Heile Welt NI 197

Neue Internationale 197, März 2015

Die Masern sind zurück! Wer hätte noch vor 20 Jahren gedacht, dass sie in Deutschland eine Schlagzeile wert sein könnten oder gar jemand hier daran stirbt? Und doch ist es so. Anstatt dass die Masern u.a. „Volkskrankheiten“ ausgerottet oder zurück gedrängt wurden, nehmen sie jetzt wieder zu. Auch andere Malaisen, die schon fast als verschwunden galten, tauchen weltweit wieder vermehrt auf, z.B. Kinderlähmung.
Man kann sich dagegen natürlich auch impfen lassen. Man kann es aber auch lassen, weil man ja individuell entscheiden möchte, ob man geimpft wird oder nicht – schließlich weiß man ja als Laie auch besonders gut, was medizinisch richtig ist. Keinesfalls aber will man sich vor dem Totalitarismus a la DDR beugen, wo es die Impfpflicht gab. Auch könne man ja die Langzeitfolgen des Impfens nicht kennen. 30 Jahre DDR-Erfahrung damit reichen offenbar nicht.
Und so treffen sich die Interessen kleinbürgerlicher Egomanen mit denen des klammen Staates und der genauso leeren Kassen-Kassen, die kein Geld für Impfungen ausgeben wollen. Beerdigungen sind ja auch kostengünstiger für Staat und Kassen.
Auch Ebola wütet weiter – trotz der Bemühungen der UNO, der WHO und geschätzter 999 Organisationen und Behörden, die dagegen kämpfen. Aber genauso viele Gutmenschen-Organisationen sind ja auch gegen Krieg, Armut und Umweltzerstörung aktiv – ohne dass diese Probleme wenigstens kleiner würden. Einst wollte Mao mit tausenden Hochöfchen China zur Stahlmacht modeln. Heute sollen tausende NGOs die Welt verbessern – obwohl eine weltweite Revolution ja durchaus reichen würde.
Die Welt rückt enger zusammen – auch deren Krankheiten. Die einen nennen es Globalisierung, die anderen sagen dazu Gefängnis. Auch da muss man ja eng zusammenrücken, weil die Zellen nicht so üppig sind.
Doch leider vergessen die meisten der gutmenschelnden Weltretter die verbreitetste Epidemie: den Kapitalismus. HaHo




Heile Welt – NI 194

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HaHo, Neue Internationale 194, November 2014

Es ist oft rührend, wie sich Unternehmen um ihre Frauen kümmern. So wollen Facebook und Apple die Vereinbarkeit von Schwangerschaft und Beruf verbessern. Das sind nicht nur schöne Worte, nein, sie haben auch einen konkreten Vorschlag: Frauen sollen ihre Eizellen einfrieren lassen, um die Schwangerschaft zugunsten der Karriere hinausschieben und später die Eizellen nutzen zu können.

Damit beweist die Chefetage auch Sachkenntnis, denn die Fruchtbarkeit von Frauen nimmt ab 30 deutlich ab, und es wäre ja blöd, wenn es dann mit dem Kinderkriegen nicht mehr klappt. Vielleicht müssten sich die DAX-Konzerne dann außer um die Amortisation auch noch um die Adoption kümmern.

Mit dieser besonderen Eierei will man den niedrigen Frauenanteil in der IT-Branche steigern. Löblich, löblich. Doch vielleicht wäre es einfacher, eine Einstellungsprämie für Frauen zu zahlen, die schon entbunden haben, am besten Drillinge? So wäre die Reproduktion der IT-Branche und der Nation gleichzeitig gesichert.

Aber was passiert – wie immer -, wenn eine tolle Idee entsteht? Die Bedenkenträger treten auf den Plan. Bei der relativ neuen Technik des Eier-Einfrierens sei eine erfolgreiche Schwangerschaft nicht garantiert. Na und? Wer bei Facebook arbeitet, wird sich doch wohl auch eine Leihmutter organisieren können. Unter 10.000 Freundinnen wird doch wohl eine dabei sein.

Doch damit nicht genug der Meckerei. Auch die sozialen Folgen seien fraglich, weil sich die  Familienplanung komplett ändern und diese noch stärker ökonomischen Aspekten untergeordnet werden würde. Blödsinn, denn je später die Kinder kommen, desto später liegen sie uns auch auf der Tasche.

Das Ei-Einfrieren wird auch “Social Freezing” genannt. Eine guter Name, weil es uns einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt. Und wenn wir dann deshalb eine Erkältung kriegen und ausfallen, käme ein Anti-Viren-Programm mit angeschlossener Prämie doch ganz gut, oder?




Heile Welt – NI 196

Heile Welt

HaHo, Neue Internationale 196, Februar 2015

Die Troika ist ein Synonym für Triumvirat, eine Dreierführung. Das trifft es, denn die in Europa allgegenwärtige Troika wird ja auch von drei Spitzen geführt: vom IWF, der EU-Kommisson und äääh … Frau Merkel. Allerdings ist von Triumph nach der griechischen Wahl nur noch wenig übrig. Nachdem die drei Gäule jahrelang wie die apokalyptischen Reiter den halben Kontinent verheert haben, schauen sie inzwischen ziemlich abgehalftert aus. Und in Spanien droht mit Podemos bald neues Ungemach. Zwar tönen Roßtäuscher wie der Herr Schäuble, dass es nicht so schlimm wäre, wenn Griechenland sich aus dem Derby verabschiedet, doch das ist wohl mehr das Pfeifen im dunklen Stall.

Nicht nur, dass der Troika von Athen demnächst vielleicht weiterer Hafer verwehrt wird; selbst der Versuch von Oberdragoner Mario Draghi, dem unflotten Dreier mehr Futter zu geben, ruft Kritik hervor. Denn gehaltvolles Futter kann man nicht einfach strecken. Schon schon Goethe wußte: Getretner Quark wird breit, nicht stark. Das gilt sinngemäß auch für Währungen und Wirtschaftsräume. Wir hoffen, dass sich Super-Mario als Italiener wenigstens mit Dantes Göttlichen Komödie auskennt.

Es ist schon ein Jammer: der Parkours Europa wird immer mehr zum Hindernislauf. Kaum scheint eine Hürde übersprungen, droht die nächste. Und ringsherum global die Pferdepest. Die große Lissabon-Vision der europäischen Oberjockeys, die vorsah, Uncle Sams Hengst durch einen kräftigen Zwischenspurt zu überholen, vermodert längst hinterm schlecht ausgemisteten Stall.

Jetzt ruhen nicht alle, vielleicht noch nicht einmal viele, aber immerhin einige Hoffnungen auf Syriza. Macht Tsipras Schluss mit dem Gürtel-enger-schnallen? Reißt er den Troika-Gäulen das Zaumzeug runter oder wird wieder nur gehätschelt und getätschelt?

Was raten uns die diversen Reformer des Pferdesports? Sozialere Reiter, weichere Sättel und schöneres Zaumzeug! So soll der Alt-Gaul, der Dreibeiner, siegen!




Heile Welt – NI 181

hwHaHo, Neue Internationale 181, Juli/August 2013

Über 20 Jahre lang hatte man den Alptraum der Stasi für uns lebendig gehalten, um zu beweisen, dass einzig allein Mielkes schmierige Schnüffler die DDR zusammengehalten haben. Immer wieder wurde uns das gefährliche Bild des im Halbdunkel hockenden dumpfen Stasi-Büttels vor Augen geführt, der – umwabert von Wasserdampfwolken – heimlich Briefe öffnet. Und nun?! Der Überwachungswahn der Stasi erscheint geradezu als Witz gegenüber dem, was heute üblich ist.

Inzwischen hat sich die Technik nämlich weiterentwickelt, zum Wohle der Menschheit – und zur Freude der Geheimdienste. Ein Klick – und schon kann jeder x-beliebige Agent 008 15 Millionen Telefongespräche, Mails und SMS checken. Es ist ja bekannt, dass potentielle Attentäter vor jedem Anschlag exakte Angaben über Ort, Zeit, Menge des Sprengstoffs und Zahl der auf sie im Paradies wartenden Jungfrauen ins Netz stellen. Wer weiß, ob in Manhattan noch ein einziges Hochhaus stehen würde, wenn nicht CIA, FBI, NSA, ALDI u.a. Sicherheitsdienste auf der Hut bzw. auf dem Schlapphut wären. Ja, ganze Völkerscharen hören unsere Signale ab!

Doch wir sollten froh darüber sein! Stellt sich da nicht ein ganz neues Sicherheitsgefühl beim Bürger ein?! Bisher waren einzig die USA wirklich sicher (von den täglichen Amokläufen abgesehen). Doch zum Glück haben nun auch Briten und Franzosen ihren Abhörskandal und können sich endlich auch ganz sicher fühlen.

Nur wir Deutschen können weiter unsere schwer kranke Oma anrufen, ohne dass ein mitleidendes fremdes Ohr dabei ist. Kein Wunder, wenn Al Quaida, KGB, und Ali Baba hier Anschläge über Anschläge vorbereiten können. Bisher zogen ihre Aktivitäten ja die Berliner S-Bahn, Stuttgarts S21, den Hauptstadtflughafen BER und die Konjunkturaussichten in Mitleidenschaft. Ein Gerücht ist allerdings, dass sie auch für die schlechten Tarifabschlüsse verantwortlich wären. Dafür sind  allein die DGB-Spitzen zuständig.




Heile Welt – NI 180

hw
HaHo, Neue Internationale 180, Juni 2013

Wir haben es geahnt: Deutschland hat ein Promille-Problem – quer durch alle Klassen. Die einzige Volksfront, die je funktioniert hat. Die Oberschicht kann mit niedrigen Zahlen nicht umgehen. Der Adel ist sowieso verpflichtet. Die Mittelschicht trinkt nur zwischendurch. Und einige trösten sich mit ein paar Promille mehr im Wein über die mageren Prozente in den Umfragen hinweg, nicht wahr, Herr Brüderle?!

Unter 5 Prozent kommt niemand in den Bundestag. Und an die Tröge der Macht wollen ja alle. Obwohl wir bis dahin dachten, die Macht läge nicht in den Parlamentsreden, sondern in den Aufsichtsräten.

Wie man zumindest ins Gerede kommt, demonstriert gerade CSU-Verkehrsminister Ramsauer. Wahrscheinlich, um vom Berliner BER-Desaster abzulenken, das der forsche Bayer mit zu verantworten hat, kümmert er sich nun um die Prozente bei Radfahrern. Bekanntlich sorgen diese mit ihrer Vollrausch-Radlerei ja dafür, dass die Bevölkerungszahl in Deutschland ständig sinkt. Nun ist Deutschland Dank Ramsauer gerettet, weil die Lenker am Lenker nun nüchterner sein müssen als bisher.

Halt! Das ist total inkonsequent, ruft da die Linkspartei. Keine Kompromisse! Und radikal, wie sie nun eben ist, fordert sie: Null Promille für Radler! Das passt insofern, als die Politik der LINKEN ohnehin meist für Ernüchterung bei denen sorgt, die eher Rad als Porsche fahren.

Ernüchtert sind auch viele Gewerkschafter, wenn sie die Tarifabschlüsse sehen. Ein großer Schluck aus der Lohnpulle? Fehlanzeige! Da mag mancher denken: Wenn wir nicht flüssig sind, ist unsre Führung eigentlich überflüssig.

Doch Europa insgesamt ist flüssig. Die Reichen heulen Rotz und Wasser, weil sie – ganz überraschend feststellen, dass sie Steuern zahlen sollen. Für die Armen geht alles den Bach runter. Zeit, dass was in Fluss kommt! In diesem Sinne: Ob Uso, Portwein, Grappa oder Bier – Promillionen aller Länder vereinigt Euch!




Heile Welt – NI 179

hw

 

HaHo, Neue Internationale 179, Mai 2013

Uli Hoeneß ist ein Präsident mit Herz. Er sieht nicht nur seine Kicker ins Abseits rennen –  nein, er hat sich nun selbst dorthin begeben.

Und mit seiner Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung hat er quasi auch selber die Abseitsfahne gehoben. Darin zeigt sich der Uli erneut als ehrlicher, als großer Moralist, der auf Werte wert legt.

Leider hat er seine eigenen materiellen Werte nicht ganz korrekt angelegt. Statt dem Fiskus was abzugeben, hat sie der blau-weiße Bayer auf einem schwarzen Konto geparkt.

Doch wir sollten ihm vergeben, ihm, der so viel verdient – äh, Verdienste hat! Bei so vielen Millionen kann man schon Mal den Überblick verlieren, oder? Ganz anders als etwa die Kaisers-Kassiererin Emely, die wegen eines viele viele Cent schweren Pfandbons ihren Job verlor. Hier wird offenbar mit zweierlei Maß gemessen: die Großen fängt man, um sie dann laufen zu lassen; die Kleinen müssen gar nicht mehr laufen, weil sie gleich fliegen.

Normalerweise müsste der arme Uli nun in eine Gefängniszelle, um dort auch eine ganz neue Bedeutung des Wortes „Strafraum“ kennenzulernen.

Doch wahrscheinlich gilt er wie die Banken als „systemrelevant“. Ja, der Uli hat Glück, denn im Fußball gibt es nur eine Auswechsel- und keine Strafbank wie beim Eishockey. So wird er wohl glimpflich davon kommen – zudem die deutsche Justiz momentan genug mit Verschiebung, nämlich der des NSU-Prozesses, zu tun hat.

Anlass dafür war ja, dass türkische Medien keinen Platz im Gerichtssaal bekommen hatten. Doch wen wundert´s? Ist der deutsche Staat doch bekanntlich auf dem rechten Auge blind, so dass man gar keinen genauen Überblick über die Bestuhlung im Saal haben kann.

Es ist eben eine Klassenjustiz, würde jetzt Uli frohlocken, eine Justiz für die höchste Spielklasse – sozusagen Champions League.