aus dem Bundesgebiet angekarrt und auch noch finanziell geködert wurden, blieb die Beteiligung unter den Erwartungen. Schon in den Tagen vor der Demonstration hatte die AfD-Führung die Erwartungen angesichts des drohenden „Linksterrors“ nach unten geschraubt, der deutschen Frauen und Familien nicht zumutbar wäre.

Nach vier Stunden war der rechte Spuk dann auch vorbei, freilich nicht, ohne zuvor jede Menge rechter Hetze zu verbreiten. So reaktionär, völkisch, rassistisch die Reden von Gauland und von Storch auch sind – sie verweisen darauf, was die AfD will. Wer allen Ernstes davon spricht, dass Deutschland an den Islam gefallen sei und der Bundesregierung vorwirft, seit Jahrzehnten (!) keine „deutschen Interessen“ mehr zu vertreten, lebt nicht nur in einer anderen Welt – er oder sie spricht auch für einen weitaus aggressiveren internationalen Kurs des deutschen Kapitals und ein umfassendes gesellschaftliches Rollback. Dobrindt mag von der „konservativen Revolution“ reden, die AfD will sie wahr machen.

Heute zieht die herrschende Klasse noch einen in demokratische und Menschenrechtsphrasen gekleideten imperialistischen Kurs vor, wie er von der Bundesregierung und der „respektablen“ bürgerlichen Opposition vertreten wird. Aber ein erneuter Kriseneinbruch und der Zerfall der EU können eine aggressivere Neuorientierung notwendig machen und einen politischen Führungsstil der – ganz im Gefolge der Trumps, Putins, aber auch Macrons dieser Welt – mehr auf populistische und autoritäre Herrschaftsformen setzt als die Schönwetterveranstaltung namens bürgerlich-parlamentarische Demokratie.

Vor diesem Hintergrund sollte der Jubel über die – noch – bescheidene Mobilisierung der AfD allenfalls verhalten ausfallen. Die AfD ist sicherlich keine Partei der Straßenmobilisierung. Ein großer Teil ihrer Mitglieder und vor allem ihrer WählerInnen will eine andere staatliche Politik, mehr Autoritarismus, Nationalismus, mehr Armee und Polizei, mehr rassistische Abschottung. Die AfD und die Mehrheit ihrer AnhängerInnen sind keine StraßenschlägerInnen, sondern reaktionäre SpießerInnen, die einen starken bürgerlichen Staat „für die Deutschen“, die imaginierte Volksgemeinschaft wollen, um erfolgreich ihren Geschäften nachzugehen oder nicht von „AusländerInnen“ in der Konkurrenz niedergemacht zu werden. Rassismus und Volkstümelei gelten ihnen nicht nur als ideologischer Kitt, sondern auch als soziales Versprechen.

Der 27. Mai verdeutlichte jedoch auch, dass sich in der Partei neben rechts-konservativen, nationalistischen und neo-liberalen Kräften ein faschistischer oder dem Faschismus nahestehender Flügel gebildet hat. Er stützt sich auf rabiate KleinbürgerInnen, deklassierte oder von Deklassierung bedrohte weiße deutsche Lohnabhängige, die von der reformistischen ArbeiterInnenbewegung frustriert ihr Heil in einer Partei der reaktionären Verzweiflung suchen. Sie können für den Fall weiterer sozialer und gesellschaftlicher Verwerfungen den Bodensatz für die Entstehung einer faschistischen Partei bilden.

So weit ist es – zum Glück – noch nicht. Zweifellos war aber dieser Teil der AfD-AnhängerInnen bei der Demonstration und der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor überproportional vertreten. Das belegen Zusammenstöße von abziehenden Nazis mit AntirassistInnen am S-Bahnhof Friedrichstraße. Hinzu kommt, dass Berlin für die AfD ein vergleichsweise schwieriges Pflaster ist. Hätte sie zum Marsch gegen Merkel nach Dresden mobilisiert, wäre dieser zweifellos weit größer ausgefallen, wäre in Verbindung mit Pediga eine wirkliche, bedrohliche Masse auf die Beine gebracht worden.

Zehntausende GegendemonstrantInnen

In Berlin protestierten jedoch Zehntausende gegen die AfD. Selbst nach Polizeiangaben beteiligten sich rund 25.000 bis 30.000 an den zahlreichen Gegenaktionen, Kundgebungen, Techno-Paraden und Blockadeversuchen. Die OrganisatorInnen von „Stoppt den Hass“ schätzten die Zahl der AfD-GegnerInnen sogar auf 72.000. Dies ist wohl zu hoch gegriffen. In jedem Fall übertraf die Anzahl der Menschen, die gegen die AfD und deren Rassismus auf die Straße gingen, die Rechten um ein Vielfaches, mindestens im Verhältnis von 5:1 (25.000 zu 5.000). Das darf zuversichtlich stimmen.

Auch wenn die AfD selbst keine faschistische Partei ist, so war die Kundgebung eine Manifestation des aggressiven Nationalismus und Rassismus, die sich auch auf die Mobilisierung durch faschistische Strukturen stützte. Es war daher vollkommen gerechtfertigt, dass die AfD am Marschieren gehindert werden sollte. In der verhaltenen Sprache von „Stoppt den Hass“ wurde dazu aufgerufen, die Stadt und Wege der AfD „zuzustellen“.

Doch „zugestellt“ wurde der Aufmarsch nicht. Die AfD konnte ihre Route unter Polizeischutz wie geplant laufen. Nur ein einer Stelle (Reinhardtstraße) konnte die rechte Demonstration kurzzeitig angehalten werden. Andere Blockadeversuche scheiterten an Polizeirepression, Einsatz von Pfefferspray und einzelnen Festnahmen, aber auch an der Halbherzigkeit der Aktionen und deren schlechter Koordinierung. Vor allem aber war nur eine Minderheit der AfD-GegnerInnen in die Versuche einbezogen, den Aufmarsch wirklich zu stoppen oder auch nur ernsthaft zu behindern. Realistischerweise müssen wir bilanzieren, dass wahrscheinlich weniger Menschen in diese Versuche involviert waren, als die RassistInnen auf die Straße brachten.

Dieser Mangel an Entschlossenheit und die Tatsache, dass die AfD ihre Route ohne größere Behinderungen laufen und ihre Kundgebungen abhalten konnte, relativieren den politischen Erfolg der Gegenmobilisierung. Sie verweisen darauf, dass wir uns kritisch mit der politischen Ausrichtung und Taktik im Kampf gegen die AfD auseinandersetzen müssen. Die Masse zeigt zwar, dass die Kräfte vorhanden sind, die AfD zu stoppen – aber die eingeschlagene politische Ausrichtung wird dazu nicht in der Lage sein.

Bunt gegen braun?

Bei aller Unterschiedlichkeit der Mobilisierungsformen zielte die Aktion darauf ab, der Tristesse der Deutschtümelei der AfD die farbenfrohe Vielfalt „unseres Berlins“ entgegenzustellen. Der völkisch und nationalistisch (v)erklärten Welt der AfD stellten die RednerInnen von der Bühne am „Platz der Republik“ (vor dem Reichstag) die bunte Welt der bürgerlichen Demokratie entgegen. Diese Vielfalt will von Klassen, von Imperialismus und Krieg nichts wissen – jedenfalls nicht im Kampf gegen Rassismus und die AfD.

Auch wenn im Mobilisierungsbündnis linkere Kräfte (Linkspartei, diverse Postautonome, antirassistische Initiativen) vorherrschten, so waren die Kundgebung und die Ausrichtung der Aktionen letztlich von den Kräften der Berliner Senatskoalition geprägt. Wir kritisieren dabei keinesfalls, dass am 27. Mai größere Kontingente der Jusos, der SPD, der Linkspartei, der Grünen Jugend anwesend waren, wohl aber, dass die politische Ausrichtung des Protestes und der Aktionsformen im Voraus darauf berechnet waren, das „bürgerliche Spektrum“ nicht zu verschrecken. Daher gab es auch nur den Aufruf, sich an einer stationären Kundgebung vor dem Reichstag zu versammeln und allenfalls an die Absperrungen der AfD-Abschlusskundgebung zu laufen und diese durch Sprechchöre zu stören.

Dieser „breite Protest“, der auch darauf abzielte, einen „Keil“ zwischen die AfD und die „normalen“ konservativen Kräfte zu treiben, ging selbst in der Mobilisierung nicht wirklich auf. Die „traditionellen“ Bürgerlichen – CDU und FPD – ließen sich erst gar nicht blicken. Im „Kampf gegen die AfD“ setzen sie auf Law and Order, Heimatschutz und staatlichen Rassismus, um den Rechten durch die Umsetzung ihrer Forderungen den Boden zu entziehen.

Die links-bürgerlichen Grünen und die reformistischen Parteien (SPD und Linkspartei) treiben ein mehr oder minder geschicktes Doppelspiel. Die Linkspartei gibt vor, sie wäre für offene Grenzen – und beugt sich dem „Sachzwang“ Abschiebungen in den Landesregierungen. Die SPD zimmert im Bund an rassistischen Gesetzesverschärfungen und gibt sich in Berlin weltoffen. Während die Berliner Senatsparteien die Polizei schützend vor die AfD stellen, wollen sie beim Protest auch nicht fehlen. Nur „zu weit“, also zu einer Konfrontation ihrer AnhängerInnen mit „ihrer“ Polizei oder der AfD, soll es aber auch nicht kommen. Dafür sorgte an diesem Tag die „Protestchoreografie“.

Die Masse der „bürgerlichen“ TeilnehmerInnen – eigentlich neben Grünen vor allem die von reformistischen Parteien und Gewerkschaften organisierten Lohnabhängigen – versammelte sich vor dem Reichstag. Die Raver-Paraden, Demonstrationen von KünstlerInnen und anderen Menschen der intellektuellen Zivilgesellschaft zogen in Umzügen durch Stadt, hatten aber auch nicht vor, die AfD wirklich zu stellen, sondern verbreiteten im Grunde denselben Inhalt und dieselbe politische Ausrichtung wie die Kundgebung vor dem Reichstag – allerdings mit dem Schein parteipolitischer „Unabhängigkeit“.

In Wirklichkeit eint sie jedoch die Ideologie des demokratischen, bürgerlichen Antirassismus. Nicht dass die AfD die Lohnabhängigen und Unterdrückten spaltet und ihr Rassismus dem Kapital und dem deutschen Imperialismus in die Hände spielt, wird ihr zum Vorwurf gemacht. Vielmehr mache die AfD „unsere Stadt“ kaputt, ruiniere deren „guten Ruf“. So wie die „demokratische“, bürgerliche Ausrichtung auf der Reichstagswiese auch für FDP und CDU noch ein Plätzchen in der Anti-AfD-Koalition freihalten will, so vereint die Raver-Parade ClubbesitzerInnen, Beschäftigte und KundInnen.

Im Rahmen dieser Protestchoreografie erhalten die Linksradikalen auch noch einige Blockadepunkte, die sie zum Ausgangspunkt für ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei verwenden dürfen. Am 27. Mai waren diese militanteren Aktionen nur halbherzig. Selbst schwächere Polizeiketten wurden in der Regel nur zaghaft, also rein passiv zu durchbrechen versucht. Vor allem aber waren diese Aktionen im Rahmen des „Gesamtkonzeptes“ im Voraus nur auf eine Minderheit zugeschnitten, die sich etwas austoben konnte.

Das Problem ist dabei nicht, dass auch Bürgerliche oder UnternehmerInnen an Aktionen gegen einen rassistischen Aufmarsch teilnehmen. Was die reformistischen Parteien (SPD und DIE LINKE) sowie die Gewerkschaften betrifft, sind wir sogar unbedingt dafür, dass sie aufgefordert werden zu mobilisieren.

Das Problem besteht vielmehr darin, dass sich die Mobilisierungsbündnisse (und auch die „radikaleren“ Kräfte wie die Postautonomen oder auch die GenossInnen von Marx21 in der Linkspartei) im Voraus der Ausrichtung auf einen bürgerlichen Antirassismus unterordnen, also Aufrufe wie Aktionsformen so einrichten und planen, dass sie für das „demokratische“ Bürgertum akzeptabel sind.

Ideologisch drückt sich das z. B. in Leerformeln wie „unser Berlin“ aus, das es der AfD gezeigt habe. Dumm nur, dass „unser“ Berlin uns ebenso wenig gehört wie „unsere“ Wohnungen, „unsere“ Arbeitsplätze oder „unsere“ Kultur.

Unsere Wohnungen gehören bekanntlich der „Deutsche Wohnen“ oder öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, die gegen Besetzungsversuche auf ihr Eigentumsrecht pochen. „Unsere Arbeitsplätze“ sind nicht nichts als ein verkehrter Ausdruck für die Produktionsmittel, die „unseren“ AusbeuterInnen gehören. Und „unsere“ Kultur ist natürlich auch nur eine Spielart der bürgerlichen Kultur, mag sie auch der von der AfD favorisierten biedermännischen reaktionären Variante vorzuziehen sein. Während die der AfD das „Volk“ in den Mittelpunkt ihres Weltbildes steht, so ist es beim bürgerlichen Protest „der Mensch“, das „Individuum“. Von Klassen und einer klassenpolitischen Ausrichtung der Aktionen wollen ihre OrganisatorInnen, die vorherrschenden Kräfte des Gegenprotests nichts wissen.

Welche Ausrichtung, welche Aktionsformen brauchen wir?

Wer der AfD wirklich den Nährboden entziehen, ihr politisch das Wasser abgraben will, darf zum staatlichen Rassismus wie überhaupt zu den Klasseninteressen der bürgerlichen Mitte, der Regierungsparteien und der gesamten parlamentarischen Opposition nicht schweigen.

Daher sollten sich gemeinsame Aufrufe mit Parteien wie SPD und DIE LINKE oder den Gewerkschaften – wie jede Einheitsfront – auf konkrete gemeinsame Aktionen beschränken. Es geht dabei nicht darum, eine konsequent anti-rassistische Position von reformistischen oder kleinbürgerlichen Kräften zur Vorbedingung für eine gemeinsame Blockade oder Aktion gegen die AfD (oder andere rassistische Aufmärsche oder gegen Nazis) zu machen, zumal eine solche letztlich mit jeder reformistischen oder kleinbürgerlichen Politik unvereinbar ist. Vielmehr geht es um konkrete Verabredungen, einen kurzen Aufruf, der die gemeinsamen Aktionsziele darlegt und erklärt. Auf Tribünen, bei Reden usw. sollten alle Organisationen, alle RednerInnen volle Propagandafreiheit genießen – also auch das Recht, die politischen Fehler und Inkonsequenz ihrer zeitweiligen BündnispartnerInnen offen zu kritisieren (so wie natürlich auch richtige oder vorbildliche Aktionen von BündnispartnerInnen gewürdigt werden sollen).

Für RevolutionärInnen kann und darf die Propagandafreiheit keine Nebensache, keine gegenüber der gemeinsamen Aktion vernachlässigbare Frage sein, sie muss diese vielmehr begleiten.

Um so wichtiger ist das, wenn die vorherrschenden Kräfte einer antirassistischen Mobilisierung eine Ausrichtung verbreiten, die den Antirassismus auf eine Frage bürgerlich-demokratischer Etikette reduziert und die Wurzeln des Rassismus in der imperialistischen Ordnung und jeden Zusammenhang zwischen Rassismus und „sozialer Frage“ dementiert.

Dies ist nicht nur eine ideelle Frage, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf die Form und Effektivität der Gegenaktionen.

Am 27. Mai hätte die Möglichkeit bestanden, die AfD nicht nur zahlenmäßig in den Schatten zu stellen, sondern ihre Demonstration auch zu verhindern. Es wäre die Aufgabe eines gemeinsamen Aktionsbündnisses gewesen, die Masse zu einer koordinierten, gemeinsamen Kraft zu bündeln. Doch das wurde erst gar nicht versucht. Vielmehr wurde die Vielzahl schlecht koordinierter Aktionen (13 an der Zahl!) zu einer Stärke – „unserer Vielfalt“ – verklärt. In Wirklichkeit reduzierte diese Zersplitterung der Kräfte ihre mögliche, gemeinsame Wirksamkeit im Voraus gegen null.

Um die AfD-Demonstration zu verhindern, hätten sich die mobilisierenden Kräfte jedoch von vornherein auf eine verbindliche Aktionsleitung verständigen müssen, die einem oder mehren Demozügen ein Struktur gegeben hätte. So wäre es möglich gewesen, besser organisierte Teile an die Spitze zu stellen und zugleich die Masse unorganisierter Menschen einzubinden.

Es hätte aber auch erfordert, ein anderes Aktionskonzept zu kommunizieren. Die Verhinderung des rassistischen Aufmarsches hätte als gemeinsame, massenhafte, aber auch militante Aktion gegen eine Partei, die Hass und Rassismus schürt und Millionen des Landes verweisen will, zum Ziel proklamiert werden müssen. Wenn die AfD wirklich blockiert und „zugestellt“ hätte werden sollen, so müssen auch die DemonstrantInnen darauf vorbereitet werden, sich gegen Polizeirepression, AfD- und Nazi-SchlägerInnen zu verteidigen.

In jedem Fall hätte zu organisiertem Demoschutz und Schutz der Aktionen aufgerufen und diese vorbereitet werden müssen. So blieb dies am 27. Mai allenfalls einigen kleineren Gruppen der „radikalen“ Linken vorbehalten. Deren Versuche, die AfD-Route zu blockieren, scheiterten bekanntlich. Doch was wäre passiert, wenn sie direkt auf die RassistInnen gestoßen wären? Angesichts der gesamten Vorbereitung und „gewaltfreien“ Ausrichtung der Proteste, also angesichts des Verzichts auf Selbstverteidigungsstrukturen, hätte eine direkte Konfrontation mit den OrdnerInnen der AfD oder den rechten TeilnehmerInnen leicht übel ausgehen können. Von einer Sitzblockade werden sich die AfDlerInnen und erst recht deren Nazi-MitläuferInnen nicht beeindrucken lassen. Im Gegenteil, sie würden sie als Aufforderung zur brutalen Gewalt auffassen.

Bürgerlicher und proletarischer Antirassismus

Ein linker, proletarischer Antirassismus unterscheidet sich vom bürgerlichen daher nicht nur in seiner politischen und ideologischen Ausrichtung. Er unterscheidet sich auch darin, wer eigentlich das Subjekt des Kampfes gegen den Rassismus sein und wie dieser geführt werden soll. Der bürgerliche erblickt das Subjekt in einer klassenübergreifenden Gemeinschaft „der Menschen“, letztlich in der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer ideellen Zusammenfassung im „wirklich“ demokratischen Staat, dem gegebenenfalls mit „zivilem Ungehorsam“ auf die Sprünge geholfen werden soll.

Der proletarische Antirassismus betrachtet den Kampf als integralen Teil des Klassenkampfes. Das Subjekt sind nicht „die Menschen“, sondern die Lohnabhängigen und Unterdrücken. Damit sie zu diesem Subjekt werden können, ist auch ein ideologischer und politischer Kampf notwendig gegen bürgerliche Vorstellungen und Ideen (einschließlich ihrer reformistischen und „radikalen“ kleinbürgerlichen Spielarten). Während sich bürgerliche AntirassistInnen letztlich das Gute vom Staat erhoffen, setzt der proletarische Antirassismus auf den Aufbau einer organisierten, kämpferischen Bewegung, die nicht auf Polizei- und Repressionsapparat, sondern auf eigenen Selbstverteidigungsstrukturen im Kampf gegen Rassismus und Faschismus fußt.

Für den Kampf gegen die AfD ist die Frage der politischen Ausrichtung, der Taktik und Kampfmethoden eine Schlüsselfrage. Dass Zehntausende gegen die Rechten auf die Straße gingen, zeigt, dass wir sie schlagen und ihren Aufstieg stoppen können. Aber die Vorstellung, dass dies auf die Dauer mit dem politischen Konzept der Gegenaktionen in Berlin möglich wäre, ist illusorisch. Im Kampf gegen die rassistische Gefahr braucht es einen grundlegenden Kurswechsel.




Erfolg in Fulda: AfD-Kundgebung aus Angst vor Gegenprotest abgesagt

REVOLUTION Fulda, Infomail 1004, 25. Mai 2018

Am 22. Mai hatte die AfD-Fulda zu einer weiteren Kundgebung in der Innenstadt aufgerufen. Genauer Ort und Zeit dieser Kundgebung wurden jedoch nicht bekanntgegeben – vermutlich, um die Anmeldung einer Gegenveranstaltung zu verhindern.

Trotzdem trafen sich im Voraus einige junge AntirassistInnen, um eine Störaktion auszuarbeiten und riefen öffentlich zum Widerstand gegen eine erneute Hetzveranstaltung der Fuldaer AfD auf. Obwohl Fulda-Stellt-Sich-Quer diesmal keine Gegenkundgebung angemeldet hatte, war die AfD offensichtlich derart eingeschüchtert, dass sie ihre Veranstaltung absagte. Grund dafür war sicherlich auch die klägliche Teilnahme an der ersten, groß angelegten Kundgebung am 30. April und der entschlossene, laute Protest dagegen. Ihre eigene Begründung, die „Angst vor linksextremen Gewalttätern“, ist zynisch, wenn man bedenkt, dass nach ihrer letzten Kundgebung GegendemonstrantInnen von BesucherInnen der AfD-Kundgebung gewaltsam angegriffen und verletzt wurden.

Dieser Rückzieher ist ein großer Erfolg für alle linken Kräfte in Fulda und zeigt, dass gemeinsame und konsequente antirassistische Arbeit Früchte tragen kann. In Fulda trauen sich RassistInnen aktuell nicht, in der Öffentlichkeit aufzutreten – Fulda gehört uns!

Gegen Sexismus, Rassismus und Kapitalismus!

 




Kandel: Welche Aktionseinheit gegen rechts brauchen wir?

Robert Teller, Infomail 995, 28. März 2018

Seit dem gewaltsamen Tod einer 15-Jährigen am 28. Dezember 2017 in Kandel hat die Rechte aufgrund der mutmaßlichen Täterschaft eines Geflüchteten zu acht Demonstrationen innerhalb von drei Monaten mobilisiert, auf denen u. a. die AfD, die identitäre Bewegung und „Der 3. Weg“ auftraten. Während die ersten rechten Aktionen ohne größeren Protest abliefen, beteiligten sich am 3. März 4500 Menschen an den Gegenaktionen zum rechten Aufmarsch, die u. a. vom neu gegründeten Bündnis „Wir sind Kandel“ organisiert wurden. Die OrganisatorInnen ließen unter dem Motto „Für ein friedliches Miteinander in Kandel“ weiße Luftballons steigen und riefen die EinwohnerInnen dazu auf, aus „Protest“ die Rollladen geschlossen zu lassen.

Zur Gegendemonstration am 24. März rief „Wir sind Kandel“ mit Unterstützung von SPD, Grünen, CDU, FDP, der Linkspartei, Kirchen, Unternehmen und Gewerkschaften auf. Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Bischof Karl-Heinz Wiesemann und Kirchenpräsident Christian Schad äußerten Unterstützung für den Protest gegen rechts. Scheinbar gibt es also einen breiten gesellschaftlichen Konsens, rechte Aktivitäten nicht zu dulden. Doch worin besteht dieser „Konsens“? „Wir sind Kandel“ schreibt: „Die rechtspopulistischen Parteien und Gruppierungen schüren Ängste und Verunsicherung bei den Menschen. Es werden Feindbilder beschworen und Institutionen unserer Demokratie in Frage gestellt.“

Gemeinsames Interesse?

Es wird also ein gemeinsames Interesse aller DemokratInnen postuliert, rechte Agitation im Namen der Demokratie zurückzuweisen. Derartige Argumentationsmuster werden nicht nur von bürgerlichen Kräften vertreten – sondern haben eine lange Geschichte innerhalb der Linken, von der Klassenzusammenarbeit der Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbürokratie seit Beginn des Ersten Weltkriegs, über die Volksfrontpolitik der KPD seit Mitte der 1930er Jahre bis zur Idealisierung „breiter, vielfältiger, bunter“ Bündnisse in der postautonomen radikalen Linken heutzutage.

Das Problem dieser Politik besteht darin, den Kampf gegen Faschismus und Rechtsradikale als eine Auseinandersetzung zu betrachten, die scheinbar über den Interessen gegensätzlicher Klassenkräfte steht. In Wirklichkeit taugen solche Bündnisse als Strategie gegen rechts nichts.

Sie haben nämlich auch auch einen politischen Preis, den die CDU in einem Schreiben deutlich zum Ausdruck bringt:

„Unser gemeinsames Ziel sollte sein, den rechtsradikalen Agitatoren möglichst wenig Öffentlichkeit, Raum und Aufmerksamkeit zu ermöglichen. Deshalb sehen wir es auch kritisch, jeden rechtsradikalen Aufmarsch mit einer Gegendemonstration am gleichen Tag zu begleiten. (…) Ausnahmsweise unterstützen wir die von einem breiten Bündnis getragene Kundgebung am 24. März 2018, von dem eine deutliche Botschaft ausgehen wird. Klar ist: Linksradikalen Kräften erteilen wir ebenso wie rechtsradikalen eine klare Absage. Jegliche politische Instrumentalisierung der schrecklichen Tat in Kandel lehnen wir ab. Wir gehen davon aus, dass der DGB als Veranstalter dafür sorgt, dass keine gewaltbereiten linksextremistischen Kräfte diese Kundgebung missbrauchen.“

Mit dem Motto „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen!“ wird man natürlich gegen die Welle rassistischer Gewalt gegen MigrantInnen nichts ausrichten können – geschweige denn gegen den staatlichen Rassismus, der sich in vielfältiger rechtlicher Diskriminierung der Geflüchteten gegenüber den „eingeborenen“ Menschen zeigt – es geht ja gerade um die Verteidigung der Institutionen, nicht um Kritik an diesen.

„Wir sind Kandel“ schreibt mit Blick auf die Demonstration vom 24.03.:

„Es ist uns gelungen, ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen die rechtsextremen Aufmärsche zu mobilisieren. Das ist ein wichtiges Signal. Umso wichtiger ist es uns, dass alle Teilnehmenden sich mit Respekt begegnen, dass alle sich an die Auflagen der Behörden halten, keiner der Redner ausgebuht wird und keine Gruppe ihre eigenen Ziele verfolgt. Nur gemeinsam sind wir stark.“

Dieser Appell der Zurückhaltung an die aktivistischeren AntifaschistInnen, die bereits am 03. März in größerer Zahl nach Kandel gefahren waren, um sich dem rechten Mob entgegenzustellen, macht deutlich, dass der bürgerliche Antifaschismus oft genug nur auf den Protestzug aufspringt, um ihm seine Fahne aufzupflanzen. Es wäre zwar zunächst nichts dagegen auszusetzen, wenn bürgerliche Kräfte aus welchen Motiven auch immer den Kampf gegen rechts unterstützen mögen, wenn dabei die Freiheit der Kritik erhalten bleibt und die Wirksamkeit der Aktion gesichert ist. Die offen bürgerlichen Kräfte beteiligen sich jedoch nicht, ohne ihre eigenen politischen Bedingungen an die Bewegung zu stellen. Ein derartiges Bündnis führt in der Praxis immer zur politischen Unterordnung der ArbeiterInnenbewegung und der radikalen Linken unter die bürgerlichen Kräfte.

Alternative Einheitsfront

Antifaschistischer Protest kann sich nicht darauf beschränken, das rassistische Denken der Rechten zu kritisieren. Rassismus ist die konkrete Unterdrückung von Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft rechtliche Ungleichbehandlung erfahren, sozial benachteiligt werden oder im Extremfall gewaltsamen Angriffen durch FaschistInnen ausgesetzt sind. Rassismus entspringt auch nicht irgendeinem „falschen Denken“, sondern der faktischen Spaltung der ArbeiterInnenklasse aufgrund der nationalen Herkunft, massiv verschärft durch die globale krisenhafte Entwicklung des Kapitalismus, die einerseits Millionen zur Flucht zwingt und andererseits chauvinistische „Erklärungen“ dieser Entwicklungen befördert. Zumal selbst Massenorganisationen der ArbeiterInnenbewegung – die Gewerkschaften durch Sozialpartnerschaft und Standortpatriotismus, die SPD als Regierungspartei, die die Asylrechtsverschärfungen mit durchgesetzt hat – das gesellschaftliche Klima, das zu den rechten Mobilisierungen geführt hat, mit verursacht haben. Der „offene“ Rassismus von AfD und anderen präsentiert sich vor diesem Hintergrund als konsequent zu Ende gedachte Fortsetzung dieser Politik.

Antifaschistischer Protest muss genau diese konkrete Unterdrückung aufzeigen und bekämpfen. Nötig ist eine Einheitsfront der Linken und der ArbeiterInnenbewegung, die nicht auf irgendeinem abstrakten politischen Konsens basiert, sondern sich konkret gegen diese Formen der Unterdrückung richtet – den Ausbau der Festung Europa, die Verschärfung der Asylgesetzgebung, das ausgrenzende und entwürdigende System der Unterbringung in Flüchtlingsheimen, die Einrichtung von „Abschiebezentren“. Gegen die alltäglichen rassistischen Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte muss Selbstverteidigung durch die Betroffenen und die ArbeiterInnenbewegung organisiert werden, bei rechten Aufmärschen darf den Rechten nicht die Straße überlassen werden.

Gerade in den Gewerkschaften müssen wir für eine solche Bewegung kämpfen, denn Rassismus spaltet die ArbeiterInnenklasse und bedroht so letztlich auch die gewerkschaftliche Organisierung, wie der Erfolg von rechten Betriebsratslisten u. a. bei Daimler zeigt. Das bedeutet, als antifaschistisches Bündnis sollte das breitestmögliche Bündnis innerhalb der Linken und der ArbeiterInnenbewegung aufgebaut werden, denn Rassismus entspringt letztlich der Art und Weise, wie Kapitalismus funktioniert – und ist eine Gefahr für die gesamte Klasse. Mit bürgerlichen Parteien gemeinsam kann man zwar Luftballons steigen und die Rollladen runter lassen – aber keinen Kampf gegen den Rassismus, geschweige denn seine Ursachen führen.




Kinder, Küche, Kirche – plus Karriere

Veronika Schulz,Frauenzeitung Nr. 4, ArbeiterInnenmacht/REVOLUTION, März 2016

Die Position der AfD zur Rolle der Frau in der Gesellschaft hat nicht nur Ähnlichkeit mit den Programmen anderer konservativer Kräfte, sondern weist darüber hinaus unverkennbare Parallelen zur Haltung der Nationalsozialisten auf. Insbesondere seit der Spaltung der Partei 2015 treten sowohl ihre reaktionären wie auch rassistischen Positionen deutlicher hervor.

Reaktionäre Politik zur Festigung von Unterdrückung

Besonders entschieden spricht sich die AfD gegen das sogenannte „Gender Mainstreaming“ aus, welches zum Ziel hat, bei gesellschaftspolitischen Entscheidungen die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern gleichermaßen zu berücksichtigen, um auf diese Weise die Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen. Die AfD erhebt den Vorwurf, dass dieses Vorgehen auf eine nicht erwünschte „Aufhebung der Geschlechteridentitäten zielt“ (1). Die Kritik richtet sich dabei vornehmlich gegen SPD und Grüne, die während ihrer Regierungszeit eine „ideologisch gesteuerte Verzerrung der Geschlechterrollen“ betrieben und damit ihre Kompetenzen deutlich überschritten hätten, da staatliche Eingriffe in diesen Bereichen zu unterlassen seien. Die Ablehnung der als bedrohlich eingestuften „Gender-Ideologie“ beweist, dass es der AfD mit ihrer angestrebten Politik keineswegs um eine tatsächliche Gleichberechtigung aller Menschen geht, weder von Mann und Frau geschweige denn von Personen, die sich nicht in diese Dichotomie einordnen können oder wollen. Ganz im Gegenteil vertritt die AfD eine Auffassung, wonach Frauen eine „natürliche Rolle“ ihrem „Wesen“ gemäß zugeschrieben werden kann. Frauen haben demnach andersartige Fähigkeiten als Männer. Diese Gemeinsamkeit mit dem Gedankengut der Nationalsozialisten formuliert die Partei in ihrem Programm wie folgt: „Die AfD strebt die Gleichberechtigung der Geschlechter unter Anerkennung ihrer unterschiedlichen Identitäten, sozialen Rollen und Lebenssituationen an.“ (2) Dieses reaktionäre Frauenbild reproduziert die vermeintlich „unterschiedlichen Identitäten“ der Geschlechter und weist emanzipatorische Bestrebungen der Frau in ihre „natürlichen“ Schranken. Väter, die sich an Haushaltsführung oder Kindererziehung beteiligen, und das vielleicht sogar gerne, kommen in der gartenzwerg-behüteten AfD-Welt nicht vor. Das einzig „progressive“ Element der Frauenversteher in der AfD ist das Zugeständnis, dass Frauen nicht mehr ausschließlich auf ihre Rolle als Mutter reduziert werden, gibt es doch mittlerweile auch viele bewusst Kinderlose. Daher beschränkt sich der weibliche Wirkungskreis nicht auf „Kinder, Küche, Kirche“. Mindestens genauso wichtig ist nun die Vereinbarkeit dieser „genuinen Pflichten“ einer Frau mit ihrer Rolle in der Arbeitswelt – die „Karriere“ kommt also noch hinzu. Die Frau dient somit als Stütze sowohl ihres Mannes als auch der Gesellschaft, da sie in der Familie unbezahlte und in der Arbeitswelt häufig prekäre und schlecht bezahlte Tätigkeiten verrichtet, die den Kapitalismus und die bürgerliche Gesellschaft aufrechterhalten. Auch hier findet sich eine weitere Parallele zur Politik der Nationalsozialisten, war diesen doch jede Frau recht, wenn es um lohngünstige Kriegsproduktion ging und männliche Arbeiter rar wurden.

Ginge es nach den familienpolitischen „Vordenkern“ der AfD, sollte jede – wohlgemerkt deutsche und gut ausgebildete – Frau (mindestens) drei Kinder haben. Dieses Ideal der „Drei-Kinder-Familie“ klammert wie selbstverständlich homosexuelle Paare aus und erhebt die heterosexuelle Ehe zum Leitbild. Als Begründung für diesen Appell an den Fortpflanzungswillen deutscher Frauen führt die AfD in ihrer Argumentation die leeren Sozialkassen ins Feld, die auf diese Weise stabilisiert werden sollen. Der in die Jahre gekommene Begriff des „Generationenvertrages“ wird dabei von der Partei bemüht, um ihre Fokussierung auf die Zukunftsgestaltung Deutschlands und somit eine Politik zu legitimieren, die scheinbar an langfristigen Zielen orientiert ist. Dies drückt sich auch in der Forderung nach stärkerer Berücksichtigung von Kindern bei der Rentenberechnung aus (3). Gleichzeitig lehnt die AfD, wie mittlerweile durchaus auch von konservativ-wirtschaftsnahen Kreisen der Unionsparteien gefordert, Zuwanderung zum Zweck der Stabilisierung der „sozialen Sicherungssysteme“ entschieden ab.

Exklusion von LGBTIA-Menschen

Auch im Hinblick auf die Rechte von LGBTIA-Menschen ist das Programm der AfD von einer Politik der Exklusion gekennzeichnet. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Analyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung aus dem Jahr 2014. LGBTIA-Menschen kommen wenn, dann nur in stereotypisierter und negativer Weise im Programm der AfD vor und sind als Minderheiten den Angriffen der Partei ausgesetzt. Der Themenbereich Sexualität wird ideologisch sowie moralisch aufgeladen, während die AfD gleichsam vor „ideologischer Umerziehung“ von Kindern warnt. Verschwörungstheoretisch tritt sie dabei dem sogenannten Bildungsplan in Baden-Württemberg entgegen: „In dem Falle wird davon ausgegangen, dass ein systematisches ,Umerziehungsprogramm‘ ins Werk gesetzt worden sei, wo es in Wirklichkeit um die weithin akzeptierte Selbstverständlichkeit geht, vielfältigen geschlechtlichen und sexuellen Identitäten Akzeptanz zu verschaffen.“ (4) Die Analyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung verdeutlicht, dass die Diskriminierung von LGBTIA-Menschen aus Sicht der AfD legitim ist, da für diese Gruppe(n) Rechte abgeleitet würden, die das Grundgesetz lediglich für Ehe und Familie vorsieht (5). Auch einer „Sexualisierung der Gesellschaft“ (6) soll Einhalt geboten werden, wobei man sich bei allgegenwärtiger sexistischer Werbung durchaus die Frage stellt, inwiefern diese nicht bereits an der Tagesordnung ist.

Rassenideologie/Bildungsrassismus

Auch gegen AusländerInnen und Geflüchtete geht die Partei seit ihrer Abspaltung von den „Euro-Skeptikern“ 2015, wie bereits erwähnt, offensiver vor. Passenderweise wünscht sich die AfD deshalb eine Vermehrung des (deutschen) Volkes, geht jedoch sogar einen Schritt weiter als die nationalsozialistische Rassenideologie. Vorrangig gut ausgebildete Frauen bzw. Paare sollen für den deutschen Nachwuchs sorgen, wohingegen eine „unkontrollierte Vermehrung“ von Arbeitslosen oder MigrantInnen abgelehnt wird. Familien der bürgerlichen Elite und akademischen Mittelschicht sollen Kinder bekommen, da die AfD von einer „natürlichen Begabung“ der Menschen ausgeht, die sich von den gebildeten Eltern auf ihre Kinder überträgt, im Falle der „nichtsnutzigen Schmarotzer“ eben nicht. Diese Haltung ist Bildungsrassismus in widerwärtigster Form, der die bestehende Chancenungleichheit nicht nur leugnet, sondern zugunsten einer vermeintlich evolutionären Vorbestimmung sogar begrüßt.

Abtreibung

Eine ebenso konservative wie moralisierende Auffassung lässt sich in der Position der Jugendorganisation Junge Alternative (JA) zum Thema Abtreibung finden. Die JA spricht sich für den Schutz ungeborenen Lebens aus und behauptet, die aktuelle Rechtslage berücksichtige ausschließlich den Willen der Mutter. Dies ist zum einen nicht korrekt, da in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche weiterhin illegal, wenn auch nach verpflichtender Beratung straffrei, bleiben. Zum anderen zäumt die AfD-Jugend mit der Forderung nach „Abtreibung nur bei triftigen Gründen“ (7) das Pferd von hinten auf: Eine kindgerechte und familienfreundlichere Gesellschaft kann keinesfalls durch staatliche Verbote und Eingriffe in die Entscheidungsfreiheit von Frauen geschaffen werden. Im Gegenteil, erst die Abschaffung bestehender Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse, die wesentlicher Bestandteil des kapitalistischen Systems und bürgerlichen Staates sind, eröffnet Frauen (und auch Männern) die Möglichkeit einer Familienplanung frei von materiellen Abwägungen. Die fehlerhafte Denkweise der JA äußert sich auch in folgender Forderung: „In jedem Fall muss der Staat das materielle und seelische Wohlbefinden von Schwangeren, bei denen ein Schwangerschaftsabbruch droht, sicherstellen und dazu ermuntern, die Schwangerschaft fortzusetzen.“ (8) Dadurch wird die Doppelmoral konservativer Argumentation, die auf Moral und Menschenwürde basiert, offenkundig: Während einer Schwangerschaft gilt das ungeborene Leben als ultimativ schützenswert und wird über die Belange der Mutter gestellt, nach Geburt des Kindes ist die Frau jedoch auf sich allein gestellt und kann sehen, wo sie und das Kind bleiben. Das herangewachsene Kind darf später dann den „Schutz des Lebens“ in Kriegen des deutschen Imperialismus an der Front am eigenen Leib erfahren. Passend dazu stellt die AfD „Elternverantwortung für den Werdegang ihrer Kinder“ (9) in den Vordergrund ihrer Familienpolitik. Die Forderung danach, dass „jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft“ (10) haben soll, ändert noch lange nichts an der Realität und ist verkürzt auf rein materielle Hilfeleistungen. Genau an dieser Stelle wird die familienpolitische Position der AfD zur Klassenfrage: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist aktuell insbesondere für prekär Beschäftigte nicht gegeben, während sich gut situierte „Idealfamilien“ aus (zumeist) männlichem Alleinverdiener und liebender Hausfrau und Mutter darüber weniger Gedanken machen müssen. Und auch für Paare mit mittleren Einkommen sind die vorhandenen Betreuungsangebote durch – wenn auch unzureichende – finanzielle Unterstützung des Staates zumindest erschwinglich. Doch allein durch weiteren Kita-Ausbau oder finanzielle Anreize lässt sich keine Geschlechtergleichheit erzeugen. Insofern bringt es die Programmatik der AfD auf den Punkt, wenn sie zugesteht: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“(11) Da es elterliche Pflicht ist und bleiben soll, sich um die eigenen Kinder zu kümmern, wird das propagierte Idealbild einer intakten Kernfamilie aus Vater, Mutter, Kindern gestärkt und reproduziert.

Keimzelle

Eine solche Darstellung der Familie als „Keimzelle der Gesellschaft“ ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal der AfD. Ähnliche Formulierungen finden sich auch bei der Union zuhauf. Die dargestellte Haltung der JA zum Thema Abtreibung offenbart allerdings, worum es der Partei und ihrer Jugend in Wirklichkeit geht: die Familie als Ort unbezahlter Reproduktionsarbeit, in Form von Kindererziehung und Altenpflege. Diese Sichtweise versperrt sich gegen den gesamtgesellschaftlichen Auftrag, sich um derartige Arbeiten zu kümmern. Aus einer fortschrittlichen sozialistischen Perspektive kann also nur die Vergesellschaftung dieser unbezahlten Erziehungs- und Pflegearbeit die Antwort sein. Dies bezieht explizit die Männer bzw. Väter sowie die Gesellschaft als Ganzes mit ein, da es sich bei Erziehung, Pflege und sonstiger Reproduktionsarbeit wie Kochen und Waschen um gemeinschaftliche Aufgaben handelt. Ausgerechnet die Einbettung dieser Arbeiten in die private Sphäre kann zu Isolation und Konflikten führen. Die Kernfamilie, die auch die AfD nicht müde wird als Ideal zu verklären, ist somit nicht automatisch ein Hort von Liebe und Glückseligkeit. Im Gegenteil, in dieser gewissermaßen sakrosankten Institution ist die Unterdrückung der Schwächeren um ein Vielfaches erleichtert. Körperliche, psychische und sexuelle Gewalt werden innerhalb der Familie abgeschottet von der gesellschaftlichen Wahrnehmung ermöglicht. Durch materielle Abhängigkeit beispielsweise der Frau von ihrem Mann ist ein Durchbrechen dieses Mechanismus nicht ohne weiteres möglich, dazu kommen Scham und Tabuisierung. Die idealisierte Familie wird auf diese Weise häufig zur „Keimzelle“ von Gewalt und Unterdrückung.

Refugee-Thematik

Die moralische Heuchelei der AfD im Hinblick auf eine kinder- und elternfreundliche Gesellschaft tritt auch bei der Refugee-Thematik offen zutage. Die jüngste Debatte offenbart auf erschreckende Weise die menschenverachtende Position der AfD-Parteiführung. Petry und von Storch, zentrale Führungsfiguren der Partei, stehen ihren männlichen Kollegen in nichts nach, wenn sie nach mehr „Law and Order“ rufen und sich für die Option eines Schießbefehls an deutschen Grenzen aussprechen. Hier wird auf zynische Art überdeutlich, dass es der AfD nicht um „Frauen“ und „Kinder“ im Allgemeinen oder ein „kinderfreundliches Deutschland“ im Speziellen geht, sondern bei allen Forderungen der AfD deutsche Frauen und deutsche Kinder gemeint sind. Trotz mehrfacher, hilfloser Distanzierungsversuche kann diese Position der AfD-Führung als stellvertretend für die gesamte Politik der Partei betrachtet werden. Die Standortsicherung Deutschlands als Wirtschaftswunderland innerhalb der EU und damit verbundene neoliberale Reformen stehen an vorderster Stelle, während soziale Programme, wenn überhaupt, nur für BürgerInnen mit deutschem Pass Verbesserungen bringen sollen. Alle anderen, die sich nicht auf deutsche Abstammung oder wirtschaftlich verwertbare Ausbildung berufen können, sollen doch bitte woanders als im gelobten Deutschland ihr Glück suchen, geht es nach der AfD.

Neoliberale Politik

Insofern wird mehr als deutlich, dass die AfD eine neoliberale Politik für das gehobene Kleinbürgertum vertritt, die jedoch den Interessen der Mehrzahl der Lohnabhängigen zuwiderläuft. Das damit verbundene Heilsversprechen zur Stabilisierung der Sozialsysteme wird sich ebenso als Illusion erweisen wie die Prognose, wonach durch die Programmatik der AfD prekäre Beschäftigung für AkademikerInnen wegfallen wird, im Gegenteil. Auch bei der Politik, für die die AfD steht, erfolgt weiterhin ungebremst eine Umverteilung von unten nach oben.

Die Idee, wonach Deutschland durch gesetzgeberische Maßnahmen „kinder- und familienfreundlicher“ (12) werden könne, muss aus marxistischer Sicht ebenso abgelehnt werden wie das ausschließliche Vertrauen auf das bereits beschriebene „Gender Mainstreaming“. Es ist nichts anderes als eine Illusion, Geschlechterrollen und Gleichstellung von Frauen und Männern auf bürokratische Weise herstellen zu wollen. Der bürgerliche Staatsapparat greift auf gesetzliche Regelungen und Verordnungen zurück, wodurch er die Frauenfrage allerdings nicht lösen wird, solange kein wirklicher Abbau von sexueller Unterdrückung und ökonomischer Ausbeutung geschieht. Daher ist eine materielle Einebnung von Geschlechtsunterschieden notwendig. Ebenso kann aus marxistischer Perspektive nur durch Vergesellschaftung häuslicher Tätigkeiten zu einer offenen, kinderfreundlichen Gemeinschaft beigetragen werden.

Die Antwort auf die geschilderten Hirngespinste reaktionärer Kräfte, die durchaus alles andere sind als ein Haufen verirrter Spinner, liegt nicht in individuellen, „emanzipierten Lebensentwürfen“, die einer solchen Politik entgegengehalten werden. Vielmehr bedarf es einer proletarischen Frauenbewegung, die organisiert und entschieden für Frauenbefreiung, für die Überwindung der patriarchalen bürgerlichen Gesellschaft und gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem eintritt. Nur durch die Befreiung der Frauen kann die ArbeiterInnenklasse als Ganze ihre Interessen verwirklichen, nur durch den Sozialismus können Gleichberechtigung von Frauen und LGBTIA-Menschen erreicht und Unterdrückung überwunden werden!

Endnoten

(1)  Alternative für Deutschland (AfD): Programm & Hintergrund. Fragen und Antworten: Bildung und Gleichstellung (2016), online unter https://www.alternativefuer.de/programm-hintergrund/fragen-und-antworten/bildung-und-gleichstellung/

(2)  AfD: Programm & Hintergrund. Fragen und Antworten: Bildung und Gleichstellung (2016).

(3)  AfD: Programmatik & Leitlinien (2013), online unter https://www.alternativefuer.de/programm-hintergrund/programmatik/

(4)  Korsch, Felix/Wölk, Volkmar: Nationalkonservativ und marktradikal. Eine politische Einordnung der „Alternative für Deutschland“, 2. aktual. u. erw. Aufl. 2014. Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, S. 8

(5)  Vgl. Korsch, Felix/Wölk, Volkmar (2014): S. 3

(6)  Junge Alternative für Deutschland (JA): Programmatik (2014), online unter https://www.jungealternative.com/info/programmatik/

(7) JA: Programmatik (2014).

(8)  JA: Programmatik (2014).

(9)  AfD: Programm & Hintergrund. Fragen und Antworten: Bildung und Gleichstellung (2016).

(10) JA: Programmatik (2014).

(11) JA: Programmatik (2014).

(12) AfD: Programmatik & Leitlinien (2013).




AfD-Parteitag: Die extreme Rechte wächst – und die Gegenwehr?

Bruno Tesch, Infomail 976, 4. Dezember 2017

Angesichts des Scheiterns der Regierungsverhandlungen konnte sich die AfD beruhigt und weithin unbehelligt von den anderen Parteien, die im Augenblick vor allem mit sich selbst beschäftigt sind, der Abhaltung ihres Parteitags widmen. Auch die mittlerweile wieder hoch gehandelte Neuauflage der GroKo aus den beiden großen WahlverliererInnen würde einen Rückschlag für die ArbeiterInnenklasse bedeuten, denn eine solche Regierungsbildung würde wieder große Teile der Klasse v. a. über die Gewerkschaftsbürokratie zum Stillhalten bei einem verschärft arbeiterInnenfeindlichen Programm und gesteigerten Offensiven der Bosse veranlassen.

Letztlich würde diese fortgesetzte Politik weitere Kreise der Lohnabhängigen enttäuschen und das Wählerpotenzial für die AfD erhöhen können. Eine etwaige Minderheitsregierung der Union würde die Instabilität erhöhen und das traditionelle Politmanagement der Bourgeoisie und dessen Handlungsfähigkeit noch deutlicher in Frage stellen, so dass scheinbar unverbrauchtere Kräfte Nutzen daraus ziehen und ihren Vorschlägen zur Krisenlösung mehr Gewicht in der öffentlichen Diskussion verschaffen könnten. In dieser Hinsicht ist die jetzige Lage eine Win-win-Situation für die AfD, die in der Opposition ihr rassistisches neo-liberales Programm mit einem guten Schuss Chauvinismus „sozial“ drapieren kann.

Ernsthafte Kopfschmerzen mussten dem nunmehr rechten Flügel des Parlaments auch nicht die inneren Auseinandersetzungen bereiten, die noch am Wahlabend nach außen traten, denn diese haben ihrem Status keinen Abbruch getan.

Ergebnisse des Parteitags

Auch die AfD ist selbst ein Spiegelbild der Krise der bürgerlichen Gesellschaft und als Partei noch längst kein einheitlicher Block. Der Parteitag sollte nach dem erstmaligen Einzug in den Bundestag einen wichtigen Beitrag leisten, die Fronten zu klären und die Marschrichtung der Partei festzuzurren.

Die „gemäßigte“ Richtung war nach dem Austritt der mittlerweile fraktionslosen Frauke Petry ohnedies längst erledigt. Ihrem Beispiel war kaum jemand gefolgt. Den „Blauen“ blüht wohl dasselbe Schicksal wie der wirtschaftskonservativen Lucke-Gründung „Alfa“, von der inzwischen niemand mehr spricht. Der „gemäßigte“ Flügel ist aktuell vereinzelt. Zwar gründete Beatrix von Storch Anfang Oktober die „Moderaten“ mit knapp 160 Teilnehmenden, jedoch formieren sich diese aktuell weit unterhalb vergangener Größe. Die Bahn schien also frei gemacht für die rechtsnationalistischen ParteistrategInnen, die auf Mobilisierung von in der Grundrichtung reaktionär gesinnten Elementen der Gesellschaft setzen.

Inhaltlich hat sich seit den 7 Monaten nach der Kölner Programmformierung zwar nicht viel verändert. Die programmatischen Anträge der ostdeutschen Landesverbände, die mehr „soziales“ Profil der AfD einfordern, wurden vertagt und in eine Strategiekommission ausgelagert. Aber das darf nicht über die Verschiebung der Kräfte in der AfD hinwegtäuschen.

Die personellen Entscheidungen auf dem Parteitag am 2. Dezember verdeutlichen, dass ohne den rechtsnationalistischen Flügel keine Position mehr durchsetzbar ist. Bei der Wahl der zweiten Spitze neben Jörg Meuthen ergab sich in zwei Wahlgängen keine Entscheidung zwischen dem neuerdings als „nur konservativ“ geltenden früheren Bundesgeschäftsführer Georg Pazderski und seiner von der völkisch geprägten Seite stärker favorisierten schleswig-holsteinischen Landessprecherin Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein.

Alexander Gauland, der selbst stark auf rechtspopulistische Mobmobilisierungen setzt, „rettete“ schließlich die Situation und ließ sich zum zweiten Bundessprecher wählen. Zweifellos stellt er nun den eigentlichen Parteivorsitzenden dar. Sein Co-Vorsitzender Meuthen ist wohl nur wegen seiner politischen Biegsamkeit weiter im Amt.

Auch wenn die Wahl zu den stellvertretenden Vorsitzenden und zu den BeisitzerInnen relativ ruhig über die Bühne ging, so ist eindeutig, dass gegen den rechts-nationalistischen Flügel – selbst eine Allianz aus extrem-nationalistischen, völkischen und faschistischen Kräften – in der AfD nichts geht. Natürlich will die Mehrheit der AfD längerfristig an die Regierung, aber, wie es Gauland formulierte, nur auf „gleicher Augenhöhe“, ähnlich der FPÖ in Österreich. Als Juniorpartner fürchten die Rechten verschlissen zu werden wie vor einigen Jahren die FDP.

Die GegnerInnen einer raschen Regierungsoption umfassen jedoch zwei Lager. Gauland und seine AnhängerInnen orientieren sich klar am FPÖ-Vorbild. Das Rechtsaußen-Lager um Leute wie Tillschneider will die Regierung erst übernehmen, sobald die AfD die Mehrheit stellt – ob per Wahl oder Putsch, lässt es dabei offen.

Daher wird die AfD in den nächsten Monaten und Jahren weiter nach rechts gehen, noch mehr auf Rassismus, auf „Heimat“, Volk und Boden setzen. Sie wird sich weiter Bewegungen wie Pediga „öffnen“, denen die Tore der Partei ohnedies nie verschlossen waren. Zugleich wird sie aber auch an ihrer eigenen „Normalisierung“ arbeiten – sei es in den Kommunen, wo erste Bündnisse mit „respektablen“ bürgerlichen Kräften nur eine Frage der Zeit sind, oder in einzelnen Landtagen, wo sie eine Zusammenarbeit mit der CDU gerade in Fragen wie „klassischen“ rechts-konservativen Themen suchen wird, von Abschiebungen, „Kriminalitätsbekämpfung“ bis hin zum Feindbild „Linksextremismus“.

ArbeiterInneneinheitsfront

Beunruhigt hätte die AfD einzig und allein durch eine massive Widerstandswelle werden können, die sie als zugespitztesten Ausdruck des Rechtsrucks in Frage stellte.

Der 2. Dezember 2017 in Hannover übertraf zwar mit an die 10.000 TeilnehmerInnen den Aufmarsch gegen den Parteitag im November 2015 sowohl in den Widerstandsformen wie auch in der Anzahl der Menschen, die sich gegen die reaktionäre Provokation in Bewegung setzte. Er blieb aber mengenmäßig um ein Drittel hinter dem Protest gegen den Hagida-Haufen im Januar 2016, ebenfalls in Hannover, zurück. Natürlich war der Staatsapparat bestens vorbereitet und tat unter Einsatz von rund 5000 PolizistInnen, also etwa 15 % des Aufgebots beim G-20 Gipfel in Hamburg, alles, um dies zu verhindern.

Im Vorwege wurde das Zoo-Viertel zu einer Festung ausgebaut. Straßenbahn- und Busverkehr in der Nähe wurden gesperrt und Halteverbotszonen für PKWs eingerichtet.

Trotzdem versuchten rund 1500 Menschen mit vier Blockaden seit dem frühen Morgen, den 600 Delegierten den Weg zu ihrem Parteitag zu versperren. Ein zusätzlicher unangekündigter fünfter Finger war ebenfalls präsent und wurde massiv angegriffen. Immerhin konnten die Blockaden erreichen, dass der AfD-Parteitag um eine Stunde verspätet starten musste. Mehr war aber angesichts der Kräfteverhältnisse an diesem Tag auch nicht möglich.

Die Polizei räumte einzelne Blockaden, wobei mittels Wasserwerfern gegen die DemonstrantInnen vorgegangen wurde, wobei es etliche Verletzte gab. Mehrere Personen wurden in Gewahrsam genommen.

Die Blockaden hätten jedoch auch effektiver sein können, wenn sie auch größere Kräfte unterstützt hätten. So wurden sie vor allem von Gruppierungen der radikalen Linken, anti-rassistischen und anti-kapitalistischen Kräften getragen.

Die Verantwortung dafür liegt eindeutig beim reformistischen und kleinbürgerlichen Teil der VeranstalterInnen der Protestaktionen. Einige ihrer SprecherInnen schmusten sich regelrecht als gehorsame StaatsdienerInnen an. Sie hatten anders als beim Parteitag im November 2015 die Demoroute in umgekehrte Richtung, also vom AfD-Tagungsort weg, verlegt. Hannovers DGB-Bezirkschef Reiner Eifler meinte ganz stolz: „Wir hoffen auf deeskalierende Wirkung.“

Die Zusammensetzung und politische Ausrichtung der Bewegung offenbarte jedoch auch ihre Schwächen. Wie schon die Erfahrung der Proteste gegen G-20 lehrt, genügt es nicht, Bündnisse zu haben, die jetzt zwar allenthalben entstanden sind und sich als buntes Farbenspektrum zur Schau stellen, aber nur zu bestimmten Anlässen und gegen die gröbsten Auswüchse von Reaktion und Rassismus zu Felde ziehen. Auch überlagern oft Diskussionen über die Mittel des Widerstands, wo die Frage der „Gewaltfreiheit“ endlos rauf und runter dekliniert wird, das Geschehen und drängen Erkenntnisse über politische Zusammenhänge und perspektivische Schlussfolgerungen an den Rand.

In Hannover stellten linke Organisationen und Bewegungen das Gros der Demonstration. Außer den Refugees, die aber nicht festgefügt auftraten, hatten von den politischen MigrantInnenorganisationen nur kurdische Gruppen eine größere Abordnung zur Stelle. Die Linkspartei verfügte auch über ein recht ordentliches Aufgebot. Von den Gewerkschaften, obwohl offizielle Anmelderinnen, war weit weniger zu beobachten. KirchenvertreterInnen erhielten Rederecht, traten jedoch beim Marsch ebenso wenig wie NGOs in Erscheinung – Zerrbild dessen, welche Kräfte wirklich zum Kampf gegen Rassismus bereit sind.

Nicht nur die RednerInnenliste, auch die Inhalte der Kundgebungen blendeten den Bezug zum Klassenkampf fast völlig aus. In den Beiträgen wurden sowohl der verhängnisvolle ideologische Gleichklang der gewerkschaftlichen Standortlogik mit dem Programm der AfD wie auch die Unternehmerangriffe (Siemens, Thyssen/Krupp und Pflegenotstand) ebenso wie die Notwendigkeit der Wappnung gegen unweigerliche Attacken einer kommenden Regierung mit Folgen der Ausweitung des Prekariats unterschlagen.

Zum Kampf gegen Rassismus gehört auch ein Eintreten für gewerkschaftliche Organisierung von MigrantInnen.

Dirk Schulze (IGM-Metall) äußerte völlig korrekt: „Die AfD ist eine arbeitnehmerfeindliche Partei. Sie stellt die gewerkschaftliche Mitbestimmung in Frage und hat sich für längere Lebensarbeitszeit und Kürzung der Rente ausgesprochen.“ (nach: Neue Presse Hannover). Aha – aber trifft das nur auf die AfD zu? Wäre eine Regierung, an der die AfD ja nicht beteiligt sein wird, nicht ebenso gefährlich, weil sie mindestens einige Punkte davon umsetzen könnte? Wenn dies zu „roten Haltelinien“ erklärt wird, müsste dann der Protest nicht noch massiver und massenhafter gegen eine arbeiterInnenfeindliche und rassistische Politik – nicht nur der AfD – mobilmachen?

Diese Fragen wären Ausgangspunkte für die ArbeiterInneneinheitsfront und müssten auch Gegenstand einer Aktionskonferenz sein, die ein gemeinsames und nachhaltiges Handeln gegen Regierung und Rassismus beschließen sollte.




Gemeinsam kämpfen! AfD stoppen!

Aufruf von ArbeiterInnenmacht und Revolution zum 2. Dezember, Infomail 975, 30. November

Nur gemeinsam können wir – Lohnabhängige, Arbeitslose, Jugendliche, MigrantInnen, Frauen, sexuell Unterdrückte – die AfD und den Rechtsruck stoppen. Die Aktionen und die Demonstration am 2. Dezember können, trotz aller politischen Unterschiede, ein erster Schritt zum Aufbau einer Aktionseinheit gegen diese Gefahr werden.

Egal was Gauland, Weidel, Meuthen oder Höcke auf diesem Parteitag miteinander ausfechten, für uns ist klar – wir müssen ihnen entgegentreten, auf der Straße, an den Schulen und Unis, im Wohnviertel, vor Geflüchtetenunterkünften und in den Betrieben.

Wie geht’s weiter?

Für alle beteiligten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen stellt sich die Aufgabe, den Kampf zu verbreitern. Vor Ort müssen wir uns der AfD entgegenstellen, müssen durch Kampagnen und Aktionen beweisen, dass wir den Anfängen wehren, dass „No pasarán!“ nicht nur bei Großereignissen gilt.

Dabei dürfen wir uns nicht allein gegen die AfD richten, sondern müssen auch den Widerstand gegen eine Bundesregierung organisieren, die weiter vieles von der AfD-Programmatik umsetzen wird wie Abschiebungen, Stopp des Familiennachzuges, die „sicheren“ Drittstaaten.

Es ist die neoliberale, kapitalistische Politik, die unsere Klasse spaltet und die Beschäftigten gegen die Arbeitslosen, die „Deutschen“ gegen die „AusländerInnen“ ausspielt. Diese Ursachen des Rechtsrucks müssen wir gemeinsam bekämpfen.

Deswegen geht es uns nicht um eine „Demokratie“, die angeblich vor der AfD geschützt werden soll. Nein, wir wollen unseren Kampf mit allen notwendigen Mitteln gegen diese Politik aufnehmen, egal wie die nächste Regierung aussieht!

Wir rufen die beteiligten Kräfte der ArbeiterInnenbewegung und Linken auf, eine Strategie- und Aktionskonferenz gegen die AfD und den staatlichen Rassismus zu organisieren, wo alle zu Wort kommen und wir die nächsten Schritte planen und angehen können. So könnten wir bspw. bei den Tarifrunden 2018 eingreifen, dort aufzeigen, dass eben nicht die Geflüchteten die Gesellschaft spalten, sondern dass dies weiterhin das Hauptziel der UnternehmerInnen, des Kapitals ist. Die Massenentlassungen bei Siemens finden trotz Milliardengewinnen statt. Hier müssen wir Solidarität organisieren und zeigen, wo der gemeinsame Gegner steht – auf der Seite der Banken und Konzerne!

Wofür wir stehen

Seit den „Refugee“-Protesten 2013/2014 treten wir für den Aufbau einer bundesweiten anti-rassistischen Bewegung ein. Dies halten wir weiterhin für erforderlich. Heute muss sich eine solche Bewegung gegen die AfD und den staatlichen Rassismus der Regierung wenden. Klassensolidarität mit den Geflüchteten und Kampf gegen die Angriffe der RassistInnen, der KapitalistInnen und der Regierung gehen Hand in Hand.

Für eine Strategiekonferenz schlagen wir gewerkschaftliche antirassistische Initiativen vor, damit wir gerade in der organisierten ArbeiterInnenschaft gegen den Spaltpilz von Rassismus und Nationalismus ankämpfen können! Dort stehen wir für folgende Forderungen und Ziele beim Kampf gegen die AfD ein:

  • AfD, Pegida, rassistischen und faschistischen Mobilisierungen entgegentreten! Organisierte Selbstverteidigung und Solidarität gegen rassistische Angriffe!
  • Gegen alle Abschiebungen! Rücknahme aller Verschärfungen der Asylgesetze! Nein zum sog. „Integrationsgesetz“! Keine rassistischen Sondergesetze wie „Burkaverbot“ oder Einschränkung des Nachzugs von Verwandten! Bereitstellung von sicherer Unterbringung (z. B. in Frauenhäusern) für Frauen und sexuell Unterdrückte! Für offene Grenzen und gleiche Staatsbürgerrechte für alle Geflüchteten und MigrantInnen! Weg mit der Festung Europa!
  • Recht auf Arbeit für Geflüchtete! Mindestlohn von 12,- Euro netto/Stunde für alle statt 80-Cent-Zwangsjobs! Öffentliches Wohnungsbauprogramm! Beschlagnahme von leerstehenden Wohnungen und entschädigungslose Enteignung von ImmobilienspekulantInnen, um Wohnraum für alle zu schaffen! Gewerkschaftliche Organisierung der Geflüchteten!

Wenn Du/Ihr Interesse hast/habt, tretet mit uns in Kontakt!

Aktionen gegen den AfD-Parteitag am 2. Dezember in Hannover

7.00: Theodor-Heuss-Platz, Blockaden rund um das HCC

11.30: Theodor-Heuss-Platz vor dem HCC, Auftaktkundgebung der Demonstration „Unsere Alternative heißt Solidarität“

12.30: Start der Demonstration

13.30 – 15.00: Abschlusskundgebung am Georgsplatz und Kulturprogramm

Aktuelle Infos: http://www.unsere-alternative.org/ , https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/hannover/

Veranstaltungen von ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION

Kassel, Montag, 4. Dezember, 18.30, Philipp-Scheidemann-Haus, Holländische Straße 74

Wie weiter nach Hannover? Berichte, Einschätzung und Nachbesprechung

Organisiert von REVOLUTION/Kassel

Fulda, Mittwoch, 6. Dezember, 15.00, Parteibüro Die Linke, Heinrichstraße 81

Auswertungstreffen von REVOLUTION/Fulda

Dresden. Mittwoch, 6. Dezember, 18.00, Zentralwerk (1. Stock), Riesaer Straße 32

Auswertungs- und Perspektivtreffen von REVOLUTION/Dresden

Berlin, Mittwoch, 6. Dezember, 18.00, Bandito Rosso, Lottumstraße 10 a

Schon wieder GroKo?! Was bedeuten Wahlergebnis und AfD-Parteitag für den antirassistischen Kampf?

Ortsgruppentreffen von REVOLUTION Berlin

Berlin, Freitag, 8. Dezember, 19.00, Verein Iranischer Flüchtlinge, Reuterstraße 52

MeToo und sexistischer Rollback – Kampf gegen Trump, Weinstein und von Storch!

Diskussionsforum der Gruppe ArbeiterInnenmacht/Berlin

 

 




AfD: Rassismus im Parlament – und nicht nur dort

Wilhelm Schulz, Neue Internationale 224, November 2017

Mit der AfD ist eine offen rassistische Partei in den Bundestag eingezogen. Gauland verspricht, die Regierung zu „jagen“ und „das Volk zurückzuholen“. Mit 12,6 % und 94 Abgeordneten ist sie die drittstärkste Kraft im Parlament.

Ihr Sieg ist das deutlichste und beunruhigendste Signal des aktuellen gesellschaftlichen Rechtsrucks der letzten Jahre. Schien sich die AfD in den letzten Jahren nach Spaltungen oft selbst zu zerlegen, so ist die Partei aktuell konsolidiert. Der Austritt Petrys lehrte die Parteiführung nicht das Fürchten, sondern hat sie eher erleichtert.

Nährboden

Vor allem aber: Die Bedingungen, die zum Wachstum der AfD trotz zweifelhaften Personals und innerer Streitigkeiten führten, drohen, ihr auch in der nächsten Legislaturperiode „WutbürgerInnen“, WählerInnen und AnhängerInnen zuzutreiben.

Die soziale Unsicherheit wird größer werden. Altersarmut und Angst vor einer ungewissen Zukunft werden zunehmen. Der Konkurrenzdruck in den Betrieben wird nicht geringer – zugleich wird auch die Bundesregierung MigrantInnen, Geflüchtete zu Sündeböcken machen, „überzählige“ Menschen abschieben, die Grenzen abschotten und gegen MuslimInnen hetzen.

Die Krise der EU wird unvermindert weitergehen. Zugleich wird auch die Regierung Patriotismus und Nationalismus – natürlich nur in ihrer vermeintlich „zivilisierten“ Form – puschen, um Deutschland im globalen Wettbewerb stärker zu machen. So soll zugleich nicht nur eine noch stärkere Dominanz der EU durch Deutschland und Frankreich gerechtfertigt werden, sondern auch die Aufrüstung der Bundeswehr, Waffenexporte, Interventionen, Militarismus und Eingreifen im Inneren.

Die nächste Regierung wird dort anknüpfen, wo die Große Koalition aufgehört hat – nur unter einem noch rechteren Vorzeichen. Die AfD verkauft das als eine Bestätigung ihrer Politik.

Dies fällt ihr umso leichter, weil die Kritik an der AfD durch den bürgerlichen Mainstream tatsächlich von Grund auf verlogen ist. Während Gauland mit einem Anknüpfen an die „soldatischen Tugenden“ der Wehrmacht „Tabus“ bricht, die ohnedies im deutschen Bürgertum und Staatsapparat nie so tabu waren, baut die „offizielle“ Politik mit Pomp und Staatsknete die Garnisonskirche in Potsdam wieder auf. Während die AfD gegen Geflüchtete hetzt, schiebt die Regierung ab.

Mit dem Einzug ins Parlament verfügt sie über eine Tribüne, von der aus sie ihre Mischung aus rassistischer Hetze, rechts-populistischer Demagogie, Neoliberalismus, national-konservativen bis völkischen „Vorstößen“ medienwirksam ausposaunen kann.

Was ist die AfD?

Die bürgerliche Politik (und auch ein Teil der Linken) schwankt hinsichtlich der AfD zwischen Dämonisierung, Entwarnung und Anbiederung. So denunzieren sie Teile der SPD, aber auch der radikalen Linken als Nazis. Zugleich soll sie im Bundestag nicht „ausgegrenzt“ werden, damit sie sich nicht als Märtyrerin präsentieren kann.

Hinzu kommt, dass die AfD selbst ein in sich gegensätzliches und in Bewegung befindliches Projekt ist, das sowohl Elemente einer extrem neo-liberalen Partei wie einer national-konservativen bis hin zum Völkischen vereint. Rassismus, Chauvinismus und Populismus bilden den Kitt, der den Laden zusammenhält.

Als Oppositionspartei im Bund und in den Ländern drückt ein Flügel der Partei die AfD vermehrt in Richtung Rechtsradikalismus. Höcke und andere möchten die Truppe zweifellos zu einer halbfaschistischen oder wenigstens rechtsradikalen Partei nach dem Muster der Front National machen. Dieser Flügel wird neben der Medienwirksamkeit seiner „Vorstöße“ sicher auch die Mobilisierung ehemaliger NichtwählerInnen und die Gewinnung von VerliererInnen der Merkel-Politik, verarmter, abgehängter, aber auch politisch demoralisierter Arbeitsloser und Beschäftigter für sich reklamieren.

Andere wiederum sehen den „Radikalismus“ der Partei vor allem als Druckmittel gegenüber der CDU, aus deren rechtem, national-konservativem Flügel sie oftmals selbst stammen. Sie wollen eine Abkehr von der Politik Merkels. Diese präsentiert die Politik des deutschen Imperialismus als „vernünftig“, „demokratisch“ und so weltoffen wie die globale Konkurrenz. Rechtsradikalismus und Deutschtümelei erscheint diesen demokratischen Merkel-PatriotInnen als geschäftsschädigend. Aber die AfDlerInnen wissen, dass die CDU/CSU auch anders sein kann – wie eine Million Stimmen beweisen, die sie von der Union gewannen.

Somit wird der Erfolg der AfD einerseits die Partei stabilisieren. Andererseits wird er auch den Kampf um die Führung der Partei, die „richtige“ rechte Ausrichtung permanent befeuern.

Flügel

Für die nächste Periode müssen wir uns wohl aber darauf einstellen, dass nicht die Spaltung der Partei oder ihr Selbstzerlegen auf der Tagesordnung steht. Für beide Flügel ist der Wahlerfolg, das große Milieu, das die Partei anziehen konnte, Grund genug, der Partei die Stange zu halten.

Alle wollen Hechte im großen AfD-Wählerinnenteich sein – und nicht wie Lucke oder Petry im eignen Tümpel schwimmen. Trotzdem ist es wichtig, die Pole der Partei kurz zu skizzieren.

Auf der Rechten findet sich der halbfaschistische bis national-konservative Flügel, der einen zunehmend völkisch-nationalen Kurs verfolgt.

Dieser stützt sich auch aktiv auf die außerparlamentarische Bewegung des gesellschaftlichen Rechtsrucks und versucht dabei mitunter durch mehrdeutige Phrasen, alle Teile der neu-rechten Bewegung zu integrieren. Dies führt beispielsweise zu bewusst doppeldeutigen Aussagen u. a. von Björn Höcke wie denen in seiner „Denkmal der Schande“-Rede.

Aber auch die Politik der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion die zwischen dem 1. Mai 2016 und dem 15. März 2017 insgesamt 284 „kleine Anfragen“ gestellt hat – auf Platz 2 befindet sich die FDP mit 159 – zielt weniger auf direkte Einflussnahme auf den Landtag als auf eine Politik der Entlarvung ab. Kurzum, diese nutzen das Parlament vermehrt als Podium, weniger als Austragungsort ihrer politischen Ziele. Auch wenn sich im Auftreten dieser Kräfte einige Überschneidungen mit Eigenschaften faschistischer Kräfte finden, so stellt die AfD ein Orientierungsfeld, in manchen Regionen eine Art Arbeitsfeld für faschistische IdeologInnen dar. Sie ist aber noch weit davon entfernt, einen Pol zur Organisierung faschistischer Kräfte darzustellen.

Auf der anderen Seite gibt es einen Flügel, der die Macht im Staat beziehungsweise eine verstärkte Einflussnahme auf den bürgerlichen Staat als ideellen Gesamtkapitalisten anstrebt. Dieser findet sich auch eindeutiger in weiten Teilen des Parteiprogramms wieder, wenn wir die Parteilinie des zunehmenden Schreis nach Recht und Ordnung, aber auch nach Auflösung sozialstaatlicher Errungenschaften bei zunehmender nationaler Abschottung beachten. Die Existenzberechtigung dieses Flügels bemisst sich als Korrektiv an der Krisenpolitik des Mehrheitsflügels der CDU/CSU im Verlauf der Regierungspolitik unter Merkel. So versucht die AfD, doch einen Pol in der herrschenden Klasse zu verkörpern, der durch diese Politik seine zunehmende Schwächung fürchtet. Hierzu nur ein paar Beispiele:

Die AfD fordert den Austritt aus der Eurozone und die Wiedereinführung der Deutschen Mark. Der Euro selbst stellt dabei eine relativ harte Währung dar, der sich aber an der Wirtschaftsleistung der durchschnittlichen Produktivität des geschaffenen EU-Binnenmarktes und nicht an der Stärke der deutschen Ökonomie allein orientiert. Somit kann das auf Export ausgerichtete Kapital die eigenen Waren in diesem Raum konsequent vertreiben, sind doch die Stückkosten oftmals um einiges geringer als in den meisten anderen europäischen Nationen. Andersherum erleichtert dies auch den Kapital- und Warenexport anderer Kapitalien nach Deutschland. Bedroht werden hierbei vermehrt die sogenannten mittelständischen Betriebe, die die Konkurrenz mit multinationalen Konzernen staatlich eingrenzen müssen. Dies soll durch eine Politik aus Zollschranken und einer harten deutschen Währung geschehen.

Ein anderer Punkt ist die Frage der Ausrichtung auf andere imperialistische Nationen, vor allem die der Politik gegenüber Russland. Das trifft nicht nur die deutschen Apfelbauern. Auch mittelständische Betriebe konnten hier in der industriell schwach ausgebauten Nation Russland leichter ihre Waren auf dem Binnenmarkt als einheimisch produzierte umsetzen. Auch bedeutet eine Stärkung der Zusammenarbeit mit Russland eine weitere Schwächung des EU-Projektes und bei der Einführung unterschiedlicher Freihandelsabkommen.

Die Spannungen zwischen den Flügeln lassen sich jedoch letztlich nicht durch Parteibeschlüsse lösen. So ist es doch in der Partei gang und gäbe, dass diese gebrochen werden vom rechten Flügel, während die anderen Teile der Partei entweder versuchen, dies als Ausnahme zu beschreiben und Rügen verteilen oder diese und jene Situation zu ignorieren. So gibt es zwar keinen Beschluss mehr, wie Petry es einst versuchte, der ein Verbot für AfD-Mitglieder, an Pegida-Demonstrationen teilzunehmen, vorschreibt, jedoch ein Zusammenarbeitsverbot mit der Identitären-Bewegung. Trotzdem befindet sich beispielsweise das Büro des Sachsen-Anhalter AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider im Hausprojekt der Identitären in Halle. Auch auf dem 3. Pegida-Geburtstag sprachen Martin Sellner, Führer der IB in Österreich, und der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier. So sollte der baden-württembergische AfD-Politiker Wolfgang Gedeon aufgrund seiner Bezeichnung des Judentums als „inneren“ und des Islams als „äußeren“ Feinds aus der Partei ausgeschlossen werden, eine Untersuchungskommission wurde jedoch nie gegründet.

Andererseits gibt es auch in einigen Bundesländern erste Kooperationen mit der CDU bei der Formulierung von Anträgen in den Landtagen. Auch hier wird von beiden Seiten gewissermaßen „sondiert“ für eine Zeit nach Merkel.

Rechts-Populismus

Wir sehen einen kontinuierlichen Reibungsprozess, der in der AfD stattfindet, diese jedoch momentan stetig nach rechts treibt. Der AfD-Parteitag in Hannover am 2. und 3. Dezember 2017 wird dies im Lichte der für die AfD erfolgreichen Bundestagswahlen zur Schau stellen. Hier wird vermutlich wieder ein heikles Thema auf die Tagesordnung gerückt werden, die Frage des Parteivorsitzes.

Der aktuelle Vorsitzende Meuthen spricht sich dabei offen gegen die Führung durch Gauland und Weidel aus.

Gleichzeitig stimmte die Basis der Partei mit knapp 64 % dafür, dass es kein Delegierten-, sondern ein Mitgliederparteitag sein solle – die Entscheidung ist jedoch vorerst nicht bindend. Größere Mobilisierungskraft außerhalb der Delegationen könnte dabei der rechte Flügel der Partei unter Beweis stellen. Dies fürchten auch weite Teile der Partei, so spricht sich von Storch für eine fraktionsübergreifende Parteiführung aus und gründete die interne Fraktion „Alternative Mitte“.

Die AfD ist, betrachten wir sie in ihrer Gesamtheit, sicher noch weit entfernt davon, eine faschistische Partei darzustellen – also eine, deren Ziel die gewaltsame Zerschlagung der ArbeiterInnenbewegung ist und die ihre Mitglieder nicht nur als WählerInnen bindet, sondern zu einer organisierten Kampforganisation gegen MigrantInnen, ArbeiterInnen, Linke vereint.

Aber sie ist eine rassistische, rechts-populistische Partei, eine Pressure-Group für Nationalismus, Law and Order, Sexismus und Homophobie.

Diese Rückgriffe auf „traditionelle Werte“ und Populismus sind kein Zufall. Sie erlauben es, dass eine im Kern bürgerliche kapitalistische Partei auch breite Massen an sich als AnhängerInnen und WählerInnen binden kann. Der Rassismus wird daher auch bewusst mit einer Politik kombiniert, die sich scheinbar gegen das Establishment und dessen „Volksfeindlichkeit“ richtet.

So lässt sich auch erklären, warum die von den neo-liberalen Angriffen der letzten Jahrzehnte am meisten Betroffenen eine Partei wählen, die noch mehr Neo-Liberalismus – z. B. die totale Privatisierung des Sozialversicherungssystems – verspricht. Leute aus dem Establishment wie Gauland, Weidel, Meuthen tun so, als würden sie nicht dazu gehören, als wären sie mit dem Austritt aus der CDU auch aus der Elite „ausgetreten“ und würde sie nichts von jenen unterscheiden, die tatsächlich von Armut und sozialem Abstieg bedroht sind.

In der aktuellen Periode treten solche rechts-populistische Parteien, Bewegungen und Führungsfiguren in vielen Ländern auf den Plan. Sie sind Momente der aktuellen, unter der Oberfläche schwelenden Krise. Sie verkörpern nicht nur eine Radikalisierung von Teilen der auf den nationalen Markt ausgerichteten Bourgeoisie, von Teilen des KleinbürgerInnentums und der Mittelschichten. Sie sind auch wegen ihres Populismus und Rassismus in der Lage, Teile der ArbeiterInnenklasse – z. B. Erwerbslose und selbst gewerkschaftlich organisierte Lohnabhängige – als WählerInnen zu binden, weil die Gewerkschaften, die SPD, aber auch die Linkspartei keine glaubwürdige und kämpferische Alternative bieten.

Der Kampf gegen Populismus und Rassismus kann und darf nicht als von dem für die sozialen Bedürfnisse der Masse getrennter betrachtet, er muss vielmehr als Teil des Klassenkampfes geführt werden.




Einheitsfront gegen Rechte und Rassismus!

Wilhelm Schulz, Neue Internationale 224, November 2017

Der beängstigende Aufstieg der AfD setzt die Frage, wie die RassistInnen gestoppt werden können, auf die Tagesordnung. Angesichts der Tatsache, dass die AfD gegen alle „demokratischen Kräfte“ vorgehen will, scheint es naheliegend, dass sich alle Feinde der Rechten zusammenschließen zur „Einheit aller DemokratInnen“ gegen das größere Übel.

Diese Logik hat aber einen gewaltigen Pferdefuß. Ein Bündnis aller „DemokratInnen“ läuft letztlich auf ein Bündnis gesellschaftlicher Kräfte hinaus, die in gegensätzliche Richtungen ziehen. Die UnternehmerInnen und ihre Parteien treten für mehr Sozialabbau, bessere Profitbedingungen, mehr Militarismus und selektive Migration, also „gezielten“ Rassismus ein. Die Masse der Lohnabhängigen und Jugendlichen hat unabhängig von Pass, Geschlecht und Alter ziemlich die gegenteiligen Interessen. Wie also soll der Nährboden für die soziale Demagogie der AfD entzogen werden, wenn wir gegen sie ein „Bündnis“ bilden wollen, das gerade die sozialen Fragen, Imperialismus, Militarismus und staatlichen Rassismus ausklammert?

Schlimmer noch. Die sozialen und demokratischen Forderungen sollen wegen des gemeinsamen Feindes in den Hintergrund treten. Dabei sind es die zunehmende Konkurrenz und die Angriffe, die uns in zunehmend unsichere Arbeitsverhältnisse zwingen und die Angst vor dem sozialen Abstieg schüren. Die bürgerlichen DemokratInnen sind es, die mit ihrer rassistischen Asylpolitik dem rassistischen Mob auf der Straße zunehmende Zugeständnisse machen.

Unser Kampf gegen den aufkommenden Rassismus muss untrennbar mit der Frage sozialer Absicherung verbunden werden. Er muss die Frage rechtlicher, politischer und sozialer Gleichstellung aller in diesem Land Lebenden aufwerfen, also egal, ob geflüchtet oder hier geboren. Schlussendlich muss unser Antirassismus die Frage des Ursprung des Rassismus im Kapitalismus aufgreifen.

Dafür können wir uns aus Angst vor einem Wolf nicht als blinde Schafe durch den anderen schützen lassen. Was wir brauchen, ist ein Bündnis aller Organisationen, Parteien und Gewerkschaften, die sich auf die ArbeiterInnenklasse, die MigrantInnen, die Unterdrückten stützen – eine Einheitsfront gegen den Rechtsruck im Staat und auf der Straße.

Für uns bedeutet dies die gemeinsame politische Plattform mit einem konkreten Ziel auf Basis praktischer Aktionen unter der Freiheit der Kritik und offenen Debatte über die gemeinsame Perspektive. Denn eines ist eindeutig: Online-Petitionen reichen nicht gegen brennende Geflüchtetenunterkünfte!

Die kommende Jamaika-Koalition wird dabei mit ihren Debatten über Obergrenzen und sichere Herkunftsländer keine Partnerin darstellen, schlimmer noch: Sie birgt die Perspektive zunehmender Aufrüstung und des Ausverkaufs des öffentlichen Dienstes. Hierbei wird die AfD nur die Stimme für noch härtere Maßnahmen sein.

Was wir brauchen, ist eine breite Strategiekonferenz gegen das Programm der kommenden Regierung und den aufkommenden Rassismus. Ein gemeinsamer Aktionsfahrplan bietet die Möglichkeit, aus der aktuellen Defensive auszubrechen, haben wir es doch zunehmend mit kleineren und vereinzelten Aktionen zu tun, die keinen Druck auf die größeren passiven Organisationen wie den DGB und reformistische Parteien ausüben. Mobilisierungen wie die gegen den Bundesparteitag der AfD am 2.-3. Dezember in Hannover können hierfür einen Ausgangspunkt darstellen!