Wie weiter im Kampf für einen Tarifvertrag aller studentisch Beschäftigten?

Vorschläge der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Gegenwehr! ArbeiterInnenmacht-Flugschrift für Studierende 2,  1. Februar 18

Tausende Studierende haben sich an den Streiktagen, Aktionen und Demonstrationen der letzten Wochen beteiligt. Die Warnstreiks, zu denen GEW und ver.di aufgerufen haben, zeigten erste Wirkung.

Die Gewerkschaften haben über 1000 neue Mitglieder gewonnen. Damit wurde die Basis für den Arbeitskampf unter den über 8000 studentisch Beschäftigten massiv erweitert.

Die Wirkung zeigt sich auch bei den Reaktionen der Gegenseite. Die VertreterInnen der „Kommunalen Arbeitgeber“ und die Hochschulen reagieren mit Zuckerbrot und Peitsche: einer Mischung aus Einschüchterungs- und Diffamierungsversuchen einerseits, mit „Angeboten“ an Teile der Streikenden – einen Haustarifvertrag an der TU – andererseits.

Zur Zeit scheinen die Diffamierungsversuche, Einschüchterungen und Drohungen mit disziplinarischen Schritten – zumal oft auch stümperhaft vorgetragen – die Proteste eher zu beflügeln als zu schwächen. Das kann aber von den Spaltungsversuchen nicht gesagt werden. Die Versammlungen an den Unis – also die der aktivsten Kämpfenden – haben diese zwar überall zurückgewiesen. Auch die Tarifkommission (TK) lehnt diese zur Zeit ab.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sie bei Teilen der Gewerkschaftsmitglieder oder bei der Masse der gewerkschaftlich nicht organisierten Beschäftigten nicht verfangen könnten. Manche mögen auch die Verhandlungen um das Angebot der TU als ein Druckmittel auf andere Unis begreifen – aber das kann leicht nach hinten losgehen, wenn sich der Arbeitskampf länger hinzieht und Gespräche um einen Haustarif als ein Schritt in die richtige Richtung erscheinen. Hinzu kommt, dass der Druck auf Einzelne wachsen wird, die Uni-Leitungen versuchen werden, die Studierenden wegen Ausfalls von Tutorien usw. gegen die Streikenden in Stellung zu bringen.

Wenn wir die drei Hauptforderungen – einen Stundenlohn von 14 Euro brutto, tariflich abgesicherte Vertragslaufzeiten von mindestens 4 Semestern und die Gleichbehandlung aller Hochschul-Beschäftigten bezüglich des Urlaubsanspruchs sowie dynamische Anpassung an Gehaltssteigerungen anderer Beschäftigtengruppen – für alle studentisch Beschäftigten erkämpfen wollen, wird eine Fortsetzung der bisherigen Aktionsformen nicht reichen. Zur Erzwingung unserer Ziele wird vielmehr ein unbefristeter Vollstreik notwendig sein!

Die bisherigen Aktionen haben eine sehr positive Rolle gespielt, die (potentielle) Kampffähigkeit zu steigern. Ohne sie wäre die Bewegung nicht so sehr gewachsen. Aber die aktuellen eintägigen Warnstreiks, Demonstrationen und symbolischen Aktionen werden nur bis zu einem bestimmten Punkt zu einer steigenden Mobilisierung führen können. Um die Basis für die Kämpfe auszuweiten, d. h. die unorganisierten Beschäftigten in die Gewerkschaften zu holen und für den Streik zu gewinnen, wird eine Fortschreibung der aktuellen Formen nicht reichen. Im Gegenteil, sie wird den Druck auf Abschlüsse an den einzelnen Unis erhöhen.

Nein zu allen Haustarifen! Nein zu jeder Spaltung!

Schon jetzt gibt es offen oder unterschwellig Diskussionen um einzelne Verträge, konkret um einen Haustarifvertrag an der TU Berlin. Dieser „Vorschlag“ muss zurückgewiesen werden. Die TU ist zur Zeit die kampfstärkste Universität. Dort trifft der Streik die Gegenseite, die sog. ArbeitgeberInnen am meisten. Es ist also kein Wunder, dass die dortige Hochschulleitung mit einem „großzügigen“ Angebot an die Öffentlichkeit trat.

Ein Abschluss an der TU wäre ein Schlag für die gesamte Bewegung, weil die anderen Unis und Hochschulen auf sich allein gestellt natürlich weniger durchsetzungsfähig wären und den Kampf nur schwer aufrechterhalten könnten. Am wahrscheinlichsten wäre es, dass an schlechter organisierten Unis schlechtere Tarifverträge durchgesetzt und manche Hochschulen überhaupt zu gewerkschaftsfreie Zonen würden. Doch selbst für den überaus unwahrscheinlichen Fall, dass sie ähnliche Abschlüsse wie die TU erzielen könnten, hätten die studentisch Beschäftigten danach unterschiedliche Verträge mit unterschiedlichen Laufzeiten und Friedenspflichten. Das würde einen gemeinsamen Tarifkampf für die Zukunft zusätzlich massiv erschweren.

Die negativen Auswirkungen unterschiedlicher Verträge zeigen sich schon heute, wenn wir die Lage von studentischen und anderen Beschäftigtengruppen an der Uni betrachten. Ursprünglich galt ein Tarifvertrag an den Unis auch für die studentisch Beschäftigten. Es gab daher eine gemeinsame Tarifrunde, gemeinsame Aktionen wie auch gemeinsame gewerkschaftliche Organisationsstrukturen. Der TV Stud selbst brachte eine Verschlechterung der Bedingungen gegenüber Vollzeitbeschäftigten, war aber für die Unis und deren EigentümerInnen überaus sinnvoll, weil so die Lohnkosten gesenkt werden konnten.

Eine solche Spaltung und erst recht jede weitere Zersplitterung bedeutet, dass die Arbeitskämpfe nur schwer zusammengeführt werden können. Selbst die „Arbeitgeberverbände“ sind schon heute verschieden. So wird der TV Stud mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband verhandelt, während die Masse der Uni-Beschäftigten als Landesbeschäftigte gilt, also den VertreterInnen der Länder gegenübersteht. In diesem Sinn kann natürlich auch der TV Stud III, selbst wenn alle Forderungen erfüllt würden, nur ein Schritt hin zu einem gemeinsamen Tarifvertrag sein. Die letzten Jahrzehnte verdeutlichen, wie schwer es ist, eine solche Spaltung wieder rückgängig zu machen. Daher wäre ein Haustarifvertrag – selbst wenn die TU-VerhandlerInnen ihr Angebot deutlich verbessern würden – langfristig ein enormer Rückschlag, der die Kampfbedingungen gegenüber dem aktuellen TV Stud verschlechtern würde.

Vollstreik!

Um eine solche Spaltung zu verhindern, werden jedoch Argumente und der Ruf nach Solidarität alleine nicht reichen. Um die Ziele in ihrer Gesamtheit zu erreichen, aber auch um Zögernde zu überzeugen, müssen wir auch einen Schritt vorwärts, zur Ausweitung der Aktionen machen.

Das kann nur der Erzwingungsstreik sein. An die Stelle der aktuellen Warnstreiks müssen unbefristete Streiks aller Gewerkschaftsmitglieder treten. Dazu ist eine Urabstimmung unter den Mitgliedern von GEW und ver.di notwendig und diese sollte so rasch wie möglich durchgeführt werden.

Die Urabstimmungsphase sollte von Aktionstagen und einer Kampagne zur Organisierung der Unorganisierten begleitet sein. Ein einwöchiger Warnstreik Anfang Februar könnte dazu genutzt werden. Alle studentisch Beschäftigten, die GEW oder ver.di beitreten, sollen von Beginn an das volle Streikgeld erhalten. Um die gewerkschaftlichen Strukturen zu stärken, aber auch die Basis längerfristig zu einer aktiven und demokratischen Kontrolle zu befähigen, braucht es gemeinsame gewerkschaftliche Gruppen an den Unis bzw. den einzelnen Fachbereichen oder Instituten. Die Aktiventreffen an den einzelnen Unis sollten von den Gewerkschaften als solche anerkannt werden (natürlich unter der Voraussetzung des Beitritts zu einer der beiden DGB-Gewerkschaften).

Streikversammlungen und demokratische Kontrolle

Die Aktiventreffen, hunderte Studierende, viele AktivistInnen – ob nun studentische Beschäftigte oder nicht – haben Enormes für die Entwicklung der Bewegung geleistet. Ihre Kreativität, ihr Einfallsreichtum, ihre Zuverlässigkeit waren und sind unersetzbar.

Zugleich gibt es jedoch einen merkwürdigen Dualismus zwischen diesen Strukturen und den Gewerkschaften GEW und ver.di. Deren Apparat arbeitet zwar offen mit diesen AktivistInnen zusammen und unterstützt sie. Letztlich kontrolliert er aber die Tarifbewegung der studentisch Beschäftigten. Die Tarifkommission ist zwar gewählt, über die Frage, wer die Tarifverhandlung wie führt, wer etwaige Kompromisse annimmt oder nicht, bestimmt der Apparat. So hat auch die Vollversammlung am 2. Februar an allen Berliner Unis letztlich nur eine beratende Funktion. Für die Gewerkschaften oder für die Tarifkommission ist deren Ergebnis nicht bindend. Es wäre besser gewesen, wenn diese ordentlich eingeladen worden wäre, um eine Diskussion und bindende Beschlussfassung der streikenden Gewerkschaftsmitglieder zu gewährleisten. (UnterstützerInnen hätten auch dann als Gäste mit Rederecht eingeladen werden können.)

Trotz dieser Schwäche sollte die Vollversammlungen erklären, dass ihre Beschlüsse für den weiteren Kampf bindenden Charakter haben. Sollte dort ein Haustarif abgelehnt werden, so muss dies anerkannt und nicht als bloße Empfehlung betrachtet werden. Sollte dort eine Urabstimmung für einen Vollstreik beschlossen werden, so muss das Ergebnis bindenden Charakter haben. Die VertreterInnen von GEW und ver.di müssen ohne Wenn und Aber erklären, dass sie sich an solche Beschlüsse halten und in ihren Organisationen dafür eintreten. In ver.di beispielsweise bedarf jede Durchführung einer Urabstimmung der Genehmigung durch den Bundesvorstand. Von den VertreterInnen von ver.di muss daher eingefordert werden, dass sie sich (a) für eine solche Genehmigung einsetzen (und diese am besten schon vor dem 2. Februar für den Fall des Beschlusses einholen) und (b) die Gewerkschaftsdemokratie, also das Abstimmungsergebnis, in jedem Fall respektieren und verteidigen.

Um den Vollstreik durchzuführen, braucht es auch aktive Kampfstrukturen. Die Aktivengruppen und Versammlungen an einzelnen Unis stellen eine Keimform dar, die bei einem Vollstreik ausgebaut, auf verschiedene Institute und Fachbereiche ausgedehnt werden muss.

Zugleich braucht es bei einem allgemeinen Streik regelmäßige, d. h. tägliche Streikversammlungen an den verschiedenen Universitäten. Dort wäre nicht nur der Ort für die Auszahlung des Streikgeldes, sie wären auch das Zentrum der Organisierung des Streiks: der Einteilung und Unterstützung von Streikposten für die „eigene“ Uni, aber auch zur Unterstützung anderer; der Bildung von Aktionsgruppen für die (universitäre) Öffentlichkeit; der Diskussion und Beschlussfassung über weitere Aktionen; der laufenden Information über den Stand des Arbeitskampfes sowie etwaiger Angebote der Gegenseite. Alle Verhandlungen sollten öffentlich geführt werden, also beispielsweise durch Live-Übertragung im Internet, damit sich alle Streikenden ein Bild über den Verhandlungsstand und insbesondere die Rolle der „Arbeitgeber“ machen können.

Auf den Vollversammlungen müssen auch alle wesentlichen Entscheidungen zur Streiktaktik, über Verhandlungsergebnisse gefällt werden. Sie sollten auf dieser Basis die Mitglieder der Streikleitungen und der Tarifkommission wählen, abwählen und – wenn notwendig– erneuern.

Koordinierung mit anderen Arbeitskämpfen

Um den Kampf erfolgreich zu führen, brauchen wir auch Solidarität. Das bedeutet natürlich zuerst, dass wir andere Beschäftigtengruppen an den Universitäten und die Studierenden zur Unterstützung auffordern, die Vollversammlungen und auch die Aktionsgruppen für diese öffnen. Erstens brauchen wir mehr aktive UnterstützerInnen z. B. für Streikposten an kritischen Punkten. Zweitens müssen wir auch sicherstellen, dass die Studierenden und anderen Beschäftigten an der Uni nicht durch Lügen und Halbwahrheiten gegen uns aufgehetzt oder auch nur verunsichert und daher passiv werden. Wir brauchen ihre Unterstützung – und die Teilnahme möglichst vieler erleichtert auch die Einbindung in die Aktionen.

Ebenso sollten wir die Linkspartei und die SPD – insbesondere die zahlreichen GegnerInnen einer Großen Koalition – auffordern, aktiv den Kampf für einen TV Stud zu unterstützen. Das würde nicht nur uns Studierenden im Arbeitskampf helfen, es würde den Kampf gegen die Große Koalition über die Urabstimmung hinaus stärken.

In den letzten Jahren haben verschiedene Gruppen prekär Beschäftigter (z.B. CFM in Berlin) begonnen, gegen ihre Entrechtung zu kämpfen. Wir sollten daher aktiv den Schulterschluss mit ihnen suchen, um gemeinsam der Prekarisierung Einhalt zu gebieten.

Schließlich sollten uns aber auch mit den Streikenden in der Metall- und Elektroindustrie oder mit den Tarifkämpfen im öffentlichen Dienst, die in den kommenden Monaten laufen werden, koordinieren. Die Delegationen, die Warnstreiks der IG Metall besuchten, sind ein Schritt in diese Richtung. Noch wichtiger wäre aber, dass IG Metall und ver.di ihre Streiks mit den studentisch Beschäftigten verbinden. Als ersten Schritt in diese Richtung schlagen wir einen gemeinsamen Streiktag an der Uni und in Berliner Großbetrieben vor, der in einer gemeinsamen Demonstration mündet.




Gemeinsam kämpfen für einen neuen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte!

Gegenwehr! ArbeiterInnenmacht-Flugschrift für Studierende Nr 1, Januar 18

Seit erstem Januar 2018 ist es endlich so weit! Der Tarifvertrag TV Stud II für die studentischen Hilfskräfte an den Berliner Hochschulen und Universitäten wurde aufgekündigt. Jetzt heißt es: bereit machen für den Arbeitskampf! In den kommenden Tagen und Wochen wird es zu vermehrten Arbeitsniederlegungen und Streikaktionen kommen. Wir, solidarische Studierende, studentische Hilfskräfte und ArbeiterInnen, unterstützen diesen Kampf.

Seit 2001 wurde der tariflich vereinbarte Stundenlohn für studentische Hilfskräfte von 10,98 Euro nicht erhöht. Das bedeutet einen Reallohnverlust von rund 25 % seitdem. Die Hauptforderungen der kämpfenden Beschäftigten sind folgende: Erhöhung des Stundenlohns auf 14 Euro brutto, tariflich abgesicherte Vertragslaufzeiten von mindestens 4 Semestern und Gleichbehandlung aller Hochschulbeschäftigtengruppen bezüglich des Urlaubsanspruchs sowie dynamische Anpassung an Gehaltssteigerungen anderer Beschäftigtengruppen.

Als die Hochschulen beim 5. Verhandlungstermin die Studierenden mit einer schrittweise Erhöhung auf 12,50 Euro bis 2022 (!) ohne Tarifkopplung abspeisen wollten, wurden die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Jetzt heißt es: Streik!

In den Vormonaten fand an den Berliner Hochschulen eine umfassende Kampagne zur Steigerung der gewerkschaftlichen Organisierung statt. Über 1.000 studentische Beschäftigte traten ver.di und GEW bei. Insgesamt gibt es im Land Berlin etwa 8.000 davon. Somit handelt es sich um die größte Beschäftigtengruppe an den Hochschulen. Diese Zunahme steht auch für die Einsparungen im Bildungswesen, ersetzen sie doch vielerorts Vollzeitstellen. Die Losung der Lohnanpassung und Tarifbindung ist daher elementar. Wir ergänzen diese durch: gleichen Lohn für gleiche Arbeit!

Auch rund 500 nicht-studentische Hochschulangestellte haben sich mittlerweile mit dem Arbeitskampf solidarisiert. Dies ist ein starkes Zeichen, ein Handschlag, den wir in unseren Kampf mit einbeziehen müssen. Auch in anderen Sektoren finden aktuell Tarifkämpfe und Widerstand gegen Entlassungen statt wie bei der IG-Metall oder Siemens in Berlin. In den kommenden Wochen stehen Streiks im öffentlichen Dienst an. Doch die Gewerkschaften, die all diese Kämpfe anführen, rühren hier keinen Finger und das trotz des Fakts, dass sich die TV-Stud-Initiative öffentlich mit den Arbeitskämpfen des Mittelbaus, von CFM, Amazon oder dem Botanischen Garten solidarisiert. Ein Mittel, um diese Unterstützung praktisch werden zu lassen, ist die Kontrolle der Aktionen: Streikleitung und VerhandlerInnen, die Wähl- und Abwählbarkeit der Streikführung durch die Basis. So könnten sowohl die Streiktermine durch die aktive Mitgliedschaft beeinflusst als auch eine Koordinierung der Kämpfe und eine transparente Verhandlungsführung garantiert werden. Wir fordern wir außerdem eine Urabstimmung über die Verhandlungsergebnisse und die Öffentlichmachung aller Verhandlungsschritte. So soll ein politischer Austausch über die Kampfperspektive, auch über die Warnstreiks hinaus, ermöglicht werden.

Um den Streik möglichst effektiv zu führen, ist es notwendig, dass alle nicht-studentischen Hochschulangestellten an den Streiktagen die Übernahme der Arbeit studentischer Hilfskräfte, v. a. der Tutorien, verweigern. Das ist ihr gutes Recht gegenüber den Uni-Verwaltungen, denn niemand darf zum Streikbruch genötig werden.

Außerdem schlagen wir den Aufbau von Solidaritätskomitees vor, die kollektive Unterstützung der Streiks organisieren und die StudentInnen zur Teilnahme auffordern. Es ist die Aufgabe der Hochschulleitungen, nicht unsere, den durch ihre fahrlässige Lohndrückerpolitik an einzelnen Tagen ausfallenden Forschungs- und Lehranteil auszugleichen und den Studierenden ausgefallene Stunden als geleistete anzurechnen.

Nicht Niedriglohn und prekäre Verhältnisse sind die Lösung, sondern der Kampf für die Finanzierung von Forschung und Lehre durch die Besteuerung der Profite und Vermögen ist es – kontrolliert durch die Lehrenden und studentischen Hilfskräfte.

Sollten diese Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg führen, müssen wir uns jetzt schon die Frage stellen, welche Mittel wir nutzen wollen und müssen. Als 2009 die Bildungsstreiks ihren Höhepunkt erreichten und bundesweit über 270.000 Lernende auf die Straßen gingen, kam es ebenfalls zur Besetzung mehrerer großerer Hörsäle. Ein solches Mittel ermöglicht nicht nur eine zunehmende mediale Aufmerksamkeit, sondern fördert auch die Selbstorganisierung und den breiteren politischen Austausch. Eine andere Möglichkeit bietet die Verbindung mit anderen wissenschaftlichen und technischen Angestellten der Hochschulen mit dem Ziel der kollektiven Arbeitsniederlegung, der Lahmlegung der Universität – notfalls auch unbefristet.

Doch dafür brauchen wir euch alle! Also kommt zu den Warnstreiks für einen neuen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte! Informiert euch auf der Internetseite des TV Stud über die Termine (https://tvstud.berlin/), sprecht eure KomilitionenInnen, studentische Hilfskräfte, aber auch anderes Universitätspersonal an! Gewinnt sie für den gemeinsamen Arbeitskampf, nur gemeinsam sind wir stark!




Geschichtsrevisionismus an der HU

Gegenwehr! ArbeiterInnenmacht-Flugschrift für Studierende Nr 1, Januar 18

Nicht nur in der Gesellschaft erleben wir tagtäglich die unterschiedlichen Facetten des Rechtsrucks. Auch die Bildung ist davon nicht befreit – sie kann es nicht sein. An der HU sehen wir dabei aktuell die Kampagne gegen den rechten Historiker und Geschichtsrevisionisten Jörg Baberowski, seines Zeichens Professor für Geschichte Osteuropas. Die intellektuelle Auseinandersetzung der IYSSE mit rechter Geschichtsfälschung war gut recherchiert, mutig und mit Bezug auf die Klasseninteressen von Kapital und Proletariat an den deutschen Universitäten geführt.

Dabei wurde gezeigt, wie Baberowskis Revision der NS-Geschichte und seine Nolte-Apologie integraler Bestandteil seiner Positionen zu heutigen deutschen Auslandseinsätzen und der Bereitschaft sind, moderne Kriege brutal führen zu müssen.

Damit unterscheidet sich die aktuelle Kampagne der IYSSE positiv von ähnlichen der letzten Jahre wie z. B. Münkler-Watch, denen unsere Solidarität gilt, die aber ohne fundierte Kritik am objektiven Interesse bürgerlicher Bildung, ohne Klassenbezug und tiefere Reflexion gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Motive verfasst wurden. Sie kratzten mit ihrer sprachpolitischen Kritik an der Ausdrucksweise rechter oder konservativer ProfessorInnen nur an der kommunikativen Oberfläche gesellschaftlich wirksamer Ideologien, während sie deren Zusammenspiel mit materiellen Faktoren ganz außer Acht ließen. Überzeugende Kritik und besonders jene, die klassenpolitisch wirksam sein will, muss die wirtschaftliche Lage und die damit korrespondierenden Klasseninteressen reflektieren.

Vorbildlich ist solche Kritik auch in dem Sinne, dass sie Vorbild sein kann: Baustellen in Gestalt neu-konservativer, rechter und neo-liberaler Profs gibt es zur Genüge. Und/aber sie sind nur der personifizierte Ausdruck eines Bildungs- und letztlich eines gesellschaftlichen Systems, das auf kapitalistischer Ausbeutung beruht, rassistische und sexistische Unterdrückung sowie Diskriminierung fördert. Die Verstrickung von Bildung und Lehre mit Bundeswehr und Ministerien muss nicht verwundern, wenn man reflektiert und versteht, dass der materielle Ausbeutungsmechanismus des kapitalistischen Systems sich ideologisch legitimiert, absichert und imprägniert. Kritik an rechter Ideologie muss immer ihren Bezug zum materiellen Klasseninteresse wahren und diese Ideologie als Ausdruck eines gesellschaftlichen Ganzen entschleiern, sie darf sie nicht als partikulare Frechheit stehen lassen.

Leider hat die Auseinandersetzung der IYSSE mit Baberowski in letzter Zeit an gedanklicher Schärfe verloren und die gut recherchierten, historischen Analysen sind in ihren Flugblättern einem News-Ticker ihrer juristischen Erfolge gegen Baberowski gewichen. Das ist zum einen schade, denn die Kritik rechter Theorien muss weitergetrieben werden – das Ausmaß an Salonfähigkeit eines flüchtlingsfeindlichen Rassismus, deutschen Nationalismus und Antisemitismus zeigt diese Notwendigkeit jeden Tag in den Zeitungen und Nachrichten. Zum anderen manifestiert sich die Kritik der zunächst wissenschaftlich geführten Kampagne gegen Baberowski nun, in ihrer juristischen Phase, in Gerichtsurteilen und schafft Fakten, die Baberowski, seine UnterstützerInnen in der Universitätsleitung und andere Rechte nicht ignorieren können. Um das Partikulare auf der Ebene des Allgemeinen wirken lassen zu können, das Individuum und die individuelle Kritik in ein Verhältnis zur Gesellschaft zu setzen, muss es sich auf höherer Ebene manifestieren als der des gesprochenen Wortes und des Diskurses. Das Elend des gesellschaftlich induzierten individuellen Rassismus lässt sich nur durch die Bekämpfung seiner gesellschaftlichen Ursachen ändern.

Kritik an individuellen Phänomenen einer rassistischen Gesellschaft muss sich materialisieren!




Kampf gegen die schwarz-blaue Regierung in Österreich

Gegenwehr! ArbeiterInnenmacht-Flugschrift für Studierende Nr 1, Januar 18

Am 18. Dezember wurde in Österreich die neue Regierung aus ÖVP und FPÖ angelobt. Sie ist eine toxische Mischung aus Neoliberalismus und Rassismus. Ihr Regierungsprogramm ist gespickt von fundamentalen Angriffen auf die sozialen Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung.

Was ist geplant?

An Steuersenkungen plant die Regierung eine Senkung der Abgabequote für Konzerne von bis zu 40 %, getragen durch eine Senkung der Besteuerung der Unternehmensgewinne (Körperschaftssteuer) und die Verringerung der Lohnnebenkosten. Als „Gegenfinanzierung“ ist eine massive Einsparung im öffentlichen Dienst vorgesehen. Bis zu 2,5 Mrd. Euro sollen hier allein im ersten Jahr gekürzt werden.

Gleichzeitig kündigt die Regierung eine Deregulierung des Arbeitsmarktes an: eine Erhöhung der Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich sowie eine Veränderung der Arbeitslosenversicherung gemäß dem Beispiel der Hartz-Reformen.

Für in Österreich Studierende sieht es nicht viel besser aus. Die Studierendenvertretung (ÖH) soll politisch entmündigt und Studiengebühren sollen eingeführt werden.

Für MigrantInnen und Geflüchtete sieht es besonders bitter aus. Zuwanderung soll nur dort „einfach“ sein, wo eine Nachfrage nach spezifisch qualifizierter Arbeitskraft existiert – somit soll die Migration wieder deutlicher unter dem Fokus der Kapitalverwertung stehen. Geflüchteten hingegen soll zu Beginn ihr Bargeld abgenommen werden und sie sollen lediglich Sachleistungen erhalten. Zusätzlich sollen alle Handys überprüft werden. Hier handelt es sich um einen kategorischen Terrorismusverdacht. Zusätzlich soll ihnen durch Deutsch- und Wertekurse die sog. österreichische Leitkultur aufgezwungen werden.

Doch warum?

Nach Jahren der Krise und Stagnation erlebten wir im letzten Jahr eine kleine Konjunktur in Österreich samt leichtem Rückgang der Arbeitslosigkeit, Kapitalreinvestitionen der Unternehmen und einer günstigen Kreditlage. Dies findet jedoch in einem Zeitraum zunehmender internationaler Zuspitzungen bei gleichzeitiger Schwächung des Einflusses des österreichischen Kapitals statt. Ziel der Regierung ist es somit, „wieder anschluss- und wettbewerbsfähig“ zu werden, kurzum eine massive Verbesserung der Ausbeutungsbedingungen zu erreichen. Auf der anderen Seite drückt diese Entwicklung einen zunehmenden internationalen Rechtsruck aus, der sich durch alle Teile der Gesellschaft zieht.

Hiergegen gilt es den Widerstand zu organisieren!

Am selben Tag gingen mindestens 5.500 Menschen in Wien auf die Straße. Unsere GenossInnen vor Ort organisierten hierzu zusammen mit der Jugendorganisation REVOLUTION und weiteren Kräften einen Schulstreik mit 1.500 SchülerInnen. Doch damit kann es nicht enden! Für den Januar sind weitere zentrale Protestaktionen geplant, beispielsweise am 13.1. und anlässlich des Wiener Akademikerballs. Diese Mobilisierungen müssen sich auf die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung stützen. Es braucht eine gemeinsame Aktionskonferenz der Kämpfenden, um einen gemeinsamen Fahrplan im Kampf gegen Schwarz-Blau zu beschließen.




Verwertungsgesellschaft Wort

Gegenwehr! ArbeiterInnenmacht-Flugschrift für Studierende Nr 1, Januar 18

Seit über einem Jahr wirkt die Rahmenvertragsänderung der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) nun – sie ist eine Art GEMA im Bereich Schrift. Diese schränkt unseren Zugang zu wissenschaftlichen Texten als Seminarmaterial massiv ein. Doch was ist geschehen? Bis zum 1. Januar 2017 galt, dass die Länder jeweils eine Pauschalabgabe von insgesamt 1 Millionen Euro jährlich an die VG Wort zahlen. Dies wurde nun verändert auf 0,008 € pro Seite, je LeserIn, pro Semester je Universität. Für die Universitäten kommen hierbei noch weitere versteckte Verwaltungskosten hinzu, müssen sie doch Prüfstellen aufbauen, die einen Überblick über den Semester-Seiten-Umfang der jeweiligen Universität haben.

In einem Test-Semester an Osnabrücker Hochschulen betrugen diese zusätzlichen Kosten knapp das vier- bis fünffache der Abgabe an die VG WORT selbst. Die VG Wort erhofft sich eben diese Erhöhung ihrer Gewinne, die Realität wird jedoch eher eine Reduzierung des Umfangs wissenschaftlicher Literatur auf ein Viertel bringen.

Ebenfalls läuft es auf einen massiven Mehraufwand für uns Studierende hinaus. Ob ein Zugang zu Lehrmaterial „unter der Hand“, kostenpflichtige Reader, die wir zu kaufen gezwungen sind oder lange Ausleihwartelisten in der Bibliothek. Eine Teilnehmerin von „Ideen unter Feuer“ (Diskussionsforum der Gruppe ArbeiterInnenmacht an der HU), Studentin für Sonderpädagogik, beschreibt ihre Situation „Zu Beginn des Semesters mussten wir, um an den Vorlesungen überhaupt teilnehmen zu können drei Reader für insgesamt 50 € kaufen. Online standen die Texte nicht zur Verfügung. Das war für mich eine unerwartete Zusatzbelastung.“

Doch was ist die VG Wort überhaupt?

Bei der VG Wort handelt es sich um einen privatwirtschaftlichen Verein mit zugesprochener staatlicher Rechtsfähigkeit. In ihr können sich AutorInnen und Verlage organisieren, um ihre Tantiemen zu erhalten. Bis zu 400.000 AutorInnen und 9.500 Verlage sind hier angemeldet. An Gewinnausschüttung erhalten diese zwischen 55 und 75 % dessen, was die VG Wort für sie einstreicht. Seit diesem Jahr kann es noch zusätzliche Sonderreglungen geben zwischen Verlagen und AutorInnen, die den Gewinnanteil für letztere zusätzlich reduzieren. Wir sind der Meinung, dass dies erneut zur staatlichen Aufgabe gemacht werden muss.

Und was steckt dahinter?

Zu aller erst möchten wir Folgendes klarstellen: Die VG Wort suggeriert hier dass, sie durch die Steigerung des kommerziellen Erfolgs wissenschaftlicher Literatur den Wert dieser zu steigern in der Lage sei. Falsch: Der Wert dessen misst sich, wie jeglicher, in den zur Produktion notwendigen Kosten zur Erarbeitung dessen (Arbeitszeit, Forschungskosten, Räume usw.) unter Berücksichtigung der Ausbildungskosten. Dies bestimmt den Tauschwert der Ware „Wort“ bzw. Schrift. Sie wollen vielmehr die Preise in die Höhe treiben, „gerechtfertigt“ durch die Kosten von Werbung, Vertrieb und Vervielfältigung. Vor allem in Zeiten des Internets, wo Uni-Netzwerke wie MOODLE auf schnellstmöglichem Wege Dokumente als PDF’s zur Verfügung stellen, ist mindestens die Vervielfältigung witzlos.

Ebenfalls erleben wir hier die zunehmende Tendenz der Scheinselbstständigkeit von WissenschaftlerInnen, in den meisten Fällen sich in Angestelltenverhältnissen, kurzum Lohnarbeitsverhältnissen, befindend. Hier zeigt sich auch der Charakter bürgerlicher Wissenschaft deutlicher. Eigentlich erfüllt sie ein gesellschaftliches Interesse, jedoch von zunehmender Kommerzialisierung betroffen, diese Kosten tragen hier die KonsumentInnen und LeserInnen, und weniger jene, die hierdurch Produktions- und Wissensvorteile in Extra-Profite umschlagen können. Das macht klar, dass der Wissenschaftssektor vielmehr ein besonderer Bereich der Wirtschaft ist, in dem wir viel mehr dem Bedürfnis der Profitmache untergeordnet werden.

Man könnte dem jetzt entgegnen: Es braucht eine besondere Entlohnung, da WissenschaftlerInnen besondere Genies sind. Unserer Auffassung nach ist es der Grad gesellschaftlicher Entwicklung von dem aus sie ihre Theorien entwickeln können und es ist auch der Grad gesellschaftlicher Produktivität, der sie von der grundlegend gesellschaftlich notwendigen Arbeit in der Lage ist freizustellen. Erst von diesem Standpunkt aus bewegt sich die wissenschaftliche „schöpferische Kraft“, somit ist die individuelle „Kraft“ an erster Stelle eine gesellschaftliche.

Für uns ist somit auch klar, woher die Gelder die die Wissenschaft benötigt kommen müssen. Dort her, wo sie unmittelbar zur Profitsteigerung beitragen, von den Profiten der Banken und Konzerne. Die Liste an Beispielen ist hierfür endlos, wie das Internet oder Formen wissenschaftlicher Betriebsführung. Die VG Wort Reform versucht diese Kosten jedoch den Studierenden und dem Staat überzuhelfen. Die Reform ist somit eine von vielen indirekten Versuchen unliebsame Mehrkosten auf unseren Rücken abzuwälzen. Aus unserer Perspektive unterstreicht dies die Notwendigkeit, der Zusammenführung von Streiks aus produktiven und reproduktiven Sektoren, eine Forderung, die wir an die kommenden Arbeitskämpfe in unseren Unis stellen.