Widerstand im Knast – Aufruhr in der JVA-Waldheim

Korrespondent aus Sachsen, Infomail 1035, 20. Dezember 2018

Seit Monaten werden die Aufschlusszeiten und
Freizeitangebote in der JVA-Waldheim systematisch immer weiter verkürzt.
Begründet werden diese Maßnahmen durch den gravierenden Personalmangel auf den
Stationen im Haus 1: „Sicherheit und Ordnung“ seien nicht weiter
aufrechtzuerhalten. Um die Gefangenen untereinander zu spalten, finden diese
Kürzungen fast ausschließlich in Haus 1 statt, die anderen beiden Häuser sind
bisher weitestgehend unberührt geblieben.

Aber anhaltender Einschluss führt zu Vereinsamung und
Frustration, und so entschlossen sich am Montag, den 10.12., einige Gefangene,
diese Zustände nicht länger hinzunehmen. Um 19 Uhr sollte die zweite Station
eingeschlossen werden, doch 15 Gefangene verweigerten dies. Trotz gerufener Verstärkung
waren die Beamten bei weitem nicht zahlreich genug, um ihre Maßnahme
durchzusetzen. Die Gefängnisleitung sprach bei dem friedlichen Protest von
einem „Aufstand“. Eine Stunde lang hielt die Pattsituation an. Nun
unterbreitete die Anstalt den Aufständischen den Vorschlag, dass sie keine
Konsequenzen zu befürchten hätten, falls sie sich friedlich in ihre Hafträume
schließen ließen.

Die Gefangenen glaubten diesem Angebot und so wurde die
Station friedlich bereinigt. Schon am nächsten Morgen offenbarte sich dies als
hinterhältige Lüge, mit der die Beamten sich aus der Situation gerettet hatten.
Alle Beteiligten hatten Einschluss, während der „Rädelsführer“ von vier Cops in
ein Hochsicherheitsgefängnis abtransportiert wurde. Drei weitere wurden am Tag
darauf aus der Anstalt abgeschoben. Die restlichen Beteiligten erhielten vier
Wochen kompletten Einschluss. Viele von ihnen sollen in den nächsten Wochen auf
andere Stationen oder in andere Anstalten verlegt werden.

Ab dem 17.12. sollen nun in Haus 1 die Aufschlusszeiten noch
weiter reduziert werden. Die Anstalt hatte derartige Kürzungsmaßnahmen ohnedies
geplant. Nun versucht sie die Gefangenen zu spalten und eine Solidarisierung zu
verhindern, indem den Aufständischen die Verantwortung für diesen Einschnitt in
die Bewegungsfreiheit der Gefangenen zugesprochen wird.

Unsere erste und unmittelbare Aufgabe ist es, unsere volle
Solidarität mit den Betroffenen der drakonischen Strafmaßnahmen zu zeigen. Sie
müssen wissen, dass sie nicht alleine sind. Denn nur gemeinsam wird es möglich
sein, auf allen Ebenen gegen eine immer schlimmer werdende Verschärfung unserer
Lebensumstände aktiv zu werden.

Dies ist besonders wichtig, da zu erwarten ist, dass die
Verhältnisse sich weiter verschlechtern, die mit zunehmendem „Personalmangel“
begründet und durch die Kürzungen der CDU-Regierung in Sachsen weiter zugespitzt
werden. Zwar spart die Regierung nicht an Waffen für direkte körperliche
Repression. So sind 1,8 Millionen für Teleskopschlagstöcke und Reizgas im
Budget verbucht. Die zweihundert geplanten Neueinstellungen von BeamtInnen
hingegen werden voraussichtlich unter der Zahl derer liegen, die im kommenden
Jahr in den Ruhestand gehen.

Organisierung und Klassenkampf

In jedem Fall war das Aufbegehren vollkommen gerechtfertigt.
Doch die Aktion selbst war spontan, wenig vorbereitet und nicht mit den
Gefangenen anderer Häuser und Stationen abgesprochen. So war sie isoliert und
zeitlich begrenzt. Der Protest konnte im Keim erstickt und die mutigsten
Gefangenen bestraft werden. Deutlich mehr hätte mit einer breiteren Beteiligung
und langfristigem Druck erreicht werden können. Doch dafür müssen sich
wesentlich mehr als 15 von 400 Gefangenen beteiligen.

Doch dafür braucht es eine eiserne Solidarität unter ihnen.
Nur wenn ein großer Teil zusammensteht, haben sie eine Chance zu bestehen.
Rassismus, Nationalismus und religiöser Hass haben im Kampf um die Freiheit
keinen Platz. Sprache, Herkunft, Religion und Kultur dürfen keine Grenzen sein.
Die einzige Trennlinie verläuft zwischen den Klassen, zwischen AusbeuterInnen
und Ausgebeuteten. Es kann kein Platz für jene geben, die für eigene Vorteile
ihre Brüder oder Schwestern verraten.

Was es also braucht, sind Organisationen, ist der Aufbau
einer Gewerkschaft, welche für die berechtigten Forderungen der Gefangenen
eintritt. Und auch wenn der Staat und die Gefängnisleitungen jedwede
Solidarisierung bekämpfen, ist selbst nach dem Grundgesetz Artikel 9 die
Gründung von Gewerkschaften auch im Gefängnis legal. Der Aufbau solcher
Strukturen ist jetzt umso wichtiger. Die Gefahr ist groß, dass bei zunehmender
Isolierung und Repression in den Gefängnissen die Entsolidarisierung zunimmt
und durch Bandenkriminalität wie in den USA begleitet wird. Die größten
ProfiteurInnen sind dann gut verdienende „Mafia-KapitalistInnen“ und die BeamtInnen,
die mit ihnen zusammenarbeiten. Das kann natürlich nicht im Interesse der
überwiegenden Mehrheit der Gefangenen sein.

Doch um dies zu erreichen, glauben wir, dass ein offener „Aufstand“
aktuell zwar kurzfristig für Furore sorgt, aber die Organisierung der
Gefangenen zu gering ist, irgendeinen bleibenden Effekt zu erzielen.
Stattdessen sind organisierte Streiks in den profitbringenden Arbeitsbetrieben
wie in der Tischlerei, dem Metallbetrieb, der Druckerei und bei der Firma
Seifert in der JVA-Waldheim dazu in der Lage, unmittelbaren wirtschaftlichen
Druck auszuüben, da die Anstalt auf die produzierten Produkte, die
erwirtschafteten Gelder und auf die durch diese Betriebe durchgeführten
Reparaturleistungen angewiesen ist. Die Organisierung der Gefangenen könnte
also unter günstigeren Rahmenbedingungen ausgeweitet werden.

Wenn wir unsere Situation tatsächlich verbessern wollen,
braucht es eine geduldige Zusammenarbeit mit Gefangenenorganisationen wie der
Gefangenen-Info, dem Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und der
Gefangenen-Gewerkschaft (GG/BO). Es ist nicht ausgeschlossen, unsere
Bedingungen in der Presse, und selbst wenn es nur die revolutionäre und
sozialistische ArbeiterInnenpresse ist, bekannt zu machen. Gefangene aller
Stationen, Häuser und Anstalten sollten als ersten Schritt gemeinsame
Diskussionsrunden gründen, in denen sie Artikel und Literatur besprechen, sich
über ihre eigene Situation austauschen und ihre Bedürfnisse und Forderungen
formulieren. Das ist vollkommen legal und eine gute Möglichkeit, um miteinander
zu kommunizieren.

Wir fordern wiederum linke Organisationen, Parteien und auch
die Gewerkschaften des DGB – mit Ausnahme der Gewerkschaft der Polizei – dazu
auf, sich mit den Gefangenen zu solidarisieren. Allein die Tatsache, dass die
Weigerung, sich nach Monaten von immer kürzeren Aufschlusszeiten „pünktlich“
einschließen zu lassen, als „Aufstand“ und „Meuterei“ gewertet wird, zeigt,
unter welch drakonischen und entrechteten Verhältnissen die Gefangenen leben –
und dies in Waldheim, der „Vorzeigeanstalt“ deutscher Gefängnisse.

  • Solidarität mit den Aufständischen von Waldheim! Für die sofortige Rücknahme aller Maßnahmen gegen die Demonstranten vom 10.12., Einstellung aller Anklagen und Ermittlungsverfahren, die Rückführung der Gefangenen, die ins Hochsicherheitsgefängnis und andere Anstalten verlegt wurden, sofortiges Ende des Einschlusses!
  • Sofortige Beendigung der verkürzten Aufschlusszeiten!
  • Für das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und politischen Protest im Gefängnis!



„Verkürzung von Faschismus auf Naziideologien“

In Hamburg lebt der Konflikt mit sogenannten Antideutschen wieder auf. Ein Gespräch mit Chris Kramer

Interview von Kristian Stemmler, veröffentlicht in Junge Welt vom 15. Dezember 2018, ArbeiterInnenmacht Infomail 1035, 20. Dezember 2018

Chris Kramer
ist in der Gruppe „Bildung ohne Bundeswehr“ und der Gruppe ArbeiterInnenmacht
aktiv

Frage: Bei einer Demonstration gegen die rechte „Merkel muss weg!“-Kundgebung am 7. November gehörte Ihre Gruppe zu einem antiimperialistischen Block, der innerhalb der Demo von sogenannten Antideutschen attackiert wurde. Was war der Anlass, und was geschah genau?

Antwort: Mehrere Organisationen haben den Block organisiert, um eine antikapitalistische Perspektive einzubringen. Eine Gruppe trug ein Transparent mit der Aufschrift »Israel erklärt sich per Gesetz zum Apartheidstaat«. Damit wollte sie gegen die rassistische Unterdrückung der Palästinenser demonstrieren. Von Beginn an wurden die Leute zunehmend aggressiv aufgefordert, das Transparent zu entfernen, und dabei als Antisemiten beschimpft. Bei der Abschlusskundgebung hat eine antideutsche Gruppe den Block bedroht, beschimpft und schließlich angegriffen. Dabei wurde unter anderem ein älterer palästinensischer Mann auf den Boden gestoßen.

Gab es Verletzte?

Nach unseren
Informationen gab es zum Glück keine größeren Verletzungen. Aber für uns ist
die politische Message entscheidend: Wer die rechte Regierungspolitik Israels
kritisiert, bekommt aufs Maul. Dabei stilisieren sich sogenannte Antideutsche
dann gerne noch als Opfer.

Gegen welches Gesetz richtete sich die Transparentaufschrift?

Gegen das „Nationalitätengesetz“,
das die Knesset am 19. Juli verabschiedet hat. Mit dem Gesetz wird Israel als „Nationalstaat
des jüdischen Volkes“ festgeschrieben. Damit werden de facto alle
nichtjüdischen Israelis zu Bürgern zweiter Klasse gemacht. Jerusalem, „vollständig
und vereint“, wird als Hauptstadt beansprucht. Der „jüdische Siedlungsbau“ wird
als „nationaler Wert“ bestimmt. Der israelische Intellektuelle Moshe Zuckermann
hat dazu gesagt, eine „ohnehin rassistisch und diskriminierend angelegte
israelische Alltagsrealität“ sei nun staatsoffiziell abgesegnet worden.

Das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“, HBgR, das die Demo angemeldet hatte, kritisierte nicht etwa die Angriffe der Antideutschen, sondern ging in einer Pressemitteilung auf den antiimperialistischen Block los. Was wurde Ihnen da konkret vorgeworfen?

Das Bündnis
schreibt von »antisemitischen Äußerungen«. Als Begründung wird angegeben, dass
das genannte Transparent zwei Tage vor dem 80. Jahrestag der Novemberpogrome
von 1938 getragen und mit dem Slogan mutmaßlich »Agitation gegen den
Zufluchtsort von Jüdinnen und Juden« betrieben worden sei. Das ist eine perfide
ideologische Instrumentalisierung der Verbrechen deutscher Faschisten, um
Kritik an Israels rechter Regierung mundtot zu machen. Als Antifaschisten
solidarisieren wir uns mit linken Israelis, nicht mit Netanjahu.

Wie kommt es, dass das HBgR sich so eindeutig auf die Seite der Antideutschen schlägt, wer steht hinter dem Bündnis?

Entscheidend
ist, welche Politik das HBgR heute macht. Mit seiner Erklärung hat es sich
jedenfalls eindeutig positioniert.

In Hamburg schien der Konflikt mit Antideutschen zuletzt keine große Rolle mehr zu spielen. Kocht da wieder was hoch?

Dieser Eindruck
mag dadurch entstanden sein, dass viele dem Konflikt lieber aus dem Weg gehen.
Aber er ist nicht aus der Welt. Auch der »internationalistische Block« auf der
großen G-20-Demo im Sommer 2017 wurde als „antisemitisch“ attackiert.

In einer Stellungnahme haben mehrere Gruppen kritisiert, dass in der BRD an die Stelle kapitalismuskritischer Faschismusanalysen zunehmend bürgerliche Ideologiekritik, „Aufstand der Anständigen“ und Solidarität mit einer israelischen Rechtsregierung treten. Können Sie das ausführen?

Was heute in der BRD als Antifaschismus firmiert, ist in weiten Teilen eine
Verkürzung von Faschismus auf Naziideologien. Viele „Antifas“ verstehen
Faschismus nicht mehr als Form kapitalistischer Ausbeutung und bürgerlicher
Herrschaft. Die Rechtsentwicklung wird vorrangig als ein Problem des individuellen
Bewusstseins großer Bevölkerungsteile begriffen. So kann man dann „gegen Nazis“
aktiv sein, völlig kompatibel mit der deutschen Staatsräson und zusammen mit
Parteien, die durch ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik zugunsten der oberen
Zehntausend und durch ihre Propaganda der Rechtsentwicklung erst den Boden
bereitet haben.




Gegen die bürgerliche Hetze des „Tagesspiegels“ – gegen das Outing und die Denunziation von AktivistInnen des „Jugendwiderstandes“!

REVOLUTION, Infomail 1035, 18. Dezember 2018

Letzte Woche hat die auflagenstarke Berliner Zeitung „Tagesspiegel“ einen doppelseitigen Leitartikel unter dem Titel „Maos Schläger aus Berlin Neukölln“ veröffentlicht, in dem sie gegen die maoistische Gruppe „Jugendwiderstand“ (JW) hetzt. Aber es bleibt nicht nur bei den üblichen Verleumdungen, KommunistInnen seien böse, böse UmstürzlerInnen oder sogar bereit, Gewalt gegen den „Rechtsstaat“ anzuwenden.

Diese Vorwürfe kennen wir und es ist nicht verwunderlich, dass eine große deutsche Zeitung mit viel Geld versucht, diejenigen, die sich gegen den deutschen Imperialismus richten, öffentlich zu diskreditieren. Auch dass die Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf und die Ablehnung des Staats Israels zum Anlass genommen wird, um Linke als antisemitisch zu verleumden, ist nichts Neues, auch wenn es umso zynischer erscheint, dass sich parallel dazu der israelische Ministerpräsident Netanjahu mit dem Rechten und glühenden Antisemiten Victor Orbán trifft, der für ihn ein „wahrer Freund Israels“ ist.

Was aber eine Stufe der Repression darstellt, ist, dass in dem Artikel auch die vermeintlichen Klarnamen, Arbeitsplätze und Wohnorte einiger GenossInnen von JW veröffentlicht wurden. In Zeiten des Rechtsrucks und der Offensive der FaschistInnen vor allem in Neukölln verurteilen wir es klar, linke AktivistInnen zu outen und den Faschos und dem bürgerlichen Staat ans Messer zu liefern. Besonders erschreckend ist hierbei, dass sich der „Tagesspiegel“ einen Großteil der Verleumdungen, aber auch die „Outings“ nicht selbst ausgedacht hat, sondern auf einem dem Selbstverständnisnach linken Blog „friedensdemowatch“ oder Statements von linken AktivistInnen basiert.

Auch uns trennt politisch viel vom „Jugendwiderstand“. Wir verurteilen klar die Angriffe auf andere Linke und die Bedrohung von AktivistInnen, da sie die Kritik- und Propagandafreiheit angreifen, denn statt politischer Argumente siegt so eher die Muskelkraft. Auch glauben wir, dass der „Jugendwiderstand“ keine revolutionäre Analyse der Rolle von gesellschaftlichen Formen von Unterdrückung wie Sexismus, Rassismus oder der Ausgrenzung von LGBT+ hat und seine Programmatik uns nicht zur Revolution bringt. Doch das Resultat von politischen Differenzen muss für andere Linke eine politische Kritik und Diskussion sein, im Notfall die Isolierung, aber niemals der bürgerlichen Presse, Bullen oder Faschos zuzuarbeiten und AktivistInnen zu outen! Gerade in Zeiten der Schwäche sollte klar sein, wer der Klassenfeind ist, und statt sich gegenseitig zu gefährden, müssen linke Kräfte zusammenarbeiten. Wir fordern deswegen auch alle anderen linken Organisationen zur Solidarität mit dem „Jugendwiderstand“ gegen die Angriffe von Presse, Staat, Nazis und „Anti-Deutschen“ auf!




CDU-Parteitag: Merkel vorerst gerettet – politische Neuausrichtung weiter umkämpft

Helga Müller, Infomail 1034, 12. Dezember 2018

Der CDU-Parteitag wurde in den Medien als ein historischer Tag hochstilisiert, der über die zukünftige Ausrichtung der Partei entscheiden wird, und gar als Beginn einer neuen Ära gelten könne. Tatsächlich hätte der nicht ganz freiwillige Rückzug der Noch-Kanzlerin Angela Merkel als Parteichefin – eine Reaktion auf den zunehmenden Vertrauensverlust in der Union, in ihre Regierungspolitik und ihre Fähigkeit, die WählerInnen weiterhin an die wichtigste Partei des Großkapitals binden zu können –, eine Richtungsentscheidung bringen können. Aber mit der Wahl der von ihr aus dem Saarland geholten Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer (kurz: AKK) als neue Parteichefin ist von einem Neuaufbruch nicht viel übrig geblieben, gilt sie doch als eine der wichtigsten Verbündeten der Kanzlerin. Diese hat es mal wieder durch diesen geschickten Schachzug geschafft, ihre Kanzlerinnenschaft – zumindest einstweilen – zu sichern.

Doch mit dem knappen Sieg vor ihrem Hauptwidersacher, Friedrich Merz vom rechten Flügel der Partei – AKK hatte mit nur 35 Stimmen mehr im zweiten Wahlgang die Wahl für sich entscheiden können –, sind die Probleme, die sich in der CDU seit Jahren aufstauen, nicht gelöst. Merz als Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Ablegers einer der größten Fondsgesellschaften der Welt, BlackRock Inc. – selbst in dreckige Steuerhinterziehungsaffären verstrickt –, vertritt sowohl die offen unternehmerfreundlichen als auch die Law-and-Order-Kräfte der CDU. Diese hatten sich auf dem Parteitag erhofft, mit dessen Wahl zum neuen Parteivorsitzenden endlich in die Offensive zu kommen und die CDU-Regierungspolitik in diese Richtung vorantreiben zu können. Dass dieser Flügel nicht zu unterschätzen ist, zeigt auch das Ergebnis des drittenaussichtsreichsten Kandidaten – von Gesundheitsminister Spahn, der ihm ebenfalls angehört – und im ersten Wahlgang immerhin auch noch 19 % der Delegiertenstimmen erhielt. Was sich darin ausdrückt, ist aber nicht nur ein Ringen zweier politischer Richtungen, in der sich das „Weiter so!“ zunächst durchgesetzt hat, sondern auch die Unentschiedenheit der deutschen Bourgeoisie, eher einen direkten und noch stärkeren Angriff auf die Errungenschaften der ArbeiterInnen, Arbeitslosen, RentnerInnen, Frauen und Jugendlichen zu fahren oder doch lieber weiterhin darauf zu setzen, SPD und Gewerkschaftsführung dafür einzusetzen.

Auch wenn sich mit der knappen Wahl von AKK der scheinbar gemäßigtere Flügel in der CDU aufdem Parteitag durchgesetzt hat, ist noch lange nicht entschieden, ob dieser auch auf Dauer bestehen und sich Angela Merkel bis zum Ende der Legislaturperiode halten kann. Auch wenn AKK – nicht minder geschickt als ihre Vorgängerin – durch die Wahl des neuen Generalsekretärs Paul Ziemiak von der Jungen Union, eines Repräsentanten der jungen Generation und des rechten Flügels der CDU, durchgesetzt hat, ist der Kampf um die „Neu“ausrichtung mit dem Parteitag entbrannt und lässt sich auf Dauer – auch mit geschickten Manövern – nicht mehr verhindern. So war auch der flehende (durchaus auch peinliche) Appell des Vorsitzenden der CDU-Mittelstandsvereinigung Carsten Linnemann an Merz nach seiner Abstimmungsniederlage, weiterhin aktiv in der Partei zu bleiben, nicht zu überhören. Auch wenn die Unterschiede zwischen dem gemäßigteren und dem offen unternehmerfreundlichen Flügel der CDU nicht so groß sind, wie es die Pressevermeintlich ausmacht – man denke auch an die Aussagen von AKK zur Flüchtlingspolitik, zur gemischten Ehe oder Abtreibung –, so ist doch Friedrich Merz in der CDU als direkter Vertreter der aggressivsten Interessen des deutschen Kapitals und als jemand, der auch in der Lage ist, diesen Kurs in der CDU ohne „falsche“ Rücksichtnahmen durchzusetzen, bekannt und gesetzt. Nebenbei bemerkt, steht Merz auch dafür, die CDU weiter nach rechts zu verorten, um der AfD Stimmen abzuwerben. Nicht zuletzt für seine reaktionären Äußerungen zur Asyl- und Flüchtlingspolitik steht er bei den ostdeutschen Landesverbänden hochim Kurs. Auch dies wird eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die zukünftige Debatte erhalten. Das knappe Wahlergebnis für AKK und das schlechte Abschneiden Paul Ziemiaks bei der Wahl zum neuen Generalsekretär mit gerade mal 62,8 % sprechen eine deutliche Sprache. Auch wenn letztere nicht nur eine Antwort auf das leicht zu durchschauende Manöver von AKK darstellt, sondern ebenso eine Kritik– vor allem des rechten Flügels – an seiner Bereitschaft, sich so willig als Generalsekretär unter der Führung von AKK zur Verfügung zu stellen.

Welcher Flügel sich letztendlich durchsetzen wird, wird nicht allein in der CDU oder CSU entschieden, sondern auch dadurch, welchen Spielraum die deutsche Bourgeoisie und der deutsche Export-Weltmeister noch haben, sich eine privilegierte Schicht von Facharbeitern in strategisch wichtigen Unternehmen leisten zu können, und welche Zugeständnisse sie den besser gestellten Teilen der ArbeiterInnenschaft, den RentnerInnen, den Arbeitslosen, Frauen und Jugendlichen insgesamt noch machen kann und will. Der Kampf um die Neuausrichtung der Politik des deutschen Kapitals wurde mit dem Parteitag nicht beendet – er wird früher oder später wieder erneut und umso heftiger ausbrechen müssen.




Stellungnahme zum Angriff auf den antiimperialistischen Block auf der Demo des „Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR)“

9. Dezember 2018, Infomail 1034, 12. Dezember 2018

Am 07. November 2018 beteiligte sich unter dem Motto „Hinter dem Faschismussteht das Kapital! Kampf dem Faschismus international!“ ein antiimperialistischer Block an den Protesten gegen die rechte „Merkel-muss-weg“-Kundgebung.Wegen seiner Positionen wurde er von sogenannten Antideutschen mehrfach tätlich angegriffen, TeilnehmerInnen wurden unter anderem als »Antisemiten« beschimpft. Der Anlass für das verbal und physisch aggressive Verhalten war ein Transparent, das innerhalb des Blocks getragen wurde und die Aufschrift „Israelerklärt sich per Gesetz zum Apartheidstaat“ trug. Schon kurz nach Beginn der Demonstration starteten „Antideutsche“ den ersten Versuch, das Transparent in ihre Gewalt zu bringen. Sie wiederholten den Versuch mehrmals vergeblich. Während der Abschlusskundgebung kam es mehrfach zu körperlichen Attacken gegen Mitglieder des Blocks.

Zu diesen Ereignissen veröffentlichte das „Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR)“ eine Stellungnahme, in der es diese gewalttätigen Angriffe unerwähnt lässt und den Antisemitismusvorwurf wiederholt. Seine Anschuldigung und die damit verbundene Aufforderung, in Zukunft den „Protestveranstaltungen fernzubleiben“, begründet das HBgR damit, dass, wer zwei Tage vor dem 80. Jahrestag der Pogromnacht den „Zufluchtsort von Jüdinnen und Juden“ kritisiere, „Antisemit“ sei.

Hinter diesen Vorwürfen steht die grundfalsche, aber bei deutschen Nazi-GegnerInnen weit verbreitete Gleichsetzung von Israelkritik und Antisemitismus. Wie israelische Linke zu Recht bemerkt haben (s. die Erklärung „Kritik an israelischer Politik und Antisemitismus sind nicht das Gleiche“), sind Israelkritik und Antisemitismus nicht dasselbe und dürfen nicht gleichgesetzt werden. Auch nicht am Jahrestag der Pogromnacht, und auch nicht an allen anderen Tagen, an denen sich in Deutschland antisemitische Verbrechen jähren. „Antideutsche“ instrumentalisieren das Leiden von Juden und Jüdinnen, um linke Kritik an Israels ultranationalistischer Regierung mundtot zu machen. Objektiv ist ein solches Verhalten darauf ausgerichtet, dass die Besatzungs- und Kriegspolitik gegenüber den PalästinenserInnen und die Autorisierung der israelischen Gesellschaft fortgesetzt werden kann, ohne dass sich international Widerstand dagegen regt. Mit seiner Stellungnahme unterstützt das HBgR diese Position.

Konkret versuchen die »Antideutschen« und das HBgR Kritik am Nationalitätengesetz zu unterbinden, mit dem die Mehrheit des israelischen Parlaments die palästinensische und andere Minderheiten in Israel im Juli per Beschluss zu BürgerInnen zweiter Klasse erklärt hat.

Zudem ist Israel für viele, insbesondere progressive und linke Juden, Jüdinnen und Israelis (Peace Now, Breaking the Silence, Anarchists Against the Wall, KriegsdienstverweigerInnen, KommunistInnen – um nur einige zu nennen) kein sicherer Zufluchtsort. Viele Oppositionelle verlassen Israel aufgrund ihrer politischen Überzeugungen. Unsere Solidarität gilt diesen und anderen GenossInnen, FreundInnen und fortschrittlichen Kräften, die gegen neoliberale Sozial- und Wirtschaftspolitik, staatlichen Rassismus und die autoritär-militaristische Kriegs- und Besatzungspolitik der israelischen Staatsapparate kämpfen.

Wir verurteilen die Übergriffe gegen den antiimperialistischen Block und das Vorgehen der AngreiferInnen, die mit ihrem Verhalten gezeigt haben, dass es ihnen wichtiger ist, linke AntifaschistInnen und PalästinenserInnen zu attackieren, als gegen die (neue) Rechte zu kämpfen. Wir lehnen die Positionierungen des HBgR, seine Unterstützung für »antideutsche« SchlägerInnen und die Übernahme „antideutscher“ Positionen ab.

Diese Entwicklungen sind allerdings wenig überraschend. Große Teile der deutschen Linken haben sich über die letzten Jahrzehnte vom Kampf gegen den Faschismus als Form bürgerlicher Herrschaft abgewendet. Dabei brauchen wir einen solchen vor dem Hintergrund der erstarkenden (teils neofaschistischen) Rechten auf der ganzen Welt – zu denen nicht nur Bolsonaro und Trump, Weidel, Strache, Orbán und Co gehören, sondern auch Netanjahu – im Zuge der globalen Krise des Kapitalismus dringender denn je in der Nachkriegsgeschichte.

Stattdessen aber ist in der Bundesrepublik Antifaschismus weitgehend zu liberalem und selektivem Anti-Nazi-Aktivismus verkommen. An die Stelle kapitalismuskritischer Faschismusanalysen, internationaler Solidarität und des Kampfs gegen den wieder erstarkenden deutschen Imperialismus sind bürgerliche Ideologiekritik, „Aufstand der Anständigen“ und Solidarität mit einer sraelischen Rechtsregierung getreten. Alles drei ist mit der deutschen Staatsräson problemlos kompatibel. Mit Antifaschismus hat das nichts mehr zu tun.

Politik gegen „Rechts“ muss den Widerstand gegen Krieg, Faschismus und Kapitalismus endlich wieder als untrennbare Einheit begreifen. Wer vom Faschismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen. Für einen linken Antifaschismus!

  • Nie wieder Krieg!
  • Nie wieder Faschismus!
  • Hoch die internationale Solidarität!

UnterzeichnerInnen

Bündnis „Bildung ohne Bundeswehr (BoB)“

Bündnis gegen imperialistische Aggressionen

Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM)

No pasarán Hamburg

Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Hamburg

Zusammenhang Antiimperialistische Bewegung

& einzelne TeilnehmerInnen des antiimperialistischen Blocks




Tarifverhandlungen bei der DB AG: EVG ruft zu Warnstreik auf

Leo Drais, Infomail 1033, 9. Dezember 2018

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat die seit rund 2 Monatenlaufenden Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn AG abgebrochenund für den kommenden Montag (10. Dezember 2018) mit Warnstreiks gedroht. Der Staatskonzern hatte zuletzt drei Tage parallele Verhandlungen mit der EVG und der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GdL) geführt. Wie kam es zu dem Abbruch?

Hintergrund und Forderungen

Dass nun ausgerechnet die EVG mit Warnstreiks droht, überrascht zunächst. Im letzten Jahrzehnt standen Streiks und massive Auseinandersetzungen meist nur in Verbindung mit der GdL, zuletzt 2015. Die GdL vertagte diesmal die Verhandlungen auf kommenden Dienstag, während die EVG den Warnstreik wählt. Das hat vermutlich mehrere Gründe.

Zunächst einmal erfüllt der Vorschlag der DB, vertreten durch Personalvorstand Martin Seiler (Bahnmanagement), nicht die Vorstellungen der Gewerkschaft. EVG und GdL fordern 7,5 % mehr Lohnüber die nächsten zwei Jahre, demgegenüber bietet der Konzern zwei Lohnerhöhungen von 2,6 % und 2,5 % über die nächsten 29 Monate. Laut der stellvertretenden EVG-Vorsitzenden Regina Rusch-Ziemba sinddas 1 % zu wenig (Frankfurter Rundschau). 2,6 % plus 2,5 % ergibtaber 5,1 % – scheinbar ist die EVG zu Abstrichen bereit. Daneben hat die EVG einen Forderungskatalog vorgelegt, der u. a. die Ausweitung des Wahlmodells (KollegInnen entscheiden, ob sie mehr Geldoder mehr Urlaub haben wollen), Bonuszahlungen, 150 Euro mehr für Azubis und Forderungen zur Digitalisierung beinhaltet.

Mit dem Warnstreik hat die EVG nichts zu verlieren. Möglich ist, dass die Bahn noch einen Schritt auf die Forderungen zugehen und dieser Vorschlag dann angenommen wird. Dadurch könnte die EVG-Bürokratie ihr Profil gegenüber der „Konkurrenz“ durch die GdL schärfen. Während die GdL (Vertretung für rund 36.000 MitarbeiterInnen, vor allem LokführerInnen und Zugbegleitdienst) in den letzten durch Streiks als kämpferisch wahrgenommen wurde, beschäftigte sich die EVG (Vertretung für rund 160.000 MitarbeiterInnen) vor allem damit, gegen die GdL zu hetzen. Die EVG wird unter der Belegschaft oft als verlängerter Arm des Vorstandes wahrgenommen, der die Folgen der Bahnreform, wenn auch wortkritisch, mitverwaltet. Damit haben die ArbeiterInnen durchaus Recht, denn wie jede ArbeiterInnenbürokratie dient auch die der EVG der Kontrolle und Befriedung des Proletariats. Gleichzeitig bedarf diese Befriedung aber nicht nur der Mitarbeit in der Konzernführung, der Belegschaft muss auch eine scheinbare Bereitschaft zum Kampf signalisiert werden, insbesondere wegen der„Konkurrenz“ zur GdL. Dies kann eine weitere Motivation hinter der aktuellen Streikankündigung sein.

Kampfperspektive

Um der Spaltung der EisenbahnerInnen zwischen GdL und EVG entgegenzuwirken und die Kontrolle über den Arbeitkampf in die Hände der ArbeiterInnen zu legen, müssen Vollversammlungen vor und besonders nach dem Warnstreik gefordert werden. Die GdL muss zur Beteiligung an diesen und an den Kampfmaßnahmen aufgefordert werden. Die KollegInnen müssen auf den Vollversammlungen selbst darüber abstimmen, welche Forderungen und Führung sie dem Arbeitskampf geben wollen. Es darf keine Verhandlungsergebnisse, keinen Abbruch und kein Aussetzen von Aktionen ohne vorherige Zustimmung der Belegschaft geben. Im Zuge dessen sollte zudem eine maximale Laufzeit des Tarifvertrages von 1 Jahr gefordert werden, da so die Friedenspflicht verkürzt und die Aktivität erhöht wird. Außerdem kann so schneller auf Preissteigerungen, Inflation etc. reagiert werden.

Die EVG wird nicht nur die bei DB Fernverkehr oder DB Regio beschäftigten Zugpersonale und InstandhalterInnen zum Streik aufrufen. Auch die FahrdienstleiterInnen und DisponentInnen der DB Netz AG werden mobilisiert, welche den Zugverkehr insgesamt steuern und deren Zustimmung für jede Fahrt erforderlich ist. Damit wird der Streik auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen treffen, die nicht zur DB AG gehören. Dementsprechend erhöht sich dadurch der Druck auf den Konzern.

Der Warnstreik selbst wird nur über wenige Stunden andauern. Der Fahrplan wird dadurch jedoch noch bis zum nächsten Tag in Unordnung gebracht.

DerArbeitskampf der EisenbahnerInnen verdient Solidarität und Unterstützung. Ziel des Warnstreiks und potentieller Streiks muss sein, dass die Forderungen von GdL und EVG voll umgesetzt werden. Das heißt 7,5 % mehr Lohn und nicht 5,1 %! Wenn es zu Streiks kommt, werden Konzernspitze, bürgerliche PolitikerInnen sowie Springer-Presse und Co. sofort die betroffenen Fahrgäste gegen die Beschäftigten aufhetzen. Dem müssen sich die EVG, aber auch der DGB durch breite Aufklärung entgegenstellen. Kämpferische Mitglieder von Linkspartei und SPD müssen fordern, dass sich ihre Parteien mit den Streikenden solidarisieren und vor den Karren der UnternehmerInnenhetze spannen lassen. Aufklärung und Solidarisierung sind notwendig, um die Forderungen der Gewerkschaften zu verteidigen – nicht nur, weil sie wie allen anderen Lohnabhängigen von steigenden Lebenshaltungskosten betroffen sind.

Der Beruf der BetriebseisenbahnerInnen ist auch mit einem hohen Maß an Verantwortung verbunden. Sie sollen und wollen Fahrgäste und Güter sicher und pünktlich transportieren – trotz eines massiven Personalmangels von über 5.000 Stellen (mit Überstunden, Schichtwechseln usw. als Folge), schadhafter Infrastruktur, Störungen und mangelhafter Fahrzeuge. Sie tragen neben den Reisenden in erster Linie die negativen Folgen der Bahnreform. Deswegen muss eine solche Aufklärung auch die Bahnreform anprangern und die entschädigungslose Rückverstaatlichung der gesamten Branche in Verbindung mit einer demokratischen ArbeiterInnenkontrolle fordern. (Siehe dazu: Deutsche Bahn – Unpünktlichkeit und Bahnreform)

Um dies zu erreichen, ist auch der Kampf für eine Neuorganisierung der Gewerkschaften EVG, GdL, verdi und Co. auf antibürokratischer, klassenkämpferischer, basisdemokratischer Grundlage erforderlich. Ziel muss eine Gewerkschaft Transport/Logistik sein, die auch LKW-FahrerInnen oder Amazon-Beschäftigte umfasst. Solch eine Gewerkschaft, kontrolliert von den Beschäftigten, könnte ein Garant gegen den Streikbruch sein und sich als Vorkämpferin für eine Neuorganisierung des Verkehrswesens nach einem gesamtgesellschaftlichen, demokratischen Plan erweisen, die auch gänzlich im Interesse der Fahrgäste wäre.




Pakistan: Solidarität mit der „Baloch Student Organisation“ ( BSO)!

Freiheit für Jiand Baloch, Zareef Rind, Changaiz Baloch und Aurangzaib Baloch!

Liga für die Fünfte Internationale, 7. Dezember 2018, Infomail 1033, 8. Dezember 2018

Am Nachmittag des 5. Dezember verschwanden drei studentische Aktivisten: Zareef Rind, Changaiz Baloch und Aurangzaib Baloch. Sie wurden zuletzt bei einem Protest gegen die Freilassung von Jiand Baloch, dem Sekretär der „Baloch Student Organisation“ (BSO), seinem Vater Abdul Qayyum Baloch und seinem zehnjährigen Bruder Hasnain Baloch am selben Tag in Quetta, der Hauptstadt Belutschistans, gesehen. Diese kriminelle Entführung der gesamten verbliebenen Führung der BSO trägt eindeutig alle Merkmale des Geheimdienstes.

Zareef, Chaingaiz, Aurangzaib, Jiand, Abdul und Hasnain, diese Namen sind in unserem Bewusstsein verwurzelt. Ihre Namen stehen für die mutigen Frauen, Männer und Kinder, die sich in der Vergangenheit gegen die Ungerechtigkeit gewehrt haben, eine Ungerechtigkeit, die das Leben von rund 20.000 Menschen in Belutschistan gefordert hat.

Die Praxis des verschwinden Lassens in Pakistan zielt nicht nur darauf ab, Einzelpersonen einzuschüchtern. Sie ist ein Versuch, die Funkendes Widerstands gegen ein ungerechtes System zu ersticken, in dem Jugendliche,Frauen, ArbeiterInnen, BäuerInnen und Unterdrückte nichts zu verlieren, sondern alles zu gewinnen haben. Diese Praxis ist nicht nur darauf ausgerichtet, unsere Bewegungen unserer tapfersten AnführerInnen zu berauben. Der pakistanische Staat und die herrschenden Klassen wissen sehr wohl, dass sie nicht einmal unfaire, aber öffentliche Prozesse für diejenigen zulassen dürfen, die um Gerechtigkeit kämpfen. Jeder dieser Prozesse, unabhängig vom Urteilsspruchdurch das Gericht, hätte das Potenzial, die Eliten auf die Anklagebank zusetzen. Die Unterdrückung, Ausbeutung und Ungerechtigkeit sind so stark, dass der Staat einfach nicht das Risiko von öffentlichen Prozessen oder Hinrichtungengegen diejenigen eingehen kann, die sich dagegen aussprechen. Es muss sie „verschwinden“ lassen in der Hoffnung, dass ihr Kampf, die Welt, die sie repräsentieren, sich verflüchtigt, vergessen wird.

Damit wir nicht missverstanden werden: Diese Gräueltaten haben sicherlich das Volk von Belutschistan besonders hart getroffen, aber solche Verbrechen werden der großen Masse des pakistanischen Volkes zugefügt. Die Arroganz, Verachtung und versteckte Angst, die die pakistanischen Oberschichten gegenüber StudentInnen wie Jiand Baloch aus Belutschistan empfinden, ist das, was sie auch gegenüber einem/R armen FabrikarbeiterIn aus dem Pandschab fühlen. JedeR, der/die die pakistanische Gesellschaft objektiv und nicht durch die verzerrende Linse ideologischer Vorurteile betrachtet, weiß, dass dies wahr ist.

Was der pakistanische Staat, was das Militär und die Reichennoch mehr fürchten als eine Revolte in Belutschistan, eine Bewegung für Gerechtigkeit in Khyber Pakhtunkhwa, einen BäuerInnenkampf in Sindh, eine Streikbewegung in Faisalabad oder einen Frauenprotest in Lahore ist die Perspektive, die eine solche klare Sicht der Verhältnisse nahelegt. Sie befürchten, dass es zu einem tieferen Verständnis und Bewusstsein gegenseitiger Solidarität führt, das die Mauern des Chauvinismus und die religiösen, nationalistischen und patriarchalischen Vorurteile niederreißt, die die pakistanischen Eliten in den letzten 70 Jahren sorgfältig aufgebaut haben.

In der vergangenen Woche kam es zu einem Anstieg der Solidarität innerhalb Pakistans, der Forderung nach Freilassung Jiand Balochs -einer Vergeschwisterung, die über die Grenzen der Ethnizität hinausging. Es mag genau das gewesen sein, was den Geheimdienst (Inter Service Intelligence; ISI) erschreckt und dazu geführt hat, Zareef, Chaingaiz, Aurangzaib zu schnappen. Wir wissen esnicht.

Was wir wissen, ist, dass dieser Aufruf zur Solidaritätbereits international Gehör findet. Die ArbeiterInnenorganisationen haben begonnen, darauf zu reagieren – vor allem die Sozialistin und Bundestagsabgeordnete UllaJelpke am 5. Dezember. Und wir verpflichten uns, diese Solidarität auszuweiten und international zu vertiefen.

Der pakistanische Staat irrt sich, wenn er glaubt, dass sein „verschwinden Lassen“ uns aufhalten kann. Nichts und niemand kann eine echte und ehrliche internationale Solidarität der ArbeiterInnenklasse stoppen. Heute heißen wir alle Zareef, Chaingaiz, Aurangzaib, Jiand, Abdul und Hasnain. Ihre Namen sind in unserem Bewusstsein verwurzelt, und auch ihr Kampf für einebessere Welt pulsiert durch unsere Adern.

Zareef, Chaingaiz, Aurangzaib, Jiand, Abdul und Hasnainmüssen sofort freigelassen werden – und alle anderen vermissten Personen auch. Wir fordern öffentliche Ermittlungen gegen diejenigen, die die Straftat der außergerichtlichen Entführung begangen und die in der Vergangenheit schweigend getötet haben. Alle diese Praktiken müssen unverzüglich gestoppt und unter strengster Strafe in Zukunft verboten werden.




Freiheit für Jiand Baloch! Solidarität mit allen vermissten BelutschInnen!

Solidaritätsaufruf der Liga für die Fünfte Internationale, der kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION, Revolutionary Socialist Movement (Pakistan), Baloch Student Organisation (BSO, Pakistan), National Student Federation (Pakistan), Brazilian Women Against Fascism UK, Infomail 1032, 2. Dezember 2018

Am Morgen des 30. November um 3 Uhr morgens wurde Jiand Baloch, ein Soziologiestudent der Multan University, zusammen mit seinem Vater Abdul Qayyum Baloch und seinem zehnjährigen Bruder Hasnain Baloch vom Sicherheitsdienst entführt. Sie ergänzen eine lange Liste von gewaltsam „Verschwundenen“ in ganz Pakistan, insbesondere aber in Belutschistan. Die Situation ist äußerst beunruhigend. Folterungen von Häftlingen sind an der Tagesordnung, und ihre Leben sind ernsthaft in Gefahr.

Es ist klar, dass es sich bei den Entführungen nicht um Einzelfälle handelt. Über Jahrzehnte hinweg sind Tausende von BelutschInnen und Angehörigen anderer Minderheiten „verschwunden“, d. h. sie wurden entführt, weil sie sich für ihre nationalen und demokratischen Rechte und gegen Diskriminierung eingesetzt haben.

Jiand Baloch selbst ist ein solcher Aktivist für demokratische und studentische Rechte. Er ist Doktorand an der Bahauddin Zakariya Universität (BZU) in Multan im südlichen Pandschab und wurde zum Sekretär der Belutschischen Studierendenorganisation (BSO) gewählt. Als Student und demokratischer Aktivist hat er sich in zahlreichen Aktionen engagiert, insbesondere im Kampf gegen die rassische und soziale Diskriminierung von belutschischen paschtunischen StudentInnen und an seiner Universität. Viele von ihnen wurden von der Universitätsleitung oder rechtsgerichteten StudentInnenorganisationen diskriminiert oder belästigt.

Seine Entführung richtet sich eindeutig nicht nur gegen seinen Aktivismus und seine friedlichen, außerparlamentarischen Aktivitäten, unabhängig und kritisch gegenüber bürgerlichen, nationalistischen Parteien und der parlamentarischen Politik. Sie ist auch als eine Bedrohung und eine Warnung für andere zu interpretieren.

In Pakistan werden aktuell die demokratischen Rechte permanent angegriffen – sei es gegen nationale Minderheiten wie die BelutschInnen, BloggerInnen, JournalistInnen oder MedienaktivistInnen. Entführungen, Verschwinden, Folter und Mord waren schon immer Teil der Aktivitäten des Staates hinter den Kulissen. Angesichts der Wirtschaftskrise, der Auferlegung neoliberaler IWF-Programme und der Auswirkungen des chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridorprogramms (CPEC) auf das Leben der einfachen Menschen sowie der Spannungen zwischen China und den USA, die um Einfluss in Pakistan kämpfen, wird der Staat immer autoritärer und setzt zunehmend auf völlige Unterdrückung und Gewalt.

Wir solidarisieren uns voll und ganz mit Jiand Baloch, seiner Familie und den vielen anderen, die sowohl in Belutschistan als auch in anderen Provinzen Pakistans Opfer von Zwangsentführungen geworden sind. Wir können uns nur vorstellen, mit welchen Sorgen und Ängsten ihre Familien, FreundInnen und GenossInnen konfrontiert sind. Am ersten Tag nach der Entführung wurden bereits Proteste in Quetta, Lahore und anderen Städten organisiert.

In Quetta gab es im letzten Monat ein friedliches Sit-in- und Protestcamp von Frauen und Kindern, das von Seema Baloch nach der Entführung ihres Bruders Shabir Baloch und anderer Baloch-AktivistInnen organisiert wurde. Ihr Anliegen hat auch die Unterstützung vieler paschtunischer StudentInnen gefunden, die mit ähnlicher Diskriminierung konfrontiert sind. Auch die Bewegung für den Schutz der PaschtunInnen (PTM), hat ihre Mitglieder und UnterstützerInnen aufgerufen, an den Demos in Quetta, Lahore und anderen Städten teilzunehmen. Die BSO und Jiand Baloch selbst standen an vorderster Front bei der Organisation der Solidarität mit dem paschtunischen Volk, dessen AktivistInnen ebenfalls entführt wurden.

Dies sind die Aktionsformen, die von linken Organisationen, Gewerkschaften, StudentInnenorganisationen und anderen demokratischen Kräften im Land massenhaft verbreitet und unterstützt werden müssen, um den Schikanen, Entführungen und Einschüchterungen entgegenzuwirken. Auf diese Weise können Angst und Wut in Taten umgesetzt werden und zu einer Kraft zur Verteidigung der demokratischen Rechte von Millionen Menschen werden. Es lebe die internationale Solidarität!

Wir rufen die internationale ArbeiterInnenbewegung, alle sozialistischen, kommunistischen und demokratischen Kräfte dazu auf, sich mit den vermissten Personen zu solidarisieren und ihre sofortige Freilassung zu fordern!




Kampf dem Klimawandel – Kampf dem Kapitalismus!

Flugblatt von ArbeiterInnenmacht und REVOLUTION, Infomail 1032, 1. Dezember 2018

Heiße Luft – mehr wird beim UN-Klimagipfel (COP24) im polnischen Katowice Anfang Dezember wohl nicht rauskommen. Globale Erwärmung bringt der Klimawandel schließlich schon selbst. Die „Umweltbilanz“ fällt seit dem Pariser Klimaschutzabkommen (COP21) verheerend aus, während die Folgen des globalen Klimawandels immer sichtbarer werden.

Auf der ganzen Welt ist man weit davon entfernt, die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre deutlich zu senken. Trotz halbherziger nationaler Versprechungen wurden 2018 global die höchsten CO2-Konzentrationen gemessen. Bleibt es bei einem Anstieg, könnte bereits 2030 die 1,5-Grad-Schwelle überschritten werden! Das Abkommen von 2015 ist bisher gescheitert – und Besserung nicht in Sicht.

Die USA, immerhin die größte Ökonomie der Welt, sind unter Trump ohnedies schon ausgeschert, Länder wie Brasilien unter dem Halb-Faschisten Bolsonaro drohen auch mit diesem Schritt.

Auch Deutschland hat es trotz großer Ankündigungen nicht geschafft, in den letzten zehn Jahren die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Ein wichtiger Grund: es ist noch vor China der weltweit größte Förderer und Nutzer vom klimaschädlichsten Energieträger: Braunkohle!

Und die Kohlekommission?

Die Bundesregierung und die von ihr eingesetzte „Kohlekommission“ reihen sich in dieses weltweite Desaster ein. Der für Ende 2018 versprochene „Abschlussbericht“ wird wohl erst 2019 vorliegen. Klar ist aber schon heute: die notwendigen, wirksamen Maßnahmen zum raschen Ausstieg oder gar zu einem an den Bedürfnissen der Bevölkerung und Umwelt orientierten Umbau des Energiesystems wird er nicht bringen. Stattdessen wird gefeilscht, ob in den 2030er Jahren oder, geht es nach den Konzernen, in den 2040er Jahren „ausgestiegen“ wird.

Jedes Jahr „früheren“ Ausstiegs, jeden entgangenen Profit werden sich RWE, Vattenfall usw. teuer abkaufen lassen – natürlich nicht aus den Profiten der Wirtschaft, sondern aus dem Steuersäckel, also durch die Masse der Bevölkerung.

Die Bundesregierung (und neuerdings selbst die FDP) gibt sich beim Klimaschutz zwar gerne „engagiert“, ihre Taten beweisen aber das Gegenteil.

Anders als noch vor Jahrzehnten und wie RechtspopulistInnen wie Trump oder die AfD kann und will sie zwar den Klimawandel und seine Bedrohungen nicht leugnen – die Konzerninteressen und deren Profite sollen aber auch nicht beschnitten werden.

Leere Worte, falsche Versprechungen, halbe und widersprüchliche Maßnahmen sind das unvermeidliche Resultat einer Politik, die die Auswirkungen der drohenden Katastrophe zwar anerkennt – zugleich aber ihre eigentlichen Ursachen nicht angehen will und kann.

Im Gegenteil. Diese werden geleugnet. Ausgerechnet der Markt und die Konkurrenz sollen es richten, garniert mit einem mehr oder weniger bizarren System von Subventionen für Unternehmen und die Wirtschaft (z. B. günstigere Strompreise für Unternehmen, Steuerbefreiungen für Kerosin, …).

Die SPD verwaltet seit Jahr und Tag dieses Chaos mit – schließlich will auch sie ein Ding der Unmöglichkeit: einen umweltfreundlichen Kapitalismus. Im Hambacher Forst stand sie folgerichtig gemeinsam mit der Landesregierung und der konzernhörigen Gewerkschaft IG BCE auf Seiten der Kohlelobby – und hatte zugleich auch noch die Chuzpe, sich bei der Demonstration der BraunkohlegegnerInnen anzubiedern.

Die bürgerlichen Grünen und die Linkspartei agieren nach dem Motto „In der Opposition hui, an der Regierung pfui“. So haben sie in NRW und in Brandenburg an der Landesregierung selbst den Braunkohletagebau durchgewunken, während sie sich im Bundestag als „Klimachampions“ präsentieren. Meisterhaft ist bei ihnen allenfalls ihre Heuchelei. Ihre Lösungsvorschläge bringen keine Lösung, sondern stellen – gerade der sog. „Green New Deal“ – nur Spielarten bürgerlicher „Umweltpolitik“ dar.

Vom Kapitalismus wollen die bürgerlichen Grünen ohnedies längst nicht mehr reden, sie wollen ihn ähnlich der SPD nur „besser“ verwalten. Die Linkspartei gibt zwar vor, auch das System „in Frage stellen zu wollen“ – nur nicht an der Regierung. Dort prägen „Sachzwang“, Koalitionsvertrag und Opportunismus die Partei.

Antikapitalismus!

Doch auch große Teile der „Umweltbewegung“ umschiffen mehr oder minder gekonnt das Problem, was sich genau darin zeigt, dass sie keine Antwort auf die vorhandene Spaltung der Lohnabhängigen angesichts der bürgerlichen Umweltpolitik zu finden vermögen. Was tun für die Beschäftigten in der Braunkohleindustrie? Wie verhindern, dass die Kosten der „Klimapolitik“ auf die Bevölkerung in Form höherer Preise für Strom, Benzin usw. abgewälzt werden? Die Entwicklung in Frankreich zeigt, dass eine solche Politik nicht nur umweltschädlich und verlogen ist, sie zeigt auch, dass sie im schlimmsten Fall gar rechten DemagogInnen erlaubt, sich an die Spitze von kleinbürgerlichen, rechtspopulistischen Bewegungen zu stellen.

In den letzten Monaten konnte RWE – unter großzügiger Mithilfe der IG BCE und der lokalen SPD – erneut tausende BergarbeiterInnen gegen die Umweltbewegung in Stellung bringen. Das kann nur verhindert werden, wenn die Gewerkschaften und die Linke für die entschädigungslose Enteignung der Konzerne unter ArbeiterInnenkontrolle kämpfen.

Wir müssen deshalb den Kampf für den Kohleausstieg mit dem Kampf für ein Wirtschaftssystem verbinden, in dem unsere Zukunft nicht für die Profite weniger verheizt wird. Ebenso müssen wir uns gegen jede Entlassung und jeden Einkommensverlust zur Wehr setzen. Das bedeutet keinesfalls, dass jede/r Beschäftigte genau dieselbe Arbeit machen wird wie bisher. Im Zuge einer ökologischen Umrüstung der Produktion würden natürlich auch für die ArbeiterInnen in den Energieunternehmen neue Aufgaben anfallen. Auf der Grundlage einer Marktwirtschaft und der Produktion für immer größeren Profit ist das jedoch unmöglich – daher bildet die entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung des ganzen Energiesektors eine unerlässliche Voraussetzung für jede rationale Klimapolitik, für jeden „Strukturwandel“ in diesem Bereich und für die Ausarbeitung eines Plans zur Umrüstung des Energiesystems unter ArbeiterInnenkontrolle.

Das Privateigentum an Produktionsmitteln und der Imperialismus müssen ins Visier genommen werden, wenn diese Frage gelöst werden soll. Mehr als jede andere ist die Umweltfrage eine internationale. Es kann keine Verhinderung des Klimawandels nur in einem Land geben. Die kapitalistische Krise und die verschärfte Konkurrenz zwischen Großmächten führen unvermeidlich dazu, dass vor allem die Profite der „eigenen“ Monopole gesichert werden und die Kosten und Folgen auf die ärmsten und für den Klimawandel am wenigsten verantwortlichen Länder abgewälzt werden. So hinterlässt der Imperialismus seinen „ökologischen Fußabdruck“ und setzt dabei das Überleben von Millionen und Abermillionen, von ganzen Ländern aufs Spiel. Die Umweltbewegung muss daher nicht nur zu einer von den Lohnabhängigen getragenen Bewegung – sie muss auch internationalistisch und antikapitalistisch werden.

  • Massenaktionen gegen die Braunkohleindustrie! Bundesweite Aktionskonferenz zur Durchsetzung des organisierten, geplanten Kohleausstiegs!
  • Für die ökologischen Katastrophen ist die herrschende Klasse verantwortlich – daher soll sie für die Schäden aufkommen! Entschädigungslose Enteignung der Energie- und Transportindustrie unter ArbeiterInnenkontrolle!
  • Für den schnellstmöglichen organisierten Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung und den Einstieg in klimaneutrale Erzeugung im Rahmen eines rationalen Gesamtenergieplans unter ArbeiterInnenkontrolle! Für einen solchen Plan auf europäischer und weltweiter Ebene, der Verkehr, Industrie, Haushalte, Strom- und Wärmegewinnung integriert!
  • Weg mit dem Emissionsrechtehandel und der blinden Subventionierung von „regenerativer Energie“! Sofortige Rücknahme aller direkten und indirekten Subventionen für den Energiesektor! Sofortige Senkung der Strompreise! Den Marktmechanismen setzen wir das bewusste, planmäßige Eingreifen in die Produktion entgegen. Für die Förderung von Energie und Ressourcen sparenden Techniken, bezahlt vom Kapital!
  • Für ein globales Programm zur Wiederaufforstung von Wäldern, der Renaturierung von Mooren und zum Schutz des Bodens und der Meere als CO2-Senken! Entschädigungslose Enteignung von LandbesitzerInnen, nachhaltige Bewirtschaftung unter Kontrolle der ArbeiterInnen und BäuerInnen!
  • Für Forschung nach neuen Energien wie Kernfusion und zur Lösung der Speicherproblematik der erneuerbaren Energien, zur Minimierung bzw. Beseitigung des Schadstoffproblems (Atommüll) unter ArbeiterInnenkontrolle und auf Kosten der Energiekonzerne!
  • Gegen die Spaltung von Umweltbewegung und Beschäftigten in umweltgefährdenden Betrieben! Keine Entlassungen und keine Einkommensverluste für Beschäftigte im Energiesektor! Umschulung und neue Arbeitsplätze zu gleichen Löhnen und Arbeitsbedingungen! Gegen prekäre Beschäftigung in der Branche erneuerbarer Energien: gleiche Bedingungen für alle Beschäftigten in Windkraft-, Solarbetrieben wie für jene in Bergbau, AKWs und bei den Stromkonzernen!



Frankreich: gelbe Westen, aber keine rote Flagge

Marc Lassalle/Martin Suchanek, Infomail 1031, 29. November 2018

Erneut können wir eine der mächtigen sozialen Bewegungen Frankreichs beobachten. Diesmal richtet sie sich gegen den immer unbeliebteren Präsidenten Emmanuel Macron und seine angebliche Ökosteuer auf Erdölprodukte. In Frankreich sind die Dieselpreise 2018 um 16 Prozent gestiegen, von durchschnittlich 1,24 Euro pro Liter auf 1,48 Euro und erreichten im Oktober 1,53 Euro (Zahlen von UFIP, Union française des industries pétrolières; dem Verband der Ölindustrie des Landes). Diese Erhöhungen haben einen großen Aufruhr in der Bevölkerung ausgelöst.

Am 17. November wurden landesweit über 2.000 Straßensperren verhängt und mehr als 280.000 Menschen mobilisiert. Eine Woche später wurde die Aktion mit Blockaden und Demonstrationen in Paris und vielen Städten mit rund 100.000 TeilnehmerInnen wiederholt. Auf der Prachtstraße Champs-Élysées kam es zu größeren Unruhen.

Gilets Jaunes

Die Bewegung der Gilets Jaunes (wörtlich „gelbe Westen“ – die gut sichtbaren Jacken, die französische AutofahrerInnen in ihren Autos mitführen müssen) drückt eindeutig die weit verbreitete Wut von Millionen von Menschen über steigende Preise und Steuern aus. Diese treffen große Teile der Bevölkerung hart. Dazu gehören ArbeiterInnen aus den Vororten und der Peripherie der Großstädte, die sich die Mieten in den Innenstädten nicht mehr leisten können und somit auf ihre Autos angewiesen sind, um zur Arbeit zu kommen. Die Schließung von öffentlichen Nahverkehrsverbindungen in den Vororten trägt dazu ihr Übriges bei. Das Gleiche gilt für Selbstständige und FreiberuflerInnen sowie für kleine KapitalistInnen, deren Gewinne durch steigende Preise geschmälert werden.

Die Bewegung organisiert sich hauptsächlich über soziale Medien und überraschte nicht nur Macron und die Regierung, sondern auch die meisten politischen Parteien und Gewerkschaften. Diese Bewegung unterscheidet sich jedoch deutlich von denen während der Präsidentschaft des „Sozialisten“ François Hollande und dann unter Macron, die sich gegen dessen „Arbeitsgesetzreformen“ und andere soziale Angriffe richteten. Bei diesen waren es die ArbeiterInnenklasse und die Gewerkschaften, vor allem die CGT (Confédération Générale du Travail; Allgemeiner Gewerkschaftsbund), die die Führung übernahmen und von einer Reihe Universitätsbesetzungen begleitet wurden.

Diese Mobilisierungen zeigten das Potenzial der französischen ArbeiterInnenklasse und Jugend, einen erfolgreichen Kampf gegen die verhasste Kombination aus strenger Sparpolitik, Liberalismus und Autoritarismus der Macron-Regierung zu führen. Die Gilet Jaunes-Bewegung hat jedoch gezeigt, dass die Gefahr besteht, dass das rechtsextreme Rassemblement National (RN; Nationale Sammlungsbewegung) von Marine Le Pen und die GaullistInnen Les Républicains (LR; Die Republikaner) an Boden gewinnen.

Die Partei von Le Pen hat Macrons zentristische La République En Marche (LREM; Die Republik in Bewegung) in den letzten Umfragen vor den Europawahlen 2019 überholt. Die IFOP-Umfrage vom 4. November ergab, dass LREM auf 19 Prozent gefallen war, während die RN, ehemals Front National (Nationale Front), auf 21 Prozent stieg. Der Souveränist (Euroskeptiker und Gründer von Debout La France, DLF; Steh auf, Republik!) Nicolas Dupont-Aignan, der sich nach rechts von der FN abspaltete, erzielte 7 Prozent. Die LinkspopulistInnen von La France Insoumise (FI; Unbeugsames Frankreich), angeführt von Jean-Luc Mélenchon, sanken auf 11 Prozent.

Die ArbeiterInnenklasse

Die Gilets-Jaunes-Bewegung entstand im Gegensatz zu den früheren Bewegungen nicht aus den Organisationen der ArbeiterInnenklasse. Obwohl eindeutig eine große Zahl von Lohnabhängigen beteiligt ist, handelt es sich um eine Bewegung, die eher typisch für die Anti-Steuerbewegungen der unteren Mittelschicht ist. Dies spiegelt sich in ihrem Verbot der Beteiligung von Gewerkschaften und politischen Parteien wider, ja in ihrer Behauptung, dass sie eine unpolitische Bewegung sei.

Dennoch haben rechtsbürgerliche Parteien wie LR und rechtsextreme rassistische PopulistInnen wie die RN und sogar ausgesprochen faschistische Gruppen sie ohne Widerstand infiltriert. Dies ist in hohem Maße darauf zurückzuführen, dass die Bewegung gegen Macrons „Reformen“ des Sommers und Herbstes nicht wirklich an Fahrt gewann. Es ist ein Zeugnis für die Krise der französischen Linken im Allgemeinen.

FührerInnen der ArbeiterInnenklasse und vor allem linke PopulistInnen wie Mélenchon haben sich der Herausforderung nicht gestellt. Sein FI war bereits Ausdruck der Krise der französischen Linken mit ihrer schändlichen Anpassung an den „republikanischen Patriotismus“, der Ersetzung der roten Fahne durch die Trikolore. Er präsentiert eine ökonomisch-nationalistische und keynesianische Antwort auf die Krise und spielt mit Vorurteilen gegenüber der EU. Die konservativeren und moderateren Gewerkschaften wie Force Ouvrière (FO; ArbeiterInnenstärke) und CFDT (Confédération Française Démocratique du Travail; Französischer Demokratischer Gewerkschaftsbund) sabotierten den Kampf gegen Macron mehr oder weniger offen.

Die CGT, die dem allgemeinen Kampf und insbesondere dem der militanten EisenbahnerInnen eine Führungsrolle gab, führte den Widerstand jedoch in eine Sackgasse, indem sie die Streiks auf eine Reihe von geplanten eintägigen Stillständen beschränkte. Sie tat dies, als es einer umfassenden Streikbewegung bedurfte, die den Widerstand zu einer direkten politischen Herausforderung für die Regierung Macron hätte ausweiten können.

Initiative

Dieses Scheitern bedeutete nicht nur, dass Macron mit seinen Angriffen erfolgreich war, sondern vor allem, dass die ArbeiterInnenklasse die Initiative auf diejenigen übergehen ließ, die versuchen, die Unorganisierten, die politisch rückständigeren oder inaktiven ArbeiterInnen sowie die unteren Teile der Kleinbourgeoisie um ihre begrenzten Anti-Steuerforderungen zu sammeln.

Es gibt natürlich eine enorme und berechtigte Wut unter „dem Volk“ über die sozialen Angriffe der Macron-Regierung, steigende Preise und gescheiterte Versprechungen. Dabei spielt auch die totale Arroganz seines selbsternannten „jupiterianischen“ Stils eine Rolle. Er präsentiert sich als Speerspitze einer „Bewegung“ für die nationale, ja europäische Erneuerung, d. h. der neoliberalen Reformen, die die wirtschaftliche und politische Elite Frankreichs seit Jahrzehnten durchzusetzen versucht. Er hat sich verpflichtet, im Gegensatz zu früheren Präsidenten nie dem Druck der Straße nachzugeben.

Die Steuererhöhungen für Benzin sind mit Steuervergünstigungen für die Reichen einhergegangen. Diese sollen das UnternehmerInnentum ermuntern, während seine Arbeitsrechtsreformen es den französischen KapitalistInnen ermöglichen sollen, die unsicheren Niedriglohnarbeitsplätze der „Gig Economy“ (Wirtschaft für Kleinaufträge an unabhängige Freiberuflerinnen bzw. geringfügig Beschäftigte) zu reproduzieren und damit die 9 Prozent Arbeitslosenquote zu senken. Kein Wunder, dass er als „Präsident der Reichen“ sowohl auf der populistischen rechten als auch auf der linken Seite stigmatisiert wird. Weiter ist es auch kein Wunder, dass seine Zustimmung in Meinungsumfragen auf rund 20 Prozent gesunken ist.

Die Bewegung der gelben Westen ist eindeutig Ausdruck dieser weit verbreiteten Wut und Frustration, einer allzu verständlichen Unzufriedenheit. Dies beantwortet jedoch nicht die Frage nach dem politischen Charakter dieser Bewegung oder der Richtung, die sie voraussichtlich einschlagen wird.

Tatsächlich ist sie, wie viele andere Bewegungen heute in Europa und darüber hinaus nicht nur eine Bewegung gegen etablierte Regierungen, sondern auch gegen die „politische Klasse“, die „Elite“. Sie signalisiert auch den Verlust der sozialen und politischen Initiative der ArbeiterInnenklasse. Es handelt sich, kurz gesagt, um eine kleinbürgerliche, klassenübergreifende Bewegung.

Damit soll nicht die Anwesenheit einer großen Zahl von ArbeiterInnen auf den Blockaden und Märschen geleugnet werden. Insbesondere die GeringverdienerInnen, welche gezwungen sind, weit weg von den Städten, in denen sie arbeiten, zu leben. Viele Berichte deuten darauf hin, dass die meisten noch nie zuvor in einer sozialen Bewegung aktiv waren und zum ersten Mal an militanten direkten Aktionen teilnehmen.

Die Frage der politischen Führung und Richtung ist eindeutig keine soziologische Frage. Sie ist eine der sozialen Ziele einer solchen Bewegung, ihrer Beziehung zur ArbeiterInnenbewegung und ihres Bewusstseins. Allein die Bewegung als „spontan“ zu loben, löst nichts. Der alte Slogan, der früher in der französischen Linken verwendet wurde, „tout ce qui bouge c’est rouge“ – alles, was sich bewegt, ist rot –, ist einfach falsch. Die Rechte kann sich sowohl bewegen wie die Linke.

Während die Bewegung der Gilets Jaunes (noch) nicht vollständig von bürgerlichen Mainstream- oder rechtsextremen Kräften dominiert wird, verfügen diese über einen sehr sichtbaren Einfluss in ihr. In der ersten Periode waren die sichtbarsten aktiven Kräfte in der Bewegung LR, die gaullistische Partei von Sarkozy, und die RN. Die RN hat verdeckter gehandelt, aber ihre Kader greifen eindeutig national und lokal in die Bewegung ein. Marine Le Pen hat sie lautstark unterstützt und ihre AnhängerInnen ermutigt, sich der verbotenen Demonstration auf der Champs-Élyseés am 24. November anzuschließen. In gewissem Maße ähnelt die Bewegung den Protesten, die bei der Gründung der Fünf-Sterne-Bewegung in Italien oder der rechtspopulistischen Bewegung von Pierre Poujade in Frankreich in den 1950er Jahren zu sehen waren.

Die wichtigsten Forderungen gegen die Besteuerung von Benzin und Diesel und für niedrigere Preise stammen eindeutig aus dem Arsenal kleinbürgerlicher und populistischer Bewegungen. Die Parolen der ArbeiterInnenbewegung gegen regressive Verbrauchssteuern wie die Mehrwertsteuer und für eine progressive Besteuerung von Vermögen und Unternehmensgewinnen bieten die wirkliche Antwort darauf, wie der Staat notwendige Einkünfte auftreiben soll. Der ausschließliche Fokus auf Preis- und Steuersenkungen macht es jedoch viel einfacher, verschiedene, ja antagonistische Klassen zusammenzubringen, da jedeR „BürgerIn“ davon zu profitieren scheint.

Offensichtlich ist die Bewegung keine faschistische, aber sie wird vom Rechtspopulismus dominiert. Die Tatsache, dass ein Teil davon auch soziale Fragen aufwirft und höhere Löhne fordert, widerlegt dies nicht. Die RechtspopulistInnen oder sogar halbfaschistische Organisationen sind durchaus in der Lage, diese zu übernehmen.

Gleichzeitig gab es Fälle von offenem Rassismus und Homophobie, wenn auch noch nicht in Massen. Eine Frau, die ein Kopftuch trug, wurde angegriffen. Ein LKW, der MigrantInnen transportierte, wurde blockiert und Gewalt angedroht, bevor er an die Polizei übergeben wurde. Solche offen reaktionären und rassistischen Ausbrüche, wenn auch nicht weit verbreitet, zeigen, dass implizit die Menschen, die die Bewegung zu sammeln versucht, „das weiße französische Volk“ sind – nicht die gesamte arbeitende Bevölkerung, einschließlich der in den Banlieues (Vororten), muslimischen und immigrierten ArbeiterInnen.

Die „spontane“ Tendenz zum rechten Flügel wurde bei der Demonstration am 24. November in Paris vollständig offenbart. Diese Demonstration von bis zu 10.000 – etwa 10 Prozent der geschätzten landesweiten Mobilisierung – stieß auf der Champs-Élysées mit der Polizei zusammen und die Kämpfe wurden von der „extremen Rechten“ angeführt, d. h. von faschistischen und halbfaschistischen Kräften rechts der RN. Während die meisten DemonstrantInnen wahrscheinlich selbst keine FaschistInnen waren, zeigten sie sich eindeutig bereit, deren Führung an diesem Tag zu akzeptieren. Die „Bewegung“ und die damit verbundenen Hauptkräfte haben keinen klaren Bruch mit faschistischen Elementen wie Les Identitaires (BI; Identitärer Block – Die Europäische Sozialbewegung) gefordert oder versucht, sie zu vertreiben.

Im Gegenteil, sie haben ihre Bedeutung und Rolle heruntergespielt oder sogar ihren reaktionären Charakter geleugnet. Natürlich wird niemand überrascht sein, dass RN und Marine Le Pen mit solchen Kräften zusammenarbeiten oder RepublikanerInnen und Sarkozy sich mit den wütenden Kleinbürgerlichen verbünden. Aber auch Mélenchon und sein FI ignorieren vorsätzlich den Einfluss und die Gefahr der extremen Rechten.

Patriotismus

Zu diesem Ergebnis führen „linker Populismus“ und „linker Patriotismus“: einer groben Anpassung an den realen Patriotismus einer der ältesten kolonialistischen und imperialistischen Bourgeoisien der Welt und den Rassismus des reaktionären KleinbürgerInnentums. Diese Einflüsse und den populistischen Charakter der Bewegung – und damit auch ihrer Gefahren – herunterzuspielen, beschränkt sich leider nicht nur auf die linken PopulistInnen. Auch die linksradikale Lutte Ouvrière (LO; ArbeiterInnenkampf) hat sich ohne jegliche Kritik an die Bewegung angepasst. Dasselbe gilt in geringerem Maße für einige andere Teile der französischen Linken. Dazu gehören auch die NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste; Neue Antikapitalistische Partei) und ihr charismatischer Sprecher Olivier Besancenot. Er hat den Einfluss der Rechten heruntergespielt:

„Wir haben es nicht mit einem Aufstand gegen eine Öko-Regierung zu tun, wir haben einen sozialen Aufstand gegen die Lebenshaltungskosten, die keine Feindseligkeit gegen einen ökologischen Wandel birgt.“

Er fordert jedoch eine gemeinsame Mobilisierung der Linken, „einschließlich der Linken der Linken, der Kommunistischen Partei und der ,Génération.s, le Mouvement’ (etwa: Generation.s, die Bewegung) um den ehemaligen Linksaußen der Sozialistischen Partei Benoît Hamon, die FührerInnen von ,Zusammen’ (Tous Ensemble; linker Flügel in der CFDT) und anderen“ und weist auf die Notwendigkeit von Maßnahmen gegen das derzeitige Steuersystem hin, von dem er sagt, dass es „kein Geld von den Reichsten nimmt, sondern die höchsten Einkommen wie die riesige Ölgesellschaft ‚Total‘ begünstigt, die 9 Milliarden Euro Nettogewinne erzielt und von der Körperschaftssteuer befreit ist.“

Die GewerkschafterInnen der NPA haben auch einen verwirrten Aufruf veröffentlicht, der besagt, dass zahlreiche GewerkschafterInnen gemeinsam an der Gilets-Jaunes-Bewegung teilnehmen wollen, ohne offen zu sagen, dass diese eine solche kollektive Beteiligung ausgeschlossen hat. Ebenso schüchtern heißt es: „Keine Aggression, rassistische, sexistische oder homophobe Gewalt ist tolerierbar, was auch immer sie ist und woher sie kommt“, ohne zu sagen, dass sie genau von RN und faschistischen Elementen in dieser Bewegung kommt.

Französische ArbeiterInnen müssen nicht um Erlaubnis bitten, um eine echte Massenbewegung gegen Macron zu starten. Wenn die Organisationen der ArbeiterInnenklasse, die Gewerkschaften und die extreme Linke die politische Initiative wiedererlangen wollen, müssen sie in die politische Krise eingreifen. Aber nicht durch die Anpassung an kleinbürgerliche Kräfte, ihre populistische Ideologie und sogar ihre Methoden des Kampfes.

Wenn die ArbeiterInnenklasse die Initiative wiedererlangen will, muss sie gegen das wirkliche Elend mobilisieren, den Kampf gegen steigende Preise mit einem gegen staatliche Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse und die Armen verbinden. Die ArbeiterInnenklasse muss in Aktion beweisen, dass sie eine soziale Kraft ist, die Macron wirksam herausfordern und die Massen, einschließlich der verarmten und unteren Teile des KleinbürgerInnentums und der mittleren Schichten, mobilisieren kann.

Natürlich kann es durchaus sein, dass einige lokale „Gelbwesten“ unter den Tausenden im ganzen Land diesem Beispiel folgen und zu „roten Westen“ werden. Dies wird jedoch für die gesamte Bewegung unmöglich sein; sie muss entlang Klassenlinien gespalten werden, nicht nur sozial, sondern auch politisch. Es darf keine Zusammenarbeit mit den faschistischen oder rassistischen Kräften wie BI, der RN oder mit der bürgerlichen LR geben. Ein klarer Bruch mit ihnen muss Voraussetzung für jede Zusammenarbeit mit den Gelbwesten sein.

Daher sollte die Initiative der CGT, zu einem Aktionstag der ArbeiterInnenbewegung gegen die Macron-Regierung aufzurufen, von der gesamten ArbeiterInnenbewegung und der Linken unterstützt werden. Die CGT fordert einen Mindestlohn von 1800 Euro mit ähnlichen Erhöhungen für Renten und Sozialleistungen und eine auf 5,5 Prozent für wesentliche Güter und Dienstleistungen wie Gas und Strom begrenzte Mehrwertsteuer. Sie warnt auch vor fremdenfeindlichen, rassistischen und homophoben Ideen.

Natürlich besteht die reale Gefahr, dass der Aktionstag wie in der Vergangenheit nur eine eintägige Kundgebung sein wird, der keine weiteren Aktionen und auch kein gemeinsamer Kampf in den Betrieben und auf den Straßen folgt. Deshalb müssen wir von der CGT, der SUD (Union Syndicale Solidaires; Gewerkschaftsbund Die Solidarischen) und anderen Gewerkschaften sowie von der reformistischen und der radikalen Linken verlangen, dass sie sich in Aktion um ein Programm von Forderungen zusammenschließen, um die unmittelbaren Bedürfnisse der ArbeiterInnenklasse und der Volksmassen zu erfüllen. Natürlich sollten alle diejenigen, die in den letzten Wochen aktiviert wurden, alle BlockiererInnen, die bereit sind, gemeinsam mit der ArbeiterInnenklasse zu kämpfen, eingeladen werden, sich an einer solchen Mobilisierung zu beteiligen.

Zu den wichtigsten Forderungen eines solchen Programms sollten gehören:

  • Rücknahme aller von Macron und Hollande eingeführten arbeiterInnenfeindlichen Gesetze: die Schwächung des Arbeitsrechts, Angriffe auf Rentenansprüche, auf Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor usw.
  • Einen Mindestlohn von insgesamt 1800 Euro pro Monat für alle.
  • Abschaffung der Mehrwertsteuer und aller Massensteuern; Erhöhung der Vermögens- und Körperschaftssteuern.
  • Die entschädigungslose Verstaatlichung von Total und tatsächlich des gesamten Energiesektors unter der Kontrolle der ArbeiterInnen.
  • Ein Programm sozial nützlicher Arbeiten zum Wiederaufbau des öffentlichen Verkehrs und der Infrastruktur, zum sozialen Wohnungsbau und zur Lösung der Umweltkrise unter der Kontrolle der ArbeiterInnen, bezahlt durch die Besteuerung der Reichen.